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Inklusionsbegriff - Verband Sonderpädagogik eV

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Ergebnisse der Arbeitsgruppe zum Themenfeld 1 (Stand 14.3.2012) 5Mittleren Reife sowie der Hochschulreife werden dabei jedoch nicht in Frage gestellt. Diesgeschieht in der Überzeugung, dass die Preisgabe zentraler Leistungsstandards sowie der völlig<strong>eV</strong>erzicht auf Noten und Zeugnisse und damit zertifizierter Abschlüsse letztlich die Schule in ihrengesellschaftlichen Funktionen beschädigen würde: Hierzu gehört neben der Funktion, denkulturellen Zusammenhang einer Gesellschaft abzusichern (Enkulturationsfunktion), insbesonderedie Aufgabe der Schule, die Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer arbeitsteilig organisiertenGesellschaft gemäß ihrer individuellen Leistungsfähigkeit und Begabung auf das Leben nach derSchule vorzubereiten (Allokationsfunktion). Dies ist ohne verbindliche Leistungs- undBildungsstandard sowie deren individuelle Überprüfung nicht möglich. 9 Im oben formuliertenGegensatz würde dies bedeuten, dass sich das Individuum dem System insofern anpasst, als dasses den systemischen Leistungsstandards unterliegt. Gleichzeitig passt sich das System denBedürfnissen des Individuums an, indem es das Recht auf Förderung selbstverständlich anerkenntund durch die Bereitstellung spezifischer Fördermaßnahmen dafür Sorge trägt, dass die Individuendiese Leistungsstandards auf je individuellem Weg erreichen können.Grundsätzlich wird mit einer Diskussion über eine inklusive „Schule für alle“ das gegliederteSchulsystem zur Disposition gestellt. Wer mit Blick auf die Menschenrechte sowie überstaatlicheAbkommen Kindern das Recht zuspricht, ohne Exklusion im allgemeinen Schulsystem beschult zuwerden, kann dieses Recht nicht nur auf Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarfbeschränken. Ein mehrgliedriges Schulsystem steht daher im Konflikt zum Grundgedanken derInklusion. Zudem scheinen auch aus pädagogischen Gründen Formen des längeren gemeinsamenLernens wünschenswert, zumal internationale Befunde zeigen, dass sich gerade integrativarbeitende Schulformen (Grundschulen, Gesamtschulen, Gemeinschaftsschulen...) der Inklusionbehinderter Kinder und Jugendlicher eher öffnen 10 . Dennoch lassen sich auch gegliederteSchulsysteme ohne das Stellen der „Systemfrage“ stärker in Richtung Inklusion entwickeln. Damithaben sich alle Schulformen (Grundschulen, Regionale Schulen, Gymnasien, Gesamtschulen...)der Inklusion behinderter Kinder und Jugendlicher sowie anderweitig Benachteiligter (z. B. Kindernmit Migrationshintergrund) zu öffnen haben und sind dazu aufgefordert, hierfür Konzepte zuentwickeln.9Siehe zu den Funktionen von Schule Helmut Fend, Neue Theorie der Schule. Einführung in dasVerstehen von Bildungssystemen, 2. Auflage, Wiesbaden 2008, S. 32-55.10siehe auch Ulf Preuss-Lausitz, Gutachten zum Stand und zu den Perspektiven inklusiver sonderpädagogischerFörderung in Sachsen, 2011


Ergebnisse der Arbeitsgruppe zum Themenfeld 1 (Stand 14.3.2012) 6Die inklusive Schule – Pädagogische GrundsätzeAuch aus einem weiten Inklusionsverständnis heraus stellt sich die Frage: Was unterscheidet dieinklusive Schule von einer nicht inklusiven Schule, mit anderen Worten: Woran erkenne ich eineinklusive Schule? Bei der Beantwortung dieser Frage sind die folgenden Aspekte zuberücksichtigen:• Im Schulprogramm ist verankert, dass sowohl Schüler mit günstigen als auch ungünstigenVoraussetzungen für schulisches Lernen, mit und ohne Behinderungen oderBeeinträchtigungen und durchschnittlich begabte Schüler, also alle Schüler optimal gefördertwerden sollen.• In der Schule werden erforderliche individuelle Hilfen entsprechend des besonderen bzw.sonderpädagogischen Förderbedarfs der Schüler in der Klasse und in ergänzendenFörderstunden realisiert. Diese Hilfen sind als innerschulisches Unterstützungssystemkonzipiert, in dem Lehrkräfte der allgemeinen Schule, Sonderpädagogen und weitere Helferkooperieren.• Die sozialen Beziehungen der Schüler untereinander, zwischen Schülern und Lehrern,Sonderpädagogen und weiteren Helfern in der Schule werden als zentrales, im Sinne vonWertschätzung und Respekt zu gestaltendes Element angesehen. Die Schüler erfahrenWertschätzung unabhängig vom Leistungsstand. Eine gute soziale Gemeinschaft aller Schülerwird angestrebt.• Im Unterricht findet Binnendifferenzierung im Sinne einer Adaption von Unterrichtszielen – und–methoden an die Lernvoraussetzungen der Schüler statt.• Für Schüler mit Förderbedarf wird ein Förderplan erstellt. Dies gilt auch für hochbegabteSchüler. Der Förderplan dient entweder der Vorbeugung von schulischen Minderleistungenoder der zieldifferenten Integration.• Segregative Maßnahmen sind Ausnahmen, die nur in geringer Anzahl vorkommen. EineReintegration wird angestrebt. Ebenso wie Klassenwiederholungen sind sie im Einzelfalldifferenziert zu begründen und werden durch das Schulamt geprüft. Grundsätzlich soll jedeKlasse der inklusiven Schule in ihrer Zusammensetzung weitestgehend der sozialen Strukturdes jeweiligen Einschulungsjahrganges einer Region entsprechen.


Ergebnisse der Arbeitsgruppe zum Themenfeld 1 (Stand 14.3.2012) 8die weiterführenden Schulen verteilen. Die Zeit bis dahin ist zur Erarbeitung entsprechendesSchulprogramme sowie zu Fortbildung der Pädagoginnen und Pädagogen in der Sekundarstufe 1zu nutzen.Daraus ergibt sich, dass bis zum Schuljahr ----- alle weiterführenden Schulformen Konzeptevorzulegen haben, die Inklusion im gestuften Schulsystem möglich machen.Neben den erforderlichen strukturellen Vorbereitungen, Fortbildungen sowie Klärungen inhaltlicherFragen (z.B. Leistungsbewertungen im inklusiven System) ist die Zeit für die Erhebungnachschulischer Lebensverläufe junger Menschen mit dem (ehemaligen) FörderschwerpunktenLernen und sozial-emotionale Entwicklung zu nutzen. Aus den sich empirisch nachgezeichnetenAnforderungen im Rahmen einer gelingenden selbstständigen Lebensbewältigung als jungerErwachsener sind schulische Bildungsinhalte zu extrahieren, welche die inklusiven Struktureninhaltlich auszugestalten haben.Ein inklusives Bildungssystem kann sich jedoch nicht nur auf ausgewählte Förderschwerpunktebeschränken. Aus diesem Grund sollten Grundschulen, weiterführende Schulen und natürlich auchdie Schulen mit den verbleibenden sonderpädagogischen Förderschwerpunkten von Beginn desTransformationsprozesses an die Gelegenheit erhalten, Modelle zur integrativen Beschulung inden einzelnen Regionen zu initiieren. Inwieweit Grundschulen und weiterführende Schulen sichdabei Kindern und Jugendlichen mit einem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt im Bereichkörperlich-motorische Entwicklung, geistige Entwicklung, Sehen, Hören sowie Autismus undUnterricht kranker Schülerinnen und Schüler öffnen, oder aber entsprechende Förderschulen sichin allgemeine Schulen mit entsprechender Schwerpunktsetzung wandeln, sollte dabei zunächstoffen bleiben. Dies bedarf in erster Linie der Abstimmung mit den örtlich zuständigen Schulträgern.Verbindlich festzuschreiben ist hingegen, dass in einer zweiten Phase des Aufbaus einesinklusiven Schulsystems ab dem Schuljahr 2020/21 auch diese Förderschwerpunkte festerBestandteil eines inklusiven Schulsystems werden.Reformvorbereitende SchritteDie Zeit bis zum Beginn der Einführung eines inklusiven Schulsystems in der hier beschriebenenDiktion ist für Maßnahmen zu nutzen, die ein Gelingen des Reformprozesses zwingendvoraussetzen/flankieren:• Aufbau des IQ M-V als Fortbildungseinrichtung zu Fragen der Inklusion und individuellenFörderung• Konzeptentwicklung zu inhaltlichen und organisatorischen Fragen der Diagnostik (Stichwort DD)

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