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Landeszentrale für politische Bildung Bremen - Denkort Bunker ...

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Und dann sah ich die Kolonne kommen, eine Kolonne KZ-Häftlinge. Die wurden dazu gezwungen, Marschlieder zu singen: Ich meine, das muss die ganze Bevölkerung ja gewusst haben: Das sah natürlich wie ein Geisterzug aus. Sie können sich vorstellen, die KZler, 1944 mit ihrem Essensgeschirr da an der Seite baumeln, Holzschuhe oder was sie<br />

da gerade anhatten, schlecht gekleidet. Das Bild passte überhaupt nicht zu dem, was sie gesungen haben und wie sie gesungen haben. Das war grotesk.« Herr F. »Das war alles so geheim und so still und so eben, das durfte alles, das musste alle<br />

irgendwie negiert werden, was man sah. Man durfte das alles nicht sehen. Das wurde einem so, so schleichend beigebracht. Das seht ihr nicht, das wisst ihr nicht, was das ist.« Frau E. »Mal was zugesteckt? - Nee, das hab ich nicht gemacht … i<br />

<strong>Denkort</strong><br />

<strong>Bunker</strong><br />

Valentin


Seite 02<br />

Seite 03<br />

Seite 04<br />

Seite 09<br />

Seite 26<br />

Seite 27<br />

<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin / Marinerüstung und Zwangsarbeit<br />

Inhalt<br />

Impressum<br />

Vorwort<br />

Daten zur Rüstung und Zwangsarbeit in <strong>Bremen</strong>-Nord/Schwanewede<br />

Marc Buggeln:<br />

Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz<br />

von Zwangsarbeitern und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

Literatur zur Geschichte des <strong>Bunker</strong>s Valentin<br />

Weitere Angebote zur Ausstellung ›<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin‹<br />

Seite<br />

01


Seite<br />

02<br />

Impressum<br />

© 2007<br />

<strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong> <strong>politische</strong> <strong>Bildung</strong> der Freien Hansestadt <strong>Bremen</strong><br />

Osterdeich 6<br />

28203 <strong>Bremen</strong><br />

Gestaltung: David Lindemann<br />

Herstellung: Meiners Druck OHG, <strong>Bremen</strong>


<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin / Marinerüstung und Zwangsarbeit<br />

Vorwort<br />

Einladung an die Multiplikatoren <strong>politische</strong>r und historischer <strong>Bildung</strong><br />

Die <strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong> <strong>politische</strong> <strong>Bildung</strong> lädt Sie sehr herzlich ein, mit Ihren<br />

Klassen und <strong>Bildung</strong>sgruppen die Ausstellung ›<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin –<br />

Marinerüstung und Zwangsarbeit‹ zu besuchen.<br />

Die Vermittlung von Wissen über die Zeit des Nationalsozialismus ist zu Recht<br />

selbstverständlicher und notwendiger Bestandteil <strong>politische</strong>r <strong>Bildung</strong> und<br />

Erziehung in der und zur Demokratie.<br />

Für heutige Schüler(innen)generationen wird die historische Distanz zum Nationalsozialismus<br />

nicht mehr dadurch überbrückt, dass Eltern oder Großeltern<br />

von ihren eigenen Erfahrungen erzählen. Der Übergang von der Zeitgeschichte<br />

zur Geschichte ist <strong>für</strong> sie abgeschlossen, sie erleben den Nationalsozialismus<br />

ausschließlich als Geschichte. Die Notwendigkeit, über <strong>politische</strong> Ziele und<br />

Methoden des Nationalsozialismus aufzuklären, hat sich allerdings keineswegs<br />

verringert, eher im Gegenteil. Es ist deshalb üblich geworden, im Laufe der<br />

Schulzeit Orte aufzusuchen, die heute noch etwas vom Gewaltcharakter des<br />

nationalsozialistischen Regimes nachvollziehen lassen.<br />

Ein solcher Ort ist der <strong>Bunker</strong> Valentin. Errichtet in knapp zwei Jahren Bauzeit<br />

von Tausenden von Zwangsarbeitern als vermeintlich bombensichere Produktionswerft<br />

<strong>für</strong> ein neues U-Boot <strong>für</strong> den Zweiten Weltkrieg, kreuzen sich hier<br />

wichtige Entwicklungslinien der nationalsozialistischen Politik: Eroberungspolitik<br />

gegenüber den europäischen Nachbarn, Zwangsarbeitspolitik und Rassismus,<br />

aber auch technische Modernität <strong>für</strong> Krieg und Herrschaftssicherung.<br />

Die <strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong> <strong>politische</strong> <strong>Bildung</strong> hat zusammen mit der Stiftung<br />

niedersächsische Gedenkstätten, dem Verein ›Geschichtslehrpfad Lagerstraße<br />

e.V.‹ und dem Verein ›Erinnern <strong>für</strong> die Zukunft e.V.‹ die Geschichte dieses<br />

Projekts aufgearbeitet und in Form einer Ausstellung zugänglich gemacht.<br />

Die zentralen Kapitel der Ausstellung sind U-Boot-Krieg und U-Boot-Rüstung,<br />

der <strong>Bunker</strong>bau und Zwangsarbeit, die Bevölkerung der umliegenden Ortschaften,<br />

das Ende des Bauprojekts und die Auflösung der Lager, Verschweigen<br />

und Erinnern in der Nachkriegszeit.<br />

Die Ausstellung ist auch gedacht zur Vorbereitung auf einen Besuch des<br />

<strong>Bunker</strong>s. Wir bieten Ihnen Führungen durch die Ausstellung mit unterschiedlichen<br />

thematischen Schwerpunkten, ergänzendes Filmmaterial und Führungen<br />

zu den Standorten der ehemaligen Zwangsarbeiterlager an. Ansprechpartner<br />

und Adressen finden Sie auf Seite 28. Ein einführender Aufsatz, eine Chronologie<br />

und einige Dokumente sowie Literaturangaben in dieser Broschüre sollen<br />

Ihnen die Vorbereitung des Besuchs erleichtern.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Herbert Wulfekuhl<br />

Leiter der <strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong> <strong>politische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>Bremen</strong><br />

Seite<br />

03


Seite<br />

04<br />

1933<br />

30. Januar<br />

1934<br />

24. August<br />

1935<br />

16. März<br />

18. Juni<br />

1936<br />

1938<br />

12. März<br />

1. Oktober<br />

1939<br />

17. Februar<br />

23. August<br />

1. September<br />

1. November<br />

<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin / Marinerüstung und Zwangsarbeit<br />

Daten zur Rüstung und Zwangsarbeit<br />

in <strong>Bremen</strong>-Nord/Schwanewede *<br />

Der Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847–1934) ernennt Adolf Hitler<br />

zum Reichskanzler.<br />

Das Reichswirtschaftsministerium veranlasst im Zuge der Kriegsvorbereitung<br />

die Gründung der Wirtschaftlichen Forschungsgesellschaft mbH (Wifo), um den<br />

Bau und Betrieb von Groß- und Zwischentanklagern vor allem <strong>für</strong> die Wehrmacht<br />

zu realisieren. Hieran ist vor allem der Chemiekonzern IG Farben beteiligt.<br />

Im Laufe des Jahres kauft die Wifo Land in der Rekumer und Neuenkirchner<br />

Heide.<br />

Gesetz <strong>für</strong> den Aufbau der Wehrmacht: Die allgemeine Wehrpflicht wird wieder<br />

eingeführt. Umbenennung der Reichswehr in Wehrmacht. Im Rahmen der Neuorganisation<br />

wird Erich Raeders Dienststellung in ›Oberbefehlshaber der Marine‹<br />

umbenannt.<br />

Deutsch­britisches Flottenabkommen. Dieses legt fest, über wie viele Schlachtschiffe<br />

und U­Boote Deutschland zukünftig verfügen kann.<br />

Das ›Lager Tesch‹ wird am Westrand des Wifo-Baugeländes in <strong>Bremen</strong>-Farge<br />

aufgebaut. Ein genaues Datum ist nicht bekannt, vermutlich Ende des Jahres.<br />

Einmarsch deutscher Truppen in Österreich.<br />

Beginn des Einmarsches deutscher Truppen in die sudetendeutschen Gebiete der<br />

Tschechoslowakei.<br />

Tschechische Arbeitskräfte werden im Lager Tesch in <strong>Bremen</strong>-Farge untergebracht.<br />

Im Rahmen der Nachforschungen über Gefängnisse und Lager wird<br />

1950 angegeben, dass dort 2000 Männer untergebracht waren.<br />

Im Januar wird mit dem Bau der Behälter <strong>für</strong> das Tanklager der Kriegsmarine<br />

begonnen.<br />

Die Kriegsmarine übernimmt das vier Quadratkilometer große Gelände nördlich<br />

des Tanklagergeländes, das die Wifo im Jahr zuvor gekauft hat.<br />

Abschluss des deutsch­sowjetischen Nichtangriffspaktes.<br />

Deutscher Angriff auf Polen.<br />

Das Lager Neuenkirchen, später auch als Marinegemeinschaftslager II bezeichnet,<br />

mit 27 Steinbaracken <strong>für</strong> ca. 500 deutsche Arbeiter entsteht in der heutigen<br />

Gemeinde Schwanewede. Später werden dort westeuropäische Arbeitskräfte<br />

untergebracht und beim Bau des Marinetanklagers sowie beim <strong>Bunker</strong>bau<br />

eingesetzt.<br />

Mit der sogenannten ›Vierten Verordnung über den Neuaufbau des Reiches‹<br />

werden die zuvor preußischen Gemeinden Lesum, Grohn, Schönebeck, Aumund,<br />

Farge, Rekum und Blumenthal <strong>Bremen</strong> eingemeindet. Neuenkirchen verbleibt<br />

bei der preußischen Provinz Hannover.<br />

Einrichtung einer Schiffsanlegestelle an der Weser in <strong>Bremen</strong>-Farge <strong>für</strong> die<br />

Kriegsmarine neben der Anlegestelle der Wifo.<br />

*Auszug aus einer ausführlichen Chronik auf der Internetseite www.bunkervalentin.de (in Vorbereitung).


1940<br />

Januar<br />

17. März<br />

Frühjahr<br />

9. April<br />

10. Mai<br />

10. Juni<br />

22. Juni<br />

27. September<br />

1941<br />

28. Mai<br />

31. Mai<br />

22. Juni<br />

11. Dezember<br />

1942<br />

8. Februar<br />

25. Februar<br />

21. März<br />

19. November<br />

<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin / Marinerüstung und Zwangsarbeit<br />

Seite<br />

Der ›Reichsführer SS‹ Heinrich Himmler bestimmt, dass in Neuengamme ein<br />

eigenständiges KZ entstehen soll.<br />

Hitler ernennt Fritz Todt (1891–1942) zum Reichsminister <strong>für</strong> Bewaffnung und<br />

Munition. Todt beginnt mit Zustimmung der Wirtschaft mit dem Aufbau eine<br />

Neuorganisation der Rüstung.<br />

Die Bremer Gestapo richtet das sogenannte Arbeitserziehungslager Farge (AEL)<br />

ein.<br />

Besetzung Dänemarks und Invasion Norwegens (Operation ›Weserübung‹).<br />

Deutscher Angriff gegen Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Frankreich.<br />

Kriegseintritt Italiens.<br />

Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich. Der Norden Frankreichs<br />

und die Atlantikküste werden besetzt.<br />

Dreimächtepakt zwischen Deutschland, Italien und Japan.<br />

Im Herbst beginnt die Kriegsmarine mit einer Seeblockade gegen Großbritannien.<br />

Krupp erwirbt 86,4 Prozent des Aktienkapitals der Deschimag und gliedert<br />

damit auch die Werft AG ›Weser‹ in den Konzern ein.<br />

Der ›Reichsführer SS‹ und Chef der deutschen Polizei regelt in einem ersten<br />

Erlass den Betrieb und Aufbau der sogenannten Arbeitserziehungslager (AEL).<br />

Bereits Frühjahr 1940 hatte die Bremer Gestapo das AEL Farge eingerichtet. Die<br />

genaue Datierung dieses speziellen Straflagers <strong>für</strong> Beschäftigte, die als ›Arbeitsverweigerer‹<br />

eingestuft wurden, lässt sich nicht mehr feststellen Die Haftdauer<br />

sollte in diesen regionalen Lagern der Gestapo 56 Tage nicht überschreiten.<br />

Das Kommando der Marinestation Nordsee gibt bekannt, dass die Arbeiten auf<br />

der Baustelle des Kriegsmarinetanklagers in Farge bzw. Schwanewede offiziell<br />

eingestellt werden.<br />

Angriff auf die Sowjetunion.<br />

Ab Oktober wird ein Kriegsgefangenenarbeitskommando auf dem Wifo-Gelände<br />

(das Gelände liegt in <strong>Bremen</strong>-Farge und Schwanewede) untergebracht. 150 bis<br />

200 sowjetische Kriegsgefangene werden in zwei Baracken untergebracht.<br />

Kriegserklärung Deutschlands an die USA.<br />

Albert Speer (1905–1981) wird nach dem Tod von Fritz Todt Reichsminister <strong>für</strong><br />

Bewaffnung und Munition. Der Einfluss der Privatwirtschaft auf die Rüstungswirtschaft<br />

steigt.<br />

Die fünfte Polizeiverordnung zur ›Regelung des Verhaltens der im Lande<br />

<strong>Bremen</strong> eingesetzten Zivilarbeiter und -arbeiterinnen polnischen Volkstums‹<br />

wird erlassen.<br />

Fritz Sauckel wird ›Generalbevollmächtigter <strong>für</strong> den Arbeitseinsatz‹ und ist damit<br />

auf der Führungsebene verantwortlich <strong>für</strong> die zwangsweise Beschäftigung von<br />

Millionen ausländischer Arbeitskräften.<br />

Beginn einer sowjetischen Großoffensive. Die 6. Armee und rumänische Verbände<br />

werden in Stalingrad eingekesselt.<br />

05


Seite<br />

06<br />

18. Dezember<br />

21. Dezember<br />

1943<br />

14. bis 25. Januar<br />

19. Januar<br />

31. Januar<br />

31. Januar<br />

18. Februar<br />

April<br />

26. Juli<br />

8. Juli<br />

10. Juli<br />

25. Juli<br />

Oktober<br />

1. November<br />

6. November<br />

<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin / Marinerüstung und Zwangsarbeit<br />

Das Oberkommando der Kriegsmarine (OKM) richtet gemeinsam mit dem<br />

Reichsministerium <strong>für</strong> Bewaffnung und Munition (RMBuM) die Oberbauleitung<br />

U-Weser (Unter-Weser) ein. Diese ist <strong>für</strong> den Bau der U-Boot-<strong>Bunker</strong> ›Hornisse‹<br />

der Werft AG ›Weser‹ der Deschimag (Krupp-Konzern) und ›Valentin‹ der<br />

Vulkan-Werft (Thyssen Konzern) zuständig. Die Leitung wird Marineoberbaurat<br />

Edo Meiners übertragen. Die Baustelle Valentin übernimmt Marinebaurat<br />

Hans-Joachim Steig.<br />

Das Oberkommando der Kriegsmarine weist untergeordnete Stellen im Bereich<br />

Nordsee darauf hin, dass gemäß Führerbefehl vom 8. November die U-Boot-<br />

Neubauten verbunkert werden sollen.<br />

Auf der Konferenz von Casablanca fordern der amerikanische Präsident Roosevelt<br />

und der britische Premierminister Churchill die ›bedingungslose Kapitulation<br />

Deutschlands‹.<br />

Das Oberkommando der Marine beauftragt die Arbeitsgemeinschaft Agatz &<br />

Bock, die Konstruktionspläne <strong>für</strong> den U-Boot-<strong>Bunker</strong> Valentin zu erstellen.<br />

Hitler entlässt den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Erich Raeder. Sein Nachfolger<br />

wird Karl Dönitz.<br />

Die bei Stalingrad eingeschlossenen deutschen Truppen kapitulieren. Die 90000<br />

Überlebenden der ehemals 250000 Mann starken 6. Armee gehen in Gefangenschaft.<br />

Joseph Goebbels verkündet in seiner Rede im Berliner Sportpalast den ›Totalen Krieg‹.<br />

Die Frankfurter Firma Johann Keller beginnt mit Bodenuntersuchungen <strong>für</strong> das<br />

Projekt U-Boot-<strong>Bunker</strong> in Farge.<br />

Ab Mai wird die <strong>Bunker</strong>baustelle in Farge eingerichtet, Anfang Juli beginnen die<br />

Erdarbeiten.<br />

Mitte des Jahres wird das Lager Schwanewede-Heidkamp (Heidkamp I und II)<br />

am Ostrand des Kriegsmarinetanklagers errichtet.<br />

Die ›Polizeiverordnung über die Kennzeichnung und das Verhalten der im Lande<br />

<strong>Bremen</strong> eingesetzten Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen‹ wird erlassen.<br />

Im Sommer 1943 wird ein weiteres Marinegemeinschaftslager aufgebaut.<br />

Dönitz meldet Hitler den erfolgreichen Entwurf eines Elektro­U­Bootes.<br />

Die Alliierten landen auf Sizilien.<br />

Der italienische ›Duce‹ Mussolini wird gestürzt. Das faschistische Regime in Italien<br />

ist zu Ende.<br />

Ab Sommer 1943 werden die neuen U-Boot-Typen in einem zentralen Konstruktionsbüro<br />

mit der Tarnbezeichnung Ingenieurbüro Glückauf in Blankenburg/<br />

Harz konstruiert, Bauzeichnungen angefertigt und die Fertigung geplant.<br />

Als drittes Außenlager des KZ Neuengamme wird ein Treibstoffbunker der<br />

Marine genutzt. Die Häftlinge kommen in einem fensterlosen Betontank mit<br />

nur einer Öffnung in der Decke unter.<br />

Das Programm <strong>für</strong> den Bau des neuen U-Boots Typ XXI liegt vor.<br />

Die AG ›Weser‹ erhält den Auftrag, 68 U-Boote des Typs XXI aus vorgefertigten<br />

Sektionen zu montieren.


28. November bis 1. Dezember<br />

1944<br />

4. März<br />

22. April<br />

6. Juni<br />

20. Juli<br />

1. August<br />

1. August<br />

10. November<br />

25. November<br />

30. November<br />

1945<br />

4. bis 11. Februar<br />

27. März<br />

30. März<br />

7. April<br />

7. April<br />

<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin / Marinerüstung und Zwangsarbeit<br />

In Teheran versammeln sich die alliierten Staatsmänner auf einer Konferenz.<br />

Seite<br />

Auf der Baustelle Valentin und in den Betrieben auf dem Baustellengelände<br />

arbeiten in mehreren Schichten täglich zeitweise 8000, nach anderen Angaben<br />

bis zu 12000 Menschen.<br />

Im Frühjahr erhält die Oberbauleitung Unterweser den Auftrag, das Baudock<br />

›Kap Horn‹ der AG ›Weser‹ zu verbunkern. Das Projekt zum Bau eines U-Boot-<br />

<strong>Bunker</strong>s hat den Tarnnamen ›Hornisse‹. Dort sollen den Planungen entsprechend<br />

Sektionen <strong>für</strong> das neue U-Boot Typ XXI hergestellt werden.<br />

Das Universitätskrankenhaus Eppendorf in Hamburg erstellt im Auftrage der<br />

Marine ein Gutachten über den Gesundheitszustand der Insassen des Kriegsgefangenenlagers<br />

in <strong>Bremen</strong>-Blumenthal, des KZ-Außenlagers und des Arbeitserziehungslagers<br />

in Farge. Dieses Gutachten bescheinigt eine katastrophale<br />

Versorgungssituation.<br />

Der Großadmiral Dönitz besucht die Werft Bremer Vulkan und die <strong>Bunker</strong>baustelle.<br />

Von Ende Mai 1944 bis Jahresende nimmt der Fotograf Johann Seubert im<br />

Auftrag der Organisation Todt in der Regel wöchentlich eine Fotoserie im<br />

gesamten Bauumfeld auf. Im Nachlass des Bauleiters Marinebaurat Hans-<br />

Joachim Steig ist ein insgesamt 102 Minuten langer Amateurfilm erhalten.<br />

Landung der Alliierten in Frankreich, in der Normandie (›D­Day‹).<br />

Stauffenbergs Attentat auf Hitler misslingt.<br />

Der erste Spannbetonträger wird beim <strong>Bunker</strong>bau verlegt.<br />

Im KZ-Außenlager Farge trifft ein Transport mit etwa 2000 Häftlingen ein.<br />

Rüstungsminister Speer betont gegenüber dem Leiter der Organisation Todt,<br />

dass der Bau der U­Boot­<strong>Bunker</strong> wichtiger sei als das Jägerbauprogramm (Bau von<br />

Kampfflugzeugen).<br />

Propagandaminister Joseph Goebbels besucht <strong>Bremen</strong>, die Werft AG ›Weser‹<br />

und die Baustelle Valentin.<br />

Albert Speer gibt die Planungen zum <strong>Bunker</strong> ›Valentin II‹ <strong>für</strong> 14 U-Boot-Plätze<br />

in Auftrag. Mit den Arbeiten wird im Januar 1945 noch begonnen.<br />

Die Versorgung der beim Großbauprojekt Valentin beschäftigten Zwangsarbeiter<br />

hat sich nicht verbessert. Insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten<br />

treten vermehrt Todesfälle auf.<br />

Konferenz von Jalta (Krim­Konferenz)<br />

Die britische Luftwaffe bombardiert den <strong>Bunker</strong> Valentin. Die zwei 10-Tonnen-<br />

Bomben durchschlagen die Decke dort, wo die Endstärke noch nicht fertiggestellt<br />

ist.<br />

Die amerikanische Luftwaffe wirft erneut Bomben auf den <strong>Bunker</strong> Valentin und<br />

den <strong>Bunker</strong> Hornisse. Die Großbaustelle Valentin wird teilweise verwüstet.<br />

Die Aufräumarbeiten auf der <strong>Bunker</strong>baustelle werden eingestellt.<br />

Beginn der Todesmärsche: Häftlinge aus anderen Lagern werden ins AEL Farge<br />

transportiert und sollen von dort aus mit dem Zug nach Bergen-Belsen gebracht<br />

werden. Der Zug irrt tagelang umher, viele Häftlinge verdursten oder verhun-<br />

07


Seite<br />

08<br />

30. April<br />

30. April<br />

1. Mai<br />

2. Mai<br />

3. Mai<br />

5. Mai<br />

7. Mai<br />

7. und 9. Mai<br />

8. Mai<br />

23. Mai<br />

9. Oktober<br />

1946<br />

1947<br />

<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin / Marinerüstung und Zwangsarbeit<br />

gern. AEL-Häftlinge werden zu Fuß nach Hamburg und weiter ins sogenannte<br />

Arbeitserziehungslager Nordmark in Kiel-Russee, andere KZ-Häftlinge sowohl<br />

aus Farge als auch aus anderen Außenlagern werden Richtung Sandbostel<br />

getrieben.<br />

Kurz vor der Niederlage der Deutschen Wehrmacht wird das Marinegemeinschaftslager<br />

II in ein Lazarett umgewandelt. Am 24. April übergibt Marinebaurat<br />

Bosselmann das als Lazarett genutzte Marinegemeinschaftslager an<br />

den Landkreis.<br />

Hitler begeht Selbstmord.<br />

Die U 2511 läuft als erstes U-Boot des Typs XXI in Bergen aus.<br />

Eine kleine amerikanische Einheit überschreitet die Lesum, und am 2. und 3.<br />

Mai räumen die letzten deutschen Verteidigungstruppen das nordbremische<br />

Gebiet.<br />

Der Oberbefehlshaber der Marine Dönitz wird als ›Reichspräsident‹ Hitlers<br />

Nachfolger. Er verlegt sein Hauptquartier nach Flensburg.<br />

Die drei Schiffe ›Cap Arcona‹ mit 4200 Häftlingen an Bord, die ›Thielbeck‹ mit<br />

etwa 2800 Häftlingen und die ›Athen‹ mit 2000 Häftlingen ankern in der<br />

Neustädter Bucht (Ostsee) und werden dort von englischen Fliegern angegriffen<br />

und versenkt. Auch Häftlinge und Wachpersonal aus den Bremer Lagern<br />

sind auf den Schiffen.<br />

<strong>Bremen</strong>-Nord wird nach der Teilkapitulation in Nordwestdeutschland besetzt.<br />

Die Werft Bremer Vulkan wird von britischen Truppen besetzt. Sie ist unzerstört.<br />

Nach 14 Tagen wird die Produktion wieder aufgenommen. Es werden Feuerzeuge<br />

und Kochtöpfe hergestellt und amerikanische Minensuchboote repariert.<br />

Unterzeichnung der deutschen Kapitulation in Reims bzw. Berlin­Karlshorst.<br />

Dönitz gibt in einer Rundfunkansprache allen deutschen Truppen den Befehl zur<br />

Kapitulation.<br />

Eisenhower befiehlt, die Regierung Dönitz abzusetzen und diese wie auch das<br />

Oberkommando der Wehrmacht zu verhaften.<br />

Der Bremer Bürgermeister Wilhelm Kaisen teilt mit, dass bei Farge ein Massengrab<br />

gefunden worden ist.<br />

»›Imi’s‹. Chronik einer Verbannung« erscheint 1946 beim Verlag Friedrich Trüjen<br />

in <strong>Bremen</strong>. In der Chronik schildert der Bremer Jurist und Senator Wilhelm<br />

Nolting-Hauff seine Inhaftierung im Lager Farge und in anderen Arbeitslagern.<br />

Das Manuskript hatte er bereits am 10. April 1945 abgeschlossen.<br />

Im Frühjahr werden auf dem Wifo-Gelände im Bockhorner Wald Massengräber<br />

entdeckt.


Marc Buggeln<br />

Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹,<br />

der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung *<br />

Den wichtigsten Grund <strong>für</strong> die Absicht der Kriegsmarine, U-Boot-<strong>Bunker</strong> in<br />

Deutschland zu bauen, bildete die zunehmende alliierte Lufthoheit, die zu<br />

immer zielgenaueren Angriffen auch auf die deutsche Werftindustrie führte.<br />

Nachdem 1942 bereits kleinere <strong>Bunker</strong> bei den Werften in Kiel und Hamburg<br />

entstanden waren, setzten Ende 1942 Überlegungen ein, auch bei den Bremer<br />

Werften U-Boot-<strong>Bunker</strong> zu schaffen. 1 Vorgesehen <strong>für</strong> das Vorhaben waren<br />

die zum Krupp-Konzern gehörende Werft der Deschimag AG ›Weser‹ und die<br />

zum Thyssen-Konzern gehörende Bremer Vulkan-Werft. Während der <strong>Bunker</strong><br />

der Deschimag (Tarnname: ›Hornisse‹) direkt am Werftgelände entstehen<br />

sollte, 2 entschied man sich bei dem <strong>für</strong> den Vulkan geplanten <strong>Bunker</strong> <strong>für</strong> eine<br />

Verlegung des Baus nach Farge, ca. 10 Kilometer weserabwärts von der Werft. 3<br />

Für den Bau der beiden <strong>Bunker</strong> richtete das Oberkommando der Kriegsmarine<br />

(OKM) gemeinsam mit dem Reichsministerium <strong>für</strong> Bewaffnung und Munition<br />

(RMBuM) 4 die Oberbauleitung U-Weser (Unterweser) ein. Mit der Leitung wurde<br />

Marineoberbaurat Edo Meiners beauftragt. In einer Besprechung beim OKM<br />

wurde er am 18. Dezember 1942 über seine neue Funktion und seine Aufgaben<br />

unterrichtet. 5 Der Großteil des Personals wurde von der Marine gestellt. Die<br />

zentrale Steuerung unterstand aber dem RMBuM, Abteilung Rüstungsausbau,<br />

weil die U-Boot-<strong>Bunker</strong> mit in das gleichzeitig anlaufende Truppenbunkerprogramm<br />

aufgenommen wurden, welches als Sondermaßnahme dem Ministerium<br />

zugeordnet worden war.<br />

Im April 1943 begann die Frankfurter Firma Johann Keller mit Bodenuntersuchungen<br />

in Farge, die zum Ergebnis hatten, dass auf dem anvisierten Gelände<br />

die Bodenverhältnisse <strong>für</strong> den riesigen <strong>Bunker</strong> ausreichend geeignet waren. 6<br />

Am 28. April 1943 fand bei der Deschimag eine Sitzung über das weitere Vorgehen<br />

beim Bau der beiden <strong>für</strong> <strong>Bremen</strong> vorgesehenen U-Boot-<strong>Bunker</strong> statt.<br />

Anwesend waren auf diesem Treffen Vertreter der Marineoberbauämter <strong>Bremen</strong><br />

und Hamburg, der OT (Organisation Todt)-Einsatzgruppe West, der beiden<br />

Werften Deschimag und Vulkan sowie ein Vertreter des Technischen Büros des<br />

Krupp-Konzerns. Dort setzten das Marineoberbauamt <strong>Bremen</strong> und die beiden<br />

Firmen gegenüber dem Marineoberbauamt Hamburg durch, dass die gesamte<br />

Inneneinrichtung der <strong>Bunker</strong> vom Technischen Büro des Krupp-Konzerns durchgeführt<br />

werden sollte. Noch am selben Abend erteilte der Krupp-Konzernleiter<br />

Alfried Krupp von Bohlen und Halbach seine Zustimmung zu der vorgesehenen<br />

Regelung. 7<br />

Parallel zu den anlaufenden Planungen <strong>für</strong> den U-Boot-<strong>Bunker</strong> in Farge kam es<br />

zu Ereignissen, die die weitere Bauplanung entscheidend prägen sollten.<br />

Erstens verlor die deutsche U-Boot-Flotte im Mai 1943 42 ihrer 110 verfügbaren<br />

U-Boote, weil die Alliierten ihr Radarsystem erheblich verbessern konnten und<br />

Seite<br />

09<br />

* Beim vorliegenden Text handelt es sich um<br />

eine stark erweiterte und aktualisierte Fassung<br />

meines Beitrags ›Der <strong>Bunker</strong> Valentin. Zur<br />

Geschichte des Baus und des Lagersystems‹,<br />

der in der Broschüre der <strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>politische</strong> <strong>Bildung</strong> in <strong>Bremen</strong> 2002 erschien.<br />

1 Vgl. Schreiben des Oberkommandos der<br />

Kriegsmarine (OKM) vom 21.12.1942, in: Bundesarchiv­Militärarchiv<br />

(BA­MA) Freiburg,<br />

W 04/18163 (unpaginiert).<br />

2 Zur Zwangsarbeit von KZ­Häftlingen beim<br />

U­Boot­<strong>Bunker</strong> <strong>für</strong> die Deschimag AG vgl.<br />

Kollegengruppe der Klöckner­Werke AG (Hg.),<br />

Riespott – KZ an der Norddeutschen Hütte.<br />

Berichte, Dokumente und Erinnerungen über<br />

Zwangsarbeit 1935–1945, <strong>Bremen</strong> 1984; Marc<br />

Buggeln, KZ­Häftlinge als letzte Arbeitskraftreserve<br />

der Bremer Rüstungswirtschaft, in:<br />

Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte (2003)<br />

12, S. 19–36.<br />

3 Vgl. Schreiben des OKM betr. U­Bootsbunkerprogramm<br />

in der Heimat vom 22.1.1943, in:<br />

BA­MA Freiburg, W 04/18163.<br />

4 Das RMBuM entstand im Frühjahr 1942 auf<br />

Betreiben von Fritz Todt, der jedoch kurz nach<br />

der Durchsetzung dieser Entscheidung am<br />

7. Februar 1942 bei einem Flugzeugabsturz<br />

starb. Sein Nachfolger wurde Albert Speer, der<br />

das Ministerium in enger Zusammenarbeit<br />

mit der deutschen Industrie zur Zentralinstanz<br />

der deutschen Rüstungsproduktion ausbaute.<br />

Am 2. September 1943 wurde das RMBuM<br />

angesichts der ausgeweiteten Kompetenz in<br />

Reichsministerium <strong>für</strong> Rüstung und Kriegsproduktion<br />

(RMRuK) umbenannt.<br />

5 Vgl. Schreiben des OKM vom 21.12.1942, in:<br />

BA­MA Freiburg, W 04/18163.<br />

6 Vgl. Rainer Christochowitz, Die U­Boot­<strong>Bunker</strong>werft<br />

›Valentin‹. Der U­Boot­Sektionsbau, die<br />

Betonbautechnik und der menschenunwürdige<br />

Einsatz von 1943 bis 1945, <strong>Bremen</strong> 2000, S. 19.<br />

Allerdings wurden diese Untersuchungen nicht,<br />

wie Christochowitz schreibt, von der OT­Einsatzgruppe<br />

›Hansa‹ in Auftrag gegeben, weil diese<br />

1943 noch nicht existierte. Auch bei Johr/Roder<br />

findet sich die Behauptung, die Planung wäre<br />

von Anfang an von der OT­Einsatzgruppe ›Han­


Seite<br />

10<br />

sa‹ in Wilhelmshaven mitkoordiniert worden,<br />

vgl. Barbara Johr/Hartmut Roder, Der <strong>Bunker</strong>.<br />

Ein Beispiel nationalsozialistischen Wahns.<br />

<strong>Bremen</strong>­Farge 1943–1945, <strong>Bremen</strong> 1989, S. 13.<br />

Dies ist ebenfalls nicht zutreffend. Die erste<br />

OT­Einsatzgruppe im Reichsgebiet war die<br />

›Einsatzgruppe Rhein­Ruhr‹, die im Anschluss<br />

an einen Speer­Vortrag bei Hitler am 25. Juni<br />

1943 eingerichtet wurde. Beteiligt war bei den<br />

Vorplanungen des U­Boot­<strong>Bunker</strong>s in Farge<br />

stattdessen die OT­Einsatzgruppe West, die<br />

ihren Hauptsitz in Frankreich hatte. Grund<br />

hier<strong>für</strong> war die Erfahrung dieser Gruppe im<br />

Bau von U­Boot­<strong>Bunker</strong>n an der französischen<br />

Atlantikküste. Erst mit der frühestens im<br />

Sommer 1943 erfolgten Einrichtung der OT­Einsatzgruppe<br />

›Hansa‹ wurde die Oberbauleitung<br />

U­Weser zur OT­Oberbauleitung U­Weser.Bei<br />

Roder findet sich die Behauptung, die Planung<br />

wäre von Anfang an von der OT­Einsatzgruppe<br />

›Hansa‹ in Wilhelmshaven mitkoordiniert<br />

worden, vgl. Barbara Johr/Hartmut Roder, Der<br />

<strong>Bunker</strong>. Ein Beispiel nationalsozialistischen<br />

Wahns. <strong>Bremen</strong>­Farge 1943–1945, <strong>Bremen</strong> 1989,<br />

S. 13. Dies ist ebenfalls nicht zutreffend. Die<br />

erste OT­Einsatzgruppe im Reichsgebiet war die<br />

›Einsatzgruppe Rhein­Ruhr‹, die im Anschluss<br />

an einem Speer­Vortrag bei Hitler am 25. Juni<br />

1943 eingerichtet wurde. Beteiligt war bei den<br />

Vorplanungen des U­Boot­<strong>Bunker</strong>s in Farge<br />

stattdessen die OT­Einsatzgruppe West, die ihren<br />

Hauptsitz in Frankreich hatte. Grund hier<strong>für</strong><br />

war die Erfahrung dieser Gruppe beim Bau von<br />

U­Boot­<strong>Bunker</strong>n an der französischen Atlantikküste.<br />

Erst mit der frühestens im Sommer 1943<br />

erfolgten Einrichtung der OT­Einsatzgruppe<br />

›Hansa‹ wurde die Oberbauleitung U­Weser zur<br />

OT­Oberbauleitung U­Weser.<br />

7 Vgl. Staatsarchiv Nürnberg, KV­Anklage, Dokument<br />

NI­4696.<br />

8 Vgl. Dietrich Eichholtz, Geschichte der<br />

deutschen Kriegswirtschaft, Band II: 1941–1943,<br />

Berlin (Ost) 1985, S. 134.<br />

9 Zur Modernität des Baus und den Vorstellungen<br />

der Ingenieure vgl. Marc Buggeln/Inge<br />

Marszolek, Der <strong>Bunker</strong>, in: Alexa Geisthövel/<br />

Habbo Knoch (Hg.), Orte der Moderne. Erfahrungswelten<br />

des 19. und 20. Jahrhunderts,<br />

Frankfurt am Main/New York 2005, S. 281–289.<br />

10 Allerdings standen Teile der Werftindustrie<br />

und der Kriegsmarine Merkers neuen Methoden<br />

ausgesprochen skeptisch gegenüber und<br />

Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

ihnen zudem die Entschlüsselung der deutschen U-Boot-Codes gelungen war.<br />

Diese Entwicklung führte zum zwischenzeitlichen Abbruch des U-Boot-Einsatzes<br />

im Atlantik und zur Einsicht beim OKM, dass eine Weiterführung des U-Boot-<br />

Krieges nur noch mit neuen Booten möglich wäre, die länger unter Wasser<br />

bleiben konnten und sich zudem dort schneller bewegen könnten. Zweitens<br />

hatte das RMBuM im Januar 1943 den Generaldirektor der Magirus-Werke,<br />

Otto Merker, beauftragt ein rationelleres Fertigungssystem <strong>für</strong> die U-Boot-<br />

Produktion zu entwickeln. Parallel mit der Fertigstellung von Merkers Bericht<br />

im Juni/Juli 1943 erfolgte eine Reorganisation der gesamten Marinerüstung.<br />

Aufgrund der großen Verluste der Marine und des langsamen Voranschreitens<br />

der Neubauten überzeugte Speer am 26. Juni 1943 Hitler und den neuen<br />

Oberbefehlshaber der Marine, Karl Dönitz, dass es sinnvoll wäre, die Marinerüstung<br />

in die Kompetenz seines Ministeriums zu geben. Am 22. Juli 1943<br />

gaben Speer und Dönitz einen Gemeinschaftserlass heraus, der die zuvor<br />

getroffenen Abmachungen festhielt. Im Rahmen dieser Neuorganisation entließ<br />

Speer den alten Leiter des Hauptausschusses Schiffbau seines Ministeriums,<br />

Rudolf Blohm, weil dieser sich weigerte, neue amerikanische Produktionsmethoden<br />

in den Schiffbau einzuführen. Sein Nachfolger wurde Merker, der ein<br />

entschiedener Vertreter neuer Produktionsmethoden war. Zudem wurde noch<br />

eine eigene Entwicklungskommission <strong>für</strong> den Schiffbau (Schiffbaukommission)<br />

unter Leitung von Vizeadmiral Topp eingerichtet. 8<br />

Das zentrale Prestigeobjekt der neuen Marinerüstung unter Leitung von Merker<br />

wurde die erst im Entstehen begriffene U-Boot-<strong>Bunker</strong>werft in Farge. Hier<br />

sollte die erste und zudem verbunkerte Montagewerft <strong>für</strong> den Zusammenbau<br />

des neuen U-Boot-Typs XXI entstehen, von dem die deutsche Marineführung<br />

eine Wende im U-Boot-Krieg erwartete. Die Planung sah vor, den Typ XXI in neun<br />

Sektionen zu unterteilen, die auf drei Werften hergestellt wurden. Die einzelnen<br />

Sektionen wollte man in die <strong>Bunker</strong>werft nach Farge verbringen, wo sie<br />

auf Fließbändern im Taktverfahren zusammengesetzt werden sollten. Die veränderten<br />

Planungen liefen darauf hinaus, in Farge das bestgesicherte Hightech-<br />

Werk der deutschen Marinerüstung entstehen zu lassen. 9 Insbesondere <strong>für</strong><br />

Merker dürfte das Gelingen dieses ersten Werkes mit dem von ihm angeregten<br />

Verfahren von hoher Bedeutung gewesen sein. 10 Diese Bedeutung steigerte<br />

sich noch, als Minister Speer im September 1943 festlegte, dass aufgrund der<br />

geringen verfügbaren Baukapazität ›nur noch ein Bauvorhaben <strong>für</strong> betongeschützten<br />

U-Bootsbau durchgeführt wird, und zwar das <strong>für</strong> den Bedarf einer<br />

geschützten Montage verkleinerte Bauvorhaben Valentin.‹ 11<br />

Im Mai und Juni 1943 begann man mit der Einrichtung der Baustelle in Farge<br />

und im Juli mit den Erdarbeiten. Für die Bauplanung wurde die Ingenieurgemeinschaft<br />

Agatz-Bock-Maier verpflichtet. 12 Die <strong>für</strong> das Projekt verpflichteten<br />

Baufirmen wurden in zwei Arbeitsgemeinschaften aufgeteilt: die Arge Nord<br />

und die Arge Süd. Auch das <strong>für</strong> die Inneneinrichtung zuständige Technische<br />

Büro des Krupp-Konzerns und der <strong>für</strong> die elektrischen Anlagen zuständige


Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

Siemens-Konzern richteten auf der Baustelle eigene Büros ein. Im Jahr 1944<br />

schritt der Bau des Großprojektes zügig voran. Möglich war dies nur, weil der<br />

Bau absolute Priorität besaß und bei der Zuteilung von Arbeitskräften und<br />

Rohstoffen bevorzugt behandelt wurde. Darunter hatte insbesondere auch das<br />

zivile Luftschutzbauprogramm in <strong>Bremen</strong> zu leiden. So heißt es im ersten<br />

Vierteljahresbericht der Abteilung kriegswichtiger Einsatz des Bremer Bausenators<br />

über die eingesetzten Arbeitskräfte im Luftschutzbau: »Mit weiteren<br />

sehr erheblichen Abzügen zugunsten des Jägerbauprogramms und des Bauvorhabens<br />

Valentin (U-Bootbunker) muß zu Beginn des zweiten Vierteljahrs<br />

gerechnet werden, sodaß sich im April der Arbeitseinsatz um weitere 1000<br />

Kräfte verringern wird.« 13 Bezüglich der Rohstoffsituation stellte das Luftschutzbauamt<br />

am 3. April 1944 fest: »Die zementerzeugende Industrie ist dabei<br />

auf der Höhe des Vorjahres verblieben, wogegen die Anforderungen insbesondere<br />

durch Kriegsmarine (U-Bootbunkerprogramm) und Luftwaffe (Jägerprogramm)<br />

erheblich angestiegen sind und auch weiter ansteigen werden. Da aber<br />

die Zementerzeugung infolge mangelnder Ersatzschaffungsmöglichkeiten der<br />

Industrieanlagen keinesfalls gesteigert werden kann, muss der Mehrverbrauch<br />

auf Kosten der übrigen Bedarfsträger, u.a. auch des LS-Führerprogramms,<br />

gedeckt werden.« 14 Diese Prioritätensetzung zugunsten des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s in<br />

Farge steigerte sich zum Kriegsende hin. Am 10. November 1944 räumte<br />

Speer in einem Schreiben an den Leiter der OT dem Bau von U-Boot-<strong>Bunker</strong>n<br />

oberste Priorität noch vor dem Jägerbauprogramm ein. 15 Und Mitte Februar<br />

1945 mit den Alliierten ante portas schrieb Speer: »Beim letzten Luftangriff auf<br />

Hamburg sind wiederum schwere U-Boot-Verluste eingetreten. Es müssen<br />

deswegen die vor baldiger Fertigstellung stehenden U-Boot-Bauwerke ›Valentin‹<br />

und ›Hornisse‹ mit allen Mitteln beschleunigt werden.« 16 Welch mörderische<br />

Auswirkungen die eingeforderte Tempoverschärfung <strong>für</strong> die auf der Baustelle<br />

eingesetzten Arbeitskräfte hatte, wird der Minister wahrscheinlich nicht mehr<br />

erfahren haben. Gefördert wurde seine kompromisslose Haltung vor allem<br />

von der Kriegsmarine, die bei den Lagebesprechungen mit Hitler bis zuletzt<br />

glauben machte, dass der anlaufende Bau des U-Boots Typ XXI eine Kriegswende<br />

bringen würde. 17 Bei der ›Führerlage‹ am 30. März 1945 musste Dönitz<br />

Hitler melden, dass zwei schwere Sprengbomben die Decke des <strong>Bunker</strong>s<br />

›Valentin‹ durchschlagen hatten. 18 Der von Dönitz geschilderte Angriff eines<br />

Spezialverbandes der Royal Air Force vom 27. März bedeutete das Ende des<br />

Bauvorhabens, ohne dass je ein U-Boot im <strong>Bunker</strong> fertiggestellt worden war.<br />

Das Lagersystem<br />

Auf der Baustelle ›Valentin‹ arbeiteten täglich 10000 bis 12000 Menschen, der<br />

größte Teil davon kam aus fast allen Ländern Europas. Im Umkreis von 3 bis<br />

8 Kilometern existierten mehrere Lager, in denen ein Großteil der beim <strong>Bunker</strong>bau<br />

eingesetzten ausländischen Arbeiter untergebracht wurde. Einige der<br />

Zwangsarbeiter waren bereits vor Beginn der Bauarbeiten am <strong>Bunker</strong> in der<br />

Gegend eingesetzt, denn in den Gemeinden Blumenthal und Farge kam es in<br />

Seite<br />

11<br />

förderten deren Umsetzung nicht gerade. Siehe<br />

z.B. Vermerk Speer <strong>für</strong> seinen Amtsleiter Saur:<br />

»Unser erster Plan, die Marinerüstung dadurch<br />

hochzubringen, dass wir aus allen Sparten tüchtige<br />

Fachleute Merker zur Verfügung stellen, um<br />

den reaktionären Geist der Marine im Schiffbau<br />

zu brechen, wurde leider nicht weiter verfolgt<br />

und damit Merker nicht genügend personell<br />

unterbaut. Wenn wir unsere Aufgabe, die wir<br />

von der Marine übernommen haben, tatsächlich<br />

durchführen wollen, ist es höchste Zeit, dass wir<br />

jetzt Merker helfen, indem wir ihm zahlreiche<br />

technische Hilfskräfte, die unbeeinflusst nur <strong>für</strong><br />

ihn arbeiten, zur Verfügung stellen.« Vermerk<br />

Speer <strong>für</strong> Saur vom 17. Juli 1944, in: Bundesarchiv<br />

Berlin­Lichterfelde (BAB), R3/1634, Bl. 2.<br />

11 Aktenvermerk von Fuchs (Hauptamt Kriegsschiffbau)<br />

vom 6.9.1943 über eine Sitzung bei<br />

Dönitz am 4.9.1943, in: BA­MA Freiburg, N 379<br />

Nachlass Ruge 146, Bl. 16.<br />

12 Schreiben des OKM an die Arbeitsgemeinschaft<br />

Agatz & Bock vom 19.1.1943, in: BA­MA<br />

Freiburg, W 04/18163. Das Büro war zuvor schon<br />

beim Bau von U­Boot­<strong>Bunker</strong>n an der französischen<br />

Atlantikküste eingesetzt gewesen und<br />

brachte so wichtiges Know­how mit. Leiter<br />

des Planungsbüros <strong>für</strong> den Bau des <strong>Bunker</strong>s<br />

›Valentin‹ wurde der erst 30­jährige Agatz­<br />

Schüler Erich Lackner, vgl. Christian Siegel,<br />

›Der U­Boot­<strong>Bunker</strong> ist eine Bestie‹. Die <strong>Bunker</strong>­<br />

Werft in <strong>Bremen</strong>­Farge als Teil totaler Kriegführung,<br />

hg. von der <strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong> <strong>politische</strong><br />

<strong>Bildung</strong> <strong>Bremen</strong>, <strong>Bremen</strong> 2004, S. 12–14.<br />

13 Staatsarchiv <strong>Bremen</strong> (StAB), 4,29/1­338.<br />

Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine,<br />

Großadmiral Karl Dönitz, inspizierte am 22. April<br />

1944 die Baustelle des <strong>Bunker</strong>s Valentin.<br />

(Sammlung Heimatverein Farge)<br />

14 Ebd.


Seite<br />

12<br />

15 Vgl. BAB, R3/1576, Bl. 91.<br />

Die <strong>Bunker</strong>baustelle im Juli 1944 (Foto: J. Seubert,<br />

Bundesarchiv Koblenz)<br />

16 Ebd., Bl. 144.<br />

17 Vgl. dazu Lageberichte des Oberbefehlshabers<br />

der Kriegsmarine vor Hitler, hrsg. von<br />

Gerhard Wagner, München 1972, S. 630 f., 655,<br />

673 u. 677.<br />

18 Ebd., S. 689.<br />

19 Vgl. Johr/Roder, <strong>Bunker</strong>, S. 36.<br />

20 So wurden die ersten AEL zu Beginn<br />

genannt.<br />

21 Ein Sonderfall sind das bereits zuvor errichtete<br />

SS­Sonderlager Hinzert und die am Westwall<br />

errichteten Gestapo­Lager. Vgl. Gabriele<br />

Lotfi, KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager<br />

im Dritten Reich, Stuttgart 2000, S. 58 ff.<br />

22 Ebd., S. 80; Andrea Tech, Arbeitserziehungslager<br />

in Nordwestdeutschland 1940–1945,<br />

Göttingen 2003, S. 260.<br />

23 Unter anderem um diese Rückkehr zu gewährleisten,<br />

war die Haftzeit im AEL im Prinzip<br />

auf höchstens 56 Tage festgelegt. Für die<br />

meisten Arbeiter, die aus Betrieben überstellt<br />

wurden, dürfte diese Dauer auch eingehalten<br />

worden sein. Für viele Sondergruppen, wie z.B.<br />

die britischen und irischen Seeleute, wurde<br />

diese Regel in Farge aber nicht angewandt und<br />

die Dauer von 56 Tagen wurde mitunter weit<br />

überschritten.<br />

24 Dr. Kohl war in den 1930er Jahren Präsident<br />

des Bremer Arbeitsamtes bis er Ende der<br />

1930er zum Syndikus der Handelskammer<br />

aufstieg. Aus den Akten der Handelskammer<br />

Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

der NS-Zeit zum Bau mehrerer rüstungswichtiger Projekte. Diese Entwicklung<br />

hatte bereits begonnen, als die Gemeinden noch nicht zu <strong>Bremen</strong> (Eingemeindung<br />

1939), sondern zum Regierungsbezirk Stade und zum Landkreis Osterholz<br />

gehörten. 1936 startete die Wirtschaftliche Forschungsgemeinschaft<br />

mbH (Wifo) mit dem Bau eines unterirdischen Tanklagers in einem Waldstück<br />

zwischen Farge und Blumenthal. Bei der Wifo handelte es sich um eine 1934<br />

gegründete Tarngesellschaft der IG Farben, deren Auftrag es war, die Treibstoffversorgung<br />

der Wehrmacht im Kriegsfall durch die Anlage unterirdischer<br />

Tanklager zu sichern. 1938 wurden bei den Baufirmen der Wifo die ersten<br />

ausländischen Arbeiter im Gebiet Farge eingesetzt. Es waren Arbeiter aus den<br />

annektierten sudetendeutschen Gebieten.<br />

Das Arbeitserziehungslager<br />

1939 begann dann auch die Kriegsmarine mit dem Bau eines unterirdischen<br />

Tanklagers in Neuenkirchen. In einen Teil des hier<strong>für</strong> errichteten Marinegemeinschaftslagers<br />

II wurde später das Arbeitserziehungslager (AEL) der<br />

Gestapo verlegt. Seinen ersten Standort hatte dieses aber ab Frühsommer<br />

1940 im Fremdarbeiterlager Tesch. 19 Damit war Farge reichsweit das 2. Staatspolizeiliche<br />

Sonderlager 20 , das eingerichtet wurde. Zuvor war nur bei den<br />

Hermann-Göring-Werken in Salzgitter ein Sonderlager errichtet worden. 21 Das<br />

niedersächsische Gebiet war bei der Errichtung der Vorläufer der AEL führend,<br />

weil der Höhere SS und Polizeiführer (HSSPF) Mitte, SS-Obergruppenführer<br />

Friedrich Jeckeln, den Ausbau dieser staatspolizeilichen Straflager nachdrücklich<br />

förderte. Die ersten AEL in Norddeutschland entstanden durch eine enge<br />

Kooperation der Gestapo mit Vierjahresplanwerken. In Farge war wohl der<br />

Wunsch der Baufirma Gottlieb Tesch, die hauptsächlich <strong>für</strong> die Wifo, möglicherweise<br />

aber auch <strong>für</strong> die Marine tätig war, ausschlaggebend <strong>für</strong> die Einrichtung<br />

des zuerst ›Erziehungslager <strong>für</strong> Arbeitsuntreue‹ benannten Lagers in Farge. 22<br />

Die Firma beschwerte sich über die hohe Fluktuation und mangelnde Arbeitsdisziplin<br />

der inzwischen aus Tschechen, Belgiern, Niederländern, Franzosen und<br />

Deutschen zusammengesetzten Belegschaft.<br />

Die Bauarbeiter der Rüstungsprojekte im Bremer Norden bildeten 1940 den<br />

Großteil der Inhaftierten, deren Zahl zu dieser Zeit knapp unter 100 lag.<br />

Recht bald entdeckte aber auch die Bremer Großindustrie, angeleitet von der<br />

Handelskammer, die Vorzüge des Gestapo-Lagers. Im Gegensatz zu einer<br />

Einweisung in ein KZ besaß das neue Lager in Farge den Vorteil, dass die zu<br />

disziplinierenden Arbeiter in der Nähe des Betriebes und unter Aufsicht<br />

Bremer Behörden blieben, wodurch die schnelle Rückkehr an den Arbeitsplatz<br />

nach der Disziplinierung gesichert schien. 23 Nachdem sich im Frühjahr 1941 die<br />

Klagen der Bremer Großindustrie über das ›Bummelantentum‹ bei der Handelskammer<br />

verstärkt hatten, setzte der <strong>für</strong> Arbeitsfragen zuständige Syndikus der<br />

Handelskammer, Dr. Kohl 24 , die Einberufung einer Sitzung mit allen maßgeblichen<br />

Stellen durch. Diese Sitzung fand am 25. März 1941 statt. An ihr nahmen


Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

teil: Vertreter des Treuhänders der Arbeit, der Deutschen Arbeitsfront (DAF),<br />

des Arbeitsamtes, der Leiter der Bremer Gestapo und Dr. Kohl. Auf der Sitzung<br />

wurde beschlossen, dass neben der härteren Anwendung der bisherigen<br />

Regeln <strong>für</strong> eine Anzahl Bremer Großbetriebe ein Schnellverfahren in Gang gesetzt<br />

werden sollte. Das Verfahren sah die sofortige Bestrafung der von den<br />

Betrieben genannten ›Bummelanten‹ durch eine Einweisung nach Farge vor.<br />

Gegen die Bedenken des Leiters der Bremer Gestapo, der dieser Ausweitung<br />

seiner Aufgaben skeptisch gegenüberstand, setzten Dr. Kohl und der Vertreter<br />

des Treuhänders der Arbeit durch, dass die Großbetriebe zu entscheiden hätten,<br />

wer nach Farge gehöre. Damit die Einweisungen systematisch erfolgen konnten,<br />

wurde beschlossen, dass alle Großbetriebe einen besonderen Referenten<br />

<strong>für</strong> diese Fragen ernannten, der auch eine betriebliche Strafkartei anzulegen<br />

hätte. Abschließend hieß es im Protokoll: »Die festgestellten groben Fälle<br />

werden nunmehr einer besonders schnellen Ahndung zugeführt. […] Im Anschluß<br />

an die verantwortliche Vernehmung wird darüber entschieden, ob der<br />

Delinquent noch einmal mit einer milderen Bestrafung davonkommen kann<br />

oder ob er sofort der Geheimen Staatspolizei zugeführt werden muß. Das<br />

letztere wird wohl die Regel sein. Da es sich nach dem vorgeschlagenen Verfahren<br />

ausschließlich um schwerwiegende Fälle handelt, wird die Geheime<br />

Staatspolizei ohne Bedenken dem Antrag auf sofortige Einweisung in ein<br />

Arbeitslager stattgeben.« 25 In einer Besprechung der Industrie-Abteilung der<br />

Handelskammer am 24. April 1941 tauschten sich dann die Bremer Großbetriebe<br />

über ihre bisherigen Erfahrungen mit dem Lager in Farge aus. Während sich<br />

die Lloyd-Dynamo-Werke darüber beschwerten, dass einer ihrer Arbeiter in<br />

Farge mehr Lohn als im Betrieb erhalten hätte, äußerte sich Direktor Siepmann<br />

von den Francke-Werken positiv. Aus seinem Betrieb wären inzwischen neun<br />

Leute in Farge gewesen, davon hätte das Lager zumindest auf sechs eine<br />

›starke erzieherische Wirkung‹ gehabt. 26<br />

Mit der Einführung dieses beschleunigten Verfahrens zur Einweisung der zu<br />

erziehenden Arbeiter aus den Bremer Großbetrieben ins Lager Farge hatte<br />

<strong>Bremen</strong> reichsweit eine Vorreiterfunktion. Als im Dezember 1941 von der Reichs-<br />

wirtschaftskammer ein neuer Erlass des Reichsarbeitsministers zur besseren<br />

Bekämpfung der Disziplinlosigkeiten verschickt wurde, konnte der Referent der<br />

Bremer Handelskammer anmerken: »Bei uns in <strong>Bremen</strong> schon lange u. dazu<br />

noch wesentlich besser im Verfahren u. Durchführung eingeführt.« 27 Das Vorzeigelager<br />

der Bremer Gestapo entwickelte sich bald zu einem wegen seiner<br />

Härte reichsweit berüchtigten Lager, das die Historikerin Gabriele Lotfi als<br />

eines der wenigen ›Todeslager‹ unter den AELs bezeichnet. 28 Im Bremer Volksmund<br />

trug es deshalb bald den Namen ›Männervernichtungslager‹. 29<br />

Zu einem Todeslager entwickelte sich das AEL aber erst mit dem Baubeginn<br />

des <strong>Bunker</strong>s, denn aufgrund der benötigten Arbeitskräfte wurde das AEL aus<br />

dem Marinegemeinschaftslager II ausgegliedert und als eigenständiges Lager<br />

in der Rekumer Feldmark eingerichtet. Besonders gravierend wirkte sich aus,<br />

Seite<br />

13<br />

lässt sich rekonstruieren, dass er einer der<br />

zentralen, wenn nicht sogar der zentrale Mann<br />

beim gesamten Zwangsarbeitereinsatz in<br />

<strong>Bremen</strong> war. U.a. hielt er auch mehrfach Reden<br />

vor Gremien der Reichswirtschaftskammer über<br />

den Zwangsarbeitereinsatz.<br />

25 Das Protokoll befindet sich in einer mit<br />

dem Titel ›Bummelantentum‹ verzeichneten<br />

Akte des Archivs der Handelskammer <strong>Bremen</strong><br />

(AHKB) mit der Signatur: Sz.I.66(2).<br />

26 Ebd.<br />

27 Handschriftliche Anmerkung auf einem Brief<br />

der Reichswirtschaftskammer vom 13.12.1941<br />

in AHKB, Sz.I.66(2).<br />

28 Lotfi, KZ der Gestapo, S. 193 sowie S. 80.<br />

29 Inge Marszolek/Rene Ott, <strong>Bremen</strong> im<br />

3. Reich. Anpassung – Widerstand – Verfolgung,<br />

<strong>Bremen</strong> 1986, S. 429.


Seite<br />

14<br />

30 Johr/Roder, Der <strong>Bunker</strong>, S. 37.<br />

31 Die Akten des Militärgerichtsprozesses<br />

befinden sich im: The National Archives (TNA,<br />

vormals: Public Record Office), WO 235/441 und<br />

442. Die noch interessanteren Ermittlungsakten<br />

finden sich in: ebd., WO 309/784 und 864.<br />

32 Heinrich Schauwacker ist vielleicht eines<br />

der erschreckendsten Beispiele einer Bremer<br />

NS­Karriere. Er wurde 1911 geboren und trat<br />

im Alter von 16 Jahren der SA und ein Jahr<br />

später der NSDAP bei (Mitglieds­Nr. 98055).<br />

1928 war der siebzehnjährige Schauwacker<br />

am bekanntesten antisemitischen Übergriff<br />

im <strong>Bremen</strong> der Weimarer Republik beteiligt:<br />

ein Überfall von SA­Männern auf jüdische<br />

Passanten, unter denen sich zufälligerweise<br />

der brasilianische Konsul befand. In den Jahren<br />

nach der ›Machtergreifung‹ war er als Block­<br />

und Zellenleiter der Partei aktiv und verdiente<br />

sein Geld als Wehrmachtsangehöriger. 1939<br />

wechselte er in den Dienst der Bremer Gestapo.<br />

Im März 1943 kam er aufgrund einer freiwilligen<br />

Meldung zum Osteinsatz bei der Einsatzgruppe<br />

B der Sipo und des SD, wo er dem Sonderkommando<br />

(Sk) 7b in Orel zugeteilt wurde.<br />

Seine Tätigkeit dort beschreibt er wie folgt:<br />

»Mit der Absetzung vom Gegner kam ich kurz<br />

nach Minsk und habe hier in zwei Tagen auf<br />

dem Gut der Sipo und des SD in Klein Trostinez<br />

über 3600 Männer, Frauen und Kinder in einer<br />

Scheune erschiessen müssen. Diese Anzahl<br />

von Menschen stammte aus den gesamten Gefängnissen<br />

und Lägern von Minsk und wurden<br />

sämtlichst durch Sturmscharführer Walter Otte<br />

und mich erschossen.« (Brief Schauwacker an<br />

Joseph Goebbels vom 19.3.1945, in: TNA, WO<br />

309/864). Nach der Flucht vor der Roten Armee<br />

aus Königsberg wurde er im Dezember 1944<br />

als Leiter des AEL in Farge eingesetzt. Da nach<br />

seiner Einsetzung die Anzahl der ›auf der Flucht<br />

Erschossenen‹ und der Beschwerden über<br />

Bestechung sofort rapide anstieg, wurde er im<br />

Februar 1945 von der Gestapo abgesetzt und<br />

inhaftiert, weswegen er im März 1945 einen<br />

Brief an Goebbels schrieb.<br />

Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

dass die Verpflegung des Lagers nun nicht mehr gemeinsam mit den Fremdarbeitern<br />

der Marine geschah, sondern allein in die Hände der Gestapo überging.<br />

Ein Gutachten der Universitätsklinik Eppendorf warnte 1944 angesichts<br />

der Situation im AEL vor »fortlaufend progressiven Ausfällen von Arbeitskräften<br />

bei Beibehaltung der derzeitigen Ernährungsverhältnisse«. 30<br />

Neben der katastrophalen Ernährung war die Brutalität von Lagerführern und<br />

Wachmannschaften der Hauptgrund <strong>für</strong> die Todesfälle von Häftlingen. Aufgrund<br />

der unmenschlichen Verhältnisse führte die britische Militärregierung<br />

nach Kriegsende einen eigenen Prozess zum AEL Farge, in dem insbesondere<br />

die Frage nach Misshandlungen und Erschießungen verhandelt wurde. 31 Von<br />

den 13 Angeklagten des Prozesses wurden sieben zu Haftstrafen zwischen<br />

sechs Monaten und sieben Jahren verurteilt. Die höchste Strafe von sieben<br />

Jahren erhielt der Wachmann Wilhelm Plothe, dem einige Misshandlungen<br />

sowie die Beteiligung an der Tötung von Häftlingen nachgewiesen werden<br />

konnten. Berücksichtigt werden muss dabei aber, dass die beiden am meisten<br />

ge<strong>für</strong>chteten Lagerführer des AEL Farge, Schipper und Schauwacker, nicht im<br />

Farge-Prozess angeklagt waren. Schipper wurde in einem anderen britischen<br />

Prozess als Lagerführer des AEL in Wilhelmshaven zum Tode verurteilt und<br />

1948 gehängt. Schauwacker hingegen konnte sich den britischen Ermittlern<br />

durch eine Flucht in die sowjetische Besatzungszone entziehen. 32 Ob er dort<br />

untertauchen konnte oder den sowjetischen Verfolgungsbehörden in die<br />

Hände fiel, ist ungeklärt.<br />

Nach der Bombardierung des <strong>Bunker</strong>s und dem Herannahen alliierter Truppen<br />

entschloss sich die Bremer Staatspolizeistelle, die etwa 200 verbliebenen<br />

Häftlinge des AEL aus dem Bremer Stadtgebiet fortzuschaffen. Am 7. April 1945<br />

begann die Evakuierung unter Leitung eines Wachmannes. Die Häftlinge<br />

mussten von Farge aus zu Fuß nach Hamburg marschieren. Als die Kolonne<br />

nach neun Tagen in Hamburg ankam, wurde sie von dort per Schiff weiter in<br />

das AEL in Kiel verbracht. Hier wurden die Häftlinge nach einem weiteren<br />

dramatischen Evakuierungsversuch am 3. Mai von alliierten Truppen befreit. 33<br />

Insgesamt konnten <strong>für</strong> das AEL Farge bisher 173 Todesopfer namentlich ermittelt<br />

werden. 34 Die ersten registrierten Todesfälle datieren vom März 1942. Das<br />

heißt, dass in den 37 Monaten bis zur Evakuierung des Lagers im April 1945<br />

durchschnittlich über vier Todesfälle pro Monat zu verzeichnen waren. Eine<br />

Untersuchung der bekannten Todesfälle nach Nationalitäten ergab, dass es sich<br />

bei fast einem Drittel der Toten (50) um Polen handelte. Es folgen 29 Niederländer,<br />

20 Sowjetrussen, 17 Deutsche, 11 Franzosen und 7 Dänen. Der hohe Anteil<br />

der Polen an den Todesopfern des AEL stimmt mit anderen Forschungsergebnissen<br />

überein. Es überrascht hingegen, dass im Lager mehr Niederländer und<br />

fast ebenso viele Deutsche wie Sowjetrussen umgekommen sein sollen. Hier<br />

liegt die Vermutung nahe, dass die Registrierung der Todesfälle sowjetischer<br />

Zivilarbeiter im AEL mit Abstand am wenigsten genau gehandhabt wurde. 35


Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

Eine weitere Analyse der Sterberegister des Standesamtes Neuenkirchen ergibt,<br />

dass <strong>für</strong> die Zeit vom Juli 1944 bis zur Evakuierung des Lagers insgesamt nur<br />

drei Todesfälle von deutschen Staatsbürgern <strong>für</strong> das AEL festgehalten wurden.<br />

Diese Zahl kann als völlig unrealistisch bezeichnet werden. Allein im Februar<br />

1945 sollen unter Leitung von Schauwacker zehn Gefangene »auf der Flucht<br />

erschossen« worden sein. 36 Die Akten legen die begründete Vermutung nahe,<br />

dass in der Amtszeit von Schauwacker vom Dezember 1944 bis Februar 1945 die<br />

Todeszahlen dramatisch anstiegen und sie auch in der verbleibenden Zeit<br />

zwischen Juli 1944 und der Evakuierung auf dem vorherigen Niveau lag. Damit<br />

dürfte die Gesamtzahl der im AEL zu Tode Gekommenen erheblich über den<br />

bisher bekannten Opfern liegen.<br />

Das Außenlager Farge des KZ Neuengamme<br />

Als zweites berüchtigtes Lager entstand in der Rekumer Feldmark ein Außenlager<br />

des KZ Neuengamme. Das Lager wurde im Herbst 1943 explizit zur<br />

Unterstützung des U-Boot-<strong>Bunker</strong>baus mit Arbeitskräften errichtet. Farge war<br />

das vierte Außenlager des KZ Neuengamme. Zuvor waren Lager bei den Phrix-<br />

Werken in Wittenberge, bei den Hermann-Göring-Werken in Salzgitter-Drütte<br />

und bei den Akkumulatoren-Werken in Hannover 37 errichtet worden. Farge war<br />

somit eines der Vorreiterlager <strong>für</strong> ein System von Außenlagern von Neuengamme,<br />

das sich 1944 rasant vergrößerte und über fast alle rüstungswichtigen<br />

Produktions- und Baustellen Norddeutschlands ausdehnte. 38 Nicht zu Unrecht<br />

betitelte Rainer Fröbe seinen Aufsatz über das sich ausbreitende System von<br />

KZ-Außenlagern ›KZ-Häftlinge als Reserve qualifizierter Arbeitskraft. Eine späte<br />

Entdeckung der deutschen Industrie und ihre Folgen‹. 39 Die KZ-Häftlinge<br />

wurden <strong>für</strong> die deutsche Industrie in größerem Umfang erst attraktiv, als keine<br />

anderen Arbeitskräfte mehr verfügbar waren, weil der Rückzug der Wehrmacht<br />

den Zugriff auf Zwangsarbeiter in den besetzten Gebieten zunehmend erschwerte<br />

bis unmöglich machte.<br />

Das Farger Kommando blieb bis zur Auflösung des ganzen Systems eines der<br />

bedeutendsten Außenlager von Neuengamme. Bei der letzten Aufstellung<br />

über die Belegungszahlen im März 1945 war es nach einem Kommando <strong>für</strong> das<br />

Geilenberg-Programm 40 in Hamburg und dem Lager in Salzgitter-Drütte mit<br />

2092 Häftlingen das drittgrößte Kommando von Neuengamme. 41 Die ersten<br />

Transporte aus Neuengamme im Herbst 1943 bestanden vor allem aus deutschen<br />

›befristeten Vorbeugehäftlingen‹ (BVer) sowie polnischen und sowjetischen<br />

Häftlingen. Während die deutschen Häftlinge die bedeutendsten<br />

Häftlingsfunktionsposten besetzten, erhielten vor allem Polen die unteren<br />

Funktionsposten zugewiesen. Zur Folge hatte das Eintreffen der polnischen<br />

und sowjetischen Häftlinge mit dem ersten Transport nach Farge, dass die in<br />

den Stammlagern zumeist eingehaltene Abstufung der Häftlinge nach den<br />

rassistischen Kategorien der SS in Farge nicht voll zum Tragen kam. So konnten<br />

die polnischen und sowjetischen Häftlinge ihre vergleichsweise gute Stellung<br />

Seite<br />

15<br />

33 Vgl. Die Aussagen zur Evakuierung in: TNA,<br />

WO 235/441 und 442, sowie Tech, Arbeitserziehungslager,<br />

S. 278/279.<br />

34 Zu verdanken ist dies den Nachforschungen<br />

von Heiko Kania. Kania hat eine Aufstellung<br />

der in Farge Verstorbenen aller unterschiedlichen<br />

Lager gemacht. Für das AEL beruhen<br />

die ermittelten Namen von Todesfällen zu<br />

über drei Vierteln auf dem Sterberegister des<br />

Standesamtes Neuenkirchen. Vgl. Heiko Kania,<br />

Neue Erkenntnisse zu Opferzahlen und Lagern<br />

im Zusammenhang mit dem Bau des <strong>Bunker</strong>s<br />

Valentin, in: Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte<br />

(2002) 10, S. 7–31, hier S. 25.<br />

35 Dies zeigen auch die Sterberegister des<br />

Standesamts Neuenkirchen, wo es bei den<br />

Angaben der sowjetischen Todesfälle die mit<br />

Abstand größten Lücken bei den Angaben zu<br />

den Verstorbenen gibt.<br />

36 Vgl. Johr/Roder, Der <strong>Bunker</strong>, S. 40.<br />

37 Dieses Außenlager wurde ebenfalls in enger<br />

Absprache mit der Kriegsmarine und dem<br />

Rüstungsministerium errichtet. Die Häftlinge<br />

waren hier bei der Fertigung von U­Boot­Batterien<br />

eingesetzt. Vgl. Hans Hermann Schröder,<br />

Das erste Konzentrationslager in Hannover: Das<br />

Lager bei der Akkumulatorenfabrik in Stöcken,<br />

in: Rainer Fröbe et al., Konzentrationslager<br />

in Hannover. KZ­Arbeit und Rüstungsindustrie in<br />

der Spätphase des Zweiten Weltkrieges,<br />

2 Bände, Hildesheim 1985, Band 1, S. 44–108.<br />

38 Vgl. Marc Buggeln, Das Außenlagersystem<br />

des KZ Neuengamme, in: Sabine Moller/Miriam<br />

Rürup/Christel Trouvé (Hg.), Abgeschlossene<br />

Kapitel? Zur Geschichte der Konzentrationslager<br />

und der NS­Prozesse, Tübingen 2002, S. 15–27;<br />

Hermann Kaienburg, Das Konzentrationslager<br />

Neuengamme 1938–1945, Bonn 1997, S. 155–283.<br />

Tor des KZ-Außenlagers Farge (Foto: J. Seubert,<br />

Bundesarchiv Koblenz)


»In sämtlichen Lagern, insbesondere im Russenlager wurde<br />

ein größere Anzahl von Gefangenen vorgeführt oder in<br />

den Betträumen besucht und auf den Ernährungszustand<br />

bzw. auf die Zeichen von Ernährungsstörungen hin besichtigt.<br />

Grundsätzlich ergab sich in allen Lagern ein ähnliches<br />

Bild. Sowohl durch die Anzahl wie durch die schwere der<br />

gefundenen Ernährungsschäden stand das Russenlager an<br />

der Spitze. Unter den etwa 30 vorgeführten Gefangenen<br />

ergaben sich alle Grade schwerer Ernährungsstörungen bis<br />

zu den klassischen Bildern des sog. Ernährungsödems. […]<br />

Eine geringere Anzahl gleichartiger Veränderungen überall<br />

mit einem beachtlichen Prozentsatz von Tuberculosebefall<br />

einhergehend, befand sich im Arbeitserziehungslager sowie<br />

im KL. […] Die Grundlage des Ernährungsödems liegt im<br />

Eiweißmangel. … Versuche haben zu der beachtlichen<br />

Feststellung geführt, dass mit der Dauer der Ödemzustände<br />

der Befall an Tuberculosen laufend stieg. […] Sozusagen<br />

ausnahmslos verliefen die Tuberculosen unbeeinflußbar in<br />

rascher Progression zum Tode, so daß die Lungentuberculosen<br />

als wichtigste Komplikation der Hungerkrankheit<br />

anzusehen ist, welche die Prognose des Hungerzustandes –<br />

und das ist das Entscheidende – hoffnungslos und irreversibel<br />

gestaltet. […]<br />

Beurteilung: Die Ursache der Ernährungsstörungen in der<br />

erwähnten Lagern wird […] in einem indirekten Eiweißmangel<br />

(erblickt), welcher durch unzureichenden Kaloriengehalt<br />

im Verhältnis zur geforderten Arbeitsleistung entsteht. […]<br />

Es muss damit gerechnet werden, dass bei Beibehaltung der<br />

derzeitigen Ernährungsverhältnisse fortlaufend progressive<br />

Ausfälle von Arbeitskräften entstehen, von denen ein großer<br />

Teil unrettbar verloren ist. […]<br />

Für das Bauvorhaben der Marineoberbauleitung <strong>Bremen</strong><br />

erlaubt sich der Unterzeichnete daher folgende Vorschläge<br />

zu machen:<br />

1.) Aussonderung aller Ernährungsgeschädigten in möglichst<br />

frühen Stadien der Ernährungsstörung.<br />

2.) Aussonderung der Tuberculösen und der schwer Darmkranken<br />

als hoffnungslos Geschädigten, die niemals <strong>für</strong> den<br />

Arbeitsprozess mehr in Frage kommen.<br />

3.) Auffütterung der ernährungsgeschädigten reversiblen<br />

Fälle mit ausreichender Ernährung mit biologisch hochwertigem<br />

Eiweiss und ausreichendem Gesamtkaloriengehalt,<br />

wobei der Gehalt an beidem das Tempo der Rekonvaleszenz<br />

bestimmen wird.<br />

4.) Erwirkung einer kalorisch ausreichenden Ernährung <strong>für</strong><br />

den noch einsatzfähigen Teil der Lagerinsassen. Zu diesem<br />

Punkt werden folgende Vorschläge gemacht: Revision der<br />

Beurteilungskriterien <strong>für</strong> Drückebergerei […]. Vorsicht mit<br />

dem Beschneiden von Rationen als Strafmaßnahme. […]<br />

Versuch, die zusätzlichen Wärmeverluste bei Transporten<br />

und Aussenarbeit durch Verbesserung der Kleidung einzuschränken.<br />

Ferner ist bei der Verteilung der Lebensmittel<br />

natürlich wie in allen Betrieben auf Gerechtigkeit der Verteilung<br />

und gerechte Bemessung der Rationen zu achten. […]<br />

Nur so ist der Unterzeichnete davon überzeugt, dass sich<br />

weitere unrettbare Ausfälle von Arbeitskräften vermeiden<br />

und die noch rettbaren nach einer gewissen Zeit wieder in<br />

den Arbeitsprozess eingliedern lassen.«<br />

Gutachten der Universitätsklinik Eppendorf<br />

vom 4. März 1944 (Archiv VVN/BdA)


Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

gegenüber den in großem Umfange erst 1944 in Farge eintreffenden französischen<br />

und griechischen Häftlingen, die in der rassistischen Werteskala der SS<br />

eigentlich ein höheres Ansehen genossen, wohl bewahren. 42<br />

Die KZ-Häftlinge mussten in Farge in einer Tages- und einer Nachtschicht arbeiten,<br />

die jeweils zwölf Stunden dauerten. Für die Tagesschicht eingesetzte Häftlinge<br />

wurden um 4 Uhr geweckt. Sie hatten daraufhin eine Stunde Zeit zum<br />

›Betten machen‹, Waschen und Frühstücken. Dem folgte ein ca. einstündiger<br />

Appell, so dass die Häftlinge zumeist um 6 Uhr zum <strong>Bunker</strong> aufbrechen mussten.<br />

Dort arbeiteten sie von 7 bis 19 Uhr, unterbrochen nur durch eine Mittagspause.<br />

Nach einem kurzen Appell am <strong>Bunker</strong> folgte der Marsch zur Abfahrtsstelle<br />

der Zugloren, später Pferdewaggons, mit denen die Häftlinge zurück zum<br />

Außenlager transportiert wurden. Dabei kam es vor, dass die Häftlinge zum<br />

Teil bis zu zwei Stunden auf die Abfahrt warten mussten. Im Lager erfolgten<br />

ein weiterer Appell und schließlich die Einnahme des Abendessens. Zu vermuten<br />

ist dementsprechend, dass die Häftlinge der Tagesschicht etwa gegen 22 Uhr<br />

in den Treibstoffbunker gehen konnten und ihnen so bestenfalls 6 Stunden<br />

Schlaf am Tag zur Verfügung standen. 43 Zur Nachtschicht gibt es bisher keine<br />

genaueren Angaben. Zu vermuten wäre, dass diese die nicht von der Tagesschicht<br />

abgedeckte Zeit von 19 bis 7 Uhr gearbeitet hat. Der ehemalige französische<br />

Häftling Raymond Portefaix berichtet allerdings, dass die Nachtschicht<br />

bereits um 15 Uhr das Lager verließ, was auf einen früheren Arbeitsbeginn<br />

schließen ließe. 44 Gearbeitet wurde auch sonntags, aber wohl nur in der Tagesschicht.<br />

Zum Teil mussten sonntags nur die französischen und griechischen<br />

Häftlinge arbeiten. 45<br />

Eingesetzt wurden die KZ-Häftlinge bei den schwersten und unangenehmsten<br />

Arbeiten, die auf der Baustelle zu verrichten waren. Dies waren vor allem<br />

die zahlreichen Zementkommandos, die entweder die schweren Säcke zu transportieren<br />

oder in die Mischmaschinen zu füllen hatten. Das Hauptproblem<br />

war neben der Schwere der Arbeit, dass der Zementstaub den ganzen Körper<br />

der Häftlinge bedeckte, was oft zu Entzündungen führte und zudem die Lungen<br />

stark verunreinigte. Als schlimmster Arbeitsplatz galten jedoch die ›Eisenkommandos‹,<br />

bei denen zentnerschwere Eisen- und Stahlträger transportiert<br />

werden mussten. Portefaix berichtet, dass sich bei der Zuteilung zu einem<br />

solchen Kommando die Lebenserwartung drastisch verringerte und die meisten<br />

dort arbeitenden Häftlinge innerhalb kürzester Zeit ums Leben kamen. Dementsprechend<br />

bezeichnete er die Eisenkommandos als »Himmelfahrtskommandos«.<br />

46<br />

Untergebracht waren die Häftlinge in einem der fertiggestellten Treibstoffbunker<br />

der Marine. Der <strong>Bunker</strong> hatte einen Durchmesser von 50 Metern und<br />

eine Höhe von 15 Metern. Er war oben durch Holzplanken abgedichtet, und das<br />

Innere war nur über eine schmale Holztreppe zu erreichen. Im <strong>Bunker</strong> gab es<br />

einen abgetrennten Wohnraum <strong>für</strong> die Funktionshäftlinge (Kapos), ein paar<br />

Seite<br />

17<br />

39 Rainer Fröbe, in: Ulrich Herbert et al. (Hg.),<br />

Die nationalsozialistischen Konzentrationslager.<br />

Entwicklung und Struktur, Göttingen 1998,<br />

Band II, S. 636–681.<br />

40 Beim Geilenberg­Programm handelte es<br />

sich um den Versuch, die deutschen Hydrierwerke<br />

nach alliierten Luftangriffen wieder<br />

arbeitsfähig zu machen. Vgl. dazu jetzt Franka<br />

Bindernagel/Tobias Bütow, Ingenieure als Täter.<br />

Die ›Geilenberg­Lager‹ und die Delegation<br />

der Macht, in: Ralph Gabriel et al. (Hg.), Lagersystem<br />

und Repräsentation. Interdisziplinäre<br />

Studien zur Geschichte der Konzentrationslager,<br />

Tübingen 2004, S. 46–70.<br />

41 Vierteljährlicher Bericht des SS­Standortarztes<br />

des KL Neuengamme, Dr. Trzebinski,<br />

vom 29.3.1945, in: Staatsarchiv Nürnberg, KV­<br />

Anklage, 2169­PS.<br />

42 Vgl. dazu vor allem Raymond Portefaix,<br />

›Vernichtung durch Arbeit‹ – Das Außenkommando<br />

<strong>Bremen</strong>­Farge, in: Hortensien <strong>für</strong> Farge:<br />

Überleben im <strong>Bunker</strong>, Raymond Portefaix/André<br />

Migdal/Klaas Touber, <strong>Bremen</strong> 1995, S. 21–114;<br />

Buggeln, Außenlagersystem, S. 24/25.<br />

43 Vgl. zu den Angaben Berichte der Häftlinge<br />

Josef Smejkal und Lucien Hirth, in: Archiv der<br />

Gedenkstätte Neuengamme (AGN), Ng.2.8./ 303<br />

u. 1243.<br />

44 Vgl. Portefaix, ›Vernichtung durch Arbeit‹,<br />

S. 53.<br />

45 Vgl. ebd., S. 43 u. 46.<br />

46 Ebd., S. 64.


Seite<br />

18<br />

47 Vgl. Bericht Hirth (s.o.) und Portefaix,<br />

›Vernichtung durch Arbeit‹, S. 26.<br />

48 Zum Kartoffelbrei vgl. Portefaix, ›Vernichtung<br />

durch Arbeit‹, S. 45. Von Salami, Leberpastete<br />

und Schweinefleisch in Farge berichtet<br />

der tschechische Häftling Josef Smejkal. Es<br />

muss hinzugefügt werden, dass Smejkal aufgrund<br />

von Kontakten eher zu den privilegierten<br />

Häftlingen gehörte, z.B. musste er sonntags<br />

nie arbeiten und konnte zudem ohne große<br />

Mühe eine Einteilung in ein nicht so schweres<br />

Arbeitskommando erreichen. Vgl. Interview<br />

Smejkal (s.o.). Da Portefaix, der ansonsten die<br />

Besonderheiten der Essenszuteilung sehr genau<br />

beschreibt, nichts von Fleisch oder Pastete<br />

berichtet, ist anzunehmen, dass nur bestimmte<br />

Häftlingsgruppen in den Genuss dieser Speisen<br />

kamen.<br />

Zwangsarbeiter auf der Baustelle des <strong>Bunker</strong>s<br />

Valentin (Foto: J. Seubert, Bundesarchiv Koblenz)<br />

49 Portefaix, ›Vernichtung durch Arbeit‹, S. 29.<br />

Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

Duschen, eine Bedürfnisanstalt sowie eine lange Reihe Waschtische. Daneben<br />

gab es <strong>für</strong> fünf Blöcke von Häftlingen Bettgestelle im Innenraum des <strong>Bunker</strong>s<br />

und eine Reihe Bettgestelle, die rundherum an die <strong>Bunker</strong>wand gestellt waren.<br />

Innerhalb des Lagers gab es an der Erdoberfläche anfangs nur drei Baracken,<br />

die als Küche, Krankenrevier und Schreibstube dienten, so dass alle Häftlinge<br />

mit Ausnahme der Kranken und einiger Funktionshäftlinge im <strong>Bunker</strong> untergebracht<br />

waren. Später entstanden weitere Baracken, die zum Teil als Häftlingsunterkünfte<br />

verwendet wurden.<br />

Das Essen der Häftlinge war ähnlich wie in den meisten Außenlagern <strong>für</strong> das<br />

Überleben kaum ausreichend. Morgens gab es eine halbe Scheibe Brot, 5 Gramm<br />

Margarine und einen halben Liter dünnen Kaffee-Ersatzes. Mittags folgte ein<br />

Liter Suppe und abends noch einmal ein halber Liter Suppe mit einem Stück<br />

Brot und 5 Gramm Margarine. 47 An einigen Tagen gab es reichhaltigeres Essen<br />

wie Kartoffelbrei und Fleisch, dessen Ausgabe möglicherweise in die Zeit<br />

nach dem verheerenden Gutachten der Eppendorfer Klinik über die Ernährung<br />

im AEL wie im Außenlager Farge vom März 1944 zu datieren ist. 48<br />

Die Bewachung der Häftlinge oblag nur noch zu geringen Teilen der SS. Dies lag<br />

vor allem daran, dass die SS durch die Ausdehnung des Außenlagersystems<br />

nicht mehr über ausreichend Personal verfügte, um alle Lager ausschließlich<br />

selbst zu überwachen. In Farge waren es Marinesoldaten, die ansonsten von<br />

der SS wahrgenommene Aufgaben übernahmen. Diese bewachten die KZ-Häftlinge<br />

beim Transport vom Lager zum <strong>Bunker</strong> und zurück, und sie bildeten eine<br />

Postenkette um die <strong>Bunker</strong>baustelle, die eine Flucht unmöglich machen sollte.<br />

Auf der Arbeitsstelle wurden die Häftlinge von deutschen zivilen Vorarbeitern<br />

angeleitet und von Funktionshäftlingen (Kapos) zur Arbeit angetrieben. Die SS<br />

dagegen war nur von Zeit zu Zeit auf der Baustelle, um zu überprüfen, ob das<br />

Arbeitstempo auf dem erwünschten Niveau blieb. Auch im Lager wurde die<br />

Aufrechterhaltung der Ordnung vor allem den Funktionshäftlingen überlassen.<br />

Die SS beschränkte sich im Wesentlichen auf die Bewachung der Umzäunung<br />

und die zeitweilige Überprüfung der Appelle. Das erweiterte den Spielraum<br />

<strong>für</strong> privilegierte Häftlinge stark, <strong>für</strong> die Mehrzahl der Häftlinge jedoch nur in<br />

geringem Maße. Am weitgehend reibungslosen Ablauf des <strong>für</strong> viele Häftlinge<br />

tödlichen Lageralltags scheint dies wenig geändert zu haben, so dass die SS<br />

in Farge nur selten Grund zum Eingreifen sah. Portefaix beschreibt die Verhältnisse<br />

wie folgt: »Die typischste Erscheinung in <strong>Bremen</strong>-Farge ist nämlich die<br />

fast vollständige Unabhängigkeit der Häftlinge im unteren Dienstgrad. Die SS<br />

verläßt sich in allem, was Arbeit und Disziplin angeht, auf sie, ganz im Vertrauen<br />

auf den Anreiz der Vergünstigungen, die sie ihnen gewährt. In gewisser Hinsicht<br />

ergibt sich daraus <strong>für</strong> uns etwas mehr Ruhe: In der Zeit, in der die Kapos<br />

mit sich selbst beschäftigt sind, können wir uns auf der Pritsche ausstrecken,<br />

unsere Freunde aufsuchen und unsere Eindrücke austauschen. Aber andererseits<br />

– zu welchen Brutalitäten sind sie beim Auftauchen eines SS-Mannes nicht<br />

fähig, um ja das ihnen entgegengebrachte Vertrauen zu rechtfertigen!« 49


Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

Die Räumung des Farger Außenlagers begann am 10. April 1945. In den Tagen<br />

zuvor waren Häftlinge der anderen Bremer Außenlager sowie aus Meppen<br />

nach Farge geschafft worden, so dass das Lager <strong>für</strong> wenige Tage völlig überbelegt<br />

war. Der Großteil der Häftlinge marschierte zu Fuß nach Neuengamme,<br />

wo sie am 15. April eintrafen. Viele von ihnen wurden dann auf drei Schiffe<br />

verschleppt, die in die Neustädter Bucht ausliefen. Die Schiffe wurden von englischen<br />

Fliegern angegriffen und versenkt. Hierbei kamen insgesamt etwa<br />

6600 Neuengammer Häftlinge ums Leben. 50 Eine bisher unbekannte Zahl von<br />

Häftlingen marschierte vom Außenlager Farge direkt zum Kriegsgefangenenlager<br />

Sandbostel, wo die Häftlinge später von der britischen Armee befreit<br />

wurden. Zudem irrte ein Krankentransport eine Woche zwischen <strong>Bremen</strong> und<br />

Hamburg umher, ehe auch dieser in Sandbostel endete. 51<br />

Eine der schwersten Aufgaben der Forschung ist eine Einschätzung der Höhe<br />

der Sterblichkeit vorzunehmen. Heiko Kania konnte <strong>für</strong> das Außenlager in Farge<br />

bisher 721 Opfer namentlich nachweisen. 52 Bei diesen bekannten Todesfällen<br />

handelt es sich zum allergrößten Teil um französische Häftlinge (508 Tote).<br />

Zu erklären ist diese hohe Zahl an dokumentierten Toten u.a. auch dadurch,<br />

dass überlebende Häftlinge nach Kriegsende eine Liste mit ihnen namentlich<br />

bekannten Opfern aufstellten. Auf den Angaben dieser Liste basieren 459<br />

Namen (fast 90 Prozent) von französischen Opfern, während nur 49 Namen auf<br />

den Angaben aus anderen Quellen (Standesamt, Totenbuch Neuengamme etc.)<br />

beruhen. Für die Häftlinge aller anderen Nationen des Außenkommandos<br />

Farge gibt es keine von den Überlebenden aufgestellten Listen. Würde man <strong>für</strong><br />

die nicht-französischen Opfer ein ähnliches Verhältnis von registrierten und<br />

nicht registrierten Opfern anlegen, käme man auf etwa 2000 Todesfälle, zu<br />

denen die französischen Opfer hinzukämen. Diese Rechnung ist jedoch ausgesprochen<br />

hypothetisch und kann nicht als Grundlage einer seriösen Schätzung<br />

betrachtet werden, zumal auch die Häftlingsberichte darauf hindeuten, dass die<br />

Sterblichkeit unter den französischen Häftlingen signifikant höher war als bei<br />

anderen nationalen Gruppen. Hans Joachim Höhler hat in seinen Berechnungen<br />

<strong>für</strong> die KZ-Gedenkstätte Neuengamme die Anzahl der Todesfälle im Außenlager<br />

Farge auf mindestens 640 und höchstens 1728 beziffert. 53<br />

Weitere Lager <strong>für</strong> ausländische Arbeiter<br />

Neben dem verhältnismäßig gut erforschten KZ-Außenlager und dem AEL gab<br />

es noch weitere, weniger gut erforschte Lager, die Arbeitskräfte zum Bau<br />

des <strong>Bunker</strong>s unterbrachten. Zuerst entstand bereits 1939 das Zwangsarbeiterlager<br />

der Baufirma Gottlieb Tesch, das diese auf dem Wifo-Gelände betrieb.<br />

Die im Lager lebenden ca. 2000 ausländischen zivilen Zwangsarbeiter wurden<br />

ab 1943 vor allem zum <strong>Bunker</strong>bau eingesetzt. Es handelte sich im Wesentlichen<br />

um Tschechen, Polen, Franzosen, Belgier und Holländer. 54 Herrscht bei diesem<br />

Lager mit Ausnahme der Verortung noch ziemliche Einigkeit in den beiden<br />

maßgeblichen Veröffentlichungen (Johr/Roder und Christochowitz), ergeben<br />

Seite<br />

19<br />

50 Vgl. Wilhelm Lange, Cap Arcona. Dokumentation.<br />

Das tragische Ende einiger Konzentrationslager­Evakuierungstransporte<br />

im Raum der<br />

Stadt Neustadt in Holstein am 3. Mai 1945, Eutin<br />

1988; Heinz Schön, Die Cap Arcona­Katastrophe.<br />

Eine Dokumentation nach Augenzeugen­Berichten,<br />

Stuttgart 1989.<br />

51 Vgl. Katharina Hertz­Eichenrode (Hg.), Ein KZ<br />

wird geräumt. Häftlinge zwischen Vernichtung<br />

und Befreiung. Die Auflösung des KZ Neuengamme<br />

und seiner Außenlager durch die SS<br />

im Frühjahr 1945, 2 Bände, <strong>Bremen</strong> 2000, hier:<br />

Band 2, S. 19; Werner Borgsen/Klaus Volland,<br />

Stalag X B Sandbostel. Zur Geschichte eines<br />

Kriegsgefangenen­ und KZ­Auffanglagers in<br />

Norddeutschland 1939–1945, <strong>Bremen</strong> 1991,<br />

S. 172–196.<br />

52 Diese Zahl bezieht sich auf eine ältere<br />

Aufstellung Kanias. In einem neueren Aufsatz<br />

rechnet er nur noch 553 dieser Opfer direkt<br />

dem Außenlager Farge zu, weil er vor allem die<br />

169 Toten eines Evakuierungsmarsches nach<br />

Sandbostel aufgrund der großen Anzahl von<br />

Häftlingen aus anderen Außenlagern nicht<br />

mehr in die Aufstellung mit aufgenommen hat.<br />

Vgl. Kania, Neue Erkenntnisse, S. 24/25.<br />

53 Hans Joachim Höhler, Tote der Außenlager<br />

des KZ Neuengamme. Forschungsstand und<br />

Einschätzung, Lübeck 2000 (unveröffentlichtes<br />

Manuskript).<br />

54 Vgl. Johr/Roder, Der <strong>Bunker</strong>, S. 22 ff.


Seite<br />

20<br />

55 Vgl. Kania, Neue Erkenntnisse, S. 13 und<br />

S. 15. Kania geht von einer Belegung mit<br />

ca. 700 Kriegsgefangenen aus<br />

56 Vgl. ebd., S. 18/19.<br />

57 Vgl. Aufstellung über die Lager der OT­<br />

Oberbauleitung Unterweser, in: Bundesarchiv<br />

Berlin­Lichterfelde, R 50I/48.<br />

58 Vgl. Berichte der VVN über Erkundungsreisen<br />

in <strong>Bremen</strong>­Nord, in: Forschungsstelle <strong>für</strong> Zeitgeschichte<br />

Hamburg, Hans­Schwarz­Nachlass,<br />

13­7­5­1; Gespräch des Verfassers mit dem<br />

ehemaligen Ortsamtsleiter von Blumenthal.<br />

59 Der Film befindet sich heute im Bundesfilmarchiv<br />

Berlin und ist seit Kurzem in der neuen<br />

Dauerausstellung der KZ­Gedenkstätte Neuengamme<br />

zu sehen.<br />

60 Die Aufnahmen befinden sich heute im Bildarchiv<br />

des Bundesarchivs Koblenz.<br />

Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

sich bei den anderen Lagern gravierende Differenzen, die nun aber durch<br />

den Aufsatz von Heiko Kania zum Teil geklärt werden konnten. Kania belegt,<br />

dass es ab 1941 auch ein Lager <strong>für</strong> sowjetische Kriegsgefangene gab, welches<br />

bis Kriegsende bestehen blieb. 55 Das Lager war Teil des ›Marinegemeinschaftslagers<br />

I‹ und lag in der Farger Heide direkt neben dem letzten Standort des<br />

AEL. Anfangs waren die Kriegsgefangenen bei der Wifo eingesetzt, ab 1943/44<br />

wurden Gefangene des Lagers unter der Bezeichnung ›2. Marinebaubereitschaftsabteilung‹<br />

auch zu Arbeiten beim U-Boot-<strong>Bunker</strong> herangezogen.<br />

Im Gegensatz zu den Vermutungen von Johr/Roder scheint im Schwaneweder<br />

Bereich kein Lager <strong>für</strong> sowjetische Kriegsgefangene existiert zu haben. 56<br />

Im Schwaneweder Bereich existierten aber ab 1943 zwei große Zwangsarbeiterlager,<br />

die von der OT unter dem Namen Heidkamp I und II geführt wurden.<br />

In ihnen waren vermutlich nach Ost- und Westarbeitern getrennt etwa 4500<br />

Zwangsarbeiter untergebracht. 57 1944 wurden dort vermutlich auch noch etwa<br />

1000 italienische Militärinternierte einquartiert. Insgesamt können wir also<br />

inzwischen recht gesichert davon ausgehen, dass neben dem Außenlager und<br />

dem AEL noch drei Zwangsarbeiterlager und ein Kriegsgefangenenlager im<br />

Bereich Farge/Neuenkirchen/Schwanewede existierten, deren Gefangene/<br />

Zwangsarbeiter zumindest teilweise zum Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s eingesetzt<br />

wurden. Über diese Lager ist der Kenntnisstand aber nach wie vor rudimentär,<br />

insbesondere weil bisher kaum Berichte ehemaliger Kriegsgefangener/<br />

Zwangsarbeiter vorhanden sind.<br />

Die Bevölkerung, das Bauprojekt und die Lager<br />

In Farge fand das Massensterben unmittelbar vor den Augen der einheimischen<br />

Bevölkerung statt. Der entstehende U-Boot-<strong>Bunker</strong> lag praktisch mitten im Ort.<br />

Die Bevölkerung konnte die Baustelle aus der Entfernung gut beobachten.<br />

Kolonnen von KZ-Häftlingen und zivilen Zwangsarbeitern marschierten bzw.<br />

fuhren täglich durch den Ort. Der Bäcker lieferte das Brot direkt ins Außenlager,<br />

und der örtliche Kohlenhändler übernahm des Öfteren den Transport der<br />

Leichen. Im benachbarten Lager Blumenthal, dessen Häftlinge zum Teil auch<br />

beim Bau des <strong>Bunker</strong>s eingesetzt waren, gab es einen Auflauf von Schaulustigen<br />

bei Hinrichtungen im Lager. 58 Allgemein scheint das Geheimhaltungsbedürfnis<br />

sowohl der Marine wie der SS in Farge sehr gering gewesen zu sein.<br />

Marinebaurat Steig, der Bauleiter vor Ort in Farge, nahm mit seiner Super-8-<br />

Kamera einen 40-minütigen Film vom <strong>Bunker</strong>bau auf, in dem auch Kolonnen<br />

von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern zu sehen sind. 59 Auch der örtliche<br />

Fotograf Seubert war von Mai bis November 1944 zwei- bis dreimal die Woche<br />

auf der Baustelle, um die Fortschritte beim Bau, aber auch die dort arbeitenden<br />

Menschen bildlich festzuhalten. Im August 1944 wurde ihm sogar der<br />

Besuch des Außenlagers erlaubt. Dabei schoss er insgesamt 43 Bilder vom<br />

Lager und seinen Insassen, die in seinem Privatbesitz das Ende des Krieges<br />

überstanden. 60 Dass die Bevölkerung weitgehend über das Geschehen vor Ort<br />

informiert war, lässt sich auch daran erkennen, dass, wie bereits berichtet, das<br />

rechts:<br />

Gesetzblatt der Freien Hansestadt <strong>Bremen</strong><br />

vom 5. August 1943 (Staatsarchiv <strong>Bremen</strong>)


Seite<br />

22<br />

61 Vgl. Inge Marszolek/Rene Ott, <strong>Bremen</strong> im<br />

3. Reich. Anpassung – Widerstand – Verfolgung,<br />

<strong>Bremen</strong> 1986, S. 429.<br />

62 Brief des Marineoberbauamt Hamburg an die<br />

Reichsumsiedlungsgesellschaft vom 16.4.1943,<br />

in: Bundesvermögensverwaltung Oldenburg,<br />

Akten der ehemaligen Bundesvermögensstelle<br />

<strong>Bremen</strong>, VV 2905.2, 0015/35, U­Bootbunker<br />

Valentin, Alte Unterlagen ab 1943.<br />

Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

benachbarte Arbeitserziehungslager im Volksmund ›Männervernichtungslager‹<br />

hieß und es in der ganzen Stadt <strong>Bremen</strong> das Sprichwort gab »Sei ruhig, sonst<br />

kommst du nach Farge«. 61<br />

Während der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s im Sommer 1943 bereits begann, gehörte<br />

das Land, auf dem die Baustelle lag, noch den örtlichen Bauern. Am 16. April<br />

1943 bat das mit den Erwerbsgesprächen in Farge betraute Marineoberbauamt<br />

Hamburg die Reichsumsiedlungsgesellschaft (Ruges) in einem Schreiben<br />

um Hilfe. Darin heißt es, dass vier Bauern aufgrund des Verlustes ihrer Weiden<br />

Ersatzland <strong>für</strong> ihr Vieh brauchen und zwei, vielleicht drei Bauern auch ihre<br />

Gebäude mit Hof verlieren würden, darunter Ortsbauernführer Gräfing. Die<br />

Ruges wurde gebeten bei der Suche nach Ersatzland zu helfen. Zur Dringlichkeit<br />

des Anliegens wurde vermerkt: »Das Bauvorhaben läuft sofort an, und man<br />

wird an den Abbruch der ersten 2 Bauernhöfe bereits in einem halben Jahr<br />

herangehen müssen, während das Wiesenland sofort den Bauern entzogen<br />

wird.« 62 Am 11. Juni 1943 erfolgte die Aufteilung der Verhandlungen mit den<br />

Landbesitzern in Farge in zwei Gruppen: Die schwierigeren Fälle sollten fortan<br />

von der Ruges bearbeitet werden, während die vermeintlich leichteren Verhandlungen<br />

vorerst in der Zuständigkeit des Marineoberbauamts Hamburg<br />

blieben. Im September 1943 meldete die Ruges, dass erste Ersatzhöfe besichtigt<br />

worden wären und die Entschädigung der anderen Bauern abhängig von<br />

weiteren Landzuteilungen sei. Im November konnte dann mitgeteilt werden,<br />

dass <strong>für</strong> die beiden Hauptbetroffenen, die Landwirte Schnibben und Gräfing,<br />

zwei Ersatzbetriebe in der Nähe von Leer gefunden wurden, mit denen die<br />

beiden einverstanden seien. Insgesamt waren aber auch im Dezember 1943 nur<br />

wenige Vertragsverhandlungen abgeschlossen. Da die Kompetenzen zwischen<br />

Marineoberbauamt und Ruges kaum abgesprochen waren, gelang es einigen<br />

Bauern, durch Parallelverhandlungen mit beiden Organisationen den Preis <strong>für</strong><br />

ihr Land in die Höhe zu treiben, was das Marineoberbauamt veranlasste, zu<br />

einer engeren Zusammenarbeit mit der Ruges zu mahnen. Die erhaltenen<br />

Akten zeigen auf der einen Seite, dass die Bauern keine andere Wahl hatten,<br />

als ihr Land zu verkaufen; auf der anderen Seite zeigen sie aber auch, dass die<br />

Marine und die Ruges ein hohes Interesse daran hatten, unter den Bauern<br />

keine Unzufriedenheit aufkommen zu lassen und von daher um eine angemessene<br />

Bezahlung und Entschädigung der Bauern bemüht waren. Für die Grundstückskäufe<br />

der Marine <strong>für</strong> das Tanklager ist der Fall überliefert, dass das<br />

Bremer Vermessungsamt sich über die zu hohen Preise, die die Marine bezahlt<br />

hatte, beschwerte. Im betreffenden Fall hatte die Marine der Grundstückseigen-<br />

tümerin das Zweieinhalbfache des vom Vermessungsamt geschätzten Wertes<br />

gezahlt, doch dies war keinesfalls die Regel. Die Entschädigungsverhandlungen<br />

waren bis Kriegsende noch nicht abgeschlossen und zogen sich zum Teil<br />

bis in die 1950er Jahre hinein. Eine Gesamtbilanz der Gebietsabtretungen und<br />

-zwangsverkäufe ergibt ein differenziertes Bild: Einige der Bauern konnten<br />

durch eine schnelle und reichhaltige Entschädigung Vorteile aus dem <strong>Bunker</strong>projekt<br />

ziehen, <strong>für</strong> andere ergaben sich langjährige Verhandlungen, die zumeist


Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

mit dem Verlust ihres Landes zu den damals üblichen Entschädigungspreisen<br />

endeten.<br />

Die Frage des Landbesitzes war insgesamt sicherlich die bedeutendste ökonomische<br />

Frage, die sich mit dem <strong>Bunker</strong>bau <strong>für</strong> die Menschen in Farge-Rekum<br />

auftat; sie war jedoch keinesfalls die einzige. Für viele regionale Bau- und<br />

Handwerksbetriebe entwickelte sich der Bau zu einem großen Geschäft. Und<br />

auch <strong>für</strong> die ortsansässigen Kleingewerbetreibenden ergaben sich durch die<br />

Anwesenheit von vielen tausend (Zwangs-)Arbeitern neue Einkommensmöglichkeiten.<br />

63 Mitunter legte der <strong>Bunker</strong>bau den Grundstein <strong>für</strong> ihre wirtschaftliche<br />

Nachkriegskarriere. Prototypisch ist hier<strong>für</strong> der Lebenslauf des Farger Lebensmittelhändlers<br />

Wilhelm Sünkenberg. Im Alter von 25 Jahren hatte sich Sünkenberg<br />

1935 eine kleine Existenz als Lebensmittelhändler und Vertreter mit einem<br />

Verdienst von 2000 Reichsmark jährlich aufgebaut. Sein Aufstieg begann 1940<br />

mit seinem Einzug zur Wehrmacht, der Versetzung nach Paris und seinem<br />

gleichzeitigen Eintritt in die NSDAP. 1942 gelang es ihm, sich zur Marinefahrbereitschaft<br />

in Farge versetzen zu lassen. So hatte er in den folgenden Jahren<br />

ein Fahrzeug zur Verfügung und konnte parallel seinem Beruf als Lebensmittelhändler<br />

nachgehen. Dadurch gelang es ihm, einer der Hauptlieferanten <strong>für</strong><br />

die Lager der Umgebung zu werden und dabei bisher ungeahnte Mengen von<br />

Lebensmitteln umsetzen zu können. Schließlich errichtete Sünkenberg sogar<br />

direkt auf der <strong>Bunker</strong>baustelle einen Kiosk. Dadurch konnte er es 1944 auf einen<br />

Jahresverdienst von 39573 Reichsmark bringen, also auf das 20-Fache seines<br />

Einkommens von 10 Jahren zuvor. Dieses Einkommen legte den Grundstein<br />

da<strong>für</strong>, dass Sünkenberg in der Nachkriegszeit der größte Lebensmittelhändler<br />

in Farge-Rekum wurde. 64<br />

Wie die Bevölkerung in Farge-Rekum damals auf die Anwesenheit der KZ-Häftlinge<br />

und Zwangsarbeiter reagierte, lässt sich heute nur noch in begrenztem<br />

Maße beantworten. Als Quelle stehen hier<strong>für</strong> vor allem Nachkriegsberichte von<br />

Anwohner(inne)n und in geringer Zahl kurze Passagen in Interviews mit<br />

ehemaligen Häftlingen zur Verfügung. Sowohl die Berichte als auch die Interviews<br />

sind dabei vielfältig von den Bedeutungsprägungen der Nachkriegszeit<br />

gekennzeichnet. Sie enthalten neben den Spuren vergangener Ereignisse auch<br />

immer Anpassungsleistungen an die Erzählstrukturen der Gegenwart. Trotzdem<br />

lassen sich über die Berichte zumindest begründete Vermutungen über<br />

Umgangsmuster der Bevölkerung anstellen. So zeigt sich, dass der Anblick der<br />

ausgehungerten und ausgemergelten KZ-Häftlinge bei der Bevölkerung unterschiedliche<br />

Gefühle auslöste. Bei vielen herrschte eher Mitleid mit den gezeichneten<br />

Menschen vor, andere folgten den Ausführungen der SS und glaubten,<br />

dass es sich bei den Häftlingen um gefährliche Verbrecher handelte, die eine<br />

harte Bestrafung verdienten. So berichtet der ehemalige französische Häftling<br />

Henry Denaiffe: »Für sie [die Bevölkerung, M.B.] waren wir Menschen, die<br />

abzuknallen waren. Man hatte ihnen fälschlich erklärt, daß wir Gangster und<br />

Diebe waren. […] Als wir zu Fuß zurückgingen, trafen wir Kinder, die nicht<br />

Seite<br />

23<br />

63 Vgl. Hierzu die hervorragende Magisterarbeit<br />

von Silke Betscher, Die Häftlingskolonnen<br />

im Ort: »Och, das war doch so gang und gäbe«.<br />

<strong>Bremen</strong>­Nord: die Nachbarschaft zwischen den<br />

Orten und den Lagern 1943–45, <strong>Bremen</strong> 2004<br />

(Magisterarbeit Universität <strong>Bremen</strong>),<br />

S. 115–122.<br />

64 Vgl. ebd., S. 118/119; sowie die Entnazifizierungsakte<br />

von Sünkenberg, in: Staatsarchiv<br />

<strong>Bremen</strong>, 4,66­I Sünkenberg, Wilhelm.


Seite<br />

24<br />

Norddeutsche Zeitung, 27. Dezember 1943<br />

(Staatsarchiv <strong>Bremen</strong>)<br />

Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung


Marc Buggeln: Der Bau des U-Boot-<strong>Bunker</strong>s ›Valentin‹, der Einsatz von Zwangsarbeitern<br />

und die Beteiligung der Bevölkerung<br />

wußten, wer wir waren. Die Eltern hatten sie gedrillt, Steine auf uns zu werfen.« 65<br />

Aufgrund der strikteren Bewachung war ein direkter Kontakt mit den KZ-<br />

Häftlingen nur selten möglich. Deutlich häufiger waren Kontakte der Bevölkerung<br />

mit Zwangsarbeitern. Ehemalige Anwohner(innen) berichteten in Interviews,<br />

dass sie <strong>für</strong> Zwangsarbeiter Essen versteckten oder dieses gegen von<br />

Zwangsarbeitern gebastelte Gegenstände, vor allem Spielzeug, tauschten.<br />

Diese Spielzeuge wurden in einzelnen Fällen bis heute aufgehoben und werden<br />

von ihren Besitzer(inne)n als Erinnerung und Mahnung an die damalige Zeit<br />

beschrieben. 66<br />

Auch nach dem Krieg blieben die Wege der Erinnerung vielfältig. Die Mehrheit<br />

der Bevölkerung vor Ort hatte ein großes Interesse daran, die Überreste des<br />

<strong>Bunker</strong>s unsichtbar zu machen. Da eine Sprengung des <strong>Bunker</strong>s unmöglich erschien,<br />

sprach sich die Ortsversammlung in Farge da<strong>für</strong> aus, den <strong>Bunker</strong> durch<br />

Einspülung verschwinden zu lassen. 67 Diese Vorschläge der Einwohner scheinen<br />

ins Gesamtbild des Versuchs der Unsichtbarmachung der Taten und deren Orte<br />

nach 1945 zu passen. Eine Entscheidung vor Ort scheint jedoch erklärungsbedürftig:<br />

Die Straße, an der das Außenlager und auch das AEL lagen, hatte bis in<br />

die 1950er Jahre einen unverfänglichen Namen. Erst auf das Drängen einiger<br />

Rekumer Anwohner wurde die Straße in den 1950er Jahren in ›Lagerstraße‹<br />

umbenannt. Vermutlich geschah dies eher in Erinnerung an die dort nach dem<br />

Krieg eingerichteten Flüchtlingslager als an die Lager der Kriegszeit. Es mag<br />

sein, dass hier im kollektiven Gedächtnis sich eine Art Übersprung vollzogen<br />

hat. Die Erinnerung an die Lager der Flüchtlinge sollte wohl die sehr viel<br />

heiklere Erinnerung an die Häftlings- und Zwangsarbeiterlager überdecken und<br />

auslöschen. Heute jedoch dürften die meisten, die diese Straße entlanggehen,<br />

an die vor 1945 errichteten Lager denken, ist doch der Begriff der Lager heute<br />

eng mit dem Nationalsozialismus verbunden.<br />

Seite<br />

25<br />

65 Interview von Barbara Johr mit Henry<br />

Denaiffe 1988, zitiert nach Johr/Roder, <strong>Bunker</strong>,<br />

S. 49/50.<br />

66 Sehr viel ausführlicher und mit einer Darlegung<br />

möglicher Funktionen dieser Andenken:<br />

Betscher, Häftlingskolonnen, S. 84–95.<br />

67 Vgl. Schreiben des Amtsvorstehers des<br />

Ortsamtes Blumenthal an den Senator <strong>für</strong> das<br />

Bauwesen vom 8. Juni 1949, in: Staatsarchiv<br />

<strong>Bremen</strong>, 4,29/1­963 (unpag.).


Seite<br />

26<br />

<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin / Marinerüstung und Zwangsarbeit<br />

Literatur zur Geschichte<br />

des <strong>Bunker</strong>s Valentin<br />

Nils Aschenbeck/Hartmut Roder u. a.<br />

Fabrik <strong>für</strong> die Ewigkeit. Der U-Boot-<strong>Bunker</strong><br />

in <strong>Bremen</strong>-Farge<br />

Hamburg 1995<br />

Fabian Becker/Dieter Schmidt<br />

U-Boot-<strong>Bunker</strong> ›Valentin‹. Kriegswirtschaft und<br />

Zwangsarbeit <strong>Bremen</strong>-Farge 1943–1945<br />

<strong>Bremen</strong> 1996<br />

Silke Betscher<br />

Die Häftlingskolonnen im Ort: »Och, das war<br />

doch so gang und gäbe«. <strong>Bremen</strong>-Nord:<br />

die Nachbarschaft zwischen den Orten und den<br />

Lagern 1943–45<br />

<strong>Bremen</strong> 2004 (Magisterarbeit Universität <strong>Bremen</strong>)<br />

Marc Buggeln<br />

Das Außenlagersystem des KZ Neuengamme, in:<br />

Sabine Moller/Miriam Rürup/Christel Trouvé (Hg.),<br />

Abgeschlossene Kapitel? Zur Geschichte der<br />

Konzentrationslager und der NS-Prozesse, S. 15–27<br />

Tübingen 2002<br />

Marc Buggeln<br />

KZ-Häftlinge als letzte Arbeitskraftreserve der<br />

Bremer Rüstungswirtschaft, in: Arbeiterbewegung<br />

und Sozialgeschichte (2003) 12, S. 19–36<br />

Rainer Christochowitz<br />

Die U-Boot-<strong>Bunker</strong>werft ›Valentin‹. Der U-Boot-<br />

Sektionsbau, die Betonbautechnik und der<br />

menschenunwürdige Einsatz von 1943 bis 1945<br />

<strong>Bremen</strong> 2000<br />

Rainer W. Habel<br />

›Blumen <strong>für</strong> Farge‹. Erinnerungswege zum<br />

Bremer U-Bootbunker in: Silke Wenk (Hg.),<br />

Erinnerungsorte aus Beton. <strong>Bunker</strong> in den<br />

Städten und Landschaften<br />

Berlin 2001<br />

Eike Hemmer/Robert Milbradt<br />

<strong>Bunker</strong> ›Hornisse‹. KZ-Häftlinge in <strong>Bremen</strong> und<br />

die U-Boot-Werft der ›AG Weser‹ 1944/45<br />

<strong>Bremen</strong> 2005<br />

Katharina Hertz-Eichenrode (Hg.)<br />

Ein KZ wird geräumt. Häftlinge zwischen<br />

Vernichtung und Befreiung. Die Auflösung des<br />

KZ Neuengamme und seiner Außenlager durch<br />

die SS im Frühjahr 1945, 2 Bände<br />

<strong>Bremen</strong> 2000<br />

Barbara Johr/Bärbel Gemmenke-Stenzel (Hg.),<br />

Hortensien <strong>für</strong> Farge: Überleben im <strong>Bunker</strong>,<br />

Raymond Portefaix/André Migdal/Klaas Touber,<br />

<strong>Bremen</strong> 1995<br />

Barbara Johr/Hartmut Roder<br />

Der <strong>Bunker</strong>. Ein Beispiel nationalsozialistischen<br />

Wahns. <strong>Bremen</strong>-Farge 1943–1945<br />

<strong>Bremen</strong> 1989<br />

Heiko Kania<br />

Neue Erkenntnisse zu Opferzahlen und Lagern<br />

im Zusammenhang mit dem Bau des <strong>Bunker</strong>s<br />

Valentin, in: Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte<br />

(2002) 10, S. 7–31<br />

Kollegengruppe der Klöckner-Werke AG (Hg.)<br />

Riespott – KZ an der Norddeutschen Hütte.<br />

Berichte, Dokumente und Erinnerungen über<br />

Zwangsarbeit 1935–1945<br />

<strong>Bremen</strong> 1984<br />

<strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong> <strong>politische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>Bremen</strong> (Hg.)<br />

Projekt Gedächtnisort ehemaliger U-Boot-<br />

<strong>Bunker</strong> ›Valentin‹ in <strong>Bremen</strong>-Farge (Broschüre<br />

der <strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong> <strong>politische</strong> <strong>Bildung</strong><br />

<strong>Bremen</strong>) <strong>Bremen</strong> 2002<br />

Inge Marszolek/René Ott<br />

<strong>Bremen</strong> im 3. Reich. Anpassung – Widerstand –<br />

Verfolgung<br />

<strong>Bremen</strong> 1986<br />

Wilhelm Nolting-Hauff<br />

›Imi’s‹. Chronik einer Verbannung<br />

<strong>Bremen</strong> 1946<br />

Christian Siegel<br />

»Der U-Boot-<strong>Bunker</strong> ist eine Bestie«. Die <strong>Bunker</strong>-<br />

Werft in <strong>Bremen</strong>-Farge als Teil totaler Kriegsführung<br />

(Broschüre der <strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong> <strong>politische</strong><br />

<strong>Bildung</strong> <strong>Bremen</strong>)<br />

<strong>Bremen</strong> 2004<br />

Andrea Tech<br />

Arbeitserziehungslager in Nordwestdeutschland<br />

1940–1945<br />

Göttingen 2003<br />

Silke Wenk<br />

<strong>Bunker</strong>archäologien, in: dies. (Hg.), Erinnerungsorte<br />

aus Beton. <strong>Bunker</strong> in den Städten und<br />

Landschaften Berlin 2001<br />

Die Bundeszentrale <strong>für</strong> <strong>politische</strong> <strong>Bildung</strong> bietet<br />

weiterführende Literatur zur Geschichte des<br />

Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs<br />

an:<br />

http://www.bpb.de/themen/XNLHOF,0,0,National<br />

sozialismus_und_Zweiter_Weltkrieg.html


<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin / Marinerüstung und Zwangsarbeit<br />

Weitere Angebote zur Ausstellung<br />

›<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin‹<br />

Besuch des <strong>Bunker</strong>s Valentin<br />

Gruppen: Das Materialdepot Farge der Bundeswehr kann im begrenzten<br />

Rahmen Führungen durch die betretbaren Teile des <strong>Bunker</strong>s <strong>für</strong> Gruppen<br />

ermöglichen. Hierzu ist eine rechtzeitige Terminvereinbarung erforderlich.<br />

Telefon: 042 09-92 19 60 (Materialdepot Wilhelmshaven Teileinheit Farge,<br />

Herr Christochowitz) und 042 09-92 19 07 (Herr Otten).<br />

Einzelpersonen: Bei einer Mindestteilnehmerzahl von 15 Personen wird eine<br />

Führung organisiert. Voranmeldung erforderlich.<br />

E-Mail: info@bunkervalentin.de<br />

Besuch der Überreste der ehemaligen Zwangsarbeiterlager<br />

Im Sommerhalbjahr werden mehrere Möglichkeiten angeboten, den Geschichtslehrpfad<br />

zu den ehemaligen Zwangsarbeiterlagern und zum <strong>Bunker</strong> Valentin<br />

kennenzulernen.<br />

Anmeldung ist erforderlich unter Telefon: 0176-52 04 36 56 (keine SMS)<br />

(Verein Geschichtslehrpfad Lagerstraße e.V.)<br />

Führungen durch die Ausstellung<br />

Für Gruppen bestehen während der Ausstellungszeit täglich Möglichkeiten zu<br />

themenorientierten Führungen durch die Ausstellung.<br />

Kontaktaufnahme per E-Mail: info@bunkervalentin.de<br />

(<strong>Denkort</strong> <strong>Bunker</strong> Valentin/<strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong> <strong>politische</strong> <strong>Bildung</strong>)<br />

oder telefonisch: 04 21-361-29 22<br />

Filmangebote<br />

In der Ausstellung wird von Montag bis Freitag jeweils um 15.30 Uhr der Film<br />

›Der <strong>Bunker</strong>‹ von Thomas Mitscherlich und Barbara Johr gezeigt<br />

(Dauer: 88 Minuten).<br />

Sonntags um 15.30 Uhr zeigen wir die Radio <strong>Bremen</strong>/arte-Produktion<br />

›Die letzen Tage der Menschheit‹ von Karl Kraus in der Inszenierung von<br />

Johann Kresnik im <strong>Bunker</strong> Valentin.<br />

Weitere Filmangebote zum <strong>Bunker</strong> Valentin und seiner Geschichte auf Anfrage.<br />

Weitere Veranstaltungen<br />

Das Begleitprogramm zur Ausstellung ist einem Flyer der <strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>politische</strong> <strong>Bildung</strong> zu entnehmen.<br />

Es kann auch auf den Internetseiten<br />

www.lzpb-bremen.de und<br />

www.bunkervalentin.de<br />

nachgelesen werden.<br />

Seite<br />

27


nd dann sah ich die Kolonne kommen, eine Kolonne KZ-Häftlinge. Die wurden dazu gezwungen, Marschlieder zu singen: Ich meine, das muss die ganze Bevölkerung ja gewusst haben: Das sah natürlich wie ein Geisterzug aus. Sie können sich vo<br />

tellen, die KZler, 1944 mit ihrem Essensgeschirr da an der Seite baumeln, Holzschuhe oder was sie da gerade anhatten, schlecht gekleidet. Das Bild passte überhaupt nicht zu dem, was sie gesungen haben und wie sie gesungen haben. Das war g<br />

nd dann sah ich die Kolonne kommen, eine Kolonne KZ-Häftlinge. Die wurden dazu gezwungen, Marschlieder zu singen: Ich meine, das muss die ganze Bevölkerung ja gewusst haben: das sah natürlich wie ein Geisterzug aus. Sie können sich vorstellen, die KZler, 1944 mit ihrem Essensgeschirr da an der Seite baumeln, Holzschuhe oder was sie s<br />

Eine Ausstellung der <strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>politische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>Bremen</strong> und der<br />

Stiftung niedersächsische Gedenkstätten<br />

In Zusammenarbeit mit dem Verein<br />

›Geschichtslehrpfad Lagerstraße e.V.‹ und<br />

dem Verein ›Erinnern <strong>für</strong> die Zukunft e.V.‹<br />

Gefördert vom Bundesbeauftragten <strong>für</strong><br />

Kultur und Medien<br />

KONTAKT<br />

<strong>Landeszentrale</strong> <strong>für</strong> Politische <strong>Bildung</strong><br />

Osterdeich 6<br />

28203 <strong>Bremen</strong><br />

Telefon 0421 - 361 - 29 22<br />

E-Mail info@bunkervalentin.de<br />

Ab Ende Juni 2007 wird die Ausstellung im<br />

<strong>Bunker</strong> Valentin gezeigt.

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