Rechtssysteme in Afrika südlich der Sahara - Universität zu Köln
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KANT I<br />
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Kouassi – <strong>Rechtssysteme</strong> <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong><br />
Tatausführenden auch als Verantwortliche ersten Grades (premier responsable) bezeichnet,<br />
die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sippe – als kollektiv Mitverantwortliche – als Verantwortliche zweiten<br />
Grades (responsable secondaire). Die Angehörigen werden automatisch als<br />
Mitverantwortliche behandelt und auch <strong>zu</strong>r Mitverantwortung gezogen. Das Urteil ergeht<br />
zwar nur gegen den Täter, jedoch wird die Strafe kollektiv vollstreckt, d.h. die Sippe als<br />
solche wird bestraft, da sie nicht allen ihren Mitglie<strong>der</strong>n rechtmäßiges Verhalten beibr<strong>in</strong>gen<br />
konnte. Die Sippe muss nach dem Urteil den Tatausführenden wie<strong>der</strong> bei sich aufnehmen und<br />
auch dafür Sorge tragen, die versäumte Rechtserziehung bei diesem nach<strong>zu</strong>holen. Die<br />
Angehörigen nehmen somit die Aufgaben <strong>der</strong> Justizvoll<strong>zu</strong>gsanstalten wahr, da ihre Aufgabe<br />
e<strong>in</strong>erseits dar<strong>in</strong> besteht, die Resozialisierung des Täters vor<strong>zu</strong>nehmen, und an<strong>der</strong>erseits dar<strong>in</strong>,<br />
die Dorfgeme<strong>in</strong>schaft vor weiteren Übergriffen <strong>zu</strong> schützen. Zu e<strong>in</strong>er Durchbrechung dieser<br />
Kollektivbestrafung <strong>der</strong> Sippe kommt es nur bei Tötungsdelikten. Hier gilt <strong>der</strong> Rechtsverstoß<br />
als so schwerwiegend, dass e<strong>in</strong>e Resozialisierung durch die Sippe als nicht mehr möglich gilt.<br />
Durch e<strong>in</strong> Tötungsdelikt s<strong>in</strong>d nach traditionellem Verständnis die lokalen Götter ("Erde" und<br />
"Luft") so missgestimmt, dass <strong>der</strong> Verursacher dieses Zustands nicht mehr auf dem Boden <strong>der</strong><br />
Tat verweilen darf. Folglich wird <strong>der</strong> Täter aus <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft ausgestoßen, wobei die<br />
Mitglie<strong>der</strong> se<strong>in</strong>er Sippe <strong>in</strong> dem Dorf verbleiben dürfen. Die Verbannung aus <strong>der</strong> eigenen<br />
Gesellschaft gilt als sozialer Tod. Dies stellt im traditionellen Recht die e<strong>in</strong>zige Rechtsfolge<br />
dar, welche e<strong>in</strong>e Unterscheidung zwischen dem Verantwortlichen ersten Grades und dem<br />
Verantwortlichen zweiten Grades vornimmt.<br />
Falls <strong>der</strong> Täter e<strong>in</strong> Verbrechen, e<strong>in</strong> Vergehen bzw. e<strong>in</strong>e Übertretung gegen e<strong>in</strong>e<br />
Person o<strong>der</strong> Sache e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Dorfgeme<strong>in</strong>schaft begangen hat, kommt es <strong>zu</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Verschiebung <strong>der</strong> kollektiven Verantwortlichkeit auf die ganze Dorfgeme<strong>in</strong>schaft des Täters.<br />
Somit werden alle Dorfbewohner als Mittäter <strong>der</strong> strafbaren Handlung erachtet. Diese Art <strong>der</strong><br />
kollektiven Verantwortlichkeit bezieht sich dann jedoch weniger auf die Resozialisierung des<br />
Täters – diese bleibt weiterh<strong>in</strong> Aufgabe <strong>der</strong> Sippe – als vielmehr auf die Schadensbehebung<br />
und Wie<strong>der</strong>gutmachung <strong>zu</strong>r Wahrung des Friedens zwischen den Dorfgeme<strong>in</strong>schaften.<br />
Innerhalb des traditionellen Rechtssystems kommt es bei e<strong>in</strong>er begangenen Tat stets<br />
<strong>zu</strong> zwei Schuldsprüchen. E<strong>in</strong>erseits wird das Urteil gegen den Täter ausgesprochen und <strong>der</strong><br />
strafbare Unwert <strong>der</strong> Tat wird ihm ausführlich erklärt und festgehalten. Zum an<strong>der</strong>en wird e<strong>in</strong><br />
Urteilsspruch gegen die Sippe ausgesprochen. Das traditionelle Rechtssystem kennt dabei<br />
ke<strong>in</strong>e festen Strafrahmen für bestimmte Verbrechen, Vergehen o<strong>der</strong> Übertretungen. Die