KOMMUNALES PLANEN UND BAUEN - DAKS eV
KOMMUNALES PLANEN UND BAUEN - DAKS eV
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<strong>KOMMUNALES</strong><br />
<strong>PLANEN</strong> <strong>UND</strong> <strong>BAUEN</strong><br />
Peter Hettlich<br />
Leipzig
<strong>DAKS</strong> e.V. ist als Kommunalpolitische Bildungsvereinigung<br />
durch das Staatsministerium des<br />
Inneren des Freistaats Sachsen anerkannt und<br />
steht Bündnis 90/ Die Grünen nahe. Sie wurde<br />
1992 auf Anregung der Kommunalpolitischen<br />
Konferenz vom Oktober ‘91 in Bautzen gegründet.<br />
Ziel ist die „Förderung des demokratischen<br />
Staatswesens in weitsichtiger, ökologischer und<br />
sozialer Verantwortung. Die Vereinigung unterstützt<br />
alle an Kommunalpolitik interessierten Bürgerinnen<br />
und Bürger, Abgeordnete, Fraktionen<br />
und Bürgerinitiativen bei der Gestaltung einer<br />
bürgernahen Kommunalpolitik, welche der Verwirklichung<br />
von Menschenrechten, dem Schutz<br />
der natürlichen Umwelt und unmittelbaren Bürgerinteressen<br />
dient”. Die konkrete Arbeit von<br />
<strong>DAKS</strong> e.V. besteht in Beratung und Schulung von<br />
Kommunalpolitikern und interessierten Bürgern<br />
mittels Seminaren, Vorträgen und Publikationen<br />
sowie in der Vernetzung von Kommunalpolitikern<br />
und Fachleuten mittels Tagungen und Vermittlung<br />
von Kontakten. <strong>DAKS</strong> e.V. ist Mitherausgeber der<br />
bundesweit erscheinenden Zeitschrift „AKP –<br />
Fachzeitschrift für Alternative Kommunalpolitik“<br />
Mitglied bei <strong>DAKS</strong> e.V. kann jede natürliche und<br />
juristische Person (Fraktionen, Vereine) werden,<br />
die die Ziele von <strong>DAKS</strong> e.V. unterstützt.<br />
Auszug lieferbarer Publikationen (Erscheinungsjahr):<br />
• „Privatisierung öffentlicher Einrichtungen im Freistaat Sachsen“ (2003)<br />
• „Wege durch den Dschungel - Handbuch für sächsische Non-Profit-Projekte“ (ab 2004)<br />
• „Gemeinschaftsschule vor Ort umsetzen“ (2005)<br />
• „Erneuerbare Energien in Kommunen“ (2005)<br />
• „Sächsische Kommunalfibel - 292 Stichwörter zu Themen aus der kommunalen Demokratie und<br />
Verwaltung“ (2006)<br />
• „Bleib Sauber! Korruptionsprävention und -bekämpfung“ (2007)<br />
• „Deine Informationsrechte - Deine Umwelt“ Das neue Umweltinformationsrecht im Freisstaat<br />
Sachsen praxisnah erläutert. (2008)<br />
• „Privatisierung kommunalen Eigentums. Tafelsilber verscherbeln?“ (2008)<br />
• „Ratgeber Kommunalpolitik - Ein Einstieg in die kommunalpolitischen Handlungsfelder“ (2008)<br />
• „Klimaschutz und Stadtentwicklung. Maßnahmen und Strategien kommunaler Stadtentwicklungspolitik“(2008)<br />
• „Kommunale Sozialpolitik“ (2009)<br />
• „Neues kommunales Haushalts- und Rechnungswesen - Kameralistik vs. Doppik“ (2009)<br />
• „Bürger machen Energie - Bürgerkraftwerke - ein Handlungsleitfaden“ (2009)<br />
• „Tu was gegen Rechts - Was Kommunalos wissen sollten ...“ (2009)<br />
<strong>DAKS</strong>-Vorstand: Alexander Hoffmann (Chemnitz) · Ines Kummer (Freital) · Thorsten Schulze (Dresden)<br />
Thoralf Möhlis (Riesa) · Katarina Krefft (Leipzig) · Geschäftsführer: Norman Volger<br />
Kontakt: „Die Alternative Kommunalpolitik Sachsens e.V.“ · Hohe Straße 58 · 04107 Leipzig · Tel: 0341 2195740<br />
www.daksev.de · mail@daksev.de<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Vorwort<br />
2 Einführung und Überblick<br />
2.1 Faktenlage<br />
2.2 Auswirkungen auf die Bautätigkeit<br />
2.3 Handlungsempfehlungen für die kommunale Bau- und<br />
Stadtentwicklungspolitik<br />
3<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
3 Baugesetze, Verordnungen, Vorschriften, Bekanntmachungen und<br />
Richtlinien<br />
3.1 Zusammenspiel von Kommunen, Ländern und Bund<br />
3.2 Baugesetzbuch (BauGB)<br />
3.2.1 BauGB – Erstes Kapitel: Allgemeines Städtebaurecht<br />
3.2.2 BauGB – Zweites Kapitel: Besonderes Städtebaurecht<br />
3.3 Landesbauordnungen und Sächsische Landesbauordnung (SächsBO)<br />
4. Kommunale Bauleitplanung<br />
4.1 Exkurs: Raumordnung und Raumplanung, Landesplanung und<br />
Regionalplanung<br />
4.2 Flächennutzungsplan<br />
4.3 Bebauungsplan<br />
4.3.1 Allgemeines und Grundsätzliches zum Bebauungsplan<br />
4.3.2 Art der baulichen Nutzung<br />
4.3.3 Maß der baulichen Nutzung<br />
4.3.4 Bauweise, überbaubare Grundstücksflächen<br />
4.3.5 Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans<br />
5 Kommunales Bauen<br />
5.1 Die falschen Entscheidungen bei einem Bauprojekt<br />
5.2 Die richtigen Entscheidungen bei einem Bauprojekt<br />
5.3 Die Finanzierung eines Bauprojektes<br />
5.4 Die Planung eines Bauprojektes<br />
5.5 Die Vergabe<br />
5.6 Die Projektsteuerung<br />
5.7 Kontrollstufen und Selbstkontrolle bei kommunalen Bauvorhaben<br />
6 Literaturquellen
1 Vorwort<br />
Die Kommunale Bau- und Stadtentwicklungspolitik gehört vermutlich zu den interessantesten,<br />
sicherlich zu den spannendsten aber auch umstrittensten Politikfeldern.<br />
In Kommunen müssen oft schwierige, weitreichende und lang wirkende Entscheidungen<br />
zu privaten und öffentlichen Bauvorhaben getroffen werden. Es geht um ihre<br />
städtebauliche Entwicklung und Zukunft, und es geht vor allem um viel privates und<br />
öffentliches Geld.<br />
Eine wesentliche Aufgabe kommunaler Baupolitik besteht darin, im Rahmen des<br />
Planungsrechts z.B. mit Hilfe der Bauleitplanung die rechtlichen Voraussetzungen<br />
für die Realisierung von Bauvorhaben herzustellen. Die Einhaltung der technischen<br />
Regeln und Normen bei der Ausführung von Bauvorhaben werden wiederum im Rahmen<br />
des Bauordnungsrechts z.B. mit Hilfe der Bauordnungen - durch die kommunalen<br />
Verwaltungen - überwacht.<br />
Ein heikles Aufgabengebiet für kommunale Baupolitiker besteht bei kommunalen<br />
Bauvorhaben. Hier müssen zunächst im Rahmen des Planungsrechts die rechtlichen<br />
Voraussetzungen wie bei privaten Bauvorhaben geschaffen werden. Hinzu kommt<br />
eine umfangreiche Begleitung und Kontrolle der kommunalen Bauvorhaben. Dies<br />
betrifft zum einen die grundsätzliche Entscheidungsvorbereitung für oder gegen ein<br />
Bauvorhaben, zum anderen die Ausführungs- und Vergabeentscheidungen und letztlich<br />
die Kontrolle der Termine und Kosten. Gerade bei letzteren entstehen viele Konflikte,<br />
da angesichts der angespannten Haushaltslagen Kostenüberschreitungen zu<br />
viel Kritik und erheblichen Folgeproblemen führen. Hier bestehen große Defizite im<br />
Zusammenspiel zwischen Politik und Verwaltung, weshalb diesem Thema ein eigenes<br />
Kapitel gewidmet ist.<br />
Kommunale Baupolitik und Stadtentwicklungspolitik sollten sich im positiven<br />
Sinne gegenseitig beeinflussen und bedingen. Das faktische Primat der Baupolitik<br />
führt jedoch zu mehr oder weniger ausgeprägten Fehlentwicklungen in der Stadtentwicklung.<br />
Um diese zu korrigieren oder gar im Vorfeld zu vermeiden, kommen<br />
auf kommunale Baupolitiker eine Vielzahl zusätzlicher Aufgaben z.B. im Rahmen<br />
der Stadtentwicklung, der Stadtsanierung, des Stadtumbaus oder der Sozialen<br />
Stadt zu.<br />
Zu vielen öffentlichen und privaten Bauvorhaben aber auch zur Stadtentwicklungspolitik<br />
(z.B. Stadtumbau Ost) haben die Bürger ihre eigenen Vorstellungen. Da viele<br />
Vorhaben nicht nur positive sondern auch negative Auswirkungen haben, schwankt<br />
die öffentliche und mediale Meinung entsprechend zwischen Zustimmung und<br />
Ablehnung. Die Bürger üben daher zu Recht Druck auf die kommunalen Entscheidungsträger<br />
aus. Der Anlass braucht nicht immer ein spektakuläres Großprojekt wie<br />
Stuttgart 21 zu sein, sondern er kann auch in der Aufstellung eines Bebauungsplans<br />
oder dem (Nicht-)Ausbau einer Schule, eines Kindergartens oder einer Straße liegen.<br />
4<br />
5<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Wir brauchen dringend eine neue Kultur der Transparenz und Bürgerpartizipation in<br />
der Bau- und Stadtentwicklungspolitik. Kommunale Baupolitiker sind vor allem im<br />
Vorfeld von grundlegenden Entscheidungen im Rahmen ihrer (verfassungs-)rechtlichen<br />
Möglichkeiten, die ihnen z.B. die Sächsische Gemeindeordnung einräumt, gefordert,<br />
diese Transparenz und Öffentlichkeit herzustellen.<br />
Ehrenamtliche Baupolitiker stehen einer personell eher gut ausgestatteten Verwaltung<br />
gegenüber, die Politikern als „Externen“ ein gewisses Misstrauen entgegenbringt<br />
und nicht immer einen offenen Informationsstil pflegt. Besonders bei Vergabevorgängen<br />
habe ich immer wieder Konflikte erlebt, wenn durch zuviel Transparenz z.B. bei<br />
den Baukosten ein für die kommunale Leitungsebene - sprich Bürgermeister - wichtiges<br />
Bauvorhaben gefährdet wurde. Da werden lieber unliebsame Wahrheiten solange<br />
wie möglich hinterm Busch gehalten. Hierin unterscheiden sich allerdings die Mühen<br />
der Ebenen kommunaler Baupolitiker nur wenig von denen ihrer KollegInnen im<br />
Land- oder im Bundestag.<br />
Auch wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das Bauen und die Stadtentwicklung<br />
nicht jedes Jahr ändern, so handelt es sich um komplizierte und umfangreiche<br />
Gesetzeswerke, die durch dazugehörende Verordnungen, Verwaltungsvorschriften,<br />
Richtlinien und Bekanntmachungen nicht unbedingt an Lesbarkeit<br />
gewinnen. Sie in ihrer Gänze, mit Hilfe umfangreicher Kommentierungen in der Fachliteratur<br />
zu verstehen und zu durchdringen, scheint eher den hauptberuflichen Fachleuten<br />
für Baurecht in den öffentlichen Verwaltungen oder Fachanwälten vorenthalten<br />
zu sein.<br />
Kommunale Baupolitiker stehen zudem vor der Herausforderung, wie sie als Ehrenamtliche<br />
ihren zeitlich begrenzten Handlungsspielraum gegenüber einer fachlich sattelfesten<br />
Verwaltung ausnutzen können, ohne die Regelwerke bis ins letzte Detail<br />
kennen zu müssen.<br />
Aber wie steht es schon auf dem berühmten intergalaktischen Reiseführer aus der<br />
legendären Trilogie (in fünf Bänden!) „Per Anhalter durch die Galaxis“ geschrieben:<br />
KEINE PANIK!<br />
Kommunale Baupolitik ist keine Voodoo-Wissenschaft oder Zauberei, sie setzt ein in<br />
überschaubarem Zeitrahmen anzueignendes Wissen, Konzentration, eine gewisse<br />
Skepsis gegenüber Beschlussvorlagen und vor allem einen gesunden Menschenverstand<br />
voraus.<br />
Nicht nur im ländlichen Raum werden häufig an private und kommunale Bauvorhaben<br />
unrealistische Hoffnungen auf Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze oder gar eine<br />
Umkehrung der demografischen Entwicklungen geknüpft. Bei derartigen Vorhaben
sehen sich kritische, bündnisgrüne Baupolitiker schon seit vielen Jahren einer breiten<br />
Phalanx unkritischer Befürworter ausgesetzt und als „Verhinderer“ öffentlich<br />
angeprangert.<br />
Ich erinnere mich noch gut an die Ausweisung des Wohngebietes „Röderau Süd“ in<br />
Riesa, das ausgerechnet in einem Altarm der Elbe angelegt wurde. Für ihre Warnungen<br />
und ihren Widerstand wurden die Stadträte von Bündnis 90/Die Grünen von den<br />
anderen Parteien scharf kritisiert und in der Öffentlichkeit beschimpft. Im Jahrhunderthochwasser<br />
vom August 2002 versanken dann die Häuser von Röderau Süd bis<br />
zu den Firsten im schmutzigen Wasser, und nachdem sie mit Fluthilfegeldern wieder<br />
aufgebaut und saniert worden waren, entschied sich der Stadtrat von Riesa letztlich<br />
doch, das Wohngebiet endgültig aufzugeben und zurückzubauen.<br />
Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode! Fehlentscheidungen wie „Röderau<br />
Süd“ finden wir an vielen anderen Orten in Sachsen oder Deutschland. Der Druck auf<br />
kommunale Entscheidungsträger, sich für falsche Siedlungs-, Bau- oder Verkehrsvorhaben<br />
entscheiden zu müssen, nährt sich immer wieder aus dem Wegblenden der -<br />
eher negativen - Faktenlage und einem diffusen Bauchgefühl heraus. Man darf dem<br />
Fortschritt halt nicht im Wege stehen! Diskussionen werden bevorzugt auf der emotionalen<br />
Ebene und über die sogenannte öffentliche Meinung geführt. Es gilt die<br />
Regel: Je schlechter die Faktenlage, desto höher ist der erzeugte Druck.<br />
Diese Broschüre möchte den kommunalen Akteuren den Blick fürs Wesentliche öffnen<br />
und ihnen aufzeigen, wie man mit einigen Grundkenntnissen über demografische,<br />
wirtschaftspolitische, baufachliche und baurechtliche Zusammenhänge die Debatten<br />
in den Fachausschüssen, im Kommunalparlament und in der Öffentlichkeit beeinflussen<br />
und anführen kann.<br />
Wer sich noch tiefer mit der Materie beschäftigen will, dem seien die Literaturquellen<br />
im Anhang und der Kontakt mit kompetenten Fachleuten z.B. bei den Landtagsfraktionen<br />
und der Bundestagsfraktion empfohlen. Für Rückfragen stehe ich natürlich<br />
ebenfalls gerne zur Verfügung.<br />
Peter Hettlich<br />
Markt 7<br />
04109 Leipzig<br />
Mail: peter.hettlich@t-online.de<br />
6<br />
2 Einführung und Überblick<br />
2.1 Faktenlage<br />
7<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Der demografische Wandel stellt Deutschland in Ost und West vor wachsende und<br />
komplexe Probleme. Ihre Bewältigung stellt die kommunalen Entscheidungsträger<br />
vor große Herausforderungen. In Ostdeutschland ist in besonderer und vielfältiger<br />
Weise die Bau- und Stadtentwicklungspolitik von den Schrumpfungsprozessen<br />
betroffen. Allerdings folgen deren Ausprägungen nicht einfachen Analogien wie<br />
„schrumpfende Bevölkerung = schrumpfende Flächeninanspruchnahme“.<br />
Das Bundesinstitut für Bau-,<br />
Stadt- und Raumforschung (seit<br />
2009 BBSR, früher BBR, www.<br />
bbsr.bund.de) in Bonn bietet<br />
eine Vielzahl von Daten- und<br />
Informationsangeboten für diejenigen<br />
an, die sich tiefer mit der<br />
Materie beschäftigen wollen. Ich<br />
empfehle wärmstens die „Raumordnungsprognose<br />
2025/2050“<br />
und „INKAR 2010“, die über die<br />
Homepage des BBSR bezogen<br />
werden können.<br />
Die nebenstehende Grafik (BBR,<br />
2008) und die nachfolgenden<br />
Bilder zeigen die Kernprobleme<br />
der künftigen demografischen<br />
Entwicklung auf: In Ostdeutschland<br />
gibt es nur wenige<br />
Regionen, die sich gegen den<br />
Trend als Wachstumsregionen<br />
behaupten können: Es sind<br />
dies die Regionen Dresden und<br />
Halle/Leipzig, die Region Weimar/Jena,<br />
die Metropolregion<br />
Berlin/Potsdam und die Küstenregion<br />
Wismar bis Rostock.
Bevölkerungsdynamik<br />
a. <br />
b.<br />
Mittlere bis starke Bevöl-<br />
kerungsverluste (blauer<br />
Hintergrund) vor allem in<br />
Ostdeutschland und in überraschend<br />
vielen Regionen<br />
Westdeutschlands bis weit<br />
nach Westen ins Ruhrgebiet<br />
und Saarland<br />
Mittlere bis starke Bevölke-<br />
rungszuwächse (roter Hintergrund)<br />
vor allem in den<br />
westdeutschen Ballungszentren<br />
über Hamburg, das südliche<br />
Rhein-/Ruhrgebiet, das<br />
Rhein-/Maingebiet und das<br />
Rhein-/Neckargebiet bis zum<br />
Großraum München, die<br />
sogenannten „Banane“<br />
Alterungsproblematik<br />
c. Unterdurchschnittliche<br />
Geburtenraten = sinkende<br />
Schülerzahlen (blaue Schraffur)<br />
–> ein wesentlicher Indikator<br />
für die nahezu irreversiblen<br />
Bevölkerungsverluste,<br />
die in Ostdeutschland noch<br />
durch die Binnenmigration<br />
von Ost nach West verschärft<br />
werden.<br />
d. Überdurchschnittliche<br />
Zunahme an Hochbetagten<br />
(rote Punkte bzw. tiefrot) insbesondere<br />
in Ost- und Norddeutschland,<br />
mehr Alte auf<br />
immer weniger Junge –><br />
Verstärkung der Tragfähigkeitsprobleme<br />
insbesondere<br />
der sozialen Infrastruktur<br />
8<br />
Internationalisierung<br />
9<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
e. Schwache Internationalisierung in den schrumpfenden Regionen Ost- und West-<br />
deutschlands –> Indikator für schlechte wirtschaftliche Zukunftsperspektiven,<br />
diese Regionen werden allenfalls als verlängerte Werkbänke und Niedriglohngebiete<br />
ausgenutzt.<br />
f. Starke bis sehr starke Internationalisierung in den Wachstumsregionen West-<br />
deutschlands und mit wenigen Ausnahmen in Ostdeutschland (Berlin, Dresden,<br />
Leipzig/Halle, Weimar/Jena, Magdeburg, Rostock) –> Indikator für starke wirtschaftliche<br />
Zukunftsperspektiven<br />
Diese für Ostdeutschland negativen Trends führen zu dem Effekt, dass die Tragfähigkeit<br />
von Infrastruktureinrichtungen insbesondere kommunaler Einrichtungen erheblich<br />
zurückgehen wird, was zu einem Teufelskreis führt.<br />
Weniger Bevölkerung +<br />
mehr Alte +<br />
geringe Internationalisierung<br />
verursachen:<br />
--> weniger Steuereinnahmen<br />
--> steigende Sozialausgaben<br />
--> weniger infrastrukturelle<br />
Angebote<br />
--> geringere Attraktivität für<br />
Unternehmen<br />
--> stärkere Binnenmigration<br />
--> weniger junge Menschen insbesondere<br />
junge Frauen<br />
--> noch weniger Geburten<br />
--> noch weniger<br />
Steuereinnahmen<br />
--> noch höherer Altenanteil<br />
--> noch höhere Sozialausgaben<br />
--> noch weniger Infrastruktur...
Aktuell verlangsamen noch<br />
einige Phänomene den Schrumpfungsprozess<br />
in Ostdeutschland.<br />
Viele Ostdeutsche pendeln<br />
(noch) - z.T. über mehrere Landesgrenzen<br />
hinweg - zu ihren<br />
Arbeitsplätzen in West- oder Süddeutschland<br />
und verlangsamen<br />
- insbesondere im ländlichen<br />
Raum - die Entleerung. Der Anteil<br />
der Pendelverflechtungen liegt in<br />
Ostdeutschland bei ca. 150% des<br />
westdeutschen Niveaus.<br />
Angesichts steigender Treibstoff-<br />
und Mobilitätspreise ist zu erwarten,<br />
dass die Pendelverflechtungen<br />
tendenziell zurückgehen<br />
werden, da sich alleine schon<br />
aus Kostengründen mittelfristig<br />
der Wohnort in die Nähe des<br />
Arbeitsorts verlagern wird. Derartige<br />
Effekte dürften teilweise zu<br />
dem Bevölkerungswachstum von<br />
Leipzig und Dresden beigetragen<br />
haben.<br />
Auch wenn sich in wenigen<br />
Städten wie Dresden, Leipzig,<br />
Potsdam und Jena ein möglicher<br />
Trend „Zurück in die Stadt“<br />
abzeichnet, so ist der Trend zu<br />
Wanderungsbewegungen aus<br />
den Kernstädten in das Umland<br />
(Suburbanisierung) ungebrochen.<br />
In den sogenannten Speckgürteln<br />
um die großen Städte<br />
besteht weiterhin eine hohe<br />
Nachfrage an Baugrundstücken<br />
und selbstgenutztem Wohnraum<br />
(Ein- und Zweifamilienhäuser).<br />
Dies stellt kommunale Baupolitiker<br />
vor große Herausforderungen<br />
und unter den Druck, immer<br />
10<br />
wieder neues Bauland auszuweisen<br />
und zu erschließen, ohne zu<br />
wissen, ob ihre Entscheidungen<br />
nachhaltig sind.<br />
Die überraschend starken Bevölkerungszuwächse<br />
in Dresden<br />
und Leipzig lassen sich zum<br />
einen auf die erhöhten Geburtenzahlen<br />
aber auch auf steigende<br />
Entleerungstendenzen in<br />
den sogenannten Peripherräumen<br />
zurückführen (u.a. durch die<br />
Aufgabe von Pendlerbeziehungen).<br />
Diese selbstverstärkenden<br />
negativen Trends sind in Ansätzen<br />
bereits in den Landkreisen<br />
Nordsachsen, Görlitz, Erzgebirge<br />
und Vogtland zu beobachten.<br />
11<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Aber wir treffen auch auf die<br />
absurde Situation, dass in Landkreisen<br />
und Kommunen mit starken<br />
Schrumpfungsprozessen neue Wohngebiete trotz innerörtlicher Leerstände ausgewiesen<br />
werden (müssen?), um dadurch junge Menschen zum Dableiben bewegen<br />
zu können.<br />
Da der Wohnungsbau ein wichtiger Teil der Siedlungsflächenentwicklung ist, ergibt<br />
sich bei der Zusammenfassung aller Aspekte ein überraschendes und auch erschreckendes<br />
Bild, das sich von den oben beschriebenen demografischen Entwicklungen<br />
diametral zu unterscheiden scheint.<br />
Unverändert werden bundesweit täglich zwischen 110 und 120 ha wertvollen Ackerbodens<br />
für Siedlungsflächen in Anspruch genommen. Davon entfallen zwischen 50<br />
und 60 ha auf Gebäude- und Freiflächen, ca. 30 ha auf Erholungsflächen und 20-30 ha<br />
auf Verkehrsflächen. Das nationale Nachhaltigkeitsziel mit einem Flächenverbrauch<br />
von 30 ha pro Tag im Jahr 2020 scheint ohne zusätzliche Anstrengungen insbesondere<br />
der Kommunen unerreichbar.<br />
Die heutige Raumstruktur ist durch den demografischen Wandel einem tiefgreifenden<br />
Wandel unterworfen. Die Peripherräume aber selbst die inneren Zentralräume<br />
werden die Verlierer dieser Entwicklung, die äußeren Zentralräume und die Zwischenräume<br />
eher die Gewinner sein. Diesen Prozess zu begleiten und zu gestalten, ist eine<br />
weitere Herausforderung kommunaler Baupolitiker.
12<br />
Die Heterogenität und die unterschiedlichen<br />
Entwicklungen der<br />
Landkreise und Gemeinden in<br />
Sachsen bilden sich in der folgenden<br />
Grafik der Bertelsmann<br />
Stiftung ab. Sie zeigt deutlich, wie<br />
unterschiedlich die Auswirkungen<br />
des demografischen Wandels von<br />
Region zu Region, von Gemeinde<br />
zu Gemeinde sind.<br />
2.2 Auswirkungen auf die Bautätigkeit<br />
13<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Der demografische Wandel führt in Folge der niedrigen Geburtenraten zu einem dramatischen<br />
Rückgang in der Altersklasse der Ersthaushaltsgründer, da diese Generation<br />
durch den Nachwende-Geburtenknick<br />
und Abwanderung besonders<br />
dezimiert ist: Die Nachfrage nach<br />
neuem bzw. saniertem Mietwohnraum<br />
sinkt.<br />
In der Altersklasse der Eigentumsbildner<br />
geht das Bevölkerungspotential<br />
ebenfalls dramatisch zurück. Der private<br />
Ein- und Zweifamilienhausbau<br />
wird sich vor allem auf die ostdeutschen<br />
Wachstumsregionen: Berlin,<br />
Potsdam, Dresden, Leipzig, Halle und<br />
Jena konzentrieren.<br />
Dennoch ist auch weiterhin mit Ausweisungen<br />
und Erschließungen von<br />
Wohngebieten in stark schrumpfenden<br />
Regionen zu rechnen, getreu dem<br />
Motto: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“.<br />
Die dramatisch zunehmende Zahl von<br />
Alten und Hochbetagten erfordert<br />
umfangreiche altengerechte Anpassungen<br />
sowohl der Wohnungen als<br />
auch der Wohnorte.<br />
Die Leerstandsproblematik insbesondere<br />
in Klein- und Mittelstädten erfordert<br />
einen aktiven und umsichtigen<br />
Umgang mit leerstehenden Gebäuden<br />
und im Zweifelsfalle - im Rahmen<br />
von integrierten Stadtentwicklungsprogrammen<br />
- auch den Rückbau<br />
(=Abriss) von Gebäuden z.B. im Rahmen<br />
des Bundes-/Länderprogramms<br />
Stadtumbau Ost.
14<br />
Zugänge in Tsd.<br />
Abgänge in Tsd.<br />
Bestand in Tsd.<br />
Bevölkerung in Tsd.<br />
Veränderung HH-Zahl<br />
Leerstand in Tsd.<br />
Leerstandsquote in %*<br />
15<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Basisszenario Ostdeutschland Wohnungsbestandsentwicklung<br />
Jahr<br />
2001 2001-2010 2011-2020 2021-2030 2031-2040 2041-2050<br />
6980<br />
13729<br />
1030<br />
14,7<br />
300<br />
500<br />
6780<br />
12855<br />
- 230<br />
1060<br />
15,6<br />
200<br />
500<br />
6480<br />
12059<br />
- 210<br />
970<br />
15,0<br />
150<br />
500<br />
6130<br />
11301<br />
- 260<br />
880<br />
14,4<br />
100<br />
500<br />
5730<br />
10569<br />
- 300<br />
780<br />
13,6<br />
150<br />
500<br />
5380<br />
9828<br />
- 340<br />
770<br />
14,3<br />
Die Schrumpfungsprozesse führen zu einem hohen Anpassungsdruck an die Infrastruktur.<br />
Die Kosten dafür werden zu Lasten der Kommunen gehen. Somit stehen<br />
weniger Finanzmittel für andere wichtige bauliche Investitionen (z.B. energetische<br />
Sanierung) zur Verfügung.<br />
Davon sind besonders die (ländlichen)<br />
Peripherräume betroffen:<br />
Die Anpassung von technischer<br />
Infrastruktur an den demografischen<br />
Wandel bedeutet immer<br />
Rückbau und Neubau angepasster,<br />
geringer dimensionierter Infrastruktur.<br />
Sie erfordert eine stärkere<br />
Dezentralisierung im ländlichen<br />
Raum, und sie bindet investive<br />
Mittel der Kommunen in erheblichem<br />
Maße.<br />
Investitionen an kommunalen<br />
Gebäuden werden sich angesichts<br />
zurückgehender Steuereinnahmen<br />
(aufgrund des Bevölkerungsrückgangs)<br />
und Finanzzuweisungen<br />
bei gleichzeitig wachsenden<br />
Ausgaben vor allem auf die Sanierung<br />
und den Erhalt von einigen<br />
wenigen Gebäuden konzentrieren. Am schlechten energetischen Zustand öffentlicher<br />
Gebäude (z.B. Kindertagesstätten, Schulen) wird sich vermutlich angesichts des<br />
gewaltigen Sanierungsrückstandes in den kommenden Jahren wenig ändern.
2.3 Handlungsempfehlungen für die kommunale<br />
Bau- und Stadtentwicklungspolitik<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Die Wachstumsregionen Ostdeutschlands/Sachsens müssen sich verpflichten, ihr<br />
Wachstum nicht einseitig zu Lasten der schrumpfenden Regionen voranzutreiben.<br />
Stärkung des interkommunalen Dialogs und eine bessere Zusammenarbeit bei<br />
Bauvorhaben und Siedlungsprojekten über Gemeinde- und Kreisgrenzen<br />
• Bevorzugung, Stärkung und Prioritätensetzung bei regionalen Siedlungsstrukturen.<br />
Verhinderung von Kannibalisierungseffekten durch falsch verstandenes Konkurrenzdenken<br />
z.B. bei der Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten<br />
• Förderung von Verwaltungskooperationen<br />
• Arbeitsteilung bei der Übernahme zentralörtlicher Funktionen<br />
Prioritätensetzung bei der Gemeinde- und Stadtentwicklung<br />
• Erstellung integrierter Stadtentwicklungskonzepte mit Bürgerbeteiligung<br />
• Geordneter Umgang mit Leerstand im Rahmen des Programms Stadtumbau Ost<br />
• Konsequente Ausrichtung der kommunalen (soziale, bauliche und technische)<br />
Infrastruktur auf Schrumpfung<br />
• Schnelle Anpassung der technischen Infrastruktur<br />
Konzentration auf die Siedlungskerne<br />
• Innenentwicklung geht vor Außenentwicklung<br />
• Ausweisung von neuen Wohn- und Gewerbegebieten an der Peripherie nur nach<br />
Ausschöpfung aller innerstädtischen bzw. innergemeindlichen Potentiale<br />
• Reduzierung des Flächenverbrauchs und Entsiegelung nicht mehr benötigter Flächen<br />
Aktive Alten- und Sozialpolitik<br />
• Altengerechter Umbau der Siedlungsstrukturen<br />
• Schaffung von altengerechtem Wohnraum<br />
• Schaffung von altengerechten Mobilitätsangeboten<br />
• Aufbau von Serviceeinrichtungen wie „rollendes Rathaus“<br />
• Aufbau mobiler sozialer und ärztlicher Dienste<br />
• Vermeidung von sozialer Segregation und Förderung der Durchmischung<br />
• Nutzung des Programms „Soziale Stadt“<br />
Kontrolliertes Haushalten mit den knappen investiven Mitteln<br />
• Transparenz und Öffentlichkeit bei Entscheidungsprozessen<br />
• Verzicht auf nicht notwendige repräsentative Projekte<br />
• Beachtung der Wirtschaftlichkeit von Vorhaben<br />
• Kostenehrlichkeit<br />
• Strenge Kostenkontrolle bei allen kommunalen Planungs- und Baumaßnahmen<br />
über alle Planungsebenen einschließlich Rückfallszenarien für den „worst case“<br />
und Mut zum Abbruch.<br />
16<br />
3 Baugesetze, Verordnungen, Vorschriften,<br />
Bekanntmachungen und Richtlinien<br />
3.1 Zusammenspiel von Kommunen, Ländern und Bund<br />
17<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Den meisten BürgerInnen - selbst einigen Kommunalpolitikern - dürfte unbekannt<br />
sein, dass eine, wenn nicht sogar die wesentliche Entscheidungsebene für „Planen<br />
und Bauen“ in Deutschland auf der kommunalen Ebene zu finden ist. Bei der Umsetzung<br />
von Bauplanungs- und Bauordnungsrecht entscheiden die Kommunen und<br />
somit auch die Kommunalparlamente über das Ob und das Wie von Bauvorhaben.<br />
Diese als Kommunale Planungshoheit bekannte Handlungsautonomie leitet sich<br />
aus dem Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ab: „Den Gemeinden muss das<br />
Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen<br />
der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“<br />
Das Grundgesetz gibt den Kommunen nicht nur das Recht, z.B. die städtebauliche<br />
Entwicklung im Rahmen der Bauleitung zu gestalten, sondern auch das Recht auf weitere<br />
kommunale Planungen wie Schulnetzplanung oder Kindergartenplanung. Aus<br />
der kommunalen Planungshoheit leiten sich zudem Anhörungs- und Beteiligungsrechte<br />
bei übergeordneten Fachplanungen ab. So müssen z.B. die Raumordnungspläne<br />
der Länder die Bauleitplanung der Kommunen berücksichtigen.<br />
Die Kommunale Planungshoheit hat sich im Großen und Ganzen über viele Jahre<br />
bewährt und ist daher ein hohes Gut, wenn sich auch aus den Rechten viele Pflichten<br />
ableiten. Die kommunalen Akteure sehen sich den wachsenden Herausforderungen<br />
wie dem demografischen Wandel, der Leerstandsproblematik, einem hohen Flächenverbrauch<br />
oder der schwindenden Tragfähigkeit von öffentlicher Infrastruktur<br />
ausgesetzt, und sie müssen sich dem medialen und öffentlichen Druck stellen. Auch<br />
wird über die europäische Gesetzgebung die Handlungsautonomie der Kommunen<br />
zunehmend unterlaufen, wie dies z.B. bei der Umsetzung der Feinstaubrichtlinie oder<br />
auch der Umgebungslärmrichtlinie beobachtet werden konnte.<br />
Theoretisch bieten die vorhandenen Gesetze und Verordnungen gut ausgestattete<br />
Werkzeugkästen, um eine eigenständige, nachhaltige, ökologische und zukunftsfeste<br />
kommunale Baupolitik umzusetzen. Praktisch führen die realen politischen Verhältnisse<br />
zu oft dazu, daß z.B. aufgrund des interkommunalen Wettbewerbs um Einwohner<br />
und Steuereinnahmen langfristig angelegte Planungsgrundsätze nur keine oder<br />
nur eine zu geringe Rolle spielen.<br />
Die gesetzlichen Grundlagen für das kommunale Handeln leiten sich aus der Gesetzgebungskompetenz<br />
der Länder und des Bundes ab. Diese greifen gelegentlich in<br />
die kommunale Planungshoheit ein und können sie auch einschränken, wobei eine<br />
eigenverantwortliche Planung durch die Gemeinden garantiert sein muss.
Im Zweifelsfalle müssen Regelungen, die diesem Prinzip widersprechen von den Verfassungsgerichten<br />
überprüft und aufgehoben werden.<br />
Die Zuordnungssystematik bei der Gesetzgebungskompetenz der Länder und des<br />
Bundes ist für den Laien auf den ersten Blick nicht zu erkennen.<br />
In Art. 30 des Grundgesetzes heißt es: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und<br />
die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz<br />
keine andere Regelung trifft oder zulässt“.<br />
Ein wesentlicher Bestandteil des sogenannten Bauordnungsrechts ist z.B. das Baupolizeirecht.<br />
Da die Normierung des Polizeirechts in die Kompetenz der Länder fällt,<br />
ist das Bauordnungsrecht somit Landesrecht. So einfach ist das also.<br />
Die Bundesländer regeln u.a. über ihre Landesbauordnungen (auf der Basis von Landesgesetzen)<br />
die Anforderungen, die ein Bauvorhaben sowohl bei der Nutzung eines<br />
Grundstücks als auch bei seiner technischen Umsetzung zu erfüllen hat. Zum Bauordnungsrecht<br />
gehören weitere Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften,<br />
Bekanntmachungen und Richtlinien wie z.B. die Garagenverordnung, die Feuerungsverordnung,<br />
die Versammlungsstättenbaurichtlinie oder auch die Schulbaurichtlinie.<br />
Der Bund hat andererseits die Regelungskompetenz für das Bauplanungsrecht nach<br />
Art. 74 Abs. 1 Grundgesetz und zwar nach Nr. 18 (Bodenrecht). Dort heißt es: „Die konkurrierende<br />
Gesetzgebung erschließt sich auf den städtebaulichen Grundstücksverkehr,<br />
das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das<br />
Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht<br />
und das Bergmannssiedlungsrecht.“<br />
Art. 72 Abs. 1 Grundgesetz präzisiert: „Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung<br />
haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner<br />
Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.“ Dieses hat der<br />
Bund mit dem Baugesetzbuch (BauGB) gemacht. Auch die Regelungskompetenz des<br />
Bundes beim Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und der daraus abgeleiteten Energieeinsparungsverordnung<br />
(EnEV) ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1, in diesem Fall aber aus<br />
der Nr. 24 (Luftreinhaltung), in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1.<br />
Die bei Gesetzesvorhaben zunehmend bedeutende Europäische Union hat bislang<br />
eher wenige Initiativen im Bereich Bauen und Stadtentwicklung ergriffen. Versuche<br />
z.B. eine gemeinsame europäische Stadtentwicklungspolitik zu machen, scheiterten<br />
bislang u.a. an dem deutschen Verweis auf eine unzulässige Einschränkung der<br />
kommunalen Planungshoheit. Das aktuelle deutsche Baugesetzbuch wurde z.B. 2004<br />
aufgrund des Europarechtsanpassungsgesetzes Bau (EAG Bau) novelliert. Auch im<br />
Bereich der energetischen Gebäudesanierung besteht eine Regelungskompetenz der<br />
EU. Die zur Zeit noch kontrovers diskutierte EU-Gebäuderichtlinie wird über kurz oder<br />
lang kommen und in nationales Recht zu überführen sein. Dies war übrigens auch bei<br />
18<br />
19<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
der Feinstaubrichtlinie, der Umgebungslärmrichtlinie oder der Strategischen Umweltprüfung<br />
der Fall, die z.T. für die Kommunen erhebliche Konsequenzen hatten und<br />
haben.<br />
3.2 Baugesetzbuch (BauGB)<br />
Das Baugesetzbuch ist das wichtigste Gesetz des Bauplanungsrechts. Es regelt in<br />
aktuell 247 Paragraphen die Siedlungsentwicklung sowie die städtebaulichen Sanierungs-<br />
und Entwicklungsmaßnahmen und stellt die stadtplanerischen Werkzeuge den<br />
Kommunen zur Verfügung.<br />
Auch hier gilt:<br />
KEINE PANIK!<br />
Die beiden wichtigsten Kapitel des BauGB sind für kommunale Bau- und<br />
Stadtentwicklungspolitiker:<br />
Das Erste Kapitel „Allgemeines Städtebaurecht“, das die Bauleitplanung, die Sicherung<br />
der Bauleitplanung, die Regelung der baulichen und sonstigen Nutzung, die<br />
Bodenordnung, die Enteignung, die Erschließung und Maßnahmen für den Naturschutz<br />
regelt, ist zugleich das umfangreichste Kapitel im BauGB. Die Teile 1 und 3 des<br />
ersten Kapitels sind besonders wichtig, denn sie regeln, unter welchen Bedingungen<br />
man das „Baurecht“, d.h. das Recht zum Bauen erlangt. Dies ist für das Grundverständnis<br />
bedeutsam, da eine Baubehörde eine Baugenehmigung erteilen muss, wenn<br />
die Bedingungen seitens des Bauherrn erfüllt sind. Das Gesetz lässt keinen Ermessensspielraum<br />
zu, um Willkür und Vorteilsnahmen ausschließen zu können.<br />
Das Zweite Kapitel „Besonderes Städtebaurecht“ regelt die städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen<br />
und Entwicklungsmaßnahmen, den Stadtumbau, die Soziale Stadt,<br />
Private Initiativen, die Aufstellung von Erhaltungssatzungen und den Erlass städtebaulicher<br />
Gebote, Sozialplan und Härteausgleich, Miet- und Pachtverhältnisse und<br />
Städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verbesserung<br />
der Agrarstruktur.<br />
Das Dritte Kapitel „Sonstige Vorschriften“ und das Vierte Kapitel „Überleitungs-<br />
und Schlussvorschriften“ behandeln u.a. Wertermittlungen, Zuständigkeiten und<br />
Verfahrensfragen, die im Normalfall eher selten benötigt werden. Diese beiden Kapitel<br />
werden daher in dieser Broschüre nicht behandelt.<br />
Das Baugesetzbuch wurde in den letzten Jahren zweimal novelliert. Die umfangreichste<br />
Novellierung fand unter der rotgrünen Bundesregierung 2004 statt. Dabei<br />
wurde das sogenannte „Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau)“ in nationales<br />
Recht, d.h. in das BauGB überführt. U.a. wurden eine förmliche Umweltprüfung für
Bauleitpläne eingeführt sowie weitreichende Regelungen zur Genehmigungsfähigkeit<br />
von Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien im Außenbereich. 2007 wurde<br />
unter der schwarzroten Koalition das „Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben<br />
für die Innenentwicklung der Städte“ verabschiedet, das einerseits zwar vorgibt,<br />
die Innenentwicklung gegenüber der Außenentwicklung zu stärken, andererseits die<br />
gerade erst 2004 eingeführten Umweltprüfungen für Bauleitpläne wieder einschränkt.<br />
3.2.1 BauGB – Erstes Kapitel: Allgemeines Städtebaurecht<br />
Der erste und zweite Teil regeln die Bauleitplanung und somit die Bedingungen,<br />
unter denen Gebiete für bestimmte Nutzungen (Wohnen, Gewerbe, Industrie) aber<br />
auch für die Freihaltung von Nutzungen ausgewiesen werden dürfen. Die Instrumente<br />
der Bauleitplanung sind vor allem der Flächennutzungsplan und der Bebauungsplan.<br />
Diese Pläne werden durch die Kommunen bzw. in deren Auftrag durch qualifizierte<br />
Planungsbüros erstellt und durchlaufen einen vielstufigen Prozess, um die<br />
Qualität und die Berücksichtigung der unterschiedlichen Belange zu gewährleisten.<br />
Daher findet eine umfangreiche Beteiligung der Öffentlichkeit und Behörden statt.<br />
In Verbindung mit der Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen<br />
kommen der Baunutzungsverordnung (BauNVO) und der Planzeichenverordnung<br />
(PlanZVO) besondere Bedeutung zu.<br />
Für die Genehmigung zur Nutzung von Grundstücken ohne das Vorliegen eines<br />
Bebauungsplans (was übrigens eher die Regel als die Ausnahme darstellt), kommen<br />
die Regelungen des dritten Teils zu Anwendung. So lässt u.a. der § 34 Vorhaben in<br />
innerörtlichen bzw. innerstädtischen Gebieten dann zu, wenn sich ein Vorhaben „in<br />
die Eigenart der näheren Umgebung“ einfügt und die Erschließung gewährleistet ist.<br />
Der § 34 ist vermutlich die am häufigsten angewendete Regel bei der Genehmigung<br />
von Bauvorhaben, er lässt den Genehmigungsbehörden einen gewissen Ermessensspielraum<br />
zu, was bei Konflikten aber auch eher zu Klageverfahren vor den Verwaltungsgerichten<br />
führt.<br />
Der § 35 regelt z.B. Vorhaben im Außenbereich, bei denen es sich im Allgemeinen um<br />
land- und forstwirtschaftliche sowie gartenbaulichen Betriebe handelt. § 35 Abs. 1 Nr.<br />
5 erlaubt aber auch ein Vorhaben im Außenbereich, wenn es „der Erforschung, Entwicklung<br />
oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dient“ oder wie in Abs. 1 Nr. 6<br />
„der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen von land- und forstwirtschaftlichen<br />
sowie gartenbaulichen Betrieben dient“.<br />
Auch der Abs. 1 Nr. 7 ist interessant, denn er erlaubt ein Vorhaben im Außenbereich,<br />
wenn es „der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen<br />
Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient“.<br />
20<br />
21<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Der vierte Teil enthält die Regelungen zur Bodenordnung, hier geht es u.a. um die<br />
Möglichkeit der Umlegung von Grundstücken, um dadurch bestimmte Bebauungsplan-<br />
und Flächenzuschnitte zu ermöglichen und um die entsprechenden Ausgleichsregelungen<br />
für betroffene Grundstückseigentümer.<br />
Im fünften Teil werden Fragen von Enteignungen und Entschädigungen behandelt,<br />
die aus zwingenden städtebaulichen Gründen unter strengen Maßgaben zulässig<br />
sind.<br />
Der sechste Teil behandelt das Thema Erschließungen und regelt u.a. die Zugänglichkeit<br />
von Grundstücken über Wege und Straßen aber auch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen<br />
der Grundstückseigentümer.<br />
Im siebten Teil werden Ausgleichs-, Erhaltungs- und Ersatzmaßnahmen des Naturschutzes<br />
geregelt. Hier findet sich auch die Verpflichtung einer strategischen Umweltprüfung,<br />
die für alle Bauleitpläne durchzuführen ist.<br />
Baunutzungsverordnung (BauNVO)<br />
Für die Aufstellung eines Bauleitplans (Flächennutzungsplans, eines Bebauungsplans<br />
oder eines Vorhaben- und Erschließungsplans) ist die Baunutzungsverordnung ein<br />
unersetzliches Regelwerk. Die BauNVO definiert die Darstellung der baulichen Nutzungen,<br />
den Umfang der textlichen Angaben, definiert die unterschiedlichen Baugebietsarten<br />
und das Maß der baulichen Nutzung.<br />
Im Rahmen der Kapitel 4.2 Flächennutzungsplan und 4.3 Bebauungsplan werde<br />
ich nochmals auf die BauNVO detailliert eingehen.<br />
Planzeichenverordnung (PlanzV)<br />
Die Planzeichenverordnung beschreibt den Umfang der notwendigen Angaben (z.B.<br />
Flurstücksnummern, Flurstücksgrenzen etc.) auf den Bauleitplänen und schreibt in<br />
einer Anlage die sogenannten Planzeichen vor, mit denen Festlegungen in den Bauleitplänen<br />
verbindlich zu kennzeichnen sind. Sie verpflichtet ferner dazu, die verwendeten<br />
Planzeichen nochmals zusätzlich im Bauleitplan zu erklären.
3.2.2 BauGB – Zweites Kapitel: Besonderes Städtebaurecht<br />
Das Besondere Städtebaurecht regelt, wie Kommunen Störungen im städtebaulichen<br />
Gefüge und daraus resultierende Missstände beseitigen und die städtebauliche Situation<br />
verbessern, umgestalten oder Fehlentwicklungen vorbeugen können.<br />
So heißt es im ersten Teil unter § 136 Abs. 2: „Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen<br />
sind Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich<br />
verbessert oder umgestaltet wird. Städtebauliche Missstände liegen vor, wenn<br />
1.<br />
2.<br />
das Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder nach seiner sonstigen<br />
Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse<br />
oder an die Sicherheit der in ihm wohnenden oder arbeitenden Menschen<br />
nicht entspricht oder<br />
das Gebiet in der Erfüllung der Aufgaben erheblich beeinträchtigt ist, die ihm<br />
nach seiner Lage und Funktion obliegen.“<br />
Der erste Teil definiert die Kriterien für eine Sanierungsbedürftigkeit und die allgemeinen<br />
Zielsetzungen einer solchen Maßnahme. Außerdem wird die Beteiligung der<br />
Betroffenen und der Öffentlichen Aufgabenträger geregelt. Er regelt die Aufstellung<br />
und die spätere Aufhebung der sogenannten Sanierungssatzung, den Umfang und<br />
die Verpflichtungen der Beteiligten, die Beauftragung der Sanierungsträger oder den<br />
Einsatz von Städtebauförderungsmitteln. Im zweiten Teil geht es um die Durchführung<br />
von städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen. „Mit städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen<br />
sollen Ortsteile und andere Teile des Gemeindegebiets entsprechend<br />
ihrer besonderen Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung<br />
der Gemeinde oder entsprechend der angestrebten Entwicklung des Landesgebiets<br />
oder der Region erstmalig entwickelt oder im Rahmen einer städtebaulichen Neuordnung<br />
einer neuen Entwicklung zugeführt werden.“<br />
Der dritte Teil behandelt den für Ostdeutschland besonders wichtigen Stadtumbau.<br />
„Stadtumbaumaßnahmen sind Maßnahmen, durch die in von erheblichen städtebaulichen<br />
Funktionsverlusten betroffenen Gebieten Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger<br />
städtebaulicher Strukturen vorgenommen werden. Erhebliche städtebauliche Funktionsverluste<br />
liegen insbesondere vor, wenn ein dauerhaftes Überangebot an baulichen Anlagen<br />
für bestimmte Nutzungen, namentlich für Wohnzwecke, besteht oder zu erwarten ist.“<br />
Im Rahmen der Bund-/Länderprogramme Stadtumbau Ost (bis 2017 garantiert) und<br />
West werden Maßnahmen insbesondere gegen die Leerstandsproblematik und den<br />
Verlust der Tragfähigkeit von technischer Infrastruktur geregelt.<br />
Das bedeutet aber auch, dass nach Abs. 3 (5) „…einer anderen Nutzung nicht zuführbare<br />
bauliche Anlagen zurückgebaut werden.“ An diesem Punkt entzünden sich häufig<br />
die Konflikte im Ringen um den Erhalt stadtbildprägender Gebäude, deren<br />
Abriss – wie z.B. in Chemnitz – ausschließlich mit einer mangelnden Nutzungsperspektive<br />
begründet wird. Hier ist eine aufmerksame Öffentlichkeit gefragt, die<br />
22<br />
23<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Fehlentwicklungen und Auswüchse aufzeigt und skandalisiert. U.a. die Stadtforen in<br />
Leipzig und Chemnitz haben sich dabei große Verdienste erworben.<br />
Andererseits geht an einem geordneten Rückbau (=Abriss) im Rahmen des Stadtumbau<br />
Ost und auf der Grundlage eines integrierten Stadtentwicklungskonzeptes,<br />
bedauerlicherweise kein Weg vorbei. Ansonsten würde die angestrebte Leerstandsquote<br />
von rd. 15% schnell in kritische Bereiche von 25% und mehr besonders in den<br />
Schrumpfungsregionen steigen.<br />
Der vierte Teil behandelt die Maßnahmen der Sozialen Stadt, bei denen es weniger<br />
um investive Baumaßnahmen geht sondern um ein besser koordiniertes Vorgehen<br />
verschiedener kommunaler Ebenen, um wirtschaftliche und soziale Schieflagen und<br />
Mißstände von Ortsteilen zu mindern.<br />
Der sechste Teil ermöglicht den Kommunen über sogenannte Erhaltungssatzungen<br />
und städtebauliche Gebote, Grundstücksspekulationen und einer Verdrängung<br />
von Bewohnern, die z.T. gerade durch städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen und<br />
den dadurch erfolgten Aufwertungen der Quartiere bedingt sein könnten, entgegen<br />
zu wirken. Dazu gehören z.B. Baugebote für Grundstücke, aber auch Rückbau- und<br />
Entsiegelungsgebote.<br />
Interessant für die Baupolitiker im ländlichen Raum ist sicherlich noch der neunte<br />
Teil, in dem es um Städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Maßnahmen<br />
zur Verbesserung der Agrarstruktur geht. Im Rahmen der „Gemeinschaftsaufgabe<br />
Agrar und Kostenschutz“ (GAK) sollen ländliche Strukturen verbessert werden.<br />
Die Kommunen sollen prüfen, ob z.B. im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren auch<br />
städtebauliche Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen. Dazu gibt es<br />
dann auch die entsprechenden Regelungen in Analogie zum ersten und zweiten Teil.<br />
3.3 Landesbauordnungen und Sächsische<br />
Landesbauordnung (SächsBO)<br />
Wie schon unter 3.1 ausgeführt, liegt das Bauordnungsrecht in der Regelungskompetenz<br />
der Länder. Dadurch bedingt gibt es bei 16 Bundesländern entsprechend auch<br />
16 Landesbauordnungen. Einer drohenden Kleinstaaterei versucht die Bauministerkonferenz<br />
dadurch zu begegnen, indem sie eine Musterbauordnung verfasst hat, die<br />
regelmäßig aktualisiert wird.<br />
Auch wenn dadurch eine weitgehende Übereinstimmung der Landesbauordnungen<br />
erreicht wurde, so gibt es hier und da Unterschiede, die vor Planungsbeginn ein Studium<br />
der jeweiligen Landesbauordnung erforderlich machen. So gibt es z.B. Unterschiede<br />
in der Vorgabe für die Mindestgröße von Fluchtfenstern (als 2. Rettungsweg<br />
für den Brandfall) oder bei der Frage der Grundfläche bzw. des Rauminhalts von<br />
genehmigungsfreien Gebäuden.
Die Landesbauordnungen regeln zum einen die Nutzung des Grundstücks und konkrete<br />
Anforderungen an das Bauwerk zum anderen aber auch den Ablauf der Baugenehmigungsverfahren,<br />
die Organisation der Bauaufsichtsbehörden und die Voraussetzungen<br />
der Bauvorlageberechtigung.<br />
Die aktuelle Sächsische Landesbauordnung (SächsBO) stammt aus dem Jahre 2004<br />
und wurde zum 05.06.2010 nochmals rechtsbereinigt. Sie regelt in 90 Paragraphen die<br />
Umsetzung des Baurechts für ein Vorhaben.<br />
Teil 1 – Allgemeine Vorschriften definiert für die folgenden Paragraphen die Begriffe<br />
und allgemeine Anforderungen.<br />
Teil 2 – Das Grundstück und seine Bebauung regelt u.a. die Zugänglichkeit von<br />
Grundstücken und enthält den konfliktträchtigen § 6 – Abstandsflächen, Abstände.<br />
Bildlich gesprochen, verpflichtet § 6 den Bauherrn, dass im Regelfalle bei seinem „aufgefalteten“<br />
Gebäude alle Flächen auf dem Grundstück liegen müssen, wobei sich<br />
die Tiefe der Abstandsflächen aus den Außenwandhöhen x einem Faktor (0,2 bis 0,4)<br />
ergibt. Der Mindestabstand zur Nachbargrundstücksgrenze muss jedoch immer 3 m<br />
betragen. Ausnahmen gibt es z.B. bei Garagen, die bis zu einer Länge von 9 m und<br />
einer Höhe von 3 m sogar auf der Grundstücksgrenze stehen dürfen. Bei einer verdichteten<br />
innerstädtischen Bebauung müssen Abweichungen in Verhandlungen mit<br />
den Nachbarn und der Kommune (wegen den Abstandsflächen auf öffentlichen Verkehrsflächen)<br />
rechtsverbindlich geregelt werden. Die Nichtbeachtung des § 6 z.B. bei<br />
Aufstockungen von Einfamilienhäusern in Wohngebieten führt immer wieder zu Konflikten<br />
und der negativen Bescheidung von Bauvoranfragen oder Bauanträgen.<br />
Teil 3 – Bauliche Anlagen regelt sehr genau die Anforderungen:<br />
• an die Gestaltung und Außenwerbung<br />
• an die Allgemeine Bauausführung wie u.a. Standsicherheit, Brandschutz oder<br />
Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz<br />
• an die verwendeten Bauprodukte und deren bauaufsichtlichen Zulassungen<br />
• an Bauteile wie Wände, Decken, Dächer und deren Brandverhalten<br />
• an die Rettungswege, Öffnungen und Umwehrungen<br />
• an die Technische Gebäudeausrüstung wie z.B. Aufzüge, Feuerungsanlagen, Lüftungsanlagen,<br />
Sanitäranlagen, Blitzschutzanlagen<br />
• an nutzungsbedingte Anforderungen z.B. an Raumhöhen, Anforderungen an<br />
Wohnungen, Stellplätze, Garagen, Sonderbauten und ganz wichtig:<br />
• Barrierefreies Bauen (§ 50)<br />
Teil 4 – Die am Bau Beteiligten regelt die Pflichten des Bauherrn, des Entwurfsverfassers<br />
(im Regelfalle Architekt oder Bauingenieur), der Unternehmer und des Bauleiters.<br />
24<br />
25<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Teil 5 – Bauaufsichtsbehörden, Verfahren regelt zunächst den Aufbau und die<br />
Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörden sowie deren Aufgaben und Befugnisse.<br />
Die Unteren Bauaufsichtsbehörden sind im Regelfall die Landkreise und Kreisfreien<br />
Städte jedoch auch die Städte und Gemeinden, die bis zur Kreisgebietsreform von<br />
2008 schon Untere Bauaufsichtsbehörden waren. Im Allgemeinen werden Bauanträge<br />
bei den Unteren Bauaufsichtsbehörden bearbeitet und beschieden. Die Oberen Bauaufsichtsbehörden<br />
sind in Sachsen die drei Landesdirektionen, die Oberste Bauaufsichtsbehörde<br />
ist das Staatsministerium des Inneren.<br />
Insbesondere regelt Teil 5 jedoch die wichtigen Fragen der Genehmigungsfreiheit<br />
und Genehmigungspflichtigkeit von Bauvorhaben. Dabei verweist er jeweils auf die<br />
entsprechenden Regelungen im 1. Kapitel, Teil 3 des Baugesetzbuchs.<br />
Verfahrensfreie, d.h. genehmigungsfreie Bauvorhaben nach § 61 sind z.B. Gartenlauben<br />
in Kleingartenanlagen, Fahrgastunterstände, Garagen bis zu einer Wandhöhe<br />
von 3 m und einer Brutto-Grundfläche von 40 m 2 oder Gebäude, die einem land- oder<br />
forstwirtschaftlichen Betrieb im Außenbereich dienen etc..<br />
Wichtig ist der § 62, der eine Genehmigungsfreistellung für den Fall vorsieht, dass<br />
ein Bauvorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt und dessen Festsetzungen<br />
nicht widerspricht. Im Regelfall werden die Bauunterlagen durch den Bauherrn<br />
eingereicht, die Bauaufsichtsbehörde muß innerhalb von 5 Werktagen den<br />
Eingang und die Vollständigkeit der Unterlagen bestätigen oder fehlende Unterlagen<br />
nachfordern. Drei Wochen nach dem Eingang darf dann mit dem Bauvorhaben<br />
begonnen werden, ohne daß eine formelle Baugenehmigung erteilt werden muss.<br />
Nach § 63 gibt es noch ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren, das sich auf die<br />
Zulässigkeit von Bauvorhaben nach §§ 29 bis 38 BauGB bezieht. Zur Erinnerung: Der<br />
§ 34 BauGB regelte zum Beispiel die Nutzung eines Grundstücks, wenn sich ein Vorhaben<br />
„in die Eigenart der näheren Umgebung“ einfügt.<br />
Alle Vorhaben, die nicht unter die §§ 61 bis 63 fallen werden nach § 64 einem Baugenehmigungsverfahren<br />
unterzogen.<br />
Teil 5: §§ 65 bis 77 regeln u.a. wer als „Bauvorlageberechtigter“ Bauanträge einreichen<br />
darf, die bautechnischen Nachweise, Abweichungen, die Form und Behandlung<br />
eines Bauantrages, die Beteiligung der Nachbarn, die Baugenehmigung, den Baubeginn,<br />
die Geltungsdauer von Genehmigungen etc..<br />
Teil 5: §§ 78 bis 80 regeln Bauaufsichtliche Maßnahmen wie z.B. Verwendungsverbote<br />
für nicht zugelassene Baustoffe, Baustopps, Nutzungsuntersagungen und die<br />
Beseitigung von widerrechtlich gebauten Anlagen.
Teil 5: §§ 81 und 82 regeln die Bauüberwachung durch die Bauaufsichtsbehörde<br />
und die Nutzungsaufnahme nach Abnahme des Bauvorhabens durch die Behörde.<br />
Teil 6 – enthält diverse Ausführungsbestimmungen zum Baugesetzbuch.<br />
Grundsätzlich sind die Landesbauordnungen - und das trifft auch auf die SächsBO zu<br />
- verständlich geschrieben. Sie richten sich zwar primär an Fachleute wie Architekten<br />
oder Ingenieure, sie sind aber auch für den interessierten Laien mit vertretbarem Aufstand<br />
zu verstehen.<br />
26<br />
4 Kommunale Bauleitplanung<br />
27<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Im Kapitel 3.3 wurde erläutert, daß z.B. der § 62 der Sächsischen Bauordnung für ein<br />
Bauvorhaben die Genehmigungsfreistellung vorschreibt, wenn ein Bebauungsplan<br />
vorliegt. Die SächsBO nimmt dabei Bezug auf den § 30 BauGB, der die grundsätzliche<br />
Zulässigkeit eines Bauvorhabens im Plangebiet eines Bebauungsplans feststellt, wenn<br />
es dessen Festlegungen nicht widerspricht.<br />
Dieses ist ein gutes Beispiel, wie aus der praktischen Anwendung von Planungsrecht,<br />
nämlich durch die Aufstellung eines Bebauungsplans Baurecht entsteht, dessen<br />
Umsetzung in ein konkretes Bauvorhaben wiederum durch das Bauordnungsrecht<br />
geregelt und überwacht wird.<br />
Das Bauordnungsrecht wird durch die Landesparlamente gesetzlich geregelt, der Vollzug<br />
obliegt in erster Linie den Bauaufsichtsbehörden, wie dies am Beispiel des § 57<br />
SächsBO beschrieben wird, insofern sind Kommunale Baupolitiker hier allenfalls in der<br />
Kontrolle ihrer kommunalen Bauaufsichtsbehörden und bei der Besetzung von Leitungspositionen<br />
wie z.B. Dezernenten oder Amtsleitern gefordert.<br />
Im Bereich des Planungsrechts kommt es jedoch auf sie an. Die Bauleitplanung ist<br />
quasi die Königsdisziplin der kommunalen Baupolitik. Durch eine weitsichtige, besonnene<br />
und nachhaltige Bauleitplanung können Fehlentwicklungen wie Zersiedelung,<br />
Flächenverbrauch oder Segregation vermieden werden und Auswirkungen des<br />
demografischen Wandels und der sich daraus erbgebenden Schrumpfungsprozesse<br />
gemildert werden.<br />
Nicht immer bedeutet übrigens, dass die Aufstellung eines Flächennutzungs- oder<br />
Bebauungsplans zur Ausweisung neuer Flächen z.B. an der Peripherie von Siedlungsstrukturen<br />
führt. Häufig liegt für innerörtliche Bereiche überhaupt keine oder nur<br />
allenfalls eine Flächennutzungsplanung vor, Baugenehmigungen erfolgen dann – wie<br />
oben beschrieben – z.B. nach § 34 BauGB, eine ordnende Hand, die die Stadtentwicklung<br />
lenkt, fehlt. Daher besteht ein unverändert hoher Bedarf an der Aufstellung von<br />
Bebauungsplänen. Sie bedeutet jedoch viel Arbeit für die Kommunale Verwaltung, für<br />
die Kommunalen Baupolitiker und eine Vielzahl von Betroffenen und Beteiligten. Sie<br />
kostet auch Geld, Geld, das aber möglicherweise im Hinblick auf seine positiven Lenkungswirkungen<br />
gut und zukunftsträchtig angelegt sein kann.<br />
4.1 Exkurs: Raumordnung und Raumplanung,<br />
Landesplanung und Regionalplanung<br />
Bevor die Kommunalen Handlungsfelder Flächennutzungsplan und Bebauungsplan<br />
behandelt werden, sei noch ein Exkurs in die übergeordnete Raumordnung und die<br />
dazugehörigen Planungsinstrumente gestattet.
Der Exkurs soll verdeutlichen, dass die kommunale Bauleitplanung stets einen - allerdings<br />
sehr wichtigen - Teil eines großen Ganzen darstellt. Alle Akteure Kommunen,<br />
Länder und der Bund sollen gemeinsam die Leitbilder der Raumordnung umsetzen.<br />
Die Aufgabe und das Leitbild der Raumordnung werden in den drei ersten Absätzen<br />
des § 1 des Raumordnungsgesetzes (ROG) klar und deutlich beschrieben:<br />
„(1) Der Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume sind durch<br />
zusammenfassende, überörtliche und fachübergreifende Raumordnungspläne, durch<br />
raumordnerische Zusammenarbeit und durch Abstimmung raumbedeutender Planungen<br />
und Maßnahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Dabei sind<br />
1.<br />
2.<br />
unterschiedliche Anforderungen an den Raum aufeinander abzustimmen und die<br />
auf der jeweiligen Planungsebene auftretenden Konflikte auszugleichen,<br />
Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funktionen des Raums zu treffen.<br />
(2) Leitvorstellung bei der Erfüllung der Aufgabe nach Absatz 1 ist eine nachhaltige Raumentwicklung,<br />
die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen<br />
ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen<br />
Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führt.<br />
(3) Die Entwicklung, Ordnung und Sicherung der Teilräume soll sich in die Gegebenheiten<br />
und Erfordernisse des Gesamtraums einfügen; die Entwicklung, Ordnung und Sicherung<br />
des Gesamtraums soll die Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Teilräume berücksichtigen<br />
(Gegenstromprinzip).“<br />
Im § 1 Abs. 4 des Baugesetzbuches finden wir übrigens dazu passend: „Die Bauleitpläne<br />
sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.“<br />
Somit wird deutlich, dass sich auch die Kommunale Bauleitplanung nach den übergeordneten<br />
Leitbildern der Raumordnung zu orientieren hat, wobei genügend Handlungsspielraum<br />
für die Kommunen besteht. Die Verantwortung für Fehlentwicklungen<br />
in der Stadtentwicklung auch aufgrund von falschen Prämissen bei Bauleitung<br />
der Kommunalen Akteure bleibt bestehen.<br />
Um die Ziele der Raumordnung zu erreichen, bedarf es auf die jeweiligen Verwaltungseinheiten<br />
zugeschnittener, hierarchisch abgestufter Planungsinstrumente der<br />
Raumplanung:<br />
Im Brockhaus heißt es sinngemäß: „Unter Raumplanung werden die planerischen<br />
Vorgänge subsumiert, um ein bestimmtes Verwaltungsgebiet oder einen geographischen<br />
Raum nach seinen naturräumlichen, wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten<br />
zu ordnen und gezielt zu nutzen“.<br />
28<br />
29<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Betrachtet man das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Verwaltungseinheit,<br />
so könnte man erwarten, dass es eine Art Bundesentwicklungsplan oder Bundesraumordnungsplan<br />
geben müsste. Dies ist jedoch nicht der Fall, da unser Land - wie<br />
schon in Kapitel 3.1 beschrieben - eine föderale Struktur besitzt. Es gibt - wie üblich -<br />
eine Ausnahme von der Regel: Für die Ausweisung von Offshore-Windparks in der<br />
sogenannten „deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone“ ist der Bund nach § 17<br />
Abs. 3 ROG alleine zuständig. Im Gegensatz jedoch zu anderen Raumordnungsplänen<br />
des Bundes wie z.B. zu See- und Binnenhäfen oder Flughäfen, ist hier kein „Einvernehmen“<br />
sondern lediglich ein „Benehmen“ mit den Ländern herzustellen.<br />
Daher finden wir Entwicklungspläne erst auf der Länderebene in Form von Landesentwicklungsprogrammen<br />
oder Landesentwicklungsplänen. Nach dem Raumordnungsgesetz<br />
sind die Länder zur Landesplanung verpflichtet, die aus der Planerstellung,<br />
der Kontrolle von Planabweichungen, der Sicherung der Raumordnung,<br />
der Planbegleitung und der Aufsicht und Genehmigung über die Regionalplanung<br />
besteht. Ein Bestandteil sind z.B. Raumordnungsverfahren für Vorhaben von überregionaler<br />
Bedeutung (z.B. Fernstraßenbau, Bau von Hochspannungsleitungstrassen<br />
oder von Kanälen). Die Ergebnisse der Planbegleitung finden wir in Raumordnungsberichten<br />
wieder, wie sie u.a. das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung<br />
(seit 2009 BBSR, früher BBR, www.bbsr.bund.de) erstellt.<br />
In Sachsen ist Grundlage der Landesplanung der Landesentwicklungsplan 2003 (LEP<br />
2003), der unter Federführung der Obersten Raumordnungs- und Landesplanungsbehörde,<br />
dem Sächsischen Staatsministerium des Inneren, erstellt wurde. Seine Fortschreibung<br />
hat in 2010 begonnen, wozu 1.100 (!) Stellen in Sachsen angeschrieben<br />
und zu Stellungnahmen und Rückäußerungen aufgefordert wurden. Ziel ist für das<br />
Jahr 2012 einen fortgeschriebener Landesentwicklungsplan (LEP 2012) zu veröffentlichen.<br />
Auf der Ebene von Regierungsbezirken oder auch auf der Ebene von mehreren<br />
Landkreisen finden wir sogenannte Regionalpläne. Diese werden aus dem Landesentwicklungsplan<br />
entwickelt und stecken den Rahmen für die Bauleitplanung<br />
der Kommunen ab. In Sachsen gibt es dafür vier Regionale Planungsverbände (RPV):<br />
Westsachsen, Südsachsen, Oberes Elbtal/Osterzgebirge, Oberlausitz/Niederschlesien.<br />
Sonderfälle stellen Braunkohlenpläne als Teilregionalpläne dar. Diese werden von den<br />
zuständigen RPV Westsachsen und Oberlausitz/Niederschlesien aufgestellt.<br />
Auf der Kommunalen Ebene treffen wir schließlich auf die schon oft benannten und in<br />
den folgenden Kapiteln näher betrachteten Flächennutzungs- und Bebauungspläne<br />
4.2 Flächennutzungsplan<br />
Der Flächennutzungsplan (FNP) wird auch als „vorbereitender“ Bauleitplan bezeichnet.<br />
Er ist ein übergeordneter Entwicklungsplan für Kommunen, der sich an grundsätzlichen<br />
politischen und fachlichen Erwägungen zur Siedlungsentwicklung
orientiert. Im BauGB regeln die §§ 5 bis 7 die Aufstellung, die Genehmigung und die<br />
Anpassung von Flächennutzungsplänen.<br />
Flächennutzungspläne entfalten keine unmittelbare rechtliche Wirkung gegenüber<br />
den Bürgern sondern formulieren verbindliche interne Vorgaben für die Kommune im<br />
Hinblick auf die spätere Aufstellung von Bebauungsplänen, die dann gegenüber den<br />
Bürgern rechtsverbindlich sind. Daher ist auch der Rechtsweg gegen die Festlegungen<br />
eines Flächennutzungsplans im Normalfall ausgeschlossen.<br />
Flächennutzungspläne müssen nach ihrem Beschluss durch die Kommune durch die<br />
übergeordnete Verwaltungsbehörde, d.h. in Sachsen von der jeweiligen Landesdirektion<br />
als „Höherer Raumordnungsbehörde“ genehmigt werden. Eine Verweigerung<br />
der Genehmigung ist durch diese jedoch nur zulässig, wenn ein Flächennutzungsplan<br />
nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist und den Vorgaben des BauGB<br />
widerspricht.<br />
Flächennutzungspläne werden wie auch Bebauungspläne entweder von eigenen<br />
Fachplanern der Kommunalen Verwaltungen (Planungsamt) oder - was häufiger der<br />
Fall ist - von qualifizierten externen Planungsbüros planerisch erstellt und ausgearbeitet.<br />
Die Auftragsvergabe erfolgt im Rahmen der Verdingungsordnung für freiberufliche<br />
Leistungen (VOF), die Honorierung nach der Honorarordnung für Architekten und<br />
Ingenieure (HOAI).<br />
Die Planer erarbeiten die zeichnerische, aber nicht flächenscharfe (d.h. ohne Flurgrenzen)<br />
Darstellung der Festlegungen und einen schriftlichen Teil, die sogenannte<br />
„Begründung“. Ihre Leistungen untergliedern sich nach der HOAI in fünf<br />
Leistungsphasen:<br />
Leistungsphase 1: Klären der Aufgabenstellung und Ermitteln des Leistungsumfangs (1-3%)<br />
• Zusammenstellung einer Übersicht<br />
• Bewertung der vorhandenen Unterlagen<br />
• Ortsbesichtigungen<br />
• Ermitteln des Leistungsumfangs<br />
Leistungsphase 2: Ermitteln der Planungsvorhaben (10-20%)<br />
• Bestandsaufnahme<br />
• Analyse des Zustands<br />
• Zusammenstellung und Wichtung von Fachprognosen<br />
• Mitwirkung bei der Aufstellung von Zielen und Zwecken der Planung<br />
Leistungsphase 3: Vorentwurf (40%)<br />
• Planerische Darstellung einer grundsätzlichen Lösung<br />
• Abstimmungen mit Behörden und Trägern öffentlicher Belange (TÖB)<br />
•<br />
Abstimmung mit Nachbargemeinden<br />
30<br />
•<br />
•<br />
Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger<br />
Abstimmen des Vorentwurfs mit dem Auftraggeber (Kommune)<br />
31<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Leistungsphase 4: Entwurf (30%)<br />
• Planfassung für die Öffentliche Auslegung<br />
• Abfassung der Stellungnahme der Kommune zu Bedenken und Anregungen<br />
• Abstimmen des Entwurfs mit dem Auftraggeber (Kommune)<br />
Leistungsphase 5: Genehmigungsfähige Planfassung (7%)<br />
• Erstellung eines farbigen und vervielfältigungsfähigen Flächennutzungsplans<br />
zur Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde<br />
Welchen Leistungsumfang ein Planungsbüro dabei detailliert zu erbringen hat, kann<br />
der Anlage 4 zu § 18 „Leistungen im Leistungsbild Flächennutzungsplan“ der Honorarordnung<br />
für Architekten und Ingenieure (HOAI) entnommen werden.<br />
§ 20 der HOAI beschreibt auch die Honorare für die Leistungen bei Flächennutzungsplänen.<br />
Sie ermitteln sich aus Tabellenwerken auf der Basis von Verrechnungseinheiten,<br />
die sich wiederum aus der Zahl der Einwohner, den Flächen der darzustellenden<br />
Bauflächen und Baugebiete und den sonstigen darzustellenden Flächen ergeben.<br />
Bei einer Kommune mit 10.000 Einwohnern, einer Baufläche von 50 ha und sonstigen<br />
darzustellenden Flächen von 50 ha würden sich z.B. 250.000 Verrechnungseinheiten<br />
und bei mittlerem Schwierigkeitsgrad ein Honorar von rd. 25.000 € errechnen.<br />
Übrigens ist die Honorierung der externen Planungsbüros auf der Basis der HOAI<br />
Pflicht, eine Umgehung der HOAI durch Niedrigangebote oder Pauschalangebote ist<br />
rechtswidrig.<br />
Um einen Flächennutzungsplan bis zur Genehmigung zu führen, bedarf es vieler Zwischenschritte,<br />
Rückfragen und Rückmeldungen. Die Beteiligung der Öffentlichkeit<br />
ist nach § 3 BauGB möglichst frühzeitig einzuleiten, denn sie soll sich zu den Planungen<br />
äußern und Änderungsvorschläge einreichen können, die im Abwägungsprozess<br />
berücksichtigt werden sollen. Dies gilt auch nach § 4 BauGB für die Beteiligung von<br />
Behörden und sonstiger Träger Öffentlicher Belange (TÖB). Eine frühzeitige Beteiligung<br />
der Akteure findet daher schon im Rahmen der Leistungsphase 3 (Vorentwurf)<br />
statt, im Rahmen der Leistungsphase 4 (Entwurf) findet zudem die öffentliche Auslegung<br />
des Planentwurfs statt.
Planerisch werden in einem Flächennutzungsplan zunächst die für eine Bebauung<br />
vorgesehenen Flächen nach Art ihrer baulichen Nutzung nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB<br />
bzw. § 1 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) farbig dargestellt:<br />
W Wohnbauflächen<br />
M Gemischte Gebiete<br />
G Gewerbliche Bauflächen<br />
S Sonderbauflächen<br />
Hinzu kommt nach § 5 Abs. 2 Nr. 2ff BauGB die Darstellung weiterer Flächen, die im<br />
Kontext der vorgeschriebenen Nutzungsflächen stehen:<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Flächen für Ver- und Entsorgungsanlagen und Gemeinbedarfseinrichtungen<br />
(z.B. Kirchen, Kläranlagen, Sportplätze etc.)<br />
Grünflächen<br />
Wasserflächen<br />
Land-, forstwirtschaftliche und gartenbauliche Flächen<br />
Verkehrsflächen überörtlicher und großer örtlicher Bedeutung (z.B. Autobahnen,<br />
Bundesstraßen)<br />
Flächen mit Nutzungsbeschränkungen (z.B. Abstandsflächen)<br />
Flächen für die Gewinnung von Bodenschätzen (ober- und unterirdisch)<br />
Flächen für Aufschüttungen und Abgrabungen<br />
Flächen mit Umweltbelastungen<br />
Flächen, die bei einer Bebauung gegen äußere Einwirkungen gefährdet sind (z.B.<br />
durch Hochwasser)<br />
Flächen zum Schutz, Pflege und Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft<br />
Ausgleichsflächen im Rahmen des Natur- und Landschaftsschutzes<br />
Des Weiteren gehört zum Flächennutzungsplan<br />
nach § 2a BauGB<br />
eine schriftliche Begründung, in<br />
der die Ziele, Zwecke und wesentlichen<br />
Auswirkungen des Bauleitplans<br />
beschrieben und zusätzlich<br />
in einem Umweltbericht die ermittelten<br />
und bewerteten Belange<br />
des Umweltschutzes dargelegt<br />
werden.<br />
Beispiel eines Flächennutzungsplans<br />
der Stadt Meppen<br />
(Niedersachsen)<br />
32<br />
33<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Auf einen Sonderfall eines Flächennutzungsplans sei zum Schluss hingewiesen.<br />
Aufgrund der engen Verflechtungen zwischen benachbarten Kommunen in hoch<br />
verdichteten Räumen können Regionalpläne und Flächennutzungspläne zu einem<br />
Regionalen Flächennutzungsplan (RFNP) nach § 204 BauGB zusammengeführt<br />
werden.<br />
Die Städte Bochum, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen<br />
hatten zu diesem Zweck 2005 eine Planungsgemeinschaft gegründet und mit<br />
den Vorarbeiten zur Aufstellung eines gemeinsamen regionalen Flächennutzungsplans<br />
(RFNP) begonnen. Das 2007 formal eingeleitete Planverfahren wurde 2009 mit<br />
dem Beschluss des Planes und dessen Genehmigung durch das Land Nordrhein-Westfalen<br />
abgeschlossen. Seit dem 03.05.2010 ist der erste RFNP in Deutschland in Kraft.<br />
In der Metropolregion Frankfurt/Main gibt es ebenfalls seit dem Dezember 2010<br />
einen beschlossenen RFNP, allerdings steht hier noch die Genehmigung durch die<br />
Landesregierung Hessen aus.<br />
Ein Grund für das Entstehen Regionaler Flächennutzungspläne liegt auch darin<br />
begründet, dass sich letztlich die Einsicht durchgesetzt hat, dass es bei überzogenem<br />
interkommunalem Konkurrenzdenken und durch die daraus entstehenden Kannibalismuseffekte<br />
letztlich keine Gewinner geben kann. Auch wenn die interkommunale<br />
Zusammenarbeit ein mühseliges Unterfangen ist – besonders Hessen hat hier wert-<br />
aber auch leidvolle Erfahrungen machen können – so ist er in Zeiten des demografischen<br />
Wandels alternativlos, denn er hilft wachsenden ebenso wie schrumpfenden<br />
Regionen.<br />
4.3 Bebauungsplan<br />
4.3.1 Allgemeines und Grundsätzliches zum Bebauungsplan<br />
Der Bebauungsplan, auch verkürzt „B-Plan“ genannt, regelt in den § 8 bis 10 des<br />
BauGB im Gegensatz zum Flächennutzungsplan die mögliche Nutzung und Bebauung<br />
von Gebieten flächenscharf, d.h. mit Darstellung der Flurgrenzen und detaillierten<br />
Angaben zur zulässigen Nutzung. Er unterscheidet sich vom Flächennutzungsplan<br />
nicht nur hinsichtlich seiner Rechtsverbindlichkeit für die betroffenen Bürger,<br />
sondern kann aus diesem Grund auch beklagt werden.<br />
In der Regel wird ein Bebauungsplan nur für einen Teil eines Gemeindegebietes oder<br />
einen Orts-/Stadtteil aufgestellt, gelegentlich sogar nur für ein einziges Grundstück.<br />
Analog zum Flächennutzungsplan besteht der Bebauungsplan aus einem zeichnerischen<br />
Teil und einem textlichen Teil (Begründung). Seine Erstellung erfolgt ebenfalls<br />
entweder durch eigene Fachplaner der Kommunalen Verwaltungen (Planungsamt)<br />
oder von qualifizierten externen Planungsbüros. In Sonderfällen kann er auch nur aus<br />
einer Begründung bestehen.
Um die Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit<br />
bundesweit gewähren zu können,<br />
wird bei seiner Aufstellung die<br />
Planzeichenverordnung mit normierten<br />
Planzeichen angewendet, die alle Planzeichen<br />
für den Regelfall enthält. Sollte<br />
es dennoch zu Sonderfällen kommen,<br />
so können auch eigene Planzeichen<br />
entwickelt werden, die jedoch gesondert<br />
gekennzeichnet und erläutert werden<br />
müssen.<br />
Die Planzeichen sind in einer Anlage zur<br />
Planzeichenverordnung (PlanzV) aufgeführt<br />
und sehen z.B. für die Kategorie<br />
Wohngebiete folgendermaßen aus:<br />
Die genaue Definition, was z.B. ein Kleinsiedlungsgebiet<br />
oder ein Allgemeines<br />
Wohngebiet ist, ergeben sich wiederum<br />
aus der Baunutzungsverordnung<br />
(BauNVO). Auf die Bedeutung der beiden<br />
Verordnungen habe ich schon im Kapitel<br />
3.2.1 hingewiesen.<br />
Sinn und Zweck eines Bebauungsplanes liegen darin, eine geordnete Entwicklung<br />
von ungenutzten und bislang unbeplanten Gebieten sowohl im Außenbereich als<br />
auch im Innenbereich zu gewährleisten. Einen nicht seltenen Sonderfall finden wir bei<br />
Bebauungsplänen für sogenannte beplante Innenbereiche, mit dem Gebiete „überplant“<br />
werden, die bereits vorhanden und bebaut sind.<br />
Das „Ausfransen“ von Siedlungsgebieten an den Außenrändern verursacht nicht nur<br />
Flächenverbrauch sondern führt mittel- und langfristig zu Tragfähigkeitsproblemen<br />
insbesondere in schrumpfenden und stagnierenden Regionen. Daher gilt es besonders<br />
bei der Bebauungsplanung den Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“<br />
zu beachten.<br />
34<br />
35<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Kommunale Baupolitiker müssen sich daher mit den Fragen und Problemen beschäftigen,<br />
die ich im Kapitel – „Einführung und Überblick“ beschrieben habe. Erst dann<br />
können sie die grundsätzliche Frage: „Aufstellung eines Bebauungsplanes: Ja oder Nein“<br />
für ihre Kommune und für sich beantworten. Ich habe in den vergangenen 20 Jahren<br />
immer wieder den enormen Druck erlebt, der auf Kommunale Politiker einwirkte, wenn<br />
sie sich der Mehrheitsmeinung bei der Ausweisung neuer Wohn-, Gewerbe- oder Industriegebiete<br />
verweigerten. Die Konsequenzen von Fehlentscheidungen lassen sich in<br />
Ostdeutschland vielerorts an „beleuchteten Kuhweiden“ oder „Feuchtbiotopen mit Peitschenlampen“<br />
beobachten, die Risiken und Kosten tragen und trugen immer die Kommunen,<br />
den Nutzen haben und hatten häufig nur einige Wenige.<br />
Dieser Abwägungsprozess ist nicht einfach, denn die allzu simple Formel „Ein Bebauungsplan<br />
im Außenbereich ist Teufelswerk“ gilt nicht. Es ist jeweils eine Einzelfallbetrachtung<br />
notwendig, die auch dazu führen kann, dass selbst in einer schrumpfenden<br />
Kommune ein neues Wohngebiet ausgewiesen wird, z.B. um junge Menschen<br />
zu halten. Natürlich sollte immer als Prämisse gelten, die Folgekosten für die Kommune<br />
niedrig zu halten und eine möglichst große Nachhaltigkeit zu gewährleisten.<br />
Es ist aber auch naiv zu glauben, dass angesichts schwieriger Eigentums-, Platz-, Verkehrs-<br />
und Umweltverhältnisse, eine innerörtliche Bebauung ausreichend Attraktivität<br />
für junge „Eigentumsbildner“ hat. Wer Kinder hat, der benötigt nicht nur Wohnraum<br />
sondern auch Spielflächen, Sicherheit (z.B. vor dem rollenden Verkehr) und gesunde<br />
Umweltbedingungen.<br />
Insofern lässt sich auch die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht von den anderen<br />
gesellschaftlichen Entscheidungen wie der Bevorzugung der Pendlerverkehre,<br />
der individuellen Mobilität - Schwächung des Öffentlichen Verkehrs - und des Fetischs<br />
Straßenbau nicht trennen.<br />
Die Entwicklung eines Bebauungsplans erfolgt oftmals aus einem Flächennutzungsplan,<br />
wobei die Rechtsverbindlichkeit eines Flächennutzungsplans nur im Innenverhältnis<br />
der Behörden aber nicht gegenüber den betroffenen Bürgern besteht. Die Aufstellung<br />
eines Bebauungsplans kann auch ohne einen Flächennutzungsplan erfolgen<br />
oder im umgekehrten Fall zu einer gleichzeitigen Aufstellung eines Flächennutzungsplans<br />
führen, eher häufiger sind jedoch Anpassungen und Änderungen.<br />
Der § 9 des Baugesetzbuchs regelt in 26 Absätzen mit Unterpunkten den Inhalt eines<br />
Bebauungsplans. Bedeutsam sind insbesondere die Festsetzungen:<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Art und Maß der baulichen Nutzung<br />
Bauweise und überbau- und nichtüberbaubare Grundstücksflächen<br />
Abweichungen von den Regelungen zu Abstandsflächen<br />
Stellung der baulichen Anlagen (Orientierung)<br />
Mindest- und Höchstmaße für Größe, Breite und Tiefe der Bebauungen
4.3.2 Art der baulichen Nutzung<br />
Im Bebauungsplan werden bis zu 10 Kategorien für zur Bebauung vorgesehene Flächen<br />
nach der „Art der baulichen Nutzung“ in § 1 der BauNVO dargestellt:<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Kleinsiedlungsgebiete (WS)<br />
Reine Wohngebiete (WR)<br />
Allgemeine Wohngebiete (WA)<br />
Besondere Wohngebiete (WB)<br />
Dorfgebiete (MD)<br />
Mischgebiete (MI)<br />
Kerngebiete (MK)<br />
Gewerbegebiete (GE)<br />
Industriegebiete (GI)<br />
Sondergebiete (SO)<br />
Für jede dieser Kategorien finden sich entsprechende Planzeichen in der PlanzV.<br />
Welche Nutzungen in der jeweiligen Kategorie zulässig sind, findet sich in den § 2 bis<br />
§ 11 der Baunutzungsverordnung. Die Entsprechung mit den vier Kategorien des<br />
Flächennutzungsplans: Wohnbauflächen (W), Gemischte Gebiete (M), Gewerbliche<br />
Bauflächen (G) und Sonderbauflächen (S) ist nachvollziehbar.<br />
So sind z.B. in Kleinsiedlungsgebieten (WS) und Reinen Wohngebieten (WR) nur<br />
Wohngebäude zulässig, in Ausnahmefällen dürfen Läden und nicht störende Handwerksbetriebe<br />
(z.B. Bäcker) und kleinere Beherbungsbetriebe und Anlagen für soziale<br />
Zwecke zugelassen werden. Diese beiden Kategorien unterscheiden sich nicht im<br />
Maß der baulichen Nutzung, das unter 4.3.3 beschrieben wird.<br />
In Allgemeinen Wohngebieten (WA) dürfen zusätzlich zu Reinen Wohngebieten<br />
(WR) beispielsweise auch nicht störende Gewerbebetriebe, Gartenbaubetriebe und<br />
Tankstellen zugelassen werden.<br />
In Besonderen Wohngebieten (WB) kommen z.B. sonstige Gewerbebetriebe,<br />
Geschäfts-und Bürogebäude und sogar Vergnügungsstätten hinzu.<br />
Die Frage übrigens, ob Kindergärten als Anlagen für soziale Zwecke in Reinen Wohngebieten<br />
aufgrund der resultierenden „Lärmbelastung“ zugelassen werden dürfen,<br />
ist bislang nicht rechtsverbindlich geklärt. In der aktuellen Legislaturperiode soll aufgrund<br />
der unterschiedlichen Auslegung des Begriffs „Anlagen für soziale Zwecke“ der<br />
§ 3 dahingehend präzisiert werden, dass Kindertagesstätten ausdrücklich zugelassen<br />
werden dürfen.<br />
36<br />
37<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Steht in den Kategorien WR bis WB das Wohnen im Vordergrund, so sind Mischgebiete<br />
(MI), Kerngebiete (MK), Gewerbegebiete (GE) und Industriegebiete (GI) für<br />
die Nutzung durch Gewerbebetriebe, Handelsbetriebe und Industriebetriebe ausgelegt.<br />
Auch hier ist die Hierarchie analog zu den Wohngebieten aufgebaut, d.h. je tiefer<br />
die Einstufung, desto höher sind die zulässigen Belästigungen. In diesen Gebieten<br />
sind Wohnungen nur in besonders beschriebenen Ausnahmefällen zulässig.<br />
Sondergebiete (SO) können zum einen der Erholung dienen. zum anderen können<br />
sie aber auch als Sonstige Sondergebiete großflächige Nutzungen wie z.B. Einkaufszentren,<br />
Messestandorte, Hochschulgebiete oder Hafenanlagen zulassen. Daher lohnt<br />
sich ein genauerer Blick auf die Kategorie in der textlichen Begründung.<br />
Wichtig ist auch für grüne Baupolitiker die Kenntnis, dass sich unter Sondergebiete<br />
(SO) auch viele Anlagen finden, die der „Erforschung, Entwicklung oder Nutzung<br />
Erneuerbarer Energien, wie Wind- und Sonnenenergie, dienen“. Ausnahmen<br />
bestehen bei Anlagen, die unter § 35 BauGB in Außenbereichen – auch ohne Bebauungspläne<br />
– privilegiert sind, u.a. Biogasanlagen im Bereich von land- und forstwirtschaftlichen<br />
und gartenbaulichen Betrieben (siehe hierzu Kapitel 3.2 BauGB).<br />
4.3.3 Maß der baulichen Nutzung<br />
Ein weiterer spannender Aspekt ist das „Maß der baulichen Nutzung“. Hier<br />
beschreibt ein Bebauungsplan sehr detailliert, wieviel der Grundstücksfläche z.B. maximal<br />
überbaut werden darf, wie groß die Geschossflächen sein dürfen, wie viele Vollgeschosse<br />
ein Gebäude haben darf und wie hoch diese baulichen Anlagen sein dürfen.<br />
Die Obergrenzen ergeben sich aus § 17ff der BauNVO. So dürfen z.B. in Kleinsiedlungsgebieten<br />
(WS) bei einer Grundflächenzahl (GRZ) von 0,2 maximal 20% der<br />
Grundstücksfläche bebaut werden. In Verbindung mit der Geschossflächenzahl (GFZ)<br />
von maximal 0,4 ergeben sich theoretisch maximal 2 Vollgeschosse. Dies entspricht<br />
der erlebten Realität in vielen Einfamilienhaussiedlungen, Kellergeschosse und Dachgeschosse<br />
werden in der Regel nicht als Vollgeschosse gezählt.<br />
Rechenbeispiel: Bei einem Grundstück von 500 qm ergibt sich aus einer Grundflächenzahl<br />
(GRZ) von 0,2 eine maximal bebaubare Grundstücksfläche von 100 qm.<br />
Aus der Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,4 ergibt sich die Geschossfläche zu 200<br />
qm. Zieht man die Konstruktionsflächen (für Außen- und Innenwände) von ca. 25 %<br />
ab, dann verbleibt ein Einfamilienhaus mit einer Nutzfläche von maximal 150 qm.<br />
Die Höhe der baulichen Anlagen ergibt sich aus allgemeinen Erfahrungen mit<br />
den Gebietskategorien. So wäre eine zulässige bauliche Höhe von z.B. 12 m in einer<br />
Kleinsiedlungsanlage zwar theoretisch möglich aber praktisch absurd, weil sich<br />
dadurch Geschosshöhen von 5 m oder mehr ergeben würden. Üblich wären hier z.B.<br />
zulässige Bauhöhen von 6 m. In Allgemeinen oder Besonderen Wohngebieten mit
Geschossflächenzahlen von bis zu 1,6 kommt man bei 4 Vollgeschossen schnell auf<br />
12-14 Meter Gebäudehöhen oder mehr. In Kerngebieten von Großstädten wie Leipzig<br />
oder Dresden sind Gebäudehöhen z.B. in Gründerzeitvierteln von über 20 m keine<br />
Seltenheit.<br />
4.3.4 Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche<br />
Zur Vervollständigung der Art der baulichen Nutzung und des Maßes der baulichen<br />
Nutzung werden desweiteren nach § 22 und 23 BauNVO festgelegt, ob eine<br />
offene oder geschlossene Bauweise zulässig ist. Eine offene Bauweise bezeichnet die<br />
Errichtung von Solitärgebäuden (Einzel- oder Doppelhäuser oder Hausgruppen) mit<br />
seitlichen Grenzabständen zueinander. In der geschlossenen Bauweise ist dagegen<br />
eine Grenzbebauung zulässig. Im Bebauungsplan kann festgelegt werden, inwieweit<br />
an Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.<br />
Mit Hilfe von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen werden überbaubare<br />
Grundstücksflächen unabhängig von der Grundflächenzahl festgelegt. Sind Baulinien<br />
eingezeichnet, so muss auf diese Linie gebaut werden, um z.B. eine einheitliche<br />
Straßenflucht herzustellen. Sind Baugrenzen vermerkt, dann kann und darf nur zwischen<br />
diesen Grenzen gebaut werden. Ist eine Bebauungstiefe angegeben, so wird<br />
diese von der Straßengrenze ermittelt, analog gelten dann aber die Regelungen zur<br />
Baugrenze.<br />
Mit der unter 4.3.2 bis 4.3.4 beschriebenen Vorgehensweise kann somit eine genaue<br />
Beschreibung der Nutzung eines Gebietes oder eines Grundstücks im Rahmen eines<br />
Bebauungsplans erfolgen. Jetzt ist verständlich, warum der Baunutzungsverordnung<br />
eine große Bedeutung zukommt, denn ihre Definitionen ermöglichen in Verbindung<br />
mit der Planzeichenverordnung die praktische planerische Umsetzung der § 8 bis 10<br />
des Baugesetzbuchs.<br />
Übrigens könnte man über die richtige Orientierung von Baulinien und Baugrenzen<br />
bei intelligenter Planung auch die solare Nutzung von Dachflächen zumindestens<br />
fördern. Leider ist dies nach wie vor die große Ausnahme bei Bebauungsplänen, von<br />
verbindlichen Festlegungen für eine solare Nutzung sind wir noch weit entfernt.<br />
4.3.5 Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans<br />
Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans ähnelt in seiner Herangehensweise<br />
dem in Kapitel 4.2 beschriebenen Verfahren zur Aufstellung eines<br />
Flächennutzungsplans.<br />
Der Anstoß zur Aufstellung eines Bebauungsplans kommt in der Regel von Seiten der<br />
Kommunalen Verwaltung, in Sonderfällen z.B. beim sog. Vorhaben- und Erschließungsplan<br />
auch von Investoren oder Bauherren. Wenn die Planung nicht durch eigene<br />
38<br />
39<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Kräfte z.B. des Planungsamtes umgesetzt wird, erfolgt wie beim FNP eine Vergabe an<br />
externe Planungsbüros im Rahmen der VOF (Verdingungsordnung für freiberufliche<br />
Leistungen).<br />
Die durch das Planungsbüro zu erbringenden Leistungen sind ebenfalls sehr detailliert<br />
in der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) beschrieben. Diese<br />
Leistungen untergliedern sich nach HOAI ebenfalls in fünf Leistungsphasen:<br />
Leistungsphase 1: Klären der Aufgabenstellung und Ermitteln des Leistungsumfangs (1-3%)<br />
• Zusammenstellung einer Übersicht<br />
• Bewertung der vorhandenen Unterlagen<br />
• Ortsbesichtigungen<br />
• Ermitteln des Leistungsumfangs<br />
Leistungsphase 2: Ermitteln der Planungsvorhaben (10-20%)<br />
• Bestandsaufnahme<br />
• Analyse des Zustands<br />
• Zusammenstellung und Wichtung von Fachprognosen<br />
• Mitwirkung bei der Aufstellung von Zielen und Zwecken der Planung<br />
Leistungsphase 3: Vorentwurf (40%)<br />
• Planerische Darstellung einer grundsätzlichen Lösung<br />
• Abstimmungen mit Behörden und Trägern öffentlicher Belange (TÖB)<br />
• Abstimmung mit Nachbargemeinden<br />
• Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger<br />
• Abstimmen des Vorentwurfs mit dem Auftraggeber (Kommune)<br />
Leistungsphase 4: Entwurf (30%)<br />
• Planfassung für die Öffentliche Auslegung<br />
• Abfassung der Stellungnahme der Kommune zu Bedenken und Anregungen<br />
• Abstimmen des Entwurfs mit dem Auftraggeber (Kommune)<br />
Leistungsphase 5: Genehmigungsfähige Planfassung (7%)<br />
• Erstellung eines farbigen und vervielfältigungsfähigen Bebauungsplans zur<br />
Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde<br />
Bestandteil der Leistungen eines Planungsbüros bei der Aufstellung von Bebauungsplänen<br />
ist die Beteiligung an bis zu fünf Sitzungen von politischen Gremien des Auftraggebers<br />
oder Sitzungen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung. Diese werden<br />
nicht gesondert vergütet.<br />
Die Berechnung des Honorars nach HOAI erfolgt im Unterschied zum Flächennutzungsplan<br />
nicht nach Verrechnungseinheiten sondern nach der Fläche des Planbereichs<br />
in Hektar. Für einen Planbereich von z.B. 5 ha = 50.000 qm steht dem
Planungsbüro ein Honorar von rd. 25.000 € , für 10 ha ca. 40.000 € zu. Auch hier gilt,<br />
dass für dieses Honorar eine sehr zeitintensive und häufig langwierige Planungsleistung<br />
und –begleitung mit vielen Zwischenschritten erbracht werden muss. Gute Leistungen<br />
erfordern daher stets eine gute Honorierung.<br />
Wie auch beim Flächennutzungsplan wird nach § 3 BauGB die Beteiligung der Öffentlichkeit<br />
möglichst frühzeitig gefordert, auch hier werden nach § 4 BauGB Stellungnahmen<br />
von Behörden und Trägern Öffentlicher Belange (TÖB) eingeholt, auch hier<br />
gibt es das zweistufige Verfahren der „frühzeitigen“ Beteiligung und der „öffentlichen<br />
Auslegung“.<br />
Zu den Trägern Öffentlicher Belange (TÖB) zählen übrigens nicht nur die Obersten<br />
und Unteren Landesbehörden sondern auch Versorgungsunternehmen, Entsorger,<br />
Infrastrukturunternehmen wie Post oder Bahn sowie auch Nichtregierungsorganisationen<br />
wie Umweltverbände, Kirchen, Sozialverbände.<br />
Die Information der allgemeinen Öffentlichkeit erfolgt über die ortsüblichen Medien<br />
wie z.B. lokale Zeitungen, das Amtsblatt oder durch Aushang und später durch öffentliche<br />
Auslegung, wobei Auslegungsfristen von 1 Monat üblich sind.<br />
Die Behörden und TÖB´s werden dagegen direkt von den Kommunen angeschrieben<br />
und aufgefordert, ihre Stellungnahmen innerhalb eines Monats abzugeben.<br />
Das erscheint dem Laien zwar zunächst ausreichend, Umweltverbände oder andere<br />
Verbände sind jedoch oftmals aufgrund ihrer ehrenamtlichen Struktur nur schwer<br />
in der Lage, in diesem für sie engen Zeitrahmen kompetente Stellungnahmen<br />
abzugeben.<br />
Eine Lösung für dieses Dilemma ist mir nicht bekannt, es führt jedenfalls in der<br />
Praxis dazu, dass sich diese Verbände auf große, spektakuläre Vorhaben – wie z.B.<br />
Bundesfernstraßen – konzentrieren müssen und dadurch ihre Kompetenz in eher<br />
kleinen Bebauungsplanverfahren verloren geht. Zumindestens erfahren die Akteure<br />
durch die Anschreiben der Kommune, die hier eine informative „Bringschuld“ hat,<br />
von den jeweiligen Planvorhaben.<br />
Bei der Bürgerbeteiligung verhält es sich eher so, dass sich die Aktivitäten ins Verhältnis<br />
zur Bedeutung und Öffentlichkeitswirksamkeit des Vorhabens setzen lassen müssen.<br />
Viele Planverfahren finden oftmals ohne Teilnahme der Bürger statt, zum einen<br />
mag es Desinteresse oder mangelnde Betroffenheit sein, zum anderen werden die<br />
klassischen Informationsquellen wie Amtsblatt oder Aushang nur von einer Minderheit<br />
genutzt. Das Internet bietet sicherlich hier eine hilfreiche Ergänzung und wird in<br />
vielen Kommunen schon aktiv eingesetzt. Letztlich ist es jedoch das Prinzip der „Holschuld“,<br />
das vor einer stärkeren Teilnahme von Bürgern insbesondere im dünn besiedelten<br />
ländlichen Raum steht. Auch hier sind Auslegungsfristen von 1 Monat schnell<br />
verstrichen.<br />
40<br />
41<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Neben der Erarbeitung der Plangrundlagen mit Hilfe der BauNVO und PlanzV ist ein<br />
wichtiger Bestandteil der Planaufstellung die textliche Begründung und der Umweltbericht<br />
nach § 2a BauGB. Für die Belange des Umweltschutzes wird nach § 2 Abs. 4<br />
BauGB eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen<br />
Umweltauswirkungen ermittelt, beschrieben und bewertet werden müssen. Abweichungen<br />
von dieser Pflicht sind möglich, wenn es sich bei den beplanten Gebieten<br />
z.B. um Überplanungen von bestehenden und bereits genutzten Gebieten handelt.<br />
In die Begründung fließen die Stellungnahmen der Bürger, der Betroffenen und der<br />
Träger Öffentlicher Belange ein. Deren Stellungnahmen werden zunächst gesammelt<br />
und gesichtet. In der Abwägung muss auf jeden einzelnen Punkt der Stellungnahmen<br />
eingegangen werden. Die Kommunalvertretung (Gemeinderat, Stadtrat) muss sich<br />
dann im Rahmen des Aufstellungsverfahrens zu jedem Punkt positionieren, wobei sie<br />
sich im Regelfall an die von der Verwaltung vorgeschlagene Behandlung der Abwägungsergebnisse<br />
hält.<br />
Aus diesem Beschluss folgt, ob der Entwurf des Bebauungsplans nochmals überarbeitet<br />
werden muss und später abgestimmt wird, oder ob er in unveränderter Form oder<br />
mit geringfügigen Änderungen (z.B. in der Begründung) direkt als Satzung beschlossen<br />
werden kann.<br />
Nach dem Beschluss als kommunale Satzung tritt seine Rechtskraft aber erst mit der<br />
Ausfertigung und Öffentlichen Bekanntmachung ein. Bedingung ist, dass die höhere<br />
Verwaltungsbehörde (in Sachsen die jeweilige Landesdirektion) vorher den Bebauungsplan<br />
genehmigt hat.<br />
Bebauungspläne können beklagt werden, zum einen über Anfechtungsklagen bei<br />
Verwaltungsgerichten gegen Baugenehmigungen nach § 30 BauGB, die sich aus dem<br />
mangelhaften Bebauungsplan ableiten, zum anderen über Normenkontrollklagen vor<br />
einem Oberverwaltungsgericht.<br />
Wenn ein Bebauungsplan aber Rechtskraft erlangt hat, dann greifen z.B. die Regelungen,<br />
die z.B. unter dem Kapitel „Landesbauordnungen“ beschrieben wurden. Vorhaben<br />
können dann nach § 62 der Sächsischen Bauordnung im Rahmen der Genehmigungsfreistellung<br />
quasi ohne Baugenehmigung ausgeführt werden. Ein gültiger und<br />
zudem guter und nachhaltiger Bebauungsplan ist für alle Handelnden auf jeden Fall<br />
ein Pluspunkt und ein Gewinn.<br />
Zu den Fragen über Sinn und Unsinn von Bebauungsplänen im Grundsätzlichen und<br />
zu ihren Festlegungen im Konkreten habe ich mich an verschiedenen Stellen schon<br />
geäußert. Die wesentlichen Entscheider bei einem Bebauungsplan sind und bleiben<br />
die Kommunalen Baupolitiker, auch wenn nach § 3 BauGB die Öffentlichkeitsbeteiligung<br />
eine wichtige Rolle spielt.
Inwieweit sich der interessierte Bürger tatsächlich einbringen kann und sich nachher<br />
mit seinen Vorschlägen auch im Bebauungsplan wieder findet, hängt entscheidend<br />
von der Öffentlichkeits- und Umgangskultur der jeweiligen Kommunalen Verwaltung<br />
ab. Ohne jemandem nahetreten zu wollen, halte ich diese in Deutschland fehlende<br />
Umgangskultur für das zentrale Problem mangelnder Akzeptanz von Vorhaben und<br />
wachsenden Unmuts über „die da oben“.<br />
Zumindestens wird den Bürgern ihre Beteiligung nicht erleichtert, die „Holpflicht“ für<br />
Informationen ist eine große Hürde und führt letztlich zu späten oder gar mangels<br />
Zeitbudget zu gar keinen Reaktionen. Möglicherweise würde eine Verlängerung der<br />
Auslegungsfristen für die Öffentlichkeit eine Entspannung bringen, schließlich sind<br />
viele Träger Öffentlicher Belange aufgrund ihrer Personalsituation objektiv tatsächlich<br />
nicht in der Lage, binnen eines Monats ihre Stellungnahmen abzuliefern. Angesichts<br />
der langen Vorlauf- und Planungszeiten dürfte eine solche Fristverlängerung auch<br />
nicht ins Gewicht fallen.<br />
Grundsätzlich aber gilt, dass es eine bürgernahe Verwaltung bei unseren gegebenen<br />
Strukturen nur dann geben kann, wenn sowohl die zuständigen Dezernten als auch<br />
die Bürgermeister, Oberbürgermeister oder Landräte selbst „bürgernah“ sind. Es heißt<br />
schließlich: „Der Fisch stinkt immer vom Kopf her.“ Das dürfte auch auf die Bürgernähe<br />
zutreffen.<br />
42<br />
5 Kommunale Bauvorhaben<br />
5.1 Die falschen Entscheidungen bei einem Bauprojekt<br />
43<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Preisfrage: Wer kennt das „Halstenbeker Knickei“? Keiner? Schade! Es ist eine wahre<br />
Geschichte von kommunalem Größenwahn, Inkompetenz und Bürgerversagen.<br />
Die Gemeinde Halstenbek im Landkreis Pinneberg wollte Anfang der 90er Jahre für<br />
5 Mio. DM eine besonders schöne und spektakuläre Sporthalle errichten. Die Architekten<br />
überzeugten die Gemeindevertreter mit einer eiförmigen Glaskuppel, die Statik<br />
kam vom renommierten Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner. Trotz Baukosten<br />
von mittlerweile 12,3 Mio. DM stimmte der Gemeinderat 1995 gegen die Stimmen<br />
der Grünen dem Bau zu. Wenige Wochen vor der Eröffnung des Gebäudes stürzte<br />
die Metallkonstruktion noch vor ihrer Belegung mit Glasplatten am 5. Februar 1997 ein.<br />
Das Beweissicherungsverfahren kam zu der Erkenntnis, dass es sich um eine unglückliche<br />
Verkettung von schlechten Witterungsverhältnissen und Montagefehlern der<br />
Stahlbaufirma handelte. Die Kosten beliefen sich mittlerweile auf 15,6 Mio. DM.<br />
Das Wiederaufrichten der Metallkonstruktion begann 1998. Am 26. Juni 1998, wenige<br />
Tage vor der Eröffnung, brach die Konstruktion erneut zusammen, wobei bereits die<br />
Glasplatten montiert worden waren, die bei dem Einsturz zum Teil zerstört wurden.<br />
Da die Nebenräume aber schon fertig waren und auch der Sportparkettboden verlegt,<br />
musste die eingestürzte Halle weiterhin belüftet und beheizt werden. Es folgten<br />
Beweissicherungsverfahren, es folgten Klageverfahren gegen die Statiker und die<br />
ausführende Firma. Die eingestürzte Halle, die von oben tatsächlich einem „Knickei“<br />
ähnelte, blieb unangetastet.<br />
2001 beschloss der Halstenbeker Gemeinderat erneut gegen die Stimmen der Grünen,<br />
die Halle mit einer stabileren Stahl-/Glaskonstruktion aufzubauen. Die Grünen<br />
initiierten ein Bürgerbegehren, das das Quorum schaffte, aber von der Kommunalaufsicht<br />
des Kreises für unzulässig erklärt wird. 2002 wird das Bürgerbegehren aufgrund<br />
der Klage der Grünen gerichtlich zugelassen. Die Bürger von Halstenbek entscheiden<br />
sich mit 50,7 % für den Wiederaufbau des „Knickeis“.<br />
2005 initiieren die Grünen erneut ein Bürgerbegehren, das nach einer langen Odyssee<br />
schließlich beim OVG Schleswig landet. Zwischenzeitlich beschließt der Gemeinderat<br />
Mitte 2005 mit den Stimmen der CDU und der Grünen, das „Knickei“ tatsächlich<br />
abzureißen. Da der Bürgermeister von Halstenbek rechtliche Bedenken hat, muss der<br />
Beschluss zurückgenommen werden. Das OVG Schleswig erklärt die Bürgerbefragung<br />
für zulässig. Am 12. Dezember 2005 stimmen 71% der Bürger für den Abriss der Halle.<br />
Sie wurde 2007 abgerissen und an ihrer Stelle entstand eine schlichte funktionale<br />
3-Feld-Sporthalle in Öffentlich Privater Partnerschaft (ÖPP). Dafür muss diese zusätzlich<br />
für 25 Jahre insgesamt 12,6 Mio. Euro aufbringen. Insgesamt hat das Bauwerk
einschließlich Abriss die atemberaubende Summe von 9,5 Mio. Euro verschlungen.<br />
Ein außergerichtliches Vergleichsverfahren mit dem gesamtschuldnerisch haftenden<br />
Statikbüro Schlaich Bergermann und Partner endete 2008 mit einer Vergleichssumme<br />
von 2,3 Mio. Euro.<br />
5.2 Die richtigen Entscheidungen bei einem Bauprojekt<br />
Wer nach dem Lesen dieser Geschichte aus Halstenbek jetzt der Meinung ist, dass sich<br />
so eine Geschichte nicht wiederholen kann, der irrt. An vielen Orten unserer Republik<br />
wiederholen sich ähnliche Katastrophen, ihr Ablauf ist trotz aller Unterschiede ähnlich.<br />
Aktuell ist sicherlich das Projekt der Elbphilharmonie in Hamburg ein gutes Fallbeispiel,<br />
dessen weiteren Fortgang mit seinen Baumängeln und den explodierenden<br />
Kosten sich zu verfolgen lohnt.<br />
Für eine Katastrophe braucht eine Kommune keine einstürzenden Neubauten, es reichen<br />
schon erhebliche Kostenüberschreitungen, um Kommunen in den Ruin oder in<br />
die Zwangsverwaltung durch die Kommunalaufsicht zu treiben.<br />
Ein Phänomen ist das langsame Hineintaumeln der Akteure in einen kollektiven<br />
Wahn, der dazu führt, dass sich zum Ende hin nur noch wenige trauen, gegen das Vorhaben<br />
zu stimmen, geschweige denn in der Öffentlichkeit dagegen aufzutreten.<br />
Die grundsätzliche Frage, ob der Neubau einer Sporthalle oder eines neuen Kongresszentrums<br />
(wie aktuell in Bonn) tatsächlich benötigt wird und ob nicht besser<br />
vorhandene Gebäude saniert, umgebaut oder umgenutzt werden können, steht am<br />
Anfang der Diskussion. Diese Diskussion muss mit und in der Öffentlichkeit, hart<br />
und ehrlich, kontrovers und mit einem gebührenden Zeitvorlauf geführt werden.<br />
Dabei gehören alle Fakten auf den Tisch, und wenn es diese Fakten aufgrund von<br />
fehlenden Planungsleistungen noch nicht geben kann, so müssen wenigstens Auffanglinien<br />
definiert werden, an denen ein Stopp oder eine Umkehr noch zu vertretbaren<br />
Kosten möglich ist.<br />
Die Diskussion wird von wichtigen Akteuren viel lieber außerhalb der Öffentlichkeit<br />
geführt und wenn öffentlich, dann emotional und häufig ohne Fakten. Einige kommunalen<br />
Akteure verfolgen eigennützige Ziele (Profiteure) andere durchaus auch<br />
uneigennützige (Überzeugungstäter). Aber beide Seiten arbeiten konzentriert darauf<br />
hin, die politische Mehrheit im Gemeinde- oder Stadtrat und die öffentliche Meinungsführerschaft<br />
für ihr geliebtes Projekt zu organisieren.<br />
Mit der politischen Grundsatzentscheidung muss jedoch deutlich gemacht werden,<br />
dass es sich nur um einen ersten Zwischenschritt auf dem Weg zur Umsetzung handeln<br />
kann. Denn konkretere Fakten und Zahlen werden erst nach der Entwurfsplanung<br />
auf dem Tisch liegen.<br />
44<br />
5.3 Die Finanzierung eines Bauprojektes<br />
45<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Deutet sich eine Grundsatzentscheidung an, so ist vor dem eigentlichen Beschluss zu<br />
klären, wie die Finanzierung eines Vorhabens gesichert werden kann.<br />
Auch wenn viele Kommunen finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, so sind sie (noch<br />
immer) bei den Banken gerne gesehene Kreditnehmer, da ihre Bonität als hoch angesehen<br />
wird. Im Falle eines Falles können Kommunen auch nicht in Insolvenz gehen,<br />
da die Länder für ihre Schulden haften müssen. Insofern kann eine Kommune normalerweise<br />
ein Bauvorhaben klassisch über einen Baukredit – übrigens zu deutlich<br />
günstigeren Konditionen als Private – finanzieren. Bedingung ist natürlich, dass keine<br />
Überschuldung der Kommune vorliegt oder eine Zwangsverwaltung durch die kommunale<br />
Aufsicht. In diesem Falle erübrigent sich nicht nur die klassische Finanzierung,<br />
da die Kommunalaufsicht die Aufnahme weiterer Kredite verwehren würde ,sondern<br />
generell Neubauprojekte.<br />
In Sachsen können je nach Vorhaben (ob Ganztagsschule oder Kongresszentrum)<br />
unterschiedliche Fördertöpfe des Freistaates aber auch des Bundes und der EU angezapft<br />
werden. Über den Sinn oder Unsinn von Förderprogrammen lässt sich streiten,<br />
schließlich handelt es sich allzu häufig um goldene Möhren, mit denen insbesondere<br />
das Land die Kommunen in die ihm genehmen Richtungen zu lenken gedenkt.<br />
Förderprogramme lösen zudem finanzielle Belastungen bei den Kommunen aus, da<br />
sie meistens einen Kofinanzierungsanteil der Kommune vorschreiben, der je nach<br />
Programm zwischen 10 und 25 Prozent oder mehr betragen kann. Für manche Kommunen<br />
ist aber schon ein Kofinanzierungsanteil von 10% nicht mehr machbar. Dann<br />
bleiben nur der Verzicht und die Priorisierung der wenigen investiven Mittel auf die<br />
Sanierung und den Erhalt vorhandener Gebäude.<br />
Ein weiteres Problem bei Förderprogrammen ist, dass sie z.T. Bautätigkeiten bei Kommunen<br />
auslösen, die diese bei Finanzierung aus Eigenmitteln (dazu gehören auch<br />
Kredite) nicht angegangen wären.<br />
Es soll sogar Kommunen geben, die in der Lage sind, Bauinvestitionen vollständig aus<br />
eigenen Mitteln z.B. aus Rücklagen zu finanzieren.<br />
Öffentliche Private Partnerschaften (ÖPP) oder neudeutsch: public private partnership<br />
(PPP) sind keine Form der Finanzierung, auch wenn manche klammen Kommunen<br />
das meinen oder es in der Vergangenheit dafür genutzt wurde. Selbst glühende<br />
Befürworter von ÖPP weisen immer darauf hin, dass es sich um ein Betriebskonzept<br />
handelt, das auf der Lebenszyklusbetrachtung eines Gebäudes basiert und zu dem<br />
viel mehr Aspekte gehören als die bloße Finanzierung. Im Übrigen können die Finanzierungskonditionen<br />
eines privaten Partners niemals die günstigen Bedingungen<br />
einer Kommune erreichen, da sich die privaten Partner am normalen Kreditmarkt
edienen müssen. Hinzu kämen auch noch Risiko- und Gewinnaufschläge, die 2 %<br />
oder 5 % oder mehr der Kreditsumme betragen.<br />
Wenn man sich überhaupt auf ÖPP einlassen will, dann lohnt sich eher die Betrachtung<br />
der anderen Kosten als die der Finanzierungskosten. Da wären zum einen die<br />
Betriebskosten (Strom, Wasser, Heizung, Instandhaltungskosten etc.) und die Personalkosten<br />
(z.B. für Gebäudereinigung, Hausmeisterdienste, Pförtnerdienste etc.). Hier<br />
können private Partner günstigere Konditionen einpreisen, da sie bei der Entlohnung<br />
z.B. nicht an den Tarif des öffentlichen Dienstes gebunden sind. Ob es allerdings im<br />
Interesse der Kommune liegt, dass hier ein Niedriglohnsektor an kommunalen Objekten<br />
entsteht, das könnte und sollte vielleicht kontroverser diskutiert werden.<br />
5.4 Die Planung eines Bauprojektes<br />
Steht die Grundsatzentscheidung und eine grundsätzliche Finanzierung muss die planerische<br />
Umsetzung des Vorhabens angegangen werden. Es empfiehlt sich dabei, die<br />
Auswahl eines Architekten möglichst auf der Basis eines Gestaltungswettbewerbs zu<br />
treffen. Dieser kann beschränkt sein oder als Einladungswettbewerb z.B. mit 5 Architekten<br />
organisiert werden. Wettbewerbe empfehlen sich nicht bei Sanierungsvorhaben,<br />
aber sie erleichtern die Wahl bei Neubauten. Über einen Wettbewerb lässt sich<br />
auch die Öffentlichkeit frühzeitiger einbinden, man könnte z.B. auch Bürgervertreter<br />
in die Jury berufen.<br />
Über das Honorar lässt sich keine Auswahl des Architekten treffen, da öffentliche Auftraggeber<br />
verpflichtet sind, die Honorierung der Leistungen stets nach der HOAI vorzunehmen.<br />
Das ist gerade bei kleinen Kommunen nicht immer bekannt. Im Falle eines<br />
Falles wird ein Architekt oder Statiker vor Gericht meistens Recht bekommen, auch<br />
wenn etwas anderes vereinbart war.<br />
Referenzobjekte sind bei der Auswahl immer hilfreich, sie verhindern aber auch, dass<br />
unbekannte, junge, talentierte oder unkonventionelle Architekten an öffentliche Planungsaufträge<br />
z.B. für den Neubau eines Kindergartens oder einer Grundschule kommen.<br />
Die Vergabe der Planungsleistungen erfolgt nach den Bedingungen der Verdingungsordnung<br />
für freiberufliche Leistungen (VOF).<br />
Hat man sich für einen Architekten entschieden, dann empfiehlt sich grundsätzlich<br />
eine phasenweise Beauftragung. Die Leistungsphasen eines Architekten lassen sich<br />
folgendermaßen aufteilen. Das erste Viertel umfasst die Vor-, Entwurfs- und Genehmigungsplanung,<br />
das zweite Viertel umfasst die Ausführungs- und Detailplanung, das<br />
dritte Viertel die Ausschreibung und Vergabe und das vierte Viertel die Bauüberwachung.<br />
Wenn man sich nicht sicher ist, dann vermeidet man mit einer phasenweisen<br />
Beauftragung das Risiko, mit einem Architekten bis zum Ende zusammenarbeiten zu<br />
müssen, mit dem es schon am Anfang nicht richtig funktioniert hat.<br />
46<br />
47<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Der Architekt erarbeitet in enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber, d.h. der<br />
Kommune die Aufgabenstellung entweder auf der Basis des Wettbewerbsergebnisses<br />
oder auf der Basis von Raumprogrammen und weiteren Vorgaben der Kommune.<br />
Auch hier handelt es sich um einen iterativen Prozess, der viele Rückfragen und Rückmeldungen<br />
benötigt. Er mündet letztlich in das Vorplanungsergebnis, das aus einer<br />
skizzenhaften Darstellung des Vorhabens, die übrigens auch eine Computerzeichnung<br />
sein kann, meistens im Maßstab 1:200 oder 1:100 besteht und einer Kostenschätzung.<br />
Häufig werden verschiedene Varianten vorgestellt, aus denen sich letztlich<br />
ein Favorit durchsetzt, der möglicherweise nach einem Zwischenbeschluss durch<br />
kommunale Gremien (z.B. Ausschuss) im Rahmen der Entwurfsplanung weiter durchdacht<br />
und durchgeplant wird. Am Ende der Entwurfsplanung steht ein Plan, der im<br />
Maßstab 1:100 die Umsetzung des Projektes mit Grundrissen, Schnitten und Ansichten<br />
darstellt und auf dessen Grundlage der Bauantrag eingereicht und eine Kostenberechnung<br />
erstellt wird.<br />
Auch wenn die Kommune in diesem Falle gleichzeitig Bauherr und Genehmigungsbehörde<br />
ist, so sind diese Aufgaben bewusst voneinander getrennt. Hochbauamt<br />
oder Tiefbauamt sind im Regelfall nicht auch die Genehmigungsinstanz, die meistens<br />
Bauordnungsämter (vom Wort Bauordnungsrecht herleitend) genannt werden.<br />
Die Baugenehmigung erfolgt entweder auf der Basis eines genehmigten Bebauungsplans<br />
oder auf der Basis des § 34 BauGB. Hier gilt: Gleiches Recht für alle, die Kommune<br />
genießt hier kein Sonderrecht - zumindestens theoretisch ….<br />
Bei einer phasenweisen Beauftragung sind mit der Erlangung der Baugenehmigung<br />
die beauftragten Leistungsphasen eines Architekten abgearbeitet, und er hat<br />
Anspruch auf seine Honorierung.<br />
Die Kommune kann nun entscheiden, ob sie die nächste Phase „Ausführungs- und<br />
Detailplanung“ an denselben Architekten vergibt oder sich eines anderen Architektur-<br />
oder Ingenieurbüros bedient. Das macht manchmal bei sehr komplizierten Bauvorhaben<br />
Sinn, die Frage des Urheberrechts ist jedoch nicht davon betroffen, denn diese<br />
liegt beim „Entwurfsverfasser“. Es empfiehlt sich daher, auch im Falle einer anderweitigen<br />
Vergabe, den Entwurfsverfasser weiterhin mit einzubinden.<br />
Sehr hilfreich für die Zwischenentscheidungen sind die Kostenermittlungen nach<br />
DIN 276. So wird nach der Grundlagenermittlung ein Kostenrahmen erstellt, nach<br />
der Vorplanung eine Kostenschätzung, nach der Entwurfsplanung eine Kostenberechnung<br />
und zur Vergabe ein Kostenanschlag. Mit jeder Planungsstufe werden<br />
die Planungstiefe und die Menge an Details und Festlegungen größer. Dadurch ist es<br />
möglich, harte Fakten wie Baukosten mit jeder Planungsstufe genauer zu ermitteln.
Es ist unerlässlich für Kommunale Baupolitiker, dass sie sich nach der Entwurfsplanung<br />
und der aus ihr abgeleiteten Kostenberechnung, spätestens jedoch nach Erteilung<br />
der Baugenehmigung wieder mit dem Vorhaben beschäftigen und überprüfen,<br />
inwieweit dieses sich noch auf dem in der Grundsatzentscheidung definierten Pfad<br />
befindet. Es braucht auch den Mut, im Zweifelsfalle den Abbruch eines Projektes<br />
zu beschließen. Gründe können z.B. unzufriedenstellende planerische Lösungen sein<br />
oder eine Kostenberechnung, die den Finanzierungsrahmen sprengt.<br />
Bedauerlicherweise werden häufig bei der Erstellung von Entscheidungsgrundlagen<br />
auf der Basis von Kostenschätzungen und Kostenberechnungen die Zahlenwerke<br />
im Rahmen des Zulässigen „aufgehübscht“, um dadurch die Zustimmung der Entscheidungsträger<br />
zu erleichtern wenn nicht sogar zu erschleichen.<br />
Hier geschah schon einer der größten Fehler in Halstenbek, denn obwohl die einmal<br />
anvisierten Kosten von 5 Mio. DM bereits mit 12,6 Mio. DM deutlich überschritten<br />
waren, entschied sich eine Mehrheit im Gemeinderat, die Halle dennoch zu bauen.<br />
Damit war der point of no return schon vor Baubeginn überschritten worden. Bei<br />
einem Stopp wären zwar die bis dahin aufgelaufenen Planungskosten verloren gewesen,<br />
aber erst mit dem Bau wurde bzw. wird ein Bauvorhaben richtig teuer.<br />
Die Einschaltung weiterer Fachplaner wie Statiker, Fachingenieure für Technische Ausrüstung<br />
oder für Wärme- oder Schallschutz erfolgt in Abstimmung mit dem Architekten<br />
und dem Bauherrn. Auch ihre Beauftragung kann phasenweise erfolgen, bei<br />
komplexen Projekten ist es sinnvoll, im Rahmen der Entwurfs- und Genehmigungsplanung<br />
bereits die grundsätzlichen Fragen der Statik oder der Gebäudetechnik vorher<br />
abgestimmt zu haben.<br />
Die letzte vertretbare Möglichkeit eines Planungs- und Baustopps besteht nach der<br />
Vorlage des Kostenanschlags und vor der Vergabe.<br />
5.5 Die Vergabe<br />
Falls eine Entscheidung zur Weiterplanung aufgrund einer positiven Kostenberechnung<br />
und der Erteilung der Baugenehmigung getroffen wurde, folgt eine Phase<br />
intensiver Planungsarbeiten, denn die Entwurfsplanung wird nunmehr in die Ausführungsplanung<br />
überführt, nach der Unternehmen und Handwerker letztlich bauen<br />
müssen. Die Planungstiefe ist hoch, der Zeitaufwand erheblich, zumal auch Detailzeichnungen<br />
in Maßstäben wie 1:10 oder 1:5 erstellt werden müssen. Als Ergebnis<br />
liegt jedenfalls anschließend eine durchdetaillierte Ausführungsplanung im Maßstab<br />
1:50 vor.<br />
Auf der Basis der Ausführungsplanung und sogenannter Leistungsverzeichnisse<br />
werden danach die Ausschreibungen für ein Bauvorhaben vorgenommen. Die<br />
48<br />
49<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Leistungsverzeichnisse enthalten genaue textliche Festlegungen was, wo, wie und<br />
in welcher Qualität ausgeführt werden muss und welche Mengen (=Massen: z.B. m 3<br />
Mauerwerk, m 2 Putz, m Handläufe, St Türen) dabei benötigt werden.<br />
Die Ausschreibung wird öffentlich in den allseits bekannten Medien (Aushang, Amtsblatt,<br />
Lokalzeitung) bekannt gemacht, die Unterlagen können entweder aus dem<br />
Internet heruntergeladen werden, oder sie werden auf Anfrage zugeschickt. Darüber<br />
hinaus verfügen sowohl die Bauämter als auch die Planer über eigene Stammdateien<br />
mit von ihnen direkt anzusprechenden Handwerkern und Unternehmen. Die Abwicklung<br />
der Vergabe erfolgt nach den Regeln der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen<br />
– Teil A (VOB/A).<br />
Die Anbieter kalkulieren dann innerhalb von 2-4 Wochen auf der Basis der Ausführungsplanung<br />
und der Leistungsbeschreibungen ihre Einheitspreise (z.B. 36,50 €/m 2<br />
Gipskartonwand) und multiplizieren diese mit den angegebenen Massen (z.B. 10 m 2 ).<br />
Daraus errechnet sich ein Gesamtpreis (z.B. 365,00 €) für jede Position. Die Summe der<br />
Gesamtpreise ergibt das bzw. ein Angebot, das zu einem in der öffentlichen Ankündigung<br />
mitgeteilten verbindlichen Zeitpunkt, dem Submissionstermin, in einem verschlossenen<br />
Umschlag übergeben wird. Die Umschläge werden dann öffentlich geöffnet<br />
und die Namen der Unternehmen sowie die Nettoangebotssummen (nicht die<br />
einzelnen Preispositionen) mitgeteilt.<br />
Aus den abgegebenen Angeboten werden die Einheitspreise der einzelnen Unternehmen<br />
in einer Übersicht eingetragen, so dass ein Vergleich für jede Position zwischen<br />
jedem Anbieter möglich ist. Diese Art von Tabellenwerken werden Preisspiegel<br />
genannt. Im Zeitalter von Computern und Internet/E-Mail erfolgen die Datenübermittlungen<br />
immer häufiger auf elektronischem Wege, sowohl bei der Übermittlung<br />
von Leistungsverzeichnissen als auch bei der Rückübermittlung der Angebote. Allerdings<br />
ist die Abgabe eines schriftlichen Exemplars zum Submissionstermin in der<br />
Regel vorgeschrieben. Die Aufstellung eines Preisspiegels lässt sich daher heute deutlich<br />
schneller und weitgehend ohne händische Eingaben erledigen.<br />
Aus dem Preisspiegel lassen sich u.a. die Vollständigkeit der Angebote ablesen und<br />
natürlich die wichtigen Informationen, wer sind die billigsten, die wirtschaftlichsten<br />
und die teuersten Anbieter, und wo landen wir eigentlich mit den Gesamtkosten? Das<br />
Ergebnis dieser Auswertung mündet in den Kostenanschlag. Bei sorgfältiger und<br />
vollständiger Planung, die natürlich auch von den sorgfältigen und vollständigen Vorgaben<br />
des Bauherrn abhängig ist, dürften sich zwischen dem Kostenanschlag und<br />
den endgültigen Baukosten in der Kostenfeststellung theoretisch keine Differenzen<br />
mehr ergeben. (Kostenschätzungen sind dagegen als früheste Kostenermittlung<br />
mit Unsicherheiten von +/- 20% und Kostenberechnungen als detaillierte Kostenermittlung,<br />
jedoch immer noch auf der Basis von Schätzpreisen mit Unsicherheiten<br />
von +/- 10% zulässig.)
Entgegen allen Behauptungen sind Kommunen nicht verpflichtet, die billigsten<br />
Anbieter zu nehmen. Es soll vielmehr das wirtschaftlichste Angebot genommen<br />
werden. Das kann im Zweifelsfalle zwar auch das billigste Angebot sein, es kommt<br />
aber entscheidend darauf an, welche Referenzen der jeweilige Anbieter hat und ob<br />
er alle angeforderten Unterlagen auch eingereicht hat wie z.B. die Bescheinigungen,<br />
dass er seine Sozialversicherungsbeiträge oder Steuern bezahlt hat.<br />
Es ist eine wichtige Aufgabe des Auswertenden (z.B. Architekten oder auch des Bauamts)<br />
darauf hinzuweisen, wenn bestimmte Preispositionen - möglicherweise aufgrund<br />
von Berechnungsfehlern - unrealistisch niedrig liegen oder gar fehlen. Diese<br />
Unstimmigkeiten müssen auch vor der Vergabesitzung gegebenenfalls mit dem<br />
Anbieter geklärt werden. Soviel Zeit muß sein!<br />
Vergabeausschüsse sind bezüglich ihrer Kontrollierbarkeit ein Problem. Mit dem Verweis<br />
auf angeblich schützenswerte Daten der Anbieter wird die Öffentlichkeit von<br />
ihren Sitzungen ausgeschlossen. Dabei wäre gerade in dieser Phase Transparenz<br />
besonders wichtig, denn vor dem endgültigen Beschluss der Vergabe besteht immer<br />
noch eine realistische Möglichkeit, ein Vorhaben zu vertretbaren Kosten zu stoppen.<br />
Mit der Vorlage des Kostenanschlags haben die Baupolitiker nochmals die Möglichkeit,<br />
vor dem eigentlichen Baubeginn eventuelle Zielabweichungen beim Kostenrahmen<br />
zu prüfen, die gesamte Planungsleistung zu bewerten und darauf aufbauend<br />
eine Entscheidung auch gegen eine bauliche Umsetzung zu treffen.<br />
Diesen Mut bringen Kommunale Vertreter nur in seltenen Fällen auf, da das Vorhaben<br />
schon im öffentlichen Fokus steht und ein Stopp eine Blamage für alle Beteiligten darstellt.<br />
Die Kosten für die bis dahin aufgelaufenen Planungsleistungen des Architekten<br />
und der Fachplaner dürften im Bereich zwischen 10 und 15 % der Gesamtbausumme<br />
liegen. Sie wären im Falle eines endgültigen Baustopps verloren.<br />
Aber anstatt in eine Katastrophe zu treiben, ist ein Ende mit Schrecken immer noch<br />
besser als eine Schrecken ohne Ende.<br />
50<br />
5.6 Die Projektsteuerung<br />
51<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
Ein Projektsteuerer wird mit der neutralen und unabhängigen Wahrnehmung von<br />
Bauherrenaufgaben beauftragt. Theoretisch könnte der Bauherr, d.h. die Kommune<br />
diese Aufgaben auch selbst übernehmen. Bei größeren aber auch bei kleinen bis mittleren<br />
Projekten ist es zunehmend sinnvoll, einen Projektsteuerer einzusetzen, um die<br />
Aufgaben des Bauherrn kompetent und fachlich qualifiziert wahrzunehmen und Bauherrenziele<br />
bei der Projektabwicklung wirkungsvoll nach außen vertreten zu können.<br />
Zu den Aufgaben eines Projektsteuerers gehören u.a.:<br />
1. Klärung der Aufgabenstellung, Erstellung und Koordinierung des Programms für<br />
das Gesamtprojekt, Klärung der Voraussetzungen für den Einsatz von Planern<br />
und anderen an der Planung fachlich Beteiligten (Projektbeteiligte),<br />
2. Aufstellung und Überwachung von Organisations-, Termin- und Zahlungsplänen,<br />
bezogen auf Projekt und Projektbeteiligte,<br />
3. Koordinierung und Kontrolle der Projektbeteiligten, mit Ausnahme der ausführenden<br />
Firmen,<br />
4. Vorbereitung und Betreuung der Beteiligung von Planungsbetroffenen,<br />
5. Fortschreibung der Planungsziele und Klärung von Zielkonflikten,<br />
6. laufende Information des Auftraggebers über die Projektabwicklung und rechtzeitiges<br />
Herbeiführen von Entscheidungen des Auftraggebers,<br />
7. Koordinierung und Kontrolle der Bearbeitung von Finanzierungs-, Förderungsund<br />
Genehmigungsverfahren.<br />
Das Honorar für die Projektsteuerung wird üblicherweise frei vereinbart. Als Anhaltspunkt<br />
gilt eine Honorarhöhe von 1,5 bis 3,0 % der Baukosten.<br />
Für den kommunalen Einsatz ist die Projektsteuerung eigentlich wie geschaffen, da<br />
sie die in den vorhergehenden Kapiteln beschriebenen klassischen Zielkonflikte kontinuierlich<br />
beobachtet, thematisiert und auf deren Lösung hinarbeitet. Die Projektsteuerung<br />
übernehmen im Regelfall externe Fachleute, die aufgrund der in dieser<br />
Branche üblichen Vertragsstrukturen unabhängig von politischen Entscheidungen<br />
und Befindlichkeiten agieren, ja im eigenen Interesse sogar agieren müssen.<br />
Im Rahmen der Verträge werden strenge Zielparameter wie ein verbindlicher Baukostenrahmen<br />
oder Fertigstellungstermine definiert, die beim Verfehlen Vertragsstrafen<br />
nach sich ziehen. Es werden häufig auch Bonuszahlungen vereinbart, falls z.B. der Kostenrahmen<br />
unterschritten oder das Bauvorhaben früher als geplant übergeben wird.<br />
Aus meiner persönlichen Beobachtung heraus setzen die Kommunen dieses Instrument<br />
der externen, unabhängigen Kontrolle durch Projektsteuerer zunehmend auch<br />
bei kleineren Bau- oder Sanierungsmaßnahmen ein. Zum einen ist dies sicherlich der<br />
schwachen Personaldecke geschuldet, zum anderen aber auch der Erkenntnis, dass<br />
Anreizsysteme wie Malus- und Bonuszahlungen im Rahmen des Tarifvertrages für den
öffentlichen Dienst (TVöD) nicht vorgesehen sind und zudem ein autonomes Handeln<br />
von Weisungsempfängern in einer Verwaltungshierarchie nicht erwartet werden kann.<br />
5.7 Kontrollstufen und Selbstkontrolle bei<br />
kommunalen Bauvorhaben<br />
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Ist das Vorhaben zum jetzigen Zeitpunkt notwendig?<br />
Angesichts des riesigen Sanierungsstaus an Schulen und Kindertagesstätten<br />
müssen Prioritäten gesetzt werden. Erhalt geht vor Neubau, Solidität geht<br />
vor Spektakulärem. Vorhaben brauchen einen ausreichenden Zeitvorlauf, um<br />
das Für und Wider abwägen zu können.<br />
Ist das Vorhaben ausreichend finanziert?<br />
Förderprogramme sind süßes Gift, denn sie können zu Fehlallokationen<br />
und zur Bindung wichtiger investiver Mittel für die Kofinanzierung führen.<br />
Werden der Kommune die Aufnahme von Krediten durch die kommunale<br />
Finanzaufsicht verweigert, so erübrigen sich Bauträume. ÖPP ist kein Finanzierungsinstrument<br />
und kostet die Kommune mehr als eine konventionelle<br />
Finanzierung. ÖPP ist für finanzschwache Kommunen generell abzulehnen.<br />
Ist die Einschaltung eines Projektsteuerers sinnvoll?<br />
Auch bei kleineren Bauvorhaben ist die Einschaltung eines Projektsteuerers<br />
zu erwägen. Die umfangreichen Koordinierungs- und Kontrollaufgaben können<br />
durch den kleinen Personalbestand vieler Kommunen nicht mehr geleistet<br />
werden. Daher ist eine Beauftragung von externen Fachleuten bei entsprechend<br />
strengen Verträgen (Bonus/Malus) zu empfehlen.<br />
Ist eine hohe Qualität der Planung gewährleistet?<br />
Um diese zu sichern, sollte die Beauftragung von Architekten z.B. für Neubauten<br />
erst nach der Durchführung von kleinen, beschränkten oder Einladungswettbewerben<br />
erfolgen. Die Qualität der Entwürfe kann mit Bürgern in der<br />
Jury einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.<br />
Ist eine kontinuierliche Qualität der Planung gewährleistet?<br />
Manchmal merken die Vertragspartner erst bei der Zusammenarbeit, dass<br />
es zwischen ihnen nicht funktioniert. Durch eine phasenweise Beauftragung<br />
hält sich die Kommune die Möglichkeit offen, nach Erteilung der Baugenehmigung<br />
die Ausführungsplanung, die Vorbereitung der Vergabe, die Mitwirkung<br />
bei der Vergabe und die Objektüberwachung (Bauleitung) an andere<br />
Planungsbüros zu vergeben.<br />
Ist eine Kostenkontrolle schon im Rahmen der Vor- und Entwurfsplanung<br />
gewährleistet?<br />
Eine Kostenschätzung nach DIN 276 erleichtert den Entscheidungsträgern<br />
die Grundsatzentscheidung für oder gegen ein Vorhaben, die Kostenberechnung<br />
hilft bei der Entscheidung über die Fortführung der Planung.<br />
Ist der Mut vorhanden, das Vorhaben nach der Entwurfsplanung und<br />
der Kostenberechnung abzubrechen?<br />
52<br />
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Kommunales Planen und Bauen<br />
Zu diesem Zeitpunkt ist der Abbruch eines Vorhabens mit vergleichsweise<br />
geringen Kosten noch möglich. Gründe können z.B. eine Planung sein, die<br />
trotz intensiver Bemühungen aller Beteiligten keine zufriedenstellende<br />
Lösung erbracht hat, oder - was häufiger der Fall sein dürfte - die Kosten des<br />
Vorhabens übersteigen die finanziellen Möglichkeiten der Kommune.<br />
Ist der Mut vorhanden, das Vorhaben auch nach der Ausführungspla-<br />
nung, der Ausschreibung, dem Kostenanschlag und noch vor der Vergabe<br />
abzubrechen? Dies ist der letzte Zeitpunkt, an dem mit noch vertretbaren<br />
Kosten - trotz Totalverlust der Planungsleistungen mit Kosten von rd.<br />
10% der geplanten Baukosten - ein Ausstieg aus dem Vorhaben möglich ist.<br />
Ist die Kommune bereit, bei der Vergabe nicht das billigste sondern das<br />
wirtschaftlichste Angebot zu berücksichtigen?<br />
Billig ist nicht preiswert. Wenn nur auf die Kosten- und nicht auf die Qualitätsseite<br />
geachtet wird, dann zahlt die Kommune am Ende drauf.<br />
Ist die Kommune bereit, ab der Vergabe auf Sonderwünsche zu verzich-<br />
ten? Zusätzliche Forderungen und Wünsche des Auftraggebers werden von<br />
den Auftragnehmern gerne entgegen genommen, da ab der Vergabe und<br />
nach Baubeginn eine seriöse Kostenkontrolle bei Nachträgen nicht mehr<br />
möglich ist.<br />
Ist die kontinuierliche Qualitäts-, Kosten- und Terminkontrolle während<br />
des Bauprozesses gesichert?<br />
Bei Einschaltung eines Projektsteuerers sollte dieser in regelmäßigen Abständen<br />
(mindestens alle zwei bis vier Wochen) die politischen Gremien über den<br />
Projektstand informieren. Resultierende Entscheidungen der Verwaltung z.B.<br />
über Kündigungen von Auftragnehmern, Ersatzvornahmen oder Nachtragsforderungen<br />
sollten durch die Fachausschüsse flankiert und unterstützt werden.<br />
Der Projektstand (Kosten und Termine) muss der Öffentlichkeit zugänglich<br />
gemacht werden.<br />
Bauen ist keine Hexerei, es erfordert kontinuierliches und konsequentes Handeln,<br />
eine gute Planung, einen ausreichenden zeitlichen Vorlauf und die Disziplin aller<br />
Beteiligten.<br />
Dann ist auch der Erfolg bei kommunalen Bauvorhaben in Sichtweite!
6. Literaturquellen/Glossar<br />
Allgemeine Quellen für Bundesgesetze und –verordnungen:<br />
http://www.gesetze-im-internet.de/index.html<br />
BauGB – Baugesetzbuch<br />
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bbaug/gesamt.pdf<br />
BauNVO – Baunutzungsverordnung<br />
http://www.gesetze.juris.de/baunvo/index.html<br />
PlanzVO - Planzeichenverordnung<br />
http://www.gesetze-im-internet.de/planzv_90/<br />
ROG – Raumordnungsgesetz<br />
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/rog_2008/gesamt.pdf<br />
ROB – Raumordnungsbericht (e)<br />
www.bbsr.bund.de<br />
ROP – Raumordnungsprognose (n)<br />
www.bbsr.bund.de<br />
HOAI – Honorarordnung für Architekten und Ingenieure<br />
http://bundesrecht.juris.de/hoai/index.html<br />
Allgemeine Quellen für sächsische Gesetze und Verordnungen:<br />
http://www.revosax.sachsen.de/index.jsp<br />
SächsBO – Sächsische Bauordnung<br />
http://www.revosax.sachsen.de/Details.do?sid=5551213889453<br />
DVOSächsBO – Durchführungsverordnung zur Sächsischen Bauordnung<br />
http://www.revosax.sachsen.de/Details.do?sid=4141313641754<br />
LEP 2003 – Landesentwicklungsplan 2003 und 2012<br />
http://www.landesentwicklung.sachsen.de/11117.htm<br />
RPV – Regionalplanungsverbände in Sachsen<br />
http://www.landesentwicklung.sachsen.de/download/Landesentwicklung<br />
54<br />
55<br />
Kommunales Planen und Bauen<br />
RFNP – Regionaler Flächennutzungsplan Metropolregion Frankfurt/Main<br />
http://www.region-frankfurt.de/Region/Planung/Regionaler-Flächennutzungsplan<br />
VOF – Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen<br />
VOB – Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen u.a. VOB/A, VOB/B und VOB/C<br />
DIN 276 – Kostenermittlung im Bauwesen
<strong>DAKS</strong> e.V.<br />
Die ALTERNATIVE Kommunalpolitik Sachsens<br />
Hohe Straße 58<br />
04107 Leipzig<br />
Tel: 0341 2195740<br />
E-Mail: mail@daksev.de<br />
Internet: www.<strong>DAKS</strong>ev.de<br />
Leipzig 2010