Wegweiser 1..4
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VD4<br />
Vorratsvermögen<br />
– Handelsrecht Vo<br />
Oliver Glück<br />
Vorratsvermögen<br />
Vorräte sind Teil des Umlaufvermögens (siehe Kapitel Õ Umlaufvermögen),<br />
d.h. jener Vermögenswerte, die nicht zum Anlagevermögen<br />
gehören und auch keine Rechnungsabgrenzungsposten<br />
sind.<br />
Im Zusammenhang mit sich über den Bilanzstichtag (nach IFRS:<br />
Berichtszeitpunkt) erstreckenden, kundenspezifischen Fertigungsaufträgen<br />
stehende Vorräte (unfertige Leistungen) werden separat<br />
im Kapitel Õ Fertigungsaufträge behandelt.<br />
H Handelsrecht<br />
Die Vorräte gliedern sich nach Handelsrecht (§ 266 Abs. 2 B. I.<br />
HGB) für Kapitalgesellschaften zwingend vorgeschrieben – aber<br />
auch für Nicht-Kapitalgesellschaften für Zwecke einer klaren Darstellung<br />
empfehlenswert – wie folgt:<br />
• Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe;<br />
• unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen;<br />
• fertige Erzeugnisse und Waren;<br />
• geleistete Anzahlungen.<br />
Die Abgrenzung zwischen den einzelnen Gruppen ist nicht immer<br />
eindeutig vorzunehmen, insbesondere wenn in mehrstufigen Produktionsbetrieben<br />
Erzeugnisse in den unterschiedlichen Bearbeitungszuständen<br />
bzw. Zwischenstufen (z.B. als Ersatzteile) veräußert<br />
werden oder teilweise selbst hergestellt und teilweise zugekauft<br />
werden.<br />
Umlaufvermögen<br />
Fertigungsaufträge<br />
Gliederung<br />
Abgrenzung<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 1
Vo<br />
Roh-, Hilfs- und<br />
Betriebsstoffe<br />
unfertige<br />
Erzeugnisse<br />
und Leistungen<br />
Seite 2<br />
langfristige<br />
Fertigungsaufträge<br />
unfertige<br />
Bauten<br />
Vorratsvermögen<br />
– Handelsrecht<br />
Oliver Glück<br />
Rohstoffe gehen direkt in das Fertigerzeugnis ein und bilden dessen<br />
Hauptbestandteil. Hilfsstoffe gehen ebenfalls in das Fertigerzeugnis<br />
ein, sind jedoch untergeordnete Bestandteile (z.B.<br />
Schrauben, Scharniere). Betriebsstoffe sind selbst nicht Bestandteil<br />
des fertigen Erzeugnisses, sondern werden vielmehr im Rahmen<br />
des Produktionsprozesses unmittelbar oder mittelbar verbraucht<br />
(z.B. Schmierstoffe).<br />
Als unfertige Erzeugnisse bezeichnet man die Vorräte an noch<br />
nicht verkaufsfähigen Erzeugnissen, für die durch die Be- oder<br />
Verarbeitung im Unternehmen bereits Aufwendungen angefallen<br />
sind. Demgegenüber fallen unfertige Leistungen bei Dienstleistungen<br />
(z.B. Architekturplanung oder Beratungsleistungen) an.<br />
Bei Letzteren handelt es sich im Gegensatz zu den übrigen<br />
Bestandteilen der Vorräte im rechtlichen Sinne um Forderungen<br />
und nicht um Sachen.<br />
Zu den unfertigen Erzeugnissen gehören auch bereits begonnene<br />
(langfristige) Fertigungsaufträge (z.B. Bauprojekte), die erst mit<br />
erfolgter Abnahme durch den Kunden und anschließender Endabrechnung<br />
zu einer Umsatzrealisierung führen (siehe Kapitel Õ<br />
Fertigungsaufträge). Um diesen Spezialfall entsprechend für die<br />
Bilanzadressaten darzustellen, empfiehlt sich ein separater Ausweis<br />
als Unterposition der Vorräte, z.B. als Noch nicht abgerechnete<br />
Aufträge.<br />
Einen weiteren Spezialfall stellen Bauten auf fremdem Grund und<br />
Boden dar, z.B. Bauprojekte oder Großanlagen auf dem Grundstück<br />
des Auftraggebers. Hier kommt wiederum das Prinzip der<br />
wirtschaftlichen Zurechnung (§ 246 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz<br />
HGB) zum Tragen, das zu einer Bilanzierung der unfertigen Bauten<br />
beim Hersteller bzw. Auftragnehmer führt, obwohl zivilrechtlich<br />
mit dem Grund und Boden fest verbundene Sachen wesentliche<br />
Bestandteile des Grundstücks und damit rechtliches Eigentum<br />
des Auftraggebers sind (§ 94 BGB). Auch hier empfiehlt sich<br />
ein separater Ausweis als Noch nicht abgeschlossene Bauprojekte<br />
auf fremdem Grund und Boden bzw. eine entsprechende Anhangangabe.
VD4<br />
Vorratsvermögen<br />
– Handelsrecht Vo<br />
Oliver Glück<br />
Zu der Kategorie Fertigerzeugnisse und Waren zählen die vom<br />
Unternehmen hergestellten oder gekauften (z.B. Zubehör oder<br />
Handelswaren) versandfertigen Vorräte. Darunter können auch –<br />
sofern sie nicht unter dem Anlagevermögen auszuweisen sind –<br />
Produkte fallen, die für eine Vermietung bzw. das Leasing im<br />
Rahmen eines Operating-Leasingverhältnisses bestimmt sind.<br />
Unter geleisteten Anzahlungen versteht man finanzielle Vorleistungen<br />
eines Vertragspartners im Rahmen eines schwebenden<br />
Geschäfts. Unter dieser Position werden somit die Zahlungen ausgewiesen,<br />
die das Unternehmen an Dritte im Rahmen abgeschlossener<br />
Lieferungs- oder Leistungsverträge bereits geleistet hat,<br />
sofern diese das Vorratsvermögen als Teil des Umlaufvermögens<br />
betreffen. Sofern die Anzahlungen dahingegen immaterielle Vermögenswerte<br />
oder Sachanlagen betreffen, sind sie entsprechend<br />
im Anlagevermögen unter § 266 Abs. 2 A.I.4 bzw. A.II.4 HGB<br />
auszuweisen.<br />
Erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen können nach § 268<br />
Abs. 5 Satz 2 HGB offen von der Position Vorräte abgesetzt werden.<br />
Alternativ kann der Ausweis auch unter den Verbindlichkeiten<br />
(§ 266 Abs. 3 C. 3. HGB) erfolgen.<br />
Kleine Kapitalgesellschaften dürfen sämtliche Vorräte unter einer<br />
Position ausweisen (§ 266 Abs. 1 Satz 3 HGB).<br />
H.1 Anwendungsbereich<br />
Die Entscheidung, ob eine Bilanzierung von Vorräten im Umlaufvermögen<br />
vorzunehmen ist oder ob ggf. eine sofort erfolgswirksame<br />
Aufwendung (Verbrauch) vorliegt, haben alle nach den handelsrechtlichen<br />
Vorschriften der Buchführungspflicht unterliegende<br />
Kaufleute (§ 238 Abs. 1 Satz 1 HGB) vorzunehmen.<br />
Für Einzelkaufleute, die die durch das BilMoG angehobenen<br />
Schwellenwerte für Umsatzerlöse und Jahresüberschuss (500.000<br />
Euro bzw. 50.000 Euro) an den Abschlussstichtagen von zwei auf-<br />
Fertigerzeugnisse<br />
und<br />
Waren<br />
geleistete<br />
Anzahlungen<br />
erhaltene<br />
Anzahlungen<br />
Erleichterungen<br />
für Einzelkaufleute<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 3
Vo<br />
Vollständigkeitsgrundsatz<br />
Seite 4<br />
wirtschaftliches<br />
Eigentum<br />
Gefahrenübergang<br />
einander folgenden Geschäftsjahren (bzw. bei Neugründung am<br />
ersten Abschlussstichtag nach der Neugründung) nicht überschreiten,<br />
entfällt u.a. die Buchführungspflicht (§ 241a HGB n.F.<br />
i.V.m. § 242 Abs. 4 HGB n.F.). Siehe hier auch das Kapitel Õ<br />
Schwellenwerte für Buchführungspflicht.<br />
H.2 Ansatz dem Grunde nach<br />
Vorratsvermögen<br />
– Handelsrecht<br />
Oliver Glück<br />
Nach § 246 Abs. 1 HGB hat der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände,<br />
Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten<br />
sowie Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich<br />
nichts anderes bestimmt ist.<br />
In der Bilanz sind das Anlage- und das Umlaufvermögen, das<br />
Eigenkapital, die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten<br />
gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern (§ 247<br />
Abs. 1 HGB).<br />
Für die Frage, wer Vermögensgegenstände (und Schulden) zu<br />
bilanzieren hat, ist das wirtschaftliche Eigentum und nicht das<br />
zivilrechtliche Eigentum ausschlaggebend (§ 246 Abs. 1 Satz 2 2.<br />
Halbsatz HGB n.F.). Das führt dazu, dass bei Eigentumsvorbehalt<br />
– unabhängig davon, ob es sich um erworbene oder veräußerte<br />
Vorräte handelt – dieser unberücksichtigt bleibt, solange<br />
er nicht geltend gemacht wird. Dasselbe gilt für eine Sicherungsübereignung.<br />
Unabhängig von einer Lagerung der Vorräte bei<br />
einem Unternehmen sind jedoch diejenigen Waren nicht mehr in<br />
der Bilanz auszuweisen, die z.B. durch Seefrachtbrief oder Lagerschein<br />
(§ 363 HGB) endgültig an den Käufer übereignet wurden.<br />
Lesen Sie hierzu auch das Kapitel Õ Wirtschaftlicher Eigentümer.<br />
Der Zeitpunkt der Bilanzierung von Waren richtet sich nach dem<br />
Gefahrenübergang. Das bedeutet, dass bestellte und bereits unterwegs<br />
befindliche Ware im Vorratsvermögen des Käufers zu bilanzieren<br />
ist, wenn der Gefahrenübergang laut Lieferbedingungen<br />
bereits erfolgt ist, jedoch die Ware sich ggf. noch nicht im Verfügungsbereich<br />
des Käufers befindet. Die entsprechende Verbind-
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Vorratsvermögen<br />
– Handelsrecht Vo<br />
Oliver Glück<br />
lichkeit ist dann korrespondierend zu buchen bzw. zu bilanzieren.<br />
Analog werden verkaufte Waren erst mit Gefahrenübergang sowie<br />
Erfüllung aller mit dem Verkaufsgeschäft in Zusammenhang stehenden<br />
Verpflichtungen (z.B. Installation beim Kunden) zu Forderungen<br />
(Umsatzrealisierung).<br />
In Kommission gegebene Waren sind unter den fertigen Erzeugnissen<br />
und Waren auszuweisen. Entsprechend werden in Kommission<br />
genommene Waren nicht als Vorräte bilanziert.<br />
Neben der bisher bereits in § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB kodifizierten<br />
Bewertungsstetigkeit, die durch das BilMoG erreichte Neufassung<br />
lediglich entsprechend der herrschenden Meinung nunmehr explizit<br />
als Muss-Vorschrift (die auf den vorhergehenden Jahresabschluss<br />
angewandten Bewertungsvorschriften sind beizubehalten)<br />
gegenüber der bisherigen Soll-Vorschrift ausgelegt wurde,<br />
erfolgte durch das BilMoG eine zusätzliche Aufnahme des Grundsatzes<br />
der Ansatzstetigkeit (§ 246 Abs. 3 Satz 1 HGB).<br />
Von der Ansatz- und Bewertungsstetigkeit darf nur in begründeten<br />
Ausnahmefällen abgewichen werden (§ 246 Abs. 3 Satz 2<br />
und § 252 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 252 Abs. 2 HGB).<br />
Sind Vorräte mittels Fremdfinanzierung erworben worden,<br />
besteht weiterhin ein Verrechnungsverbot (§ 246 Abs. 2 HGB).<br />
H.3 Ansatz der Höhe nach<br />
Das Umlaufvermögen und somit auch das Vorratsvermögen wird<br />
im Rahmen der Zugangsbewertung zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten<br />
angesetzt. Diese stellen gleichzeitig die Höchstgrenze<br />
dar (§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB). Ein Ausweis unrealisierter<br />
Gewinne – in Höhe der Differenz zwischen Verkaufspreis und<br />
Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten – unterbleibt somit.<br />
Durch das BilMoG wurde die Definition der handelsrechtlichen<br />
Herstellungskostenuntergrenze an die Definition der steuerlichen<br />
Kommissionsware<br />
Ansatzstetigkeit<br />
Verrechnungsverbot<br />
AnschaffungsoderHerstellungskosten<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 5
Vo<br />
strengesNiederstwertprinzip<br />
beizulegender<br />
Wert<br />
Seite 6<br />
verlustfreie<br />
Bewertung<br />
Vorratsvermögen<br />
– Handelsrecht<br />
Oliver Glück<br />
Herstellungskostenuntergrenze und in Richtung der international<br />
üblichen Bewertung angepasst. Siehe die Kapitel Õ Anschaffungskosten<br />
und Õ Herstellungskosten für detaillierte Informationen<br />
zum Umfang bzw. den einzubeziehenden Bestandteilen der<br />
Anschaffungs- und Herstellungskosten.<br />
Für das Umlaufvermögen gilt generell das strenge Niederstwertprinzip<br />
(§ 253 Abs. 4 HGB). Das bedeutet, dass Wertminderungen<br />
im Umlaufvermögen durch Abschreibungen zu berücksichtigen<br />
sind, auch wenn sie voraussichtlich nicht von Dauer sind (im<br />
Gegensatz dazu gilt für Anlagevermögen ein gemildertes Niederstwertprinzip,<br />
das eine dauerhafte Wertminderung voraussetzt).<br />
Das strenge Niederstwertprinzip verlangt, dass zum Bilanzstichtag<br />
ein etwaiger gegenüber den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten<br />
(Buchwert) niedrigerer aus dem Börsen- oder Marktpreis<br />
abgeleiteter Wert oder – falls ein derartiger Wert nicht feststellbar<br />
ist – der beizulegende Wert anzusetzen ist.<br />
Maßgeblich für den beizulegenden Wert sind folgenden Märkte:<br />
a) Beschaffungsmarkt:<br />
für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie unfertige und fertige<br />
Erzeugnisse, für die auch ein Fremdbezug möglich ist;<br />
b) Absatzmarkt:<br />
für unfertige und fertige Erzeugnisse, für die kein Fremdbezug<br />
möglich ist sowie für Überbestände an Roh-, Hilfs- und<br />
Betriebsstoffen;<br />
c) Absatz- und Beschaffungsmarkt:<br />
bei Handelswaren sowie bei Überbeständen an unfertigen und<br />
fertigen Erzeugnissen.<br />
Der Grundsatz der verlustfreien Bewertung besagt in diesem<br />
Zusammenhang, dass eine Abwertung der Vorräte geboten ist,<br />
wenn die erwarteten Veräußerungserlöse abzüglich aller Erlösmin
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Vorratsvermögen<br />
– Handelsrecht Vo<br />
Oliver Glück<br />
derungen sowie aller noch anfallenden Aufwendungen (z.B. Verpackungs-,<br />
Vertriebs- und Versandkosten) unter den Anschaffungs-<br />
bzw. Herstellungskosten liegen.<br />
Die nach bisherigem Recht zulässigen Wertschwankungsabschreibungen<br />
im Umlaufvermögen nach § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB a.F.,<br />
die Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer<br />
Beurteilung nach § 253 Abs. 4 HGB a.F. sowie die Vornahme<br />
von nur steuerrechtlich zulässigen Abschreibungen nach §§ 254<br />
i.V.m. § 279 Abs. 2 HGB a.F. wurden durch das BilMoG abgeschafft.<br />
Sofern die Gründe für eine in früheren Geschäftsjahren vorgenommene<br />
außerplanmäßige Abschreibung entfallen sind, müssen<br />
Unternehmen entsprechend der Höhe der Wertaufholung<br />
eine Zuschreibung vornehmen, jedoch maximal bis zur Höhe der<br />
ursprünglichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (§ 253<br />
Abs. 5 Satz 1 HGB). Nach dem Handelsrecht a.F. (vor BilMoG)<br />
bestand nur für Kapitalgesellschaften ein Wertaufholungsgebot,<br />
während für andere Unternehmen ein Wertaufholungswahlrecht<br />
galt. Siehe auch das Kapitel Õ Außerplanmäßige Abschreibungen<br />
und Wertaufholungen im Umlaufvermögen.<br />
§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB schreibt vor, dass Vermögensgegenstände<br />
– und damit auch Vorräte – sowie Schulden einzeln zu<br />
bewerten sind. Die Anwendung des Einzelbewertungsprinzips ist<br />
jedoch in einigen Fällen nicht möglich und in anderen Fällen aus<br />
wirtschaftlichen Gründen nicht anzuraten. So kommt es bei Vorräten<br />
wie z.B. Flüssigkeiten, Gasen oder Schüttgütern – sowohl<br />
im Bereich der Lagerung als auch im Bereich der Produktion – zu<br />
einer Vermischung dieser Vorräte, so dass eine Einzelzuordnung<br />
nicht möglich ist.<br />
Aus diesen Gründen sieht das Handelsrecht in den §§ 240 Abs. 3<br />
und Abs. 4 und 256 HGB Bewertungsvereinfachungsverfahren<br />
vor, die vom Grundsatz der Einzelbewertung abweichen. Dazu<br />
gehören im Einzelnen die folgenden drei Methoden.<br />
Abschaffung<br />
bisheriger<br />
Abschreibungswahlrechte<br />
Wertaufholung<br />
Einzelbewertungsprinzip<br />
Bewertungsvereinfachungsverfahren<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 7
Vo<br />
Gruppenbewertung<br />
Sammelbewertung<br />
Festbewertung<br />
Seite 8<br />
Vorratsvermögen<br />
– Handelsrecht<br />
Oliver Glück<br />
Im Rahmen der Gruppenbewertung nach § 240 Abs. 4 HGB<br />
können gleichartige Vorräte (darüber hinaus auch sonstige gleichartige<br />
oder annähernd gleichwertige bewegliche Vermögensgegenstände)<br />
als Gruppe bewertet werden.<br />
Die Gleichartigkeit kann sich dabei auf unterschiedliche Kriterien<br />
beziehen:<br />
• gleiche Warengattung (z.B. Hosen verschiedener Größen) und<br />
annähernde Preisgleichheit oder<br />
• Funktionsgleichheit (z.B. Schrauben und Nägel) und annähernde<br />
Preisgleichheit.<br />
Die Preisabweichung sollte nach herrschender Meinung maximal<br />
20 Prozent betragen.<br />
Die bei gleichartigen Vermögensgegenständen des Vorratsvermögens<br />
alternativ zulässige Sammelbewertung nach § 256 HGB<br />
basiert auf sich auf die zeitliche Reihenfolge beziehende Verbrauchsfiktionen,<br />
die an die Stelle tatsächlicher Verbräuche bzw.<br />
Abgänge treten. Zu den Sammelbewertungsverfahren gehören insbesondere<br />
das Durchschnittsverfahren, die FIFO- (first in – first<br />
out) sowie die LIFO-Methode (last in – first out). Die schon bisher<br />
von der Literatur und Kommentierung aufgrund der Möglichkeiten<br />
zur Ergebnisgestaltung kritisch betrachteten, sich auf eine<br />
wertmäßige Reihenfolge beziehenden Methoden HIFO (highest<br />
in – first out) und LOFO (lowest in – first out) sind mit Gültigkeit<br />
des BilMoG explizit nicht mehr zulässig (§ 256 Satz 1 HGB<br />
n.F.).<br />
§ 240 Abs. 3 HGB erlaubt zudem für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe<br />
unter den kumulativen Voraussetzungen eines regelmäßigen<br />
Ersatzes, einer nachrangigen Bedeutung sowie im Regelfall nur<br />
geringer Veränderungen des Bestandes hinsichtlich Menge, Wert<br />
und Zusammensetzung eine Festbewertung (d.h. eine Bewertung,<br />
die in aufeinander folgenden Jahresabschlüssen fortgeführt werden
VD4<br />
Vorratsvermögen<br />
– Handelsrecht Vo<br />
Oliver Glück<br />
kann). Buchungstechnisch wird dies dadurch realisiert, dass<br />
Zugänge ergebniswirksam als Materialaufwand verbucht werden.<br />
Weitere Bedingung für die Anwendung ist jedoch die Vornahme<br />
einer körperlichen Bestandsaufnahme (Inventur) alle drei Jahre.<br />
Die hinter der Festbewertung stehende Fiktion geht von einem<br />
Ausgleich der Zugänge und Abgänge (Verbräuche) sowie im<br />
Wesentlichen konstanten Preisen aus.<br />
Die genannten Bewertungsvereinfachungsverfahren stellen keine<br />
in Konkurrenz zum Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip<br />
stehenden eigenständigen Bewertungskonzeptionen dar. Sie sind<br />
vielmehr Ausprägungen desselben in der Hinsicht, dass sie eine<br />
vereinfachte Ermittlung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten<br />
ermöglichen sollen. Daraus resultiert auch bei Anwendung<br />
dieser Verfahren die Notwendigkeit der Beachtung und Prüfung<br />
des Niederstwertprinzips. Siehe auch das Kapitel Õ Bewertungsvereinfachungsverfahren.<br />
Die retrograde Wertermittlung wird insbesondere im Einzelhandel<br />
angewandt. Hierbei wird von den Verkaufspreisen der für die<br />
einzelnen Warengruppen (z.B. Herrenanzüge) zutreffende Rohgewinnaufschlag<br />
(Handelsspanne) in Abzug gebracht, um die<br />
Anschaffungskosten festzustellen. Als weiterer Schritt erfolgt der<br />
Abzug erhaltener Preisnachlässe wie Skonti, Boni oder Rabatte.<br />
Unterschiedliche Wertansätze der Vorräte in der Handelsbilanz<br />
und der Steuerbilanz, die z.B. aus nur vorübergehenden Wertminderungen<br />
im Vorratsvermögen resultieren, führen zur Bildung<br />
latenter Steuern nach § 274 HGB.<br />
H.4 Beispiel<br />
Siehe zusammenfassendes Beispiel unter I.4. Siehe auch die Beispiele<br />
in den Kapiteln Õ Herstellungskosten, Õ Außerplanmäßige<br />
Abschreibungen und Wertaufholungen im Umlaufvermögen<br />
sowie Õ Bewertungsvereinfachungsverfahren.<br />
retrograde<br />
Wertermittlung<br />
latente Steuern<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 9
Vo<br />
Seite 10<br />
H.5 Anhangangaben<br />
Nach § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB sind die auf die Posten der Bilanz<br />
und damit auch die auf die Vorräte angewandten Bilanzierungsund<br />
Bewertungsmethoden (z.B. die in die Herstellungskosten einbezogenen<br />
Kostenkategorien) im Anhang anzugeben.<br />
Bei einer Abweichung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden<br />
sind entsprechende Angaben hinsichtlich der Art der Abweichung,<br />
deren Gründe sowie deren Einfluss auf die Vermögens-,<br />
Finanz- und Ertragslage zu machen (§ 284 Abs. 2 Nr. 3 HGB).<br />
Sofern die Anwendung der Gruppen- bzw. Sammelbewertung in<br />
einem wesentlichen Unterschied im Vergleich zu einer höheren<br />
Bewertung mit dem Börsen- oder Marktpreis (ein niedrigerer Börsen-<br />
oder Marktpreis würde aufgrund des strengen Niederstwertprinzips<br />
zu einer Abwertung der entsprechenden Vorräte führen)<br />
resultiert, sind nach § 284 Abs. 2 Nr. 4 HGB die Unterschiedsbeträge<br />
pauschal für die jeweilige Gruppe im Anhang auszuweisen,<br />
um ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild<br />
der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu gewährleisten.<br />
Für kleine Kapitalgesellschaften entfällt diese Erläuterungspflicht<br />
(§ 288 Abs. 1 HGB).<br />
H.6 Übergangsregelungen<br />
Vorratsvermögen<br />
– Handelsrecht<br />
Oliver Glück<br />
Das BilMoG und damit auch die neuen Ansatz- und Bewertungsvorschriften<br />
für Vorräte gelten für nach dem 31. Dezember 2009<br />
beginnende Geschäftsjahre. Der Bilanzierende hat jedoch die<br />
Möglichkeit, bereits für nach dem 31. Dezember 2008 beginnende<br />
Geschäftsjahre nach dem BilMoG zu bilanzieren. In diesem<br />
Fall muss jedoch eine Anwendung der neuen Vorschriften in ihrer<br />
Gesamtheit erfolgen. Zudem sind entsprechende Anhangangaben<br />
zu machen (Art. 66 Abs. 3 EGHGB n.F.).
VD4<br />
Vorratsvermögen<br />
– Handelsrecht Vo<br />
Oliver Glück<br />
Hinsichtlich der erhöhten Untergrenze der handelsrechtlichen<br />
Herstellungskosten regelt Art. 66 Abs. 3 Satz 3 EGHGB n.F.,<br />
dass die neue Vorschrift erstmals auf Herstellungsvorgänge<br />
Anwendung findet, die in dem ersten, nach dem 31. Dezember<br />
2009 beginnenden Geschäftsjahr begonnen wurden. Bezüglich<br />
vor dem betreffenden Geschäftsjahr begonnener Herstellungsvorgänge<br />
erfolgen keine Anpassungen bzw. Nachaktivierungen.<br />
Für Aufwendungen i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB n.F., die nach<br />
Beginn des ersten, nach dem 31. Dezember 2009 beginnenden<br />
Geschäftsjahrs anfallen, besteht ebenso wenig eine Aktivierungspflicht,<br />
wenn mit dem betreffenden Herstellungsvorgang schon<br />
vor dem Übergang auf das neue Recht begonnen wurde.<br />
Mit der Änderung des § 256 Satz 1 HGB a.F. durch das BilMoG<br />
beschränken sich die zulässigen Bewertungsvereinfachungsverfahren<br />
auf LIFO, FIFO und auf die Bewertung zum gewogenen<br />
Durchschnitt. Sofern bisher Bewertungsverfahren wie z.B. das<br />
HIFO-Verfahren angewandt wurden, die nach § 256 Satz 1 HGB<br />
n.F. nicht mehr zulässig sind, sind aufgrund des Fehlens einer entgegenstehenden<br />
expliziten Übergangsregelung nach allgemeinen<br />
Grundsätzen die daraus resultierenden Bewertungsänderungen in<br />
voller Höhe erfolgswirksam zu berücksichtigen.<br />
Niedrigere Wertansätze von Vorräten (sowie allgemein von Vermögensgegenständen),<br />
die auf Abschreibungen nach § 253 Abs. 3<br />
Satz 3, § 253 Abs. 4 HGB a.F. oder nach den §§ 254, 279 Abs. 2<br />
HGB a.F. beruhen und die in Geschäftsjahren vorgenommen<br />
wurden, die vor dem 1. Januar 2010 begonnen haben, können<br />
unter Anwendung der für sie geltenden bisherigen Vorschriften<br />
fortgeführt werden. Wird von diesem Wahlrecht kein Gebrauch<br />
gemacht, sind die aus den Zuschreibungen resultierenden Beträge<br />
unmittelbar in die Gewinnrücklagen einzustellen. Dies gilt nicht<br />
für Abschreibungen, die im letzten, vor dem 1. Januar 2010 beginnenden<br />
Geschäftsjahr vorgenommen wurden (Art. 67 Abs. 4<br />
EGHGB).<br />
Herstellungskosten<br />
Bewertungsvereinfachungsverfahren<br />
Wertminderung<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 11
Vo<br />
Seite 12<br />
Vorratsvermögen<br />
– Handelsrecht<br />
Oliver Glück
VD6<br />
Vorratsvermögen<br />
– Steuerrecht Vo<br />
Udo Cremer<br />
S Steuerrecht<br />
S.1 Anwendungsbereich<br />
Neben dem Anlagevermögen kommt dem Umlaufvermögen bei<br />
der Bewertung eine große Bedeutung zu. Zum Umlaufvermögen<br />
zählen neben dem Bargeldbestand und den Forderungen auch der<br />
große Bereich des Vorratsvermögens, der sowohl in Form von<br />
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen die Einkaufsseite als auch bei<br />
halbfertigen und fertigen Erzeugnissen die Verkaufsseite betrifft.<br />
Vor allem im Bereich der Handelsunternehmen kann das Vorratsvermögen<br />
bedingt durch hohe Warenlager einen sehr bedeutenden<br />
Teil des Gesamtvermögens ausmachen.<br />
S.2 Ansatz dem Grunde nach<br />
Steuerrechtlich gehören zum Vorratsvermögen die Wirtschaftsgüter,<br />
die zur Veräußerung, Verarbeitung oder zum Verbrauch<br />
angeschafft oder hergestellt worden sind, insbesondere Roh-,<br />
Hilfs- und Betriebsstoffe, Erzeugnisse und Waren.<br />
Das Steuerrecht folgt über die Maßgeblichkeit der Handels- für<br />
die Steuerbilanz der Ansatzpflicht im Handelsrecht, wobei im<br />
Steuerrecht genau wie im Handelsrecht das wirtschaftliche und<br />
nicht ausschließlich das juristische Eigentum zählt (§ 39 AO).<br />
S.3 Ansatz der Höhe nach<br />
Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens, insbesondere Roh-, Hilfsund<br />
Betriebsstoffe, unfertige und fertige Erzeugnisse sowie<br />
Waren, sind grundsätzlich mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten<br />
anzusetzen.<br />
Stellt sich am Bilanzstichtag heraus, dass der Teilwert aufgrund<br />
einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist, kann<br />
dieser angesetzt werden. Die Vornahme einer außerplanmäßigen<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 1
Vo<br />
Durchschnittsbewertung<br />
Seite 2<br />
Gruppenbewertung<br />
Vorratsvermögen<br />
– Steuerrecht<br />
Udo Cremer<br />
Abschreibung in der Handelsbilanz ist nicht zwingend in der Steuerbilanz<br />
durch eine Teilwertabschreibung nachzuvollziehen; der<br />
Steuerpflichtige kann darauf auch verzichten (vgl. BMF-Schreiben<br />
vom 12. März 2010, IV C 6 – S 2133 / 09 / 10001, Tz 15).<br />
Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens, die keinen Börsen- oder<br />
Marktpreis haben, können jedoch mit den Anschaffungs- oder<br />
Herstellungskosten oder mit einem zwischen diesen Kosten und<br />
dem niedrigeren Teilwert liegenden Wert ansetzen, wenn und<br />
soweit bei vorsichtiger Beurteilung aller Umstände damit gerechnet<br />
werden kann, dass bei einer späteren Veräußerung der angesetzte<br />
Wert zuzüglich der Veräußerungskosten zu erlösen ist.<br />
Grundsätzlich sind die Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens<br />
einzeln zu bewerten. Enthält das Vorratsvermögen am Bilanzstichtag<br />
Wirtschaftsgüter, die im Verkehr nach Maß, Zahl oder<br />
Gewicht bestimmt werden (vertretbare Wirtschaftsgüter) und bei<br />
denen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten wegen Schwankungen<br />
der Einstandspreise im Laufe des Wirtschaftsjahrs im Einzelnen<br />
nicht mehr einwandfrei feststellbar sind, ist der Wert dieser<br />
Wirtschaftsgüter zu schätzen. In diesen Fällen stellt die Durchschnittsbewertung<br />
(Bewertung nach dem gewogenen Mittel der<br />
im Laufe des Wirtschaftsjahrs erworbenen und gegebenenfalls zu<br />
Beginn des Wirtschaftsjahrs vorhandenen Wirtschaftsgüter) ein<br />
zweckentsprechendes Schätzungsverfahren dar.<br />
Aus Vereinfachungsgründen können gleichartige Wirtschaftsgüter<br />
des Vorratsvermögens jeweils zu einer Gruppe zusammengefasst<br />
und mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden.<br />
Die Gruppenbildung und Gruppenbewertung darf jedoch nicht<br />
gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) verstoßen.<br />
In diesem Zusammenhang brauchen gleichartige Wirtschaftsgüter<br />
für die Zusammenfassung zu einer Gruppe nicht<br />
gleichwertig zu sein. Es muss jedoch für sie ein Durchschnittswert<br />
bekannt sein. Das ist der Fall, wenn bei der Bewertung der gleichartigen<br />
Wirtschaftsgüter ein ohne weiteres feststellbarer, nach den<br />
Erfahrungen der betreffenden Branche sachgemäßer Durchschnittswert<br />
verwendet wird.
VD6<br />
Vorratsvermögen<br />
– Steuerrecht Vo<br />
Udo Cremer<br />
Der Teilwert von Wirtschaftsgütern des Vorratsvermögens, deren<br />
Einkaufspreis am Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten<br />
gesunken ist, deckt sich in der Regel mit deren Wiederbeschaffungskosten<br />
am Bilanzstichtag als obere Grenze (d.h. die nach den<br />
Verhältnissen am Bilanzstichtag anfallenden Selbstkosten) und der<br />
aus dem Einzelveräußerungspreis abgeleitete Wert als untere<br />
Grenze. Dies gilt auch dann, wenn mit einem entsprechenden<br />
Rückgang der Verkaufspreise nicht gerechnet zu werden braucht.<br />
Bei der Bestimmung des Teilwerts von nicht zum Absatz<br />
bestimmten Vorräten kommt es nicht darauf an, welcher Einzelveräußerungspreis<br />
für das jeweilige Wirtschaftsgut erzielt werden<br />
könnte.<br />
Eine Teilwertabschreibung kommt z.B. in Betracht bei einem<br />
voraussichtlich dauerhaften Absinken der Einkaufspreise oder<br />
Herstellungskosten, im Falle einer überteuerten Herstellung, bei<br />
Rückläufigkeit der Verkaufspreise oder bei Minderwertigkeit der<br />
Ware. Eine hohe Lagerdauer und damit einhergehend sinkende<br />
Verkaufsmöglichkeiten für sich alleine rechtfertigen noch keine<br />
Teilwertabschreibung, solange die Waren zu Ursprungspreisen<br />
oder ohne nennenswert ins Gewicht fallende Preisabschläge angeboten<br />
und verkauft werden.<br />
Eine Teilwertabschreibung ist unzulässig, wenn die ursprünglich<br />
kalkulierten Verkaufspreise durch Zurücknahme überhöhter Handelsspannen<br />
herabgesetzt werden, wobei die Anschaffungs- oder<br />
Herstellungskosten keine Änderung erfahren. Erst wenn die am<br />
Bilanzstichtag voraussichtlich erzielbaren Verkaufspreise die<br />
Selbstkosten (d.h. Anschaffungs- oder Herstellungskosten zzgl.<br />
noch entstehender Verwaltungs- und Vertriebskosten) sowie den<br />
nachhaltig erzielbaren durchschnittlichen Unternehmergewinn<br />
nicht mehr decken, kommt ein Wertansatz unter den Anschaffungs-<br />
oder Herstellungskosten in Frage. In die Berechnung der<br />
Verwaltungs- und Vertriebskosten fließen nur die Beträge ein, die<br />
dem Unternehmen bis zum Zeitpunkt der Veräußerung noch entstehen<br />
werden, also nur diejenigen Kosten, die nach dem Bilanzstichtag<br />
noch aufzuwenden sind und sich bis zum Bilanzstichtag<br />
noch nicht Gewinn mindernd ausgewirkt haben.<br />
Teilwert<br />
Teilwertabschreibung<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 3
Vo<br />
Drohverluste<br />
oder Teilwertabschreibung<br />
Subtraktionsmethode<br />
Seite 4<br />
Vorratsvermögen<br />
– Steuerrecht<br />
Udo Cremer<br />
Die Bewertung selbst hergestellter unfertiger oder fertiger Erzeugnisse<br />
mit den zutreffenden Herstellungskosten hat vorsichtig zu<br />
erfolgen. Neben der Divisionskalkulation für gleiche oder annähernd<br />
gleiche Produkte stellt die Zuschlagskalkulation ein gängiges<br />
Verfahren dar. Die Feststellung der zu aktivierenden Herstellungskosten<br />
erfolgt damit im Wesentlichen so, wie der Fertigungsbetrieb<br />
die Selbstkosten bzw. Gemeinkostenzuschläge zum<br />
Zwecke der Kalkulation ermittelt. Allerdings ist zu beachten, dass<br />
in die steuerlichen Herstellungskosten keine kalkulatorischen Kosten<br />
(z.B. kalkulatorische Abschreibungen, kalkulatorische Wagnisse<br />
oder kalkulatorische Zinsen) einfließen dürfen, insofern können<br />
die sich aus dem Betriebsabrechnungsbogen ergebenen<br />
Zuschlagssätze nicht ohne weiteres für die Bewertung übernommen<br />
werden.<br />
Ein in der Praxis schwieriges Problem stellt die Abgrenzung zwischen<br />
in der Steuerbilanz nicht zu berücksichtigenden Drohverlustrückstellungen<br />
einerseits und Teilwertabschreibungen andererseits<br />
dar. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang ein BFH-Urteil<br />
vom 7. September 2005 – VIII R 1 / 03 (BStBl II 2006<br />
S. 298), wonach bei der Berechnung der Teilwertabschreibung<br />
auch jene Drohverluste anzusetzen sind, welche auf die noch nicht<br />
abgewickelten Aufträge entfallen. Das Verbot der Drohverlustrückstellung<br />
in § 5 Abs. 4 a EStG steht dem nicht entgegen, da<br />
die Teilwertabschreibung der Verlustrückstellung vorgeht; das<br />
nachrangige Rückstellungsverbot bezieht sich mithin nur auf den<br />
Teil des Verlusts, der durch die Teilwertabschreibung noch nicht<br />
verbraucht ist.<br />
Sind Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens, die zum Absatz<br />
bestimmt sind, durch Lagerung, Änderung des modischen<br />
Geschmacks oder aus anderen Gründen im Wert gemindert, ist<br />
als niedrigerer Teilwert der Betrag anzusetzen, der von dem<br />
voraussichtlich erzielbaren Veräußerungserlös nach Abzug des<br />
durchschnittlichen Unternehmergewinns und des nach dem<br />
Bilanzstichtag noch anfallenden betrieblichen Aufwands verbleibt<br />
(sog. Subtraktionsmethode). Die Anwendung der Subtraktions-
VD6<br />
Vorratsvermögen<br />
– Steuerrecht Vo<br />
Udo Cremer<br />
methode setzt voraus, dass aus der Betriebsabrechnung die nach<br />
dem Bilanzstichtag bei den einzelnen Kostenarten noch jeweils<br />
anfallenden Kosten ersichtlich sind.<br />
Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass der Teilwert<br />
dem Betrag entspricht, der sich nach Kürzung des erzielbaren Verkaufserlöses<br />
um den nach dem Bilanzstichtag noch anfallenden<br />
Teil des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlags ergibt. Soweit<br />
es dem Bilanzierenden aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten<br />
des Betriebs – z.B. wegen Fehlens entsprechender Warenwirtschaftssysteme<br />
– nicht möglich ist, die für die Ermittlung des Teilwerts<br />
nach der Subtraktionsmethode notwendigen Daten zugrunde<br />
zu legen, wird es von Seiten der Finanzverwaltung nicht<br />
beanstandet, wenn der Teilwert nach folgender Formel ermittelt<br />
wird (sog. Formelmethode):<br />
X=Z:(1+Y1+Y2 W)<br />
X: zu suchender Teilwert<br />
Z: erzielbarer Verkaufspreis<br />
Y1: der auf die Anschaffungskosten bezogene Durchschnittsunternehmergewinnprozentsatz<br />
Y2: Rohgewinnaufschlagsrest<br />
W: Prozentsatz an Kosten, der noch nach Abzug des durchschnittlichen<br />
Unternehmergewinnprozentsatzes vom Rohgewinnaufschlagssatz<br />
nach dem Bilanzstichtag anfällt<br />
Werden für Wertminderungen Teilwertabschreibungen geltend<br />
gemacht, ist die voraussichtliche dauernde Wertminderung nachzuweisen.<br />
Dazu sind Unterlagen vorzulegen, die aus den Verhältnissen<br />
eines Betriebs gewonnen sind und die eine sachgemäße<br />
Schätzung des Teilwerts ermöglichen. In der Regel sind die tatsächlich<br />
erzielten Verkaufspreise für die im Wert geminderten Wirtschaftsgüter<br />
in der Weise und in einer so großen Anzahl von Fällen<br />
Formelmethode<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 5
Vo<br />
LIFO-Methode<br />
Seite 6<br />
Vorratsvermögen<br />
– Steuerrecht<br />
Udo Cremer<br />
nachzuweisen, dass sich daraus ein repräsentativer Querschnitt für<br />
die zu bewertenden Wirtschaftsgüter ergibt und allgemeine Schlussfolgerungen<br />
gezogen werden können. Bei Wirtschaftsgütern des<br />
Vorratsvermögens, für die ein Börsen- oder Marktpreis besteht,<br />
darf dieser nicht überschritten werden, es sei denn, dass der objektive<br />
Wert der Wirtschaftsgüter höher ist oder nur vorübergehende,<br />
völlig außergewöhnliche Umstände den Börsen- oder Marktpreis<br />
beeinflusst haben. Der Wertansatz darf jedoch die Anschaffungsoder<br />
Herstellungskosten nicht übersteigen.<br />
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG kommt einkommensteuerrechtlich<br />
als Alternative zur Einzelbewertung im Rahmen der Verbrauchsfolgefiktion<br />
nur das LIFO-Verfahren in Betracht. Andere Bewertungsverfahren<br />
mit unterstellter Verbrauchs- oder Veräußerungsfolge<br />
sind steuerrechtlich nicht zulässig. Die LIFO-Methode muss<br />
den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung<br />
entsprechen, was nicht bedeutet, dass die LIFO-Methode<br />
mit der tatsächlichen Verbrauchs- oder Veräußerungsfolge übereinstimmen<br />
muss; sie darf jedoch, wie z.B. bei leicht verderblichen<br />
Waren, nicht völlig unvereinbar mit dem betrieblichen Geschehensablauf<br />
sein.<br />
So entspricht eine Bewertung nach der LIFO-Methode nicht den<br />
handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung<br />
und ist deshalb auch steuerrechtlich ausgeschlossen, wenn Vorräte<br />
mit hohen Erwerbsaufwendungen in Frage stehen, die Anschaffungskosten<br />
ohne Weiteres identifiziert und den einzelnen Vermögensgegenständen<br />
angesichts derer individueller Merkmale<br />
ohne Schwierigkeiten zugeordnet werden können (BFH vom 20.<br />
Juni 2000, BStBl 2001 II S. 636).<br />
Für die Anwendung der LIFO-Methode können gleichartige<br />
Wirtschaftsgüter zu Gruppen zusammengefasst werden. Zur<br />
Beurteilung der Gleichartigkeit sind die kaufmännischen Gepflogenheiten,<br />
insbesondere die marktübliche Einteilung in Produktklassen<br />
unter Beachtung der Unternehmensstruktur und die allgemeine<br />
Verkehrsanschauung heranzuziehen. Wirtschaftsgüter
VD6<br />
Vorratsvermögen<br />
– Steuerrecht Vo<br />
Udo Cremer<br />
mit erheblichen Qualitätsunterschieden sind nicht gleichartig.<br />
Erhebliche Preisunterschiede sind in der Regel Anzeichen für<br />
Qualitätsunterschiede.<br />
Die Bewertung nach der LIFO-Methode kann sowohl durch permanente<br />
LIFO als auch durch Perioden-LIFO erfolgen. Die permanente<br />
LIFO setzt eine laufende mengen- und wertmäßige<br />
Erfassung aller Zu- und Abgänge voraus. Bei der Perioden-Lifo<br />
wird der Bestand lediglich zum Ende des Wirtschaftsjahrs bewertet.<br />
Dabei können Mehrbestände mit dem Anfangsbestand zu<br />
einem neuen Gesamtbestand zusammengefasst oder als besondere<br />
Posten (Layer) ausgewiesen werden.<br />
Von der LIFO-Methode kann in den folgenden Wirtschaftsjahren<br />
nur mit Zustimmung des Finanzamts abgewichen werden (§ 6<br />
Abs. 1 Nr. 2a Satz 3 EStG), wobei der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit<br />
stets zu beachten ist.<br />
S.4 Beispiele<br />
Beispiel für die Subtraktionsmethode<br />
Der Kaufmann muss zum Bilanzstichtag einen Warenbestand<br />
bewerten, für den er 20.000 Euro Anschaffungskosten aufgewendet<br />
hat. Aus den geführten Unterlagen ergibt sich, dass der Rohgewinnaufschlagssatz<br />
für den betreffenden Warenbestand 100<br />
Prozent beträgt. Der noch erzielbare Verkaufspreis beträgt 45 Prozent<br />
des ursprünglichen Verkaufspreises (45 Prozent von 40.000<br />
Euro = 18.000 Euro). Der durchschnittliche Unternehmergewinn<br />
beträgt acht Prozent des noch erzielbaren Verkaufspreises (acht<br />
Prozent von 18.000 Euro = 1.440 Euro).<br />
Nach dem Bilanzstichtag fallen ausweislich der Betriebsabrechnung<br />
noch 75 Prozent der betrieblichen Kosten an. Die betrieblichen<br />
Kosten errechnen sich ausgehend von dem ursprünglich<br />
geplanten Verkaufspreis (40.000 Euro), der um die Anschaffungs-<br />
permanente vs.<br />
Perioden-LIFO<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 7
Vo<br />
Seite 8<br />
kosten und den durchschnittlichen Unternehmergewinn, bezogen<br />
auf den ursprünglichen Verkaufspreis (acht Prozent von 40.000<br />
Euro = 3.200 Euro), vermindert wird.<br />
Der zum Bilanzstichtag zu ermittelnde niedrigere Teilwert<br />
errechnet sich wie folgt:<br />
voraussichtlich erzielbarer Verkaufserlös<br />
./. durchschnittlicher Unternehmergewinn<br />
./. des nach dem Bilanzstichtag noch anfallenden betrieblichen<br />
Aufwands<br />
Daraus folgt ein Abschreibungsbedarf i.H.v.:<br />
18.000 Euro<br />
./. 1.440 Euro<br />
./. 12.600 Euro (75 Prozent von 16.800 Euro; ursprünglicher<br />
Verkaufspreis 40.000 Euro ./. durchschnittlicher Unternehmergewinn<br />
3.200 Euro ./. Anschaffungskosten 20.000 Euro)<br />
= 3.960 Euro<br />
Beispiel für die Formelmethode<br />
Vorratsvermögen<br />
– Steuerrecht<br />
Udo Cremer<br />
Der Kaufmann muss zum Bilanzstichtag einen Warenbestand<br />
bewerten, für den er 20.000 Euro Anschaffungskosten aufgewendet<br />
hat. Sein durchschnittlicher Rohgewinnaufschlagssatz beträgt<br />
150 Prozent der Anschaffungskosten. Der noch erzielbare Verkaufspreis<br />
beträgt 70 Prozent des ursprünglichen Verkaufspreises<br />
(70 Prozent von 50.000 Euro = 35.000 Euro). Der durchschnittliche<br />
Unternehmergewinn beträgt fünf Prozent des ursprünglichen<br />
Verkaufspreises, das entspricht 12,5 Prozent (= 250 Prozent<br />
von fünf Prozent) der Anschaffungskosten. Die nach dem<br />
Bilanzstichtag noch anfallenden betrieblichen Kosten, d.h. der
VD6<br />
Vorratsvermögen<br />
– Steuerrecht Vo<br />
Udo Cremer<br />
dann noch anfallende Kostenanteil des ursprünglichen Rohgewinnaufschlagsatzes<br />
ohne den hierin enthaltenen Gewinnanteil,<br />
werden mit 55 Prozent geschätzt.<br />
X=Z:(1+Y1+Y2 W)<br />
X: zu suchender Teilwert<br />
Z: erzielbarer Verkaufspreis von 35.000 Euro<br />
Y1: der auf die Anschaffungskosten bezogene durchschnittliche<br />
Unternehmergewinn in Prozent von 12,5 Prozent<br />
Y2: Rohgewinnaufschlagsrest<br />
(150 Prozent ./. 12,5 Prozent = 137,5 Prozent)<br />
W: Prozentsatz an Kosten, der noch nach Abzug des durchschnittlichen<br />
Unternehmergewinnprozentsatzes vom Rohgewinnaufschlagssatz<br />
nach dem Bilanzstichtag anfällt, also<br />
55 Prozent<br />
Der Teilwert beträgt demzufolge<br />
= 35.000 Euro / (1 + 12,5 Prozent + 137,5 Prozent x 55 Prozent)<br />
= 35.000 Euro / (1 + 0,125 + 0,75625)<br />
= 35.000 Euro / 1,88125<br />
= 18.605 Euro<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 9
Vo<br />
Seite 10<br />
Vorratsvermögen<br />
– Steuerrecht<br />
Udo Cremer
VD4<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS Vo<br />
Oliver Glück<br />
I IFRS<br />
IAS 2 Vorräte regelt die Bilanzierung von Vorräten und gibt insbesondere<br />
Anleitungen betreffend<br />
• die Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die als<br />
Vermögenswert anzusetzen und fortzuschreiben sind, bis die<br />
entsprechenden Erlöse erfasst werden;<br />
• die Ermittlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten und<br />
deren nachfolgende Erfassung als Aufwand einschließlich<br />
etwaiger Abwertungen auf den Nettoveräußerungswert;<br />
• die Verfahren, wie Anschaffungs- oder Herstellungskosten den<br />
Vorräten zugeordnet werden.<br />
I.1 Anwendungsbereich<br />
IAS 2 ist auf alle Vorräte anzuwenden mit Ausnahme von<br />
• Fertigungsaufträgen:<br />
unfertige Erzeugnisse im Rahmen von Fertigungsaufträgen einschließlich<br />
damit unmittelbar zusammenhängender Dienstleistungsverträge<br />
werden durch IAS 11 Fertigungsaufträge behandelt;<br />
• Finanzinstrumenten:<br />
separat in IAS 32 (Darstellung) sowie IAS 39 (Ansatz und<br />
Bewertung) geregelt;<br />
• landwirtschaftlichen Erzeugnissen:<br />
biologische Vermögenswerte, die mit landwirtschaftlicher<br />
Tätigkeit im Zusammenhang stehen, und landwirtschaftliche<br />
Erzeugnisse zum Zeitpunkt der Ernte werden separat durch<br />
IAS 41 Landwirtschaft behandelt.<br />
IAS 2 Vorräte<br />
Negativabgrenzung<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 1
Vo<br />
Definition<br />
abstrakte<br />
Bilanzierungsfähigkeit<br />
Seite 2<br />
Vorräte sind Vermögenswerte,<br />
• die zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehalten werden<br />
(z.B. Fertigerzeugnisse, Handelswaren, zum Weiterverkauf<br />
gehaltene Grundstücke und Gebäude);<br />
• die sich in der Herstellung für einen solchen Verkauf befinden<br />
(unfertige Erzeugnisse); oder<br />
• die als Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe dazu bestimmt sind, bei<br />
der Herstellung oder der Erbringung von Dienstleistungen verbraucht<br />
zu werden.<br />
Im Falle eines Dienstleistungsunternehmens (z.B. Ingenieurbüro,<br />
Unternehmensberatung) enthalten die Vorräte die mit den bis<br />
zum Abschlussstichtag erbrachten Leistungen in Zusammenhang<br />
stehenden Kosten, für die das Unternehmen noch keine Umsatzerlöse<br />
angesetzt hat.<br />
I.2 Ansatz den Grunde nach<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS<br />
Oliver Glück<br />
Der Ansatz der Vorräte richtet sich wie für andere Vermögenswerte<br />
auch nach der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit.<br />
Die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit von Vermögenswerten setzt<br />
voraus, dass i) eine vom Unternehmen kontrollierte Ressource, ii)<br />
aufgrund von Ereignissen der Vergangenheit in der Verfügungsmacht<br />
des Unternehmens steht, iii) künftige ökonomische Nutzenzuflüsse<br />
erwarten lässt. Zudem muss der Vermögenswert verlässlich<br />
bewertbar sein sowie der ökonomische Nutzenzufluss<br />
wahrscheinlich sein.<br />
Diese Ansatzbedingungen der IFRS sind bei nach Handelsrecht<br />
aktivierten Vorräten in der Regel gegeben, so dass sich für den<br />
Ansatz – im Gegensatz zur Bewertung – regelmäßig keine Unterschiede<br />
ergeben.
VD4<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS Vo<br />
Oliver Glück<br />
Der Ausweis in der Bilanz erfolgt in der Regel analog dem Handelsrecht,<br />
wobei in der Bilanz oftmals nur die Position Vorräte<br />
unter den kurzfristigen Vermögenswerten gezeigt wird und die<br />
Aufgliederung im Anhang erfolgt:<br />
• Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe;<br />
• unfertige Erzeugnisse und Leistungen;<br />
• fertige Erzeugnisse und Waren.<br />
Erhaltene Anzahlungen auf Vorräte werden üblicherweise unter<br />
den Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen oder unter<br />
den Sonstigen Verbindlichkeiten ausgewiesen.<br />
Teilweise wird auch ein offenes Absetzen erhaltener Anzahlungen<br />
von den Vorräten als zulässig erachtet. Der Hintergrund für diese<br />
in Teilen der Literatur vertretene Ansicht ist, dass ein offenes<br />
Absetzen als nicht gegen das allgemeine Saldierungsverbot der<br />
IFRS verstoßend betrachtet wird.<br />
Geleistete Anzahlungen auf Vorräte werden in der Praxis ebenfalls<br />
unter den Vorräten oder unter den Sonstigen kurzfristigen Vermögenswerten<br />
ausgewiesen.<br />
I.3 Ansatz der Höhe nach<br />
Vorräte sind mit dem niedrigeren Wert aus Anschaffungs- oder<br />
Herstellungskosten und dem Nettoveräußerungswert zu bewerten.<br />
Der Nettoveräußerungswert ist der geschätzte, im normalen<br />
Geschäftsgang erzielbare Verkaufserlös abzüglich der geschätzten<br />
Kosten bis zur Fertigstellung und der geschätzten notwendigen<br />
Vertriebskosten.<br />
erhaltene<br />
Anzahlungen<br />
geleistete<br />
Anzahlungen<br />
Grundsatz<br />
Nettoveräußerungswert<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 3
Vo<br />
Umfang der<br />
AnschaffungsoderHerstellungskosten<br />
Seite 4<br />
Kosten des<br />
Erwerbs<br />
Der Nettoveräußerungswert ist von dem Begriff des beizulegenden<br />
Zeitwerts zu unterscheiden. Der Nettoveräußerungswert<br />
bezieht sich auf den Nettobetrag, den ein Unternehmen aus dem<br />
Verkauf der Vorräte im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit<br />
erwartet. Es handelt sich hierbei um einen unternehmensspezifischen<br />
Wert.<br />
Der beizulegende Zeitwert hingegen spiegelt den Betrag wider, für<br />
den dieselben Vorräte zwischen sachverständigen und vertragswilligen<br />
Käufern und Verkäufern auf dem Markt getauscht werden<br />
könnten. Es handelt sich hierbei nicht um einen unternehmensspezifischen,<br />
sondern um einen (ggf. nur schätzbaren) Marktwert.<br />
Zugangsbewertung<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS<br />
Oliver Glück<br />
Die Zugangsbewertung erfolgt zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten.<br />
In die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Vorräten sind<br />
alle Kosten des Erwerbs und der Herstellung sowie sonstige Kosten<br />
einzubeziehen, die angefallen sind, um die Vorräte an ihren<br />
derzeitigen Ort (z.B. Transportkosten) und in ihren derzeitigen<br />
Zustand (z.B. Montagekosten) zu versetzen.<br />
Die Kosten des Erwerbs von Vorräten umfassen den Erwerbspreis,<br />
Einfuhrzölle und andere Kosten-Steuern, Transport- und Abwicklungskosten<br />
sowie sonstige Kosten, die dem Erwerb unmittelbar<br />
zugerechnet werden können (Anschaffungsnebenkosten). Anschaffungskostenminderungen<br />
wie Skonti, Rabatte und andere<br />
vergleichbare Beträge werden in Abzug gebracht.
VD4<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS Vo<br />
Oliver Glück<br />
Die Herstellungskosten nach IAS 2.12ff. umfassen die produktionsbedingten<br />
Vollkosten, insbesondere:<br />
• direkt zurechenbare Materialeinzelkosten sowie Fertigungseinzelkosten;<br />
• nicht direkt, aber auf einer systematischen Basis (z.B. Schlüsselung)<br />
der Produktion zurechenbare Gemeinkosten, die im<br />
Rahmen des Fertigungsprozesses anfallen:<br />
– fixe Produktionsgemeinkosten, die unabhängig von der<br />
Ausbringungsmenge im Wesentlichen konstant anfallen,<br />
z.B. Abschreibungen, Instandhaltungskosten der Betriebsgebäude<br />
und -einrichtungen sowie Kosten des Managements<br />
und der Verwaltung; die Zurechnung erfolgt auf<br />
Basis der Normalbeschäftigung bzw. -kapazität;<br />
– variable Produktionsgemeinkosten, die im Wesentlichen<br />
unmittelbar mit dem Produktionsvolumen variieren, z.B.<br />
Materialgemeinkosten und Fertigungsgemeinkosten;<br />
Kosten in Form anormaler Beträge für Materialabfälle (z.B. außergewöhnlich<br />
hoher Ausschuss) oder für andere Produktionskosten<br />
dürfen ebenso wenig in die Anschaffungs- oder Herstellungskosten<br />
einbezogen werden wie allgemeine Verwaltungsgemeinkosten<br />
und Vertriebskosten. Siehe auch die Kapitel Õ Anschaffungskosten<br />
und Õ Herstellungskosten.<br />
Durch die Aktualisierung des IAS 23 (rev. 2007) Fremdkapitalkosten<br />
mit Gültigkeit für Geschäftsjahre, die ab dem 1. Januar<br />
2009 beginnen, sind die einem qualifizierten Vermögenswert<br />
direkt zurechenbaren Fremdkapitalkosten grundsätzlich zu aktivieren<br />
(Aktivierungspflicht). Die für eine Aktivierung zu erfüllenden<br />
Kriterien stellen insbesondere auf einen beträchtlichen Zeitraum<br />
ab, der erforderlich ist, um die Vermögenswerte (hier: Vorräte)<br />
in den entsprechenden verkaufs- oder nutzungsfähigen<br />
Zustand zu versetzen. Für Vorräte wird dies nur in Ausnahmefäl-<br />
Herstellungskosten<br />
Ausschluss<br />
von Kosten<br />
Fremdkapitalzinsen<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 5
Vo<br />
Dienstleistungsunternehmen<br />
Vereinfachungsverfahren<br />
Standardkostenmethode<br />
Seite 6<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS<br />
Oliver Glück<br />
len zutreffen, z.B. bei Vorräten, die über einen längeren Zeitraum<br />
lagern müssen (z.B. Wein) oder bei Vorräten, die in langfristiger<br />
Einzel- oder Serienfertigung hergestellt werden.<br />
Vorräte von Dienstleistungsunternehmen werden ebenfalls zu<br />
Herstellungskosten bewertet. Diese umfassen die Kosten der Leistungen,<br />
für die das Unternehmen entsprechend IAS 18 Erträge<br />
noch keine entsprechenden Erlöse angesetzt hat. Diese Kosten<br />
bestehen in erster Linie aus Löhnen und Gehältern sowie sonstigen<br />
Kosten des Personals, das unmittelbar für die Leistungserbringung<br />
eingesetzt ist; einschließlich der Kosten für die leitenden<br />
Angestellten und der zurechenbaren Gemeinkosten. Löhne<br />
und Gehälter sowie sonstige Kosten des Vertriebspersonals und<br />
des Personals der allgemeinen Verwaltung werden nicht einbezogen,<br />
sondern in der Periode ihres Anfalls aufwandswirksam erfasst.<br />
Verfahren zur Bemessung der Anschaffungs- und Herstellungskosten<br />
Für die Ermittlung der Anschaffungs- und Herstellungskosten<br />
von Vorräten können vereinfachende Verfahren verwendet werden,<br />
sofern die Ergebnisse den tatsächlichen Anschaffungs- oder<br />
Herstellungskosten nahe kommen. Zu den vereinfachenden Verfahren<br />
zählen insbesondere die Standardkostenmethode sowie die<br />
retrograde Wertermittlung (als im Einzelhandel gebräuchliche<br />
Methode).<br />
Im Rahmen der Standardkostenmethode werden den Produkten<br />
(in der Regel zu Jahresbeginn) fixe Standardkosten basierend auf<br />
den geplanten (normalen) Material- und Lohnkosten sowie unter<br />
der Annahme einer gewöhnlichen Kapazitätsauslastung zugewiesen.<br />
Diese für die Bewertung verwendeten Werte werden regelmäßig<br />
(z.B. vierteljährlich) überprüft und bei wesentlichen Abweichungen<br />
an die aktuellen Gegebenheiten angepasst (z.B. im Falle<br />
höherer als geplanter Rohmaterialkosten oder höherer Ausschussraten).
VD4<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS Vo<br />
Oliver Glück<br />
Die retrograde Wertermittlung kann angewandt werden, wenn es<br />
eine enge Beziehung zwischen den Produktkosten und dem Verkaufspreis<br />
gibt, z.B. bei Gruppen von Handelswaren, die mit<br />
einem bestimmten Rohgewinnaufschlag weiterveräußert werden.<br />
In diesem Fall kann die Vorratsbewertung aus den Nettoverkaufspreisen<br />
abzüglich der entsprechenden prozentualen Bruttogewinnmarge<br />
abgeleitet werden. Übliche Preisnachlässe sind dabei zu<br />
berücksichtigen. Eine andere Methode zur Bestimmung der<br />
Anschaffungskosten ist hier häufig nicht durchführbar bzw. aus<br />
wirtschaftlichen Gründen nicht angemessen.<br />
Kostenzuordnungsverfahren bzw. Verbrauchsfolgeverfahren<br />
Es gilt im Grundsatz das Einzelbewertungsprinzip: Die Anschaffungs-<br />
oder Herstellungskosten solcher Vorräte, die normalerweise<br />
nicht austauschbar sind, und solcher Erzeugnisse, Waren oder<br />
Leistungen, die für spezielle Projekte hergestellt werden, sind<br />
durch Einzelzuordnung ihrer individuellen Anschaffungs- oder<br />
Herstellungskosten zu bestimmen.<br />
Eine Einzelzuordnung ist jedoch ungeeignet, wenn es sich um<br />
eine große Anzahl von Vorräten handelt, die untereinander austauschbar<br />
sind. Unter diesen Umständen können die im Vorratsvermögen<br />
verbleibenden Einheiten danach ausgewählt werden,<br />
vorher bestimmte Auswirkungen auf das Periodenergebnis zu<br />
erzielen.<br />
Derartige Vorräte können nach dem FIFO-Verfahren oder nach<br />
der Durchschnittsmethode ermittelt werden.<br />
Ein Unternehmen muss für alle Vorräte, die von ähnlicher<br />
Beschaffenheit und Verwendung für das Unternehmen sind, das<br />
gleiche Kosten-Zuordnungsverfahren anwenden. Für Vorräte von<br />
unterschiedlicher Beschaffenheit oder Verwendung können unterschiedliche<br />
Zuordnungsverfahren gerechtfertigt sein. Unterneh-<br />
retrograde<br />
Wertermittlung<br />
Einzelbewertungsgrundsatz<br />
Ausnahmen<br />
Bewertungsstetigkeit<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 7
Vo<br />
FIFO-Verfahren<br />
gewichtete<br />
Durchschnittskostenmethode<br />
Wertminderungen<br />
Abwertung auf<br />
Nettoveräußerungswert<br />
Seite 8<br />
men können also für Teile des Vorratsvermögens das FIFO- und<br />
für andere Teile das Durchschnittsverfahren parallel anwenden.<br />
Das FIFO-Verfahren geht von der Annahme aus, dass die zuerst<br />
erworbenen bzw. selbst hergestellten Vorräte (first in) zuerst verkauft<br />
(first out) werden. Daraus ergibt sich die Fiktion, dass die<br />
am Bilanzstichtag verbleibenden Vorräte diejenigen sind, die<br />
zuletzt erworben bzw. hergestellt worden sind. Bei im Zeitverlauf<br />
steigenden Preisen führt diese Methode zu einem höheren Ansatz<br />
der Vorräte.<br />
Bei Anwendung der gewichteten Durchschnittskostenmethode<br />
werden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Vorräten<br />
als durchschnittlich gewichtete Kosten aus den ähnlichen, homogenen<br />
Vorräten zu Beginn der Periode sowie aus den während der<br />
Periode erworbenen oder hergestellten Vorratsgegenständen<br />
ermittelt. Der gewogene Durchschnitt kann auf Basis der<br />
Berichtsperiode oder gleitend bei jedem Wareneingang (aus Lieferung<br />
bei Erwerb oder aus der Produktion bei selbst hergestellten<br />
Gütern) berechnet werden.<br />
Die nach Handelsrecht weiterhin zulässige LIFO-Methode ist<br />
nach IFRS nicht mehr erlaubt.<br />
Folgebewertung<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS<br />
Oliver Glück<br />
Wertminderungen der Vorräte liegen u.a. vor, wenn diese beschädigt,<br />
ganz oder teilweise veraltet sind oder wenn ihr Verkaufspreis<br />
zurückgegangen ist.<br />
Vermögenswerte dürfen grundsätzlich nicht mit höheren Beträgen<br />
angesetzt werden, als bei ihrem Verkauf oder ihrer Nutzung<br />
voraussichtlich zu realisieren sind. Sofern der Nettoveräußerungswert<br />
(der erwartete Verkaufserlös abzüglich geschätzter Fertigstellungs-<br />
und Vertriebskosten) unter dem Buchwert der bilanzierten<br />
Vorräte liegt, ist eine Abwertung auf den Nettoveräußerungswert
VD4<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS Vo<br />
Oliver Glück<br />
vorzunehmen. Der Nettoveräußerungswert kann auch sinken,<br />
wenn die geschätzten Kosten der Fertigstellung oder die erwarteten,<br />
bis zum Verkauf anfallenden Kosten gestiegen sind.<br />
In die Schätzungen des Nettoveräußerungswerts sind Wert aufhellende<br />
Ereignisse einzubeziehen, die Hinweise auf bereits am<br />
Abschlussstichtag gegebene Sachverhalte geben.<br />
Maßgeblich für die Bestimmung des beizulegenden Wertes ist<br />
nach IFRS allein der Absatzmarkt. Das hat zur Folge, dass für<br />
Vorräte wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Zwischenprodukte,<br />
die in ein Endprodukt eingehen, das zu einem Preis<br />
zumindest auf dem Niveau oder oberhalb seiner Herstellungskosten<br />
verkauft werden kann, eine Abwertung der einzelnen Einsatzstoffe<br />
auf einen unterhalb ihrer Anschaffungs- oder Herstellungskosten<br />
liegenden Wert nicht vorzunehmen ist.<br />
Allerdings können gesunkene Preise der Einsatzstoffe ein Hinweis<br />
darauf sein, dass ggf. die Herstellungskosten des Endprodukts<br />
seinen Nettoveräußerungswert überschreiten, so dass die Fertigprodukte<br />
und die beinhalteten Einsatzstoffe entsprechend abzuschreiben<br />
sind. Unter diesen Umständen können die Wiederbeschaffungskosten<br />
der Einsatzstoffe die beste verfügbare Bewertungsgrundlage<br />
für den Nettoveräußerungswert sein.<br />
Schätzungen des Nettoveräußerungswerts berücksichtigen den<br />
Verwendungszweck der Vorräte. Dienen Vorräte zur Erfüllung<br />
abgeschlossener Liefer- und Leistungsverträge, so basiert der Nettoveräußerungswert<br />
für die entsprechenden vereinbarten Mengen<br />
auf den vertraglich vereinbarten Preisen. Für darüber hinausgehende<br />
Mengen sind dahingegen die allgemeinen Verkaufspreise<br />
heranzuziehen.<br />
Im Regelfall erfolgen Wertminderungen von Vorräten auf den<br />
Nettoveräußerungswert entsprechend dem Einzelbewertungsgrundsatz<br />
in Form von Einzelwertberichtigungen. Die IFRS erlauben<br />
aber auch hier, ähnliche oder miteinander zusammenhän-<br />
Wertaufhellung<br />
Maßgeblichkeit<br />
des Absatzmarkts<br />
Zweckadäquanz<br />
Einzelwertberichtigung<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 9
Vo<br />
Wertaufholung<br />
Aufwandsbestandteile<br />
Seite 10<br />
gende Vorräte (z.B. derselben Produktlinie) zusammenzufassen<br />
und die Wertberichtigungen auf die sachgerecht gebildeten Gruppen<br />
vorzunehmen.<br />
Der Nettoveräußerungswert wird in jeder Folgeperiode neu ermittelt.<br />
Wenn die Umstände, die zu einer Wertminderung der Vorräte<br />
geführt haben, nicht länger bestehen, oder wenn es substanzielle<br />
Hinweise auf eine Erhöhung des Nettoveräußerungswerts<br />
gibt, wird der Betrag der Wertminderung insoweit rückgängig<br />
gemacht (d.h. der Rückgang beschränkt sich auf den Betrag der<br />
ursprünglichen Wertminderung). Der neue Buchwert entspricht<br />
damit dem niedrigeren Wert aus Anschaffungs- oder Herstellungskosten<br />
und berichtigtem Nettoveräußerungswert (d.h. die<br />
historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten stellen die<br />
Obergrenze dar). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich Vorräte,<br />
die aufgrund eines Rückgangs ihres Verkaufspreises zum<br />
Nettoveräußerungswert angesetzt waren, in einer Folgeperiode<br />
noch im Bestand befinden und sich ihr Verkaufspreis wieder<br />
erhöht hat.<br />
Erfassung als Aufwand<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS<br />
Oliver Glück<br />
Bei Veräußerung der Vorräte wird deren Buchwert als Aufwand<br />
der Periode erfasst, in der die korrespondierenden Erträge realisiert<br />
werden. Abschreibungen aufgrund von Wertminderungen<br />
von Vorräten auf den Nettoveräußerungswert sowie Verluste bei<br />
den Vorräten (z.B. aufgrund von Diebstahl, Schwund oder Zerstörung)<br />
werden in der Periode aufwandswirksam erfasst, in der<br />
die Abwertungen vorgenommen wurden bzw. die Verluste eingetreten<br />
sind.<br />
Wertaufholungen aus einer Erhöhung des Nettoveräußerungswerts<br />
mindern den Materialaufwand der Periode, in der die Wertaufholung<br />
eintritt.
VD4<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS Vo<br />
Oliver Glück<br />
Teilweise werden Vorräte anderen Vermögenswerten zugeordnet,<br />
z.B. bei Verwendung als Teil selbst erstellter Sachanlagen. In diesem<br />
Fall werden die eingehenden Vorräte über die Nutzungsdauer<br />
dieses Vermögenswerts als Aufwand erfasst.<br />
I.4 Beispiel<br />
Beispiel 1 verdeutlicht die vom Handelsrecht abweichende Bilanzierung<br />
aufgrund der ausschließlichen Maßgeblichkeit des Absatzmarktes<br />
nach IFRS.<br />
Beispiel 1<br />
Ein Produkt weist Herstellungskosten in Höhe von 10.000 Euro<br />
aus, die sich aus (z.B. nach der Methode des gewichteten Durchschnitts<br />
ermittelten) Anschaffungskosten für den benötigten Rohstoff<br />
in Höhe von 6.000 Euro (1 Einheit des Rohstoffes) sowie<br />
Fertigungskosten in Höhe von 4.000 Euro zusammensetzen.<br />
Als Absatzpreis werden 12.000 Euro erwartet.<br />
Zum Jahresende befinden sich 100 Einheiten des Rohstoffes auf<br />
Lager.<br />
Das Rohstofflager wird entsprechend dem Grundsatz der historischen<br />
Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten mit 600.000 Euro<br />
(6.000 Euro 100 Stück) bewertet.<br />
Alternative 1<br />
Der Marktpreis des Rohstoffes sinkt zum Jahresende auf 5.000<br />
Euro. Der erwartete Absatzpreis für das Endprodukt bleibt konstant.<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 11
Vo<br />
Seite 12<br />
Nach IFRS erfolgt die Bewertung der Rohstoffbestände weiterhin<br />
mit 600.000 Euro, da die Endprodukte, in die der Rohstoff eingeht,<br />
mindestens zu den Herstellungskosten veräußert werden<br />
können.<br />
Alternative 2<br />
Neben der Reduzierung des Rohstoffpreises sinken zudem die<br />
erzielbaren Marktpreise des Produkts auf 9.000 Euro je Stück.<br />
Nunmehr ist eine Abschreibung vorzunehmen, da der Nettoveräußerungswert<br />
(9.000 Euro) unterhalb der ursprünglichen Herstellungskosten<br />
bzw. des Buchwerts (10.000 Euro) liegt. Eine<br />
Abschreibung in Höhe von 1.000 Euro ist zum einen auf die Produkte<br />
vorzunehmen (Bewertung der Produkte mit höchstens<br />
9.000 Euro), zum anderen aber auch auf die Rohstoffbestände<br />
(Bewertung der Rohstoffbestände mit 5.000 Euro).<br />
Latente Steuern<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS<br />
Oliver Glück<br />
Die Abschreibungen auf die Produkte sind auch nach Handelsrecht<br />
vorzunehmen (strenges Niederstwertprinzip). Für Abschreibungen<br />
der Rohstoffbestände reicht nach HGB bereits ein Rückgang<br />
des beizulegenden Werts (z.B. des Markt- oder Börsenpreises<br />
zum Bilanzstichtag), während nach IFRS ein Rückgang des<br />
Absatzpreises des die Rohstoffe enthaltenden Produkts für eine<br />
Abschreibung erforderlich ist.<br />
Führen die unterschiedlichen Regelungen zu abweichenden<br />
Bilanzansätzen der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe in der HGBund<br />
IFRS-Bilanz und im Vergleich dazu in der Steuerbilanz, sind<br />
entsprechende Steuerlatenzen im handelsrechtlichen Abschluss<br />
(HGB bzw. IFRS) zu bilanzieren.<br />
Dies trifft auch für den Fall zu, dass im steuerrechtlichen<br />
Abschluss die nach IFRS nicht zulässige LIFO-Methode angewandt<br />
wird.
VD4<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS Vo<br />
Oliver Glück<br />
Beispiel 2 (Anhangangabe)<br />
Vorräte werden zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten oder<br />
zum niedrigeren Nettoveräußerungswert bewertet. Der Nettoveräußerungswert<br />
entspricht dem geschätzten, im normalen<br />
Geschäftsgang erzielbaren Verkaufserlös abzüglich geschätzter Fertigstellungs-<br />
und Vertriebskosten.<br />
In der Regel werden Vorräte nach der Durchschnittskostenmethode<br />
oder auf Basis des FIFO-Verfahrens bewertet. Die Herstellungskosten<br />
umfassen neben Material- und Fertigungseinzelkosten<br />
auch auf Basis einer üblichen Kapazitätsauslastung zurechenbare<br />
Material- und Fertigungsgemeinkosten sowie die<br />
fertigungsbedingten Abschreibungen.<br />
I.5 Anhangangaben<br />
IFRS-Abschlüsse haben folgende Angaben zu enthalten:<br />
a) die angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden für<br />
Vorräte einschließlich der Kosten-Zuordnungsverfahren;<br />
b) den Gesamtbuchwert der Vorräte und die Buchwerte in einer<br />
unternehmensspezifischen Untergliederung (z.B. Roh-, Hilfsund<br />
Betriebsstoffe; Unfertige Erzeugnisse; Fertigerzeugnisse<br />
und Handelsware);<br />
c) den Buchwert der zum beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten<br />
angesetzten Vorräte;<br />
d) den Betrag der Vorräte, die als Aufwand in der Berichtsperiode<br />
(Umsatzkosten) erfasst worden sind;<br />
e) den Betrag von Wertminderungen von Vorräten, die in der<br />
Berichtsperiode als Aufwand erfasst worden sind;<br />
Bilanzierung aktuell – Praxishandbuch für das Rechnungswesen Seite 13
Vo<br />
Umsatzkostenverfahren<br />
Gesamtkostenverfahren<br />
Seite 14<br />
Vorratsvermögen<br />
– IFRS<br />
Oliver Glück<br />
f) den Betrag von vorgenommenen Wertaufholungen, die als<br />
Verminderung des Materialaufwands in der Berichtsperiode<br />
erfasst worden sind;<br />
g) die Umstände oder Ereignisse, die zu der Wertaufholung der<br />
Vorräte geführt haben;<br />
h) den Buchwert der Vorräte, die als Sicherheit für Verbindlichkeiten<br />
verpfändet sind.<br />
Im Rahmen der Darstellung der Gewinn- und Verlustrechnung<br />
als Umsatzkostenverfahren wird der Buchwert der Vorräte, der<br />
während der Periode als Aufwand erfasst worden ist, als Umsatzkosten<br />
bzw. Herstellungskosten bezeichnet. Die Umsatzkosten<br />
beinhalten die Kosten, die zuvor Teil der Bewertung der verkauften<br />
Vorräte waren, sowie die nicht zugeordneten Produktionsgemeinkosten<br />
und anormale Produktionskosten der Vorräte. Die<br />
unternehmensspezifischen Umstände können die Einbeziehung<br />
weiterer Kosten, wie beispielsweise Vertriebskosten, rechtfertigen.<br />
Erfolgt die Darstellung der Gewinn- und Verlustrechnung nach<br />
dem Gesamtkostenverfahren, werden die als Aufwand erfassten<br />
Kosten für Rohstoffe und Verbrauchsgüter, Personalkosten und<br />
andere Kosten zusammen mit dem Betrag der Nettobestandsveränderungen<br />
des Vorratsvermögens in der Berichtsperiode angegeben.