Predigt über Psalm 150 - Internationales Düsseldorfer Orgelfestival
Predigt über Psalm 150 - Internationales Düsseldorfer Orgelfestival
Predigt über Psalm 150 - Internationales Düsseldorfer Orgelfestival
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<strong>Predigt</strong> <strong>über</strong> <strong>Psalm</strong> <strong>150</strong><br />
im Ökumenischen Gottesdienst<br />
zur Eröffnung des 1. Internationalen <strong>Düsseldorfer</strong> <strong>Orgelfestival</strong>s<br />
am 1. Oktober 2006 in der Johanneskirche Düsseldorf<br />
Halleluja!<br />
Lobet Gott in seinem Heiligtum,<br />
lobet ihn in der Feste seiner Macht!<br />
Lobet ihn für seine Taten,<br />
lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit!<br />
Lobet ihn mit Posaunen,<br />
lobet ihn mit Psalter und Harfen!<br />
Lobet ihn mit Pauken und Reigen,<br />
lobet ihn mit Saiten und Pfeifen!<br />
Lobet ihn mit hellen Zimbeln,<br />
lobet ihn mit klingenden Zimbeln!<br />
Alles, was Odem hat, lobe den HERRN!<br />
Halleluja!<br />
Wenn es, liebe <strong>Orgelfestival</strong>-Gemeinde, einen biblischen Bezugstext für<br />
Instrumentalmusik gibt, dann ist es dieser: <strong>Psalm</strong> <strong>150</strong> – strahlendes<br />
Finale des Buches der <strong>Psalm</strong>en. Posaunen, Psalter und Harfen, Pauken<br />
und Reigen, Saiten und Pfeifen, Zimbeln verschiedener Klangart – da ist,<br />
der Absicht und dem Eindruck nach, alles beisammen, was musikalisch<br />
geblasen und geschlagen, gezupft und gestrichen werden kann.<br />
Und wenn es ein Instrument gibt, welches, der Absicht und dem<br />
Eindruck nach, all dies Blasen und Schlagen, Zupfen und Streichen<br />
unter den Händen und Füßen eines einzigen Menschen vereinigt, und<br />
zwar nicht erst heute, sondern schon seit Jahrhunderten, dann es es –<br />
na, Sie ahnen es schon: eine Königin, der es wahrlich zukommt, dass<br />
man ihr mit einem Festival huldigt.<br />
Und wenn es einen passenden Ort und eine passende Art gibt, ein<br />
solches <strong>Orgelfestival</strong> zu eröffnen, dann ist es die Kirche: die Kirche als<br />
Ort, an dem immer eine Orgel steht und erklingt, aber die Kirche auch<br />
als Art: als Kirche, in die man geht, als Kirche, die gehalten wird, als<br />
Gottesdienst, der gefeiert wird; denn von „Halleluja! Lobet Gott in seinem
Heiligtum!“ bis „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Halleluja!“ spannt<br />
sich der <strong>Psalm</strong> – ein einziger großer Aufruf, Gott zu loben.<br />
Gott loben: Was ist das eigentlich? Wie geht das? Wie macht man das?<br />
Es dürfte etwas mit dem Odem zu tun haben: „Alles, was Odem hat, lobe<br />
den Herrn.“ Posaunen, Psalter und Harfen, Pauken und Reigen, Saiten<br />
und Pfeifen, Zimbeln verschiedener Klangart – und Orgeln, die das alles<br />
und noch anderes mehr vereinigen: all das kann und darf, soll sogar<br />
hinzukommen. Aber am Anfang ist der Odem: „Da machte Gott der Herr<br />
den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des<br />
Lebens in die Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“<br />
Atmen! Achten Sie auf Ihr Atmen! Er strömt aus. Er strömt ein. Aus. Ein.<br />
„... was Odem hat, lobe den Herrn.“ Atem holen und den Atem wieder<br />
fahren lassen – das könnte die elementarste Form, vielleicht noch die<br />
Vorform sein, Gott zu loben: einfach geschehen lassen und sich gern auf<br />
das einlassen, was Gott getan hat; die Bewegung mitmachen, die er in<br />
Gang gesetzt hat; Lebendigkeit spüren und das Leben leben, das er<br />
geschenkt und gewollt hat, das er zutraut und zumutet.<br />
„Alles, was Odem hat, lobe den Herrn.“ Aus seiner Vorform zu seiner<br />
Grundgestalt gelangt das Loben Gottes, wenn der Atem Klang wird, Ton<br />
und Artikulation, Melodie und Rhythmus – mit einem Wort: Gesang. Die<br />
Bachmotette, die mit dem Schlussatz von Ps <strong>150</strong>: „Alles, was Odem hat,<br />
lobe den Herrn“, einer halsbrecherischen Fuge, schließt, beginnt: „Singet<br />
dem Herrn ein neues Lied“. Singen, Odem als Kunst – sei’s Volkskunst<br />
oder hohe Kunst, Breiten- oder Spitzensang, sei’s ein- oder vielstimmig,<br />
Ballade oder Choral ... – Singen: das dürfte die Grundgestalt des<br />
Gotteslobes sein: Atem wird Klang; die geschaffene Welt klingt auf und<br />
klingt zusammen; was Gott tut und wie Gott ist, das kommt zu Gehör:<br />
„Lobet ihn für seine Taten, lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit.“<br />
Psallite.Cantate! Der Name des Vereins, der IDO auf die Beine gestellt<br />
hat, ist von daher als eine Klimax zu verstehen; der Name hat<br />
Achtergewicht: Cantate, singet, lasst euren Atem zu Klang werden,<br />
macht eine Kunst aus dem Odem, lobt Gott: Cantate Domino – das ist<br />
das Grundlegende. Aber Psallite gilt auch! Nehmt eure Hände und Füße,<br />
eure Lippen und Zungen dazu: Klatscht und stampft, pfeift und schnalzt!<br />
Und sucht euch weitere Kling- und Klangsachen dazu: Hölzer, Steine<br />
und Metalle, Knochen, Därme und Felle, Steine, Blätter und Wasser!<br />
Macht Instrumente daraus! – damit all das, was in Gottes Schöpfung<br />
selbst keinen Odem (oder keinen Odem mehr) hat, mitklingen –<br />
symphonieren – kann mit dem Klang und Kunst gewordenen Atem.
„Lobet ihn mit Posaunen, lobet ihn mit Psalter und Harfen! Lobet ihn mit<br />
Pauken und Reigen, lobet ihn mit Saiten und Pfeifen! Lobet ihn mit<br />
hellen Zimbeln, lobet ihn mit klingenden Zimbeln!“ Psallite.<br />
„Lobet ihn mit Pfeifen!“ Tatsächlich (und mir nicht unwillkommen) steht<br />
an dieser Stelle in der Vulgata, der lateinischen Bibel<strong>über</strong>setzung:<br />
„Laudate eum in ... organo“! Die Orgel mit all ihren Pfeifen und<br />
Registern, Koppeln und Setzern, mit ihren Digitalen (den Tasten!),<br />
Manualen und Pedalen lässt symbolisch-repräsentativ die ganze<br />
geschaffene Welt erklingen. Sie lässt sie, wenn sie Gesang begleitet,<br />
gemeinsam mit dem menschlichen Atem, der Klang und Kunst wird,<br />
erklingen: eine symphonische Resonanz, ja Personanz des Schöpfers<br />
und seiner Werke inmitten der geschaffenen Welt.<br />
Aber die Orgel kann auch allein. Sie kann den menschlichen Gesang<br />
auch entbehren – und behält ihn doch in sich: „Vox humana“,<br />
„menschliche Stimme“ heißt sinniger Weise ein Register; ich erinnere<br />
mich, dies einmal auf einem Registerknopf gelesen zu haben.<br />
Hier eine Zwischenbemerkung: „Alles, was Odem hat“, umfast nicht nur<br />
die Menschheit. Zwar wird es im Bibelbuch nur von Adam, dem von der<br />
adamah (Ackerede) Genommenen, also vom Menschen gesagt, dass<br />
Gott ihm seinen Atem in die Nase blies, woraufhin er ein lebendiges<br />
Wesen wurde. Im Buch der Natur lesen wir aber, dass auch Tiere Odem<br />
haben. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch die Tiere am Lob<br />
Gottes teilnehmen. Sie singen und spielen ihre Partien dazu: die<br />
zwitschernden oder krächzenden Vögel und die muhenden Kühe, die<br />
wiehernden Pferde und meckernden Ziegen, die heulenden Wölfe und<br />
brüllenden Löwen, die bellenden Hunde und miauenden Katzen – diese<br />
alle singend, cantantes, mit ihrem Odem; dazu die zirpenden Grillen und<br />
klappernden Störche, die klopfenden Spechte und – nochmals –<br />
klappernden Schlangen – diese spielend, psallentes. Lassen wir uns von<br />
Albert Schweitzer, einem großen Mann auch der Orgel, wieder und<br />
wieder daran erinnern, dass auch Tiere Atem, Stimme, Seele haben,<br />
durch die das Werk und die Herrlichkeit der Schöpfers hindurchklingt.<br />
Orgelklang: symbolische Repräsentanz der unendlich vielfältigen Klänge<br />
der Schöpfung, Resonanz (Widerklang) und Personanz (Hindurchklang)<br />
Gottes in der von ihm geschaffenen Welt. Darin ist die Vox humana nur<br />
ein Register; in allem aber ist der Wind!<br />
Hebräisch (die ruach) und griechisch (das pneuma) und lateinisch (der<br />
spiritus) liegt mehr ineinander oder näher beieinander, was sich im<br />
Deutschen auf mehrere (leider nur männliche) Wörter verteilt: der Atem
(oder Odem), der Wind(-Hauch), der Geist. „Der Wind, der Wind, das<br />
himmlische Kind“! Pneuma ein Botenstoff zwischen Himmel und Erde!<br />
Als „pneumata leiturgika“, dienstbare Geister oder auch liturgische Geist-<br />
Wind-Atem-Wesen werden im Hebräerbrief einmal die Engel bezeichnet.<br />
Wohnen sie, frage ich mich, vorzugsweise in Orgeln, schlafen dort<br />
nachts und werden putzmunter, wenn die Organistin oder der Organist –<br />
heute auf Knopfdruck, früher unabdingbar auf die Balgtreter angewiesen<br />
– Wind macht?<br />
Die Orgeldienstgeister sind, wiewohl dem Lob und der Ehre Gottes<br />
verpflichtet, nicht minder den menschlichen Seelen zugetan. Sie sind<br />
ihnen dienlich in ihren gegensätzlichen Zuständen, wie sie etwa in „Wer<br />
nur den lieben Gott lässt walten“ benannt sind. Zum Beispiel die<br />
„Traurigkeit“.<br />
[MUSIK „Traurigkeit“]<br />
„Wir machen unser Kreuz und Leid / nur größer durch die Traurigkeit“:<br />
Die Engel der Orgel können der Traurigkeit Ausdruck geben, können sie<br />
verstärken und vertiefen, können Tränen auslösen und fließen lassen –<br />
können aber auch trösten, Trauer verdichten und begrenzen, ihr einen<br />
Ort geben und einen Weg zeigen. Als Gestus des menschlichen Atems<br />
entspricht der Traurigkeit am ehesten das Seufzen, dann aber auch das<br />
Schluchzen, das, nicht steuerbar, noch dann an die Tränen erinnert,<br />
wenn sie längst getrocknet sind.<br />
„Man halte nur ein wenig stille / und sei doch in sich selbst vergnügt“:<br />
„Vergnügen“, gelassene Heiterkeit, auch das ist ein Zustand der<br />
menschlichen Seele, die von den Dienstgeistern der Orgel angetroffen<br />
und angerührt, intensiviert und imprägniert werden kann.<br />
[MUSIK „Vergnügen“]<br />
Der Atemgestus des Vergnügens ist am ehesten das Auf- und<br />
Durchatmen.<br />
Dagegen atmet die „Drangsalshitze“, atmen Wut, Zorn, Aggression<br />
schnaubend – oder vor<strong>über</strong>gehend gar nicht, weil sie den Atem<br />
anhalten, er ihnen stockt, er ihnen benommen ist oder es ihnen den<br />
Atem verschlagen hat.<br />
[MUSIK „Drangsalshitze“]
„Er kennt die rechten Freudenstunden“: In der Freude, in der<br />
Begeisterung wird der Atem von selbst zu einem Lachen, zum Jauchzen,<br />
Jubeln, zum – das Wort ist ein Juwel in der deutschen Sprache! – zum<br />
Frohlocken.<br />
[MUSIK „Freude“]<br />
Die ganze geschaffene Welt klingt tausendfarbig in der Orgelmusik an.<br />
Es klingt darin auf und klingt darin mit der Odem des Lebens, den Gott<br />
uns von Erde genommenen und wieder zu Erde werdenden Wesen in<br />
die Nase geblasen hat und der uns beseelt. Wie immer wir dran sind in<br />
unseren Seelen – der Wind, den die Orgel macht, will uns zum<br />
himmlischen Kind werden, das uns rührt; will unserer Schwachheit<br />
aufhelfen; will uns beschwingen, Gott zu ehren; er will – nicht zuletzt –<br />
uns gereichen zur „Recreation des Gemüts“.<br />
Gebet<br />
Bleibe bei uns, Herr!<br />
Bleibe bei uns: bei dieser Kirche, bei dieser abendlichen Orgelgemeinde,<br />
bei den Menschen, die uns nahe stehen und lieb sind, bei unserer Stadt.<br />
Wir bitten:<br />
Bleibe bei uns, Herr.<br />
Bleibe bei diesem Projekt: dem Internationalen <strong>Düsseldorfer</strong><br />
<strong>Orgelfestival</strong>, bei den Menschen, die es geplant haben, bei denen, die es<br />
künstlerisch mitgestalten, bei denen, die die Musik hören; auch bei<br />
denen, die sich lieber davon fern halten.<br />
Wir bitten:<br />
Bleibe bei uns, Herr!<br />
Bleibe bei allem, was Odem hat: bei den Menschen, in deren Atem die<br />
Sehnsucht nach Liebe und Gerechtigkeit und Frieden mitatmet und in<br />
deren Atem auch die Verantwortung für Liebe und Gerechtigkeit und<br />
Frieden mitatmet; und bei unseren Mitgeschöpfen, den beseelten und<br />
unbesseelten – dass deine Schöpfung dich einhellig lobt für deine Taten<br />
und in deiner großen Herrlichkeit – und reichen Segen erfährt.<br />
Wir bitten:<br />
Bleibe bei uns, Herr!<br />
Bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend werden und der Tag hat sich<br />
geneigt.