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Berliner Ärzte - Ärztekammer Berlin

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TITELTHEMAMaßnahme zu unterlassen oder abzubrechen,wenn der Betreuer dies aufBasis des von ihm festgestellten Pati -entenwillen verlangt.bb) Sind sich behandelnder Arzt undBetreuer einig, dass das Unterlassen bzw.der Abbruch der Maßnahme dem Willendes Patienten entspricht, ist die Maß -nahme auch dann ohne Geneh migungdes Betreuungsgerichts zu unterlassenoder abzubrechen, wenn die Gefahrbesteht, dass der Patient auf Grund desUnterbleibens oder des Abbruchs derMaßnahme stirbt oder einen schwerenund länger dauernden gesundheitlichenSchaden erleidet. Die Behandlung istdann auf palliativmedizinische und pflegerischeMaßnahmen zu beschränken.cc) Sind sich behandelnder Arzt undBetreuer nicht einig, ob das Unterlassenbzw. der Abbruch der Maßnahme demWillen des Patienten entspricht, ist dieGenehmigung des Betreuungsgerichtseinzuholen, wenn die Gefahr besteht,dass der Patient auf Grund des Unter -bleibens oder des Abbruchs der Maß -nahme stirbt oder einen schweren undlänger dauernden gesundheitlichenSchaden erleidet. Im Rahmen desGenehmigungsverfahrens hat dasBetreuungsgericht ein Sachverstän -digengutachten einzuholen. Eineetwaige Genehmigung des Betreu -ungsgerichts in die Unterlassung oderden Abbruch der Behandlung ist erstzwei Wochen nach der Bekanntgabe anden Betreuer oder Bevollmächtigtensowie an den im Rahmen des Geneh -migungsverfahrens zu bestellendenVerfahrenspfleger wirksam. Die nachBewertung des Arztes indizierte unddem Willen des Patienten entsprechendeBehandlung wäre in diesem Falljedenfalls bis zum Ablauf der Zwei-Wochen-Frist durchzuführen.5. Gesetzlich nicht geregelteFallkonstellationen:Gesetzlich nicht ausdrücklich geregeltsind z.B. Fälle, in denen die Bestellungeines Betreuers wegen der Eilbedürftig -keit einer Entscheidung über die Durch -führung oder Unterlassung einer ärztli-chen Maßnahme nicht möglich ist. Indiesen Fällen hat der auf Basis des ggf.vom Patienten in einer Patientenver -fügung erklärten Willen oder des vomArzt festgestellten mutmaßlichen Wil lensüber die Durchführung oder Unter -lassung der Maßnahme zu entscheiden.Hat z.B. ein Patient verfügt, dass erWieder belebungsmaßnahmen ablehnt,wenn infolge einer Gehirn schädigungseine Fähigkeit, Einsichten zu gewinnen,Ent scheidungen zu treffen und mit anderenMenschen in Kontakt zu treten, nachEinschätzung zweier erfahrener Ärztinnenoder <strong>Ärzte</strong> aller Wahrschein lich keitnach unwiederbringlich erloschen ist, sosind für den Fall einer entsprechendenFeststellung Wiederbele bungs maß -nahmen zu unterlassen, auch wenn keinBetreuer oder Vorsorgebevoll mächtigterbestellt ist bzw. nicht rechtzeitig eineErklärung dieser Personen eingeholt werdenkann. Gesetzlich nicht eindeutiggeregelt ist auch der Fall, in dem derBetreuer die Bewertung des Arztes zurmedizinischen Indikation in Frage stellt.Hier bietet sich an, bei ab weichendenEinschätzungen dem Be treuer oderVorsorgebevoll mäch tigten die Einholungeiner Zweitmei nung anzubieten.Rechtliche Risiken fürden ArztDie Behandlung einwilligungsunfähigerPatienten ist ein stark verrechtlichtesTerrain. Strafbarkeitsrisiken und zivilrechtlicheSchadensersatzrisiken, sei eswegen der Durchführung von Maß -nahmen gegen den Willen des Patientenoder sei es wegen der Unterlas sung indizierterMaß nahmen, sind bei jederEntscheidung über die Indikation einerMaßnahme und den Willen des Patien tenpräsent. Über die Einhaltung der berufsrechtlichohnehin geltenden Dokumen -tationspflicht hinausgehend ist esdeshalb auch zum Schutz vor Schaden -ersatzansprüchen ge boten, die Tatsachen,auf welche Fest stellungen zur Indikationeiner Behand lung und die Einschätzungdes Patienten willens gestützt wordensind und die Ergebnisse der Gesprächemit dem Be treu er bzw. Bevollmächtigtensowie den Ange hörigen, sorgfältigst zudokumentieren.FazitMit der gesetzlichen Neuregelung sindeinige bislang strittige Punkte geklärtworden. Dies betrifft insbesondereVerfahrensfragen und die Frage derReichweite einer Patientenverfügung.Die Bewertung, ob zum Beispiel im konkretenEinzelfall eine medizinischeMaßnah me indiziert ist und ob etwa einePatient en verfügung auf die konkreteLebens- und Behandlungssituation einesPatien ten zutrifft, können gesetzlich nichtgeregelt werden. Damit zusammenhängendeFragen werden <strong>Ärzte</strong> auch künftigvor schwierige Entscheidungen stellen.Diese Entscheidungen kann ihnen auchniemand abnehmen. Die <strong>Ärzte</strong>kammerkann sie bei diesen Entscheidungen durchBeratung insbesondere zur Rechts lageunterstützen. Bei diesbezüglichen Fragensteht ihnen die Abteilung Berufs- undSatzungsrecht der <strong>Ärzte</strong>kammer <strong>Berlin</strong>gerne unterstützend zur Verfügung.FlussdiagrammDie jetzt gesetzlich geregelten Entschei -dungsprozesse für die Behandlung einwilligungsunfähigerPatienten sind komplex.Gleichwohl soll mit dem diesemArtikel folgenden Flussdiagramm derVersuch unternommen werden, die fürden Arzt relevanten Entscheidungen beider Behandlung eines einwilligungsunfähigenPatienten in einem Schemaabzubilden. Das Flussdiagramm dient inerster Linie dazu, einen orientierendenÜberblick über die jetzt gesetzlich geregeltenVoraussetzungen für die Behand -lung eines einwilligungsunfähigenPatienten zu schaffen. Das Schema kannund soll eine Befassung mit den neuengesetzlichen Regelungen im Detail nichtersetzen.Sven NiemeckStellvertretender Leiter der AbteilungBerufs- und Satzungsrecht,<strong>Ärzte</strong>kammer <strong>Berlin</strong>E-Mail: berufsrecht@aekb.deBERLINER ÄRZTE 12/2009 S. 20BERLINER ÄRZTE 12/2009 S. 20

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