Terminblöcke - MEDI Deutschland
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Gerstenberger: Jahr für Jahr habe ich –<br />
wie viele Kollegen auch – beobachtet,<br />
dass die Situation meiner Praxis immer<br />
schlechter wurde. Immer wieder dachte<br />
man, schlimmer geht es nicht mehr.<br />
Nur um zu erfahren, dass die Situation<br />
doch noch schlechter werden konnte.<br />
Dann rettet man sich eine Zeit lang<br />
mit Gedanken wie „aber die brauchen<br />
uns Ärzte doch“. Aber man stellt fest,<br />
dass das offenbar keine Rolle spielt. Und<br />
wer ist überhaupt „die“? Wie gesagt, ich<br />
bin ein Mensch, der seine Konsequenzen<br />
zieht. Das habe ich getan.<br />
<strong>MEDI</strong>TIMES: Und die Entscheidung zu<br />
gehen ist endgültig? Wie geht es denn<br />
eigentlich genau weiter?<br />
Gerstenberger: Meine Entscheidung,<br />
nach Norwegen zu gehen, steht fest.<br />
Was mich dort erwartet ist zunächst<br />
einmal der teilweise Verlust aller sozialen<br />
Bindungen. Und durch den Verlust<br />
der Sprachfähigkeit auch der nonverbale<br />
Kontakt als Schamane, der in jedem<br />
Arzt noch steckt. Also muss ich zuerst Tag<br />
und Nacht Norwegisch lernen und mich<br />
mit meiner Umwelt anfreunden. Aber<br />
meine richtig tolle Frau geht ja auch mit<br />
mir dorthin. Diese Gleichgerichtetheit der<br />
Ziele hilft mir enorm.<br />
Diesen Bruch mit <strong>Deutschland</strong> und<br />
meiner Praxis gibt es auf der einen Seite.<br />
Auf der anderen Seite erwartet mich in<br />
Norwegen aber auch eine perfekt ausgestattete<br />
Augenklinik, die ich innerhalb<br />
einer klar definierten Arbeitszeit leiten<br />
soll. Teamfähige Vorgesetzte habe<br />
ich schon kennengelernt, denn die<br />
Krankenhausleiter sind wirklich guten<br />
Willens und sehr interessiert an einem<br />
Gelingen. Das Ganze findet in einem<br />
hochinteressanten Umfeld von europäischer<br />
Altkultur statt, das dazu noch bar<br />
finanziert ist. Zum ersten Mal erreiche ich<br />
wieder eine Familienzuverlässigkeit, weil<br />
Arbeit und Freizeit klar abgegrenzt und<br />
organisiert sind. Ich freue mich auf ein<br />
Leben, das in einer tollen Natur eingebettet<br />
ist und hoffe, dass es regelmäßige<br />
Erholungsphasen gibt. Es ist also so ziemlich<br />
alles anders als bei uns, aber sicher<br />
nicht schlechter, sondern eben bei anderen<br />
Menschen mit anderen Gefühlen in<br />
dialog <strong>MEDI</strong>times<br />
einer wirtschaftlich intakteren und wunderschönen<br />
Umgebung. Insgesamt muss<br />
ich sagen, dass ich mich freue, meinen<br />
Beruf auch in Zukunft ausüben zu können.<br />
Und dafür habe ich keine andere<br />
Lösung gesehen.<br />
Tipps eines<br />
Norwegen-Kenners<br />
Wer als Arzt nach Norwegen auswandern<br />
will, trifft nur auf wenige Hürden.<br />
Fast 800 deutschsprachige Ärzte arbeiten<br />
in Norwegen. Das Land ist auf diese<br />
gut ausgebildeten Fachkräfte angewiesen.<br />
Sie müssen zwar wie alle anderen<br />
Einwanderer die Sprache lernen –<br />
was Deutschen natürlich leichter fällt<br />
als Facharbeitern aus Spanien, Indien<br />
oder China. Doch fühlen sich Ärzte im<br />
Einwanderungsprozess in der Regel besser<br />
betreut. Als Mitarbeiter in den medizinischen<br />
Berufen kann man sich an die<br />
norwegischen Seiten www.nav.no und<br />
www.finn.no wenden. Dort erfährt man<br />
Unterstützung bei der Stellensuche.<br />
Norwegen ist zwar europäisch, aber<br />
doch sehr eigen in seinen Gewohnheiten.<br />
Das Land, das auch in der Finanzmarktkrise<br />
noch gut dasteht, gründet sich<br />
auf Tradition und Wohlstand einerseits<br />
und Toleranz und Wohlfahrt andererseits.<br />
Kein Land in Europa ist so diversifiziert in<br />
seine Täler, Bergketten und Regionen. Am<br />
Dialekt eines Norwegers kann man mit<br />
einiger Übung Tal und Flecken zuordnen,<br />
wo der Gesprächspartner herkommt.<br />
Wichtig im Umgang: Die Norweger<br />
sind stolz auf ihr Land – und haben<br />
daher kein Verständnis dafür, wenn Ausländer<br />
ihr Herkunftsland schlechtmachen.<br />
Wer sich als Arzt in Norwegen<br />
niederlässt, sollte deshalb nicht schlecht<br />
5<br />
...verlegt Albrecht Gerstenberger<br />
nach Norwegen.<br />
<strong>MEDI</strong>TIMES: In die Politik setzen Sie<br />
keine Hoffnungen mehr?<br />
Gerstenberger: Für unsere Politiker<br />
steht einzig und allein ihr Machterhalt<br />
im Vordergrund, niemals das Wohl der<br />
Bevölkerung. Ich möchte zurück zum<br />
Mitmenschen finden, gerade auch mit<br />
dem radikalen Mittel des Auswanderns.<br />
<strong>MEDI</strong>TIMES: Dann wünsche ich Ihnen für<br />
diesen Schritt alles Gute und viel Erfolg!<br />
über <strong>Deutschland</strong> reden. Ansonsten<br />
sind die Menschen dort für vieles offen.<br />
Schwierige Themen in der Diskussion:<br />
Religion und Alkohol. Absolute Tabus<br />
(es sei denn, man spricht unter sehr<br />
engen Freunden): Das Königshaus und<br />
der Walfang.<br />
Weitere Infos:<br />
• Im Internet: Gute Einstiegsinformationen<br />
in deutscher Sprache bietet die<br />
Königlich Norwegische Botschaft unter<br />
www.norwegen.no.<br />
• Buchtipp: Ulrich Brömmling: Leben<br />
und Arbeiten in Norwegen. Berlin 2007.<br />
Der Autor lebt als Jurist in Norwegen<br />
und <strong>Deutschland</strong>.<br />
as, Foto: D. Ausserhofer