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Mobbing in der Schule

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Vorwort<strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> ist e<strong>in</strong> altes PhänomenVor e<strong>in</strong>iger Zeit erzählte ich me<strong>in</strong>er Frau, dass ich mich erneutmit dem Thema <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> beschäftigen würde. Kurzes Schweigen,dann erzählte sie:»Als ich 10 Jahre alt war, da haben wir auch e<strong>in</strong>en Schülergemobbt. Er hieß Daniel Weißmüller*. Er hatte sehr reicheEltern. Die Mutter brachte ihn immer mit e<strong>in</strong>em Cabriozur <strong>Schule</strong>. Der Junge kriegte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klasse ke<strong>in</strong> Be<strong>in</strong> auf dieErde.« Und dann berichtete sie von den Geme<strong>in</strong>heiten, diesie damals ihrem Mitschüler zugefügt hatten. Das lag nunalles schon über 40 Jahre zurück. »Aber«, sagte sie, »nachdemsich die Eltern bei <strong>der</strong> Schulleitung beschwert hatten,haben sich die Lehrer sofort e<strong>in</strong>geschaltet. Das Thema kamauf den Tisch. Ich kann mich heute noch an die Situationer<strong>in</strong>nern. Die Klarheit, mit <strong>der</strong> die Lehrer damals Stellungbezogen haben, hat mich überzeugt. Ich habe auch jetzt,wenn ich daran zurückdenke, noch e<strong>in</strong> schlechtes Gewissendeswegen. Ich b<strong>in</strong> nie wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Versuchung gekommen,mich an e<strong>in</strong>em <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>prozess zu beteiligen.«<strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> hat es also schon immer gegeben, und auch dieserschon lange zurückliegende Fall macht bereits wichtige Aspektevon <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> sichtbar:1. Die Erfahrung von <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> – ob als Mitläufer<strong>in</strong>, Opfero<strong>der</strong> Täter – ist äußerst <strong>in</strong>tensiv und nachhaltig.2. In dem Augenblick, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>situation aufgedecktwird und die verantwortlichen Personen (Lehrer,* Alle Namen <strong>in</strong> den Fallbeispielen wurden geän<strong>der</strong>t.8


Schulleitung) klar Stellung beziehen, verlieren Mobber undMitläufer ihre Macht.3. Diese kle<strong>in</strong>e Geschichte verweist auf e<strong>in</strong> sehr wichtigesGrundgefühl, das <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>prozesse begleitet: Scham.4. Sichtbar wird aber auch das Engagement von Eltern undLehrern. Aufklärung schafft Sicherheit.Zum Aufbau des Buches<strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>prozesse s<strong>in</strong>d sehr vielfältig. Viele Menschen sehensich <strong>in</strong> ihrem Alltag damit konfrontiert. Bevor das Phänomen<strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> genauer def<strong>in</strong>iert wird, geht es im ersten Kapitel desBuches um konkrete Ersche<strong>in</strong>ungsformen von <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> ausElternsicht. Die Beispiele machen deutlich, dass Eltern auf Signaleihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die auf e<strong>in</strong>e <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>situation h<strong>in</strong>deuten,achten müssen. Eltern können nicht <strong>in</strong> die gruppendynamischenProzesse, die <strong>in</strong> den Klassen ablaufen, e<strong>in</strong>greifen, abersie können und sollten ihr Anliegen mit den Lehrkräften o<strong>der</strong><strong>der</strong> Schulleitung besprechen. Oft werden <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>prozesse <strong>in</strong>ihrer Dynamik von Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrern unterschätzt, undes ist für sie auch nicht e<strong>in</strong>fach, <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> im Schulalltag zuentdecken, da die Verhaltensweisen <strong>der</strong> Mobber und ihrer Mitläufersehr komplexen <strong>in</strong>neren Mustern folgen, die auf <strong>der</strong>äußeren Handlungsebene verdeckt ablaufen. Häufig s<strong>in</strong>d esnur kle<strong>in</strong>e mimische o<strong>der</strong> gestische H<strong>in</strong>weise, die von e<strong>in</strong>erLehrkraft <strong>in</strong> ihrer Bedeutung nicht wahrgenommen, von allene<strong>in</strong>geweihten Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern aber sofort <strong>in</strong> ihremDemütigungscharakter verstanden werden.Im zweiten Kapitel wird <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> als Prozess beschrieben,an dem mehrere Personen <strong>in</strong> unterschiedlicher Funktion(Mobber, Mitläufer, Zuschauer, Opfer) beteiligt s<strong>in</strong>d. Dabeiwird deutlich, dass <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> nur dann erfolgreich zu bearbeitenist, wenn es als soziales Phänomen verstanden wird. Alle an9


e<strong>in</strong>em <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>prozess beteiligten Personen brauchen Anregungenund Hilfe, um ihr Tun zu durchschauen. So schlimmdie Ereignisse auch für die e<strong>in</strong>zelnen Schüler se<strong>in</strong> mögen: Inklärenden Gesprächen und über Versuche <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>gutmachungkönnen wichtige Erfahrungen für die Entwicklung<strong>der</strong> eigenen Persönlichkeit gewonnen werden.In diesem Kapitel geht es auch um die Son<strong>der</strong>form von<strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>, wenn Opfer – ohne es zu wollen – durch eigene AktivitätenMitschüler zu <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>handlungen herausfor<strong>der</strong>n. Esspricht vieles dafür, dass sich dieses Muster aus unsicherenB<strong>in</strong>dungserfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> frühen K<strong>in</strong>dheit (vgl. S. 75ff.) entwickelt.K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die auf diese Weise zu Opfern werden, brauchen<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel dr<strong>in</strong>gend therapeutische Hilfe.Im dritten Kapitel wird beschrieben, wie Eltern <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>vor allem dadurch vorbeugen können, dass sie sich um e<strong>in</strong>egel<strong>in</strong>gende Persönlichkeitsentwicklung ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong> bemühen.Hierzu werden Erkenntnisse <strong>der</strong> Säugl<strong>in</strong>gs- und B<strong>in</strong>dungsforschungh<strong>in</strong>zugezogen und zu Ergebnissen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nenHirnforschung <strong>in</strong> Beziehung gesetzt.Im vierten Kapitel f<strong>in</strong>det die Entwicklungsphase vom K<strong>in</strong>dzum Erwachsenen, die Adoleszenz, beson<strong>der</strong>e Beachtung.Während dieser Zeit s<strong>in</strong>d viele Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler –bed<strong>in</strong>gt durch die vielfältigen körperlichen und seelischen Verän<strong>der</strong>ungsprozesse– verunsichert. Oft s<strong>in</strong>d <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>prozesseunmittelbarer Ausdruck dieser elementaren Verunsicherungen.Mobbende Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler haben auf e<strong>in</strong>erunbewussten Ebene das Ziel, sich durch Machtausübung überMitschüler e<strong>in</strong> Gefühl von Sicherheit zu verschaffen, wobei essich natürlich nur um e<strong>in</strong>e Pseudo-Sicherheit handeln kann.Diese »Entwicklungssackgassen« müssen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> beachtetund ernst genommen werden.E<strong>in</strong> wichtiger Schwerpunkt dieses Buches ist die konstruktiveBearbeitung von <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. Da Lehrer undLehrer<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel während ihres Studiums und nach-10


folgen<strong>der</strong> Fortbildungen mit den speziellen Wirkmechanismenvon <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> nicht vertraut gemacht werden, stehen sie solchenSituationen meist hilflos gegenüber. Im fünften undsechsten Kapitel soll das Buch hier zu e<strong>in</strong>er deutlichen Kompetenzerweiterungbeitragen.11


1Macht und Ohnmacht<strong>in</strong> <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>situationenWer <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> erfolgreich <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>prozesse bearbeitenwill, darf nicht nur auf die Aktionen auf <strong>der</strong> äußeren Handlungsebeneschauen. Er muss vielmehr versuchen, die <strong>in</strong>nereWelt <strong>der</strong> Akteure zu entdecken. Das ist nicht e<strong>in</strong>fach. Aber vieleK<strong>in</strong><strong>der</strong> – auch Jugendliche – s<strong>in</strong>d bereit, uns Auskunft darüberzu geben, was sich <strong>in</strong> ihrem Inneren abspielt. Sie s<strong>in</strong>d dannbereit, wenn wir Interesse signalisieren und ihnen e<strong>in</strong> vertrauensvollesBeziehungsangebot machen. Kann dies von Lehrer<strong>in</strong>nenund Lehrern nicht geleistet werden, ist es nur sehrschwer, dem Opfer zu helfen.Wichtig ist die Beachtung <strong>der</strong> Verhaltensmuster, nachdenen die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler <strong>in</strong> <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>situationenhandeln. Damit s<strong>in</strong>d jene Muster geme<strong>in</strong>t, die sich im Laufe<strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit aufgrund vieler Alltagserfahrungen mit an<strong>der</strong>enMenschen als <strong>in</strong>nere Handlungsmodelle ausgebildet haben –mit ihren Eltern, mit Erwachsenen im nahen Umfeld, mitan<strong>der</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und mit ihren Erzieher<strong>in</strong>nen im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten(vgl. Kapitel 3). Zunächst ist es jedoch wichtig, dasserwachsene Personen die Signale verstehen, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong><strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>situationen aussenden, und dann die entsprechendenKonsequenzen für ihr Handeln ziehen. Das gel<strong>in</strong>gt lei<strong>der</strong>nicht immer. Das sollen die folgenden Beispiele deutlichmachen.12


»Du bist blöd und st<strong>in</strong>kst!«Die Mutter e<strong>in</strong>es <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>opfers erzählt:»Ich will erst e<strong>in</strong>mal etwas zur Situation <strong>der</strong> Täter<strong>in</strong> sagen,ich nenne sie Charlotte. Charlotte war mit me<strong>in</strong>er TochterLena schon während <strong>der</strong> Orientierungsstufenzeit befreundet.Ihre Eltern s<strong>in</strong>d sehr leistungsorientiert. Wenn Charlottedie Erwartungen ihrer Eltern erfüllte, wurde sie auchgeschätzt. Aber dann gab es Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie, h<strong>in</strong>zukam, dass <strong>der</strong> große Bru<strong>der</strong> für e<strong>in</strong> Jahr <strong>in</strong>s Ausland g<strong>in</strong>g. Erwar die emotionale Stütze se<strong>in</strong>er Schwester. In dieserPhase klaute Charlotte me<strong>in</strong>er Tochter e<strong>in</strong>e Jacke undbehauptete, sie geschenkt bekommen zu haben. Mit CharlottesEltern konnten wir uns nicht verständigen. Sie wiesendie Anschuldigung zurück. Das war alles noch während<strong>der</strong> 6. Klasse. Dann kamen beide aufs Gymnasium.Neue Mitschüler, neue Orientierungen, Unsicherheiten. Esbilden sich neue Freundschaften. Charlotte scharte dreiweitere Schüler<strong>in</strong>nen um sich und machte Lena fertig.Lena verstand die Welt nicht mehr, sagte aber e<strong>in</strong> viertelJahr lang nichts. Später erklärte sie, das habe doch garnicht se<strong>in</strong> können, was sie erlebt habe. Sie habe immergehofft, das müsse doch wie<strong>der</strong> vorbeigehen.Vor Klassenarbeiten wurde sie unter Druck gesetzt.»Du übst und übst und wirst die Arbeit trotzdem verhauen.Du bist e<strong>in</strong>fach zu blöd. Du kannst noch so viel üben wiedu willst, du wirst höchstens e<strong>in</strong>e 4 schreiben!« Morgensvor <strong>der</strong> Arbeit fand Lena e<strong>in</strong>en Zettel an ihrem Fahrrad mit<strong>der</strong> Aufschrift: »Du st<strong>in</strong>kst!«Lena hoffte, dass das vorbeigehen würde. Sie hoffteauch, dass sie unter den vielen Schüler<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong>f<strong>in</strong>den würde. Vergeblich. Später sagten die Mitläufer<strong>in</strong>nen:»Wenn Charlotte so e<strong>in</strong>en Hass auf Lena hat, dann muss da13


14doch etwas dran se<strong>in</strong>.« Im übrigen wollten sie sich da nichtre<strong>in</strong>hängen, guckten <strong>in</strong> den entsprechenden Situationenweg.Die Lehrer merkten nichts. Als die Attacken nicht aufhörten,wandte sich Lena an uns, an ihre Eltern. Wir reagiertensofort, sprachen mit <strong>der</strong> Klassenlehrer<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>erFachlehrer<strong>in</strong>. Die Fachlehrer<strong>in</strong> wollte e<strong>in</strong> Auge auf dieMädchen haben. Die Klassenlehrer<strong>in</strong> sah das Vorgehen alsalterstypisch an. Sie hat nichts zur Unterstützung und Klärungunternommen.Das hatte schlimme Folgen. Lena fiel <strong>in</strong> den Hauptfächernum zwei Notenstufen ab. Die Demütigungendurch ihre Mitschüler<strong>in</strong>nen hielten an. Was sollten wirmachen? Charlottes Eltern waren nicht kooperationsbereit,die Klassenlehrer<strong>in</strong> verweigerte sich und die Fachlehrer<strong>in</strong>nahm nichts wahr. Unser K<strong>in</strong>d litt und konnte sichnicht mehr konzentrieren. Wir holten uns Rat von e<strong>in</strong>emTherapeuten und nahmen nach e<strong>in</strong>em Jahr unsere Tochtervon <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. Es heißt, dass das Kollegium sich sehrum die soziale Situation <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schülerkümmern würde. Die <strong>Schule</strong> hat e<strong>in</strong>en guten Ruf, sowohl<strong>in</strong> Bezug auf die Leistungen als auch auf das soziale Verhalten<strong>der</strong> Schüler. Aber wir erlebten <strong>in</strong> unserer Klasse Lehrer,die das Leiden unserer Tochter jedenfalls nicht wahrgenommenhaben.Unserem K<strong>in</strong>d geht es auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en <strong>Schule</strong> sehr gut.Lena hat wie<strong>der</strong> ihr früheres Leistungsniveau erreicht. Wirhaben diesen Schritt nicht e<strong>in</strong>en Tag bereut. An<strong>der</strong>e Elternsagen, das Problem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klasse sei geblieben, nun habesich Charlotte e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Opfer gesucht.Lena sagt rückblickend, was da abgelaufen sei, hättendie Lehrer auch gar nicht wahrnehmen können, das seialles sehr subtil gewesen.«


In diesem Bericht werden wichtige Merkmale von <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>situationendargestellt. Es gruppieren sich mehrere Mädchenum e<strong>in</strong>e Täter<strong>in</strong>. Deren Lebenssituation zeichnet sich durchgroße Unsicherheit aus. Es ist denkbar, dass sie versucht, dieseUnsicherheit durch Machtausübung gegenüber e<strong>in</strong>er Mitschüler<strong>in</strong>zu überw<strong>in</strong>den. Sie klaut ihr e<strong>in</strong>e Jacke, behauptet aber,diese sei e<strong>in</strong> Geschenk gewesen. Die Tatsache, dass sie damitdurchkommt, stärkt sie <strong>in</strong> ihrem Machtgefühl. Sie schart Mitschüler<strong>in</strong>nenum sich, die geme<strong>in</strong>sam mit ihr die unterschiedlichstenDemütigungsaktionen gegenüber dem Opfer starten.Das Opfer fühlt sich völlig hilflos. In <strong>der</strong> Not wendet sich dasMädchen an se<strong>in</strong>e Eltern. Die zeigen Empathie – sogar für dieTäter<strong>in</strong>. Sie holen sich auch Rat von außen, f<strong>in</strong>den allerd<strong>in</strong>gsbei den Lehrer<strong>in</strong>nen ke<strong>in</strong> Verständnis. Und damit s<strong>in</strong>d wir beimentscheidenden Punkt. Wenn Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer e<strong>in</strong>e solcheSituation nicht richtig e<strong>in</strong>ordnen, wenn ihnen das Problembewusstse<strong>in</strong>dafür fehlt, dann gerät das Opfer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e hoffnungsloseSituation. Die Macht <strong>der</strong> Mobber wird umso stärker,je mehr sie spüren, dass ihnen von den Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrernnicht E<strong>in</strong>halt geboten wird. In e<strong>in</strong>er solchen Situation gibtes für das Opfer nur die Chance, die <strong>Schule</strong> zu verlassen.Gleichzeitig hat das Verhalten <strong>der</strong> Mobber<strong>in</strong> und <strong>der</strong> Mitläufer<strong>in</strong>nenalterstypische Merkmale. Unsicherheit gehört zurPubertät (vgl. Kapitel 4). Manche Mädchen versuchen, sichSicherheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gleichaltrigengruppe über Freundschaftenzu sichern. Dagegen ist nichts e<strong>in</strong>zuwenden. Wenn dieseFreundschaft allerd<strong>in</strong>gs erzwungen wird, wenn man zur Mitläufer<strong>in</strong>wird, um selbst nicht Opfer zu werden, dann kannsich diese Erfahrung als Handlungsmuster festsetzen. Die freieEntscheidung zu e<strong>in</strong>er Freundschaft wird e<strong>in</strong>geschränkt undgleichzeitig die Erfahrung gespeichert, dass man auf dasWohlwollen <strong>der</strong> Mitschüler<strong>in</strong>nen und Mitschüler angewiesenist, wenn man e<strong>in</strong>e Freundschaft schließen will. So entstehte<strong>in</strong> <strong>in</strong>neres Muster, das den Selbstentwicklungsprozess zu15


e<strong>in</strong>er reifen Persönlichkeit erschweren und manchmal starkbee<strong>in</strong>trächtigen kann.Um soziale Beziehungen verstehen und e<strong>in</strong>ordnen zu können,bilden wir während <strong>der</strong> frühen K<strong>in</strong>dheit <strong>in</strong>nere Muster aus.Hirnforscher sprechen <strong>in</strong> diesem Zusammenhang von <strong>der</strong> Vernetzungvon Erfahrungen im Gehirn. Wenn nun e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d Erfahrungenmacht, für die es <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Gehirn ke<strong>in</strong>e Muster ausgebildethat, die ihm helfen diese Erfahrung zu verstehen, reagiertes irritiert, es »versteht die Welt nicht mehr«: <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>opferhaben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel für das, was ihnen angetan wird, ke<strong>in</strong> <strong>in</strong>neresErklärungsmuster. Das ist nachvollziehbar. So kommt es,dass sie e<strong>in</strong>e von den Eltern o<strong>der</strong> Lehrern angeregte therapeutischeBetreuung ablehnen. Das ist aber auch e<strong>in</strong> gutes Zeichen:Sie zeigen <strong>in</strong>nere Stärke und verweisen darauf, dass nicht sietherapiebedürftig s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n die Täter<strong>in</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Täter unddie Mitläufer therapeutische Hilfe brauchen.Für den Erhalt und Aufbau <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Stärke, die gerade<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ablehnung e<strong>in</strong>er Therapie zum Ausdruck kommt,braucht das Opfer die Unterstützung se<strong>in</strong>er Lehrer<strong>in</strong>nen undLehrer. Alle<strong>in</strong> kann es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>e <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>situation nichtbewältigen. Die Eltern von Lena haben die Signale ihrer Tochterrichtig gedeutet und entsprechende Folgerungen gezogen.Auf Unterstützung durch Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer dieser <strong>Schule</strong>konnten sie jedoch lei<strong>der</strong> nicht hoffen.Ganz an<strong>der</strong>s entwickelt sich e<strong>in</strong>e Situation, wenn die verantwortlichenLehrer sofort e<strong>in</strong>greifen. Wenn sie dabei Unterstützungdurch Schüler bekommen, erleichtert das e<strong>in</strong>e konstruktiveBearbeitung.»Mama, die wollen mich fertig machen!«Die Mutter erhält an ihrem Arbeitsplatz e<strong>in</strong>en Anruf vonihrer Tochter. Sie habe Angst <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong>. Gerade hätten16


mehrere Mitschüler<strong>in</strong>nen auf dem Schulhof e<strong>in</strong>en engenKreis um sie gebildet und ihr Prügel angedroht. Sie habesich auf die Toilette flüchten und von dort mit dem Handyanrufen können. Die Mutter solle sie abholen, sie wollenicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> bleiben.Unmittelbar im Anschluss bittet mich die Mutter ume<strong>in</strong> Beratungsgespräch. Sie erzählt: Schon seit längerer Zeitwerde ihre Tochter von mehreren Schüler<strong>in</strong>nen geärgert.Immer wie<strong>der</strong> berichte ihre Tochter, sie würde von an<strong>der</strong>engehänselt, gemieden, beschimpft. Nun sei offensichtliche<strong>in</strong>e weitere Eskalation erfolgt. So hoffnungslos habe ihreTochter noch nie gewirkt wie bei diesem Anruf. Sie habeihrer Tochter geraten, sofort e<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> anzusprechenund um Hilfe zu bitten. Bevor sie diesen Rat umsetzenkonnte, hatte schon e<strong>in</strong> Schüler, <strong>der</strong> die Situationbeobachtet hatte, e<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong> <strong>in</strong>formiert.Ihre Tochter Anja sei 13 Jahre alt und besuche z. Z. die7. Klasse e<strong>in</strong>er Gesamtschule. Während <strong>der</strong> 5. und 6. Klassesei es relativ gut gegangen. Sie sei dort zwar auch schonvon e<strong>in</strong>er Mitschüler<strong>in</strong> gehänselt und geärgert worden,ihre beiden Freund<strong>in</strong>nen hätten aber immer zu ihr gehalten.Insgesamt sei die Atmosphäre während dieser Jahre <strong>in</strong><strong>der</strong> Klasse nicht sehr gut gewesen. Es habe immer großeUnruhe geherrscht. Nach Auskunft <strong>der</strong> Schüler habe sichdie Klassenlehrer<strong>in</strong> nicht beson<strong>der</strong>s um e<strong>in</strong>e besser Atmosphäregekümmert. Sie habe auch nur wenig von demmitbekommen, was sich während des Unterrichts und <strong>der</strong>Pausen unter den Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern abspielte.Mit Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 7. Klasse seien die Schüler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>enReal- und Gymnasialschulzweig aufgeteilt worden.Dadurch sei Anja nun nicht mehr mit ihren beiden bestenFreund<strong>in</strong>nen zusammen, die beide den Realschulzweigbesuchten. In <strong>der</strong> neuen Klasse sei sie von Anfang an vonAndrea, e<strong>in</strong>er Mitschüler<strong>in</strong>, gehänselt, beleidigt und auch17


geschlagen worden. Und nun habe Andrea mit neun weiterenMädchen auf dem Schulhof e<strong>in</strong>en Kreis um Anja gebildetund ihr Schläge angedroht.Ihre neue Klassenlehrer<strong>in</strong> hat den Vorfall sehr ernstgenommen und sofort mit Andrea e<strong>in</strong> Gespräch geführt.Wenn so etwas noch e<strong>in</strong>mal vorkomme, müsse sie mite<strong>in</strong>em Verweis von <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> rechnen. In jedem Fallkomme es zu e<strong>in</strong>er Klassenkonferenz, bei <strong>der</strong> über denVorfall gesprochen werde.»Me<strong>in</strong>e Tochter«, sagt die Mutter, »me<strong>in</strong>t, dass dies allesnicht erfor<strong>der</strong>lich sei. Sie möchte nur, dass das aufhört.«Es lassen sich auch bei diesem Beispiel typische <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>strukturenerkennen: E<strong>in</strong>e Schüler<strong>in</strong> ist über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraumvon e<strong>in</strong>er Mitschüler<strong>in</strong> geärgert worden, an<strong>der</strong>e habendas zugelassen und s<strong>in</strong>d jetzt aktiv mit e<strong>in</strong>gestiegen. Das Opfergerät <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ausweglose Situation, kann aber noch die Mutteranrufen und ist auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, <strong>der</strong>en Rat umzusetzen. Damitwird <strong>der</strong> Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Verän<strong>der</strong>ung sichtbar.Unterstützung erfährt das Opfer durch e<strong>in</strong>en Mitschüler,<strong>der</strong> den Vorfall beobachtet hat und die Lehrer<strong>in</strong> <strong>in</strong>formiert.Diese nimmt die Situation ernst, <strong>in</strong>terveniert sofort und verhältsich <strong>der</strong> Täter<strong>in</strong> gegenüber deutlich und klar.Wie kann es weitergehen? Man darf an dieser Stelle desProzesses nicht annehmen, dass nun alles wie<strong>der</strong> gut sei. Fürdie <strong>Schule</strong> ergeben sich folgende Aufgaben:1. Die Klassenlehrer<strong>in</strong> sollte die Situation mit den beteiligtenSchüler<strong>in</strong>nen und Schülern besprechen. Mit <strong>der</strong> Täter<strong>in</strong>hat bereits e<strong>in</strong> Gespräch stattgefunden. Ihr wurde angedroht,dass im Wie<strong>der</strong>holungsfall e<strong>in</strong>e Klassenkonferenze<strong>in</strong>berufen würde.2. Die Klassenlehrer<strong>in</strong> sollte mit dazu beitragen, dass AnjasSelbstwertgefühl wie<strong>der</strong> gestärkt und3. e<strong>in</strong>e Integration <strong>in</strong> den Klassenverband ermöglicht wird.18


Im Gespräch mit <strong>der</strong> Mutter arbeite ich die folgenden Aspekteheraus:1. Die Mutter sollte, möglichst zusammen mit ihrer Tochter,die Klassenlehrer<strong>in</strong> aufsuchen, sich bei ihr für ihr schnellesE<strong>in</strong>greifen bedanken und überlegen, welche Schritte fürAnjas Integration e<strong>in</strong>geleitet werden könnten.2. Anja sollte sich bei ihrem Mitschüler bedanken, <strong>der</strong> sichfür sie e<strong>in</strong>gesetzt hat.3. Klärung <strong>der</strong> Freundschaftsbeziehungen zu den beidenbesten Freund<strong>in</strong>nen. Diese besuchen zwar jetzt den Realschulzweig,haben aber an den Wochenenden noch Kontaktmit Anja .4. Kontakt <strong>der</strong> Mutter mit an<strong>der</strong>en Müttern aus <strong>der</strong> Klasse.So könnte auf <strong>der</strong> Ebene von Bekanntschaft e<strong>in</strong> weiteresNetz des Vertrauens aufgebaut werden.5. Nach Menschen suchen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Freizeitfür Anja e<strong>in</strong>e positive Bedeutung haben. Auf dieseAnregung h<strong>in</strong> fielen <strong>der</strong> Mutter gleich e<strong>in</strong>e weitere Lehrer<strong>in</strong>und e<strong>in</strong> Lehrer e<strong>in</strong>.Der Vater fällt aus den Überlegungen heraus, weil er sich wenigum die Erziehung se<strong>in</strong>er Tochter gekümmert hat, wie AnjasMutter berichtet. Insgesamt sei die familiäre Situation schonseit längerer Zeit nicht e<strong>in</strong>fach: Das Beziehungsverhältnis auf<strong>der</strong> Eltern-Ebene sei stark belastet und <strong>der</strong> Vater habe ke<strong>in</strong> Verständnisfür die Sorgen se<strong>in</strong>er Tochter.Das Ergebnis: Vier Wochen nach diesem Gespräch meldetsich die Mutter. Sie ist erleichtert und erzählt, es habe sich alleszum Guten gewendet, und sie habe die erarbeiteten Perspektivenumgesetzt. Zuerst habe sie mit <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong> gesprochenund sich für ihr E<strong>in</strong>greifen bedankt. Ebenso habe sich ihreTochter bei dem Mitschüler bedankt, <strong>der</strong> den Vorfall sofort <strong>der</strong>Lehrer<strong>in</strong> gemeldet hatte. Die Lehrer<strong>in</strong> habe mit den Schülerne<strong>in</strong> Gespräch geführt. Dabei sei deutlich geworden, dass ihrer19


Tochter von <strong>der</strong> Mobber<strong>in</strong> unterstellt worden sei, sie habe e<strong>in</strong>Geheimnis verraten. Dies stellte sich als falsch heraus. Da es <strong>in</strong><strong>der</strong> Klasse weitere Probleme gab, habe e<strong>in</strong> außerplanmäßigerElternabend stattgefunden. Dabei sei herausgekommen, dassdie Mobber<strong>in</strong> auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e Konflikte verwickelt gewesen sei.Aber entscheidend sei gewesen, dass nun alle Eltern von denVorfällen und dem <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>prozess, <strong>in</strong> den ihre Tochter verwickeltwar, Kenntnis erhalten hätten. Es sei davon deswegennichts nach außen gedrungen, weil alle Schüler – mit e<strong>in</strong>er Ausnahme– geschwiegen hätten. Sie alle verband angeblich e<strong>in</strong>Geheimnis, das von Anja verraten worden se<strong>in</strong> sollte. Hättensie mit ihren Eltern über Anjas Leiden gesprochen, wäre ihrAnteil am <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>prozess auch offenbar geworden. Ob eswirklich e<strong>in</strong> Geheimnis gab, konnte nicht geklärt werden, se<strong>in</strong>verme<strong>in</strong>tlicher Verrat war jedenfalls Anlass für die Attackengegenüber Anja. Die Eltern und auch die meisten Lehrer hattenvon diesen Vorgängen nichts mitbekommen.Anja geht heute wie<strong>der</strong> gern zu <strong>Schule</strong>. Sie fühlt sich sicher.Das Verhältnis zu den an<strong>der</strong>en Mädchen – auch zu ihrer e<strong>in</strong>stigenMobber<strong>in</strong> – kann jetzt als neutral bezeichnet werden.E<strong>in</strong>e positive Entwicklung zeichnet sich ab.Völlig offen – verbunden mit allen denkbaren Gefahren –stellt sich die nachfolgende Situation dar, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehrer undSchulleiter ke<strong>in</strong> Gespür für die Bedrohung entwickeln, sichnicht e<strong>in</strong>schalten, ke<strong>in</strong>e Klärungsgespräche führen und dasOpfer sich selbst überlassen.»Irgendwann schlage ich zu!«Sven besucht die 8. Klasse e<strong>in</strong>er Realschule. Erste Problemegab es schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> 5. Klasse. Er wurde von Mitschülerngeärgert und auch geschlagen. Zunächst erzählte ernichts zu Hause. Als es immer wie<strong>der</strong> passierte, wandte er20


sich an se<strong>in</strong>en Klassenlehrer. Dieser <strong>in</strong>terpretierte die Vorkommnisseals altersangemessene Rangeleien. Als SvensMitschüler bemerkten, dass sich Sven immer wie<strong>der</strong> anse<strong>in</strong>en Lehrer wandte, nannten sie ihn e<strong>in</strong> Weichei.Sven hat noch zwei jüngere Schwestern. Die Familie istkürzlich aus <strong>der</strong> nahe gelegenen Stadt aufs Land gezogen.Sven hatte früher ke<strong>in</strong>e Freunde und hat auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er jetzigenKlasse ke<strong>in</strong>en Freund. Se<strong>in</strong> Vater erklärt es damit,dass Sven die Eigenart habe, se<strong>in</strong>en eigenen Willen durchzusetzen.Er sei wenig flexibel. Wenn er von etwas überzeugtsei, dann kämpfe er auch darum, dass se<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ungakzeptiert werde. Aber traurig sei das schon, dass er vonallen geschnitten werde. Bahne sich e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Freundschaftan, dann halte die nicht lange.Schnell wird er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er neuen Klasse zum Opfer. Füralle war nach wenigen Tagen an <strong>der</strong> Tafel zu lesen: »Sven istblöd!« Als die Hänseleien nicht aufhörten, rastete Svene<strong>in</strong>es Tages aus. Er warf mit <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>tasche se<strong>in</strong>er Tischnachbar<strong>in</strong>durch die Klasse, traf e<strong>in</strong>e Mitschüler<strong>in</strong> am Kopfund verletzte sie leicht. Es war ke<strong>in</strong> gezielter Wurf, dasbestätigten später Mitschüler. Das getroffene Mädchen undauch dessen Eltern waren mit e<strong>in</strong>er Entschuldigung zufrieden,zeigten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewissen Umfang auch Verständnisfür Svens Verhalten. Die meisten Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<strong>der</strong> Klasse kannten die Zusammenhänge, wussten, dassSven immer wie<strong>der</strong> Demütigungen ausgesetzt war.Allerd<strong>in</strong>gs fand Sven ke<strong>in</strong>erlei Verständnis bei se<strong>in</strong>erKlassenlehrer<strong>in</strong> und auch nicht beim Schulleiter. Se<strong>in</strong> Verhaltenwurde vom Schulleiter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gespräch mit Vaterund Sohn als krim<strong>in</strong>elle Tat bezeichnet. Alle Versuche desVaters, <strong>der</strong> Schulleiter möge doch die ständigen Demütigungen,denen se<strong>in</strong> Sohn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klasse ausgesetzt sei, ernstnehmen und bei se<strong>in</strong>er Würdigung des Ereignisse berücksichtigen,blieben ohne Gehör. Aus <strong>der</strong> Sicht des Vaters21


22hatten Klassenlehrer<strong>in</strong> und Schulleiter nur das konkreteEreignis im Blick, sahen Sven als Verursacher <strong>der</strong> Tat, wasauch nicht bestritten wurde, und machten ihn zum Schuldigen.In <strong>der</strong> Folge zeigten Mitschüler auf ihn und sagten:»Das ist <strong>der</strong>, <strong>der</strong> mit Sachen um sich wirft.«Sven kam oft traurig nach Hause und we<strong>in</strong>te. Wehrte ersich, so sagen Lehrkräfte, <strong>der</strong> Junge verfüge über e<strong>in</strong>egehörige Portion krim<strong>in</strong>eller Energie.In <strong>der</strong> 6. Klasse eskalierte die Situation. Sven ist e<strong>in</strong> kräftigerJunge, im Sportunterricht allerd<strong>in</strong>gs bei manchen Übungennicht sehr geschickt. Als er wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e »komischeFigur« machte, wurde er ausgelacht und nach demUnterricht von Mitschülern umr<strong>in</strong>gt und kräftig verprügelt.Da die Familie <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> ke<strong>in</strong> Gehör und auch ke<strong>in</strong>Verständnis fand, suchte sie e<strong>in</strong>e Beratungsstelle auf. ImZentrum <strong>der</strong> Gespräche stand die familiäre Beziehungskonstellation.Es wurde über die Beziehungen <strong>der</strong> Elternzue<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, zu ihren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und auch über das Verhältnisunter den Geschwistern gesprochen. In den Gesprächenwurde deutlich, dass Sven dazu neigt, <strong>in</strong> Alltagssituationense<strong>in</strong>en Willen durchzusetzen. Das wird von den Familienmitglie<strong>der</strong>nals e<strong>in</strong>e Eigenart von ihm angesehen und kannvon allen so akzeptiert werden. Dieses Verhalten könnteaber e<strong>in</strong>en Rolle dabei spielen, dass er immer wie<strong>der</strong><strong>in</strong> <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>situationen verwickelt wird. Se<strong>in</strong>e beidenSchwestern kommen sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><strong>Schule</strong> ohne Probleme zurecht. Die therapeutische Beratungergab ke<strong>in</strong>en Anhaltspunkt dafür, dass die Ursachefür Svens Probleme im familiären System liegen könnte.Somit gab es auch ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise, was die Familie hättenän<strong>der</strong>n können bzw. wie sie die ständigen Demütigungenvon Sven hätte bee<strong>in</strong>flussen können.In <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> blieb Sven das Opfer. Die Familie fandwe<strong>der</strong> bei den Lehrern Verständnis noch waren die Eltern


<strong>der</strong> Mitschüler bereit, die ständigen Konflikte zu thematisieren.Sie wollten nicht daran rühren. Dabei war klarerkennbar, was fast täglich passierte: E<strong>in</strong> Mitschüler <strong>in</strong>szeniertedie Beleidigungen und Kränkungen. Er führte e<strong>in</strong>eGruppe von fünf Schülern an, die immer wie<strong>der</strong> gegenüberSven Gewalt ausübten: <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klasse, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Turnhalle, aufdem Schulhof o<strong>der</strong> auf dem Weg zum Bus. In den letztenWochen <strong>der</strong> 6. Klasse nahmen die Beleidigungen undDemütigungen so stark zu, dass die Eltern ihren Sohn nichtmehr zur <strong>Schule</strong> schickten. Sie diskutieren auch mit ihme<strong>in</strong>en möglichen Schulwechsel. Dieser Vorschlag wird vonihm mit dem Argument zurückgewiesen, dann würde ersich als Verlierer fühlen.Sven versucht, die verbalen Beleidigungen zu ertragen.Körperlichen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen geht er möglichst imVorfeld aus dem Weg. Obwohl se<strong>in</strong>e Mitschüler die Abläufedurchschauen, erhält er we<strong>der</strong> von ihnen noch von <strong>der</strong>enEltern Unterstützung. Se<strong>in</strong>e Strategie sche<strong>in</strong>t dar<strong>in</strong> zubestehen, irgendwie durchzukommen. Aus Sicht se<strong>in</strong>erEltern wirkt er bedrückt.Inzwischen hat es e<strong>in</strong>en Wechsel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schulleitunggegeben. Daran knüpfen die Eltern ihre Hoffnung, nunkönne alles besser werden. Lei<strong>der</strong> zeigt Sven <strong>in</strong>zwischenVerhaltensweisen, die im Ansatz den Verhaltensweisen se<strong>in</strong>erPe<strong>in</strong>iger ähnlich s<strong>in</strong>d. Zusammen mit e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>enSchüler provoziert er e<strong>in</strong>e Referendar<strong>in</strong> und versucht, sieim Unterricht bloßzustellen.E<strong>in</strong> Junge gerät <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>situation. Möglicherweisespielt dabei se<strong>in</strong>e Eigenart, se<strong>in</strong>e Vorstellungen mit Nachdruckdurchzusetzen, e<strong>in</strong>e Rolle. Dieses Verhalten ist sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong>Familie als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schule</strong> bekannt. Allerd<strong>in</strong>gs besteht vonschulischer Seite ke<strong>in</strong> Interesse an e<strong>in</strong>er Klärung <strong>der</strong> Ereignisse.23


Zuwendung und Interesse se<strong>in</strong>er Lehrer sowie <strong>der</strong> Schulleitungan <strong>der</strong> Klärung <strong>der</strong> Konflikte, <strong>in</strong> die Sven immer wie<strong>der</strong>verwickelt war, hätten zur Aufklärung <strong>der</strong> Handlungsabläufeführen können. Damit wäre für Sven die Chance eröffnet worden,se<strong>in</strong> eigenes Verhalten mit dem an<strong>der</strong>er Schüler <strong>in</strong> Beziehungzu setzen. Auf diese Weise hätte er vielleicht Strategienentwickeln können, die ihm e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Blick auf die Vorkommnisseeröffnet hätten. Im Rahmen e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samenKlärung hätte es für alle Schüler die Chance gegeben, neueHandlungsmuster zu entwickeln.Aus Sicht <strong>der</strong> Eltern hat das Leiden ihres Sohnes mit demunqualifizierten Verhalten <strong>der</strong> Lehrkräfte und <strong>der</strong> Schulleitungzu tun. E<strong>in</strong> Wechsel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schulleitung und Verän<strong>der</strong>ungen imLehrerkollegium könnten, so hoffen sie, zu e<strong>in</strong>em Verständnisfür die Situation ihres Sohnes führen. Hier muss man allerd<strong>in</strong>gssagen: E<strong>in</strong> Wechsel alle<strong>in</strong> wird ke<strong>in</strong> Wun<strong>der</strong> vollbr<strong>in</strong>gen.Verhaltensän<strong>der</strong>ungen gel<strong>in</strong>gen nur dann, wenn Lehrer<strong>in</strong>nenund Lehrer Interesse an den Problemen ihrer Schüler<strong>in</strong>nenund Schüler entwickeln und mit ihnen geme<strong>in</strong>sam nachLösungen suchen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt muss offenbleiben, wie sich die Situation entwickeln wird.Wenn Lehrer bei solchen Ereignissen die Augen verschließenund ke<strong>in</strong>e Lösungsmöglichkeiten erörtern, eventuelldurch ihr Verhalten den E<strong>in</strong>druck verstärken, schuld an allemsei das Opfer, dann verstärken sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die Aktivitäten<strong>der</strong> Täter. Sie tragen aber auch mit dazu bei, dass sich beimOpfer Gefühle wie Wut und Rache entwickeln. Wenn dieBetroffenen ke<strong>in</strong>e Hilfe erhalten, führt dies dazu, dass dieseGefühle leicht <strong>in</strong> Demütigungen und Gewalttaten gegenüberschwächeren Personen umgewandelt werden.Es ist also sehr wichtig, dass Lehrkräfte H<strong>in</strong>weise <strong>der</strong> Elternauf e<strong>in</strong> mögliches <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>problem ernst nehmen, auch wennzunächst nicht klar ist, ob es sich wirklich um <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> handelt,wie im nächsten Beispiel deutlich wird.24


»Wie schnell man e<strong>in</strong>en Freundverlieren kann …«Markus besucht die 2. Klasse. Während se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenzeithat er sowohl mit Jungen als auch mit Mädchengespielt. Es gab e<strong>in</strong>e Freundschaft zu e<strong>in</strong>em Jungen, dieaber eher durch e<strong>in</strong>e Art Hass-Liebe gekennzeichnet war.Er war und ist e<strong>in</strong> aufgeschlossener und kontaktfreudigerJunge, hat allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>en besten Freund.Während des ersten Schuljahres g<strong>in</strong>g es ihm relativ gut.Er hatte – auch nachmittags – Kontakt zu se<strong>in</strong>en Mitschülern.Mit Beg<strong>in</strong>n des 2. Schuljahres tauchten dann ersteProbleme auf. Insgesamt besuchen 25 K<strong>in</strong><strong>der</strong> die Klasse,acht von ihnen s<strong>in</strong>d Jungen. Jörn und Gero entwickeltensich zu den »Bestimmern« <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jungengruppe. Es sche<strong>in</strong>tso, als sei Gero <strong>der</strong> »Boss«. Jörn ist allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> guter Fußballerund hat von daher den größeren E<strong>in</strong>fluss. Zwischenbeiden besteht so etwas wie e<strong>in</strong>e Rivalität. Bisher sche<strong>in</strong>tke<strong>in</strong>er die Macht an sich reißen zu können. So agieren siegeme<strong>in</strong>sam und haben <strong>in</strong> <strong>der</strong> letzten Zeit Jürgen, mit demMarkus bisher oft zusammen spielte, auf ihre Seite gezogen.Die beiden Bestimmer hatten ihn aufgefor<strong>der</strong>t, sichzwischen ihnen und Markus zu entscheiden. Die Entscheidungfiel zugunsten <strong>der</strong> »Mächtigeren« aus. Markus istzwar auch kräftig, er hat aber nicht die Motivation, dasGruppengeschehen zu bee<strong>in</strong>flussen, son<strong>der</strong>n möchte e<strong>in</strong>fachdazugehören. Er ist e<strong>in</strong> sehr guter Schüler, aber ke<strong>in</strong>so guter Fußballspieler.Das Fußballspiel hat für die Jungen große Bedeutung.Hier können sie ihr Geschick, ihre E<strong>in</strong>satzfreude, ihr fußballerischesKönnen zeigen. So schön e<strong>in</strong> solches Spielauch von außen aussehen mag, es gibt bei den von denSchülern selbstorganisierten Fußballspielen im H<strong>in</strong>tergrundimmer auch e<strong>in</strong>e Machtstruktur. Meistens ist es e<strong>in</strong>25


Schüler, <strong>der</strong> über die Mannschaftsaufstellung bestimmto<strong>der</strong> auch darüber, welcher Schüler auf welcher Positionspielt. Se<strong>in</strong>e Macht wächst mit <strong>der</strong> Bereitschaft se<strong>in</strong>er Mitschüler,se<strong>in</strong>en Anweisungen zu folgen. Diese Macht wirdzur Zeit von Gero und Jörn gegenüber Markus ausgeübt.Sie entscheiden, wann und ob Markus mitspielen darf. Dieübrigen Schüler lassen das geschehen.Die Eltern haben ihre Wahrnehmungen <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong>mitgeteilt, die auch sofort mit den Jungen darüber gesprochenhat. Es bestätigt sich, dass Gero und Jörn darüberentscheiden, wer mitspielen darf und wer draußen bleibenmuss. Als <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> würde sie die Vorgänge allerd<strong>in</strong>gs nichtbezeichnen.In den letzten Wochen war Markus oft traurig. Bei se<strong>in</strong>emGitarrenlehrer hat er e<strong>in</strong>mal ganz plötzlich gewe<strong>in</strong>t,ohne dass e<strong>in</strong> Grund ersichtlich war. Im Gespräch deuteteer dann se<strong>in</strong> Problem an. Se<strong>in</strong> Freund habe sich zwischenihm und den Fußballern entscheiden müssen. Er habe sichfür die Fußballer entschieden. Nun habe er se<strong>in</strong>en Freundverloren. Die Eltern haben vorsorglich e<strong>in</strong>e Therapeut<strong>in</strong>mit dem Ziel aufgesucht, Markus e<strong>in</strong>e Chance zur Stabilisierungzu geben.Die Eltern s<strong>in</strong>d darüber besorgt, dass zwei Jungen e<strong>in</strong>e sogroße Macht haben, ihrem Sohn den Freund wegzunehmen,und sie möchten auch nicht, dass zwei Schüler darüberbestimmen, wer während <strong>der</strong> Pausen am Fußballspiel teilnehmendarf. Sie hoffen, dass die Lehrer<strong>in</strong> die Gruppe im Blick hatund gegebenenfalls Konflikte aufgreift und mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>nbespricht.In diesem Beispiel wird e<strong>in</strong> typisches Muster von <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>deutlich: Es gibt Mobber, Mitläufer und e<strong>in</strong> Opfer. Die Machtwird durch Ausschluss e<strong>in</strong>es Mitschülers vom Fußballspielausgeübt. Jürgen, <strong>der</strong> mit Markus befreundet war, musste sich26


zwischen se<strong>in</strong>em Freund und den »Bestimmern« entscheiden.Da es den übrigen Jungen darum geht, e<strong>in</strong>fach mitspielen zukönnen, tun sie nichts für die Integration von Markus. Er istdamit isoliert. Se<strong>in</strong>e Eltern s<strong>in</strong>d problembewusst und sehrempathisch, sie bemerken die Verän<strong>der</strong>ungen ihres Sohnesschnell und thematisieren diese zusammen mit ihm, demGitarrenlehrer und <strong>der</strong> Klassenlehrer<strong>in</strong>. Vorsorglich suchen siee<strong>in</strong>e Therapeut<strong>in</strong> auf. Die Klassenlehrer<strong>in</strong> will sich kümmern,<strong>in</strong>terpretiert aber die Vorfälle noch nicht als <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>. Es istoffen, wie sich die Situation entwickeln wird.Die Dynamik liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Jungengruppe und muss dortbearbeitet werden. Dies kann am ehesten durch die Klassenlehrer<strong>in</strong>geschehen, wenn sie die Vorgänge angemessen <strong>in</strong>terpretiertund geeignete Gesprächsformen f<strong>in</strong>det. E<strong>in</strong>e Stabilisierungdurch e<strong>in</strong>e Therapeut<strong>in</strong> ist s<strong>in</strong>nvoll, auch wenn, wieschon beschrieben, das Ganze aus Sicht des Opfers so beschriebenwerden könnte: »Warum muss ich zur Therapeut<strong>in</strong>?Da müssten doch die an<strong>der</strong>en h<strong>in</strong>, die mir das antun. Ich verstehenicht, warum die mich ausschließen! Darüber b<strong>in</strong> ichtraurig, vielleicht auch wütend. Ich verhalte mich doch normal!«Die Eltern nehmen die Signale ihres K<strong>in</strong>des wahr und deutensie als Ausdruck e<strong>in</strong>er dah<strong>in</strong>ter verborgenen <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>situation.Die Lehrer<strong>in</strong> kann dieser Deutung noch nicht folgen,wird aber den Fortgang <strong>der</strong> Ereignisse beobachten. Ob es sichnun um <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong> handelt o<strong>der</strong> nicht wird sich noch herausstellenmüssen.27


2Was ist <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>?Berichte über <strong>Mobb<strong>in</strong>g</strong>situationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen <strong>Schule</strong>n haben<strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit e<strong>in</strong> großes Erschrecken über die Brutalitätmancher Täter ausgelöst. Beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung dürften dieQualen und Demütigungserfahrungen e<strong>in</strong>es Berufsschülersaus Hildesheim geblieben se<strong>in</strong>. Neun Schüler aus dem Berufsvorbereitungsjahr»Metall« hatten ihren 17 Jahre alten MitschülerDieter-Dennis von November 2003 bis Ende Januar2004 geschlagen, getreten und gedemütigt.»Sie stülpten ihm e<strong>in</strong>en Plastikeimer über den Kopf und schlugenmit Stahlrohren darauf, sie zwangen ihn, Kreide und Zigarettenkippenherunterzuwürgen. Aufnahmen dieser Misshandlungenstellten sie <strong>in</strong>s Internet. Das Opfer bef<strong>in</strong>det sich immernoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Therapie.« (Gött<strong>in</strong>ger Tageblatt, 10.6.04)Wegen räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzungund Nötigung <strong>in</strong> zahlreichen Fällen wurden die dreiHauptbeschuldigten zu e<strong>in</strong>em Freiheitsentzug zwischen 15und 22 Monaten verurteilt – und zwar ohne Bewährung. Dieübrigen Beteiligten mussten e<strong>in</strong>en Arrest von zwei Wochenabsitzen und e<strong>in</strong> Schüler hatte 80 Stunden geme<strong>in</strong>nützigeArbeit abzuleisten. Gegen den Berufsschullehrer wurdenErmittlungen e<strong>in</strong>geleitet.Viele Fragen stehen unbeantwortet im Raum. VerfügenLehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer über die erfor<strong>der</strong>lichen Qualifikationen,um solche Situationen wahrzunehmen, zu thematisierenund erfolgreich zu bearbeiten? Gelegentlich wird die Me<strong>in</strong>ungvertreten, die Probleme seien so groß, dass sie mit pädagogischenMitteln nicht gelöst werden könnten.28

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