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Anmerkungen zum Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 06.06.05

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<strong>Anmerkungen</strong> <strong>zum</strong> <strong>Beschluss</strong> <strong>des</strong> <strong>Verwaltungsgerichts</strong> <strong>vom</strong> <strong>06.06.05</strong><br />

1. Gründungsfehler:<br />

Die Auffassung <strong>des</strong> Gerichts, dass die fehlerhafte Gründung <strong>des</strong> AZV Salza nicht<br />

mehr anfechtbar ist, kommt nicht unerwartet. Auch RA Mägel hat schon auf die<br />

Problematik dieses Argumentes hingewiesen. Dennoch wäre eine andere<br />

Beurteilung rechtlich durchaus vertretbar gewesen. Das Gericht meint, die Mängel<br />

bei der Zwangsgründung seien nicht so schwerwiegend gewesen, dass die<br />

Gründung als nichtig betrachtet werden müsste, <strong>zum</strong>al die betroffenen<br />

Gemeinden die Vereinigung letztendlich selber gewollt hätten. Mit anderen<br />

Worten: Da wo ein politischer Wille ist, setzen wir die formellen Erfordernisse mit<br />

leichter Hand außer Kraft. Diese Auffassung dürfte vor allem politischer<br />

Opportunität geschuldet sein. Denn wenn der Verband als nicht existent<br />

festgestellt worden wäre, dann hätte dieses zu erheblichen politischen<br />

Verwerfungen geführt. Das Gericht wollte dies sicherlich vermeiden.<br />

2. Bekanntmachungsfehler<br />

Die Ausführungen <strong>des</strong> Gerichts sind hier sehr unbefriedigend.<br />

Zum einen geht das Gericht mit keinem Wort auf unser Argument ein, dass die<br />

Veränderung der Bekanntmachungsregeln <strong>des</strong> AZV womöglich unwirksam war,<br />

weil bei der Veröffentlichung der entsprechenden Änderung der Verbandsatzung<br />

eine Bekanntmachungsanordnung <strong>des</strong> Vorsitzenden nicht beigefügt war, <strong>zum</strong><br />

anderen sind die Argumente <strong>des</strong> Gerichts auch in der Sache schwach.<br />

Das Gericht ist der Auffassung, dass die Veröffentlichung im Wochenspiegel<br />

ausreichend ist. Es sei dem Bürger zu<strong>zum</strong>uten, Anzeige für Anzeige<br />

durchzugehen, um evtl. Veröffentlichungen <strong>des</strong> AZV Salza zu finden. Angesichts<br />

von „Größe und Aufmachung“ der Anzeige „unter der fett gedruckten Überschrift<br />

‚Öffentliche Bekanntmachung’ “ sei davon auszugehen, dass eine Kenntnisnahme<br />

in <strong>zum</strong>utbarer Weise ermöglicht wurde.<br />

Diese Auffassung halte ich für bedenklich. Denn alle anderen Anzeigen<br />

versuchen doch auch, durch Größe und Aufmachung und fett Gedrucktes auf sich<br />

aufmerksam zu machen. Die Überschrift bei den Veröffentlichungen <strong>des</strong> AZV ist<br />

weder besonders fett noch besonders gross. In der Ausgabe Merseburg/Querfurt<br />

zB sind ALLE umliegenden Anzeigen wesentlich fetter und größer und präsenter<br />

dargestellt. Der Schriftgrad <strong>des</strong> Anzeigentextes ist mit 6 oder maximal 7 sogar<br />

un<strong>zum</strong>utbar klein, viel kleiner als in allen anderen Anzeigen und von vielen<br />

älteren Lesern nicht mehr entzifferbar. Die Anzeige <strong>des</strong> AZV ragt also nicht etwa<br />

durch Größen und Aufmachung besonders heraus, sondern fällt allenfalls durch<br />

besondere Zurückhaltung auf. Wir haben diese Anzeige trotz konkreter Suche<br />

daher anfangs mehrfach übersehen und waren <strong>des</strong>halb eine Zeit lang der<br />

Auffassung, es habe gar keine Veröffentlichung gegeben, bis wir <strong>vom</strong> AZV eine<br />

Kopie erhielten. Das Gericht setzt sich nicht mit der Entscheidung <strong>des</strong> VG Dessau<br />

auseinander (VG Dessau, LKV 1999, 366 ff) und auch nicht mit der Entscheidung <strong>des</strong><br />

VG Meiningen (LKV 1997, 181 ff.).


3. Problem <strong>des</strong> § 6 d KAG (Bürgerbeteiligung)<br />

Die Meinung <strong>des</strong> Gerichts, dass die fehlende Bürgerbeteiligung nicht zur Ungültigkeit der<br />

Satzung führt, kommt nicht überraschend. Das Gericht lässt offen, ob diese Bestimmung<br />

überhaupt auf das Leitungsrecht anwendbar ist, was ja von der Gegenseite bestritten<br />

wurde. Etwas witzig ist dann die folgende Argumentation <strong>des</strong> Gerichts:<br />

„Die unterbliebene und nicht nachgeholte Beteiligung wirkt sich auf die<br />

Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung nicht aus. Der Beitragspflichtige hat in<br />

einem solchen Falle allenfalls einen in einem gesonderten Verfahren<br />

durchzusetzenden Anspruch auf Herabsetzung der Beiträge“<br />

Hmmhh..Ja, und? Ist das nicht genau das, was wir wollen? Wenn ein Anspruch<br />

auf Beitragssenkung besteht, wieso wirkt sich dann die nicht nachgeholte<br />

Beteiligung der Bürger nicht auf die Beitragsfestsetzung aus? Das Gericht meint,<br />

dass eine solche Beitragssenkung nur in einem gesonderten Verfahren<br />

stattfinden könne, welches von der Kommunalaufsicht geführt wird, die zu prüfen<br />

hat, ob eine Senkung in Betracht kommt, weil der Verband möglicherweise die<br />

Kosten falsch kalkuliert hat oder zu hohe Kosten produziert hat.<br />

4. Vollgeschoßmaßstab<br />

Die Ausführungen <strong>des</strong> Gerichts hierzu waren nicht anders zu erwarten. Allerdings<br />

scheint das Gericht durchaus aufgeschlossen gegenüber unserer Argumentation<br />

zu sein, dass wegen <strong>des</strong> demographischen Wandels und anderer Faktoren sich<br />

eine objektive Nutzlosigkeit größerer Flächen ergebe. Das Gericht meint dazu, es<br />

könnte dem Satzungsgeber nicht „gerechtere oder vernünftigere“<br />

Verteilungsmaßstäbe vorschreiben, solange der gewählte Maßstab noch<br />

einigermaßen vertretbar erscheint.<br />

Wir haben hauptsächlich gegen diesen Maßstab argumentiert, um dem Gericht<br />

aufzuzeigen, dass die sich anbahnende Rechtsprechung zu den<br />

Vollgeschoßziffern absurd ist und dass niedrigere Geschoßzahlen aufgrund der<br />

immanenten Ungerechtigkeit <strong>des</strong> Vollgeschoßmaßstabes absolut gerechtfertigt<br />

sind.<br />

5. Tiefenbegrenzung im Innenbereich<br />

Das Gericht hält es für zulässig, die Tiefenbegrenzung im Innenbereich entfallen<br />

zu lassen. Es geht hierbei leider nicht auf unser Argument ein, dass der AZV aus<br />

sachfremden Erwägungen heraus auf diese Tiefenbegrenzung verzichtet hat, weil<br />

er der falschen Auffassung war, er könne aus rechtlichen Gründen im<br />

Innenbereich diese Tiefenbegrenzung nicht beibehalten.<br />

Das Gericht wollte die Frage, ob möglicherweise das Problem<br />

„Überschwemmungsgebiete“ zur Einführung der Tiefenbegrenzung im<br />

Innenbereich zwingt, nicht im summarischen Verfahren entscheiden, sondern will<br />

de Prüfung dieser Frage dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Es neigt<br />

anscheinend zur Auffassung, dass das Problem der Überschwemmungsgebiete<br />

über § 3 der Beitragssatzung geregelt werden kann. Dort steht im Grunde nur,<br />

dass nur Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen, die bebaut worden sind<br />

oder bebaut werden dürfen. Das Problem ist aber, dass<br />

Überschwemmungsgebiete auch dort ausgewiesen sind, wo schon Bebauung<br />

vorhanden ist. Wir werden im Hauptsacheverfahren entsprechend argumentieren<br />

müssen.


6. Fehlende Kalkulation bei <strong>Beschluss</strong>fassung<br />

Die Auffassung <strong>des</strong> Gerichts zur Frage, ob der Verbandsversammlung bei<br />

<strong>Beschluss</strong>fassung über die Beitragssatzung eine rechtsgültige Kalkulation<br />

vorgelegen haben muss, unterscheidet sich diametral von der Auffassung die<br />

dasselbe Gericht und andere Gerichte in Sachsen-Anhalt noch vor wenigen<br />

Jahren vertreten haben. Damals hat man mit beredten Worten ausführlich<br />

dargelegt, warum es aus rechtsstaatlichen Gründen zwingend geboten ist, dass<br />

der Versammlung eine vollständige und richtige Kalkulation vorgelegt wird, weil<br />

nur eine solche Kalkulation die Versammlung befähigt, eine sachgerechte<br />

Entscheidung über Deckungsgrade und Beitragsregelungen zu finden.<br />

“ VG Halle, Urt. <strong>vom</strong> 12.09.2000, AZ: 4 A 199/00:<br />

„Dem Gemeinderat, bzw der Verbandsversammlung muss daher bei der Beschussfassung eine<br />

ordnungsgemäße Beitragskalkulation vorliegen, da nur auf dieser Grundlage eine verantwortliche<br />

Entscheidung über die mit dem Beitragssatz verbunden Höhe <strong>des</strong> Deckungsgra<strong>des</strong> getroffen werden kann.“<br />

Nun soll dies alles nicht mehr gelten. Aus politischen Opportunitätsgründen<br />

verweist man auf eine sich inzwischen in Sachen-Anhalt durchsetzende<br />

„Ergebnisrechtsprechung“, die es genügen lässt, wenn sich irgendwann einmal,<br />

der von der Versammlung beschlossene Beitragssatz als irgendwie richtig<br />

erweist. Leider deckt die neuere Rechtsprechung <strong>des</strong> BVerwG diese neue<br />

Tendenz der Justiz.<br />

Die neue Kalkulation als solche wird aber <strong>vom</strong> Gericht nicht geprüft. Diese<br />

Prüfung müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Das Gericht<br />

macht es sich hier nach meiner Auffassung zu einfach. Denn wir haben auf sehr<br />

offenkundige Widersprüche in dieser Kalkulation hingewiesen, die ins Auge<br />

springen und die von der Gegenseite nicht entkräftet werden konnten. Immerhin<br />

handelt es sich bei der Statistik <strong>des</strong> statistischen Lan<strong>des</strong>amtes um ein amtliches<br />

Papier, das in diametralem Gegensatz zu den Feststellungen <strong>des</strong> AZV steht. Und<br />

die Widersprüche in dem Zahlenmaterial <strong>des</strong> AZV bei den vereinnahmten<br />

Fördermitteln per 31.12.2002 sind offenkundig. Man kann nicht im Jahre 2003 in<br />

der Kalkulation feststellen, dass man per 31.12.2002 Fördermittel in Höhe von 31<br />

Mio € erhalten habe, und 2004 plötzlich in einer neuen Kalkulation behaupten, es<br />

seien nur 25 Mio gewesen. Ganz zu schweigen von den unerklärten<br />

Flächenverlusten. Dem Gericht ist dies alles für das summarische Verfahren zu<br />

kompliziert und will die Prüfung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Hier sind<br />

wir weiterhin optimistisch. Denn auch die neue Kalkulation <strong>des</strong> AZV unterschlägt<br />

die Einnahmen, die der Verband in den Altverbänden „Westliche Saaleaue“ und<br />

„Salzatal“ für Hausanschlusskosten erzielt hat. Man bringt in die<br />

Gesamtkalkulation alle GesamtKOSTEN aus der Vergangenheit ein, nicht aber<br />

die Einnahmen die für die Hausanschlüsse erzielt wurden. Damit finanzieren wir<br />

diese nochmals über unsere Beiträge mit. Ich kann mir beim besten Willen nicht<br />

vorstellen, dass diese Kalkulation <strong>vom</strong> Gericht akzeptiert wird, auch wenn man<br />

bei der <strong>Verwaltungsgerichts</strong>barkeit vor Überraschungen nie sicher ist.<br />

Voraussetzung wäre, dass das Gericht die Kalkulation erstmal kapiert und dann<br />

unsere Argumente nachvollziehen kann. Für Argumentationshilfen wäre ich daher<br />

stets dankbar.<br />

7. Verstoß gegen den Gleichheitssatz.<br />

Das Gericht verneint einen Verstoß. Der Verband müsse stets die Freiheit haben,<br />

sein Satzungswerk anzupassen. Eine andere Auffassung liefe darauf hinaus,<br />

dass einmal getroffene Regelungen nie mehr verändert werden könnten. Das


Gericht bestätigt damit eine Rechtsprechung, die sich im Westen entwickelt hat,<br />

als Gemeinden und Verbände über mehrere Jahrzehnte (oft 40 bis 60 Jahre)<br />

hinweg Satzungswerk schufen und sukzessive veränderten.<br />

Diese Auffassung geht aber an der aktuellen Wirklichkeit vorbei. Es wurde im<br />

Verfahren darauf hingewiesen, dass hier eine ganz spezielle Problematik besteht.<br />

Es geht hier doch darum, dass in einem vergleichsweise sehr kurzen, kompakten<br />

Zeitabschnitt für ein überschaubares Gesamtgebiet eine Ersterschließung in<br />

einem Zug durchgeführt werden sollte. Es geht darum, dass erst kurz vor dem<br />

Ende dieser auf 10 bis 15 Jahre veranschlagten Maßnahme die Bedingungen der<br />

Umlegung der Kosten <strong>zum</strong> Nachteil der restlichen 30 % auf drastische Weise<br />

verändert wurden. Dieses würde für sich alleine vielleicht als Argument noch nicht<br />

reichen. Wenn aber berücksichtigt wird, dass die Veränderung teilweise mit<br />

sachfremden und rechtsirrigen Auffassungen begründet wurde, dann stellt sich<br />

schon die Frage, ob hier nicht der Gleichheitssatz verletzt ist. So wurde zB auf die<br />

Tiefenbegrenzung im Innenbereich einzig und allein aus dem Grund verzichtet,<br />

weil der Verband der Auffassung war, hierzu aus rechtlichen Gründen verpflichtet<br />

zu sein! Einen anderen sachlichen Grund gibt es nicht! Inzwischen hat der<br />

Verband selbst eingesehen, dass diese Auffassung unzutreffend ist, weil das<br />

OVG Magdeburg hierzu seit einigen Jahren ausdrücklich den Weg freigemacht<br />

hat trotz mancher entgegenstehender Rechtsprechung in anderen<br />

Bun<strong>des</strong>ländern. Das Gericht zuckt hier nur mit den Schultern und lässt die<br />

betroffenen, benachteiligten Bürger im Regen stehen. Damit wird einer<br />

willkürlichen Differenzierung durch die Verbände Tür und Tor geöffnet. Die<br />

Auffassung <strong>des</strong> Gerichts trägt nun nicht gerade dazu bei, das Verständnis der<br />

Bürger für die Verwaltungsjustiz zu wecken. Wir werden diesen Punkt daher auch<br />

im weiteren Verfahren thematisieren.

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