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Mit dem Zug von Toronto nach Vancouver, ein ... - Travel Tele

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<strong>Toronto</strong>, Samstag, 22 Uhr: Der «Canadian» mit Ziel Vancou-ver hat Verspätung. Zwei Stunden. Niemand wartet gerneStunden auf den <strong>Zug</strong>. Schon gar nicht in <strong>Toronto</strong>s UnionStation. Die sieht zwar imposant aus, bietet <strong>dem</strong> Passagierjedoch kaum Möglichkeiten, die Zeit totzu schlagen. Cafés?Shopping? Fehlanzeige.Hinten im Gebäude liegt er, der Raum des Schauderns,sprich: der Wartesaal <strong>von</strong> Via Rail, der Betreiberin desCanadians, der <strong>von</strong> <strong>Toronto</strong> <strong>nach</strong> <strong>Vancouver</strong> fährt. Einespärlich beleuchtete, mit abgenützten violett-blau-braunenSesseln bestückte Lounge lässt Schlimmes erahnen.Wenn schon die Lounge derart unwirtlich wirkt, wie sieht’sdann erst im <strong>Zug</strong> aus? «Ah, Sie sind der Passagier aus derSchweiz. Willkommen im Canadian», grüsst der <strong>Mit</strong>arbeiter,der die Tickets kontrolliert. «Switzerland ... so lovely»,schwärmt er. «Das Land der Eisenbahn, right?» Ja, entgegnetder Schweizer Passagier leicht gereizt. Und wissen Siewas? Bei uns ist sie sogar pünktlich!<strong>Mit</strong> <strong>ein</strong>er Verspätung <strong>von</strong> zwei<strong>ein</strong>halb Stunden geht es dann<strong>nach</strong> <strong>Mit</strong>ter<strong>nach</strong>t endlich los. Boarding Time. Hoppla, <strong>von</strong>aussen ganz schick, dieser silbern schimmernde Stahlzugaus den 50er-Jahren. Dennoch: Jetzt nur ins Bett. Todmüdesucht man s<strong>ein</strong>e Kabine, bis der persönliche Steward Danvorbeischaut, grüsst, <strong>ein</strong>en guten Aufenthalt wünscht undanfügt: «Sir, im Speisewagen gibt’s <strong>ein</strong>en Welcome-Drink.Champagne!» Ein Drink? Yes, please!Leicht angesäuselt landet man am Ende im gigantischgrossen Kabinenbett. Für <strong>von</strong>engen Verhältnissen gegeisselte Europäer<strong>ein</strong> herrlich ungewohntes Gefühl.Tag 1 im <strong>Zug</strong>1Start in <strong>Toronto</strong>, UnionStation: <strong>Mit</strong> grosserVerspätung geht’s <strong>nach</strong><strong>Mit</strong>ter<strong>nach</strong>t los.21Das erste Frühstück steht an.Doch zuvor verführt der Blick aus<strong>dem</strong> Fenster: Sonnenaufgang in Ontario, wo es <strong>von</strong>Wäldern, kl<strong>ein</strong>en Seen und Bächen wimmelt. Häuser? Nurwenige. Selbst in der deutlich bevölkerungsreichsten ProvinzKanadas gibt die unberührte Natur den Takt vor. Berauscht<strong>von</strong> dieser atemberaubenden Landschaft, will man den Liebstendaheim gleich etwas online «posten». Doch k<strong>ein</strong>e Verbindung.K<strong>ein</strong> Netz. K<strong>ein</strong> Facebook. Die totale Funkstille. Wiebitte? 2012? In der 24-Stunden-Informationsgesellschaft?Hätte man das Flugzeug genommen, wäre man längst in<strong>Vancouver</strong>, könnte an der Beach spazieren gehen und dieLeute daheim mit <strong>ein</strong>em MMS <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> anderen bombardieren.Stattdessen ist man noch nicht mal am ersten ZwischenstoppHornepayne angekommen, 276 Meilen westlich <strong>von</strong><strong>Toronto</strong>. Wieso also der <strong>Zug</strong>?Sinhead, so nennt sie sich, ist Kunststudentin aus <strong>Toronto</strong> undbeantwortet die Frage. Sie sitzt gegenüber am Frühstückstischund zeigt zum Fenster. «Haben Sie genug Wörter aufDeutsch, um dieses Wunder da draussen zu beschreiben?»Sie schaut jetzt ernst. Sie sind stolz auf ihre Natur, die Kanadier.Sie reden oft darüber. Sehr oft. Fast zu oft.Aber Sinhead hat natürlich recht. Die gigantische Weitedieses Landes fesselt das Auge und entspannt die Pupillen.Eine Kulisse wie gemalt, die <strong>ein</strong>em sagen will: Mach malPause, Alter, komm runter. Langsam dämmert es <strong>dem</strong>Stress europäer. Ein <strong>Zug</strong> als Statement der Gemächlichkeit,zur Entschleunigung. Anschauen, staunen, durchatmen.FOTOS: VIA RAIL CANADA, PRISMA (4), SHUTTERSTOCK (2), 123RF


5Die Rockies sindin Sichtweite:Jasper NationalPark, Alberta.3Erster längererAufenthalt: Winnipegin Manitoba.4Weiter geht esdurch Saskatchewan.Hollandlässt grüssen.6British Columbia:<strong>nach</strong> den RockyMountains runter<strong>nach</strong> <strong>Vancouver</strong>.WISSENSWERTESAnreise/BuchungTägliche Direktflüge mit Air Canada <strong>von</strong> Zürich<strong>nach</strong> <strong>Toronto</strong>. Infos: www.aircanada.com. Informationenzur Buchung <strong>Zug</strong> & Flug: CRD International,Hamburg. www.crd.de, telefonischeBeratung: 0049 40 30061670. E-Mail: info@crd.de«Canadian»: Preise/KlassenHochsaison (1. Juni bis ca. <strong>Mit</strong>te Oktober): ObereLiege: ca. 880 Franken. Untere Liege: ca. 1000Franken. Doppelschlafabteil: ca. 1300 Franken/Person. Nebensaison: Obere Liege: ca. 800 Franken.Untere Liege: ca. 930 Franken. Doppelschlafabteil:ca. 1200 Franken/Person.Im Preis <strong>ein</strong>geschlossen sind drei Mahlzeiten proTag plus <strong>Zug</strong>ang zum Panoramawagen. Das Essenist exquisit. Reichhaltiges Frühstück, leichtes<strong>Mit</strong>tagessen und abends <strong>ein</strong> Menü mit drei Variationen.Zusätzlich Gratis-Kaffee und Tee imSalonwagen. Alkoholische Getränke kosten extra.Edler Stahlzug ausden 50er-Jahren:The Canadian.20


natur / reiseDer <strong>Zug</strong> durchquert nun die Provinz Manitoba und macht<strong>ein</strong>en vierstündigen Halt in Winnipeg. Da<strong>nach</strong> geht’s weiterRichtung Saskatchewan, der dritten Provinz auf der Strecke– etwa so gebirgig wie Holland und so abwechslungsreichwie das TV-Programm <strong>von</strong> Star TV. <strong>Zug</strong>begleiter Dan schautvorbei und fragt, ob alles okay sei. Der 30-Jährige fährt seitvielen Jahren auf dieser Strecke. Er schenkt sich Kaffee <strong>ein</strong>.«Eigentlich ist es fast <strong>ein</strong> Wunder, dass es den Canadianüberhaupt noch gibt», erzählt er. «Denn in <strong>ein</strong>em Autolandwie Kanada war <strong>Zug</strong>fahren lange Zeit etwas für Ewiggestrige,Ökoromantiker. Die Priorität galt <strong>dem</strong> Individualverkehr,nicht den defizitären <strong>Zug</strong>strecken.»1978 kam der Schock und gleichzeitig die Rettung: DieCanadian Pacific Railway beschloss, den nichtprofitablenPersonenverkehr <strong>ein</strong>zustellen und sich auf den lukrativenGüterverkehr zu konzentrieren. Aufgeschreckt <strong>von</strong> dieserEntscheidung, sprang die Regierung in Ottawa <strong>ein</strong> undgründete die neue Gesellschaft Via Rail, zu der auch derCanadian gehörte. Dan: «Ohne das Geld vom Staat wäre<strong>ein</strong> Stück Kanada verlorengegangen.»Die Hilfe hat sich gelohnt. Seit <strong>ein</strong>igen Jahren steigen dieZahlen wieder, Touristen <strong>von</strong> überall nutzen den Canadian,Einheimische und Studenten ebenso. Laut Dan wird der<strong>Zug</strong> «zu den Gewinnern der Zukunft gehören: je stärker dieBenzinpreise steigen, desto eher».Fünf Stunden ist der Canadian bis jetzt hinter <strong>dem</strong> offiziellenZeitplan. Leise Enttäuschung macht sich bei den Einheimischenim <strong>Zug</strong> breit, da der ihrer M<strong>ein</strong>ung <strong>nach</strong> schönsteAbschnitt der Strecke <strong>von</strong> der anbrechenden Dunkelheit bedrohtist: die Rocky Mountains. Die Provinz Alberta kündigtden Wandel vom flachen zum gebirgigen Gelände an.Tag 2 und 3Und dann, nahe der Grenze zur ProvinzBritish Columbia, zeigt die Natur ihrimposantestes Bühnenbild: die Rockies.Statt <strong>Mit</strong>tag ist es nun bereits später Nachmittag,der Aufenthalt im Dorf Jasper wirddeshalb auf <strong>ein</strong>e Stunde gekürzt. Aber rich-tig sauer ist k<strong>ein</strong>er. Dafür ist man <strong>ein</strong>fach zulocker drauf – der Weissw<strong>ein</strong> im Salonwagenhat s<strong>ein</strong>e Wirkung nicht verfehlt. Während diemeisten Passagiere fasziniert die vom Abendrotbeleuchteten Bergketten betrachten, bleibtder Mund des Schweizer Gastes für <strong>ein</strong>malgeschlossen. K<strong>ein</strong> Wunder, sieht ja aus wie beiuns in den Alpen.Nach <strong>ein</strong>er letzten langen Nacht zwischenSpeise- und Salonwagen ist es endlich so weit:Die Westcoast-Metropole <strong>Vancouver</strong> grüsst amMorgen des vierten Tages mit <strong>ein</strong>er für sie typischenGeste: Regen. Time to say goodbye – dieCommunity trennt sich. Vier Tage liegen hinteruns.Vier Tage Entschleunigung. Vier Tage <strong>nach</strong><strong>dem</strong> Motto: Der Kluge ruht im <strong>Zug</strong>e.Die meisten Passagiere bleiben <strong>ein</strong> paar Tage in<strong>Vancouver</strong>. Da<strong>nach</strong> geht’s wieder zurück <strong>nach</strong> <strong>Toronto</strong>.Praktisch alle nehmen das Flugzeug. Ab undzu mag man es auch gern wieder etwas schneller.7Der Speisewagen:Top-Küche im elegantenAmbiente.Ziel erreicht: Nachvier Tagen grüsstdie Westküstenstadt<strong>Vancouver</strong>.FOTOS: GETTY IMAGES (2), LAIF, PRISMA (2), GION STECHER, VIA RAIL CANADA (2), SHUTTERSTOCK (2), 123RF, PD21

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