strategisches verkehrsmanagement - Institut für Verkehrswirtschaft ...
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STRATEGISCHES VERKEHRSMANAGEMENT<br />
- EINE KONSISTENTE THEORIE UND IHRE UMSETZUNG -<br />
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernhard<br />
Friedrich<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Verkehrswirtschaft</strong>,<br />
Straßenwesen und Städtebau<br />
Universität Hannover<br />
Appelstraße 9A<br />
D-30167 Hannover<br />
friedrich@ivh.uni-hannover.de<br />
Dipl.-Ing. Dirk Keßler<br />
BMW AG<br />
Verkehrskonzepte München<br />
D-80788 München<br />
dirk.kessler@bmw.de<br />
KONTEXT<br />
1<br />
Dr.-Ing. Christian Schütte<br />
BMW AG<br />
Verkehrskonzepte München<br />
D-80788 München<br />
christian.schuette@bmw.de<br />
Die Sicherung sowie die Verbesserung der Mobilität in Ballungsräumen erfordert<br />
neben infrastrukturellen Maßnahmen die kontinuierliche strategische Einflussnahme<br />
auf den Gesamtverkehr, die durch ein Bündel von betrieblichen,<br />
aufeinander abgestimmten Maßnahmen umgesetzt wird. In diesem Zusammenhang<br />
hat die Einbindung und Zusammenführung räumlich verteilt wirkender,<br />
teilweise unterschiedlicher Steuerungsverfahren <strong>für</strong> den Straßenverkehr<br />
auf strategischer Ebene besondere Bedeutung. In den meisten Fällen sind heute<br />
jedoch weder die Steuerungsverfahren geeignet, sich in eine integrierte<br />
Steuerung einzufügen, noch erlauben die vorhandenen Systemarchitekturen<br />
einen konsistenten Ansatz. Selbst in den seltenen Fällen, in denen moderne<br />
adaptive Netzsteuerungen eingesetzt werden, werden diese Verfahren in der<br />
Regel isoliert betrieben, ohne dass sie auf einer höheren, strategischen Ebene<br />
in den Gesamtkontext eingebunden wären.<br />
So weisen die meisten bekannten Ansätze eines strategischen Verkehrsmanagements<br />
einen statischen Charakter auf, indem vordefinierte Szenarien und<br />
entsprechende vordefinierte Steuerungsmaßnahmen verwendet werden. Statische<br />
Ansätze dieser Art können der Tatsache nicht Rechnung tragen, dass in<br />
Ballungsräumen eine außerordentlich große Zahl unerwarteter Ereignisse zusammentreffen<br />
können und es kaum gelingen kann, vorab <strong>für</strong> alle relevanten<br />
Kombinationen eine geeignete Strategie zu definieren.<br />
Im Münchner Leitprojekt MOBINET [1] wurde aus diesem Grund ein besonderer<br />
Entwicklungsschwerpunkt vorgesehen, um eine wegweisende Lösung <strong>für</strong> diese<br />
unbefriedigende Situation zu finden. In diesem Sinne ist MOBINET angetreten,<br />
eine offene Architektur <strong>für</strong> die Steuerungsverfahren des Straßenverkehrs zu<br />
entwickeln, die gleichzeitig die Möglichkeit vorsieht, einzelne Steuerungsverfahren<br />
in einen konsistenten Ansatz einer strategischen Steuerung einzubinden.<br />
Entsprechend der vorgesehenen Offenheit der Architektur sowie der Modularität<br />
der in MOBINET eingesetzten neuen Steuerungsverfahren plant die Landeshauptstadt<br />
München und das Land Bayern nun, die Gelegenheit zu nutzen und<br />
in einem evolutionären Prozess von dem bestehenden System zu einem zukunftsweisenden<br />
strategischen Verkehrsmanagement zu migrieren.
METHODIK<br />
In MOBINET wird eine Anzahl neuer Steuerungsverfahren <strong>für</strong> den Straßenverkehr<br />
weiterentwickelt und insbesondere in groß angelegten Umsetzungsfeldern<br />
demonstriert. Diese Steuerungsverfahren werden in eine ebenfalls neu entwickelte<br />
Architektur <strong>für</strong> ein verteiltes und modulares System eingebunden. Eine<br />
strategische Komponente wird in diesem Verbund die Integration der einzelnen<br />
Verfahren entsprechend einer übergeordneten Zielvorstellung erlauben. Um<br />
dies zu ermöglichen, wurden folgende Anforderungen an den Entwurf der neuen<br />
Systemarchitektur formuliert:<br />
• Modular – jede Einzelkomponente des Systems kann unabhängig spezifiziert<br />
und eingesetzt werden.<br />
• Robust – die Folgen des Ausfalls eines Teilsystems bleiben auf dessen Wirkungsbereich<br />
beschränkt, und der Betrieb des Gesamtsystems wird lediglich<br />
in geringem Maße beeinträchtigt.<br />
• Evolutionär – das System kann durch einzelne Komponenten erweitert bzw.<br />
ersetzt werden, so dass eine natürliche, dem Stand der Technik entsprechende<br />
Fortschreibung möglich ist.<br />
• Interoperabel – die Teile des Systems kommunizieren über Standard-<br />
Schnittstellen. Updates oder der Austausch eines Teilsystems sind damit ohne<br />
die Beschränkungen proprietärer Lösungen möglich.<br />
Neben der Realisierung dieser Anforderungen ist es erforderlich, bestehende<br />
Strukturen auch in der neuen Architektur abbilden zu können und die Migration<br />
von älteren Bestandteilen zu neuen Komponenten zu ermöglichen.<br />
Vor dem Hintergrund der genannten betrieblichen und verkehrlichen Erfordernisse<br />
wurde eine Architektur gewählt, die das Gesamtsystem in drei logische<br />
Ebenen aufteilt. Dies sind die lokale, die taktische sowie die strategische Ebene.<br />
1. Auf lokaler Ebene reagieren die adaptiven Steuerungsmethoden auf kurzfristige<br />
Änderungen im Verkehrsaufkommen und auf besondere Ereignisse<br />
(z.B. Anmeldung zur Bevorzugung eines öffentlichen Nahverkehrsfahrzeug<br />
an einer Lichtsignalanlage) gemäß einer vordefinierten Zielfunktion. Diese<br />
Reaktion findet innerhalb eines Rahmens statt, der durch die taktische Ebene<br />
vorgegeben wird und übergeordneten Belangen Rechnung trägt. Gleichzeitig<br />
werden die mikroskopischen Daten, die auf dieser Ebene Sekunde <strong>für</strong><br />
Sekunde gesammelt werden, aggregiert und zur taktischen Ebene übertragen.<br />
2. Die adaptiven Steuerungsverfahren auf der taktischen Ebene nutzen die gesammelten<br />
Informationen über den Verkehrsfluss, schätzen die Herkunfts- /<br />
Zielbeziehungen im <strong>für</strong> sie relevanten Straßennetz und führen kurz- bis mittelfristige<br />
Prognosen über das Verkehrsaufkommen durch. Auf dieser<br />
Grundlage und bei Einsatz der entsprechenden Wirkungsmodelle lassen<br />
sich optimale Rahmenpläne entsprechend einer gegebenen Zielfunktion<br />
festlegen.<br />
2
3. Auf strategischer Ebene wird die Steuerung und die ermittelte Verkehrssituation<br />
überwacht. Software-Tools unterstützen die Verkehrsexperten und<br />
Betreiber auf dieser Ebene bei der Anpassung der Parameter der genannten<br />
Zielfunktionen gemäß der verkehrspolitischen Zielsetzungen. Auf diese Weise<br />
wird die Durchgängigkeit der Ziele <strong>für</strong> unterschiedliche Steuerungssysteme<br />
(Überland, Stadtverkehr, öffentliche Verkehrsmittel, etc.) erreicht. Physisch<br />
gesehen kann die strategische Ebene auch aufgeteilt werden und<br />
durch verschiedene Steuerungszentren gebildet werden, die die bestehende<br />
Organisationsstrukturen widerspiegeln. Eine Integration dieser Verkehrssteuerungssysteme<br />
ist jedoch von besonderer Bedeutung <strong>für</strong> die effiziente<br />
Umsetzung einer systemübergreifenden verkehrspolitischen Zielsetzung und<br />
zur Optimierung der Kapazitäten der Verkehrsanlagen in ihrer Gesamtheit.<br />
Strategische Ebene / Strategiezentrum<br />
Aktive Beeinflussung der Steuerung durch die Vorgabe verkehrspolitischer Ziele über die Zielfunktion<br />
Strategische<br />
Vorgaben<br />
Taktische Ebene - Teilnetz 1<br />
Reaktive Optimierung entsprechend der<br />
aktuellen Nachfrage und der Zielfunktion<br />
Rahmenpläne<br />
Info<br />
Netzzustand<br />
Aggregierte<br />
Erfassungswerte<br />
Lokale Ebene - Knoten 1<br />
Mikroskopische Anpassung an<br />
Stochastik<br />
Bild 1: Schematische Darstellung der Systemarchitektur<br />
3<br />
...<br />
Taktische Ebene - Teilnetz n<br />
Reaktive Optimierung entsprechend der<br />
aktuellen Nachfrage und der Zielfunktion<br />
Lokale Ebene - Knoten 1<br />
Mikroskopische Anpassung an<br />
Stochastik<br />
Durch die Verteilung der Zuständigkeiten des Steuerungssystems auf verschiedene<br />
Ebenen wird zum einen die Subsidiarität der Einzelkomponenten erreicht.<br />
Zum anderen gewährleistet die klare hierarchische Struktur die konsistente<br />
Weiterverarbeitung jeder Vorgabe, die auf höherer Ebene getroffen wird. Durch<br />
das Vermeiden zentraler Steuerungsansätze wird das Gesamtsystem sehr robust.Jede<br />
einzelne Komponente wird auch dann weiterarbeiten und gute Ergebnisse<br />
erzielen, wenn ein Verfahren auf höherer Ebene ausfallen sollte. Trotz<br />
der Selbständigkeit einzelner Komponenten ist das Gesamtsystem integriert, da<br />
die gemeinsame Zielsetzung durch alle Aktoren befolgt werden muss. Die hinsichtlich<br />
der übergeordneten Zielsetzung relevante Information wird über die<br />
Parameter der Zielfunktionen der adaptiven Steuerungsverfahren ausgetauscht.<br />
Eine von allen befolgte Zielfunktion beinhaltet in einer linearen Kombination die<br />
charakteristischen Kriterien, die <strong>für</strong> bestimmte Streckengruppen des Straßen-
netzes von Bedeutung sind. Die Summe aller in einem Steuerungsverfahren<br />
verwendeten, gewichteten und normalisierten Kriterien bildet den Bewertungsindex<br />
(PI), der den Referenzwert <strong>für</strong> die Optimierung darstellt. Wie bereits erwähnt,<br />
wird die Zielfunktion nicht auf strategischer Ebene optimiert, sondern<br />
dezentral durch die einzelnen Teilsysteme. Eine Vielzahl möglicher Bewertungsindizes,<br />
die die jeweils verschiedenen verkehrspolitischen Zielsetzungen<br />
widerspiegeln, kann <strong>für</strong> die Optimierung gewählt werden. Ausschlaggebend <strong>für</strong><br />
die Auswahl der Kriterien sind einerseits die Möglichkeiten, die die Modelle im<br />
Sinne einer realistischen Abbildung zulassen. Andererseits können stadtplanerische<br />
oder verkehrspolitische Überlegungen zu grundsätzlich verschiedenen,<br />
aber jeweils <strong>für</strong> sich optimalen Lösungen führen.<br />
Hinsichtlich der Optimierung wird zwischen nutzer- bzw. systemoptimalen Lösungen<br />
unterschieden. Während eine nutzeroptimale Ausrichtung<br />
∑<br />
min! =<br />
i c<br />
mit PI Güteindex (Performance Index)<br />
PI<br />
ci verallgemeinerte durchschnittliche Kosten<br />
Steuerungseinheit<br />
i<br />
zu Verkehrssituationen führen kann, die nicht die Ziele der Stadtplanung wiedergeben<br />
(z.B. Bündelung des Verkehrs auf Hauptverkehrsstraßen), besteht die<br />
Gefahr, dass eine systemoptimale Steuerung<br />
∑<br />
∑<br />
min! PI = ci<br />
⋅ qi<br />
= Ci<br />
Steuerungseinheit<br />
i<br />
Steuerungseinheit<br />
i<br />
4<br />
mit qi Verkehrsstärke<br />
Ci verallgemeinerte<br />
Gesamtkosten<br />
bei den Verkehrsteilnehmern nicht die gewünschte Akzeptanz findet.<br />
Aus diesem Grund ist eine Zielfunktion erforderlich, die beiden Anforderungen<br />
Rechnung trägt. Eine Zielsetzung, die sowohl auf die Belange des einzelnen<br />
Verkehrsteilnehmers eingeht und zugleich den Anforderungen des Gesamtsystems<br />
genügt, kann mit einer erweiterten Zielfunktion, nämlich dem strategischen<br />
Systemoptimum erreicht werden:<br />
min!<br />
∑ ∑ ⋅<br />
PI α<br />
= ij⋅ Cij<br />
i j<br />
mit i Steuerungseinheit<br />
j Streckengruppe<br />
αij Koinzidenzmatrix der Streckengruppen<br />
und Steuerungseinheiten<br />
⎧><br />
0<br />
α ij ⎨<br />
⎩=<br />
0<br />
∀i<br />
∈ j<br />
∀i<br />
∉ j<br />
Das strategische Systemoptimum erlaubt gegenüber dem herkömmlichen Systemoptimum<br />
suboptimale Lösungen, um sensible Teilbereiche des Verkehrsnetzes<br />
(z.B. Wohngebiete) zu schützen. Die Zielfunktion wird zu diesem Zweck um<br />
die Dimension der Streckenkategorisierung erweitert, um orts- bzw. kantenspezifische<br />
Gewichte αij einbringen zu können. Die Klassifizierung wird durch die<br />
Einführung von Streckengruppen erreicht, über die z.B. Hauptverkehrsstraßen<br />
von Erschließungsstraßen differenziert werden können.<br />
In den bisher dargestellten Überlegungen <strong>für</strong> die Formulierung einer Zielfunktion<br />
wurden die Wirkungen als allgemeine Kosten C dargestellt. Hinter dem allge-
meinen Ausdruck C verbergen sich mehrere mögliche Wirkungskriterien, die in<br />
die Bewertung Eingang finden können. Typischerweise sind dies<br />
• Wartezeiten des mIV, des ÖPNV und der Fußgänger,<br />
• Staulängen des mIV, die direkt mit den Wartezeiten korreliert sind, aber als<br />
zusätzliches Maß zur Verhinderung von Überstauungen verwendet werden<br />
können,<br />
• Anzahl der Halte des mIV und des ÖPNV,<br />
• Abgas- und Geräuschemissionen des mIV,<br />
• Kraftstoffverbrauch des mIV.<br />
UMSETZUNG<br />
Auf der Grundlage des Entwurfs einer klaren Systemarchitektur gemäß der vorgenannten<br />
Anforderungen (d.h. Fähigkeit zum Baukastenprinzip, Robustheit,<br />
Entwicklungsfähigkeit, Interoperabilität, integriertes Datenmanagement) planen<br />
die Landeshauptstadt München und der Freistaat Bayern die Ausstattung des<br />
Straßennetzes mit modernen Steuerungsverfahren, die sich in die beschriebene<br />
Architektur einfügen und auf strategischer Ebene durch ein Strategiemanagement<br />
integriert werden. Die unterschiedlichen Steuerungs- und Informationssysteme<br />
werden zuerst in Demonstrationsfeldern umgesetzt und bewertet, bevor<br />
sie in den Regelbetrieb übernommen werden. Die folgende Abbildung zeigt die<br />
verschiedenen geplanten Demonstrationsfelder im Ballungsraum München.<br />
NetzInfo<br />
NetzInfo ist ein graphisches Informationssystem, das an radialen Autobahnen<br />
außerhalb der Stadtgrenzen Münchens installiert werden wird. Dynamische<br />
LED-Informationstafeln empfehlen dem stadteinwärts fließenden Verkehr die<br />
hinsichtlich der Verkehrssituation günstigste Route zu den einzelnen Stadtteilen.<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> dieses System ist die ausschließliche Empfehlung von<br />
Hauptstraßen, um Durchgangsverkehr in Wohngebieten zu vermeiden. Je nach<br />
Standort wird die jeweilige Informationstafel den <strong>für</strong> den Verkehrsteilnehmer relevanten<br />
Abschnitt des Münchner Hauptverkehrsstraßennetzes zeigen. Die<br />
Verkehrsqualität auf den einzelnen Abschnitten wird durch eine farbige Signatur<br />
gekennzeichnet. Als erster Demonstrationsstandort wurde die A94 (Autobahnkreuz<br />
München-Ost) ausgewählt.<br />
5
Bild 2: Demonstrationsfelder <strong>für</strong> innovative Verkehrsbeeinflussungsverfahren<br />
im Ballungsraum München<br />
Sektor-Steuerung<br />
Die Sektor-Steuerung spielt eine wichtige Rolle bei der Verbindung des regionalen<br />
und des städtischen Straßennetzes. Während NetzInfo die Verkehrsteilnehmer<br />
über Ausweichrouten innerhalb des Autobahnnetzes informiert, bietet<br />
die Wechselwegweisung der Sektor-Steuerung lokale Alternativrouten innerhalb<br />
eines begrenzten Teilbereichs des städtischen Straßennetzes an. Als korrespondierende<br />
Maßnahme zur Routenempfehlung wird das adaptive Steuerungsverfahren<br />
<strong>für</strong> Lichtsignalanlagen BALANCE [2] in dem entsprechenden Netz installiert.<br />
Ring-Steuerung<br />
Innerhalb der Ring-Steuerung werden vier verschiedene betriebliche Maßnahmen<br />
demonstriert, die unterschiedliche räumliche Wirkungsbereiche haben:<br />
Punktuell: Zuflussoptimierung auf Ring-Einfahrten zur Verbesserung<br />
der Verflechtungsverhältnisse [3].<br />
6
Streckenbezogen: Linienhafte, verkehrsträgerübergreifende Lichtsignalsteuerung<br />
(BALANCE) und variable Fahrstreifenzuweisung zur optimalen<br />
Ausnutzung von Kapazitäten.<br />
Netzhaft: Dynamische, kollektive Verkehrsinformation zur verbesserten<br />
räumlichen Auslastung von Kapazitätsreserven (Ring-Info)<br />
[4].<br />
Quartier-Steuerung<br />
Durch den Einsatz einer “Ereignisorientierten Netzsteuerung” im innerstädtischen,<br />
lokalen Straßennetz wird auf Basis der vorhandenen verkehrsabhängigen<br />
LSA-Steuerung eine netzweite Optimierung des Verkehrsablaufs erfolgen.<br />
Um die Belange des ÖPNV besser zu berücksichtigen, wird in der Steuerung<br />
ein zusätzliches, adaptives Verfahren umgesetzt: Durch Zusatzinformationen<br />
wie Besetzungsgrad oder Fahrplanlage soll sichergestellt werden, dass<br />
die ÖV-Priorisierung zielgerichteter gestaltet werden kann – zum Beispiel im<br />
Falle konkurrierender ÖPNV-Fahrzeuge an einem Knotenpunkt – und gleichzeitig<br />
die Bedürfnisse von Fußgängern, Radfahrern und Autofahrern angemessen<br />
berücksichtigt werden.<br />
Strategiemanagement<br />
Die gemeinsame Klammer <strong>für</strong> die genannten, räumlich verteilten und in ihrer<br />
Wirkungsweise unterschiedlichen Steuerungsverfahren bildet das Strategiemanagement<br />
SAM. Die einzelnen Maßnahmen werden zunächst zu Teilnetz-<br />
Steuerungsverfahren auf der taktischen Ebene zusammengefasst und schließlich<br />
auf der strategischen Ebene einer oder mehreren Strategien zugeordnet.<br />
Das Strategiemanagement macht die weiter oben aus theoretischer Sicht dargestellte<br />
Vorgehensweise (siehe Bild 1) in einem nutzerfreundlichen Ansatz<br />
handhabbar. Dabei werden dem Nutzer einerseits die aktuelle Verkehrssituation<br />
im Netz [5] sowie die Schaltzustände im Steuerungssystem transparent online<br />
dargestellt. Andererseits wird er in der Bedienung durch graphische Elemente in<br />
vielfacher Weise unterstützt, so dass eine leichte und insbesondere kontrollierbare<br />
Handhabung des weiträumigen Gesamtsystems möglich wird (Strategie-<br />
Management).<br />
Der System-Monitor ermöglicht dem Benutzer, den aktuellen Zustand des erfassten<br />
Verkehrssystems zu beobachten. Er besteht aus drei Komponenten:<br />
• Das Übersichtsfenster dient der Navigation und Orientierung und zeigt die<br />
Lage des Detailfensters im Gesamtnetz.<br />
• Im Detailfenster werden die aktuellen Messgrößen und Schaltzustände des<br />
Verkehrssystems <strong>für</strong> einen gewünschten Netzausschnitt sowie Strategien in<br />
ihrem räumlichen Bezug dargestellt. Außerdem können hier Strategien aktiviert<br />
werden. Kontext- und raumbezogen schlägt das System auf Anfrage<br />
mögliche Strategien vor, aus denen der Operator auswählen kann.<br />
• Im Journalfenster werden die aktuell und in der Vergangenheit aktivierten<br />
Strategien dokumentiert und <strong>für</strong> die Zukunft vorgeplante Strategien dargestellt.<br />
Das Journalfenster stellt die Verwendung der Strategien im Verlauf der<br />
7
Zeit dar. Es teilt sich in die Darstellung der Historie und die Vorausschau,<br />
welche durch die aktuelle Zeit/Datumsmarkierung getrennt werden.<br />
Bild 3: Abfrage aktueller Messgrößen und Schaltzustände <strong>für</strong> einen Netzausschnitt<br />
über die graphische Benutzerschnittstelle (GUI) des Strategiemanagements<br />
SAM<br />
Das Strategie-Management erfolgt in zwei Fenstern der Benutzeroberfläche.<br />
Zum einen im bereits erwähnten Journalfenster sowie in der Strategie-Liste. Die<br />
Strategie-Liste dient der systematischen Organisation und Darstellung von Strategien.<br />
Über ein Kontextmenü oder Mausaktionen können Strategien aus dieser<br />
Liste ausgewählt sowie unmittelbar aktiviert oder deaktiviert werden.<br />
8
Bild 4: Beobachtung des Verkehrssystemzustandes und Auslösung geeigneter<br />
Strategien über die SAM-GUI<br />
In jeder SAM-Strategie werden eine oder mehrere Maßnahmen (taktische<br />
Steuerungsverfahren oder einzelne Aktoren der lokalen Ebene) ausgewählt und<br />
die Parameter jeder Maßnahme versorgt. Wenn die Strategie aktiviert wird,<br />
sorgt SAM da<strong>für</strong>, dass die entsprechenden Parameter an die zu der Maßnahme<br />
zugehörigen taktischen Steuerungsverfahren gesendet werden. Gemäß einem<br />
definierten Prioritätenkonzept werden die Maßnahmen auf der taktischen Steuerungsebene<br />
akzeptiert, d.h. umgesetzt oder abgelehnt.<br />
Vor der Aktivierung einer Strategie können zusätzliche Sicherheitsabfragen in<br />
Form von Bedingungen konfiguriert werden. Diese gliedern sich in verkehrstechnische<br />
Randbedingungen und externe Randbedingungen. Der Operator<br />
wird in einem Dialog aufgefordert, die Einhaltung der externen Randbedingungen<br />
zu bestätigen. Dann erst kann die Aktivierung der Strategie erfolgen.<br />
Im Normalfall werden Strategien langfristig <strong>für</strong> vorhersehbare und planbare Ereignisse<br />
festgelegt und automatisch ausgelöst. Nur in Ausnahmesituationen<br />
werden in Datenbanken vorgehaltene Strategien auch manuell aktiviert.<br />
9
AUSBLICK<br />
Durch die Einbindung der dargestellten Steuerungs- und Verkehrsmodelle in<br />
eine offene, transparente Systemarchitektur und durch die Integration unterschiedlicher<br />
Steuerungsmaßnahmen bzw. Demonstrationsfelder auf strategischer<br />
Ebene wird ein zukunftsweisendes Gesamtsystem <strong>für</strong> das Verkehrsmanagement<br />
geschaffen, das im Ballungsraum München im Rahmen des Leitprojektes<br />
MOBINET umgesetzt wird. Ausdrückliches Ziel von MOBINET ist es, die<br />
beschriebenen Maßnahmen zu implementieren und die dadurch entstehenden<br />
Vorteile zu demonstrieren. Schließlich sollen – voraussichtlich ab Mitte 2003 -<br />
die positiv bewerteten Maßnahmen in den Regelbetrieb überführt werden.<br />
LITERATUR<br />
[1] H. Keller, “Intelligent Transport Systems for Mobility in the Greater Munich<br />
Area - The MOBINET Project”, Proc. Int. Conf. ITS’99, Amsterdam 14. –<br />
17. June 1999.<br />
[2] B. Friedrich, “Models for Adaptive Urban Traffic Network Control”, Proceedings<br />
of the VIIIth Int. Conf. of the European Working Group on Transportation,<br />
Rome 11.-14. Sept. 2000.<br />
[3] K. Bogenberger, “A Genetic Approach for Ramp Metering”, Proc. of the 3 rd<br />
IEEE Conference on Intelligent Transportation Systems, October 1-3, 2000,<br />
Dearborne, USA.<br />
[4] G. Schönfeld, M. Tsavachidis, A. Reischl, “Dynamic Driver Information<br />
Goes Geographical – A New Quality in Urban Traffic Information”, Proc. of<br />
the 7 th World Congress on Intelligent Transport Systems, 6-9 November<br />
2000, Turin, Italy<br />
[5] F. Logi, A. Poschinger, B. Thormann “Integration of Optimal Control and<br />
Knowledge Based Techniques for Dynamic Traffic Routing”, Proc. of 10th<br />
Int. Conf. on Road Transport Information and Control 4 – 6 April 2000, IEE<br />
Conference Publication 472, London<br />
10