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Foto vorige Seite : «Lausanne», Christian Hanke<br />

HALBDURCHLÄSSIG<br />

Zeit, dass sich was dreht!<br />

Ein Riesenrad für alle Studierenden der Udk<br />

Text : Tobias Hömberg : : Illustration : Josephine Behlke<br />

Nicht mehr lang, dann können die Studierenden<br />

der UdK ihrer Uni aufs Dach<br />

spucken. 180 Meter hoch wird es, das<br />

Riesenrad der «World Wheel Berlin Holding<br />

GmbH» direkt neben unserer Bibliothek.<br />

Es ist damit das weltweit größte<br />

seiner Art, kostet 120 Millionen Euro und<br />

soll jährlich zwei Millionen Besucher aus<br />

der ganzen Welt anziehen. Na, und wir<br />

sind mittendrin!<br />

Studieren 2009: 200 Autos stündlich und<br />

dutzende Reisebusse schieben sich durch<br />

die Fasanenstraße und die Hertzallee, die<br />

nach jeweils vierspurigem Ausbau das<br />

Umfeld der UdK in ein Motorenidyll verwandelt<br />

haben. Rucksacktouristen verrichten<br />

ihre Notdurft an den Mauern der<br />

VW-Bibliothek, um die teure Toilettenbenutzung<br />

in der mit 10 000 Quadratmetern<br />

Nutzfläche gigantischen Riesenrad-«Abflughalle»<br />

zu vermeiden. UdK-Studierende<br />

benutzen ihre Instrumentenkoffer als<br />

Schutzschilde gegen japanische Touristengruppen.<br />

Imbissduft zieht bis in den<br />

letzten Winkel unserer Lesesäle, durch<br />

geöffnete Fenster dringt Kirmesmusik<br />

herein. Holländische Wohnmobile beparken<br />

die Zugänge zu den Lehrgebäuden,<br />

wo früher noch Kunststudierende mit<br />

Skizzenblöcken in die Sonne blinzelten.<br />

Und über allem dreht und dreht sich das<br />

große Rad mit seinen bis zu 40 Personen<br />

fassenden Kabinen …<br />

Bei diesen Aussichten wäre es doch jetzt<br />

an der Zeit, eigene Ansprüche anzumelden:<br />

eine Seilbahn von der Hardenbergstraße<br />

bis zur Bibliothek, um das ebenerdige<br />

Verkehrschaos zu umgehen? Gewaltige<br />

Werbetafeln auf den Uni-Dächern, um<br />

neue Gelder in klamme Kassen zu spülen?<br />

Zumindest aber eigene Gondeln am riesigen<br />

Rad, die den UdK-Studierenden für<br />

Vorlesungen, Parties, als Übungsräume<br />

und natürlich als Ateliers reserviert sind.<br />

Für ausreichend Tageslicht sollte ja gesorgt<br />

sein. Und vielleicht verkaufen die<br />

Riesenradbesitzer Kombitickets an Touristen:<br />

für eine Runde auf dem Rad mit anschließendem<br />

Uni-Besuch, so wie es auch<br />

für den Zoo vorgesehen ist. Schließlich<br />

stehen manche Studiengänge schon heute<br />

auf der Roten Liste.<br />

07<br />

kann. - - - riesige Flächen mit viel Farbe bemalen. - - - die letzte Flasche Rotwein aus dem Spind vom<br />

Prof zu holen. - - - viele Möglichkeiten zum Schlafen. - - - feste Gesprächspartner in Sachen Kunst oder<br />

auch anders. - - - Marzipan. - - - Maltechnik-Werkstatt. - - - Wandsäge für Platten und Photoanlage zum<br />

HALBDURCHLÄSSIG<br />

Über das Wirkliche<br />

in der Architektur<br />

Text : Josu Zabaleta : : Illustration : Josephine Behlke<br />

Et ut litteratus sit, peritus graphidos,<br />

eruditos geometría, historias complures<br />

noverit, philosophos diligenter audierit,<br />

musicam scierit, medicinae non sit ignarus,<br />

responsa iurisconsultorum noverit,<br />

astrologiam caelique rationes cognitas<br />

habeat.¹ Vitruv de Architectura, Buch I, 1.3.<br />

Der kritischen Philosophie zufolge ist die<br />

Wechselwirkung diejenige Kategorie, die<br />

uns die Gleichzeitigkeit der «Sachen» im<br />

Raum als etwas Wirkliches begreifbar zu<br />

machen vermag. So würde einer sagen,<br />

«in diesem Krachen des Holzdachs während<br />

des Schneesturms erkennt man die<br />

Gleichzeitigkeit beider»; das Netz von<br />

gleichzeitigen Sachen und somit der Sachen<br />

selbst wird auf diese Weise wirklich<br />

und nicht bloß möglich, wie zum Beispiel<br />

die gewünschten 100 Taler.<br />

Der Mangel an Wirkungen der Natur besorgt<br />

gerade einer Sache ihren trügerischen<br />

Schein, ihr gespenstiges Angesicht. Ist<br />

der Betonklotz da oder ist er nur in meinen<br />

Gedanken? Was unterscheidet beide?<br />

Und «unterscheiden» bedeutet logisch<br />

unterscheiden. Mit der Behauptung unterschiedloser<br />

quidditas (Was-heit) beider,<br />

muss ich wohl selbst derjenige sein,<br />

der ihre Wirklichkeit mit einer Durchdringlichkeitsprobe<br />

testet? Mangel an<br />

Rücksicht auf den Sternenlauf und auf<br />

den Geschichtskurs beim Entwerfen des<br />

Klotzes, Mangel an Entsprechung der<br />

Materie und Kanten zu den Elementen<br />

während der Lebensdauer des Klotzes.<br />

Unter solchen Bedingungen scheint ein<br />

Werk wie aus dem Himmel gefallen zu<br />

sein: allein, müde, unwirklich. Wenn<br />

Denken und Sein, d. h., der Entwurf und<br />

die Wirklichkeit gleichbedeutend sind,<br />

wird die Zeit zwischen beiden zu etwas<br />

Leerem.<br />

In diesem Rahmen ist die Mannigfaltigkeit<br />

der Werke, ihre Vielheit, eher das<br />

Produkt der Kreativität der Künstler als<br />

das der Anpassung an «nicht-zufällige»<br />

Umstände. Der Akzent verschiebt sich<br />

vom peritus (Meister) zum Schöpfer.<br />

Soweit das Wachstum eines Werkes von<br />

bloßem Hinsetzen abgelöst wird, hat es<br />

nur noch begrenzte Ursachen. So tritt das<br />

Genie, der Autor in Szene, und das heißt,<br />

in den Markt ein. Das Individuum als Verursacher<br />

und die Ideen als Originale, d. h.<br />

private Ideen, vereinigen sich also zum<br />

Dienst der Geldbewegung.<br />

Fremde Worte, mit denen diese Zeilen<br />

eingeführt wurden. So fremd wie die<br />

letzten, die eine Regel für Bauingenieure<br />

vorschreiben. Bauen von buan bedeutete<br />

nichts anderes als Wohnen, Ingenieur von<br />

Ingenium bedeutete Witz, Kunstgriff,<br />

Esprit. So wie ich ‹buane›, so werde ich<br />

bauen. Neue Wohngewohnheiten würden<br />

also entsprechende Siedlungen und entsprechende<br />

Architekten fordern. Oder,<br />

könnte man fragen, werden entsprechende<br />

Gewohnheiten erfunden? Der<br />

Markt hat das Wort.<br />

Nec tamen in ómnibus theatris symetriae<br />

ad omnis rationes et effectus possunt<br />

respondere, sed oportet architectum<br />

adimadvertere, quibus proportionibus<br />

necesse sit sequi symetriam et quibus ad<br />

loci naturam aut magnitudimem operas<br />

temperari.² Ibid., Buch V, 7.7.<br />

–––<br />

1 «Und er muß im schriftlichen Ausdruck gewandt<br />

sein, des Zeichenstiftes kundig, in der Geometrie<br />

ausgebildet sein, mancherlei geschichtliche Ereignisse<br />

kennen, fleißig Philosophen gehört haben, etwas von<br />

Musik verstehen, nicht unbewandert in der Heilkunde<br />

sein, juristische Entscheidungen kennen, Kenntnisse<br />

in der Sternkunde und vom gesetzmäßigen Ablauf der<br />

Himmelserscheinungen besitzen»<br />

C. Fensterbusch, Architektur, 1964, S. 25<br />

2 «Jedoch können die Symmetrien nicht in allen<br />

Theatern allen Berechnungen und Ausführungen<br />

entsprechen, vielmehr muß der Baumeister sein Au-<br />

genmerk darauf richten, bei welchen Proportion er die<br />

Symmetrie befolgen und bei welchen sie im Hinblick<br />

auf die Beschaffenheit des Ortes oder die Größe des<br />

Bauwerkes abgeändert werden muß»<br />

C. Fensterbusch, Architektur, 1964, S. 233

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