Wittig-imprimatur 1..536
Wittig-imprimatur 1..536
Wittig-imprimatur 1..536
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
eck-shop.de<br />
140 4. Kapitel. Der Besondere Teil des Wirtschaftsstrafrechts (StGB)<br />
41<br />
42<br />
– Ingerenz (= gefährdendes pflichtwidriges Vorverhalten; OLG<br />
Stuttgart NJW 1969, 1975; Mitsch, BT II/1, § 7 Rn. 31; NK/Kindhäuser,<br />
§ 263 Rn. 155). Das ist der Fall, wenn der Täter (unerlaubt)<br />
eine Irrtumsgefahr geschaffen hat. Relevante Fallgruppen sind erstens<br />
der Verzicht auf eine Richtigstellung einer zunächst gutgläubig,<br />
aber fahrlässig abgegebenen unwahren Behauptung, deren Unwahrheit<br />
der Täter später erkennt, zweitens das nachträgliche<br />
betrügerische Ausnutzen einer bewusst unwahren Behauptung,<br />
die aber ohne Schädigungsvorsatz oder Bereicherungsabsicht aufgestellt<br />
wurde (SSW/Satzger, § 263 Rn. 54).<br />
Beispiel: A bewarb ein Branchenverzeichnis mit rechnungsähnlichen Angebotsschreiben.<br />
Er hatte zum Zeitpunkt der Versendung der Schreiben<br />
noch die Absicht, das Branchenverzeichnis herauszugeben, so dass kein<br />
Betrug (Insertionsoffertenbetrug; siehe Rn. 25) vorlag, weil das Vorliegen<br />
eines Vermögensschadens bzw. eines entsprechenden Vorsatzes zweifelhaft<br />
war. Der Betrug liegt nach OLG Stuttgart NJW 1969, 1975 vielmehr darin,<br />
dass A den Plan aufgab, das Branchenverzeichnis herauszugeben, ohne die<br />
Einsender des Geldes davon zu verständigen. Dazu war er verpflichtet,<br />
weil er durch die vorhergegangene pflichtwidrige Täuschung (rechnungsähnliche<br />
Angebotsschreiben) die Gefahr geschaffen hatte, dass die Besteller<br />
bei einem Sinneswandel des A ihre Ansprüche nicht würden geltend machen,<br />
weil sie irrtümlich glaubten, ihre Leistungen als Vergütung für bereits<br />
erschienene Inserate erbracht zu haben. Im Ergebnis liegt also eine Täuschung<br />
durch Unterlassen vor, denn A war aufgrund Ingerenz garantenpflichtig.<br />
Weitere instruktive Beispiele bei Eisele, BT II, Rn. 509; Mitsch,<br />
BT II/1, § 7 Rn. 31.<br />
– Vertrag: Allgemeine vertragliche Pflichten reichen nicht aus. Der<br />
Abschluss eines Austauschvertrages begründet keine Offenbarungspflicht<br />
hinsichtlich solcher Umstände die in die Risikosphäre<br />
des Vertragspartners fallen. Es muss ein durch das Vertragsverhältnis<br />
vermitteltes besonderes Vertrauensverhältnis mit besonderen<br />
Umständen im zwischenmenschlichen Bereich hinzutreten. Das<br />
besondere Vertrauensverhältnis kann auch nicht einfach aus der<br />
besonderen Schutzbedürftigkeit des Opfers oder der Höhe des<br />
Schadens begründet werden. Vorausgesetzt ist vielmehr eine Situation,<br />
in der die eine Vertragspartei darauf angewiesen ist, dass ihr<br />
die andere Vertragspartei die für ihre Entschließung maßgebenden<br />
Umstände offenbart (BGH NJW 2000, 3013, 3014). Dies kann bei<br />
besonderem Fachwissen oder bei enger persönlicher Verbundenheit<br />
z.B. bei langjährigen Geschäftsbeziehungen, der Fall sein<br />
(Übersicht bei SSW/Satzger, § 263 Rn. 61).