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Christian Breme in - Ursache Zukunft

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waren, sollten zum ersten Mal wiedernach der Brandkatastrophe im Raum erlebbarwerden.In den folgenden Jahren konnte derBesucher des Goetheanum manche Veränderungenerleben, die darauf zielten,die <strong>in</strong>nere Gestalt und den äußeren Auftrittdes Hauses den Anforderungen derZeit anzupassen.Unterkühltes Zeitempf<strong>in</strong>denIn dem Bemühen, nicht ausschließlichals Verwaltung e<strong>in</strong>er bedeutenden Vergangenheitzu gelten, mussten Bilder, Möbel,E<strong>in</strong>richtungsgegenstände, manche Zeugendes Kunstimpulses, e<strong>in</strong>er neutralerenRaumgestaltung Platz geben. Die grafischeGestaltung der Wochenschrift ‹Das Goetheanum›wurde gestrafft, Programme undAnkündigungen griffen die Designerspracheanderer Kulture<strong>in</strong>richtungen und derWerbung auf. E<strong>in</strong>e neue Goetheanumbroschüreerschien, die dem Besucher gratisausgehändigt wird. Vergeblich sucht mane<strong>in</strong> Bild vom Saal, von den Kapitellen, denDeckenmalereien dar<strong>in</strong>. An dieser Stellef<strong>in</strong>den sich zahlreiche Abbildungen vonBetondetails, die das unterkühlte Zeitempf<strong>in</strong>denansprechen, nicht aber e<strong>in</strong> Bild dessenvermitteln, was goetheanistische Gestaltungist. «Wird im Zuge e<strong>in</strong>er Anpassungan den Zeitgeist der Urimpuls mehrund mehr geleugnet?» Diese Sorge verbittertebesonders solche Menschen, die e<strong>in</strong>Leben lang diesen Impuls gepflegt hatten.Nun stehen wir im Jubiläumsjahr des‹Münchner Kongresses›. Man könnteKunstausstellungen erwarten, reichhaltigeDokumentationen über das, was aus demneuen Kunstimpuls <strong>in</strong> den vergangenen100 Jahren <strong>in</strong> der Welt entstanden ist: <strong>in</strong>der Architektur, der Schauspielkunst, derEurythmie, der Malerei und Bildhauerei.Man sucht sie vergebens. An dieser Stellestehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ausstellung bis zum 3. Augustdie Arbeiten von Joseph Beuys, ShelleySacks, James Reed, George Ste<strong>in</strong>mannund Nicholas Stronczyk. Mit diesen nichtgoetheanistischenKünstlern tritt das Goetheanum<strong>in</strong> diesem für den Kunstimpulsso bedeutenden Jahr <strong>in</strong> die Öffentlichkeit.Ist es vor diesem H<strong>in</strong>tergrund nicht verständlich,dass das Werk von Shelley Sacksso wenig Sympathie erntet, dass so wenigBereitschaft da ist, auf das, was sie wirklichzu geben hat, vorurteilsfrei zu schauen?Darf aber die Enttäuschung über e<strong>in</strong>e vielenMenschen schwer nachzuvollziehendeKulturpolitik des Hauses <strong>in</strong> den Hassgegen e<strong>in</strong>en andersgearteten Impuls umschlagen?Ist die Initiative ‹Exchange Values› e<strong>in</strong>dem Goetheanum fremder Impuls, nurweil die Instrumente dieser sich über Jahreh<strong>in</strong> entfaltenden Aktion und dieserRaum nicht dem gewohntenBild anthroposophischenKunstschaffensentsprechen?Nicht Kunstwerk,Werkzeug!Die Bananenschalengewebezusammen mitden dazugehörigen Tonträgernund dem rundenTisch s<strong>in</strong>d nicht Kunstwerk– sondern Werkzeug.Das Kunstwerk,Sacks würde von der SozialenSkulptur sprechen,verwirklicht sicherst im Gespräch zwischenMenschen, imAustausch von Fragen, Bedürfnissen undFähigkeiten. Sacks begleitet diesen Prozess,stößt ihn an, hilft, wenn er stockt. Esist wirklich das reale Gespräch geme<strong>in</strong>t,das Sprechen <strong>in</strong> der Runde. Darum der bereitstehendeTisch <strong>in</strong> der Mitte.Künstler wie Sacks, Reed und die Aktivistender ‹WochenKlausur› aus Wien gehenaus dem Atelier h<strong>in</strong>aus direkt <strong>in</strong> dassoziale Feld. An der Stelle der Le<strong>in</strong>wandsteht für sie das Gespräch, statt des P<strong>in</strong>selsnehmen sie die Frage, das Interesse des Gegenüberauf. Was sie früher als Gleichgewichtder Farbe <strong>in</strong> der Malerei suchten,zeigt sich jetzt im Respekt vor dem Willendes anderen, im Versuch, zu vermitteln.Wie die anthroposophisch-goetheanistischbildenden Künstler gehen auch sie‹e<strong>in</strong>en Weg über alles Persönliche h<strong>in</strong>aus›.Sacks lebt diese Kunst mit e<strong>in</strong>er bewundernswürdigenKonsequenz.Die jetzt im Goetheanum ausgestelltenExponate s<strong>in</strong>d erst e<strong>in</strong>mal nicht Zeugnissedes Goetheanistischen Kunstimpulses,sondern Werke von Menschen, die ihrKünstlertum geopfert haben, h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geopfert<strong>in</strong> den Sozialen Prozess. Es kann se<strong>in</strong>,dass die Welt <strong>in</strong> ihrer dramatischen Situationvon Menschen dieses Opfer verlangt.Diese <strong>in</strong>s Soziale geopferte oder erweiterteKunst stellt nicht den übenden Künstlerim Atelier <strong>in</strong> Frage, nicht den bildendenKünstler, nicht den Künstler auf der Bühne.Das Üben an den Elementen und mit denElementen, sei es <strong>in</strong> der Musik, der Malerei,der Bildhauerei oder der Eurythmie ist undbleibt der Schulungsweg für den zum Geistigenh<strong>in</strong> sich öffnenden Menschen, anwelchem Ort der Erde er auch immer se<strong>in</strong>eGestaltungskraft zur Verfügung stellenwill. Darum gilt ebenso: Es kann se<strong>in</strong>, dassdie Welt <strong>in</strong> ihrer dramatischen Situationvon Menschen das Opfer verlangt, auf e<strong>in</strong>unmittelbares Wirken im Sozialen zu verzichtenund Bilder zu schaffen, die von derRealität des Geistigen zeugen. Wenn für dieNicht ergriffen, aber voller Wirkkraft: die Installation ‹Exchange Values›von Shelley Sacks im GoetheanumEntwicklung der heutigen Weltsituationbeide Wege Bedeutung haben, ja geforderts<strong>in</strong>d, dann geht es vor allem um e<strong>in</strong>es: umdie Anerkennung des jeweils anderen Wegesund e<strong>in</strong> Austauschen der Werte. ExchangeValues!Nicht deplatziert, allenfalls verwaistDer ‹Münchner Kongress› ist nicht e<strong>in</strong>Jubiläum, das die Künste und den lebendigenKunstimpuls alle<strong>in</strong> angeht. Wirschauen auf e<strong>in</strong> umfassenderes, tiefgreifendesEreignis, auf die Tatsache, dass RudolfSte<strong>in</strong>er damals der tragenden spirituellenBewegung e<strong>in</strong>e Wendung zur Erde,zur Verwirklichung gegeben hat, e<strong>in</strong>eWendung h<strong>in</strong> zur Gestaltung und Umgestaltungder materiellen und der sozialenWelt. So ist der Kongress <strong>in</strong> spirituellerH<strong>in</strong>sicht auch die Geburtsstunde derDreigliederungsbewegung, der Waldorfpädagogik,der biologisch-dynamischenWirtschaftsweise und der anthroposophischenMediz<strong>in</strong>. Diesem Verwirklichungsstromdes Ideellen bis <strong>in</strong> den Umgang mitden Werten (values), dem Geld, dem Kapital,den Fähigkeiten des Menschen ist dasWerk von Sacks gewidmet. Darum ist‹Exchange Values› im Goetheanum nichtdeplatziert, auch nicht im Jubiläumsjahr!Allenfalls ist es hier verwaist und ohne dasGespräch – ausgeliefert.Mit der Wiederbesetzung der Leitungder Sektion für Bildende Künste am Goetheanumkann man hoffen, dass dasGoetheanum e<strong>in</strong>e Pflegestätte des Kunstimpulsesbleiben wird und zugleich e<strong>in</strong>Ort, an dem <strong>in</strong> der größten Freiheit derAustausch gepflegt werden kann – geradewenn die Wege so anders aussehen. ó<strong>Christian</strong> <strong>Breme</strong>, Architekt und Bildhauer, istLehrer für Bildnerisches Gestalten an derRudolf-Ste<strong>in</strong>er-Schule Basel.Foto: Axel MannigelDas Goetheanum | Nr. 21/22 · 07 | Schwerpunkt Anthroposophischer Kunstimpuls 7

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