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gezielte Verdummung - Ensuite

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TANZ<br />

zeitgenössischer tanz ist<br />

auch in zug angesagt<br />

Von Stefanie Herzberg Bild: Andrea Frei im Tanzstück ‚Frida‘ / Hanjörg Sahli<br />

■ Bereits seit vier Jahren fi ndet tanzzug, das<br />

kleine Zuger Festival für zeitgenössischen Tanz, jeweils<br />

Ende November in der Chollerhalle statt. Vergangenes<br />

Wochenende sind wiederum vier eigens<br />

für den Anlass erarbeitete Choreographien von<br />

jungen Tanzschaffenden aus der Region gezeigt<br />

worden. Nebst den zwei Produktionen von Zuger<br />

Künstlerinnen, «Schwedische Gardinen» von Dijana<br />

Vidovic und Pascale Sauteur und «die wolkige»<br />

von Eveline Talàlt, bekam das Publikum auch zwei<br />

Werke von erfahrenen Zürcher Tänzerinnen zu sehen.<br />

Dies waren «sirene», ein installatives Solo von<br />

und mit Stefanie Grubenmann und «Frida» von<br />

Mirjam Niederöst und Andrea Frei (Beschreibung<br />

der Stücke siehe unten).<br />

Das Festival ist klar auf die Förderung des zeitgenössischen<br />

Tanzes in der Zentralschweiz ausgerichtet.<br />

Dabei haben die Initiantinnen von tanzzug<br />

Nicole Baumgartner (tanztotal.ch) und Seraina<br />

Sidler-Tall in Zusammenarbeit mit der Chollerhalle<br />

Zug ein Konzept ausgearbeitet, welches einerseits<br />

noch unerfahrenen JungchoreographInnen einen<br />

Einblick ins professionelle Schaffen erlaubt, andererseits<br />

erfahrenen Künstlern bei der Entwicklung<br />

ihres Schaffens zur Seite steht. Bereits im Sommer<br />

wird jeweils ein Workshop, die sogenannte «Tanzklink»,<br />

angeboten, welche allen InteressentInnen<br />

als Unterstützung zur Konzipierung ihrer Wettbewerbseingabe<br />

dient. Die Auswahl und Beurteilung<br />

der künstlerischen Projekte wird durch eine interkantonale<br />

Jury von Fachspezialisten vorgenommen.<br />

In der Ausgestaltung der ca. zehnminütigen<br />

Darbietungen werden die Tänzer und Tänzerinnen<br />

von professionellen Fachkräften in unterschiedlichster<br />

Weise unterstützt. Dies kann in Form von<br />

konkreten Anregungen hinsichtlich Choreographie,<br />

Dramaturgie oder Lichtkonzeption der Fall<br />

sein, auf jeden Fall aber werden die KünstlerInnen<br />

dazu angehalten, ihr eigenes Schaffen kritisch zu<br />

befragen. Die Gestaltung des eigentlichen Abendprogramms<br />

von tanzzug ist wiederum einzigartig,<br />

indem die Präsentation der Kurzstücke ergänzt<br />

wird durch den Gastauftritt einer national bekannten<br />

Profi truppe (dieses Jahr war beispielsweise<br />

das Cathy Sharp Dance Ensemble mit ihrer<br />

Jubiläumsproduktion «Short Cuts» eingeladen). In<br />

dieser Form hat sich tanzzug bereits zu einer überregional<br />

bekannten Plattform gemausert und zeigt<br />

seit Beginn ein attraktives Programm, welches stilistisch<br />

und inhaltlich grosse Abwechslung bietet.<br />

Mit der Chollerhalle hat es dafür einen Basisort gewählt,<br />

der sich zudem als Tournee-Auftrittsort für<br />

zeitgenössische Tanzproduktionen in den letzten<br />

Jahren einen gewissen Namen gemacht hat. Natürlich<br />

fordert der Standort Zug spezielle Berücksichtigung,<br />

beispielsweise bei der Auswahl einer<br />

Gastkompanie, denn vieles, was vielleicht einem<br />

Zürcher Publikum vertraut ist, stellt für Teile der<br />

Zentralschweizer Zuschauerschaft noch Neuland<br />

dar. Die Leute nicht zu überfordern, sondern ihre<br />

Sehgewohnheiten an Neuartiges zu gewöhnen und<br />

sie immer wieder für Tanz begeistern zu können,<br />

darin liegt in den Augen von Projektleiterin Nicole<br />

Baumgartner eine grosse Herausforderung für die<br />

Organisation. Und ein weiterer Förderaspekt.<br />

Reduktion zur maximalen Präsenz Eine Frau<br />

sitzt während zehn Minuten relativ unbewegt auf<br />

einem Hocker in der Bühnenmitte und spricht Sätze<br />

so ähnlich wie «Ich wäre gerne klitzeklein, damit<br />

du mich in deine Tasche stecken und überall<br />

hin mitnehmen könntest» oder «Ich wäre gerne<br />

viel leichter». Die Frauenfi gur in «Frida» (Choreographie<br />

Mirjam Niederöst, verkörpert von Andrea<br />

Frei) ist der von physischem Leiden geplagten Malerin<br />

Frida Kahlo nachempfunden, und wie diese<br />

leidet die Tänzerin unter der Unmöglichkeit einer<br />

Befreiung von Begrenzung und Schmerz. In der<br />

konzentrierten Reduziertheit ihrer Bewegungen<br />

vollzieht sie eine Art Nicht-Tanz, bei dem die Möglichkeit<br />

freien Ausdrucks als Sehnsuchtsmoment<br />

mitschwingt.<br />

Mit dem Prinzip der Verdichtung gearbeitet hat<br />

veranstaltungen<br />

auch Stefanie Grubenmann in ihrer Performance<br />

«sirene». Umgeben von Gefässen, die mit Wasser<br />

angefüllt sind, erzeugt die Tänzerin mit stimmlichen<br />

und körperlichen Mitteln Geräusche und<br />

Bilder, die den unterschiedlichen Qualitäten von<br />

Wasser nachspüren. Auf dem Klangteppich ihrer<br />

hellen Stimme vollzieht sie Wiederholungen von<br />

ritualhaften Gebärden, lässt Glasgesang erklingen,<br />

streift sie sich das Fell einer Wolfspfote über. Die<br />

Verbindung mit dem Element Wasser und mit der<br />

eigenen Naturhaftigkeit im weiteren Sinne wird in<br />

diesem schönen, sehr meditativen Kurzstück von<br />

der Künstlerin nicht nur äusserlich, sondern für<br />

den Zuschauer spürbar auch innerlich vollzogen.<br />

Zugerinnen nehmen Raum ein Im Gegensatz<br />

zu den beiden Zürcher Produktionen vernahmen<br />

sich die Beiträge der Zuger Teilnehmerinnen extravertierter<br />

und körperlich ausgelassener.<br />

Pascale Sauteur und Dijana Vidovic haben<br />

sich in «Schwedische Gardinen» inhaltlich mit<br />

eher schwerem Geschütz beladen. Ihre Auseinandersetzung<br />

mit dem Phänomen von Zwang und<br />

Gleichschaltung in der Gesellschaft hat aufgrund<br />

der Einspielungen von textorientierten Songs und<br />

gesprochene Passagen musicalhaften Charakter.<br />

Das Stück ist von beachtlicher Ausdrucksstärke<br />

und die beiden Tänzerinnen zeigen nicht nur eine<br />

schöne und präzis getanzte Bewegungsabläufe,<br />

sondern stellen zudem ihr schauspielerisches Talent<br />

unter Beweis.<br />

Das Medium Video hat dieses Jahr einzig Eveline<br />

Talàlt benutzt. In ihrer Produktion «die wolkige»<br />

tanzt sie vor einer Wand, an welche vorbeiziehende<br />

Wolken projiziert werden. Nach und<br />

nach werden Ausschnitte ihrer Choreographie als<br />

Schattenbilder an dieselbe Wand geworfen und<br />

überlagern sich so bildlich und zeitlich mit den Regungen<br />

der Tänzerin auf der Bühne. Eine schöne,<br />

abstrakte Arbeit über die «wolkigen Qualitäten»<br />

des Körpers und die Flüchtigkeit von Bewegung.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 60 | Dezember 07 7

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