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Franz Gmainer-Pranzl - polylog. Zeitschrift für interkulturelles ...

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<strong>polylog</strong>103Rezensionen & Tipps136IMPRESSUM137<strong>polylog</strong> bestellenp o l yl og7Pier UNIVERSALISMUS Cesare BoriUniversalismus als Vielheit der Wege19Christoph AntweilerUniversalien – Muster im Meerkultureller VielfaltDer Monolog im Polylog der Kulturen31Mario Rojas HernándezUniversalismus und Begründung der EthikEin Dilemma der lateinamerikanischen Philosophie53Gregor PaulLogik und KulturAllgemeingültige und nicht-allgemeingültigePrinzipien logischer Form69gibt es einen erkenntnisfortschrittdurch <strong>interkulturelles</strong>philosophieren?Anworten von Raúl Fornet-Betancourt,Elmar Holenstein, Heinz Kimmerle, GiangiorgioPasqualotto, Gregor Paul, Bernhard Waldenfels,<strong>Franz</strong> Martin Wimmer & Dina C. Picotti83judith schildt»Das hindert uns nicht voranzuschreiten!«Zum Verhältnis von anarchistischem Denken inChina und aufklärerischen Ideen Oder:Was heißt es, selbstständig zu denken?


& medienmelbandes insgesamt getroffen: kulturelle Differenzennicht als reziprok zu »begreifen« odergar zu »bewältigen«, sondern sie – bei allerOffenheit der Begegnung und bei aller Mühedes Verstehens – in ihrer Unverfügbarkeitund »hermeneutischen Entzogenheit« anzuerkennen.Zu dieser sensiblen und komplexenAufgabenstellung, der wir uns erst allmählichbewusst werden, hat dieser Sammelband zukunftsweisendeImpulse gegeben.<strong>Franz</strong> <strong>Gmainer</strong>-<strong>Pranzl</strong>Kulturelle Differenz als produktives Curriculumzu: Margret Steixner: Lernraum Interkultur. Von interkultureller Erfahrung zu interkultureller KompetenzOffenheit für interkulturelle Erfahrungen,Toleranz gegenüber den »Anderen« undLernbereitschaft in der Begegnung mit dem/den »Fremden« ist ein Wert, der heute vonvielen Menschen grundsätzlich anerkanntwird, wenngleich über diese Einstellung oftnur vage Vorstellungen herrschen. Einerseitswerden andere/fremde Kulturen durchausals »Bereicherung« gesehen, anderseits ist inKonfliktsituationen sehr schnell davon dieRede, dass »die Vielfalt doch gewisse Grenzenhabe« und sich »die Anderen schließlichanpassen müssten«. Die dekorative Exotikeines »Multi-Kulti«-Ambiente erweist sichrasch als hinfällig, wenn – etwa in einer interkulturellenKonfliktsituation – die eigeneLebenswelt und Wissensform einer echten Infragestellungausgesetzt ist und konsequenteLernbereitschaft einfordert wird. Spätestenshier stellt sich unausweichlich die Frage, obder viel zitierte Satz, »dass wir von anderenKulturen lernen können«, wirklich ernst zunehmen ist oder eine leere, politisch völlig bedeutungslosePhrase darstellt.Dass sich in der Begegnung mit anderenKulturen ein »Lernraum« eröffnet, der tatsächlicheine bereichernde Herausforderungdarstellt und auch dem »Eigenen« eine neueQualität verleiht, hat Margarete Steixner inihrer Dissertation aufgezeigt, die an der Fakultätfür Bildungswissenschaften der Leopold-<strong>Franz</strong>ens-Universität Innsbruck eingereichtwurde. Eine intensive Auseinandersetzungmit sozialwissenschaftlichen Modellen undphilosophischen Diskursen sowie der Einbezugvielfältiger (auch eigener) Erfahrungenvon Menschen, die im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit(vor allem in Afrika)tätig sind, verbinden sich in dieser Arbeit zurgut begründeten Ausformulierung der These,dass die Anerkennung kultureller Differenzund der kreative Umgang mit ihr zu den entscheidendenLernerfahrungen des menschlichenLebens zählen.Unter Voraussetzung der »GroundedTheory « sowie eines konstruktivistischen Kulturverständnisses,das wesentlich eine »Prozessorientierung«voraussetzt – also die Ein-Margret Steixner:Lernraum Interkultur.Von interkultureller Erfahrungzu interkultureller Kompetenz.Potentiale und Relevanz desinterkulturellen Coachings amBeispiel von Fachkräften derEntwicklungszusammenarbeit(ÖFSE Forum, 34).Südwind-Verlag, Wien 2007.ISBN 978-3-9502306-4-2230 Seiten.<strong>polylog</strong> 20Seite 109


ücher»Die Illusion eines kulturellenUniversalismus wird durch eineäußerliche Gleichmachereigenährt, muss aber als eine vonder Globalisierung inszenierteMaskierung betrachtet werden,die aus dem Bestreben derVereinnahmung des Fremdenzugunsten eigener Interessenentspringt«(S. 1)»Die Auseinandersetzungmit Differenz ist spannend,aufreibend, konstruktiv undfrustrierend zugleich«(S. 94)<strong>polylog</strong> 20Seite 110sicht, dass »im Überschneidungsbereich derKulturen Bedeutungen ständig neu ausgehandeltwerden müssen« (S. 18) –, geht die Verf.zu Beginn auf Kulturmodelle, Subkulturen,Stereotypisierungen und Möglichkeiten einesKulturvergleichs ein, wobei sie zu Recht aufden fehlenden »Afrikabezug« (S. 36) fast allerModelle interkultureller Kommunikationaufmerksam macht. Im ausführlichen viertenKapitel, einem Kernstück dieser Arbeit, wirddas »Modell kultureller Differenz« vorgestellt,das auf der Analyse zahlreicher Datenbasiert und sich an sechs Achsen orientiert,welche zentrale Probleme interkultureller Begegnungendarstellen. Als »sechs-dimensionalerMerkmalsraum« (S. 33) repräsentiertdieses Modell die Bereiche der Beziehungs-,Denk-, Kommunikations-, Führungs-, Arbeits-und Konfliktstile – alles Lebens- undHandlungsdimensionen, deren Konstellationund Variation die Charakteristik einer »Kultur«ausmacht. In vielen Beschreibungen,illus triert durch entsprechende Ausschnitteaus den Interviews, arbeitet Verf. interessanteAspekte des Zusammenlebens heraus,deren Nichtbeachtung oft zu interkulturellenMissverständnissen und Konflikten führen.So geht es u. a. um individualistische oderkollektivistische Beziehungsstile, Geschlechterrollen,Gruppenloyalität, Bedeutung vonFreundschaften und Körperkontakt, um dasVerständnis von Tradition, den Umgang mitKritik, Transparenz in der Kommunikation,hierarchische und egalitäre Führungsstile,Prozeduren der Entscheidungsfindung, dasVerhältnis von Schriftlichkeit und Mündlichkeit,lineare und zirkuläre Zeitplanung, dieBewertung von Innovation und diverse Konfliktrituale.Das Phänomen »Kulturkontakt«hängt unmittelbar mit dem Verständnis dereigenen kulturellen Identität zusammen, diesich »im Rahmen der Erfahrung der Übereinstimmungvon Wertsystemen, Ordnung,Sicherheit, Konsens« (S. 98) formiert und immerwieder eine starke Tendenz zur Haltungdes »Ethnozentrismus« aufweist: »Ethnozentrismusentsteht grundsätzlich aus dem Bedürfnisdes Vergleiches als Basis der eigenenVerortung im kulturellen System und ist einein diesem Sinne unvermeidbare Konsequenz«(S. 100).Was Verf. vom »Modell kultureller Differenz«her theoretisch entwickelt, verbindetsie im zweiten Teil des Buches mit konkretenHerausforderungen der Entwicklungszusammenarbeitund arbeitet im achten Kapitel»Strategien des Managements von Kulturkontakt«(S. 156) heraus, die den Anspruch»interkultureller Kompetenz« verdeutlichen.Diese kann »als eine Art Linse beschriebenwerden, durch die jegliche Handlung im interkulturellenUmfeld noch einmal betrachtetwerden soll« (S. 162). Die Basisfähigkeiteninterkultureller Kompetenz gliedern sich indrei Sektoren: Zu den Fähigkeiten des Selbstmanagementsgehören neben Selbstvertrauenund Kontaktfreudigkeit auch Stressresistenzund Rollendistanz, was insofern wichtig ist,als »sich im Kontext der fremden Kultur dieGrenzen der Selbstwahrnehmung ändern undman mitunter das Gefühl bekommt, einenSpiegel vorgehalten zu bekommen« (S. 175).


& medienWas das Differenzmanagement bzw. den Umgangmit Fremdheit betrifft, zählt Verf. nebenOffenheit, Neugierde und Respekt auchVorurteilsfreiheit und Toleranz auf, wobeisie letztere sehr differenziert charakterisiert:Toleranz ist weder als »mangelnde Auseinandersetzungsbereitschaft«noch als »falscherKulturrelativismus« zu verstehen, sondernals »Basis für Empathie, welche als Fähigkeitzum Perspektivenwechsel beschrieben wird«(S. 179). Das Integrationsmanagement schließlichmeint die Kompetenzen der Flexibilität, derKomplexitätsreduktion, der Frustrations- sowieder Ambiguitätstoleranz, die in der Fähigkeitbesteht, »mit Mehrdeutigkeiten umzugehenund das innovative Potential dieser zuerkennen« (S. 183).Im Anschluss an diese vielschichtige Darstellung»interkultureller Kompetenz« entwickeltVerf. Ansätze von »interkulturellemCoaching«, das sie grundsätzlich als »ressourcenorientierteInterventionsform« ansieht,»die brachliegende oder unbewusste Fähigkeitenin Wert zu setzen versucht, indem diebetroffene Person in professioneller Weise aufdiese aufmerksam gemacht und das Erstehender entdeckten Ressourcen behutsam und verstärkendbegleitet wird« (S. 186). Mit »Coaching«ist also nicht das Anlernen von Verhaltensweisenoder das Aufdrängen einer neuenSichtweise gemeint, sondern eine intensiveForm, aus Erfahrungen zu lernen, Selbstreflexiongezielt zu fördern und vor allem kulturelleDifferenz wahrzunehmen, zu verwerteund zu fühlen (vgl. S. 201–205). Mit diesemAnsatz ist der Ausgangspunkt dieser Auseinandersetzungmit dem »Lernraum Interkultur«wieder eingeholt: »Die zentraler Thesedieser Arbeit ist, dass Differenz erkannt, anerkanntund gemeistert werden muss« (S. 1).Interkulturelle Kompetenz, und das ist wohlein entscheidendes Ergebnis dieser Überlegungen,besteht nicht in einem »universalenÜberstandpunkt«, sondern im bewussten,kreativen und lernbereiten Umgang mit jenenDifferenzen, die den »Lernraum Interkultur«letztlich ausmachen. Verf. bringt es abschließendauf den Punkt: »Kulturelle Differenz istdie Ressource der sich vernetzenden Weltgesellschaft«(S. 220).Mit dieser klar strukturierten Arbeit, diesich im Schnittpunkt von Sozialwissenschaft,Entwicklungszusammenarbeit und interkulturellerPhilosophie bewegt, hat MargretSteixner gezeigt, dass die Forderung, »vonfremden Kulturen zu lernen«, keine Floskelbleibt, wenn man sich die Mühe macht, dasfaszinierende und komplexe Geschehen interkulturellerBegegnung sorgfältig zu analysierenund als produktive Lernerfahrung – ichmöchte sagen: als Curriculum der Humanität– zu begreifen.»Die Erfahrung von Differenzbringt zwangsläufig die Einsichtmit sich, dass die Welt nichtnur so ist, wie man dieseimmer gesehen hat, sonderntiefgehende Unterschiede innerhalbder kulturellen Systemebestehen. Diese Einsicht solltein der Weise prozessiert werden,dass die Bereitschaft, Differenzauszuhalten, geübt und positivbesetzt werden kann«(S. 205)<strong>polylog</strong> 20Seite 111

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