Irmtraud Morgner Hochzeit in Konstantinopel
Irmtraud Morgner Hochzeit in Konstantinopel
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Für die Katz<br />
Ich habe e<strong>in</strong>en Menschen gefressen. Neulich. Als ich e<strong>in</strong>e Katze<br />
war.<br />
Ich lag schon e<strong>in</strong>e Weile auf stoffbespannten Oberschenkeln<br />
und ließ mir das Fell streicheln. Me<strong>in</strong> Körper, halb gestreckt,<br />
kreuzte sie annähernd rechtw<strong>in</strong>klig. Durch den Stoff<br />
hatte ich fünf Krallen geschlagen, drei der rechten Vorderpfote<br />
und je e<strong>in</strong>e der beiden H<strong>in</strong>terpfoten. Dabei hatte ich mir e<strong>in</strong>e<br />
Kralle verbogen. An Bäumen war mir noch ke<strong>in</strong>e schadhaft<br />
geworden. Amseln sangen mir Appetit auf die Zunge. Mich<br />
gelüstete es zu klettern. Richard hielt mich fest. Manchmal<br />
möchte er am liebsten e<strong>in</strong>en Hund aus mir machen. Und mich<br />
an die Le<strong>in</strong>e legen. Aber ich lasse mich nicht dressieren: Ich<br />
habe Charakter. Denn ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Katze, e<strong>in</strong>e schwarze Katze.<br />
Und ich habe es gern, wenn man mich streichelt. Richard tat<br />
es schon e<strong>in</strong>e Weile.<br />
Da kam e<strong>in</strong> Mensch des Weges, mit e<strong>in</strong>em Camp<strong>in</strong>gkarren.<br />
Und hielt vor unserer Bank. Er störte sehr, aber Richard<br />
bot ihm trotzdem e<strong>in</strong>en Platz an. Der Mensch <strong>in</strong>dessen senkte<br />
die starre Deichsel se<strong>in</strong>es mit zwei vollgummibereiften Rädern<br />
bestückten Karrens, so dass sich der Fuß der unter dem<br />
kastenförmigen Aufbau angebrachten Stütze <strong>in</strong> den Waldboden<br />
bohrte, entlud den Kasten und baute aus Sparren und<br />
Segeltuch vor unserer Bank e<strong>in</strong> Faltpult auf. Dann stellte er<br />
sich dah<strong>in</strong>ter, zog etliche mit e<strong>in</strong>er Büroklammer zusammengeheftete<br />
Blätter masch<strong>in</strong>enbeschriebenen Papiers unter dem<br />
Skapulier hervor und las: »Männer und Frauen, Menschen,<br />
me<strong>in</strong>e Welt.« Und dann sprach er frei. Er sprach: »Was machen<br />
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