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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013IIIZusatztagesordnungspunkt 3:Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Wirtschaft und Technologie zuder Verordnung der Bundesregierung: EinhundertzweiundsechzigsteVerordnung zurÄnderung der Einfuhrliste – Anlage zumAußenwirtschaftsgesetz –(Drucksachen 17/12001, 17/12114 Nr. 2.1,17/12448) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . .Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . .27953 B27954 C27955 C27957 BZusatztagesordnungspunkt 4:a) Beratung der Beschlussempfehlung desAusschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes(Vermittlungsausschuss) zu demGesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens(MeldFortG)(Drucksachen 17/7746, 17/10158, 17/10768,17/12463) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .b) Beratung der Beschlussempfehlung desAusschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes(Vermittlungsausschuss) zu demGesetz zur Begleitung der Verordnung(EU) Nr. 260/2012 zur Festlegung dertechnischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungenfür Überweisungenund Lastschriften in Euro und zurÄnderung der Verordnung (EG)Nr. 924/2009 (SEPA-Begleitgesetz)(Drucksachen 17/10038, 17/10251,17/11395, 17/11938 17/12464) . . . . . . . .c) Beratung der Beschlussempfehlung desAusschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes(Vermittlungsausschuss) zu demGesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteilsvom 20. Oktober 2011 in derRechtssache C-284/09(Drucksachen 17/11314, 17/11717,17/11718, 17/11940, 17/11950, 17/12465)Zusatztagesordnungspunkt 5:Aktuelle Stunde auf Verlangen der FraktionDIE LINKE: Position der Bundesregierungzur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . .Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . .Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . .27942 D27943 A27943 B27943 B27943 C27943 C27944 D27945 D27946 D27948 A27949 C27950 C27951 DTagesordnungspunkt 5:a) – Beschlussempfehlung und Bericht desAuswärtigen Ausschusses zu dem Antragder Bundesregierung: Entsendungbewaffneter deutscher Streitkräftezur Beteiligung an der EU-geführtenmilitärischen AusbildungsmissionEUTM Mali auf Grundlage des Ersuchensder Regierung von Mali sowieder Beschlüsse 2013/34/GASPdes Rates der Europäischen Union(EU) vom 17. Januar 2013 und vom18. Februar 2013 in Verbindung mitden Resolutionen 2071 (2012) und2085 (2012) des Sicherheitsrates derVereinten Nationen(Drucksachen 17/12367, 17/12520) . .– Bericht des Haushaltsausschusses gemäߧ 96 der Geschäftsordnung(Drucksache 17/12521) . . . . . . . . . . . .b) – Beschlussempfehlung und Bericht desAuswärtigen Ausschusses zu dem Antragder Bundesregierung: Entsendungbewaffneter deutscher Streitkräftezur Unterstützung der InternationalenUnterstützungsmission in Maliunter afrikanischer Führung(AFISMA) auf Grundlage der Resolution2085 (2012) des Sicherheitsratesder Vereinten Nationen(Drucksachen 17/12368, 17/12522) . .– Bericht des Haushaltsausschusses gemäߧ 96 der Geschäftsordnung(Drucksache 17/12523) . . . . . . . . . . . .Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . .Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . .Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . .Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . .Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . .27958 C27958 D27958 D27959 A27959 B27960 A27961 B27962 D27964 B27965 B27966 A27967 C27968 A27968 C27969 D27970 C


IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . .Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27974 . . . . . C, . 27976 DZusatztagesordnungspunkt 6:Dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzeszur Änderung des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes(Drucksachen 17/12033, 17/12400 Buchstabe a)Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . .Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Tagesordnungspunkt 6:Wahl eines Mitglieds des ParlamentarischenKontrollgremiums gemäß Artikel 45 d desGrundgesetzes(Drucksache 17/12462) . . . . . . . . . . . . . . . . .Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Tagesordnungspunkt 9:a) Antrag der Abgeordneten BrittaHaßelmann, Kerstin Andreae, NicoleMaisch, weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür(Drucksache 17/12394) . . . . . . . . . . . . . . .b) Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, EvaBulling-Schröter, Katrin Kunert, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates überdie Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme des DeutschenBundestages gemäß Artikel 23 Absatz3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeitvon Bundesregierung undDeutschem Bundestag in Angelegenheitender Europäischen Union – Wasserist Menschenrecht – Privatisierung verhindern(Drucksache 17/12482) . . . . . . . . . . . . . . .in Verbindung mit27971 C27971 D27972 A27979 C27972 B27972 C27984 B27972 C27972 DZusatztagesordnungspunkt 7:Antrag der Abgeordneten Dr. MartinSchwanholz, Manfred Nink, WolfgangTiefensee, weiterer Abgeordneter und derFraktion der SPD: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok.18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – FormaleAusschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für den BereichWasser ablehnen(Drucksache 17/12519) . . . . . . . . . . . . . . . . . 27972 DBritta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .27973 A27981 BBritta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Martin Schwanholz (SPD) . . . . . . . . . . . .27983 D27984 A27984 BHans-Joachim Otto, Parl. StaatssekretärBMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27985 CBritta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . .Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .Manfred Nink (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27985 D27986 D27987 D27988 D27989 DNamentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . 27990 C, DErgebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27993 . . . . . . C, 27995 BTagesordnungspunkt 8:– Zweite und dritte Beratung des von denFraktionen CDU/CSU, SPD, FDP undBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigungder Rückholung radioaktiverAbfälle und der Stilllegung derSchachtanlage Asse II(Drucksachen 17/11822, 17/12537) . . . . . 27991 C– Zweite und dritte Beratung des von derBundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zur Beschleunigung derRückholung radioaktiver Abfälle undder Stilllegung der SchachtanlageAsse II(Drucksachen 17/12298, 17/12537) . . . . . 27991 C


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013VUrsula Heinen-Esser, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . .Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . .Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . .Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . .Tagesordnungspunkt 7:Erste Beratung des von den AbgeordnetenRaju Sharma, Jan Korte, Petra Pau, weiterenAbgeordneten und der Fraktion DIE LINKEeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes überdie Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungenan Religionsgesellschaften(Staatsleistungsablösegesetz – StAblG)(Drucksache 17/8791) . . . . . . . . . . . . . . . . . .Raju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .Rolf Schwanitz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . .Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .Raju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Tagesordnungspunkt 10:– Zweite und dritte Beratung des von denFraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zurUmsetzung der Amtshilferichtlinie sowiezur Änderung steuerlicher Vorschriften(Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz– AmtshilfeRLUmsG)(Drucksachen 17/12375, 17/12532) . . . . .– Bericht des Haushaltsausschusses gemäߧ 96 der Geschäftsordnung(Drucksache 17/12533) . . . . . . . . . . . . . . .Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . .Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . .27991 D27998 A27999 A27999 C28000 C28001 C28003 A28004 A28005 B28005 C28006 D28007 C28008 C28009 C28010 B28011 D28012 A28012 A28013 D28015 B28017 A28017 D28018 C28019 CTagesordnungspunkt 11:a) Beratung der Antwort der Bundesregierungauf die Große Anfrage der AbgeordnetenRita Schwarzelühr-Sutter, RolfHempelmann, Dirk Becker, weiterer Abgeordneterund der Fraktion der SPD: DieEnergiewende – Kosten für Verbraucherinnen,Verbraucher und Unternehmen(Drucksachen 17/10366, 17/12246) . . . . . 28021 Ab) Beschlussempfehlung und Bericht desAusschusses für Wirtschaft und Technologie– zu dem Antrag der Abgeordneten RolfHempelmann, Dirk Becker, HubertusHeil (Peine), weiterer Abgeordneterund der Fraktion der SPD: Die europäischeEnergieeffizienzrichtliniewirkungsvoll ausgestalten– zu dem Antrag der Abgeordneten UllaLötzer, Dorothée Menzner, EvaBulling-Schröter, weiterer Abgeordneterund der Fraktion DIE LINKE: DieEnergiewende braucht Energieeffizienz– zu dem Antrag der AbgeordnetenIngrid Nestle, Bärbel Höhn, OliverKrischer, weiterer Abgeordneter undder Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN: Energie sparen, Kosten senken,Klima schützen – Für eine ambitionierteEffizienzstrategie derdeutschen und europäischen Energieversorgung(Drucksachen 17/8159, 17/8457, 17/7462,17/10106) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) . . . . . . . . . .Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .28021 B28021 C28023 A28024 AHans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . .Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . .Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) . . . . . . . . . .Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28024 D28025 D28027 A28027 D28028 C28029 C28031 A28031 COliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .28031 D28033 A


VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Tagesordnungspunkt 12:a) Zweite und dritte Beratung des von derBundesregierung eingebrachten Entwurfseines Sechzehnten Gesetzes zur Änderungdes Arzneimittelgesetzes(Drucksachen 17/11293, 17/11873,17/12526) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .b) Beschlussempfehlung und Bericht desAusschusses für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz zu dem Antragder Abgeordneten Dr. WilhelmPriesmeier, Willi Brase, Petra Crone, weitererAbgeordneter und der Fraktion derSPD: Ein effizientes Tierarzneimittelgesetzschaffen und die Antibiotikagabenin der Nutztierhaltung wirkungsvoll reduzieren(Drucksachen 17/12385, 17/12526) . . . . .c) Beschlussempfehlung und Bericht desAusschusses für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz zu demAntrag der Abgeordneten FriedrichOstendorff, Bärbel Höhn, Cornelia Behm,weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: SystematischenAntibiotikamissbrauch bekämpfen– Tierhaltung umbauen(Drucksachen 17/9068, 17/10662) . . . . . .Peter Bleser, Parl. StaatssekretärBMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . .Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . .Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . .Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .Tagesordnungspunkt 13:Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim),Petra Crone, Dr. h. c. Gernot Erler,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derSPD: Menschenrechte älterer Menschenstärken und Erarbeitung einer UN-Konventionfördern(Drucksache 17/12399) . . . . . . . . . . . . . . . . .Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . .Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28034 A28034 B28034 C28034 D28036 A28038 A28038 B28039 D28041 A28042 B28044 C28044 D28046 A28048 B28049 B28050 CTagesordnungspunkt 14:a) Zweite und dritte Beratung des von derBundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zur Vorbeugung vor undBekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz– TierGesG)(Drucksachen 17/12032, 17/12478) . . . . . 28051 Cb) Beschlussempfehlung und Bericht desAusschusses für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz zu dem Antragder Abgeordneten Dr. KirstenTackmann, Dr. Dietmar Bartsch, HerbertBehrens, weiterer Abgeordneter und derFraktion DIE LINKE: Notfonds für tierhaltendeBetriebe einrichten(Drucksachen 17/9580, 17/10663) . . . . . .Alois Gerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . .Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . .Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . .28051 C28051 D28053 B28054 C28055 DFriedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .28056 D28057 DTagesordnungspunkt 15:Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit– zu dem Antrag der Abgeordneten SabineStüber, Eva Bulling-Schröter, RalphLenkert, weiterer Abgeordneter und derFraktion DIE LINKE: Neue Flusspolitik –Ein „Nationales Rahmenkonzept fürnaturnahe Flusslandschaften“– zu dem Antrag der Abgeordneten EvaBulling-Schröter, Sabine Stüber, RalphLenkert, weiterer Abgeordneter und derFraktion DIE LINKE: UmfassendesElbekonzept erstellen(Drucksachen 17/9192, 17/9160, 17/11063)Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . .Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .28059 B28059 C28061 ADorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .28061 C28062 CTagesordnungspunkt 16:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs einesGesetzes über den Beruf der Notfallsanitäterinund des Notfallsanitäters sowie zurÄnderung weiterer Vorschriften(Drucksachen 17/11689, 17/12524) . . . . . . . . 28064 A


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013VIITagesordnungspunkt 17:Antrag der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-JosefFell, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zusammenarbeitmit China intensivieren – China-Kompetenzen in Deutschland ausbauen(Drucksache 17/11202) . . . . . . . . . . . . . . . . .28064 C– Zweite und dritte Beratung des von derBundesregierung eingebrachten Entwurfseines Dritten Gesetzes zur Änderungdes Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchessowie anderer Vorschriften(Drucksachen 17/12299, 17/12527) . . . . .Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . .Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . .Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . .Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28065 D28066 A28067 A28068 B28069 ATagesordnungspunkt 18:– Zweite und dritte Beratung des von denFraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachtenEntwurfs eines FünfzehntenGesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes(Drucksachen 17/12059, 17/12498) . . . . .– Zweite und dritte Beratung des von derBundesregierung eingebrachten Entwurfseines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderungdes Soldatengesetzes(Drucksachen 17/12353, 17/12498) . . . . .28064 D28064 DTagesordnungspunkt 22:Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusseszu dem Antrag der AbgeordnetenMartin Gerster, Dagmar Freitag, SabineBätzing-Lichtenthäler, weiterer Abgeordneterund der Fraktion der SPD: Neue Strukturder Nationalen Anti Doping Agentur schaffen(Drucksachen 17/11320, 17/12237) . . . . . . . .Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . .Klaus Riegert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .Dagmar Freitag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Lutz Knopek (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28069 D28070 DZusatztagesordnungspunkt 8:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligungund Vereinheitlichung vonPlanfeststellungsverfahren (PlVereinhG)(Drucksachen 17/9666, 17/12525) . . . . . . . . .28065 A28071 A28071 D28073 B28074 C28075 B28076 ATagesordnungspunkt 20:Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür wirtschaftliche Zusammenarbeitund Entwicklung zu dem Antrag der AbgeordnetenKarin Roth (Esslingen), LotharBinding (Heidelberg), Gabriele Fograscher,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derSPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe,Tom Koenigs, Undine Kurth (Quedlinburg),weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rechte indigenerVölker stärken – ILO-Konvention 169ratifizieren(Drucksachen 17/5915, 17/11209) . . . . . . . . .28065 CTagesordnungspunkt 21:a) – Zweite und dritte Beratung des von derBundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zur Änderung desUnterhaltsvorschussgesetzes und andererGesetze (Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetz)(Drucksachen 17/8802, 17/12488) . . .– Zweite und dritte Beratung des vomBundesrat eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Verbesserung desVollzugs im Unterhaltsvorschussrecht(Drucksachen 17/2584, 17/12488) . . .b) Beschlussempfehlung und Bericht desAusschusses für Familie, Senioren, Frauenund Jugend zu dem Antrag der AbgeordnetenJörn Wunderlich, Diana Golze,Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneterund der Fraktion DIE LINKE: Alleinerziehendeentlasten – Unterhaltsvorschussausbauen(Drucksachen 17/11142, 17/12488) . . . . .28077 A28077 BTagesordnungspunkt 19:– Zweite und dritte Beratung des von denFraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachtenEntwurfs eines Dritten Gesetzeszur Änderung des Lebensmittel- undFuttermittelgesetzbuches sowie andererVorschriften(Drucksachen 17/11818, 17/12527) . . . . .28065 D28077 B


VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .28077 CTagesordnungspunkt 26:Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU)Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28078 B28079 D28080 D28081 C28082 BErste Beratung des von den AbgeordnetenMemet Kilic, Josef Philip Winkler,Dr. Konstantin von Notz, weiteren Abgeordnetenund der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Klarstellung des assoziationsrechtlichenRechtsstatus Staatsangehörigerder Türkei im Aufenthalts-, Beschäftigungserlaubnis-und Beamtenrecht(Drucksache 17/12193) . . . . . . . . . . . . . . . . .28096 BTagesordnungspunkt 24:a) Beschlussempfehlung und Bericht desAuswärtigen Ausschusses zu dem Antragder Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Janvan Aken, Christine Buchholz, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIELINKE: Sofortige humanitäre Hilfe fürSyrien leisten – Diplomatische Verhandlungslösungfür den Konflikt fördern(Drucksachen 17/11697, 17/12243) . . . . .b) Antrag der Abgeordneten Josef PhilipWinkler, Tom Koenigs, Volker Beck(Köln), weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:Syrische Flüchtlinge nicht im Stich lassen(Drucksache 17/12496) . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . .Joachim Hörster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .Günter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . .Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28083 C28083 C28083 D28084 C28086 A28087 A28088 A28089 BReinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Tagesordnungspunkt 27:Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung:Änderung der Geschäftsordnungdes Deutschen Bundestageshier: Änderung der Geheimschutzordnung(Anlage 3 der Geschäftsordnung) imZusammenhang mit geheimhaltungsbedürftigenBelangen in parlamentarischenAnfragen(Drucksache 17/12287) . . . . . . . . . . . . . . . . .Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU)Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . .Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28096 C28098 B28099 A28099 C28101 B28102 B28102 C28103 B28104 A28105 B28106 BTagesordnungspunkt 25:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Änderung jagdrechtlicherVorschriften(Drucksachen 17/12046, 17/12302, 17/12529)Cajus Caesar (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .28090 C28090 CTagesordnungspunkt 28:Antrag der Fraktion der SPD: UN-Menschenrechtsratnutzen und von Sri Lanka Rechtstaatlichkeit,Einhaltung der Menschenrechteund Versöhnungsprozess fordern(Drucksache 17/12466) . . . . . . . . . . . . . . . . .Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .28106 D28107 APetra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28092 AChristoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .28108 CDr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . .28093 APascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28110 BDr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . .28094 AKatrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .28110 DCornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28095 ATom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28111 D


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013IXTagesordnungspunkt 29:Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Stärkungdes Verbraucherschutzes im notariellenBeurkundungsverfahren(Drucksache 17/12035) . . . . . . . . . . . . . . . . .Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . .Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . .Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Zusatztagesordnungspunkt 9:Erste Beratung des von der Fraktion der SPDeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurAuskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüberder Presse (Presseauskunftsgesetz)(Drucksache 17/12484) . . . . . . . . . . . . . . . . .Tagesordnungspunkt 31:Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurFamilienpflegezeit und zum flexiblerenEintritt in den Ruhestand für Beamtinnenund Beamte des Bundes(Drucksache 17/12356) . . . . . . . . . . . . . . . . .Armin Schuster (Weil am Rhein)(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . .Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Christoph Bergner, Parl. StaatssekretärBMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Tagesordnungspunkt 30:Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer(Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKE: Keine Beschaffung bewaffneterDrohnen für die Bundeswehr(Drucksache 17/12437) . . . . . . . . . . . . . . . . .Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Rainer Erdel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . .Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28112 D28113 A28114 C28115 D28116 D28117 C28118 B28118 C28118 D28119 C28120 B28121 A28122 B28123 C28124 C28124 C28126 A28126 C28127 B28128 BTagesordnungspunkt 33:Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzeszur Änderung des Filmförderungsgesetzes(Drucksache 17/12370) . . . . . . . . . . . . . . . . . 28129 BWolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) 28129 CMarco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 28131 AAngelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . 28132 BDr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . 28133 DKathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . . 28134 DClaudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28135 DTagesordnungspunkt 32:Antrag der Abgeordneten Bettina Herlitzius,Daniela Wagner, Oliver Krischer, weitererAbgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN: Energetische Quartierssanierungsozialgerecht voranbringen(Drucksache 17/11205) . . . . . . . . . . . . . . . . . 28137 BDaniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 28137 CVolkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . 28138 DMichael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28139 DPetra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . 28140 CHeidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 28141 BBettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28142 ATagesordnungspunkt 34:a) Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler,Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIELINKE: Unabhängigkeit der ärztlichenEntscheidungen sichern – KorruptivesVerhalten effektiv bekämpfen(Drucksache 17/12451) . . . . . . . . . . . . . . 28143 Ab) Antrag der Abgeordneten Dr. EdgarFranke, Christine Lambrecht, Bärbel Bas,weiterer Abgeordneter und der Fraktionder SPD: Bestechung und Bestechlichkeitim Gesundheitswesen unter Strafestellen(Drucksache 17/12213) . . . . . . . . . . . . . . 28143 ADietrich Monstadt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 28143 ADr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 28145 BHeinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . 28146 CKathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 28147 AMaria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28147 D


X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Tagesordnungspunkt 35:Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses– zu dem Antrag der AbgeordnetenWolfgang Gunkel, Heinz-JoachimBarchmann, Gabriele Fograscher, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPD:Übermittlung von Fluggastdaten nurnach europäischen Grundrechts- undDatenschutzmaßstäbenhier: Stellungnahme gegenüber derBundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9Absatz 4 EUZBBG zum RichtlinienvorschlagKOM(2011) 32 endg.– zu dem Antrag der AbgeordnetenDr. Konstantin von Notz, WolfgangWieland, Jerzy Montag, weiterer Abgeordneterund der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Keine Vorratsspeicherungvon Fluggastdaten – Richtlinienvorschlagüber die Verwendung von Fluggastdatensätzen(KOM(2011) 32 endg.;Ratsdok. 6007/11)hier: Stellungnahme gegenüber derBundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9Absatz 4 EUZBBG(Drucksachen 17/6293, 17/5490, 17/12473)Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . .Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .und der Geschäftsanforderungen für Überweisungenund Lastschriften in Euro und zur Änderungder Verordnung (EG) Nr. 924/2009(SEPA-Begleitgesetz) (Zusatztagesordnungspunkt4 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 4Erklärung des Abgeordneten Dr. MichaelMeister (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlungdes Vermittlungsausschusses zum Gesetzzur Umsetzung des EuGH-Urteils vom20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09(Zusatztagesordnungspunkt 4 c) . . . . . . . . . .28160 A28160 C28148 C28148 D28150 B28151 A28152 BAnlage 5Erklärung der Abgeordneten Jutta Krellmann(DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmungüber die Beschlussempfehlung: Entsendungbewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligungan der EU-geführten militärischen AusbildungsmissionEUTM Mali auf Grundlagedes Ersuchens der Regierung von Mali sowieder Beschlüsse 2013/34/GASP des Rates derEuropäischen Union (EU) vom 17. Januar2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindungmit den Resolutionen 2071 (2012) und2085 (2012) des Sicherheitsrates der VereintenNationen (Tagesordnungspunkt 5 a) . . . .28161 ANächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 1Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .Anlage 2Namensverzeichnis der Mitglieder des DeutschenBundestages, die an der Wahl einesMitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiumsteilgenommen haben (Tagesordnungspunkt6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28153 C28155 C28157 A28158 AAnlage 6Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichenAbstimmungen:– Beschlussempfehlung zu dem Antrag:Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräftezur Beteiligung an der EU-geführtenmilitärischen AusbildungsmissionEUTM Mali auf Grundlage des Ersuchensder Regierung von Mali sowie der Beschlüsse2013/34/GASP des Rates derEuropäischen Union (EU) vom 17. Januar2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindungmit den Resolutionen 2071 (2012)und 2085 (2012) des Sicherheitsrates derVereinten Nationen– Beschlussempfehlung zu dem Antrag:Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräftezur Unterstützung der InternationalenUnterstützungsmission in Mali unterafrikanischer Führung (AFISMA) aufGrundlage der Resolution 2085 (2012) desSicherheitsrates der Vereinten Nationen(Tagesordnungspunkte 5 a und 5 b)Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU)Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 3Erklärung des Abgeordneten Dr. MichaelMeister (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlungdes Vermittlungsausschusses zum Gesetz zurBegleitung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012zur Festlegung der technischen Vorschriften28161 B28161 C28162 C


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013XIAnlage 7Erklärung nach § 31 GO der AbgeordnetenSylvia Kotting-Uhl und Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlungzu dem Antrag: Entsendungbewaffneter deutscher Streitkräfte zurUnterstützung der Internationalen Unterstützungsmissionin Mali unter afrikanischer Führung(AFISMA) auf Grundlage der Resolution2085 (2012) des Sicherheitsrates derVereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 5 b)Anlage 8Erklärung nach § 31 GO des AbgeordnetenMarco Bülow (SPD) zur namentlichen Abstimmungüber die Beschlussempfehlung zudem Antrag: Entsendung bewaffneter deutscherStreitkräfte zur Unterstützung der InternationalenUnterstützungsmission in Mali unterafrikanischer Führung (AFISMA) aufGrundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsratesder Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt5 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28163 C– zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.;Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – FormaleAusschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für denBereich Wasser ablehnen(Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28166 AAnlage 9Erklärung nach § 31 GO der AbgeordnetenCornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN) zur Abstimmung über den Entwurfeines Ersten Gesetzes zur Änderung des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes(Zusatztagesordnungspunkt6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 10Erklärung nach § 31 GO der AbgeordnetenRainer Erdel und Horst Meierhofer (beideFDP):– zu den namentlichen Abstimmungen:– Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Antrag zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtliniedes Europäischen Parlaments und desRates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok.18960/11)hier: Stellungnahme des DeutschenBundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz4 des Gesetzes über die Zusammenarbeitvon Bundesregierung undDeutschem Bundestag in Angelegenheitender Europäischen Union – Wasserist Menschenrecht – Privatisierungverhindern28164 C28165 BAnlage 11Erklärung nach § 31 GO der AbgeordnetenDr. Max Stadler, Stephan Thomae undMarina Schuster (alle FDP):– zu den namentlichen Abstimmungen:– Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Antrag zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtliniedes Europäischen Parlaments und desRates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok.18960/11)hier: Stellungnahme des DeutschenBundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz4 des Gesetzes über die Zusammenarbeitvon Bundesregierung undDeutschem Bundestag in Angelegenheitender Europäischen Union – Wasserist Menschenrecht – Privatisierungverhindern– zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.;Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – FormaleAusschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für denBereich Wasser ablehnen(Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 12Erklärung nach § 31 GO der AbgeordnetenIngrid Fischbach, Cajus Caesar undDr. Norbert Röttgen (alle CDU/CSU):28166 C


XII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013– zu den namentlichen Abstimmungen:– Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Antrag zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtliniedes Europäischen Parlaments und desRates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok.18960/11)hier: Stellungnahme des DeutschenBundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz4 des Gesetzes über die Zusammenarbeitvon Bundesregierung undDeutschem Bundestag in Angelegenheitender Europäischen Union – Wasserist Menschenrecht – Privatisierungverhindern– zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.;Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – FormaleAusschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für denBereich Wasser ablehnen(Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 13Erklärung nach § 31 GO der AbgeordnetenNorbert Barthle, Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen),Veronika Bellmann, Klaus Brähmig,Helmut Brandt, Heike Brehmer, Axel E.Fischer (Karlsruhe-Land), Dr. MariaFlachsbarth, Alexander Funk, Dr. ThomasGebhart, Peter Götz, Reinhard Grindel,Michael Grosse-Brömer, Anette Hübinger,Andreas Jung (Konstanz), Hans-WernerKammer, Steffen Kampeter, Bernhard Kaster,Volkmar Klein, Jens Koeppen, RüdigerKruse, Maria Michalk, Michaela Noll, RitaPawelski, Ulrich Petzold, Sibylle Pfeiffer,Beatrix Philipp, Anita Schäfer (Saalstadt),Nadine Schön (St. Wendel), KarlSchiewerling, Patrick Schnieder, BernhardSchulte-Drüggelte, Carola Stauche, ErikaSteinbach,Volkmar Vogel (Kleinsaara) undSabine Weiss (Wesel I) (alle CDU(CSU)– zu den namentlichen Abstimmungen:– Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Antrag zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtlinie28167 Ades Europäischen Parlaments und desRates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok.18960/11)hier: Stellungnahme des DeutschenBundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz4 des Gesetzes über die Zusammenarbeitvon Bundesregierung undDeutschem Bundestag in Angelegenheitender Europäischen Union – Wasserist Menschenrecht – Privatisierungverhindern– zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.;Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – FormaleAusschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für denBereich Wasser ablehnen(Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 14Erklärung nach § 31 GO der AbgeordnetenDr. Reinhard Brandl, Herbert Frankenhauser,Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), MichaelFrieser, Florian Hahn. Gerda Hasselfeldt, KarlHolmeier, Alois Karl, Hartmut Koschyk,Ulrich Lange, Paul Lehrieder, Stephan Mayer(Altötting), Stefan Müller (Erlangen), FranzObermeier, Eduard Oswald, Albert Rupprecht(Weiden), Dr. Andreas Scheuer, JohannesSinghammer, Stephan Stracke, Dr. Hans-PeterUhl, Dagmar G. Wöhrl und Wolfgang Zöller(alle CDU/CSU)– zu den namentlichen Abstimmungen:– Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Antrag zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtliniedes Europäischen Parlaments und desRates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok.18960/11)hier: Stellungnahme des DeutschenBundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz4 des Gesetzes über die Zusammenarbeitvon Bundesregierung undDeutschem Bundestag in Angelegenheitender Europäischen Union – Wasserist Menschenrecht – Privatisierungverhindern28168 A


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013XIII– zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.;Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – FormaleAusschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für denBereich Wasser ablehnen(Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28169 ADr. Gerd Müller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .Christian Schmidt (CDU/CSU) . . . . . . . . . .Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . .Anlage 16Erklärung nach § 31 GO des AbgeordnetenDr. Michael Paul (CDU/CSU) zur Abstimmungüber den Entwurf eines Gesetzes zurBeschleunigung der Rückholung radioaktiverAbfälle und der Stilllegung der SchachtanlageAsse II (Tagesordnungspunkt 8) . . . . . . . . . .28172 C28172 D28173 B28173 CAnlage 15Erklärungen nach § 31 GO– zu den namentlichen Abstimmungen:– Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Antrag zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtliniedes Europäischen Parlaments und desRates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok.18960/11)hier: Stellungnahme des DeutschenBundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz4 des Gesetzes über die Zusammenarbeitvon Bundesregierung undDeutschem Bundestag in Angelegenheitender Europäischen Union – Wasserist Menschenrecht – Privatisierungverhindern– zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.;Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Artikel 23 Absatz 3des Grundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – FormaleAusschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für denBereich Wasser ablehnen(Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt7)Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . .Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Daniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .28170 B28171 A28171 C28172 AAnlage 17Erklärung nach § 31 GO der AbgeordnetenGisela Piltz, Christine Aschenberg-Dugnus,Florian Bernschneider, Sebastian Blumenthal,Nicole Bracht-Bendt, Ernst Burgbacher,Marco Buschmann, Bijan Djir-Sarai, RainerErdel, Hans-Michael Goldmann, Dr. ChristelHappach-Kasan, Manuel Höferlin, MichaelKauch, Sebastian Körber, Sibylle Laurischk,Oliver Luksic, Horst Meinerhofer, PatrickMeinhardt, Petra Müller, Burkhard Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Jörg von Polheim,Dr. Birgit Reinemund, Dr. Peter Röhlinger,Björn Sänger, Christoph Schnurr, JimmySchulz, Marina Schuster, Dr. Hermann-OttoSolms, Joachim Spatz, Manfred Todtenhausen,Serkan Tören, Johannes Vogel, Dr. ClaudiaWinterstein (alle FDP) zur Abstimmung überdie Beschlussempfehlung zu dem Antrag:Keine Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten– Richtlinienvorschlag über dieVerwendung von Fluggastdatensätzen(KOM(2011) 32 endg.; Ratsdok. 6007/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Artikel 23 Absatz 3 desGrundgesetzes i.V.m. § 9 Absatz 4 EUZBBG(Tagesordnungspunkt 35) . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 18Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden zur Beratungdes Entwurfs eines Gesetzes über dieGrundsätze zur Ablösung der Staatsleistungenan Religionsgesellschaften (Staatsleistungsablösegesetz– StAblG) (Tagesordnungspunkt7)Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . .Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .Beatrix Philipp (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28174 B28175 A28176 A28176 D28178 A


XIV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Anlage 19Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden zur Beratungder Beschlussempfehlung und des Berichts zuden Anträgen:– Neue Flusspolitik – Ein „Nationales Rahmenkonzeptfür naturnahe Flusslandschaften“– Umfassendes Elbekonzept erstellen(Tagesordnungspunkt 15)Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .– Entwurf der Bundesregierung eines FünfzehntesGesetz zur Änderung des Soldatengesetzes(Tagesordnungspunkt 18)Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .28194 B28194 DLars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .28195 D28178 D28180 B28182 ABurkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . .Harald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28196 D28197 C28198 BAnlage 20Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden zur Beratungdes Entwurfs eines Gesetzes über den Berufder Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäterssowie zur Änderung weiterer Vorschriften(Tagesordnungspunkt 16)Lothar Riebsamen (CDU/CSU) . . . . . . . . . .Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Annette Widmann-Mauz,Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . .28183 B28184 A28185 D28187 A28187 D28188 BAnlage 23Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden zur Beratung derBeschlussempfehlung und des Berichts zu demAntrag: Rechte indigener Völker stärken –ILO-Konvention 169 ratifizieren (Tagesordnungspunkt20)Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . .Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28199 A28201 A28202 B28202 D28203 DAnlage 21Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden Beratung desAntrags: Zusammenarbeit mit China intensivieren– China-Kompetenzen in Deutschlandausbauen (Tagesordnungspunkt 17)Anlage 24Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden zur Beratungdes Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserungder Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichungvon Planfeststellungsverfahren(PlVereinhG) (Zusatztagesordnungspunkt 8)Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . .Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . .Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28189 A28190 A28190 D28191 D28192 C28193 BHelmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .Manuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28204 D28206 B28207 C28208 B28208 CAnlage 22Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden zur Beratung:– Entwurf der Fraktionen der CDU/CSUund FDP eines Fünfzehntes Gesetz zurÄnderung des SoldatengesetzesAnlage 25Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden zur Beratungdes Entwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflichtvon Bundesbehörden gegenüber derPresse (Presseauskunftsgesetz) (Zusatztagesordnungspunkt9)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013XVWolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU)28209 BJimmy Schulz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28213 AMartin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD)Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . .28210 D28212 A28212 CJan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28213 D28215 C


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27893(A)(C)225. SitzungBerlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Beginn: 9.01 Uhr(B)Präsident Dr. Norbert Lammert:Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichbegrüße Sie herzlich.Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich der KolleginGabriele Hiller-Ohm heute zu ihrem 60. Geburtstaggratulieren. Alle guten Wünsche!(Beifall – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Daswollte ich mir nicht entgehen lassen, Herr Präsident!)– Das leuchtet unter jedem Gesichtspunkt ein. GenießenSie diesen Tag in vollen Zügen in der dafür bestmöglichenUmgebung.(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Danke schön!)Interfraktionell ist vereinbart worden, die Tagesordnungum die in der Zusatzpunkteliste aufgeführtenPunkte zu erweitern:ZP 1Aktuelle Stunde auf Verlangen der FraktionenSPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:Haltung der Bundesregierung zur vollständigenGleichstellung von Lebenspartnerschaftund Ehe als Konsequenz aus der Rechtsprechungdes Bundesverfassungsgerichts(siehe 224. Sitzung)Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschussb) Beratung des Antrags der Abgeordneten RenéRöspel, Lars Klingbeil, Dr. Ernst Dieter Rossmann,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDFreier Zugang zu öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen– Drucksache 17/12300 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung (f)RechtsausschussAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und Medienc) Beratung des Antrags der Abgeordneten FranzThönnes, Dr. Rolf Mützenich, Christoph Strässer,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDsowie der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), Ute Koczy, weitererAbgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENUmfassende Modernisierung und Respektierungder Menschenrechte in Aserbaidschanunabdingbar machen– Drucksache 17/12467 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss (f)InnenausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union(D)ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten VerfahrenErgänzung zu TOP 41a) Beratung des Antrags der Abgeordneten RenéRöspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, UweBeckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder SPDMeeresforschung stärken – Potentiale ausschöpfenund Innovationen fördern– Drucksache 17/9745 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung (f)Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieZP 3Weitere abschließende Beratung ohne AusspracheErgänzung zu TOP 42Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Ausschusses für Wirtschaft und Technologie(9. Ausschuss) zu der Verordnung derBundesregierung


27894 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Präsident Dr. Norbert Lammert(A)Einhundertzweiundsechzigste Verordnung zurÄnderung der Einfuhrliste– Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz –– Drucksachen 17/12001, 17/12114 Nr. 2.1,17/12448 –Berichterstattung:Abgeordnete Ulla LötzerZP 4 Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschussesa) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschussesnach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss)zu dem Gesetz zur Fortentwicklungdes Meldewesens (MeldFortG)– Drucksachen 17/7746, 17/10158, 17/10768,17/12463 –Berichterstattung:Abgeordneter Jörg van Essenb) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschussesnach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss)zu dem Gesetz zur Begleitungder Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zurFestlegung der technischen Vorschriften undder Geschäftsanforderungen für Überweisungenund Lastschriften in Euro und zur Änderungder Verordnung (EG) Nr. 924/2009(SEPA-Begleitgesetz)– Drucksachen 17/10038, 17/10251, 17/11395,17/11938 17/12464 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Michael Meisterc) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschussesnach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss)zu dem Gesetz zur Umsetzungdes EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 inder Rechtssache C-284/09– Drucksachen 17/11314, 17/11717, 17/11718,17/11940, 17/11950, 17/12465 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Michael MeisterBerichterstattung:Abgeordnete Cajus CaesarPetra CroneDr. Christel Happach-KasanDr. Kirsten TackmannCornelia BehmZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. MartinSchwanholz, Manfred Nink, Wolfgang Tiefensee,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDzu dem Vorschlag für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates über die KonzessionsvergabeKOM(2011) 897 endg.; Ratsdok.18960/11hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Artikel 23 Absatz 3 des GrundgesetzesKommunale Versorgungsunternehmen stärken– Formale Ausschreibungspflicht beiDienstleistungskonzessionen insbesondere fürden Bereich Wasser ablehnen– Drucksache 17/12519 –ZP 8 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligungund Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren(PlVereinhG)– Drucksache 17/9666 –Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses(4. Ausschuss)– Drucksache 17/12525 –Berichterstattung:Abgeordnete Helmut BrandtKirsten LühmannManuel HöferlinFrank TempelWolfgang WielandZP 9 Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflichtvon Bundesbehörden gegenüberder Presse (Presseauskunftsgesetz)– Drucksache 17/12484 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss (f)Ausschuss für Kultur und Medien (f)RechtsausschussHaushaltsausschussFederführung strittigVon der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweiterforderlich, abgewichen werden.Die Tagesordnungspunkte 23 und 41 d werden abgesetzt.Darüber hinaus kommt es zu den in der Zusatzpunktelistedargestellten weiteren Änderungen des Ablaufs.(C)(B)ZP 5ZP 6Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIELINKE:Position der Bundesregierung zur Einführungeines gesetzlichen MindestlohnsDritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Ersten Gesetzes zurÄnderung des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes– Drucksache 17/12033 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz(10. Ausschuss)– Drucksache 17/12400 Buchstabe a –Schließlich mache ich noch auf zwei nachträglicheAusschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktelisteaufmerksam:(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27895Präsident Dr. Norbert Lammert(A)(B)Der am 25. Oktober 2012 (201. Sitzung) überwiesenenachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschussfür Kultur und Medien (22. Ausschuss) zur Mitberatungüberwiesen werden:Erste Beratung des von den Abgeordneten HalinaWawzyniak, Jan Korte, Nicole Gohlke, weiterenAbgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Änderungdes Telemediengesetzes – Störerhaftung– Drucksache 17/11137 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)RechtsausschussAusschuss für Kultur und MedienDer am 21. Februar 2013 (222. Sitzung) überwiesenenachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschussfür Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)zur Mitberatung überwiesen werden:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Förderungund Regulierung einer Honorarberatungüber Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz)– Drucksache 17/12295 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss (f)RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzIch frage Sie, ob Sie mit diesen Veränderungen einverstandensind. – Das sieht so aus. Jedenfalls ist keinWiderspruch erkennbar. Dann haben wir das so beschlossen.Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 3 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchenim Hochfrequenzhandel (Hochfrequenzhandelsgesetz)– Drucksachen 17/11631, 17/11874 –Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses(7. Ausschuss)– Drucksache 17/12536 –Berichterstattung:Abgeordnete Ralph BrinkhausDr. Carsten SielingBjörn SängerHierzu liegt ein Entschließungsantrag der SPD-Fraktionvor.Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, dass dieseAussprache 90 Minuten dauern soll. – Auch dazu kannich Einvernehmen feststellen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächstdem Parlamentarischen Staatssekretär beim BundesfinanzministerHarmut Koschyk.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerder Finanzen:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitder Verabschiedung des Gesetzes zur Vermeidung vonGefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel errichtenwir heute einen weiteren wichtigen Baustein inder Brandmauer, die uns wirksamer als in der Vergangenheitvor künftigen Finanzkrisen schützen soll.Auf diesem Weg ist die Bundesregierung gemeinsammit den sie tragenden Koalitionsfraktionen ein gutesStück vorangekommen. Wir haben uns von Anfang anfür einen wirksamen europäischen und internationalenRahmen bei der Finanzmarktregelung eingesetzt. Wirsind auf diesem Weg auch in Europa und auf der G-20-Ebene Schrittmacher gewesen. Wir sind auf nationalerEbene oft vorangegangen, haben Leerverkäufe verboten,Ratingagenturen reguliert, den Handel mit außerbörslichgehandelten Derivaten transparenter gemacht, undDeutschland hat massiv einen Beitrag dazu geleistet, dieeuropäische und deutsche Aufsichtsstruktur neu zu ordnen.Bereits 2010 haben wir Banken und Versicherungenverpflichtet, angemessene, transparente und nachhaltigeVergütungssysteme einzuführen. Wir haben den Anlegerschutzverbessert, und wir haben mit unserem Restrukturierungsgesetzund unserer Bankenabgabe denMasterplan für die Regelung geschaffen, die jetzt auf europäischerEbene ansteht.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, esist einfach unverständlich, dass dieser erfolgreiche Wegvon der Oppositionsseite immer wieder mit Mäkeleienund Kritteleien bedacht wird.(Joachim Poß [SPD]: Wir sollten jetzt wohl jedenMorgen eine Messe für Sie lesen und Hosiannarufen!)Hätten Sie in Ihrer Regierungszeit hier gehandelt, wäreDeutschland, Europa und der Welt viel erspart geblieben.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wir haben die Lehren aus der Finanzkrise gezogen(Joachim Poß [SPD]: Sollen wir für dieseschwarz-gelbe Krachbude auch noch Hosiannarufen, oder was?)und seit Beginn dieser Legislaturperiode einen wichtigenneuen Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte geschaffen.Dabei lassen wir uns von klaren Prinzipien leiten,die ineinandergreifen, und haben einen konsistentenOrdnungsrahmen gebildet. Grundprinzip unseres Handelnsdabei ist, dass Gewinnchancen und Haftung wiedereng beieinander liegen müssen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wir freuen uns, dass auf europäischer Ebene die Trilogverhandlungenüber die Umsetzung von Basel III vor(C)(D)


27896 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk(A)(B)einem Abschluss zu stehen scheinen. Denn eines ist klar:Ein zentraler Punkt dieses Ordnungsrahmens muss dieBankenregulierung sein, und dazu ist es unerlässlich,dass das haftende Kapital der Banken schrittweise erhöhtwird.Wir haben Anfang Februar einen Gesetzentwurf zumTrennbankensystem vorgelegt, in enger Absprache mitFrankreich. Dadurch wollen wir erreichen, dass Risikobereichevon Banken vom Einlagengeschäft getrenntwerden. Mit diesem Gesetzentwurf gehen wir die sogenannteToo-big-to-fail-Problematik an. Aber – das hateine Fachanhörung gestern im Finanzausschuss zum sogenanntenLiikanen-Bericht ganz deutlich gemacht – esgeht oftmals nicht nur um die Frage: Ist ein Institut zugroß, um es fallen zu lassen? Es geht oftmals auch umdie Frage: Wie vernetzt, wie zusammenhängend sind dieInstitute? All diese Fragen gehen wir in diesem Gesetzentwurfan.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Auf unserer Agenda steht auch eine gemeinsame Aufsichtüber bedeutende Banken in Europa. Wir konnten beiden europäischen Verhandlungen hier zentrale Anliegendurchsetzen. Dies betrifft zum einen die klare Abgrenzungder Aufgaben zwischen EZB und nationalen Behördengemäß dem Prinzip der Subsidiarität. Es war gut undrichtig, dass wir uns dafür eingesetzt haben, dass nurgroße, systemrelevante, in grenzüberschreitendem Geschäfttätige Banken in Europa unter die europäische Aufsichtkommen, dass aber zum Beispiel unsere Sparkassenund Genossenschaftsbanken, die ein stabiler Eckpfeilerdes Mittelstandsfinanzierungssystems in Deutschlandsind, nach wie vor unter unseren bewährten nationalenAufsichtsstrukturen stehen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Manfred Zöllmer [SPD]: Sagen Sie doch einmaletwas zum Hochfrequenzhandel!)Ganz entscheidend ist für uns bei den neu zu schaffendeneuropäischen Aufsichtsstrukturen die weitgehendeTrennung von Bankenaufsicht und Geldpolitik gewesen,wie sie sich gerade auch im Bereich der deutschen Aufsichtsstrukturenbewährt hat.Mit dem Gesetz, das wir heute in zweiter und dritterLesung verabschieden, wollen wir den Gefahren des sehrschnellen Computerhandels begegnen und damit wiederfür mehr Stabilität und Integrität der Finanzmärkte sorgen.Denn – das ist nicht zu leugnen – der zunehmendeHochfrequenzhandel hat die Geschwindigkeit und Komplexitätdes Handels in den letzten Jahren drastisch erhöht.Wir erinnern und alle noch an extreme Börsenszenarien,bei denen es in wenigen Minuten zu gravierendenMarktausschlägen kam, etwa beim sogenannten FlashCrash im Mai 2010. Da konnten wir erleben, wie durchden computergesteuerten Hochfrequenzhandel extremeKursbewegungen ohne jeglichen Bezug zu realwirtschaftlichenEntwicklungen verstärkt wurden.Zu dem Gesetz, das wir heute hier verabschieden, gehörenerstens Mechanismen, die bei hohen Preisschwankungenden Handel vorübergehend aussetzen.Zweitens sorgen wir dafür, dass bei einer übermäßigenInanspruchnahme der Handelssysteme durch häufigesEinstellen, Ändern oder Löschen von Aufträgen inZukunft besondere Kosten fällig werden.Drittens müssen Händler darauf achten, dass das Verhältnisvon Orderanfragen und tatsächlichen Handelsabschlüssennicht zu weit auseinanderklafft.Viertens wird dem Trend zu immer mehr Geschäftsabschlüssen,bei denen minimale Preisunterschiede ausgenutztwerden, durch die Einführung von Mindestpreisänderungenentgegengewirkt.Wir haben uns – auch aufgrund der Ausschussberatungen– sehr genau überlegt, ob wir in dieses Gesetzeine Mindesthaltedauer für Wertpapiere aufnehmen. Dieunterschiedlichen Aussagen der Sachverständigen beider Ausschussanhörung haben deutlich gemacht, dasssich die Folgen und vor allem der Nutzen einer Mindesthaltedauerschwer abschätzen lassen. Wir setzen daherim Gesetzentwurf auf Maßnahmen, die negative Folgendes schnellen Computerhandels wirksam einbremsen.Wir wissen, dass es über die Frage einer Mindesthaltedauerauch auf europäischer Ebene, zum Beispiel im EuropäischenParlament, unterschiedliche Auffassungengibt.(Zuruf von der SPD und der LINKEN)Aber eines ist klar, verehrte Kolleginnen und Kollegen:Einem solchen Instrument kann man, wenn überhaupt,nur nähertreten, wenn es europaweit eingeführt wird.Eine isolierte nationale Einführung würde überhaupt keinenSinn machen. Denn wir haben auch eine Verantwortungfür den Börsenstandort Deutschland.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Deshalb gehen wir hier wieder einmal voran. Wir prägenmit dem, was wir auf den Weg bringen, den europäischenOrdnungsrahmen. Ich kann an die Opposition nurappellieren: Gehen Sie endlich mit uns diesen Weg mit!(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Dann müssten wir ja rückwärts gehen!)Beschränken Sie sich nicht auf kleinliche Krittelei, sondernsehen Sie die Größe und Bedeutung dieser Aufgabe,und versagen Sie sich der Mitwirkung nicht!Herzlichen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Präsident Dr. Norbert Lammert:Das Wort erhält nun der Kollege Carsten Sieling fürdie SPD-Fraktion.(Beifall bei der SPD)Dr. Carsten Sieling (SPD):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat handeltes sich bei dem sogenannten Hochfrequenzhandelum eine erst in den letzten Jahren entwickelte Form desHandels an den Börsen, der mit einer unglaublichen Geschwindigkeitvor sich geht. Es geht hierbei um Milli-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27897Dr. Carsten Sieling(A)(B)sekunden, nicht um Sekunden – von Minuten oder Ähnlichemreden wir überhaupt nicht –, also umMillisekunden, in denen der Handel vollzogen werdensoll. Das ist ein stark und schnell wachsendes Segment,gerade übrigens für hochliquide Anlagen von großenUnternehmen. 70 Prozent des Börsenhandels in denUSA und 40 Prozent des Börsenhandels in Europa werdenso abgewickelt.Es ist richtig, hier eine Regulierung anzusetzen. Es istrichtig vor dem Hintergrund der Gefahren, der Crashs,der Unfälle mit gewaltigen Wertvernichtungen, die schonpassiert sind. Deshalb muss hier endlich eingegriffenwerden. Aber man muss sich natürlich fragen, was füreine Regulierung hier vorgelegt wird und ob dadurchwirklich durchgegriffen wird.Ich muss Ihnen sagen, meine Damen und Herren undHerr Staatssekretär, Ihr Gesetzentwurf, den Sie hier einbringen,wird nichts anderes bewirken, als dass einigeRegistrierungen erfolgen und sicherlich eine Übersichtüber den Bereich geschaffen wird; aber die Geschwindigkeitund die Gefahren werden dadurch nicht beeinträchtigt.(Beifall bei der SPD)Um einmal im Bild zu bleiben: Sie fassen nicht dieComputer an, sondern Sie wechseln nur die Monitoreaus. – Es geht hier darum, mit Hochgeschwindigkeit umzugehen.Das kann man nicht mit einigen Etiketten undeinigen wenigen Maßnahmen, die keine Überzeugungskrafthaben, angehen.Das Ganze hat einen wichtigen Hintergrund. WennSie in Ihr Herz hineinschauen, müssten Sie sich eingestehen,dass Sie diesen Handel gar nicht wirklich durchgreifendbeschränken und regulieren wollen.(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Genau!)Das hängt damit zusammen, dass Sie den Nutzen desHochfrequenzhandels, dieses hyperschnellen Börsenhandels,deutlich überschätzen und die Risiken unterschätzen.Die Folge ist, dass Sie uns ein Regulierungsvorhabenvorlegen, wie wir es aus vielen Bereichenkennen. Bei Ihnen fehlen durchgängig Stringenz undDurchgriff. Dies bräuchten wir aber, um wirklich wiederOrdnung auf den Finanzmärkten herzustellen.(Beifall bei der SPD)Ich muss sagen, Herr Staatssekretär, dass es wohlfeilist, sich hier hinzustellen und zu sagen: Wir sind diejenigen,die die Maßnahmen angegangen sind, und zwar seit2009, seitdem wir regieren. – Das ist genau die Phase,nachdem die G 20 die entscheidenden Beschlüsse gefassthaben.(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Dasgefällt Ihnen nicht! Das ist aber so!)Das ist aus zwei Gründen wohlfeil.Der erste Grund ist, dass man schon in den Jahrenvorher, als Sie gemeinsam mit uns in der Großen Koalitionregiert haben, eingreifen und schneller hätte etwasmachen müssen. Man hätte es auch machen können.Aber Sie haben hier blockiert. Wir hätten viel mehr machenkönnen.(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Werwar denn damals Finanzminister? – Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Sie haben dochdamals den Finanzminister blockiert! Sie habenes nicht mitgemacht! – Gegenruf des Abg.Joachim Poß [SPD]: Quatsch! Sie haben dasdoch nicht mitgemacht! Wir haben doch mitIhnen verhandelt!)Der zweite und entscheidende Grund, Herr Kollege,ist: Vorher gab es in der Tat eine Phase, in der weltweitliberalisiert wurde. Heute weiß man, dass das nicht richtigwar. Aber wir haben damals in der Regierung gemeinsammit den Grünen wenigstens dafür gesorgt, dassbeispielsweise Hedgefonds keine großen Möglichkeitenin Deutschland bekommen. Wir wollten diese Heuschreckennicht.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Sie – die FDP vorneweg, die Union hinterher – habenversucht, uns hier im Parlament zu zwingen, an dieserStelle mehr zu machen.(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Achwas! Ihr habt doch das alles erst zugelassen! –Jörg van Essen [FDP]: Wer hat die Hedgefondsdenn zugelassen? Das waren doch Sie!)Früher so und heute anders zu reden, das ist nicht glaubwürdig,meine Damen und Herren;(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Sie haben hier nämlich nicht den Vertrauensvorsprung,den man braucht. Das zeigt sich leider auch, liebe Kolleginnenund Kollegen, an Ihren Gesetzentwürfen. Ich willan einigen Punkten deutlich machen, wo wir die Problemedes vorliegenden Gesetzentwurfes sehen.Sie greifen beispielsweise das Thema auf, dass90 Prozent der Orders, die getätigt werden, storniertwerden und so Scheinliquidität erzeugt wird. Sie wollendieses Problem mit der Festlegung eines sogenanntenOrder-Transaktions-Verhältnisses angehen; das ist gut.Aber Sie sagen in Ihrem Gesetzentwurf nicht – Sie weigernsich, da heranzugehen –, wie dieses Verhältnis aussehensoll; das ist schlecht. Sie überlassen diese Regelungnicht dem Gesetzgeber, sondern wollen, dass dashinterher über die Aufsicht und auch über die Börsenselber reguliert wird.(Joachim Poß [SPD]: Genau! Aber das machtdie Regelung wieder weich!)Da sage ich: Wenn die, deren Geschäft das ist, selber regulieren,dann kann dabei nichts Ordentliches herauskommen.Von daher sind Sie inkonsequent und lassenden Honigtopf für einige wenige unberührt stehen.(Beifall bei der SPD)Es ist doch so: Es gibt den Irrglauben, ganz viele würdenvon diesem Computerhandel profitieren. Ich will(C)(D)


27898 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Carsten Sieling(A)(B)hier eindeutig sagen – das ist auch der Grund, warum wiran dieser Stelle so energisch sind –:(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Oh ja! Dasmerkt man!)In Wirklichkeit ist es so, dass nur ganz wenige Händlereinen wirklichen Vorteil haben. Es kommt darauf an, wiegering der Abstand – Stichwort „kurzes Kabel“; so konkretist das – zum Börsenstandort ist. Ein kurzer Abstandzum Börsenstandort führt dazu, dass man Wettbewerbsvorteilehat. In dieser Situation sind nur wenige. Geradean den Börsen, die eigentlich eine Wettbewerbsplattformin Reinkultur mit wirklich entwickelter Konkurrenzsind, befördern Sie dadurch Monopolisierungsentwicklungen.Das wollen wir nicht.(Beifall bei der SPD)Ich will Ihnen sagen – der Staatssekretär hat es ja angesprochen–: Das am besten geeignete Instrument, umsolche Entwicklungen zu verhindern bzw. einzuschränken– und das müssen wir tun –, ist die Einführung einersogenannten Haltefrist und Mindestverweildauer. Wirfordern nicht etwa eine Haltefrist von mehreren Wochen,Tagen, Stunden oder Minuten, sondern der Vorschlag,den wir Ihnen hier vorlegen, lautet, eine 500-Millisekunden-Haltefristeinzuführen. Da wird es dann spannend.Das ist nämlich ein Vorschlag, den wir uns nicht alleinüberlegt haben. Die Experten streiten zwar noch darüber;aber das Europäische Parlament hat bereits vorgeschlagen,diese Regelung auf europäischer Ebene zutreffen.(Joachim Poß [SPD]: Und wer bremst?Schäuble und Merkel! – Stefan Müller [Erlangen][CDU/CSU]: Wer hat es denn vorgeschlagen?)Wenn die Bundesregierung und die Koalition aber sagen:„Eigentlich ist das ein Vorschlag, dem wir uns nähernmüssen“, würde ich erwarten, dass Sie sich im Ministerratauf europäischer Ebene auch dafür einsetzen,dass diese Regelung getroffen wird.(Beifall bei Abgeordneten der SPD)Was ist nun die Wahrheit? Im Finanzausschuss ist gesterndurch unsere Nachfragen ans Tageslicht gekommen:(Jörg van Essen [FDP]: Ui!)Diese Bundesregierung gehört im Ministerrat auf europäischerEbene zu denen, die das nicht wollen und diedas blockieren, meine Damen und Herren.(Beifall der Abg. Bettina Hagedorn [SPD] –Joachim Poß [SPD]: Genau! Brüderle undWissing bremsen, diese Strolche!)Sie versuchen, uns hier einzureden, das gehe nicht national,und dort sorgen Sie dafür, dass es auch internationalnicht passiert. Das ist unredlich. Das trägt an diesemwichtigen und kritischen Punkt nicht zur Regulierungbei.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Das hat ja Methode, wir kennen das ja.(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ja, Finanztransaktionsteuer!)Wie lange hat es gedauert, Sie dafür zu gewinnen, daswichtige Instrument der Finanztransaktionsteuer zu installieren?(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das musste jakommen! Keine Rede ohne Finanztransaktionsteuer!)– Richtig, Herr Kollege. Ich bin ja schon froh, dass dieCDU/CSU-Kollegen das Wort richtig aussprechen können.(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordnetender LINKEN – Ralph Brinkhaus[CDU/CSU]: Sie haben die Kassen schon volldavon!)Auch hier war es ja so: Sie haben sich dafür eingesetzt,auf der europäischen Ebene eine Finanzaktivitätsteuereinzuführen, und haben das hier die ganze Zeit blockiert.Deshalb mussten wir Sie hier dazu bringen, indem wirgesagt haben: Fiskalpakt, europäische Rettung gibt esnur, wenn die Branche und die Verantwortlichen herangezogenwerden. Erst da sind Sie umgestiegen, vorhernicht.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Da haben Sie es genauso gemacht wie hier beim Hochfrequenzhandel.Sie sind nichts anderes als Hasenfüße in der Regulierungauf europäischer Ebene. Und hier erzählen Sie uns,Sie seien strikt und streng. Das ist doch ein ganz wichti-(C)(D)– Es war ein bayerischer Abgeordneter. Es gibt in Bayernzwar viele Abgeordnete, Gott sei Dank auch von derSPD, von den Grünen und von anderen, aber in diesemFall ist es ein CSU-Mann gewesen, meine Damen undHerren. Aus Ihrem eigenen Stall kommt dieser Vorschlag.Aber Sie sind zu feige, ihn hier in Deutschlandumzusetzen. Ich halte das für einen großen und zentralenFehler dieses Gesetzentwurfs.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Jetzt wird immer das schöne Argument vorgebracht,da dürfe man keinen Alleingang machen, weil das zu gefährlichsei. In anderen Bereichen konnte man das zwarmachen; aber hier wolle man sich das nicht trauen. Darüberkönnte man ja noch diskutieren, und das muss manwürdigen.(Dr. Volker Wissing [FDP]: Das ist auch so!Sie wissen das! Sie sagen nur hier nicht das,was Sie wissen!)– Schön, dass Sie, Herr Kollege Wissing, so schlau dazwischenrufen.(Beifall der Abg. Dr. Birgit Reinemund [FDP])


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27899Dr. Carsten Sieling(A)ger Punkt, Herr Kollege. Die Bundeskanzlerin sagt dortin jeder Rede: jeder Akteur, jeder Markt, jedes Produkt.(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Genau, wirmachen das! Das haben Sie verpennt!)– Sie sagen: „Genau, wir machen das“, aber Sie redennur darüber. – Wenn man Sie fragt, wie Sie es machen,stellt sich heraus, dass auf jedem Markt bei jedem Produktjeder Akteur weiter so machen kann wie bisher. DieBundeskanzlerin legt jedenfalls hier in Deutschland falschesZeugnis gegenüber dem ab, was sie umsetzt.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruchbei der CDU/CSU)So kann es an dieser Stelle nicht weitergehen.Ich will jetzt nicht auf weitere Punkte eingehen.(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Weil Sie keinehaben!)– Dann will ich Ihnen aber doch noch sagen: Da gab es,führend aus dem Bundesland Hessen wegen der dortigenBörse, die Klage darüber, dass diese Regulierung zustreng sei. Dem wäre man seitens der Bundesregierungfast gefolgt.(Joachim Poß [SPD]: Wegen der FDP!Brüderle!)Aber ich muss zugeben: Es gibt auch Länder mit sozialdemokratischerBeteiligung, die Börsenstandorte habenund die darüber nachgedacht haben.(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ach!)Wir haben uns Gott sei Dank gemeinsam dafür entschieden,bei der Regulierung nach Kreditwesengesetz zubleiben.Beim Sekundenhandel machen Sie aber jetzt einekleine Tür auf, die hochgradig interessant ist. Bishersollte das Gesetz, damit es wirken kann, nach drei Monatenin Kraft treten. Weil Sie sich aber in diesem Punktgegenüber Ihren Leuten nachgiebig zeigen wollten, habenSie die Dauer bis zum Inkrafttreten von drei aufsechs Monate und für Unternehmen, die aus dem Auslandkommen, sogar auf neun Monate verlängert. Ichfrage mich: Wie weit verwässern Sie das Gesetz noch?Wann wollen Sie es in Kraft treten lassen? In dieser Legislaturperiodesowieso nicht mehr.(Beifall bei Abgeordneten der SPD)Also auch hier inkonsequentes Handeln.(Joachim Poß [SPD]: Das ist ganz schrecklich! Wieviel Parteispenden bekommen Sie dafür?)Das ist wirklich keine Regulierung, wie wir sie brauchen.(Joachim Poß [SPD]: Lobbyistenpolitik!Merkel!)Wir schlagen Ihnen deshalb vor und sagen Ihnen sehrdeutlich: Seien Sie klug! Unterbrechen Sie die Beratungheute! Nehmen Sie die Maßnahmen noch einmal auf!Wir müssen weiter darüber reden; denn wir braucheneine richtige Regulierung, die dafür sorgt –(C)(B)Präsident Dr. Norbert Lammert:Herr Kollege!Dr. Carsten Sieling (SPD):– Ich komme zum Schluss, Herr Präsident –, dass dasHochfrequenzhandelsgesetz so ausgelegt wird, dassauch dieser hochgefährliche Handel verlässlich derFinanztransaktionsteuer unterworfen werden kann. Aberauch da bin ich skeptisch, ob Sie es wirklich ernst meinen.Ich wünsche mir eine sachgerechte Regulierung inDeutschland, damit die Steuerzahler dafür nicht längerherangezogen werden. Dafür brauchen wir eine ordentlicheRegierung in diesem Land.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Präsident Dr. Norbert Lammert:Der Kollege Björn Sänger erhält nun das Wort für dieFDP-Fraktion.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Björn Sänger (FDP):Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!Geschätzter Kollege Sieling, bei aller persönlichenWertschätzung,(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Na, na, na!)die ich für Sie hege,(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nein, nein!)war das nicht nur nichts, sondern das war sehr dreisterWahlkampfklamauk.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU – Lachen bei der SPD – SwenSchulz [Spandau] [SPD]: Dann wollen wireinmal hören, was Sie argumentativ dagegenzu sagen haben!)Wir sollten dieses Gesetz einmal in Ruhe betrachtenund vom Ende her denken, was wir eigentlich erreichenwollen.(Joachim Poß [SPD]: Von welchem Ende?Vom Regierungsende, oder was?)Erreichen wollen wir doch, dass der Hochfrequenzhandel,gegenüber dem die Menschen in diesem Land zuRecht Vorbehalte haben und vor dem sie Angst haben,weil er sich auch problematisch entwickeln kann, einerRegulierung unterzogen wird. Darüber wird zurzeit aufeuropäischer Ebene diskutiert. Wir rechnen damit, dassdie europäischen Regelungen in etwa drei Jahren auchhier in Deutschland anlanden und dann auch in Kraft gesetztwerden, sodass wir eine europaweit einheitliche(D)


27900 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Björn Sänger(A)Regelung haben werden. Unser Vorschlag, mit dem wirdiesen Regelungen vorgreifen, orientiert sich, um hiereben keine Regulierungsarbitrage zu schaffen, sehr engan den MiFID-Vorgaben.Da stellt sich mir die Frage, geschätzter KollegeSieling, was die Sozialdemokraten eigentlich gegen dievielen Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derdeutschen Börsen haben.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Die meisten Mitarbeitersind doch Computer! Das wissen Siedoch auch!)Eine Mindesthaltefrist einzuführen, würde zu nichts anderemführen, als dass ganz schnell eine Verlagerungstattfände. So schnell, wie die Computer handeln, soschnell kann man nämlich auch den Handelsplatz wechseln.(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Was ist danndie Konsequenz daraus?)Ein Klick im Programm, und schon findet dieser Handelnicht mehr in Deutschland, nicht mehr unter unserer Regulierungstatt.(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Und dann?)Im Übrigen hatten wir die Probleme, die in anderenLändern aufgetaucht sind, in Deutschland bisher überhauptnicht. Das liegt daran, dass die Börsenbetreiber inDeutschland verantwortungsvoll mit diesen Themen umgehen.Würde der Vorschlag der SPD zum jetzigen Zeitpunktumgesetzt, führte das dazu, dass wir uns solcheProbleme hereinholten; denn dann würden die deutschenAkteure im Ausland handeln, und das Risiko fände überdie Bilanzen den Weg zurück nach Deutschland. Das istnicht der Weg, den man gehen sollte, und deswegen gehenwir ihn auch nicht.(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU])Wenn man sich die Zahlen einmal anschaut, siehtman, dass durch unsere Regelungen etwa 25 Prozent desUmsatzes an deutschen Börsen zur Disposition gestelltwürden. So groß ist in etwa der Bereich, der von dieserRegulierung betroffen ist. Ich finde, 25 Prozent sindnicht wenig. Das müssen wir uns an dieser Stelle bewusstmachen. Das ist uns durchaus bewusst, und das istvon uns im Übrigen auch so gewollt.Der Gesetzentwurf der Bundesregierung bringt sinnvolleRegelungen, die es in noch keinem anderen Landauf der Welt gibt. Die Regelungen, die Ihnen heute zurAbstimmung vorliegen, sind weltweit einmalig: Zumersten Mal wird der Hochfrequenzhandel in dieser Artund Weise reguliert. Zum ersten Mal weltweit werdenbestimmte Instrumentarien auch der Aufsicht und denBörsenbetreibern zur Verfügung gestellt, um hier zu einerEntschleunigung zu kommen.Dazu gehört die Order-to-Trade-Ratio, nämlich dasVerhältnis zwischen den Transaktionen, die in dasSystem eingestellt werden, und denen, die davon auchausgeführt werden. Wir haben die Zuständigkeit zurFestlegung dieses Verhältnisses im Sinne des Subsidiaritätsprinzipsbewusst unten, also an den Börsen, angesiedelt,weil die Börsen am besten wissen, wie dieser Parameteram jeweiligen Handelstag aussehen sollte. Es ist janicht jeder Tag gleich, und die Marktsituation ändertsich. Es muss die Möglichkeit bestehen, darauf flexibelzu reagieren. Deswegen ist diese Zuständigkeit an denBörsen, wo wir sie ansiedeln wollen, richtig angesiedelt.Darüber hinaus haben wir uns mit der Frage der Mindestpreisänderungsgröße,der Minimum Tick Size, beschäftigt;dabei geht es um die Frage: Ab welcher Stellenach dem Komma darf eine Preisänderung Order auslösen:ab der sechsten, der vierten, der dritten oder derzweiten? Darüber werden wir – davon bin ich fest überzeugt– eine Entschleunigung des Handels erreichen,weil es sich eben nicht mehr lohnt, so schnell zu handeln,wenn eine wesentlich höhere Mindestpreisänderungsgrößegilt.Ferner haben wir Übergangsregelungen vorgesehen.Ich sagte bereits: MiFID wird in etwa in drei Jahrenkommen. Nun ist es so, dass die meisten Betroffenen ausdem Ausland kommen – aus EU-Ländern und aus Drittstaaten–, und mittelbar handeln, gewissermaßen über einendeutschen Dienstleister an die Börsen herantreten.Diese sind von entsprechender Regulierung – wir sindhierbei ja die Ersten – bisher überhaupt nicht betroffen,sie müssen erst einmal mitbekommen: Da ändert sich etwasfür mich, ich muss mich einer Regulierung unterziehen.– Insofern begrüßen wir, dass die BaFin diese Handelsteilnehmeraktiv ansprechen will. Für den ein oderanderen gibt es unter Umständen die Möglichkeit, sichbei der BaFin freistellen zu lassen, weil in seinem Landinsbesondere hinsichtlich der Solvenzfragen – das mussja geprüft werden – eine ähnliche Regulierung existiert.Wer einmal mit Behörden zu tun hatte, weiß: NeunMonate sind ein durchaus angemessener Zeithorizont,um zu klären: „Bin ich freigestellt?“, und, wenn nein,um eine Niederlassung in Deutschland einzurichten, anzumelden,eintragen zu lassen usw. usf., wenn weiterHandel in Deutschland getrieben werden soll.Wir schaffen damit im Übrigen einen weiteren Vorteilfür den Finanzstandort; denn wenn MiFID kommt, ist jemand,der sich bereits in Deutschland hat registrierenlassen, über den EU-Pass automatisch in ganz Europa registriert.Das heißt, mit dieser Form der sehr guten Regulierungverschaffen wir uns einen Wettbewerbsvorteil inEuropa.In diesem Sinne kann ich nur sagen: Wir haben einenausgewogenen Ordnungsrahmen geschaffen, dem manzustimmen kann, wenn man nicht, wie Sie, ein Prinzipvertritt, das mich ein bisschen an den Wanderer in derWüste erinnert, der Durst hat, die Oase erreicht und dasGlas Wasser ablehnt, weil keine Zitrone darin ist.(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Den Witz habe ich nicht verstanden!)Das ist kein verantwortungsvolles Handeln für diesesLand. Sie sollten das überdenken und diesem Gesetzentwurfzustimmen.Herzlichen Dank.(C)(B)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27901Björn Sänger(A)(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Präsident Dr. Norbert Lammert:Ich erteile das Wort dem Kollegen Richard Pitterle fürdie Fraktion Die Linke.(Beifall bei der LINKEN)der Transaktionen und Loslösung von menschlichenEntscheidungen durch die eingesetzte Software ergeben.Jeder, der mit einem PC umgeht, weiß aus Erfahrung,dass sich auch die leistungsfähigsten Rechner nicht immerentsprechend der Erwartung verhalten. Fehler zumachen, ist nicht nur menschlich; Fehler zu machen, istauch „computerisch“.(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)Schädlich ist der Hochfrequenzhandel auch deswegen,weil der Börsenhandel durch ihn seinen Charakterändert und eine Abkopplung von der Realwirtschaftstattfindet. Egal was man vom Börsenhandel an sich haltenmag: Irgendwie ging es immer darum, die Unternehmen,die eine Geschäftsidee hatten, mit Menschen zusammenzubringen,die nach Abwägung ihrer ChancenGeld in diese investieren wollten.Die Software der Hochleistungsrechner entscheidetnicht aufgrund einer Bewertung eines Unternehmensoder seiner Entwicklung, sondern reagiert auf Signale,zum Beispiel Kursdifferenzen, die sie zum Wohle derTurbohändler in Gewinne zu verwandeln sucht. Was alleinzählt, ist die Geschwindigkeit und sind die Millionen,die da zu verdienen sind. Ich frage Sie: Wo liegt derNutzen für die Wirtschaft?Das Ausnutzen minimaler Preisunterschiede an denunterschiedlichen Handelsplätzen funktioniert nur mitsuperschnellen Rechnern, die möglichst nahe an denComputern der Börse stehen, um durch kurze Leitungenmöglichst wenig Zeit zu verlieren. Diese hohen Kostenkönnen sich nur wenige Börsenhändler, nämlich die Turbohändler,leisten. Ich frage Sie: Wo bleiben die gleichenChancen für alle Marktteilnehmer?Die Linke ist sich hingegen mit dem EuropäischenParlament darüber einig, eine Mindesthaltedauer einzuführen.Damit meine ich, dass ein Hochfrequenzhändlerfür eine bestimmte Zeit an sein Angebot gebunden seinsoll.Es darf nicht sein, dass von Börsenhändlern Angeboteunterbreitet werden, die die Kurse beeinflussen undMarktreaktionen auslösen, diese Angebote aber sofortwieder storniert werden, noch bevor ein Kunde überhaupteine realistische Chance hat, das Angebot anzunehmen.(Beifall bei der LINKEN)Das Europäische Parlament hat sich mit Stimmen derdeutschen CDU-Abgeordneten für eine halbe SekundeMindesthaltefrist ausgesprochen.(Manfred Zöllmer [SPD]: Hört! Hört!)Demgegenüber haben sich die Bundesregierung undSchwarz-Gelb hier im Bundestag mit der Ablehnung einerMindesthaltedauer auf die Seite der Kommissare inBrüssel gestellt.(C)(B)Richard Pitterle (DIE LINKE):Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnenund Kollegen! Unter Hochfrequenzhandel, über denwir heute reden, versteht man den automatisierten AnundVerkauf von Aktien und anderen Wertpapierendurch Computerprogramme.Nicht etwa die sozialistische Tageszeitung NeuesDeutschland, sondern das kapitalistische Handelsblatt(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)hat am 16. Januar 2013 alles Erforderliche zu IhremGesetzentwurf in einem Satz zusammengefasst – ich zitiere–:Das Gesetz ist gut gemeint – nur ändern wird sichdadurch kaum etwas.(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Das dürfen Siedoch gar nicht lesen!)In allen Lebensbereichen nutzen wir zunehmend diedigitale Technik, um Arbeitsprozesse zu automatisieren.Auch im Börsenbereich ist diese Entwicklung nicht aufzuhalten.Nachdem die Bestellungen und Angebote perPC etabliert waren, folgte schließlich der Hochfrequenzhandel.Viele Menschen fragen sich zu Recht: Brauchen wir,braucht die Volkswirtschaft, braucht die Gesellschaft denHochfrequenzhandel? Sollten wir ihn nicht gar verbieten,wie das etwa der ehemalige Börsenhändler DirkMüller, bekannt als „Mister Dax“, als Sachverständigerbei der Anhörung zum Gesetzentwurf gefordert hat?Stiftet der Hochfrequenzhandel mehr volkswirtschaftlichenNutzen oder mehr Schaden?Wir meinen, dass der Schaden überwiegt. Daherbraucht man eine Regulierung und muss zumindest dafürsorgen, dass der Hochfrequenzhandel ausgebremst undzurückgedrängt wird.(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. GerdBollmann [SPD])Das leistet der vorliegende Gesetzentwurf aus unsererSicht nicht.Hochfrequenzhändler sind Börsenhändler, die in MillisekundenWertpapiere kaufen oder verkaufen oder, vielwichtiger, zum Kauf oder Verkauf anbieten, also in einerso kurzen Zeit, dass nicht nur Menschen, sondern auchdie allermeisten Computer nicht mehr mitkommen – undauch nicht mitkommen sollen, damit die Gewinne derHochfrequenzhändler nicht geschmälert werden. Ichfrage Sie: Wo liegt der Nutzen für die Gesellschaft?Schädlich ist der Hochfrequenzhandel zunächst wegender Gefahren, die sich aus der VerselbstständigungFür uns bleibt neben der Finanztransaktionsteuer dieMindesthaltedauer der entscheidende Punkt, um denWertpapierhandel zu entschleunigen. Dieses Ziel forderteBundesminister Schäuble noch bei der Verabschiedungdes Gesetzentwurfs im Kabinett. Was ist passiert,(D)


27902 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Richard Pitterle(A)dass das heute nicht mehr gilt? – Richtig. Da gab es dieKritik der Märkte, von der Kollege Brinkhaus in seinerletzten Rede sprach. Die sind immer gegen alles, was ihrenProfit schmälert. Also knickte die Koalition ein. Wieerbärmlich!Für uns gilt weiterhin: Wir wollen entschleunigen.Deswegen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.Vielen Dank.(Beifall bei der LINKEN)Präsident Dr. Norbert Lammert:Gerhard Schick ist der nächste Redner für Bündnis90/Die Grünen.Der zweite Fehler ist, dass Ihre Transparenz- und Aufsichtsanforderungenbezüglich der Algorithmen, also derkonkreten Computermodelle, mit denen gehandelt wird,zu harmlos sind. Anders kann man das einfach nicht bezeichnen.Denn Sie fordern letztlich, dass die Händlerselbst ihre Algorithmen testen und ihre eigenen Algorithmenim Notfall auch stoppen können. Das sind dochSelbstverständlichkeiten.Entscheidend ist – und da geht das Europäische Parlamentsehr viel weiter –: Die Algorithmen müssen vonden Handelsplattformen getestet werden, bevor siescharfgeschaltet werden. Die Algorithmen müssen vonden Händlern auf Eigeninitiative an die Aufsicht übermitteltwerden. Das Einhalten von voreingestellten Handels-und Kreditschwellen muss sichergestellt sein.Warum greifen die Bundesregierung und die Koalitionhier kürzer als das Europäische Parlament? Wir haltendas für falsch.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD sowie des Abg. RichardPitterle [DIE LINKE])Ich komme zur zweiten Frage, die in der Debatte geradeangeklungen ist: Ist es denn insgesamt sinnvoll,Hochfrequenzhandel zu haben? Wir haben auf eine Anfragevon der Bundesregierung im Juni 2011 noch dieAntwort bekommen, dieser Handel habe positive Effizienzeffektefür die Märkte und beispielsweise niedrigeTransaktionskosten zur Folge. Auf eine zweite Anfragewurde schon etwas ausweichender geantwortet. Wir sehenaber an diesem Gesetzentwurf, dass Sie den Hochfrequenzhandelinsgesamt für sinnvoll erachten. HerrKollege Sänger hat gerade sehr schön argumentiert: Wirwollen den Hochfrequenzhandel halten, und deswegenwollen wir keine Regelung, die die Geschwindigkeitherausnimmt; denn dann könnte dieser Handel ausDeutschland weggehen.Nun muss man aber wissen: Der Hochfrequenzhandelschadet mehr, als er nutzt. Das ist ziemlich eindeutig.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD sowie bei Abgeordneten derLINKEN)Das liegt an Folgendem: Erstens wird Liquidität nur fürwenige zentrale Wertpapiere, zum Beispiel für Aktienvon Großunternehmen, geschaffen. Das mittelständischeUnternehmen, das an der Börse in Stuttgart notiert ist,hat von dem ganzen Hochfrequenzhandel gar nichts.(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Das ist dochkein Problem!)Zweitens handelt es sich um Pseudoliquidität. Dawird sozusagen so getan, als würde man im ZweifelsfallGeld bereitstellen. Aber dann, wenn man es wirklichbraucht, ist es weg. Wirkliche Liquidität wird von sogenanntenMarket Makers geschaffen und nicht von denHochfrequenzhändlern.(C)(B)Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dasist ja wieder einmal ein komplexes Thema, mit dem wiruns beschäftigen. Es geht um viele englische Fachbegriffe.Man kann aber sagen: Es geht in dieser Debatteim Kern um zwei verschiedene Fragen. Die eine Frageist: Gibt es bei dem extrem schnellen Handel von WertpapierenRisiken und Gefahren, die man mit Regulierungeindämmen sollte? Bei dieser Frage herrscht Konsenshier im Haus.Dann gibt es die zweite Frage: Ist der Hochfrequenzhandel,also dieser Turbohandel, insgesamt nützlich, undsollten wir versuchen, ihn in Deutschland zu halten? Beidieser Frage gibt es Dissens.Diese verschiedenen Ebenen sollte man nicht vermischen.Denn bei der einen Frage, bei der es Einigkeitgibt, müssen wir sagen: Ja, das Gesetz zur Vermeidungvon Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandelwird seinem Titel ein Stück weit gerecht; es werdeneinzelne Missbrauchsmöglichkeiten korrigiert. Es istrichtig, dass es in Zukunft – von den Börsen festgelegt –eine Gebühr bei exzessiver Nutzung gibt. Es ist richtig,dass ein angemessenes Verhältnis von Kauf- und Verkaufsaufträgenvorliegen muss und dass für den Fallkurzfristiger Extrembewegungen Notmaßnahmen eingeführtwerden. An dieser Stelle herrscht Konsens.Es gibt allerdings auch bei dieser Frage zwei Punkte,bei denen Sie eindeutig zu kurz greifen. Der erste Punktist: Es bleibt bei immensen Interessenkonflikten. Sie beauftragendie Börsen selbst, die entscheidenden Regelnfestzulegen; aber die Börsen haben ja ein ökonomischesInteresse daran, möglichst viel Umsatz zu machen. Deswegenkreieren Sie mit diesem Gesetz einen massivenInteressenkonflikt. Hier die zentrale Regulierungsaufgabebei den Börsen zu verankern, ist so ähnlich, alswürden Sie den Tabaksteuersatz von der Tabakindustriefestlegen lassen. Das würde man doch auch nicht tun.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD – Klaus-Peter Flosbach[CDU/CSU]: Genau falsch!)Sie haben hier zwar an einer kleinen Stelle – das möchteich zugestehen – noch eine Korrektur mit einem Änderungsantragvorgenommen, aber das ändert an dem Kerndes Arguments nichts.Das dritte Argument gegen den Hochfrequenzhandelist, dass er die Kosten anderer Marktteilnehmer erhöht.Das haben wir in der Ausschussanhörung sehr gut he-(D)


27904 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Gerhard Schick(A)(B)Diese Bundesregierung hat diesen Vorschlag im Ratblockiert(Joachim Poß [SPD]: Hört! Hört!)und stand bei der Frage der Finanzmarktregulierung wiederauf der falschen Seite.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)Deshalb brauchen wir endlich eine andere Regierung,die ein wirklicher Motor für Finanzmarktregulierung ist.Danke schön.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)Präsident Dr. Norbert Lammert:Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der KollegeKlaus-Peter Flosbach das Wort.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitdiesem Gesetz wird erstmals(Joachim Poß [SPD]: Widerlegen Sie die Feststellungdes Kollegen Schick, dass Sie eineLobbyistenregierung haben!)der sogenannte Hochfrequenzhandel geregelt. Er wirdnicht nur in Deutschland, sondern er wird überhaupt zumersten Mal geregelt, nicht nur europaweit, sondern weltweit.Diese Koalition in Deutschland stellt den erstenAntrag auf Regulierung des Hochgeschwindigkeitshandels.Aber während wir weltweit die Ersten sind, die diesesThema überhaupt anpacken, kritisieren Sie uns indieser Frage als kleinkrämerisch.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wir haben Risiken im Finanzmarkt gesehen. Wir nehmendieses Thema ernst. Wir haben unseren Bürgernversprochen, dass wir in den ersten vier Jahren unsererKoalition alle Produkte, alle Märkte und das Handelnsämtlicher Finanzakteure regulieren werden. Nichts davonwird nach diesen vier Jahren mehr unreguliert sein.Das haben wir den Bürgern versprochen, und das werdenwir auch einhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Joachim Poß [SPD]: Sie blockieren!)Der Hochgeschwindigkeitshandel ist bisher überhauptnicht reguliert. Jetzt könnten wir uns natürlich zurückziehen– wie es manche aus der Opposition schonvorgeschlagen haben – und erst einmal abwarten, was inEuropa passiert. Denn bis Ende des Jahres wird es eineeuropäische Regelung geben. Anschließend haben wirzwei Jahre lang Zeit, diese umzusetzen. Das heißt, wirwürden die Regulierung um mindestens drei Jahre verschieben.Das wollen wir aber nicht. Wir haben Missbräucheund Gefahren erkannt, und wir werden die Regulierungmit dieser Koalition hier und heute umsetzen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Was ist eigentlich der Hochgeschwindigkeitshandel?Wir alle kennen noch die alten Bilder von den Börsenparketts,wo Hunderte von Personen handeln und schreien.Das ist heute nicht mehr so. Wie im sonstigen Lebenauch läuft das heute vielfach über Computer.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Darum sind esauch keine Arbeitsplätze, Herr KollegeSänger!)Wir erkennen, dass viele mathematische Programmegenutzt werden – wir nennen sie Algorithmen –, mit denenin Bruchteilen von Sekunden Wertpapiere gekauftund verkauft werden. Der Handel in diesem Bereichläuft also in Millisekunden ab. Dieser Bereich macht inDeutschland etwa 40 Prozent und in den USA rund70 Prozent des Wertpapierhandels aus.Warum wollen wir das regulieren? Seit der Finanzkrise,seit dem Jahr 2007, haben wir festgestellt, dass diegrößten Probleme darauf beruhen, dass viele Bereicheder Märkte intransparent, undurchsichtig, sind. Das habenwir damals bei der Krise der Industriekreditbank undder Westdeutschen Landesbank gesehen. Es wurden Papieregehandelt, aber keiner wusste mehr genau, wasüberhaupt gehandelt wird.Viele haben die Risiken, die dahinterstehen, überhauptnicht richtig eingeschätzt. Es gab auch keine Eingriffsmöglichkeitenseitens der Aufsichtsbehörden. Weilim Hochgeschwindigkeitshandel 25 Prozent der Akteureüberhaupt nicht registriert sind – das heißt, es sind wederBanken noch Finanzinstitute; sie sind überhaupt nicht registriert–, haben wir gesagt: Wir gehen dieses Themajetzt an; wir warten da nicht. Wir haben erlebt, was inden letzten Jahren passiert ist, und wir sind es unserenBürgern schuldig, dass wir dieses Thema in den vier Jahrendieser Legislaturperiode abräumen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wir wissen, dass die Geschäfte sehr komplex sind,dass es teilweise Überlastungen der Handelssystemegibt. Eine Reihe von Manipulationen sind identifiziertworden. Den meisten ist der sogenannte Flash Crash ausdem Frühjahr 2010 bekannt, als der Dow-Jones-Index,also die amerikanische Börse, innerhalb von 20 Minutenum 9 Prozent abstürzte. Dann erholte sie sich schnellwieder.Aber was passierte in diesen 20 Minuten? Hier ginges um einen Verlust in dreistelliger Milliardenhöhe. Wirwollen so etwas in Deutschland nicht erleben. Wir könnenvielleicht sagen: Schon heute sind die Systeme sogeregelt, dass es nicht passiert. Aber unsere Verpflichtungist es, dafür zu sorgen, dass nicht nur all diejenigen,die an der Börse handeln, sondern auch die Bürger, dieüber Investmentsparen, die über fondsgebundene Lebensversicherungenvorsorgen, die überhaupt einen Teilihrer Altersvorsorge über Pensionsfonds betreiben, nichtvon einem Schaden erfasst werden, der möglicherweisean der Börse entsteht. Wir regulieren das Ganze so, dassdas unseren Bürgern nicht passieren kann. Wir sind dieErsten in der gesamten Welt, die das machen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27905Klaus-Peter Flosbach(A)Nun gut, die Opposition kritisiert, dass wir es machenund wie wir es machen.(Joachim Poß [SPD]: Dass, nicht! Wie!)Man kann sagen: Das ist ja okay. – Auch der KollegeSänger hat es angesprochen: Sie, Rot-Grün, waren jaeinmal sieben Jahre lang an der Regierung. Das giltheute als die Zeit der sogenannten Deregulierung. Wiewir alle wissen, spricht mittlerweile die ganze Welt vonder Zeit der Deregulierung.(Joachim Poß [SPD]: Da waren Sie gegen jeglicheRegulierung! Das können Sie im <strong>Protokoll</strong>des Deutschen Bundestages nachlesen! Soviel Verlogenheit!)Sie haben immerhin elf Jahre lang, Herr Poß, denFinanzminister gestellt. Sie können uns nicht erzählen,dass erst seit dem Jahre 2013 Computer existieren. Auchfrüher gab es schon einen Hochgeschwindigkeitshandel;aber er ist nie angepackt worden. Wir packen ihn in dieserKoalition an.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sie haben die Spekulantendoch erst gelockt!)– Ich verstehe Ihre Haltung ja auch: Sie können einfachnicht verknausern, dass wir in dieser Koalition in diesendrei Jahren schon fast 20 große Maßnahmen angepackthaben. Dazu gehört die gesamte Eigenkapitalerhöhungbei den Banken, Stichwort „Liquidität“. Wir haben dassogenannte Restrukturierungsgesetz umgesetzt. Dasheißt, wir sind heute in der Lage, Banken zu sanieren,aber auch abzuwickeln. Wir haben damals noch gemeinsammit Ihnen die Vergütungssysteme verändert, indemwir sie auf eine langfristig stabile Basis gestellt haben.(Joachim Poß [SPD]: Jeder Schritt mussteIhnen abgerungen werden!)Ich halte es ebenfalls für richtig, dass auf der europäischenEbene ein weiterer Schritt gegangen worden ist.Wir reden jetzt über das AIFM-Umsetzungsgesetz,also über die Regulierung von Hedgefonds, PrivateEquity, Investmentfonds. Wir regulieren aber auch diegeschlossenen Fonds. Wir haben die Ratingagenturen inzwei verschiedenen Stufen reguliert. Wir haben die Produktereguliert. Wir haben die Verbriefungen verändert.Wir waren die Ersten, die spekulative Geschäfte, die sogenanntenLeerverkäufe, verboten haben. Wir haben denZahlungsverkehr in Europa reformiert. Wir haben denVerbraucherschutz gestärkt. Wir haben das Vermögensanlagegesetzumgesetzt. Wir haben die Tätigkeit derVermittler reguliert. Wir sind jetzt dabei, die Neuregelungder Honorarberatungen umzusetzen. Wir haben inder Tat die Aufsichtssysteme verändert. Wir werden eineAufsicht über die systemrelevanten Banken durch dieEuropäische Zentralbank haben, Herr Schick. Nach IhremGutdünken sollte allein die EBA durchgreifen, unddas nicht nur bei den systemrelevanten Banken, sondernauch vor Ort, bei den Volksbanken und den Sparkassen.Das wollten wir nicht.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wir wollen eine proportionale Aufsicht: Die Großen sollenvon den Großen kontrolliert werden, und die Kleinensollen vor Ort kontrolliert werden.Meine Damen und Herren, das Thema Hochgeschwindigkeitshandelbewegt uns; deswegen packen wires jetzt an.Präsident Dr. Norbert Lammert:Herr Kollege Flosbach, lassen Sie eine Zwischenfragedes Kollegen Krischer zu?Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU):Ja, gern. Bitte sehr.(C)Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Kollege Flosbach, Sie berichten über all das,was Sie machen, was Sie hätten tun wollen und was alleshätte sollen sein.(Jörg van Essen [FDP]: Gemacht haben!)Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU):Nur über das, was wir machen.(B)Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Es geht ja hier um den Hochfrequenzhandel. Ichmöchte Ihnen eine ganz einfache Frage stellen: Sind Siedafür, dass in Deutschland Hochfrequenzhandel stattfindet,ja oder nein?(Zuruf von der FDP: Hast du nicht zugehört?)Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU):Sie haben sehr treffend gesagt, lieber Kollege: „wasSie hätten tun … sollen“. Das haben Sie gerade von denParteien Ihres Lagers gehört: was man hätte machenkönnen.Ich bin dafür, dass wir in Deutschland einen Hochgeschwindigkeitshandelhaben, der so kontrolliert wird,wie wir es jetzt geregelt haben. Ich will Ihnen, lieberKollege, kurz darlegen, wie wir ihn kontrollieren wollen.Verbote auszusprechen, ist einfach. Wenn Sie wollen,dass ganze Geschäftsbereiche der Finanzmärkte ausDeutschland verschwinden, können Sie selbstverständlichVerbote aussprechen. Verbote sind das Einfachste.Wir suchen natürlich auch den Knopf, um das Problemzu lösen. Das Thema ist aber – Herr Schick, Sie haben esangesprochen – viel komplizierter, als man denkt. Wirnehmen die Risiken, die es gibt, die Missbräuche, diestattgefunden haben, aus dem System heraus, um auchfür den Hochgeschwindigkeitshandel eine stabile Basiszu schaffen; denn wir können nicht die Computer verbieten,wie die Grünen es auf ihren Parteitagen in den 80er-Jahren versucht haben. In diesen Jahren war das ThemaComputerverbot ein wichtiges Thema. Das wollen wirnicht. Das werden wir auch nicht tun, meine Damen undHerren.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wie kann also reguliert werden? Dazu noch einigeAnmerkungen. Wir wollen, dass diejenigen, die nicht re-(D)


27906 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Klaus-Peter Flosbach(A)(B)guliert sind, einer Erlaubnispflicht unterliegen, und zwarwie Banken, wie Finanzinstitute, unter dem Kreditwesengesetz.Damit haben wir eine Aufsicht durch dieBundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowohlin der Kontrolle als auch in der Solvenz. Wir wollen,dass die Algorithmen gekennzeichnet werden. Wir wollenauch bestimmte Verbote aussprechen; denn es istidentifiziert worden, dass es auch Manipulationen amMarkt gibt. Gewisse Geschäfte müssen verboten werden.Andere gewisse Geschäfte müssen von vornherein begrenztwerden. Das Verhältnis von eingestellten Orderszu ausgeführten Orders muss entsprechend geregelt werden.Außerdem haben wir eine Regelung eingeführt, die indiesem Bereich sehr wichtig ist: Für die Fälle, in denenwir etwas nicht wollen oder etwas reduzieren oder verlangsamenwollen, haben wir vorgesehen, dass Gebührengezahlt werden müssen. Das ist unser Ansatz: Fürdie übermäßige Nutzung des Systems müssen Gebührengezahlt werden. Das werden wir in den nächsten Jahrenerleben. Sie haben so gesprochen, als wenn wir dieFinanztransaktionsteuer schon hätten. Wir haben sienoch gar nicht. Wir diskutieren gerade auf europäischerEbene, wie wir dahin kommen können.(Joachim Poß [SPD]: Ja, weil Sie zwei Jahrenicht zu Potte kamen!)– Sie diskutieren seit Jahren darüber. Wir handeln sofort,vor den anderen. Wir warten nicht drei Jahre, so wie Sie.Wir machen es sofort.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Sie haben von Mindesthaltefristen gesprochen. Wirhaben uns sehr intensiv überlegt, ob wir diesen Mindesthaltefristenzustimmen können. Ein Kollege von derCSU hat sich in einem Kompromissgespräch in der Tatdazu bereit erklärt, hier mitzugehen. Aber alles, was ichbisher gehört habe, auch in der Anhörung der Fachleute,bestärkt mich in der Meinung, dass es nicht richtig seinkann, wenn wir durch die Umsetzung dieses Gesetzesdie deutschen Akteure benachteiligen, indem wir nur inDeutschland eine Haltefrist einführen und alle anderen,die nicht reguliert sind, das ausnutzen können. Das könnenwir dem deutschen Finanzmarkt doch nicht zumuten.(Beifall bei der FDP – Joachim Poß [SPD]: Siewollen doch so forsch sein! Eben waren Sienoch ganz forsch!)– Nein, das ist einfach falsch. Sie strafen damit den inDeutschland regulierten Finanzmarkt und bevorteilendie Unregulierten. Das wollen wir nicht.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP – Joachim Poß [SPD]: Sie sind ja derlebende Widerspruch in Ihren Äußerungen!)Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eine der wichtigstenMaßnahmen unserer 20 Gesetzespakete,(Joachim Poß [SPD]: Nennen Sie uns die docheinmal!)den Finanzmarkt in diesen vier Jahren zu regulieren. Wirhaben auf allen Ebenen zugegriffen: bei den Produkten,bei den Märkten, bei den Verbrauchern. Wir haben dieVerbraucher gestärkt. Die Aufsicht ist auch in Deutschlandneu aufgestellt. Dies ist ein mutiger Schritt nachvorne. Es ist ein weiterer Baustein für einen starken undstabilen Finanzmarkt. Wir sind in Deutschland auf demrichtigen Weg; denn wir wollen für unsere Bürger Stabilitätin diesem Lande haben.Vielen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Präsident Dr. Norbert Lammert:Manfred Zöllmer ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.(Beifall bei der SPD)Manfred Zöllmer (SPD):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inder Tat: Börsen sind auch nicht mehr das, was sie einmalwaren. Ich erinnere mich noch gut, dass ich mit meinemLeistungskurs Volkswirtschaft früher immer nach Düsseldorfzur Börse gefahren bin, wo die Schülerinnen undSchüler einen Einblick in das Börsengeschehen nehmenkonnten. Sie konnten dort das Treiben auf dem Parkettbeobachten: die Händler, die hin- und herliefen, die mitZetteln wedelten, die ihre Hände in die Höhe recktenund Unverständliches geschrien haben.(Volkmar Klein [CDU/CSU]: Die gute alteZeit!)Wenn ich heute zur Börse gehe, dann stelle ich fest:Es ist alles anders. Heute handeln dort Computer. DieMenschen sitzen vor den Bildschirmen. Der Parketthandelist längst Geschichte. Heute bestimmen Algorithmen,was gemacht wird. Hochgeschwindigkeitszockerbestimmen das Marktgeschehen. Sie geben aberwitzigeSummen aus, um ein paar Nanosekunden Vorteil zu haben.Der Börsenfachmann Dirk Müller ist heute hier schoneinmal zitiert worden und kommt wieder zu Ehren, weiler etwas Kluges gesagt hat. Er hat nämlich gesagt:Hochfrequenzhandel hat keinen volkswirtschaftlichenNutzen, er richtet nur Schaden an. Wenn manes zu Ende denkt, dann müsste man ihn komplettverbieten.(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Hört!Hört!)Diese Position ist verständlich; denn die Pannen häufensich. Herr Flosbach hat eben in seiner Rede daraufhingewiesen. Die wissenschaftlichen Untersuchungen zuZwischenfällen an den Börsen in den USA haben dasmehr als deutlich gemacht. Dies wäre eine gute Gelegenheitfür die Bundesregierung, endlich einmal richtig zuregulieren, endlich einmal mögliche Gefahren wirklichzu begrenzen und der Branche, die uns ja nicht nur lieb,sondern vor allen Dingen auch teuer war, die Zähne zuzeigen.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27907Manfred Zöllmer(A)(B)(Beifall bei der SPD)Jetzt fragen wir mal: Hat die Bundesregierung dieseChance ergriffen? Ich greife nochmals auf Herrn Müllerzurück. Er sagt: Das Gesetz ist gut gemeint – nur ändernwird sich dadurch kaum etwas. – Leider hat er recht.Staatssekretär Koschyk sprach von einer „Brandmauer“,die hier errichtet worden sei. Es ist aber nur einBrandmäuerchen, leider nur 10 Zentimeter hoch.(Beifall bei Abgeordneten der SPD – RichardPitterle [DIE LINKE]: Mäuerle!)Es gäbe einen wirklichen Hebel, um die Märkte zuentschleunigen, um Luft herauszulassen aus dem, washeißgelaufen ist: die Einführung einer Mindesthaltefrist.Wir reden hier nicht über sieben Tage. Man könnte natürlichdurchaus eine solche Frist einführen, wenn man derMeinung ist: Aktien sollen der Finanzierung von Unternehmendienen und einen realwirtschaftlichen Nutzenhaben. Nein, es geht um die Einführung einer Frist vonwinzigen 500 Millisekunden – das ist eine halbe Sekunde–, damit das permanente Platzieren und Zurückziehenvon Orders, ohne dass wirkliche Transaktionenstattfinden, deutlich reduziert wird – eine halbe Sekunde,damit man den Hochfrequenzhandel wirklich in den Griffbekommt und das ausschließlich spekulative Geschäft mitultraschnellen Transaktionen, die keinen volkswirtschaftlichenNutzen haben, endlich einen Teil seines Reizesverliert.Meine Fraktion beantragt dies heute, und Sie habennoch die Chance, sich dieser Position anzuschließen undwirklich zu regulieren. Aber wir haben Ihren argumentativenEiertanz im Finanzausschuss bereits erlebt. Daherhabe ich wenig Hoffnung.Die Grundfrage ist doch: Macht es wirklich Sinn, eineAktie für eine Nanosekunde zu halten? Nur dann, wennich die Börse als Kasino, als reine Zockerbude begreife,macht es Sinn. Wenn ich hingegen die Börse in Beziehungzur Realwirtschaft sehe, dann macht es keinenSinn.Schauen wir uns einmal die Position der DeutschenBörse an. Sie hat gesagt:Mindesthaltefristen führen zu einer Benachteiligungvon Liquiditätsspendern und somit zu einernachhaltigen Störung der Marktstruktur.Die Realität sieht aber anders aus: Da werden dieMärkte mit Aufträgen geflutet, die sofort wieder zurückgezogenwerden. Damit werden die Märkte manipuliert.Wer braucht eigentlich diese Nanosekundenliquidität?Der Kollege Schick hat eben schon Ausführungen dazugemacht. Das ist doch nichts anderes als die Perversionvon Wirtschaft; das ist doch reines Kasino.(Beifall bei der SPD sowie des Abg. RichardPitterle [DIE LINKE])Die Position der Deutschen Börse ist nachvollziehbar:Sie verdient halt massiv am Hochfrequenzhandel. Deshalbverwundert ihre Argumentation nicht. Sie finanziertauch eine Reihe von wissenschaftlichen Gutachten, damitihre Position untermauert wird. Aber was uns verwundert,ist das Verhalten der Bundesregierung, diediese Position mit ihrer Gesetzgebung schützt; das istnicht in Ordnung.(Beifall bei der SPD sowie der Abg. RichardPitterle [DIE LINKE] und Dr. Gerhard Schick[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])Die in Europa in Abstimmung befindliche FinanzmarktrichtlinieMiFID II wird sich auch dem ThemaHochfrequenzhandel widmen. Das Europäische Parlamentwird sich zum Glück für eine Mindesthaltefrist einsetzen.Wir haben schon gehört – diesmal muss ich dieCSU ausdrücklich loben; das fällt mir sonst ein bisschenschwer –: Herr Ferber kämpft für die Mindesthaltepflicht.Ich kann nur sagen: Dieser Mann hat recht.(Beifall bei der SPD)Dass Sie sich auch auf europäischer Ebene nicht dafüreinsetzen, haben wir eben gehört. Sie schustern hier einenationale Regelung zusammen, die nur geringe Besserungenbringt, ihr eigentliches Regulierungsziel aberdeutlich verfehlt.In einer Kolumne im letzten Stern kommt der stellvertretendeChefredakteur des Stern, Hans-Ulrich Jörges, zueiner Bewertung der Regulierungspolitik dieser Bundesregierung.Er schreibt dort:Kein Produkt, kein Akteur, kein Markt sollte unreguliertbleiben. Doch Jahre nach der Krise sind dieFinanzmärkte noch immer nicht unter Kontrolle –allen Beteuerungen der Politik zum Trotz.So weit Herr Jörges zu Ihrer Regulierungspolitik.(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Das istwirklich ein Experte! Das ist ein toller Experte!– Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Eingroßer Experte!)Wo der Mann recht hat, hat er recht.(Beifall bei der SPD)(C)(D)Präsident Dr. Norbert Lammert:Das Wort erhält nun der Kollege Volker Wissing fürdie FDP-Fraktion.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Dr. Volker Wissing (FDP):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Keine Regierung hat in Deutschland jemals die Finanzmarktregulierungso vorangetrieben wie die christlich-liberaleBundesregierung.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Keine Regierung treibt in Europa die Finanzmarktregulierungso nachhaltig und entschlossen voran wie diechristlich-liberale Bundesregierung.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Richard Pitterle [DIE LINKE]: Das glaubenSie doch selber nicht!)


27908 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Volker Wissing(A)(B)Deswegen haben wir in Deutschland immer genauüberprüft: Was können wir im Alleingang tun, und wasbedarf einer internationalen Abstimmung? Alles, was imnationalen Alleingang möglich ist – das ist unsere Prämisse–, setzen wir im nationalen Alleingang mit allerSchärfe und allem Nachdruck durch. Wir haben einLeerverkaufsverbot im nationalen Alleingang beschlossen.Wir haben Ratingagenturen unter Aufsicht gestellt.Wir haben im nationalen Alleingang den Selbstbehaltbei Verbriefungen – das sind die Papiere, die in Amerikadie Krise ausgelöst haben – in Deutschland verdoppelt.Wir haben die Haftungsregeln im nationalen Alleingangin Deutschland verschärft. Wir haben im nationalen Alleingangein Restrukturierungsgesetz geschaffen. Wirhaben im nationalen Alleingang eine Bankenabgabe eingeführtund sind in all diesen Punkten Vorreiter in Europa.(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Genau!)Wir haben auch nicht gewartet, bis eine europäischeBankenaufsicht kommt, sondern wir haben die nationaleBankenaufsicht im Alleingang reformiert. Und heute gehenwir im nationalen Alleingang bei der Regulierungdes Hochfrequenzhandels voran – als erste Koalition, alserstes Parlament in Europa. Wir sind die Nummer eins inder Regulierung.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Jetzt schauen wir einmal auf die SPD, die hier so vollmundigbehauptet, in Wahrheit sei die SPD eine Finanzmarktregulierungspartei.Wie können Sie eigentlich sovermessen sein, Herr Kollege Sieling, und für sich alsSozialdemokraten in Anspruch nehmen, Sie hätten irgendetwasmit der Finanzmarktregulierung in Deutschlandzu tun?(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Weil es die Wahrheitist!)Die Sozialdemokraten – neulich Peer Steinbrück – stellensich hier hin und sagen, all das, was die christlich-liberaleKoalition an Finanzmarktregulierungen auf denWeg gebracht habe, habe die SPD schon immer gewollt.Ich finde, das ist eine dreiste Behauptung.Sie haben heute gesagt, die SPD habe das alles gewollt,habe es aber wegen der CDU/CSU nicht umsetzenkönnen. Jetzt fragt sich doch der kundige Bürger: Wenndie CDU/CSU und die FDP gemeinsam die Finanzmärkteregulieren können, an wem wird es wohl gelegenhaben, als es in der Großen Koalition nicht möglich war?(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Was für eine komischeArgumentation! – Dr. Carsten Sieling[SPD]: Das ist ja der schlichteste Dreisatz, derin diesem Parlament je gesprochen wurde!)Dann sagen Sie, alles, was die christlich-liberale Koalitiongemacht habe, habe die SPD bereits früher aufgeschrieben;das hat uns Herr Steinbrück hier auch gesagt.Nur haben Sie gegen jedes einzelne Regulierungsgesetz,das ich Ihnen hier eben aufgeführt habe, mit Nein gestimmt.Erklären Sie doch einmal der Öffentlichkeit, warumSie immer gegen die Finanzmarktregulierung inDeutschland stimmen!(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Heute steht ein Hochfrequenzhandelsgesetz zur Abstimmung.Es wird Deutschland zum reguliertestenHochfrequenzhandelsplatz Europas machen. In keinemLand gibt es so strenge Zulassungsregeln, wie wir sieheute im Deutschen Bundestag beschließen: strenge Zulassung,strenge Kontrolle, Solvenzaufsicht durch die reformierteBundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsichtund die Möglichkeit, den Hochfrequenzhandel imKrisenfall auf null zu stoppen – eine Vollbremsung wirdmöglich sein in Deutschland.Herr Kollege Zöllmer, natürlich kann man sich fragen:Wozu braucht man einen Hochfrequenzhandel,wenn man doch auch langsamer handeln könnte? Mankann sich auch fragen, wie die Grünen damals: Wozubraucht man überhaupt einen Computer, wenn man dochso schöne Schreibmaschinen hat?(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])Nur ist die Frage: Ist Deutschland ein Standort, derden technologischen Anschluss verpassen möchte, odersollen wir ein regulierter Handelsplatz sein, der dentechnologischen Fortschritt zum Wohlstand unseres Volkesnutzt?(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Was ist denn derVorteil?)Sie sagen: kein Fortschritt. Wir sagen: Ja, Fortschrittnutzen, aber die Risiken einschränken durch Kontrolleund Sicherheitsmechanismen.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU – Dr. Carsten Sieling [SPD]:Das ist doch Blabla!)Heute sagen Sie: Wir stimmen wieder gegen die Finanzmarktregulierung,gegen den nationalen Alleingangbei der Regulierung des Hochfrequenzhandels.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Wir stimmen gegenWirkungslosigkeit!)Aber was Ihnen nicht gelungen ist: Sie haben kein einzigesschlüssiges Argument vorgetragen, warum Sie wiedermit Nein stimmen.(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Was? Sie habennicht zugehört!)Sie haben gesagt, Sie werden heute mit Nein stimmen,weil Sie in dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Haltefristauf nationaler Ebene vermissen.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Es wird ja immerschlimmer mit Ihnen!)Nun kann man lange über Haltefristen diskutieren.Man kann darüber diskutieren, ob so etwas technischmöglich ist. Man kann darüber diskutieren, ob so etwassinnvoll ist. Manche Experten sagen: Haltefristen könnendie Gefahren des Hochfrequenzhandels verschärfen(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27909Dr. Volker Wissing(A)und zu neuen Spekulationen führen, die weitaus gefährlicherund unkontrollierbarer sind.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Dann nennen Sieeinmal die Namen der Experten: Börsen!)Es gibt auch technische Probleme bei den Haltefristen,weil gegen Ende der Haltefrist mit noch höhererFrequenz spekuliert werden könnte. Aber alle Expertensind sich darin einig – ich werfe Ihnen vor, dass Sie dasnicht sagen; Sie wissen es eigentlich besser; Sie sindklüger, als Sie sich heute hier am Mikrofon gegeben haben,Herr Kollege Sieling –:(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das glaube ichnicht!)Eine Haltefrist im nationalen Alleingang ist schlicht einDing der Unmöglichkeit. Damit ist Ihr einziges Argumentin sich zusammengebrochen. Sie haben kein Argument,um mit Nein zu stimmen. Wenn Sie es trotzdemtun, stimmen Sie wieder gegen die Regulierung der Finanzmärkte.Das muss die Öffentlichkeit wissen. Sie setzenIhre Verweigerung gegenüber der Regulierung derFinanzmärkte heute fort.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Oder aber die SPD sagt: Man soll nichts im Alleingangmachen. Man soll warten, bis das auf europäischerEbene oder auf G-20-Ebene geregelt wird.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Man soll vorantreiben!Aktiv sein!)Das war auch die Haltung von Herrn Steinbrück, als erregiert hat. Er hat nur abgewartet und ist nicht vorgeprescht.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Aber Sie bremsen!)Wir glauben, die Lehre aus dieser Krise muss sein:Was national reguliert werden kann, muss national reguliertwerden. Ihnen fällt kein einziges Argument ein,weshalb Sie den heute vorliegenden Gesetzentwurf ablehnenkönnten.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Tausende!)Sie entlarven sich wieder einmal. Die Sozialdemokratenbetreiben eine reine Blockade, sie sind gegen die Regulierungder Finanzmärkte.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Wir aber werden weitermarschieren und klar regulieren.Deutschland ist und bleibt Vorreiter. Wir haben den reguliertestenFinanzmarkt Europas geschaffen, und daraufkann die christlich-liberale Regierung stolz sein.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Brauchen wir den Hochfrequenzhandel für die Realwirtschaft?Große Teile des Hauses sagen: Nein, er bringtüberhaupt keinen Nutzen. Im Gegenteil: Er gefährdetrealwirtschaftliche Prozesse.(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Brauchen wirdie PDS?)Denn er führt dazu, dass Anleger einen unvorteilhaftenPreis erzielen, weil ihre Gebote durch Hochfrequenzhändlerausgespäht werden. Dadurch werden sie ausgebeutet.Es gibt wahnsinnige Kurskapriolen und Handelsunterbrechungen.Einige wenige bedienen sich – sie spielenim Kasino –, und diejenigen, die real wirtschaftenund an die Börse gehen, um Geld zu bekommen, das siereal brauchen, werden bestraft.(Beifall bei der LINKEN)Der Hochfrequenzhandel verbraucht zudem eineMenge an Ressourcen: an Technik und an Menschen, dieeiner eigentlich sinnlosen Tätigkeit nachgehen. Deswegenmüssen wir uns die Frage stellen: Brauchen wir ihn,ja oder nein? Ich sage: Nein!(Beifall bei der LINKEN)Aber Sie halten mit aller Kraft daran fest.Wir alimentieren letztendlich den Porsche und dieRolex-Uhren einiger weniger Finanzakrobaten; der realwirtschaftlichenEntwicklung hingegen wird geschadet.Herr Flosbach, Sie haben eben gesagt: Wir sind die Einzigen,die regulieren. Ich darf daran erinnern: In den2000er-Jahren, als Rot-Grün regiert hat, hechelten auchSie dem neoliberalen Zeitgeist hinterher. Damals hießes: Wir brauchen in Deutschland unbedingt Hedgefonds.Die wurden dann zwar ein bisschen reguliert, abergrundsätzlich war man der Auffassung: Wir brauchen sieunbedingt.(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Das warendie Grünen!)Dann kam die Finanzkrise. Es erfolgte ein Umdenken,Positionen wurden geändert. All das zeichnet Politikaus. Aber Sie haben ein System geschaffen und perfektioniert:Sie bringen Gesetze mit schönen Titeln ein,die den Eindruck erwecken, als ob sich durch deren Verabschiedungetwas verändert, aber in Wirklichkeit passiertnichts. Das ist die Realität.Nehmen wir doch einmal Ihre Bankenabgabe. Was istdenn dabei herausgekommen? Nehmen wir die Regelungder Boni. Das ist doch ein Placeboeffekt. Sie schadetnicht und tut niemandem weh. Bei Gesetzen, dieletztendlich nur das aufgreifen, was sowieso schon geregeltist, ist der Anspruch sehr gering.(C)(B)(D)Präsident Dr. Norbert Lammert:Barbara Höll ist die nächste Rednerin für die FraktionDie Linke.(Beifall bei der LINKEN)Die Wohlverhaltensregelung, die heute verabschiedetwerden soll, gibt es an der deutschen Börse bereits. Esist bereits gang und gäbe, dass dann, wenn ein HändlerGebote abgibt und daraus eine Transaktion bzw. einHandel erfolgt, dies reguliert wird. Die Börsen sagen


27910 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Barbara Höll(A)schon heute – das ist von Börse zu Börse etwas unterschiedlich–: Wenn von 2 500 Geboten nur eines realisiertwird – bei einer anderen Börse sind es vielleicht500 –, dann wollen wir das nicht.Da sagen Sie: Das wollen wir jetzt mal gesetzlich regulieren.Sie nehmen nur das auf, was durch den Druckder Realität erzwungen wird oder was selbst für dieBörse einfach unwirtschaftlich ist, und sagen: Das istjetzt ein Gesetz. – Das ist doch aber keine Regulierung.Das ist überhaupt keine Regulierung.Wenn wir regulieren wollen, stellt sich als Erstes dieFrage: Müssen wir etwas regulieren? Oder kann die Politiknicht auch sagen: Menschen sind zwar in der Lage,Computer und Computerprogramme zu entwickeln – dasist alles schön –; aber brauchen wir diesen Hochfrequenzhandelüberhaupt? Darauf kann man schlichtund ergreifend sagen: Nein, wir brauchen ihn nicht.(Beifall bei der LINKEN)Ich sage Ihnen: Wenn man es ernst meint mit der Regulierung,dann muss man beim Hochfrequenzhandeldie Geschwindigkeit reduzieren. Aber Sie bringen mitIhrem Gesetz zum Ausdruck: Rasen Sie ruhig weiter,machen Sie den Börsenhandel weiter kaputt! Es macht janichts, wenn die Realwirtschaft dadurch Schadennimmt; das ist uns egal. Einige wenige verdienen daran.Sie haben vielleicht ein kleines Überholverbot in bestimmtenSituationen aufgestellt, aber mehr nicht. Es istkeine Regulierung. Eine Mindesthaltedauer wäre dasMindeste, was wir beschließen müssten. Wir braucheneine handfeste, konsequente Diskussion zur Einführungeiner Finanztransaktionsteuer in Europa mit der federführendenRolle der Bundesrepublik Deutschland, damitdeutlich wird: Wir wollen sie einführen.Danke.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)(C)Dann können wir überlegen: Wie können wir hier etwaserreichen? Wir könnten schlicht ein Verbot fordern.Das wäre eine Möglichkeit. Die politischen Mehrheitsverhältnissein Deutschland und Europa sind nicht unbedingtso ausgeprägt, dass man damit durchkäme.Präsident Dr. Norbert Lammert:Das Wort erhält nun der Kollege Peter Aumer für dieCDU/CSU.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)(B)Dann überlegt man: Wir schreiben eine Mindesthaltedauervon einer halben Sekunde vor; das ist schon mehrmalsgenannt worden. Wir hatten eine Anhörung imFinanzausschuss. Ich fasse einmal kurz zusammen:Experten haben gesagt, damit wäre der Hochfrequenzhandeltot. Die Lobbyisten in der Anhörung haben gesagt,dies würde überhaupt nicht wirken.Das ist die Realität: Sie hören auf die Lobbyisten. Wirwerden den Antrag zur Einführung einer Mindesthaltedauerunterstützen. Wir hören auf die Experten.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)Wir haben natürlich auch die Möglichkeit, auf demWeg weiterzugehen, eine Finanztransaktionsteuer inDeutschland, in Europa und weltweit zu installieren. Siehaben sich damit geschmückt, Sie hätten sie auf denWeg gebracht. Entschuldigung, wir diskutieren nunwirklich seit Jahren im Ausschuss, hier im Bundestagmiteinander. Von Ihnen kommen immer wieder Einwände.Der FDP nehme ich bis heute nicht ab, dass siedafür steht; das muss ich schlicht sagen.Peter Aumer (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Wir diskutieren heute über das Gesetz zur Vermeidungvon Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel.Wir leisten weiter einen Beitrag zu dem,was wir als christlich-liberale Koalition versprochen haben– das haben die Damen und Herren der Oppositionschon zitiert –, nämlich dass wir jeden Markt, jedes Produktund jeden Akteur auf den Finanzmärkten regulierenwollen.Wir leisten, liebe Frau Höll, einen Beitrag zur Realpolitikund machen keine Satire, um den WirtschaftsstandortDeutschland zu beschädigen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Ich habe vor einigen Tagen im Handelsblatt ein Zitatgelesen, das dem widerspricht, was Sie als Oppositiondie ganze Zeit zu behaupten versuchen. Dort stand:Mit der Regulierung des ultraschnellen Börsenhandelsprescht die Koalition bei einem weiteren Regulierungsthemain der EU voran.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Prescht?)– „Prescht“ stand da, genau. – Meine sehr geehrtenDamen und Herren der Opposition, nehmen Sie das dochbitte zur Kenntnis. So wird das, was wir als christlichliberaleKoalition machen, in der Öffentlichkeit wahrgenommenund nicht so, wie Sie das hier vorgeben. Das,was Sie nach außen transportieren, ist nicht getragen vonWahrheit und Klarheit.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)(D)Zu dem heutigen Gesetzentwurf, bei dem wir nichtdie gesamten Finanztransaktionen betrachten, sondernnur einen Teil, hat ein CDU-Ministerpräsident im Bundesratgesagt: Die Händler, die sich an der Börse mit diesenHochfrequenzfinanztransaktionen beschäftigen,können wir doch aus dem Geltungsbereich des Kreditwesengesetzesherausnehmen. – In dem Moment aber, indem ich diese ausgenommen habe und die Finanztransaktionsteuereingeführt wird, greift sie nicht mehr; denndie sind im Ausland. Das ist doch wieder ein Torpedogegen die Finanztransaktionsteuer. Sie handeln hiernicht ehrlich.Selbst die Bundesbank, die nicht unbedingt immerunsere Linie vertritt, bestätigt das. Die Bundesbank sagt:


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27911Peter Aumer(A)(B)Das Gesetz ist in angemessener und ausgewogenerWeise ein Schritt zur Regulierung, ein erster Schritt undein guter und großer Schritt in die richtige Richtung.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Ein Schritt zur Regulierung,aber nicht die Regulierung!)Das ist kein Schritt zurück, Herr Sieling. Wir sind keine„Hasenfüße“, wie Sie in Ihrer Rede gesagt haben. Dassind Sie; denn Sie haben bisher – das haben wir vorhinschon gehört – gegen alle Gesetzentwürfe zur Regulierunggestimmt.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Man sollte von der Opposition erwarten können, dasssie Realpolitik betreibt, dass sie auch mal mithilft, dieseschwierige Aufgabe, die uns gestellt worden ist, zulösen. Unsere wesentliche Aufgabe ist, Realpolitik zubetreiben, aber vor allem, der Realwirtschaft zu dienen.Zur Realwirtschaft gehören natürlich auch die Finanzmärkte,die Geld zur Verfügung stellen, damit die Realwirtschaftfunktioniert. Man muss den richtigen Ausgleichfinden. Wir haben diesen Ausgleich gefunden.Herr Sieling, Sie haben es vorhin selbst gesagt; auchHerr Zöllmer hat in seiner Rede auf den Wandel hingewiesen.Als er während seiner Schulzeit mit seinemLeistungskurs zur Börse gefahren ist, war das alles nochanders. Man muss den aktuellen Wandel mit den richtigenpolitischen Entscheidungen begleiten. Wir tun das,indem wir sagen: Wir wollen den Hochfrequenzhandelnicht ganz verbieten, weil das in der heutigen Zeit nichtgeht, sondern wir wollen den Ordnungsrahmen gestalten.Das ist einer Partei, die für die soziale Marktwirtschaftsteht, auch angemessen. Wir wollen, dass der Ordnungsrahmenrichtig funktioniert. Wir wollen, dass dieMarktwirtschaft auch in diesem Bereich weiter funktionierenkann. Wir wollen einen Ordnungsrahmen, derstark ist, der trägt, der einen Beitrag zur Stärkung undStabilität der Finanzmärkte leistet.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP – Abg. Dr. Carsten Sieling [SPD]meldet sich zu einer Zwischenfrage)– Herr Präsident, der Kollege Sieling meldet sich.Präsident Dr. Norbert Lammert:Der Kollege Sieling möchte eine Zwischenfrage stellen,und der Kollege Aumer will sie offenkundig gernebeantworten.Peter Aumer (CDU/CSU):Gerne.Präsident Dr. Norbert Lammert:Bitte schön.Werden Sie Ihrem Kollegen Ferber auf der europäischenEbene folgen, oder werden Sie ihn ausbremsen?Peter Aumer (CDU/CSU):Das ist schön. Ich wollte in meiner Rede darauf zusprechen kommen. Ich war noch gar nicht so weit, HerrSieling. Aber so habe ich schon jetzt Gelegenheit, daraufeinzugehen. Es ist nett, dass Sie meine Redezeit verlängern.Ich glaube, man muss ganz genau hinschauen. Es istvorhin schon gesagt worden, dass man im Parlament einenKompromiss gefunden hat. Wir müssen gemeinsambeobachten – das sollte auch die Opposition in Deutschlandtun –, welche Auswirkungen der Hochfrequenzhandelhat.(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Was denn nun? Geben Sie eine Antwortauf die Frage!)– Lassen Sie mich doch antworten. Die komplexe Frage„Wollen Sie verbieten, oder wollen Sie nicht verbieten?“kann man nicht so einfach beantworten. Wir wollen,dass das Ganze funktioniert, und wir wollen keine populistischeArbeit leisten. Eine populistische Oppositionsarbeitmachen nicht Sie, Herr Dr. Schick, aber ein GroßteilIhrer Partei.Man muss genau hinschauen, was die Einführung vonMindesthaltefristen bedeutet. Mindesthaltefristen könnendazu führen – das hat man auch in der Anhörung gehört–, dass die Märkte nicht mehr funktionieren. Dassagt sogar die Deutsche Bundesbank; man sollte dochauf die Experten vertrauen.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sagen Sie jetzt Jaoder Nein?)– Wir tauschen uns aus. Auch wir in der CSU vertretenzum Teil gegensätzliche Positionen. Wir bilden dannMehrheiten. – Ich zitiere jetzt Herrn Dr. Nagel, Mitglieddes Vorstands der Deutschen Bundesbank, der zumThema Mindesthaltefristen sagt: Eine solche Maßnahmebringt auch signifikante Nachteile.(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Welchedenn?)Wir wollen keinen Populismus, lieber HerrDr. Sieling, sondern wir wollen eine Politik machen, diedafür sorgt, dass die Märkte in unserem Land funktionieren.Das ist unsere Aufgabe. Dafür sind wir gewähltworden.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP – Dr. Carsten Sieling [SPD]: UnterstützenSie Ferber, oder lassen Sie ihn in derLuft hängen?)– Ich habe es Ihnen doch gerade gesagt.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das war Eierei!)– Wir haben die Eiertänze heute schon hinter uns.(C)(D)Dr. Carsten Sieling (SPD):Vielen Dank, Herr Kollege, und vielen Dank, HerrPräsident. – Herr Kollege Aumer, Sie sind ja Mitgliedder CSU. Sie sind aus Bayern und CSU-Mann.(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Bayernist CSU!)(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Genau, Eiertänze!)


27912 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Peter Aumer(A)Herr Zöllmer hat schon versucht, uns Eiertänze vorzuhalten.Ich glaube, das ist in diesem Bereich nicht derFall. Wir haben eine klare Linie:(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Genau!)Die Finanzmärkte werden dementsprechend geregelt.Passen Sie auf; Sie haben einfach keinen Angriffspunktin diesem Bereich.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Wir hättengerne klare Zielsetzungen, aber meistenskommt Seehofer!)– Ja, wir haben eine klare Linie: Wir wollen, dass derHochfrequenzhandel reguliert wird, dass die sozialeMarktwirtschaft auch in diesem Bereich Einzug hält.Wir wollen in einem doch sehr komplexen System Leitplankensetzen. Dieses System ist aber wichtig, damitunsere Märkte heute funktionieren.Ich habe gerade während der Reden der Oppositioneine Nachricht von n-tv gelesen: dass die Arbeitsmärktebei uns im Land stabil sind, trotz einer schwierigen konjunkturellenSituation. – Das ist vor allem auch daraufzurückzuführen, dass wir verlässliche Politik für dieMenschen in unserem Land machen. Sie machen dasnicht.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das stand abernicht bei n-tv!)Sie versuchen, populistische Politik zu machen, denMenschen zum Teil nicht die Wahrheit zu sagen. Wahrheitist für uns, immer das umzusetzen, was der Mehrheitder Menschen in unserem Land dient. Das macht auchder bayerische Ministerpräsident. Deswegen steht Bayernso gut da, deswegen ist Bayern Vorreiter in Europa.Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie könnenmit allem Populismus dagegenhalten, Sie können einen„Drehhofer“ zitieren – wie es vorhin schon geschehenist – oder nicht: Am Ende zählt das, was herauskommt.(Zurufe von der SPD)Am Ende zählt das, was wir für die Menschen getan haben,die uns ihr Vertrauen geschenkt haben. Es bleibt dabei:Wir arbeiten verlässlich für unser Land. Wir arbeitenverlässlich daran, die Bereiche zu regulieren, die man regelnkann.Wir schlagen nicht auf populistische Art und WeiseDinge vor, die nicht funktionieren. Die Mindesthaltefristensind ein solcher populistischer Vorschlag. Sie lehnenjetzt das ganze Gesetz ab, nur weil eine Forderung– mein Kollege Björn Sänger hat das vorhin schon gesagt–, die Sie stellen, nicht mit aufgenommen werdenkann. Wir sagen: Wir sind in Deutschland nicht alleine.Die Welt ist international aufgestellt. Wir wollen daszumindest europaweit geregelt haben. Wir setzen unsdementsprechend auf europäischer Ebene dafür ein, dassdiese Regelungen eingeführt werden.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Eine Liste von Belanglosigkeitenist das!)Meine sehr geehrten Damen und Herren, nehmen Siezur Kenntnis, dass wir das tun, was wir den Menschenversprochen haben: die Finanzmärkte zu regulieren, eineverlässliche Politik auch in diesem Bereich einkehren zulassen. Leisten Sie einen Beitrag dazu! Stimmen Sie diesemGesetz zu! Dann wird unser Land noch stabiler indie Zukunft gehen können. Dann werden wir weiterhindie Arbeitsplätze für die Menschen in unserem Land sichernkönnen. Das ist die Aufgabe, die wir sehen, unddas sollte auch die Aufgabe der Opposition sein.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Präsident Dr. Norbert Lammert:Lothar Binding hat nun das Wort für die SPD-Fraktion.(Beifall bei der SPD)(C)(B)Lothar Binding (Heidelberg) (SPD):Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heuteMorgen wirklich große Worte gehört.Herr Wissing hat gesagt: Keine Regierung hat die Regulierungjemals so vorangetrieben wie diese christlichliberaleRegierung. Darauf könne sie stolz sein.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Kollege Koschyk hat gesagt: Keine Mäkeleien, Kritteleien!Eine Brandmauer soll aufgebaut werden.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Kollege Flosbach hat gesagt: Risiken und Missbräuchenehmen wir heraus.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)In der Überschrift des Gesetzentwurfes wird von „Gefahrenund Missbräuchen“ gesprochen. Etwas weiter untensteht: „Besonderen Risiken des algorithmischenHochfrequenzhandels“ soll „entgegengewirkt werden“.Schauen wir einmal in das Gesetz:(Volker Kauder [CDU/CSU]: Tun wir das einmal!Bitte! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Bis jetzt war die Rede ganz gut!)„Der Börsenträger“ hat „für die übermäßige Nutzung derBörsensysteme … separate Entgelte zu verlangen“. Essteht weder die Höhe noch sonst etwas im Gesetz, und esgilt nur „für die übermäßige Nutzung“. Was soll damiteigentlich reguliert werden? Dass man für etwas, wasman benutzt, ein Entgelt zahlen muss, ist doch nichtsBesonderes. Für alles, was ich benutze, was ich leiheoder kaufe, wird ein Entgelt verlangt. Geniale Regulierung!Ferner kann die Geschäftsführung– sie kann! –(D)das Ruhen der Zulassung längstens für die Dauer …anordnen, wenn ein Handelsteilnehmer das Order-Transaktions-Verhältnis … nicht einhält …


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27913Lothar Binding (Heidelberg)(A)Sie kann das machen. Wen bitten Sie dort eigentlichzu regulieren? Wer soll eigentlich das regulieren, was IhnenAngst macht, wovon Sie vorhin gesagt haben, esmacht den Menschen Angst? Sie bitten den, der Angstmacht, das zu regulieren, was Angst macht. Das ist dochabsurd! Da können Sie gleich Mövenpick fragen, wiehoch die Hotelsteuer sein soll.(Beifall bei der SPD, der LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. CarstenSieling [SPD]: Das haben sie doch auch gemacht!)Die Börse– ich habe natürlich nichts gegen die Börse; aber wirreden hier über die Börse, an der das alles passiert, wasAngst macht und was Sie regulieren wollen –hat geeignete– welche eigentlich? –Vorkehrungen zu treffen, um auch bei erheblichenPreisschwankungen– was ist eigentlich eine erhebliche Preisschwankung?Das ist doch ein Gesetz und nicht ein Besinnungsaufsatz!–(Beifall bei Abgeordneten der SPD)eine ordnungsgemäße Ermittlung des Börsenpreisessicherzustellen. Geeignete Vorkehrungen im Sinnedes Satzes … sind insbesondere kurzfristige Änderungendes Marktmodells …Was ist eigentlich die kurzfristige Änderung einesMarktmodells? Kann das einmal jemand genauer erklären?(Joachim Poß [SPD]: Herr Koschyk!)Es kommt dann. Sie meinen „kurzzeitige Volatilitätsunterbrechungen“.Es geht hierbei um den Nanosekundenbereich.Leuten, die in diesem Bereich handeln, sagenSie jetzt, dass Sie, wenn sich kurzfristig etwasändert, etwas machen wollen. Geht es noch kurzfristigerals im Nanosekundenbereich? Was meinen Sie eigentlich?Sie machen doch ein Gesetz.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Ein angemessenes Order-Transaktions-Verhältnisliegt … dann vor, wenn dieses … wirtschaftlichnachvollziehbar ist.(Zurufe von der SPD: Ah!)Das ist ja interessant. Wer soll Ihrer Ansicht nach eigentlichmessen, was angemessen ist? Ja, sind wir dennverrückt, dass der Gesetzgeber die Frösche fragt, ob erwirklich den Sumpf trockenlegen soll? Was kann denndie Antwort darauf sein?(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Die Börsenordnung– also nicht das Gesetz –muss nähere Bestimmungen zum angemessenenOrder-Transaktions-Verhältnis für bestimmte Gattungenvon Finanzinstrumenten treffen.Ja, wen beauftragen Sie denn? Was wollen Sie denn regeln?Ich dachte, dies sei die genialste Regelung, die esüberhaupt jemals von einer Regierung in der Nachkriegsgeschichtegibt. Was regeln Sie? Ehrlich gesagt– bei näherem Hinsehen erkennt man es –: nichts.(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])Alle Produkte, alle Märkte, eine Brandmauer. Vorhin istgesagt worden: Wir handeln sofort.(Joachim Poß [SPD]: Geschwafel!)Nein, Sie schaffen einen abstrakten Rahmen dafür, dassdie Börse etwas tun darf. Das darf sie jetzt auch schon,dazu braucht sie überhaupt kein Gesetz, jedenfalls nichtIhr Gesetz.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Die Börse– dies ist jetzt versuchsweise; ich habe überall nach etwasKonkretem gesucht –ist verpflichtet,– da dachte ich: jetzt geht es los –eine angemessene Größe der kleinstmöglichenPreisänderung bei den gehandelten Finanzinstrumentenfestzulegen…Wissen Sie eigentlich, was die kleinstmögliche Preisänderungbei Arbitragegewinnen ist? Wenn Sie 20 MillionenMal handeln, dann kann sie gar nicht klein genugsein, und Sie machen trotzdem noch einen Gewinn.Scheinorder, Scheinmärkte und fiktive Transaktionenmachen den Markt gefährlich. Von wegen „beste Regelung“,mit diesem Gesetzentwurf regeln Sie – das erkenntman bei näherem Hinsehen – nichts.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derLINKEN)Ich glaube, man muss sich die Preisfindungsmechanismen,die Sie definieren, und die von Ihnen genanntenZiele eines angemessenen Order-Transaktions-Verhältnissesim Sinne des § 26 a des Börsengesetzes, der nichtbeeinträchtigt werden soll, genauer anschauen.Nähere Bestimmungen kann– jetzt dürfen Sie fünfmal raten –die Börsenordnung treffen.(C)(B)Wieder soll ein Dritter regeln, was er selber anrichtet.Ich glaube, wer dieses System erkennt, der weiß, warumwir da nicht zustimmen können. Sie fingieren praktischeinen Regelungsmechanismus. Würden wir dem zustimmen,würden wir den Menschen vorgaukeln, wir würden(D)


27914 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Lothar Binding (Heidelberg)(A)das, was gefährdet, regulieren, obwohl wir alles nochviel schlimmer machen. Denn jeder, der zur Börse geht,denkt dann natürlich: Hier ist alles geregelt, alles sicher.Nein, Sie schaffen einen Scheinmantel, von dem sogardas Schlimmste gedeckt wird.Wenn Sie da konkreter wären, würden wir auch zustimmen.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Ein echtesMerkel-Gesetz!)Es ist traurig, dass Sie der einzigen konkreten Zahl, diesich hier finden lässt, nämlich in unserem Antrag, nichtzustimmen.(Peter Aumer [CDU/CSU]: Weil das Quatschist!)Bei dieser unkonkreten Gesetzgebung dürfen Sie sichnicht wundern, dass sie auch international nicht auffruchtbaren Boden fällt.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Präsident Dr. Norbert Lammert:Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist derKollege Ralph Brinkhaus für die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Meine Damen und Herren, jetzt komme ich zu demkonkreten Gesetzentwurf, der uns vorliegt. Der KollegeZöllmer hat ja ein schönes Bild aus der Vergangenheitgemalt: Als er mit seinem Volkswirtschaftskurs die DüsseldorferBörse besucht hat, rannten da Männer herum– schwitzend und schreiend –, die sich in unverständlichemKauderwelsch Kurse zuriefen. Irgendwie ist dasdoch unser aller schöne Kindheit. Wer würde sich nichtwünschen, dass diese unser aller schöne Kindheit bleibenwürde?Aber die Realität ist leider eine andere. Die Realitätist, dass wir mittlerweile einen elektronischen Handelhaben, dass der Parketthandel weitgehend überholt ist.Die Realität ist auch, dass nicht mehr Menschen miteinanderhandeln, sondern Maschinen; das nennt man algorithmisch.Wenn sie das ganz besonders schnell machen,dann reden wir vom Hochfrequenzhandel. Ganzehrlich: Wer von uns, meine Damen und Herren, ist nichtbeunruhigt, wenn Maschinen untereinander handeln?Wer von uns ist nicht beunruhigt – wem macht das keineAngst? –, wenn in Millisekunden Milliardenbeträgedurch die Welt geschoben werden? Deswegen ist es gutund richtig, dass wir uns diesen Bereich vornehmen unddiesen Bereich regulieren.An dieser Regulierung haben Sie Kritik geübt. Ichmöchte auf diese Kritikpunkte eingehen.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wow!)Sie haben zunächst gesagt: Das kommt alles viel zu spät. –Wenn Sie uns vorwerfen, dass wir zuerst die Vergütungenreguliert haben, wenn Sie uns vorwerfen, dass wirzuerst die Ratingagenturen reguliert haben, wenn Sie unsvorwerfen, dass wir zuerst die Finanzaufsicht reformierthaben, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir zuerst dafür gesorgthaben, dass bei den Banken und Versicherungenmehr Eigenkapital und Liquidität vorhanden sein muss,wenn Sie uns vorwerfen, dass wir uns zuerst mit demAnlegerschutz beschäftigt haben, wenn Sie uns vorwerfen,dass wir uns zuerst mit den offenen Immobilienfondsbeschäftigt haben, wenn Sie uns vorwerfen, dasswir zuerst bestimmte Produkte aus dem grauen Kapitalmarktherausgeholt haben, muss ich Ihnen sagen: Ja, dasalles müssen wir gelten lassen; denn das haben wir zuerstgemacht, bevor wir uns mit dem Hochfrequenzhandelbeschäftigt haben.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Ich glaube, das war auch die richtige Reihenfolge, diewir da gewählt haben.(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Ja!Stimmt!)Sie kritisieren: Ihr handelt nicht nur zu spät, sondern– wenn ich an die Rede des Kollegen Schick aus der erstenLesung denke – auch zu früh. Es wird doch auf europäischerEbene etwas gemacht. Warum macht ihr dennjetzt etwas in Deutschland?(C)(B)Ralph Brinkhaus (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichglaube, dies ist die 60. oder 70. Debatte, die wir hier zuFinanzmarktthemen führen.(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Und es ist noch immer nichts passiert!)Es ist eigentlich immer das Gleiche:(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Ja, das haben wirgerade gehört!)Wir machen etwas,(Lachen bei Abgeordneten der SPD)und die Opposition stellt sich hin, nölt herum und sagt:Ja, wir würden es ein bisschen kräftiger machen, wirwürden da eine Formulierung ändern, wir würden hieretwas machen.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ich habeeuren Gesetzentwurf zitiert! Genauer kannman es nicht machen!)Es ist nicht schnell genug, es ist zu spät, es ist zu früh. –Im Grunde genommen warte ich auf das große Gesamtbild.Ich warte darauf, dass die Opposition uns zeigt, wieman Finanzmarktregulierung macht. Aber Sie beschränkensich auf Nölen und Herumkritteln und haben keineüberzeugenden Vorschläge.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Wenn es besser ist, kann man es schonmachen! Aber nicht, wenn es schlechter ist!)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27915Ralph Brinkhaus(A)(B)Bald wird die MiFID-Reform kommen. Ihr könntet eucheure nationalen Alleingänge eigentlich sparen. –(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: So habe ich nicht argumentiert!Bitte richtig zitieren!)Dazu muss man eines sagen: MiFID wird irgendwann indrei, vier Jahren in Kraft treten. Wollen wir so langewarten? Wollen wir die Märkte so lange so belassen, wieich es beschrieben habe? Oder haben wir nicht als Bundesregierungdie Aufgabe, da schneller heranzugehen?Ich glaube, wir haben die Aufgabe, da schneller heranzugehen.(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Ja! Das ist richtig!)Deswegen ist es gut und richtig, dass wir hier nationalvorangehen.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP – Dr. Carsten Sieling [SPD]:Dann muss es auch wirkungsvoll sein!)Es wurde kritisiert: Es gibt lange Übergangsfristen. –Ja, klar gibt es Übergangsfristen. Diese Übergangsfristensind so gewählt, dass die Marktteilnehmer die Möglichkeithaben, die erforderlichen Genehmigungen einzuholen;das ist gut, richtig und fair. Fairness gilt nämlichauch für die Finanzmärkte, meine Damen und Herren.Dann wurde ein besonders interessanter Vorschlag gemacht:Alles, was da gemacht wird, die sogenannten Algorithmen,sollten im Vorhinein genehmigt werden. –Das passt natürlich prima in die Philosophie der linkenSeite dieses Hauses. Das ist eine weitere Aufgabe für dasZentralkomitee für besseres Leben, das alles genehmigenmuss:(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSUund der FDP)ob und wann wir Fleisch essen, welche Algorithmen genommenwerden, wie schnell wir Auto fahren; auch allesandere sollte zentral vom Staat genehmigt werden. Daswird nur nicht funktionieren, meine Damen und Herren.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Jetzt komme ich zu einem wichtigen Punkt, der hierimmer wieder angeklungen ist: zu den Mindesthaltefristen.Sie fordern: Ziehen wir doch eine Bremse in denHochfrequenzhandel ein! Sagen wir doch: Es muss einehalbe Sekunde gewartet werden, bevor ein neues Geschäftgetätigt wird. – Das hört sich bestechend an. Faktist – der Kollege Wissing hat das an anderer Stelle einmalgeäußert –: Dann hätten wir uns den gesamten Gesetzentwurfsparen können. Dann hätten wir nämlich sagenkönnen: Der Hochfrequenzhandel wird verboten.Sie haben sich ja heute dazu bekannt, den Hochfrequenzhandeltatsächlich verbieten zu wollen. Gut, dieserAuffassung kann man sein. Aber Sie müssen auch anerkennen,dass die Experten – und zwar nicht nur die Experten,die von der Deutschen Börse bezahlt werden –dazu ein sehr unterschiedliches Bild gezeichnet haben.Die einen sagen, das wäre gut; die anderen sagen, daswäre schlecht. Sie als Opposition sind jetzt ungemeinmutig, weil Sie genau wissen, dass Sie das nicht zu verantwortenhaben, und fordern: Mindesthaltefristen einbauenund Hochfrequenzhandel abschaffen! – Gut, daskönnen Sie fordern. Aber wir sind an der Regierung. Wirtragen die Verantwortung für die Märkte und für das,was auf den Märkten passiert. Deswegen sagen wir: Wirmachen an dieser Stelle keinen nationalen Alleingang.Das kann man diskreditieren, aber zum Regierungshandelngehört, dass man auch die Verantwortung für seinHandeln übernimmt. Das ist der wesentliche Unterschiedzwischen der Finanzmarktpolitik der Regierungund der der Opposition. Wir verantworten das, was wirmachen.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ihrmacht nichts! Und das verantwortet ihr!)Sie stellen Forderungen auf, von denen Sie wissen, dassSie sie nie verantworten müssen. Deswegen übertreibenSie immer bei all dem, was Sie wollen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sie sind doch derFrosch im Sumpf!)Meine Damen und Herren, es ist einfach, Oppositionzu sein.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Deswegen sollenSie da ja auch hin! Ihr sollt es einfacher haben!)Es ist nicht nur Mist, wie Herr Müntefering sagt, sondernes ist einfach; denn Oppositionshandeln im Finanzmarktbereichhat bisher nur darin bestanden, Dingeschlechtzumachen, zu fordern und dagegen zu stimmen.Ich muss Sie wirklich fragen: Welches ist denn IhrBild von Politik? Ist es Ihr Bild, zu sagen: Wenn ichmich nicht zu 100 Prozent durchsetze, dann blockiereich einfach alles? – Das ist nach meiner Auffassung sehrverantwortungslos.(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sie machen dochselbst die Blockade! – Dr. Gerhard Schick[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich werde esder CDU in Baden-Württemberg ausrichten!)Wenn wir jetzt die ganze Sache zum Abschluss bringenund wieder zu dem schönen „Wimmelbild“ von denschwitzenden Männern, die sich gegenseitig Kurse zuschreien,das Herr Zöllmer aufgemalt hat, kommen,müssen wir wohl festhalten, dass wir dieses Bild niewieder erleben werden.(Zuruf des Abg. Dr. Carsten Sieling [SPD])Ich glaube, wir müssen die Realität anerkennen. Die Realitätin dieser Welt ist eine andere. Die Realität in dieserWelt heißt auch: Wenn wir in Deutschland den Hochfrequenzhandelverbieten, dann wird er in Luxemburg stattfinden.Und wenn wir den Hochfrequenzhandel innerhalbder Europäischen Union verbieten, dann wird er ananderen Plätzen stattfinden. Das heißt nicht, dass wirdiesen Hochfrequenzhandel weiterlaufen lassen solltenwie bisher, sondern wir müssen versuchen, eine vernünftigeRegulierung hinzukriegen. Aber die Realität einfach(C)(D)


27916 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Ralph Brinkhaus(A)auszublenden, die Welt als einen großen Ponyhof darzustellen,das wird nicht funktionieren.Das, was wir hier vorlegen, beinhaltet eine verantwortungsvolleRegulierung des Hochfrequenzhandels.Man kann sicherlich an der einen oder anderen Stellemehr machen, muss dies dann aber international organisieren.Das haben wir immer vor Augen gehabt, und deswegenhandelt es sich hier um ein gutes Gesetz.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Ich möchte die Gelegenheit aber auch nutzen – wir alsFinanzmarktregulierer haben ja nicht ganz so oft die Gelegenheit,zu dieser Stunde zu sprechen –, um noch daseine oder andere Wort an die Branche zu richten. DieBranche hat nämlich auch ein Problem. Die Branche hatdas Problem, dass sie bei allen Regulierungsvorhaben,die wir machen, immer wieder sagt: Wenn ihr das jetztmacht, dann wird alles zusammenbrechen. – Wir habendas erlebt, als wir gesagt haben: Wir wollen die Hochfrequenzhändlerdem Kreditwesengesetz unterstellen. Wirwollen eine harte Aufsicht der Hochfrequenzhändler.Sie müssen sich eines vorstellen: 25, 30, 40 Prozentdes Börsenumsatzes in Deutschland werden von Marktteilnehmerngemacht, die wir nicht kennen, von denenwir nicht wissen, welche Interessenlagen die haben, undvon denen wir auch nicht wissen, mit welchen Werkzeugendie arbeiten. Dementsprechend sind wir an diese Problematikherangegangen und haben die Sache angepackt,und zwar gegen den Widerstand der Branche. – Dies zuIhren Zwischenbemerkungen, Herr Poß.Schaut man sich die Branche einmal insgesamt an,stellt man fest, dass dort die Erkenntnis eingetreten ist,dass sich nach dem Jahr 2008 etwas ändern musste.Diese Erkenntnis ist aber nur sehr langsam eingetreten.Bemerkenswerte Äußerungen gab es dazu vorgesternvon dem Privatkundenvorstand der Deutschen Bank, derals erster Vorstand einer großen deutschen Bank gesagthat – ich gebe das, was in der Börsen-Zeitung gesagtworden ist, nur sinngemäß wieder –: Wenn die Banken,wenn die Finanzindustrie bei allen Regulierungsvorhabenimmer nur schreien, das gehe nicht und das machealles kaputt, dann müssen sie sich nicht wundern, dasssie das Vertrauen der Politik komplett verspielen.Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich würdemir wünschen, dass wir viel mehr aktive Mitarbeiter inder Branche und in der Regulierung haben, dass dieBranche nicht ebenso wie die Opposition immer sagt,das gehe nicht, das sei alles schlecht, das werde alles kaputtmachen,sondern dass sie mithilft, eine konstruktiveRegulierung hinzubekommen.Das, was wir im Rahmen der 60 bis 70 Debatten hierdiskutiert haben, ist eine konstruktive Regulierung. Deswegenbitte ich Sie, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen,damit wir am Ende des Tages einmal mehr besserenund stabileren Finanzmärkten nähergekommen seinwerden. Diese christlich-liberale Koalition steht dafür.Danke schön.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Präsident Dr. Norbert Lammert:Ich schließe die Aussprache.Wir kommen nun zur Abstimmung über den von derBundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Vermeidungvon Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel.Der Finanzausschuss empfiehlt in seinerBeschlussempfehlung auf der Drucksache 17/12536, denGesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen17/11631 und 17/11874 in der Ausschussfassunganzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurfin dieser Ausschussfassung zustimmen wollen, umdas Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen.Wir kommen zurdritten Beratungund Schlussabstimmung. Ich darf diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, bitten, sich von ihrenPlätzen zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? – Niemand. Damit ist der Gesetzentwurf mitden Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Oppositionangenommen.Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantragder SPD-Fraktion auf der Drucksache17/12551. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag?– Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – DerEntschließungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt.Wir sind damit mit diesem Tagesordnungspunktdurch.Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 e auf:a) Beratung des Antrags der Abgeordneten MichaelGroß, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPDBezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt– Drucksache 17/12485 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungHaushaltsausschuss(C)(B)b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPDBezahlbare Mieten in Deutschland– Drucksache 17/12486 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss (f)Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungc) Beratung des Antrags der Abgeordneten HeidrunBluhm, Halina Wawzyniak, Dr. Kirsten Tackmann,(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27917Präsident Dr. Norbert Lammert(A)(B)weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEWohnungsnot bekämpfen – Sozialen Wohnungsbauneu starten und zum Kern einer gemeinnützigenWohnungswirtschaft entwickeln– Drucksache 17/12481 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)RechtsausschussHaushaltsausschussd) Beratung der Unterrichtung durch die BundesregierungBericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaftin Deutschland– Drucksache 17/11200 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheite) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung(15. Ausschuss) zu dem Antrag derAbgeordneten Daniela Wagner, Ingrid Hönlinger,Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENWohnraum in Deutschland zukunftsfähig machen– Für ein sozial gerechtes und klimafreundlichesMietrecht– Drucksachen 17/7983, 17/12472 –Berichterstattung:Abgeordneter Sebastian KörberNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache ebenfalls 90 Minuten vorgesehen. –Dazu besteht Einvernehmen.Ich eröffne die Aussprache.Das Wort erhält zunächst der Kollege Frank-WalterSteinmeier für die SPD-Fraktion.(Beifall bei der SPD)Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn ich in die Runde schaue, stelle ich fest: Ich binnicht der Einzige, der heute Morgen direkt von Münchenaus hierher gekommen ist.Ich bin auch nicht der Einzige, der das politische Cabaret(Volker Kauder [CDU/CSU]: „Kabarett“ heißtdas, Herr Steinmeier!)eigentlich erst gestern Abend auf dem Nockherberg erwartethat, lieber Volker Kauder. Als ich mich zu diesemTagesordnungspunkt „Wohnen und Mieten“ gemeldethabe, konnte ich nicht ahnen, dass das wahre politischeKuriositätenkabinett schon am Wochenende vor demNockherberg getagt hat.Man stelle sich das einmal vor: Beim Mindestlohn sagenChristdemokraten und Liberale seit fast vier Jahren:„Gott sei bei uns!“ – seit drei Tagen soll das alles ganzanders sein. Bei der Homo-Ehe schien noch vor einerWoche der Untergang des Abendlandes zu drohen – seitdem Wochenende alles ganz anders.(Sebastian Körber [FDP]: Was hat das mit demThema zu tun?)Türkei-Beitritt: Jahrelang hat die Union getönt, dass dieTürken aus der Europäischen Union draußen bleiben sollen– am Wochenende sagte die Kanzlerin: Die Verhandlungengehen gar nicht schnell genug.(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Das istdoch keine Generaldebatte hier!)Im Hinblick auf ein NPD-Verbot wurden die Ermittlungender Innenminister der Länder wochenlang links liegengelassen, und es wurde Skepsis gestreut – urplötzlich,ohne dass sich irgendetwas Neues ereignet hätte,soll das Kabinett jetzt doch einen Verbotsantrag beschließen.(Peter Götz [CDU/CSU]: Kennen Sie den Tagesordnungspunkt?– Sebastian Körber [FDP]:Haben Sie die falsche Rede erwischt?)– Meine Damen und Herren, bevor Sie unruhig werden,sage ich Ihnen: Glückwunsch zu so vielen neuen Einsichten!(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Ich kann mich allerdings des Eindrucks nicht ganz erwehren,dass die eine oder andere dieser neuen Einsichtendurch den Wahltermin befördert wurde. Eines rateich nur: Überholen ohne einzuholen, das funktioniertnicht, das haben schon andere versucht, meine Damenund Herren.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Beim Wettbewerb um politisches Umfallen darf dieFDP natürlich nicht abseitsstehen. Bei der doppeltenStaatsangehörigkeit, einem absoluten No-Go für die Koalition– das war ein Evergreen –, überrascht uns FrauLeutheusser-Schnarrenberger am Wochenende mit demSatz: Alles ist möglich.(Sebastian Körber [FDP]: Sagen Sie noch etwaszur Sache?)– Jetzt müssen Sie nicht mehr länger neugierig sein. Beiden Stichworten „Umfallen“ und „Kehrtwende“ – da habenSie recht; insofern verstehe ich, dass Ihnen da etwasgefehlt hat – darf einer nicht fehlen, nämlich der Bauminister.(Zurufe von der SPD: Ja!)Das dreisteste Stück, das in den letzten Tagen zurAufführung gekommen ist, stellt den Nockherberg vongestern Abend mühelos in den Schatten. Man stelle sichdas einmal vor: Ausgerechnet derjenige, der den Kahlschlagim Wohnungsbau verursacht hat, ausgerechnet(C)(D)


27918 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Frank-Walter Steinmeier(A)derjenige, der zu den Ersten gehörte, als es darum ging,die Eigenheimzulage zu streichen, ausgerechnet HerrRamsauer dreht sich auf den Hacken um und tut seit demWochenende so, als sei er die Spitze der Bewegung, alssei er Vorreiter beim Thema „Wohnen und Mieten“. Soeinfach geht das nicht!(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Dreistigkeit mag sich lohnen, auch in der Politik, aberdas werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dasmacht ja Ihr Kanzlerkandidat schon!)Sie sind verantwortlich dafür, dass das Bund-Länder-Programm „Die soziale Stadt“ „geschlachtet“ wurde. Siesind verantwortlich dafür, dass der Heizkostenzuschussabgeschafft wurde.(Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!)Sie haben das neue mieterfeindliche Mietrecht aufden Weg gebracht.(Sören Bartol [SPD]: So ist es!)Sie haben die Engpässe auf dem Wohnungsmarktignoriert und gleichzeitig eine rechtzeitige Gegenwehrverpennt. Das haben wir nicht vergessen, und wir werdendafür sorgen, dass die Menschen in Deutschland dasauch nicht vergessen.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Ich kann ja verstehen, dass Sie nach diesen etwasatemlosen Kehrtwenden vom vergangenen Wochenendenicht mehr richtig wissen, wo Ihnen der Kopf steht. InIhren eigenen Reihen herrscht im Augenblick ein bisschenChaos. Dazu will ich mich aber gar nicht äußern;das ist Ihre Sache. Meine einzige Bitte ist: Richten Siebitte das Chaos, das Sie in der Energiepolitik angerichtethaben, nicht auch noch in der Wohnungspolitik an.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Die Wohnungspolitik braucht nämlich keine Kehrtwenden,sondern Verlässlichkeit. Wenn Sie wollen, dassWohnungsbaugesellschaften Wohnungen bauen, dannmachen Sie keine Kehrtwenden, sondern sorgen Sie fürPlanbarkeit und Investitionssicherheit. Familien, die vorder Entscheidung stehen, wo sie leben möchten und obsie mieten oder bauen wollen, brauchen ebenfalls Planungssicherheit.Solche Pläne kann man eben nicht einfachmal verändern, wenn es einem in den Kram passt.Wir brauchen keinen Aktionismus und keine Chaotisierung,sondern Ernsthaftigkeit und lange Linien. Ohnedas wird es nichts mit bezahlbarem Wohnraum – auchnicht bei uns.(Beifall bei der SPD sowie der Abg. DanielaWagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])Unser Vorwurf ist, dass es gerade an dieser Ernsthaftigkeit,von der ich rede, fehlt. In den letzten fünf Jahrenhat sich die Zahl der Haushalte, die 40 Prozent und mehrvon ihrem Einkommen für Miete ausgeben, verdoppelt.Studenten – das wissen Sie auch – finden in den Unistädtenkaum noch Wohnungen. Der Bestand an Sozialwohnungengeht Jahr für Jahr zurück. Die wenigsten Wohnungensind altersgerecht.Das alles ist nicht neu. Das haben Sie in Ihrem eigenen„Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaftin Deutschland“ vom letzten Oktober sogar veröffentlicht.Sie haben es zwar veröffentlicht, aber passiertist nichts. Das ist das, was vorzuwerfen ist.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)(C)Wenn das so weitergeht, dann werden wir den Prozessnicht aufhalten, dass ganz normale Familien aus ihrenVierteln, in denen sie wohnen, verdrängt werden. Dannkönnen es sich nur noch ganz wenige leisten, tatsächlichim Zentrum der Städte zu wohnen, dann erkennen wirunsere Städte bald nicht mehr wieder, und dann kriegenwir Verhältnisse wie anderswo auf der Welt, die wirnicht wollen.(B)Ich finde es gut, dass wir uns in diesem Hause, als dieBilder aus Frankreich, von den französischen Banlieuesdurch die Medien gingen, einig waren, dass wir solcheBilder in deutschen Städten nie sehen wollen. Darübergab es Konsens. Das Problem ist nur: Dieser Konsens istwohnungspolitisch folgenlos geblieben.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ja!)Er ist folgenlos geblieben und musste folgenlos bleiben,weil Sie gleichzeitig zum Beispiel die Mittel für dasBund-Länder-Programm „Die soziale Stadt“ endlos zusammengekürzthaben. Hier stimmt einfach vieles nicht.Sie haben damals gesagt, das sei deshalb notwendig,um die Betonpolitik der SPD endlich zu einem Endekommen zu lassen. Das hat mir viel über das verraten,was Sie nie verstanden haben. Ich gebe Ihnen ja recht:Die Bereitstellung von Mitteln für den Bau – dann, wennman in Beton und Steine investiert – kann man vielleichtmal ein oder zwei Jahre schieben, wenn der Haushaltknapp ist. Das ist wahr. Beim Bund-Länder-Programm„Die soziale Stadt“ geht und ging es aber nie um Beton.Das sind soziale Netzwerke, die über zwei Jahrzehntegewachsen und in den Quartieren mühsam aufgebautworden sind.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Hier kann man nicht einfach das Geld wegnehmenund darauf vertrauen, dass die sozialen Netzwerke erhaltenbleiben. Nein, das produziert Enttäuschungen.Wenn Sie dann, wie jetzt, nach zwei Jahren wiederGeld dafür zur Verfügung stellen wollen, dann merkenSie, dass es diese Netzwerke, auf die Sie zurückgreifenwollen, nicht mehr gibt. Deshalb war das so verhängnisvoll.Das muss hier einmal zur Sprache kommen.(Beifall bei der SPD sowie der Abg. BettinaHerlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27919Dr. Frank-Walter Steinmeier(A)Notwendig ist etwas anderes, ist ein ganzes Bündelvon Maßnahmen, und das haben wir in unserem Antragvorgeschlagen. Das sind aus unserer Sicht zuallererstÄnderungen im Mietrecht, um zum Beispiel Mietsteigerungenzu begrenzen – nicht nur in bestehenden Verträgen,sondern auch bei Wiedervermietung.(Zuruf des Abg. Sebastian Körber [FDP])– Ja, Sie können das ja gleich hier vom Pult aus gern sagen.– Sie haben nämlich gerade das Gegenteil gemacht.Sie haben die Position der Mieterinnen und Mieter einseitiggeschwächt. Das ist genau der falsche Weg, meineDamen und Herren.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – SebastianKörber [FDP]: Das ist doch Quatsch! Sie müssenes lesen!)Unser Antrag ist ein Vorschlag. Schauen Sie sich denan! Ein paar andere Dinge können wir ganz schnell undeinfach miteinander regeln. Ich meine da zum Beispieldie Übernahme der Maklerkosten durch den Vermieter,wenn er ihn denn bestellt hat. Der Grundsatz „Wer bestellt,der bezahlt auch“ ist in der Marktwirtschaft janichts Neues.(Zurufe von der SPD: Genau!)Das gilt überall sonst, außer bei Mieten und Wohnen.Aber warum nicht auch hier? Deshalb sage ich ganz einfach:Wer bestellt, der bezahlt. Wir haben eine entsprechendeInitiative auf den Weg gebracht. Ich lade Sie ein,diese Initiative zu unterstützen, meine Damen und Herren.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Es geht jedoch nicht nur um Mietrecht, auch nicht nurum Maklerkosten. Wir brauchen in diesem Land wiederWohnungsneubau, und zwar nicht nur Luxusapartmentsin einigen Innenstadtlagen, sondern gute und bezahlbareWohnungen für ganz normale Leute.Damit das klappt, brauchen wir nicht irgendeine Förderung,wir brauchen eine sehr zielgerichtete Förderungund gerade keine Förderung nach dem Gießkannenprinzip.Denn wahr ist doch genauso – das erfahren Sie inIhren Wahlkreisen doch auch –: Im ländlichen Raum habenwir kein Unterangebot, keinen Mangel an Wohnraum,sondern da haben wir Wohnungsleerstand. Dort istdas Problem eher, dass viele Leute viel Geld – teilweiseihr ganzes Vermögen – in ihr Haus gesteckt haben undsie es möglicherweise dann, wenn sie älter werden, nichteinmal mehr verkaufen können. Deshalb: Förderungnach dem Gießkannenprinzip kann nicht funktionieren.Wir brauchen eine zielgerichtete Förderung. Das genaumüsste das Anliegen des Bundesbauministers seit dreieinhalbJahren sein. Aber da war nichts, und da istnichts. Das ist heute zu beklagen.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Beck [Köln] [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kommt auchnichts mehr!)Wir brauchen – das ist meine feste Überzeugung – einganz breites Bündnis für bezahlbaren Wohnraum. Damuss der Bund vorangehen, da müssen die Länder dazu,da müssen die Kommunen dazu, die Bauwirtschaft, Gewerkschaften,Sozialverbände. Wir brauchen da einenbreiten Pakt.Wir haben mit unserem Antrag konkrete Vorschlägeunterbreitet, was jetzt in dieser Situation zu tun ist. DieMenschen, finde ich, haben ein Recht darauf, dass wirvon der Politik Wohnen in diesem Land wieder bezahlbarmachen.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Das, Herr Ramsauer, an Ihre Adresse: Ihre Verantwortungfür den BER haben Sie abgewälzt auf Berlinund auf Brandenburg. Ihre Verantwortung für Stuttgart21 – wir beobachten das sehr genau – wälzen Sie imAugenblick auf die Deutsche Bahn ab. Hier, bei Wohnenund Mieten, steht niemand zur Verfügung, der die Verantwortungübernimmt. Hier, Herr Ramsauer, sind Sie inder Verantwortung, und bei dieser Verantwortung werdenwir Sie packen.Herzlichen Dank.(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifallbei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)(C)(B)Präsident Dr. Norbert Lammert:Das Wort hat nun der Bundesminister PeterRamsauer.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte, liebe Kolleginnenund Kollegen! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Lieber Herr Kollege Steinmeier, wir hatten jaheute Morgen schon einmal das Vergnügen. Aber, wissenSie, das ist eine Generaldebatte, die Sie jetzt begonnenhaben. Da Sie schon von meiner Verantwortung fürden Berliner Flughafen im Rahmen einer Generaldebattesprechen: Natürlich tragen auch der Bund und ich Verantwortungfür dieses Projekt am Berliner Flughafen indem Ausmaß, in dem es dem Bund als Gesellschafteraufgegeben ist. Wenn Sie aber schon die Formulierunggebrauchen, ich hätte Verantwortung auf Berlin undBrandenburg abgewälzt, dann muss ich hinzufügen: Leiderstreiten die beiden seit einigen Tagen dermaßen, dasses mir als Vertreter des Bundes fürchterlich unangenehmist; das muss man auch sagen. Das stimmt auch wieder,Herr Steinmeier.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Aber ich mache das still und leise im Hintergrund. Wirbringen das schon wieder in Ordnung,(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:Oh!)und zwar aus Gründen der Gesamtverantwortung.(D)


27920 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Bundesminister Dr. Peter Ramsauer(A)Was Erinnerungen betrifft: Sie haben gesagt, HerrSteinmeier, ich sei 2006/2007 auch dabei gewesen. Ichwar damals Vorsitzender der CSU-Landesgruppe imDeutschen Bundestag als Vorvorgänger der KolleginGerda Hasselfeldt. In der Tat hat die Große Koalition damalszwei sehr wichtige Instrumente der Wohnungsbaupolitikabgeschafft, nämlich die Eigenheimzulage unddie degressive AfA. Beide Instrumente standen auf dersogenannten Koch/Steinbrück-Liste.(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)Gut, dass wenigstens Herr Steinbrück heute hier ist. Derandere, der neben dem Finanzminister Verantwortungtrug – –(Zuruf des Abg. Florian Pronold [SPD])– Nicht einmal Sie bringen mich dazu, irgendetwas Negativesüber meinen hochverehrten Amtsvorgänger zusagen.Da Sie aber damit angefangen haben, HerrSteinmeier, muss ich sagen: Der andere war ein SPD-Bauminister, der zusammen mit einem SPD-Finanzministerdiese beiden wertvollen Instrumente abgeschaffthat, und zwar in federführender Position, nämlichals Minister.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wenn Sie nicht angefangen hätten, hätte ich es auchnicht getan; denn ich mag es nicht, hinterher an bestimmteSachverhalte immer wieder zu erinnern.Wir müssen eine nach vorne gerichtete Baupolitikund Wohnungspolitik betreiben; denn hier geht es umein Grundbedürfnis eines jeden Menschen.(Sören Bartol [SPD]: Das sagen wir Ihnen seitdrei Jahren! Seit drei Jahren!)Deswegen ist es mein Wunsch, dass wir alle hier an einemStrang ziehen und nicht eine Bevölkerungsgruppegegen die andere aufhetzen. Das hat keinen Sinn.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)Inzwischen gibt es Gott sei Dank eine Trendwende.Dramatisierungen und Pauschalisierungen nutzen nicht.Die Entwicklung auf den Wohnungsmärkten ist ausgesprochendifferenziert und ist regional sehr unterschiedlich,auch was die Ursachen angeht. Deshalb habe ich zuBeginn dieser Woche das Programm zur Bekämpfungregionaler Wohnungsknappheit in Deutschland vorgestellt,das vieles neu aufgreift, was besser nicht hätte abgeschafftwerden sollen.Ich darf aber zunächst einmal feststellen: DeutschlandsWohnungsmarkt ist gekennzeichnet durch einenhohen Versorgungsgrad und hohe qualitative Standards.Von einem eklatanten, flächendeckenden Wohnungsmangelkann keine Rede sein.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)Wir alle können froh darüber sein, dass eine Trendwendeeingetreten ist. Ich verwende hier gerne das Bildeines schweren Tankers, der seinen Kurs nur allmählichund langsam verändert. Aber diese Trendwende, dieseKursänderung ist intensiv und nachhaltig in Gang.Ich möchte nur einige Zahlen in Bezug auf Baugenehmigungenund Baufertigstellungen nennen. Im Jahr 2009gab es 177 000 Baugenehmigungen. Diese Zahl ist kontinuierlichauf 245 000 im vergangenen Jahr angewachsen.Den Baugenehmigungen folgten natürlich mit einerVerzögerung von ein bis zwei Jahren die Baufertigstellungen.Analog ziehen auch die Baufertigstellungen an.Im Jahr 2009 gab es 159 000. Bereits im letzten Jahr hattenwir rund 200 000 Baufertigstellungen zu verzeichnen.Analog zu den Baugenehmigungen wird die Zahlder Baufertigstellungen in den kommenden Jahren weiteransteigen.(C)(B)Unser Ziel ist es, auf jährlich etwa 250 000 neueWohnungen zu kommen, sodass wir innerhalb der nächstenfünf Jahre das Defizit abbauen. Wir haben gute Aussichten,das auch zu schaffen, wenn wir es richtig anpacken.Wir tun bereits eine ganze Menge dafür. Man kannnicht oft genug daran erinnern, dass Bund, Länder undGemeinden für das Wohnen, für die Kosten der Unterkunftund für das Wohngeld eine Summe von etwa17 Milliarden Euro bereitstellen und dass wir infolge derFöderalismusreform seit 2007 den Ländern jährlich518 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderungin die Hand geben. Ich trete sehr dafür ein, dass wirdiese Summe über das Jahr 2014 hinaus verstetigen. Dabeistimmen wir mit Ihnen überein; Sie verlangen dasauch.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich füge hinzu, dasswir wollen – das wollen auch Sie, wie ich gelesen habe,Herr Steinmeier –, dass die Länder mit diesen 518 MillionenEuro – meinetwegen auf Dauer nicht nur nominal –nicht nur irgendetwas im Bereich von Investitionen machenkönnen, sondern dass damit auch wirklich derWohnungsneubau gefördert wird.(D)Einige Länder machen das in vorbildlicher Weise.Dazu gehört der Freistaat Bayern. Dazu gehört Nordrhein-Westfalen.Dazu gehört Hamburg. Es gibt allerdingsauch einige Länder – ich nenne jetzt keine –, diekeinen einzigen Euro in den Neubau von sozial gefördertemWohnraum stecken.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Minister, gestatten Sie zwei Zwischenfragen,einmal von den Grünen, einmal von der SPD?(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Erst wir!)Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Ja. Bitte sehr.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Bitte schön.


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27921(A)Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Minister, Sie haben recht. Wir wollen keineSchlammschlacht, sondern wir wollen an einem Strangziehen. Insofern nehme ich das gerne auf, wenn Sie dieHand reichen.Nun zu meiner Frage. Wir werden demnächst im Plenumdie Änderung des Baugesetzbuchs beraten. DasSatzungsrecht könnten wir durch Bundesgesetzgebungstärken, indem wir den Kommunen die Möglichkeit geben,in bestimmten Gebieten die Mieten zu deckeln; dasist die Milieuschutzsatzung. Das könnten wir um diesenPassus erweitern.Wie sehen Sie das? Werden Sie den Kommunen andieser Stelle helfen? An dieser Stelle haben Sie die Möglichkeitdazu.(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN)weise das Saarland getan hat. Das sind 2 ProzentpunkteUnterschied. Auch hier haben es die Länder in der Hand,zu reagieren und das Ganze zu steuern; schließlich stehtihnen das Geld zu.Also ein klares Ja, liebe Frau Kollegin, zur Möglichkeitfür Städte, Gemeinden und Länder, passgenau zu reagieren.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Kollege Bartol wollte auch noch eine Frage stellen. –Bitte.(C)(B)Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Wir sind in der Tat gerade dabei, das Baurecht zu novellieren.Ich bin sehr dafür, dass wir den Ländern undGemeinden die Möglichkeit eröffnen, selbst tätig zuwerden. Wie ich eingangs bereits gesagt habe, haben wires mit regional sehr unterschiedlichen Entwicklungen zutun. Es gibt auch Gegenden in Deutschland, in denen inden letzten Jahren die Mieten gesunken sind, in denenwir leer stehenden Wohnraum haben, lieber VolkmarVogel, aber nicht nur in den neuen Bundesländern, sondernauch hier und dort in den alten Bundesländern.Es ist natürlich schwierig, von Bundesseite aus mit einempolitischen Breitbandantibiotikum regional undpassgenau zu reagieren und zu steuern. Deswegen ist esrichtig, den Ländern und den Kommunen Möglichkeitenzu eröffnen, passgenau, bezogen auf ihre Verhältnisseund Probleme, zu reagieren.Eines dieser Instrumente haben wir mit der vor wenigenMonaten beschlossenen Novellierung des Mietrechtsgeschaffen. Damit haben wir den Ländern dieMöglichkeit eröffnet, die Kappungsgrenze von 20 Prozentauf 15 Prozent innerhalb von drei Jahren zu reduzieren.– Frau Kollegin, bleiben Sie bitte stehen; ich binnoch nicht fertig mit der Beantwortung.(Caren Marks [SPD]: Wie wäre es denn miteiner Antwort?)Ich lade die Länder ein, von dieser Möglichkeit Gebrauchzu machen.Den Ländern steht ein weiteres Instrument zur Verfügung.Das betrifft vor allen Dingen die Eigentumsbildung,aber auch Grundstückskäufe für den Mietwohnungsbau.(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:Das war nicht die Frage der Kollegin!)Man kann die Höhe der Grunderwerbsteuer auf 3,5 Prozentfestsetzen, wie es beispielsweise der Freistaat Bayerngetan hat. Man kann die Höhe der Grunderwerbsteueraber auch auf 5,5 Prozent festsetzen, wie es beispiels-Sören Bartol (SPD):Lieber Herr Bundesminister Ramsauer, bevor Sie mitdem fortfahren, womit Sie begonnen hatten, nämlich mitder Märchenstunde zur Frage „Wie geht es weiter mitden 518 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau,den sogenannten Entflechtungsmitteln?“ und mit ihrenAusführungen zur Zweckbindung, möchte ich Sie nocheinmal darauf hinweisen – vielleicht ist Ihnen das in derKabinettssitzung einfach entgangen –, dass Sie selber insKabinett einen Gesetzentwurf – er liegt uns als Drucksache17/12296 vor – eingebracht haben, der entgegendem, was Sie auf der Pressekonferenz und auch hier angekündigthaben, nämlich dass Sie die Mittel für densozialen Wohnungsbau über das Jahr 2013/2014 hinausgeben wollen, eine Verlängerung um nur ein Jahr beinhaltet.Sie haben gerade eben zur Frage der Zweckbindungausgeführt. Genau das Gegenteil steht in diesem Gesetzentwurfder Bundesregierung vom 6. Februar 2013.(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Hört! Hört!)Dort steht nichts von Zweckbindung. Im Gegenteil: DieZweckbindung für diesen Aufgabenbereich entfällt. Esbleibt nur die investive Zweckbindung.Jetzt möchte ich Sie fragen: Haben Sie in der Kabinettssitzunggeschlafen? Ist Ihnen das entgangen? Oderwollen Sie das jetzt verändern? Wenn Sie das verändernwollen, dann sagen Sie uns bitte, wann Sie diesen Gesetzentwurf– Ihren eigenen Gesetzentwurf – verändern!(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)(D)Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Lieber Herr Kollege, wenn wir solche Gesetze machen,dann machen wir sie nicht gegen die Länder, sondernmit den Ländern. Das ist mein Verständnis vonBundespolitik: nicht gegen, sondern mit den Ländern.Nun haben wir bei den Ländern eine gewisse Entwicklungder Mehrheitsverhältnisse.(Zurufe von der SPD: Oh! – Lothar Binding[Heidelberg] [SPD]: Bei bestimmten Ländern!)Wenn die konstruktive Haltung Oberhand behalten hätte,hätten wir hinsichtlich der seit etwa einem Jahr laufendenVerhandlungen über die Fortführung dieser Entflech-


27922 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Bundesminister Dr. Peter Ramsauer(A)tungsmittel – sie werden auch „Kompensationsmittel“ genannt– schon längst eine weiterführende Einigung; diehätte ich mir gewünscht. Diese Mittel betreffen nämlichnicht nur den Bereich des sozialen Wohnungsbaus– hierbei geht um Mittel in Höhe von 518 MillionenEuro, wie Sie wissen –, sondern sie dienen auch derHilfe für Länder beim Nahverkehr, beim Regionalverkehr.Darauf entfallen etwa 1,35 Milliarden Euro.Was wir jetzt getan haben, damit wir keine Zeit verlieren,ist, dass wir in einer Art Nothilfe für die Länderwenigstens für das Jahr 2014 Klarheit schaffen. Mitebensolcher Klarheit sage ich: Wir wollen, dass dieseMittel nicht nur für allgemein investive Zwecke, sondernfür den Wohnungsbau eingesetzt werden. Aber um so einemNothilfegesetz, so nenne ich es jetzt einmal, alleAngriffsflächen zu nehmen – ich sage das insbesonderemit Blick auf die Seite der SPD-Länder –, haben wir diesenGesetzentwurf so formuliert, damit wir Sicherheitund Gewissheit im Interesse aller 16 Bundesländer haben.(Sören Bartol [SPD]: Das ist doch plumpdahingesagt!)Wenigstens für das Jahr 2014 soll Klarheit geschaffenwerden, und diese Klarheit brauchen wir auch im Hinblickauf den Haushalt.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP – Lothar Binding [Heidelberg][SPD]: Ausrede, aber keine Erklärung!)reden, dann reden wir über Bauten, die mindestens50 Jahre funktionieren sollen. Insofern meine Frage:Warum wollen Sie nicht verbindlich vorschreiben, dassBarrierefreiheit herzustellen ist, wenn neu gebaut wird?(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)Wir sollten verhindern, dass neue Barrieren errichtetwerden, die dann mühselig und sehr, sehr teuer ausgemerztwerden müssen.Jedes Mal, wenn Sie reden, vergessen Sie diesen Begriff.Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dassSie das insgesamt nicht für wichtig erachten. Ich finde,das gehört mitten hinein in unsere Gesellschaft, nicht nurwegen der UN-Behindertenrechtskonvention. Das istauch im Interesse der Menschen, die älter werden, im Interesseder Menschen, die nicht so gut zu Fuß sind, undauch im Interesse von Kindern, die zum Beispiel durcheinen Aufzug viel leichter nach oben kommen als überlange, steile Treppen.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)(C)(B)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage desKollegen Seifert von der Fraktion Die Linke?Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Ja.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Bitte schön.(Zuruf von der SPD, an die LINKE gewandt:Verlängert doch nicht die Redezeit! – Gegenrufdes Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Ihrhabt es doch auch gemacht!)Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Ich nehme solche Zwischenfragen deswegen sehrgerne entgegen.(Sören Bartol [SPD]: Genau! Damit Ihre Märchenstundenoch ein bisschen länger geht!)Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE):Wollen wir erst einmal warten, ob Ihnen meine Fragegefällt, Herr Minister. Aber das ist ja nicht der entscheidendePunkt.Der entscheidende Punkt ist: Sie haben jetzt schoneine ganze Weile geredet. Wenn wir über WohnungsbauDr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Lieber Herr Kollege Seifert, Sie haben mir noch nichtzu Ende zugehört. Sie können es gar nicht erwarten.Danke, dass Sie mir die Gelegenheit geben, Ausführungenzum Thema „barrierefreies Bauen“ zu machen. Esgab noch nie eine Zeit in unserem Land, in der das Bundesbaurecht,die Länderbauordnungen und die kommunalenBausatzungen so intensiv behindertenfreundlichausgestaltet waren wie heute. Das ist eine großartige Errungenschaftbei Bund, Ländern und Gemeinden; dennBarrierefreiheit im privaten und vor allen Dingen im öffentlichenBau ist ein wesentlicher Bestandteil einer diskriminierungsfreienGesellschaft.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)Ich nenne ganz bewusst den öffentlichen Bau. Das bedeutetbeispielsweise bei der Bahn auch den sukzessivenUmbau zu barrierefreien Bahnhöfen. Das alles gehörtdazu. Vielleicht haben noch weitere Redner die Möglichkeit,diesen Aspekt aufzugreifen.Herr Präsident, ich fahre in meiner Rede fort. – Washaben wir uns vorgenommen? Vieles von dem, was wirbereits tun, ist angesprochen worden, zum Beispiel dieVerlängerung der Bereitstellung von Kompensationsmittelnfür die Länder – das ist eine Hilfe für die Länder –auch über das Jahr 2014 hinaus, über das hinaus, was wirjetzt für 2014 zunächst einmal gesetzlich regeln. Wirwerden des Weiteren nicht nur im Bereich des energetischgünstigen Bauens, sondern auch im Bereich deskostengünstigen Bauens neue Instrumente bei der Kreditanstaltfür Wiederaufbau schaffen. Hierzu laufen dieVerhandlungen.Ich greife jetzt noch einmal die Themen auf, die bereitseingangs meiner Rede zur Sprache kamen: Eigenheimzulageund degressive AfA. Wenn solche Instru-(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27923Bundesminister Dr. Peter Ramsauer(A)(B)mente abgeschafft werden, dann sieht man die Folgennicht im ersten oder zweiten Jahr nach der Abschaffung,sondern das hinterlässt erst im Laufe der Jahre gravierendeSpuren.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das Problem ist nicht die Eigenheimzulage!)Wir haben seit sechs, sieben Jahren Erfahrungen gesammelt.Ich bin froh darüber, dass alle immobilienwirtschaftlichenund wohnungswirtschaftlichen Verbändemeinen Vorschlag, den Vorschlag der Bundesregierungunterstützen, die Möglichkeiten, die sich im Bereich derdegressiven Abschreibung und im Bereich der Eigenheimzulagebieten, neu zu bewerten. Das sind Instrumente,die in die nächste Legislaturperiode hineinreichen.Es braucht seine Zeit, bis solche Entwicklungenwieder korrigiert werden.Lassen Sie mich noch einmal etwas zur Eigenheimzulagesagen. Diese ist genauso wertvoll wie der Wohn-Riester und dient auch der Eigentumsbildung. Die Eigentumsbildungim Immobilienbereich ist für mich eineder wertvollsten Arten der Altersvorsorge.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)Die Möglichkeit der degressiven Abschreibung wirdauch den Mietwohnungsbau beleben. Die entsprechendenInvestoren warten nur darauf.Meine sehr geehrten Damen und Herren, kurzfristigwirksam sind die Maßnahmen im Bereich des Wohngeldes.Wir schlagen vor, sowohl im Hinblick auf dieLeistungshöhe als auch auf die Miethöchstbeträge dieEntwicklungen bei den Kosten und Bestandsmietennachzuvollziehen. Der Freistaat Bayern wird in dennächsten Tagen im Bundesrat mit einem entsprechendenAntrag aktiv werden.Zusammengefasst: Wenn wir diese Instrumente wirksameinsetzen, dann sind wir gewiss, dass wir damitWohnraum in einer mittleren Frist von vier bis fünf Jahrenausreichend verfügbar machen, dass wir Wohnraumauch bezahlbar machen. Wohnraum muss erwerbbarsein. Die Baugrundstücke müssen bezahlbar sein. DasBauen als solches muss bezahlbar sein. Bezahlbar müssenauch die Mieten sein. Ich lade alle dazu ein, meinenVorschlägen für besseres und ausreichendes Wohnen inDeutschland zu folgen.Herzlichen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)sehe ich jetzt aber doch, dass der Wahlkampf seineSchatten vorauswirft(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Jetztwird’s sachlich! – Peter Götz [CDU/CSU]:Jetzt wird es richtig sachlich, ja!)und an dieser Stelle deutlich wird, dass wir von der Oppositiontatsächlich fit und reif sind, in den Wahlkampfeinzusteigen. Denn es sind vier Anträge zu verhandeln,aber von der Regierung ist da nichts. Offensichtlich willsie nichts falsch machen; deswegen tut sie nichts.(Beifall bei der LINKEN)Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition,auch mit dem von Ihnen vorgelegten zweiten Berichtüber die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft inDeutschland zeigen Sie, dass Sie ohne eigene Initiativenbleiben. Dieser Bericht liegt seit Oktober vor, und Siehaben es bis heute nicht geschafft, in irgendeiner Weiseetwas aus diesem Bericht herauszuziehen, um etwas imBereich Wohnungspolitik zu machen, obwohl der Berichtden Zustand des Marktes weit schlechter einschätztals der Bericht davor. Das zeugt also nicht gerade vonübergroßem Eifer oder gar von politischer Kreativität.Es wird also Zeit, dass endlich neu gewählt wird.(Beifall bei der LINKEN)Herr Minister, oder war etwa das, was Sie zum Beispielauf Ihrer vorgestrigen Pressekonferenz dargestellthaben, das Konzept der Regierung? Eben haben Sienoch einmal versucht, das Sammelsurium der Dinge, dieSie wieder aufwärmen wollen, hier vorzutragen, aberhaben bei der Wohnungspolitik die Frage der Zukunftsfähigkeitüberhaupt nicht im Auge.Worauf soll aber dieser Bericht, den Sie vorgelegt haben,eine Antwort sein? Auf die drängenden Fragen vonMillionen Mieterinnen und Mietern nach bezahlbaremWohnraum ganz bestimmt nicht! Schon der erste Berichtenthielt eine Reihe von kritischen Analysen und Empfehlungendazu, wie die Politik auf die sich abzeichnendenAnforderungen durch den demografischen Wandel,die Klimaveränderungen und die regionalstrukturellenVeränderungen in Deutschland reagieren sollte. Aber esstand leider ganz am Anfang des Berichtes auch derSatz: „Die Wohnungsversorgung in Deutschland ist gut.“Das war anscheinend der einzige Satz, den einige Fachpolitikerder CDU/CSU und der FDP zur Kenntnis genommenund vor allem auch auswendig gelernt hatten.(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIELINKE])(C)(D)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Heidrun Bluhm für die Fraktion DieLinke.(Beifall bei der LINKEN)Heidrun Bluhm (DIE LINKE):Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!Nachdem ich zunächst dachte, dass ich hier heuteMorgen den falschen Veranstaltungstermin erwischt habe,Nun aber steht dieser Satz im neuen Bericht von 2012nicht mehr, und das hat einen Grund: Die Wohnungsversorgungin Deutschland ist nicht gut. Sie war es auchschon zum Zeitpunkt der Erstellung des ersten Berichtesnicht. Die Tendenzen der Verknappung und Verteuerungvon Wohnraum in Ballungsgebieten, der Mangel an altersgerechten,barrierefreien und barrierearmen Wohnungensowie an energetisch saniertem Wohnraum warenauch schon damals deutlich spürbar und als drängendeAufgabenstellung und als große Herausforderung für


27924 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Heidrun Bluhm(A)(B)alle Akteure in der Politik und der Wohnungswirtschaftnicht mehr vom Tisch zu wischen.(Beifall bei der LINKEN)Die Bundesregierung hat das bestenfalls achselzuckendzur Kenntnis genommen. Offenbar wird auch der jetztvorliegende Bericht zur Immobilienwirtschaft das gleicheSchicksal erleiden und folgenlos in den Regierungsschubladenverschwinden. Es ist jedenfalls nicht erkennbar,dass die Regierung irgendwelche logischen Schlussfolgerungenaus ihren eigenen Berichten gezogen oderMaßnahmen ergriffen hätte, die den negativen Entwicklungenauf dem Wohnungsmarkt entgegenwirken. Dennseit Oktober 2012 ist nichts, aber auch gar nichts passiert.Herr Steinmeier, ich kann an Ihr Zitat anschließen.Sie sagten: „Aber da war nichts, und da ist nichts.“ Ichsage: Da kommt auch nichts.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)Was die Bundesregierung in dieser Legislaturperiodeauf dem Gebiet der Wohnungspolitik zuwege gebrachthat, ist das unsägliche Mietrechtsänderungsgesetz, dasnach fast vierjährigen Geburtswehen doch noch rechtzeitigvor dem Verfallsdatum dieser Regierung pflichtschuldigan die Besteller ausgeliefert wurde.(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Und im Bundesratdurchgewinkt wurde!)Dieses Gesetz – da stimme ich mit dem Antrag der SPD„Bezahlbare Mieten in Deutschland“ überein – musswieder vom Tisch.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)Das kann man nicht kosmetisch aufhübschen oder mitKorrekturen entschärfen: Das ganze Gesetz ist ebensounnötig wie schlecht gemacht, und es muss wieder verschwinden.Aber, meine Damen und Herren von derSPD, Sie hätten vielleicht ein bisschen mehr Courage zeigenund diese Gesetzesinitiative im Bundesrat wenigstensan den Vermittlungsausschuss überweisen sollen.(Beifall bei der LINKEN)Die Miet- und Wohnkosten laufen der Einkommensentwicklungdavon, und trotzdem wollen Sie von derSPD, dass die Bestandsmieten 3,75 Prozent im Jahr oderbei Wiedervermietung sogar um 10 Prozent steigen können.Das ist – anders als angekündigt – keine Mietpreisbremse,liebe SPD; das treibt die Schere zwischen Einkommenund Mieten weiter auseinander.Die möglichen Mietsteigerungen, wie Sie sie vorschlagen,liegen deutlich über der Inflationsrate und erstrecht weit über der Entwicklung der Realeinkommen.Ihre Vorschläge entlasten also die Mieterhaushalte nicht,sondern sie legitimieren die Mieterhöhung ohne jede Gegenleistung.Die Wohnungen sind in vier Jahren nichtum 15 Prozent größer geworden, und sie werden alleindurch Neuvermietung auch nicht um 10 Prozent besser.Wodurch sollten also diese Mieterhöhungen gerechtfertigtsein?(Beifall bei der LINKEN)Die Menschen in Deutschland, jedenfalls die, die Monatfür Monat sehen müssen, wie sie finanziell über dieRunden kommen – das betrifft nun einmal die allermeisten–, treibt die Sorge um, ob sie sich demnächst ihreWohnung noch leisten können. Wohnen in Deutschlandwird seit einigen Jahren immer teurer, und diese Tendenzhält weiter an.Die Ursachen sind vielfältig und regional differenziert.Steigende Bau- und Grundstückspreise spielen dabeiebenso eine Rolle wie Grund- und Grunderwerbsteuern;aber auch die unabwendbaren Erfordernisse derBarrierefreiheit oder des Klimaschutzes in Wohngebäudenführen zwangsläufig zu Kostensteigerungen.Im Kern aber liegt die Haupttriebkraft für den Anstiegder Wohnungsmieten im Auseinanderdriften von Angebotund Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt; einerseitsquantitativ, weil in Deutschland insgesamt in den letztenJahren viel zu wenige Wohnungen gebaut worden sind,und andererseits auch qualitativ, weil das, was gebautwurde, weder der finanziellen Leistungskraft der Haushaltenoch den grundlegend veränderten Wohnbedürfnissender Mieterinnen und Mieter entsprach.Herr Ramsauer, diese 250 000 Wohnungen, die Siemeinen, enthalten nicht den Begriff „sozial“, den nennenSie jedenfalls nicht. Ich fürchte, dass auch das wiederLuxuswohnungen werden sollen.Zusätzlich werden die Verwerfungen auf dem Wohnungsmarktin den letzten Jahren zunehmend durch dasmassive Auftreten nationaler und internationaler Finanzspekulantenverschärft, die Wohnungen lediglich als renditeträchtigeAnlageobjekte erwerben und verwertenwollen. Dazu sollten Sie alle einmal den vorgelegten Berichtder Enquete-Kommission aus NRW studieren. HerrSteinmeier, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, es sei keineKehrtwende notwendig. Hier wird beschrieben, dass estatsächlich jetzt endlich eine Kehrtwende geben muss.Vielleicht sollten Sie diesen Bericht, der erst zwei Tagealt ist, für sich erschließen.(C)(D)Der massenhafte Aufkauf von großen, ehemals öffentlichenoder betrieblichen Wohnungsbeständen durchFinanzinvestoren wächst sich zu einer Bedrohung für diegesamte Wohnungswirtschaft und natürlich zuerst fürdie betroffenen Mieterinnen und Mieter aus – und dasnicht nur in NRW, sondern vor allem insgesamt inDeutschland.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage desKollegen Mücke von der FDP?Heidrun Bluhm (DIE LINKE):Gern, ja.(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Aber jetzt keinen Elefanten darausmachen!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27925(A)(B)Jan Mücke (FDP):Frau Kollegin Bluhm, Sie haben gerade die große Privatisierungswellevon öffentlichen Wohnungsunternehmenangesprochen. Stimmen Sie mir zu, dass Ihre Parteiganz wesentlich mit dazu beigetragen hat? Beispielsweiseist in Berlin in Ihrer Regierungszeit, als Sie gemeinsammit der SPD diese Stadt regiert haben, dieGSW veräußert worden, die größte kommunale Wohnungsbaugesellschaft,die diese Stadt hatte.Stimmen Sie mir zu, dass die Linkspartei in meinerHeimatstadt Dresden zumindest zur Hälfte bei der Privatisierungder WOBA zugestimmt hat? Sind Sie mit mireiner Meinung, dass niemand mehr Wohnungen inDeutschland privatisiert hat als Linke, SPD und Grünezusammen?Ich will Sie daran erinnern, dass Herr Steinmeier, derhier vorhin(Thomas Oppermann [SPD]: Eine überzeugendeRede gehalten hat!)versucht hat, eine große Rede zu halten, als Chef desKanzleramts mit dafür verantwortlich gewesen ist, dassin Deutschland 200 000 Eisenbahnerwohnungen – Wohnungendes Bundes – privatisiert worden sind. StimmenSie mit mir überein, dass Herr Kollege Steinbrück als Finanzministermit dafür verantwortlich gewesen ist, dass86 000 Wohnungen der BfA privatisiert worden sind?Stimmen Sie mit mir überein, dass die grün-rote Landesregierungin Baden-Württemberg gerade eben 22 000Wohnungen der Landesbank Baden-Württemberg privatisierthat?Es ist doch doppelbödig, wenn Sie hier sagen, die Privatisierungenvon öffentlichem Wohnraum hätten zuMietpreissteigerungen geführt. Niemand hat mehr Wohnungenin Deutschland privatisiert als Sie alle drei zusammen.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU)bers auf Steuereinnahmen in Höhe von 50 MillionenEuro verzichtet.(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)Obendrein geht das zulasten der ostdeutschen Bundesländer,denen die Grunderwerbsteuer zugestanden hätte.Wie man sieht, hat die Bundesregierung nicht nurkein Konzept zur Eindämmung der Explosion der Mietpreise,sie befördert diese Entwicklung selbst: entwederdurch Nichtstun oder durch falsches Tun. Deshalb bringtdie Linke heute einen Antrag ein, mit dem wir einerseitsauf die aktuelle Entwicklung auf dem deutschen Wohnungsmarktreagieren, andererseits Vorschläge zur alternativenEntwicklung in der Wohnungswirtschaft vorlegenwollen.(Beifall bei der LINKEN)Wir wollen den akuten Auswüchsen bei der Entwicklungder Miet- und Wohnkosten durch ordnungspolitischeMaßnahmen schnell und wirksam begegnen. Wirwollen eine Perspektive entwickeln, mit der die Wohnungswirtschaftauf ihre eigentliche Funktion und gesellschaftlicheAufgabe zurückgeführt wird, nämlich diebedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbaren,barrierearmen bzw. barrierefreien und klimagerechtsanierten Wohnungen. Selbst das VerbändebündnisWohnungsbau, das heute tagt, fordert, diese Aufgabein Angriff zu nehmen.Zunächst geht es uns darum, dass auch bei der Vermietungvon Wohnraum, wie sonst überall in der Wirtschaft,das Prinzip von Leistung und Gegenleistung geltenmuss. Allein der Besitz einer Wohnung ist keineLeistung, die eine regelmäßige Erhöhung von Bestandsmietenrechtfertigt.(Beifall bei der LINKEN)Auch die Neu- oder Weitervermietung stellt keine Steigerungdes Gebrauchswertes der Wohnung dar.(Sebastian Körber [FDP]: Das sind jaVorstellungen!)Warum sollte also allein der Akt einer Neu- oder Weitervermietungeine Mietsteigerung von 10 oder 20 Prozentoder gar mehr erwirtschaften?(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)Wir wollen, dass nicht der Mangel an Wohnungen denPreis bestimmt, sondern der Gebrauchswert der Wohnung.Was die Linke fordert, ist also kein sozialistischesTeufelszeug, sondern konsequent marktwirtschaftlich.(Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner[Berlin] [FDP]: Es gibt keinen Bereich, wo esweniger Marktwirtschaft gibt als im Wohnungsbereich!)Wir schlagen deshalb entsprechende Veränderungen imBGB vor.(C)(D)Heidrun Bluhm (DIE LINKE):Herr Mücke, auf Ihre lange Frage eine ganz kurzeAntwort: Ja, die Analyse, die Sie vorgetragen haben, istrichtig. Aber die Linke hat aus diesen Fehlern gelernt.Vielleicht sollten Sie unsere Fehler nicht auch nochübernehmen.(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg.Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN])Allein, dass die Bundesregierung, obwohl der eingangszitierte Immobilienbericht davor warnt, dieserEntwicklung tatenlos zusieht, ist sträflich und mehr alsvorsätzlich. Dass sie sich aber selbst an derlei Geschäftenbeteiligt und dabei kreative Geschäftsmodelle zurVermeidung von Steuereinnahmen anwendet, ist einSkandal erster Güte. Wenn es stimmt, worüber Monitorin der vergangenen Woche berichtet hat, dann hat dasBundesfinanzministerium durch einen Share Deal beimVerkauf der TLG Wohnen GmbH zugunsten des Erwer-Ebenso verhält es sich mit dem Kompromissvorschlagzur Begrenzung der Modernisierungsumlage. Ichhabe bisher weder von der Regierungskoalition noch vonSPD und Grünen eine betriebswirtschaftliche Begrün-


27926 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Heidrun Bluhm(A)(B)dung für die Forderung nach einer 9- bzw. 11-prozentigenModernisierungsumlage gehört. Bei 11 Prozent habendie Mieterinnen und Mieter dem Vermieter nachneun Jahren die Investitionskosten bezahlt, bei 9 Prozentnach elf Jahren. Der Vermieter denkt aber nicht imTraum daran, die Mietsteigerung wieder zurückzunehmen,wenn die Modernisierungskosten vollständig zurückgeflossensind.(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Bei einemDrittel gibt es gar keine Mietsteigerungen!)Konsequenterweise müssten wir in Zukunft dafür sorgen,dass nur dann die Umlage der Modernisierungskostenerfolgen darf, wenn die Modernisierung der Wohnungmit einer entsprechenden Gebrauchswertsteigerungfür die Mieterinnen und Mieter verbunden ist, mindestensmit einer nennenswerten Einsparung bei den Nebenkosten.Das ist im Übrigen auch die Position des DeutschenMieterbundes; das will ich nebenbei erwähnen.Der Markt kann also nicht alles alleine leisten. Selbstder Chef des GdW sagt: Gerade dieser ist momentaneklatant überfordert.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.Heidrun Bluhm (DIE LINKE):Okay.Noch eine letzte Bemerkung zum sozialen Wohnungsbau.Es wird so getan, als ob die Regierung in Bezugauf die bis zu 250 000 fehlenden Wohnungen densozialen Wohnungsbau im Blick hat. Das ist nicht so.Hier geht es um normale bzw. Luxuswohnungen. Wirbrauchen mindestens 150 000 Wohnungen im Jahr, dieexplizit den Stempel des sozialen Wohnungsbaus tragen.Aber selbst das wird nicht ausreichen, um die Ziele, dieSie sich selbst gesteckt haben, zu erreichen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.Patrick Döring (FDP):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Es ist immer spannend, wenn die geschätzteKollegin Bluhm das Wort ergreift; denn niemand kenntsich so gut mit der sozialistischen Wohnraumpolitik wieauch mit der marktwirtschaftlichen Wohnraumpolitikaus.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das hat so einen Bart!)Sie selbst, liebe Kollegin, haben von den anwesendenKollegen wahrscheinlich den größten Immobilienbestandin Ihrer Heimatstadt. Ich gehe davon aus, dass Siesich genau so verhalten, wie Sie hier vorgetragen haben,und Ihren Mietern in den nächsten Jahren keine Mieterhöhungzumuten. Wenn Sie auf diese Weise Ihr Geschäftführen, wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)In diesen Tagen spielt das Thema Klartext eine großeRolle. Deswegen hätte ich mir schon gewünscht, dassder Kollege Steinmeier auf die Verwirrungen eingeht,die entstanden sind. Da er das nicht getan hat, will ichdas zumindest für die schwarz-gelbe Koalition machen.Wir wollen und wir werden keine Mehrwertsteuer aufMieten erheben. Bei uns denkt über so etwas niemandnach, anders als bei Ihnen, meine sehr verehrten Damenund Herren.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Sören Bartol [SPD]: Das ist so billig!)Wenn man die Reden von Frau Bluhm und HerrnSteinmeier hört, dann stellt man fest, dass sie übersehen,dass der Markt, über den wir sprechen, vor allen Dingendann funktioniert, wenn er möglichst wenig verunsichertwird.(Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)Sie tragen in den letzten Tagen und Wochen dazu bei,genau das zu tun. Eine Debatte über die Mehrwertsteuerpflichtbei Mieten ist das jüngste Beispiel. Davor habenSie begonnen, die Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümermit dem Thema „Vermögensteuer,Vermögensabgabe“ zu verwirren.Denn eines ist auch klar: Wenn Sie auf das Immobilienvermögender Deutschen 1,5 Prozent Vermögensteuerunabhängig vom Ertrag erheben, dann werden diese1,5 Prozent nicht die Hauseigentümer bezahlen, sonderndie Mieterinnen und Mieter. Es ist das größte Mieterhöhungsprogramm,das dieses Haus je gesehen hat, meineDamen und Herren.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Ich bin auch irritiert, wie leichtfüßig Sie hier über dieangeblichen Versäumnisse dieser Koalition sprechen.Wir haben das Mietrecht modernisiert.(Lachen des Abg. Florian Pronold [SPD])(C)(D)Heidrun Bluhm (DIE LINKE):Der letzte Satz. Mit der Flickschusterei, die eigentlichschon Politikverweigerung ist, wird weder der Wohnungsmangelin Ballungsräumen überwunden, nochwerden die Mieten gebremst.Herzlichen Dank.(Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Den hätten Sie auchnoch weglassen können!)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat Patrick Döring für die FDP-Fraktion.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Wir haben in diesem Haus mit großer Mehrheit festgehalten,dass die energetische Sanierung von Wohnraumsowohl den Mieterinnen und Mietern als auch


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27927Patrick Döring(A)unseren Klimaschutzzielen als auch der Qualität desWohnungsbestandes in Deutschland dienlich ist.Deshalb haben wir Schwierigkeiten, den Bedarf zu decken,meine sehr verehrten Damen und Herren.(C)(B)(Sören Bartol [SPD]: Sie haben die sozialeBalance zerstört, nichts anderes!)Dass das alle so sehen wie wir, erkennen wir daran,dass alle sozialdemokratisch regierten Bundesländer, lieberKollege Bartol, im Bundesrat unserem Gesetz zugestimmthaben. Bauen Sie hier doch nicht einen solchenPopanz auf!(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Dann kommen Sie mit dem wunderbaren ThemaMietpreisdeckelung. Meine sehr verehrten Damen undHerren, die Wohnungsmärkte in Deutschland sind differenziert.Es gibt Städte, in denen die Mieten steigen, esgibt sehr viele Gegenden in Deutschland, in denen dieMieten stagnieren. Wenn wir aber wollen, dass hochwertigerWohnraum in den Ballungsräumen, in denen Wohnungsnotherrscht, erhalten bleibt und entsteht, werdenwir das ganz sicher nicht erreichen, indem wir den Investorensagen: Geld verdienen dürft ihr mit diesenWohnungen aber nicht mehr. – Sie erreichen eine Verschärfungder Wohnungsnot mit Ihren steuerpolitischenProgrammen statt eine Erleichterung, meine sehr verehrtenDamen und Herren.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufevon der SPD)In keinem Bundesland ist die Grunderwerbsteuer sohoch wie in denen, die von Sozialdemokraten regiertwerden.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Hessen 5 Prozent!)Auch diese zahlen am Ende nicht die Vermieter, sondernimmer die Mieterinnen und Mieter. Sie verteuern Wohnungseigentumund Wohnungsentwicklung in diesemLand, meine sehr verehrten Damen und Herren.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufvon der FDP: Genau so ist das!)14,5 Millionen vermietete Wohnungen gehören Vermietern,die weniger als drei Wohnungen in ihrem Bestandhaben. Sie gehören den Mittelständlern und Handwerksmeistern,die ihre Altersversorgung ein Stück weitüber die Vermietung von einer, zwei oder drei Wohnungenorganisieren.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sieden Eindruck haben, nur noch die ganz Großen in dieserRepublik könnten die Wohnungsnot bekämpfen, nurnoch die großen kommunalen Wohnungsbauunternehmenoder gar der Bund, dann liegen Sie falsch.Die Abschaffung der degressiven AfA in Zeiten derGroßen Koalition hat das Investitionsvolumen verringertund hat die Bereitschaft von vermögenden Privatpersonen,in diesem Bereich zu investieren, leider vermindert.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: AproposHotelmehrwertsteuersatz! Denken Sie malüber die Funktion von degressiver AfA nach!)Ganz interessant ist, dass Sie in Ihrem Konzept auchdie Zweckbindung der Bundesmittel für die sozialeWohnraumförderung einfordern.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ja!)Da haben Sie vorhin versucht, dem BundesministerRamsauer den Vorwurf zu machen, er habe in den vomBundeskabinett verabschiedeten Gesetzentwurf dieseZweckbindung nicht hineingeschrieben. Nun erlaube ichmir den Hinweis: Wenn man unser Grundgesetz ein bisschenkennt, weiß man, dass das alles schon in Art. 143 cdes Grundgesetzes steht. Die sozialdemokratisch regiertenLänder verstoßen gegen diese Regelung jeden Tag inDeutschland, gegen unser Grundgesetz. Das ist dieWahrheit.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Sören Bartol [SPD]: Ihr habt einen schlechtenGesetzentwurf gemacht!)Soziale Wohnraumförderung ist nicht „Unser Dorfsoll schöner werden“, soziale Wohnraumförderung istnicht die Tilgung von Altschulden, wie sie hier in Berlinerfolgt, und soziale Wohnraumförderung ist übrigensauch nicht die Übernahme von Personalkosten, die vorherwoanders gestanden haben, wie das überall in denvon Ihnen regierten Bundesländern passiert. Ihre Ministerpräsidentenverstoßen gegen Art. 143 c GG. Deshalbbrauchen wir kein neues Gesetz, meine sehr verehrtenDamen und Herren. Das ist leider die Wahrheit.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Nun werden immer wieder wortreich die Stadtentwicklungsprogrammeangesprochen. Da wird der Eindruckerweckt, als ob durch die Stadtentwicklungsprogrammpolitikdieser Koalition die Wohnungsnot inDeutschland verschärft worden wäre. Auch diesbezüglichrate ich zum Abrüsten. Das Wohnungsbauprogramm„Die soziale Stadt“ und viele andere haben ihre Berechtigungund werden von uns ja auch weiter finanziert.(Sören Bartol [SPD]: Ha! Du bist doch derTotengräber der sozialen Stadt!)Aber anders als Sie, die Sie seit dem Ende der 90er-Jahreimmer nur die gleichen Programme fortführen wollen,haben wir eine Fortentwicklung unserer Stadtentwicklungsprogrammevorgenommen. Für uns spielt die energetischeSanierung, die Sie im Bundesrat leider blockierthaben, nämlich eine große Rolle. Deshalb haben wir siezum Schwerpunkt unserer Stadtentwicklungsprogrammpolitikgemacht, ganz zu Recht.(D)(Sören Bartol [SPD]: So ein Quatsch! Das istdie Gießkanne!)(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)


27928 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage desKollegen Bartol?Patrick Döring (FDP):Er erhält gleich ja noch das Wort. Deshalb werde ichdie letzten 30 Sekunden meiner Redezeit quasi zum Abbindenverwenden. Ich weiß ja auch, was kommt. LieberKollege Bartol – das gilt auch für alle anderen Kollegen –,Sie können mir nicht vorwerfen, wir hätten einen Kahlschlagbei unseren Stadtentwicklungsprogrammen vorgenommen.(Thomas Oppermann [SPD]: Doch! – Sören Bartol[SPD]: Nimm die Zwischenfrage an!)Wir haben moderat umgesteuert und eines deutlich gemacht:Klimaschutz ist ein extrem wichtiges Thema. Siewaren nicht bereit, im Bundesrat die steuerliche Absetzbarkeitvon Klimaschutzinvestitionen zu ermöglichen.(Sören Bartol [SPD]: Lass die Zwischenfragezu!)Sie sind die Blockierer in diesem Bereich, nicht wir.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Daniela Wagner für die FraktionBündnis 90/Die Grünen.Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Guten Morgen, Herr Minister! Es ist ausgesprochen erfreulich,dass die Debatte über die Bezahlbarkeit desWohnens in Deutschland immer mehr an Fahrt gewinnt,und zwar so sehr, dass durch die zügige Fahrt sogar unserWohnungsminister aufgewacht ist.(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)Wir warnen seit mindestens drei Jahren vor den drohendenProblemen auf unseren Wohnungsmärkten. Ihreeigenen Berichte bestätigen nun schriftlich das, was jedersieht, der mit offenen Augen durch unsere Städtegeht. Ihr Wohnungs- und Immobilienwirtschaftsberichtsagt: Seit 2006 nimmt sogar die Zahl der Landkreise mitsteigenden Mieten zu, also keineswegs nur die Zahl derStädte.Aktuell zeichnen sich in einer zunehmenden Zahlvon Städten und Regionen lange Zeit nicht mehrbekannte Wohnungsmarktengpässe ab.So steht es in Ihrem Bericht. Die höchsten Mietpreissteigerungenim Jahr 2011 waren zu verzeichnen in Berlin – plus7,5 Prozent –, in Bremen – plus 8,8 Prozent –, in Hamburg– plus 7,5 Prozent –, in Freiburg – plus 8,4 Prozent –und in Greifswald, wo die Mietpreissteigerung sogar10,4 Prozent betrug. Also auch kleinere Städte weiseneine deutliche Mietpreissteigerung auf. Das gilt nicht nurfür die klassischen Boomregionen.Aber nicht nur die Mieten steigen, liebe Kolleginnenund Kollegen und Herr Minister, auch die Kosten fürHeizung und Warmwasser nehmen zu. Herr Minister, Sielieben es ja, immer nur über den Strom zu reden. Das habenSie mit vielen Medien gemeinsam. Aber hören Siesich diese Zahlen einmal an: Ungefähr 12 MillionenHaushalte in Deutschland heizen mit Heizöl. In den letztenzehn Jahren stiegen die Preise für Heizöl um153 Prozent. Nach einer Studie, die wir in Auftrag gegebenhaben, werden sich die Kosten bei einer durchschnittlichgedämmten Wohnung von 945 Euro im Jahr2012 auf 1 932 Euro am Ende des kommenden Jahrzehntserhöhen. Das entspricht pro Monat einer Steigerungvon 79 Euro auf 161 Euro. Das stellt die Steigerungbei den Strompreisen, von denen alle immer reden, beiweitem in den Schatten.Herr Minister, wir warnen seit Jahren vor den drohendenKonflikten. Wir haben Ihnen schon vor zwei Jahrenein gutes Konzept vorgelegt, ein Gesamtkonzept zur Sicherungder Bezahlbarkeit von energetisch und qualitativhochwertigem Wohnraum.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Und wo geistern Sie herum? Sie kürzen den Heizkostenzuschussbeim Wohngeld, kürzen die Mittel für dasKfW-Programm für die energetische Gebäudesanierung,um sie dann wieder leicht anzuheben, stellen die Finanzierungauf wackelige Beine – das war atemberaubend –und verkaufen das dann auch noch als Erfolg. Sie kürzenbei den Städtebauförderprogrammen und zerstören sieinhaltlich mutwillig. Ich sage nur: „Kopftuchmädchen“und Bibliotheken – das brauchen wir alles nicht. Dassind Ihre Worte, Herr Döring von der FDP. Sie habendieses Programm materiell zerstört. Sie legen in dieserEngpasssituation, in der Mieter sowieso die schwächerePartei sind, dreist eine Mietrechtsnovelle vor, mit der unterdem Vorwand der Energiewende Mieterrechte ungerechtfertigtund völlig unnötig eingeschränkt werden.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)Jetzt, im Vorfeld der bayerischen Landtagswahl undder Bundestagswahl, kommt Herr Ramsauer – er hatjetzt nach drei Jahren im Kabinett ausgeschlafen – undwill das Wohngeld an die Mietpreise anpassen.Sogar die Eigenheimzulage will er wieder einführen.Dabei vergisst er vollkommen, dass sie in der Form, inder sie damals abgeschafft wurde, überhaupt nicht mehrzeitgemäß ist.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD sowie bei Abgeordneten derLINKEN – Sören Bartol [SPD]: Gießkanne!)Wir brauchen keine Einfamilienhäuser auf der grünenWiese. Wir brauchen eine Innenentwicklung in denStädten. So muss Wohnraum geschaffen werden. Das,was Sie machen wollen, entspricht im Grunde genommendem Gießkannenprinzip, das Sie jetzt, ganz wenigeMonate vor den Wahlen, plötzlich wieder gut finden.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27929Daniela Wagner(A)(B)Die soziale Wohnraumförderung soll weiter durchden Bund finanziert werden. Dabei vergessen Sie – dasist hier heute schon vorgetragen worden –, dass dieZweckbindung selbstverständlich bestehen bleibenmuss, dass deren Einhaltung auch kontrolliert und dassdie Fördermittel gegebenenfalls zurückgezahlt werdenmüssen.Herr Minister, weswegen haben Sie eigentlich Ihregesamte Amtszeit verschlafen? Was können denn Ihrepotenziellen Wählerinnen und Wähler von Ihnen erwarten?(Thomas Oppermann [SPD]: Nichts!)Die haben in den letzten drei Jahren doch gelernt, dassnichts, aber auch rein gar nichts von all dem Angekündigtendurchgesetzt und umgesetzt wird und dass das,was gemacht wird, auch noch in die völlig falsche Richtungläuft. Sie, Herr Minister, haben leider Gottes IhrenJob komplett verpennt.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)Meine Damen und Herren, Sie können weder uns, dieOpposition, noch die Wählerinnen und Wähler für völligblöde verkaufen. So einfach lassen wir Ihnen das nichtdurchgehen, auch nicht Ihr ewiges Gerede von der steuerlichenEntlastung. Die wäre selbstverständlich richtiggewesen. Hätten Sie doch den Ländern ein passablesAngebot gemacht! Dann hätten wir heute die steuerlicheEntlastung bei der energetischen Gebäudesanierung.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU:Scheinheilig!)Wir haben schon vor zwei Jahren ein umfassendesKonzept vorgelegt. Wir waren also frühzeitig dran. Wirsind froh, dass die SPD heute hier mit einem Antragerscheint, dessen Inhalt mit unseren Vorstellungen weitgehendübereinstimmt.Am meisten freut mich persönlich, dass Sie, liebeKolleginnen und Kollegen in der SPD, sogar das Bestellerprinzipbei den Maklerkosten von uns übernommenhaben.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Das haben Sie noch vor zwei Jahren zu meinem großenUnverständnis abgelehnt. Diese Initiative – das möchteich an dieser Stelle schon sagen; ein bisschen Redlichkeitmuss auch so kurz vor den Wahlen sein – wurde vonuns auf den Weg gebracht und von sonst gar niemandem.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Ansonsten fordern Sie eine generelle Begrenzung vonMieterhöhungen bei der Wiedervermietung auf 10 Prozentüber der ortsüblichen Vergleichsmiete, was auch derMieterbund fordert. Wir halten das für einen interessantenVorschlag.Wir haben allerdings – das habe ich schon im Ausschussgesagt – noch ein bisschen mit der Verfassungsmäßigkeitzu kämpfen; wir sind uns nicht sicher, ob das wirklichgeht. Wenn das tatsächlich geht, ohne dass es verfassungsrechtlichproblematisch ist, dann sind wir für einegenerelle Begrenzung offen. Wir hatten stattdessenvorgeschlagen, die Länder zu ermächtigen, Mietpreisbegrenzungendort auf zehn Jahre befristet einzuführen,wo tatsächlich ein extremer Wohnraummangel herrscht.Aber darüber lässt sich sicherlich in späteren Koalitionsgesprächenreden.Das Gleiche gilt für die Modernisierungsumlage. Diewollen Sie – wie wir – von 11 auf 9 Prozent absenken,und Sie wollen prüfen, ob man sie beschränken kann. Ichfinde den Beschränkungsvorschlag gar nicht schlecht,warne allerdings vor einer Illusion: Bei einem Markt mithoher Mieterfluktuation, also häufigen Mieterwechseln,haben nicht diejenigen Mieter, denen Sie diesen Vorteileinräumen, am Ende den Benefit von dieser neuen Regelung,sondern ganz andere Mietparteien. Unter Umständenmuss man auch hier in Sachen Realitätstauglichkeitnoch einmal gegen den Strich bürsten, meine Damenund Herren. Denn wir reden immerhin von Refinanzierungszeiträumenvon rund zehn Jahren. Das muss aufverfassungsfeste Füße gestellt werden.Wir wollen, dass die Mieterinnen und Mieter grundsätzlichnur das dulden und bezahlen müssen, wovon sieeinen tatsächlichen Nutzen haben. Wir wollen energetischeSanierungen sowie altersgerechten und barrierefreienUmbau. Darauf wollen wir die Modernisierungsumlagebeschränken. Sie soll nicht mehr irgendwelchenKäse und Schnickschnack umfassen, den irgendwer vielleichtgerade gut findet. Wir wollen die Modernisierungsumlageauf die Dinge beschränken, die für qualitätsvolles,sozial ausgewogenes Wohnen, aber auch fürökologische Angemessenheit – Stichwort „energetischguter Zustand“ – notwendig sind.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie des Abg. Dr. Frank-Walter Steinmeier[SPD])Wir haben mit unseren Vorschlägen gezeigt, dassKlima- und Mieterschutz zusammen gedacht werdenkönnen und müssen. Deswegen ist unser Konzept füreine sozial gerechte Umsetzung der Energiewende – lassenSie mich das zum Schluss noch sagen – ganz entscheidendfür ihren Erfolg. Denn hier werden 40 Prozentder Endenergie verbraucht.Wir wollen zielgruppengerechte Förderinstrumentefür Eigentümer und Vermieter sowie mietrechtliche undbaurechtliche Änderungen, damit die energetischen Sanierungennicht zu Verdrängungen führen. Ich denkehier an Milieuschutzsatzungen. Kollegin Herlitzius hattevorhin nachgefragt und wiederum keine Antwort bekommen;so ist es meistens bei Ihrem Minister.(Patrick Döring [FDP]: Noch mehr Bevormundung!Damit bevormunden Sie die Leute nurweiter!)(C)(D)(Sebastian Körber [FDP]: Ein Investitionsverhinderungsvorschlag!)Wir wollen, dass es möglich ist, die Mieten in bestimmtenQuartieren, in denen die Mieten davongaloppieren,


27930 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Daniela Wagner(A)(B)wieder zu begrenzen, damit energetische Gebäudesanierungnicht zu Gentrifizierung führt und eine soziale undgute Mischung in den Wohnquartieren erhalten bleibt.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Wir wollen die Klimakomponenten beim Wohngeldsowie bei den Kosten der Unterkunft wieder einführen.Das alles dient einem Zweck: einem vernünftigen Wohnungsmarkt,der die Rechte und Pflichten fair verteiltund der auch in finanzieller Hinsicht fair mit Mieternund Vermietern umgeht. Das ist unser Ziel. Ich denke,nach dem 22. September werden wir die Chance haben,unsere wohnungspolitischen Vorstellungen hier gemeinsamumzusetzen.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Peter Götz für die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Peter Götz (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dasswir heute über die Lage am Wohnungsmarkt debattieren.Das Thema ist zu Recht auf der politischen Agenda. InDeutschland lebt und wohnt man eigentlich gerne, undWohnen – der Minister hat es vorhin gesagt – gehört zuden Grundbedürfnissen der Menschen. Dieses Thema istfür Polemik nicht geeignet. Es muss mit Sorgfalt behandeltwerden.(Sören Bartol [SPD]: Sagt das mal der CSU!)Der Wohnungsmarkt entwickelt sich differenziert. Esgibt sowohl Wohnungsknappheit – das ist richtig – alsauch nach wie vor große Leerstände in Deutschland.Daraus leitet sich in bestimmten Ballungsräumen sachlicherHandlungsbedarf ab. Aber es gibt keinen Anlass fürNotstandsmaßnahmen. Eine Atmosphäre des Angstmachenswäre nach Lage der Dinge daher unverantwortlich.Wenn wir über Wohnungsknappheit in Ballungsräumenreden, Herr Kollege Steinmeier, so muss ich sagen,dass man diese nicht mit Strafen, nicht mit Mietendeckelungbekämpfen sollte, sondern mit Wohnungsneubau.Wenn Sie die Menschen dafür bestrafen, dass sie neubauen, dann werden sie es einfach nicht tun. Der Berichtüber die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, über denwir unter anderem debattieren, unterstreicht die großevolkswirtschaftliche Bedeutung der Wohnungs- undImmobilienwirtschaft in unserem Land und in der EuropäischenUnion sowie ihren Anteil an der Wertschöpfunghier in Deutschland.Wir haben nach wie vor einen attraktiven WohnungsundImmobilienmarkt. Im Gegensatz zu der Situation invielen anderen Ländern um uns herum gehen von derWohnungs- und Immobilienwirtschaft gerade in Zeitender internationalen Finanzmarktkrise stabilisierende Einflüsseaus. Der Grund liegt in der soliden Finanzierungvon Immobilieninvestitionen in Deutschland. Die immerwieder befürchtete Immobilienblase ist weit und breitnicht in Sicht. Allerdings stellen wir fest, dass die Scherezwischen Angebot von und Nachfrage nach Wohnraumregional sehr unterschiedlich betrachtet werden muss.Dies gilt es genau zu untersuchen.Ich danke dem Bundesminister Dr. Peter Ramsauerund seinen Mitarbeitern im Bundesministerium für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung sowie im Bundesinstitutfür Bau-, Stadt- und Raumforschung für den vorgelegtenumfangreichen Bericht. Auch aus den immobilienwirtschaftlichenVerbänden erreicht uns keine Kritik, sondernLob für die Qualität dieses Berichts.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Der Bericht ist richtig gut! Die Politiknicht, aber der Bericht ist gut!)Er ist eine gute regierungsamtliche Grundlage für einesachgerechte Debatte über die Weiterentwicklung derWohnungspolitik. Wir wollen im Ausschuss sachlichdarüber diskutieren und dazu auch die Expertise derwohnungs- und immobilienwirtschaftlichen Verbändeeinholen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Staat kann aufallen Ebenen – Bund, Länder und Gemeinden – positivEinfluss auf die Entwicklungen am Wohnungsmarktnehmen, ohne marktwirtschaftliche Prinzipien infrage zustellen. CDU und CSU sind in ihrer Regierungszeit aufBundesebene dieser Verantwortung stets gerecht geworden.Es gibt erfolgreiche Instrumente, die in der Vergangenheitbereits ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellthaben. Für Menschen mit niedrigem Einkommen ist dasWohngeld ein zielgenaues und treffsicheres Instrument,um angemessen wohnen zu können. Wir sollten es, wieBundesminister Dr. Ramsauer vorgeschlagen hat, an diePreisentwicklung anpassen. Ich bin gespannt, wie sichdie Länder zu der geplanten Wohngelderhöhung positionierenwerden,(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)ob wir das gleiche Desaster erleben, wie wir es bei derenergetischen Gebäudesanierung erlebt haben; dort gabes über eineinhalb Jahre eine Blockade.Wir brauchen in Zukunft wieder eine steuerliche Förderungdes Wohnungsbaus; dazu gehört selbstverständlichgerade die degressive Abschreibung, von der vorhingesprochen wurde. Diese Maßnahmen waren in der Vergangenheitsehr erfolgreich, und wir sollten sie wiederaufnehmen.Herr Kollege Steinmeier, Sie sagten, in der Wohnungspolitiksei nichts passiert. Ich denke, Sie solltensich zunächst die Fakten anschauen. Mit der Föderalismusreform,die wir gemeinsam beschlossen haben,haben die Länder die Verantwortung für den sozialenWohnungsbau übernommen. Die Länder wollten es so.Wir haben sie ihnen nicht aufs Auge gedrückt; sie wolltenes so, und das ist in der Sache auch richtig. Der Bundbelohnt dies mit jährlich 518 Millionen Euro. Das heißt(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27931Peter Götz(A)konkret: Die Wohnungsbauförderung ist seit der Föderalismusreformim Jahr 2007 Aufgabe der Länder.Etwas ernüchternd sind jedoch die Ergebnisse.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Da haben Sie recht! Aber wie soll mansie dazu zwingen?)Wenn Sie von einem Kahlschlag im Wohnungsbaureden, Herr Kollege Steinmeier, sollten Sie zur Kenntnisnehmen, dass nur drei von 16 Ländern seit der Föderalismusreformkontinuierlich Wohnraumförderung betriebenhaben, wie Herr Axel Gedaschko, der Präsident desBundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen,heute Morgen um 8 Uhr – einige Kolleginnenund Kollegen waren dabei – deutlich zum Ausdruckgebracht hat.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Zu den Ländern, die aktive Wohnungspolitik betriebenhaben, gehört zweifelsohne Bayern; auch das ist gesagtworden.(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: NRW!)– Langsam; darauf komme ich noch, Frau Kollegin. –Andere Länder haben mit dem Geld des Bundes lediglichlandeseigene Verpflichtungen aus früheren Maßnahmenabfinanziert, aber nicht in neue Sozialwohnungeninvestiert.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Genau! Zum Beispiel das CDUregierteHessen!)Dazu gehört zum Beispiel das Land Berlin, in dem wiruns befinden.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Und Hessen!)Nur einige wenige Zahlen zur Wohnungsbauförderungin Nordrhein-Westfalen: 2009 und 2010 wurde dafür1 Milliarde Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt.2012 waren es gerade noch 550 Millionen Euro,(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: 800!)also etwas mehr als die Hälfte.(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Nein, 800! Das ist nicht richtig!)Also, Herr Kollege Steinmeier: Wenn Sie irgendwo ansetzenwollen – hier haben Sie die Gelegenheit dazu.Tun Sie etwas in den Ländern, in denen Sie Regierungsverantwortungtragen.(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)Auch Sie sind für die Wohnraumförderung zuständig.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Lassen Sie mich noch etwas sagen: Wenn es um dieFortsetzung der Bundeszahlungen zur Förderung sozialenWohnraums geht – auch darüber wurde gesprochen;der Kollege Bartol hat die Diskussion über das Entflechtungsgesetzvorhin angesprochen –, dann muss auchüber eine Pflicht zur detaillierten Berichterstattung gesprochenwerden. Mehr Transparenz muss die Basis derkünftigen Politik sein. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruchdarauf, den Ländern bei der Wahrnehmung ihrerVerantwortung für die Förderung sozialen Wohnraumskonkret auf die Finger zu klopfen.Ein Weiteres kommt hinzu: Die Beseitigung vonWohnraummangel kann nur in enger Zusammenarbeitmit den Kommunen vor Ort gelingen.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das stimmt!)Vor allem die Ballungsräume sind gefordert, geeignetesBauland auszuweisen; denn ohne Bauland gibt es auchkeinen Neubau. Ich meine damit nicht Bauland auf dergrünen Wiese. Es gibt nach wie vor große Brachflächenin den Städten, die einer Wiedernutzung zugeführt werdenkönnten.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: So ist es!)Im Rahmen der anstehenden Novellierung des Bau- undPlanungsrechts wollen wir diesem Anliegen durch eineweitere Stärkung der Innenentwicklung in den Städtenzusätzlich Rechnung tragen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Ein weiterer Gedanke: Es lohnt sich auch, über denErwerb oder die Verlängerung auslaufender Belegungsbindungenbei Sozialwohnungen nachzudenken, um derBevölkerungsgruppe mit niedrigem Einkommen preiswertenWohnraum anbieten zu können.Die Wohnungs- und Städtebaupolitik der Bundesregierungund der Koalition von CDU/CSU und FDP istgut aufgestellt. Mit dem Ausbau der Förderung der energetischenGebäudesanierung, Verzicht auf Zwangssanierungenund der Garantie der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotswurden gute Rahmenbedingungen fürdie preisverträgliche Sanierung von Wohnungsbestandgeschaffen. Davon profitieren alle: Mieter und Eigenheimbesitzer.Wir verfolgen die Absicht, die Eigenheimrente zuvereinfachen, damit sich noch mehr Bürger den Traumvom eigenen Haus oder von der eigenen Wohnung verwirklichenkönnen.Wir haben mit dem in dieser Woche von BundesministerRamsauer vorgestellten Vorschlagskatalog einenklaren Kompass dafür, wie auf die aktuellen Entwicklungenauf dem Wohnungsmarkt reagiert werdensoll. Länder und Kommunen sind aufgefordert, ebenfallsihren Beitrag dazu zu leisten.Herzlichen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)(C)(B)(D)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Ingo Egloff für die SPD-Fraktion.(Beifall bei der SPD)


27932 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)Ingo Egloff (SPD):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich glaube, es ist jetzt das sechste Mal in denletzten Monaten, dass wir hier im Bundestag über diesenThemenkomplex diskutieren. Das ist auch gut so; dennwir Sozialdemokraten werden dieses Thema hier solange behandeln, bis sich an der sozialen Schieflage aufdem Wohnungssektor in diesem Lande etwas geänderthat, und zwar zum Besseren.(Beifall bei der SPD)Ich finde es sehr positiv, dass der Minister heute wenigstensbei dieser Debatte anwesend war. Ich hätte mirallerdings gewünscht, dass er hier konkret vorgetragenhätte, zu welchen Ergebnissen er nach drei Jahren Nachdenkensin seinem Ministerium gekommen ist.(Beifall bei der SPD)Mich beschleicht nach der Rede des Ministers das Gefühl,dass ihm die 80 Ortsumgehungen in Bayern immernoch wichtiger sind als die 21 Millionen Mieter in diesemLand.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Statt die Problemlage anzugehen, dass es Familien inDeutschland gibt, die 40 Prozent und mehr ihres Einkommensfür Wohnung und für das Wohnen ausgebenmüssen, hat die Regierung die Lage mit dem Mietrechtsänderungsgesetzvom Dezember 2012 zulasten der Mieternoch verschlimmert.Wir haben heute Morgen bei dem Frühstück der Wohnungsbauverbändegehört, dass sich diese 40-Prozent-Grenze bis in die mittleren Einkommensschichten hineinverschiebt. Das ist eine soziale Schieflage, die wir in diesemLand nicht tolerieren dürfen.(Beifall bei der SPD)Es ist die Chance vertan worden, beim Mietrechtsänderungsgesetzüber diese Frage zu diskutieren und diesesProblem in Angriff zu nehmen. Was haben Sie gemacht?Sie haben die Mietminderung für drei Monate bei derenergetischen Gebäudesanierung ausgeschlossen; damithaben Sie das Äquivalenzprinzip von Leistung und Gegenleistungbeim Mietrecht aufgehoben. Sie haben diefristlose Kündigung bei Zahlungsverzug bei der Mietkautionund die Räumung im einstweiligen Verfügungsverfahreneingeführt, um das vermeintliche Problem derMietnomaden zu lösen. Das alles sind Punkte, die zulastendes Mieters gehen, aber keine Lösung für das Problemder Mieterhöhung in Ballungszentren und dasProblem, wie die Kosten der energetischen Gebäudesanierunggerecht zu verteilen sind, darstellen.(Sebastian Körber [FDP]: Sie haben das wohlnicht gelesen!)– Ich habe es gelesen und habe es verstanden. Aber Siehaben keine Ahnung, Herr Kollege; das ist das Problem.(Beifall bei der SPD sowie der Abg. DanielaWagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])Der Minister stellt sich hierhin und sagt: Wir habendoch bei der Kappungsgrenze etwas gemacht. – Aberdas ist eine Mogelpackung, weil das nur bei den BestandsmietenWirkung zeigt. In dieser Frage haben Ihnensämtliche Presseorgane dieses Landes mitgeteilt, dasssie nicht auf Sie hereinfallen. Sie lösen das Problemschlicht und ergreifend nicht, weil Sie die Frage derNeuvermietung nicht angehen. Dazu haben wir den Vorschlagmit den maximal 10 Prozent Mieterhöhung beiWiedervermietung gemacht. Wir sind ja bereit, überdiese Zahl zu diskutieren. Wenn Sie sagen, Sie wolltendas Problem angehen, dann diskutieren Sie doch mit denLändern Berlin und Hamburg. Die haben im Bundesrateine Initiative eingebracht, bei der sie es über § 5 Wirtschaftsstrafgesetzregeln wollen. Wir können uns auchüber 20 Prozent unterhalten. Aber Sie müssen endlichmal rangehen, diese Probleme zu lösen. Das tun Sienicht, das wollen Sie nicht.(Beifall bei der SPD)Kollegin Wagner hat auf die Mietsteigerungen in Ballungszentrenim letzten Jahr hingewiesen. Wenn man dabeidie letzten fünf Jahre betrachtet, dann sind dies28 Prozent in Berlin, 23 Prozent in Hamburg, 16 Prozentin München, wo das Niveau eh schon hoch ist. Was solleneigentlich eine Krankenschwester oder ein Polizistvon der Äußerung eines Bundesbauministers halten, dersagt: „Eigentlich haben wir kein Wohnungsproblem inDeutschland“? Was nutzt es dieser Krankenschwester,dass in Cottbus eine Wohnung leer steht,(Beifall bei Abgeordneten der SPD)wenn sie in München zu vertretbaren Konditionen keineWohnung mehr findet?Ich denke, dass der Bundestag dieses Problem endlichangehen muss. Diese Regierung wird nicht in der Lagesein, das zu tun; deswegen ist es gut, wenn sie abgewähltwird und die 21 Millionen Mieter nach dem 22. Septembermit einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierungendlich eine anständige Mietenpolitik in diesemLand erleben.Vielen Dank.(Beifall bei der SPD)(C)(B)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Sebastian Körber für die FDP-Fraktion.(Beifall bei Abgeordneten der FDP und derCDU/CSU)Sebastian Körber (FDP):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir haben es heute bereits mehrfach gehört:Wohnungsbau ist das Gebot der Stunde. Ich brauche dieAnalyse nicht zu wiederholen: Wir brauchen in den Ballungsgebietenund Universitätsstädten dringend neueWohnungen.(D)Allerdings: Zusätzliche Belastungen der Investorenund der Wohnungsbaugesellschaften bewirken das Ge-


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27933Sebastian Körber(A)(B)genteil des Gewollten und verschärfen sogar noch denDruck auf die Mieter, die Sie unterstützen zu wollen vorgeben.Herr Kollege Egloff, Herr Kollege Steinmeier, ichglaube, wir brauchen uns nur einmal anschauen, was da,wo die SPD die Verantwortung trägt, passiert. Schauenwir einmal nach Berlin – Sie regieren dort ja auch –:Hier sind die Mittel dafür, dass neue Wohnungen gebautwerden, nicht einmal richtig aufgewandt worden. Oderschauen wir einmal nach München: Dort gibt es einenOberbürgermeister, der hinter seinem eigenen Ziel, neueWohnungen zu schaffen, zurückbleibt.Das Einzige, was Sie an Vorschlägen bringen, sindMietpreisdeckelungen, neue Verordnungen, Vorschriftenund Regulierungen. Wenn das der rot-grüne Vorschlagfür mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland seinsoll, dann wird dadurch nur eines erreicht: dass baldüberhaupt niemand mehr Lust hat, in Deutschland zu investierenund zu bauen.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Der Kanzlerkandidat der SPD hat den Plenarsaalgleich wieder verlassen; so wichtig scheint ihm diesesThema also nicht zu sein.(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Bei Ihnenist ja nicht mal der Fraktionsvorsitzendeda! – Weiterer Zuruf von der SPD: Der Kanzlerinist es auch nicht wichtig!)Das Einzige, was Rot-Grün an konkreter Politik gemachthat: Sie haben die Abschreibungsmöglichkeitenbei der energetischen Sanierung im Bundesrat blockiert,verhindert; die Grünen ganz vorne mit dabei. Was habenSie dadurch erreicht? Weniger Klimaschutz, weniger Investitionenund auch weniger Sanierungen. Wenn diesesThema den Grünen so wichtig ist, dann verstehe ichnicht, warum Herr Kretschmann – er ist ja mittlerweileMinisterpräsident in Baden-Württemberg – sich da enthaltenhat.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Schwarz-Gelb bekennt sich ausdrücklich zur energetischenSanierung und hat sofort konkret reagiert: Wir habensofort 300 Millionen Euro mehr KfW-Mittel bereitgestellt.Aus den Ländern ist dazu selbstverständlichüberhaupt nichts gekommen.(Sören Bartol [SPD]: Was macht euer EKF?)Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einpaar Ausführungen zum Mietrecht. Wir hätten keine Ahnung,haben Sie gerade behauptet, Herr Kollege Egloff.Vielleicht hätten Sie den Bericht vorher einmal lesen sollen.Ich kann Ihnen gern zwei Punkte daraus benennen:Das Mietrecht ist in der Tat sozial ausgewogen, weilnämlich die mietrechtlichen Maßnahmen, die wir jetzteinsetzen, auch wirklich schneller und konkreter wirken.Sie sehen Mietnomaden als kein Problem an. DerDurchschnittsvermieter in diesem Land hat nur ein,zwei, drei Wohnungen, und die sind für ihn vielleicht einwichtiger Beitrag zur Altersvorsorge. Mietnomaden könnenihn wirtschaftlich ruinieren. Vielleicht sollten Siesich einmal damit auseinandersetzen, was da für Kostenauflaufen können, liebe Kolleginnen und Kollegen geradevon der SPD.Wir berücksichtigen sehr wohl mehr Mieterschutz:Das unsägliche Münchener Modell wird jetzt nicht mehrso einfach möglich sein. Wir verhindern hier ganz konkretLuxussanierungen. Das ist doch ein Mieterschutz,über den sich sogar der Kollege Egloff – wenn er aufpassenwürde – freuen könnte.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Ich will Ihnen noch die eine oder andere weitere Maßnahmedarlegen, die wir jetzt andenken. Wir brauchenweitere Förderungen und Anreize. Dazu gehört eine degressiveAfA gerade für die angespannten Teilmärkte.Sie haben daran mitgewirkt, dass sie wieder ausgesetztwird. Um Anreize zu setzen, müssen wir gerade dortganz gezielt wieder eine degressive AfA einführen; daswäre außerordentlich hilfreich. Das würde etwa auchden Studenten nützen.Es ist bereits angesprochen worden, meine sehr verehrtenDamen und Herren: Wichtig ist natürlich auch,dass die Kommunen ausreichend Bauland zur Verfügungstellen. Schauen wir uns einmal die Städte an: München– dort regiert ja Christian Ude für die SPD – hängt deneigenen Zielen hinterher. In München wird dazu überhauptnichts beigetragen: Die Baulücken werden nichtbesonders aktiviert, und auch bei den Konversionsflächen,die zur Verfügung gestellt werden könnten, wirdnichts gemacht. Auch zur Umnutzung von etwa 2,5 MillionenQuadratmetern Gewerbeflächen, die in Münchenleer stehen, weisen Sie nicht schneller Bauland aus.Überall dort, wo SPD und Grüne in der Verantwortungsind, ducken Sie sich bei all den Themen, über dieSie hier was erzählen, nämlich ganz schnell weg.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Kommen Sie mal nach Darmstadt! –Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Oder nach NRW!)Das sollten Sie den Kolleginnen und Kollegen in denLändern und insbesondere auch in den Städten undKommunen, die die Planungshoheit noch immer innehaben,auch einmal sagen. Wo kein Bauland ist, kann mannichts bauen. Dann machen Sie mal was!(C)(D)(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU – Daniela Wagner [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir!)Aber der grüne Bevormundungsstaat lässt ja grüßen.Das, was wir in Berlin wieder zur Kenntnis nehmendurften, ist ja eine wahre Pracht. Ein Bezirksbürgermeisterin Friedrichshain-Kreuzberg möchte jetzt noch weiterbevormunden und ins Eigentum der Menschen eingreifen.Er will dort gegen Luxus vorgehen(Zuruf von der SPD: Guter Mann!)


27934 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Sebastian Körber(A)(B)und verbieten, dass es in den Wohnungen Einbauküchen,die dort in den 30er-Jahren eingeführt worden sind, einzweites WC – für eine Familie mit vier Kindern ist es javielleicht durchaus nett, wenn man das hat – und einenBalkon über 4 Quadratmeter gibt, auf dem man gemeinsamfrühstücken kann. Nein, das alles will er nicht. Dasist Luxus; das verbieten wir.Bevormunden, Verordnungen, Regelungen: Das istdas, was Sie ganz konkret vor Ort machen und umsetzen.Das ist grundfalsch.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU – Bettina Herlitzius [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist Ihre Antwort?Was schlagen Sie denn vor?)Ich komme jetzt zu einem Ihrer populistischen Vorschläge,die Sie hier jetzt wieder machen: zur Deckelungbei der Neuvermietung. Bei Neuvermietungen soll dieMiete um nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichenVergleichsmiete liegen dürfen. Sie müssen es auchwirklich so benennen, wie es ist. Herr Steinbrück hat dasso vorgeschlagen.Das Einzige, was Sie damit erreichen, ist, dass dannüberhaupt niemand mehr etwas baut, weil man nicht einmalmehr eine Reinvestition erzielen kann. Eine Wohnungwird nämlich nicht einfach so gebaut. Der Wertverlustdurch Abnutzung muss irgendwann wiederwettgemacht werden.Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich noch einmaleine Lanze für die privaten Vermieter in diesem Landbrechen, die Sie ja alle pauschal als Miethaie hinstellen –die Makler sowieso. Das kann ich einfach überhauptnicht akzeptieren.Zu den Themen „Wohnungseigentum“, „Wohnriester“,„ländlicher Raum“ sagen Sie gar nichts, nichts! Das bedeutetIhnen anscheinend überhaupt nichts mehr.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kollegen! Bezahlbarer Wohnraum undauch ein ausgewogenes Mietrecht sind wichtige Themen,weil sie die Menschen existenziell betreffen. Geradeweil das so wichtige Themen sind, bedauere ich– das muss ich schon sagen –, wie die SPD hier an dieseThemen herangeht. Wenn man Ihren Antrag liest, dannkann man nämlich eigentlich nur zu einem Schluss kommen:Sie machen hier mit diesem Antrag Wahlkampfund nichts sonst.Gucken Sie sich nur einmal die Rhetorik und dieWorte an, die Sie dort wählen! Sie sprechen dort von einer„Explosion der Mieten“ und einem „Angriff auf das… Mietrecht“.(Sören Bartol [SPD]: Richtig! – IrisGleicke [SPD]: Genau das!)Wer in einem solchen Antrag eine solche Rhetorikverwendet und solche Worte wählt, dem geht es ganz offensichtlichnicht mehr um eine sachliche Debatte, sondernum Wahlkampf, und damit diskreditieren Sie sich,meine lieben Damen und Herren von der SPD.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Es geht ja noch weiter. Anstatt eine sachliche Debattezu führen, werden die Mieter in unserem Land ganz gezieltdesinformiert. Sie versuchen, die Menschen zu verunsichernund Ängste zu schüren, um daraus politischesKapital zu schlagen.(Ingo Egloff [SPD]: Das merkt man an Ihnen,Herr Kollege!)Sie behaupten in Ihrem Antrag an einer Vielzahl vonStellen einfach Dinge, die schlichtweg falsch oder bereitsgeltendes Recht sind. Ich finde, das, was Sie vonder SPD hier machen, ist unredlich.(Beifall des Abg. Sebastian Körber [FDP])Nehmen wir das Beispiel Kündigung. Sie sagen: EinVermieter soll nur dann kündigen dürfen, wenn einePflichtverletzung des Mieters vorliegt, wenn Eigenbedarfangemeldet wird oder wenn ein Eigentümer seineWohnung wirtschaftlich verwerten will. – Ja, so soll essein. Genau das ist ja in § 573 Abs. 2 BGB geregelt. Ichsage nur: Ein Blick ins Gesetz fördert manchmal dieRechtsfindung.Sie versuchen hier, den Eindruck zu erwecken, Vermieterkönnten die Mieter einfach mir nichts, dir nichtsauf die Straße setzen, und das ist schlichtweg falsch.(Beifall bei der CDU/CSU)(C)(D)Sebastian Körber (FDP):Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gilt, dieHerausforderungen „bezahlbarer Wohnraum“, „Klimawandel“und „demografischer Wandel“ vor Ort anzupacken.Dort müssen alle zusammenwirken.Ich glaube, ich konnte aufzeigen, dass Sie das dort,wo Sie Verantwortung tragen, nicht tun. Der beste Mieterschutzist ausreichend bezahlbarer Wohnraum. LassenSie uns doch daran arbeiten, und wenden Sie sich besserdem zu, was wir Ihnen vorschlagen!Vielen Dank.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Jan-Marco Luczak für die CDU/CSU-Fraktion.Lassen Sie mich noch ein weiteres Beispiel nennen:In Bezug auf die Umlage der Modernisierungskosten– das ist ja schon in der Debatte zwei-, dreimal genanntworden – sagen Sie, dass die nicht rückzahlbaren Förderungenaus öffentlichen Mitteln nicht umlagefähig seinsollten. Ja, selbstverständlich. Kein Eigentümer soll För-


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27935Dr. Jan-Marco Luczak(A)dergelder erhalten, für Modernisierungen ausgeben undsich dann Kosten, die er selbst gar nicht getragen hat,von den Mietern zurückholen. Deswegen sagt ja auchder geltende § 559 a BGB: Drittmittel, die der Vermietererhalten hat, müssen aus den Kosten der Modernisierungherausgerechnet werden.Hier versuchen Sie ganz offensichtlich, die Leute fürdumm zu verkaufen, indem Sie Dinge fordern, die längstgeltendes Recht sind. Entweder Sie machen das hier bewusst,oder Ihnen fehlt es schlicht an Sachkenntnis. Beidesfinde ich ziemlich peinlich, meine Damen und Herren.(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg.Sebastian Körber [FDP])Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Werter Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage einesKollegen der CDU/CSU-Fraktion?Deswegen haben wir gesagt: Wir wollen die Mieterschützen; wir wollen, dass die Mieten dort nicht mehr sostark steigen. Deswegen haben wir gesagt: Wir reduzierendie Kappungsgrenze, also die Möglichkeit, die Mieteum den entsprechenden Prozentwert der ortsüblichenVergleichsmiete zu erhöhen, von 20 auf 15 Prozent.Aber wir sagen eben auch: Das soll zielgenau erfolgenund nicht flächendeckend eingeführt werden, weil dieSituation der Wohnungsmärkte in unserem Land sehrunterschiedlich ist. Es gibt einzelne Gebiete, wo es sogarsinkende Mieten gibt. In den neuen Bundesländern, aufdem platten Land gibt es großen Wohnungsleerstand.Wenn man hier eine Einheitsregelung treffen würde, diealles über einen Kamm schert – das ist ja immer das, wasSPD und Grüne wollen: immer alles gleichbehandeln,immer alles gleichmachen –,(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Das schadet dort nicht!)würde man an dieser Stelle nur den Mietern schaden.Das führt uns nicht weiter.Vielen Dank noch einmal für die Frage. Das hat mirGelegenheit gegeben, zwei, drei Punkte auszuführen.Ich will aber noch einige Punkte nicht nur dazu sagen,was Sie fordern, obwohl es bereits geltendes Recht ist.Man muss sich nämlich auch einmal anschauen, wasIhre Forderungen wirtschaftlich bedeuten. Dann wirdman sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, dass vielesvon dem, was Sie hier fordern, im Endeffekt sogar kontraproduktivist, weil Sie nämlich die wirtschaftlichenRealitäten nicht anerkennen.Ich nehme einmal als Beispiel – das ist mir sehr wichtig–, dass wir bei den Ursachen ansetzen und nicht alleindie Symptome bekämpfen wollen. Denn steigendeMieten sind ja letztlich nur ein Symptom dafür, dass wirin unserem Land zu wenig Wohnungsneubau haben. Damüssen wir natürlich die Frage stellen: Wie bekommenwir denn mehr Wohnungsbau? Da ist es wichtig, sich zuvergewissern: Wer baut denn in unserem Land Wohnungen?Das sind nämlich nicht die großen Gesellschaften,sondern das sind die privaten Eigentümer. 60 Prozent derWohnungen in unserem Land sind von privaten Eigentümerngebaut worden. Das ist der Handwerksmeister, derum die 60 Jahre alt ist, der zwei, drei Wohnungen als privateAltersvorsorge hat. Da müssen wir immer daraufachten: Wir müssen einen entsprechenden rechtlichenund politischen Rahmen setzen, damit sich Investitionenin den Wohnungsbau auch zukünftig noch lohnen. Dennsonst baut nämlich keiner mehr Wohnungen.(C)(B)Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):Sehr gern.(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Des KollegenJarzombek!)Thomas Jarzombek (CDU/CSU):Danke, Herr Präsident.(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Da ist ja Bildungsunterricht hier!)Herr Kollege Luczak, ich habe noch eine Frage dazu.Nach dem, was der Kollege von der SPD hier vorher allesan Kritik an der Mietrechtsnovelle geübt hat: Wiekommt es eigentlich, dass der rot-grün dominierte Bundesratdem dann so zugestimmt hat?Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):Das ist eine sehr gute Frage. Denn wenn uns hier imBundestag die Opposition vorwirft, dass wir mit demMietrechtsänderungsgesetz Mieterrechte schleifen würden,dann muss man einmal im Detail sagen, wo wir anvielen Stellen in diesem Gesetz Mieterrechte verbesserthaben. Das gilt zum Beispiel beim Kündigungsschutz,wenn Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandeltwerden. Das Münchener Modell ist hier jaschon angesprochen worden. Das wird es in Zukunftnicht mehr geben.Oder ich weise auf das Wärme-Contracting hin, diegewerbliche Wärmelieferung. Dort ist es bislang möglich,dass Verträge zulasten Dritter, nämlich zulasten derMieter, geschlossen werden, dass Vermieter auf die gewerblicheWärmelieferung umstellen und die Kosteneinfach auf die Mieter umlegen – mit erheblichen Kostensteigerungen.Das wird es zukünftig nicht mehr geben.Es wird keine Gewinne auf Kosten der Mieter geben,weil das zukünftig kostenneutral sein muss.Oder ein anderes Beispiel: die Kappungsgrenzen. Dahaben wir gesagt: Wir schauen uns die Situation in unseremLand an. Natürlich, es gibt einen erheblichen Mietenanstiegin einzelnen Teilen unseres Landes, in Ballungszentren,in großen Städten, in Universitätsstädten.Da ist es dann schon wichtig, sich einmal die durchschnittlicheRendite beim Wohnungsbau anzuschauen.Sie tun ja immer so, als würden hier 10, 20 Prozent Renditeerzielt. Die durchschnittliche Rendite beim Wohnungsbauliegt bei etwas über 2 Prozent. Jetzt kann mansich ja sehr schnell vorstellen, was passieren würde,wenn wir auch noch die Mieten bei Neuverträgen deckelnund bei der Kappungsgrenze flächendeckend heruntergehenwürden. Das würde dazu führen, dass wir inunserem Land überhaupt keinen Wohnungsbau mehr haben.Weniger Wohnungen bedeutet weniger Angebot,(D)


27936 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Jan-Marco Luczak(A)und weniger Angebot bedeutet steigende Preise. MeineDamen und Herren, das ist das Einmaleins der Volkswirtschaft.Das sollte man schon kennen, wenn man solcheAnträge schreibt.(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg.Sebastian Körber [FDP])Ich komme zum letzten Punkt. Sie machen nicht nurVorschläge, die mittelfristig für die Mieter sogar kontraproduktivsind und zu weniger Wohnungen führen, sodasssich die Wohnungsknappheit verstärkt.(Sören Bartol [SPD]: Wir wollen nicht wenigerWohnungen! Sie müssen beide Anträge lesen,Herr Kollege!)Sie wollen auch die Eigentümer schlechterstellen, Stichwort„Mietnomaden“.(Beifall bei der SPD)Eine Lüge wird auch durch Wiederholung nicht wahr.Die rot-grün geführten Länder haben nicht im Bundesratzugestimmt. Fakt ist dagegen, dass wir bei der Mietrechtsnovelleim Bundesrat noch keine Mehrheit für dieAnrufung des Vermittlungsausschusses hatten,(Iris Gleicke [SPD]: So war es!)weil die neue niedersächsische Landesregierung nochnicht im Amt war. Das ist die Wahrheit. Was Sie hierdarstellen, ist eine glatte Lüge.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Ich finde es spannend, Herr Kollege Körber, festzustellen,dass jemand an unterschiedlichen Stellen unterschiedlichredet. Hier haben Sie behauptet, die vorgelegteMietrechtsreform sei sozial ausgewogen. Icherinnere Sie an Ihre Aussage im zuständigen Verkehrsausschussim Dezember letzten Jahres. Da haben Siesich gefreut und wortwörtlich gesagt: Endlich wiedereine eigentümer- und vermieterfreundliche Mietrechtsänderung!– Was ist es denn nun? Ist es sozial ausgewogen,oder ist es – wie richtig dargestellt worden ist – einAnschlag auf die Rechte der Mieterinnen und Mieter?Tatsächlich ist deren Rechtsposition verschlechtert worden.Nichts anderes ist hier Fakt.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Lesen Sie unsere Anträge! Wir müssen die Bundesregierungauffordern, wieder für soziale Ausgewogenheitzu sorgen, und zwar nicht deswegen, weil uns das ebenerst eingefallen ist, sondern weil wir die Bilanz der letztendreieinhalb Jahre Tätigkeit bzw. Untätigkeit diesesBundesbauministers gezogen haben. Wer hat denn dieMittel für die Städtebauförderung um über 100 MillionenEuro gekürzt? Wer war denn das? Das waren dochSie. Ich finde es spannend, dass Sie sich hier hingestelltund gesagt haben: Es tut uns leid, dass wir die Mittel fürdie Städtebauförderung kürzen mussten, aber das Geldist einfach nicht da. Diese 100 Millionen Euro sind imBundeshaushalt nicht mehr zu finden. – Aber dann kündigenSie ein milliardenschweres Programm für dienächste Wahlperiode an, mit dem Sie den Wohnungsbauankurbeln wollen. Wer soll Ihnen das glauben, HerrRamsauer?(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Keiner!)In dieser Wahlperiode haben Sie noch nicht einmal100 Millionen Euro für die Städtebauförderung, aber inder nächsten sollen dann die Milliarden vom Himmelfallen. Das, was hier stattfindet, ist doch Lug und Trugauf offener Bühne.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Martin Burkert [SPD]: TypischCSU!)(C)(B)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):Sie wollen den momentanen unhaltbaren Zustand,dass Eigentümer bis zu zwei Jahre klagen müssen, bissie ihre Wohnung wiederhaben, offenbar fortschreiben;denn Sie wollen das effiziente Instrumentarium, das wirmit dem Mietrechtsänderungsgesetz endlich eingeführthaben, abschaffen. Sie sollten sich genau überlegen, obSie mit solchen Forderungen in den Wahlkampf ziehenwollen. Den vielen Eigentümern, die wir für eine Steigerungdes Wohnungsbaus brauchen, werden Sie damit sicherlichkeinen Gefallen tun.Vielen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Florian Pronold für die SPD-Fraktion.(Beifall bei der SPD)Florian Pronold (SPD):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sie haben gerade behauptet: Der Blick ins Gesetzbucherleichtert die Rechtsfindung. – Es würde auchbei den Vorwürfen, die Sie uns gegenüber erheben, helfen,wenn Sie vorher lesen würden. Erstens, zum ThemaNeubau, das Sie angesprochen haben. Die SPD fordertnicht, dass bei jeder Neuvermietung die Mieterhöhungauf maximal 10 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmietebegrenzt wird. Das steht übrigens im wohnungspolitischenProgramm der CSU, das gerade erst veröffentlichtwurde. Dahin müssen Sie sich also mit IhrerKritik wenden. Wir gehen von der Wiedervermietungaus. Das ist ein ganz entscheidender Unterschied. Selbstverständlichwollen wir beim Neubau nicht bremsen.Aber es geht um die Wiedervermietung und darum, dasshier nicht Extraprofite auf Kosten derjenigen gemachtwerden, die dringend auf bezahlbaren Wohnraum angewiesensind.Nun zu den 518 Millionen Euro. Jawohl, die Föderalismusreformsieht vor, dass die soziale Wohnraumförderungin die Zuständigkeit der Länder fällt. In IhremKoalitionsvertrag ist zu lesen, dass Sie bis zur Mitte der(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27937Florian Pronold(A)(B)Legislaturperiode über die Höhe und die Fortführung derEntflechtungsmittel entscheiden wollen. Bis zur Mittedieser Legislaturperiode war noch nichts entschieden. Erstkürzlich, im Dezember, ist entschieden worden, und zwar– anders als Sie hier gesagt haben, Herr Ramsauer – ebennicht bis zum Ende des Förderzeitraums, sondern nur fürdas nächste Jahr.Es sind nicht die Zweckbindungen in Ihrem Gesetzentwurfenthalten, die wir alle hier in diesem Haus wollen.Das ist die Wahrheit und nichts anderes. TäuschenSie doch nicht vorsätzlich die Öffentlichkeit!(Beifall bei der SPD)Ich finde es spannend, was alles an neuen Vorschlägen,an neuen Ideen und Förderungen kommt. Gerade istangesprochen worden, dass man die knappen Mittel zielgenaueinsetzen muss. Was bedeutet denn die Reaktivierungder Eigenheimzulage? Das ist doch eine Förderungmit der Gießkanne.Ich bin jemand, der selten Kolleginnen und Kollegender Regierungsfraktionen lobt. Ich muss aber den KollegenDirk Fischer, der nachher noch reden wird, ausdrücklichausnehmen und explizit loben. Er hat eine Bewertungdes Programms abgegeben, das Herr Ramsauerentgegen allem, was er bisher gemacht hat, in dieser Wochevorgelegt hat. Herr Fischer schreibt: Was der Verkehrsministervorgelegt hat, ist ein Feuerwerk für denWohnungsneubau.(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Wenn allemitmachen!)Ich finde, das ist ein sehr treffender Vergleich für eineexplodierende Luftnummer, lieber Kollege; denn dahintersteckt überhaupt nichts.(Beifall bei der SPD)Wer nicht 110 Millionen Euro für die Städtebauförderunghat, aber Milliarden für die nächste Wahlperiodeankündigt, der ist wirklich arm dran. Ich muss Ihnen sagen:Die Mieterinnen und Mieter in diesem Land erwartenkeinen Ankündigungsminister.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Pyrotechniker!)Die Mieterinnen und Mieter erwarten auch keinen Feuerwerker.Sie erwarten eine Regierung, die endlich dafürsorgt, dass Wohnen bezahlbar bleibt. Wir werden abSeptember dieses Jahres dafür Sorge tragen.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)wahl die Verantwortung haben. Es wird mir schlecht,wenn ich daran denke, wie sich die Situation auf dem gesamtenWohnungsmarkt dann darstellen würde.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Eine Supersache! – Bettina Herlitzius[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine „Katastrophe“!)Ja, es stimmt, die Nettokaltmieten sind gestiegen, inden letzten zehn Jahren im Schnitt um 1,1 Prozent. Ja, esstimmt, die Lebenshaltungskosten sind um 1,6 Prozentgestiegen. Ja, es stimmt, dass wir unterschiedliche Wohnungsmärktehaben und dass wir in letzter Zeit hoheMietpreissteigerungen gerade in den Großstädten, in denMetropolkernen und in den Studentenstädten zu verzeichnenhatten.Es ist aber etwas ganz Normales, dass es im WohnungsmarktZyklen gibt. In der Regel haben wir übersieben bis acht Jahre hinweg einen erhöhten Wohnungsbedarf.Dann haben wir wieder einen Überschuss anWohnungen.Auf diesem Markt muss investiert werden. Menschen,die investieren, möchten auch gern ein Reinvest haben.Sonst machen sie das nicht. Deswegen ist es wichtig,dass wir jetzt darüber reden, wie wir mit diesem Themaumgehen, damit Menschen investieren, damit es inDeutschland nie wieder zu einer Wohnungsnot kommt.Wohnungsnot hatten wir Anfang der 90er-Jahre. Das istuns allen noch sehr schmerzhaft in Erinnerung.Wir haben das Problem, dass die Neubautätigkeit inletzter Zeit enorm zurückgegangen ist. Die SPD machtnun Vorschläge, wie man den Neubau ankurbeln könnte,aber nicht durch die Zurverfügungstellung von Bauland,durch viel Geld in den Ländern, sondern durch Vorschriften.Das ist das, was Ihnen einfällt.Was haben uns aber heute Morgen die Verbände insStammbuch geschrieben? Was haben sie dazu gesagt,dass wir zurzeit keinen Wohnungsbau im erforderlichenMaße haben? Sie haben gesagt: In der Vergangenheit habensich wichtige Investoren aus dem Markt für bezahlbarenWohnraum zurückgezogen; sie sind kaum nochaktiv. Auch die Wohnungsbaugenossenschaften habendas getan.Der technische und organisatorische Aufwand beimBauen ist immer weiter gestiegen. Das liegt auch daran,dass wir von politischer Seite aus Maßnahmen der energetischenSanierung in den Vordergrund stellen und dasbarrierefreie Bauen fördern wollen. All diese Maßnahmenlassen Investoren – –(Sören Bartol [SPD]: Was ihr aber alles wollt!Machen, machen, machen!)– Die Investoren müssen das machen, lieber Kollege.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Aber wir setzen Rahmenbedingungen!)(C)(D)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Gero Storjohann für die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Gero Storjohann (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Man bewahre uns davor, dass eintritt, was Siesich wünschen, dass Sie nach der nächsten Bundestags-Die Investoren können aber auch entscheiden, esnicht zu machen. Nun stellt sich die Frage, welche Signalewir vonseiten der Politik aussenden, damit Investorenes zukünftig machen.


27938 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Gero Storjohann(A)(B)Das Bauen wird zunehmend teurer, und es wird immerschwieriger, günstigen Wohnraum am Markt zurVerfügung zu stellen. Deswegen brauchen wir die Länder,die über ihre Wohnungsbauprogramme sehr vielGeld in die Hand nehmen, um das Problem anzugehen.Wohnungsknappheit wird nicht durch regulatorischeMaßnahmen behoben – das ist meine feste Überzeugung–, sondern nur durch Angebotserweiterung. Deswegenist es angesichts des sensiblen Marktes, in demwir uns befinden, wichtig, dass die SPD von ihren Vorschlägenwieder abrückt. Das, was Sie vorschlagen, läuftgenau in die falsche Richtung.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wir haben enorm steigende Nebenkosten. Für denVerbraucher, für den Mieter, ist natürlich die Gesamtmieteentscheidend. Sie ist in den letzten Jahren enormgestiegen; aber die Nettokaltmiete ist in den vergangenenzehn Jahren ziemlich konstant geblieben. Das gehört,glaube ich, auch zur Wahrheit.(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das stimmt doch überhaupt nicht!Völliger Unsinn! Das ist falsch! – BettinaHerlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Die Kaltmieten sind gestiegen!)Wenn die Situation am Wohnungsmarkt nicht besserwird, wenn wir den hohen Nebenkosten nicht entgegenwirken,dann werden die Mieter und nicht die Investorendas spüren. Also: Ein ausreichendes Wohnungsangebotist Voraussetzung für erschwingliche Mieten. Wir wollendie Mieter vor überzogenen steigenden Mieten schützen.Die SPD schlägt nun vor – Herr Pronold hat das nocheinmal betont –, bei Wiedervermietung eine Mieterhöhungvon maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmietevornehmen zu dürfen. Konkret: Jemand hateine Eigentumswohnung finanziert, erhebt eine Mietevon vielleicht 10 Euro pro Quadratmeter, während dieortsübliche Miete 8 Euro pro Quadratmeter beträgt.Nach einem Jahr zieht ihm aufgrund der Fluktuation derMieter aus. Er hat eigentlich langfristig kalkuliert, darfdann aber nur noch 8,80 Euro an Miete nehmen.(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Vielleicht bleibt der Mieter ja länger?)Angesichts einer maximal erzielbaren Rendite von4 Prozent ist sein Geschäftsmodell in diesem Augenblicknatürlich nicht mehr viel wert. – Vor diesemHintergrund überlegen sich viele, ob sie da einsteigen.Deshalb: Nehmen Sie Ihren Vorschlag zurück! Er istkontraproduktiv für den deutschen Wohnungsmarkt. Erverunsichert die Leute.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Sie möchten den Berechnungszeitraum bei der ortsüblichenVergleichsmiete von vier auf zehn Jahre ausweiten.Sie möchten bei energetischen Sanierungensichergestellt sehen, dass nur effiziente Maßnahmendurchgeführt werden. Auch das bedeutet: Es muss kontrolliertwerden; es muss reguliert werden. Das sindDinge, die das Bauen nicht attraktiver machen. Außerdemmöchten Sie die Umlage der Modernisierungskostenvon 11 auf 9 Prozent reduzieren. Das alles sindMaßnahmen, die dem Markt nicht dienen.Mein Eindruck ist: Die SPD will die Rendite beimWohnungsbau unter die Rendite der DB bei Stuttgart 21drücken. Was kritisiert die SPD da nicht alles! Aber dieRendite der Eigentümer soll bei 0,02 Prozent, wennnicht sogar im Minusbereich liegen.(Florian Pronold [SPD]: Vergleichen Sie dochnicht Äpfel mit Birnen!)Das, glaube ich, ist nicht Ihr Wille.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.Gero Storjohann (CDU/CSU):Meine Damen und Herren, wichtiges Thema heute:Die SPD muss ihre Anträge zurücknehmen; dann geht esdem Wohnungsmarkt viel besser.(Lachen bei Abgeordneten der SPD)Wir danken dem Minister für seinen hervorragendenBericht und werden ihn in seiner weiteren Politik gerneunterstützen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Florian Pronold [SPD]: Da müssen Sie ja selberlachen!)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Letzter Redner in dieser Debatte ist Kollege DirkFischer für die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU):Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen undKollegen! Ich hatte von dem hamburgischen KollegenEgloff eigentlich erwartet, dass er jetzt in der Logik seinerAusführungen den Mietern der 140 000 städtischenWohnungen in Hamburg die erfreuliche Mitteilungmachen würde, dass der Bürgermeister Scholz das Einfrierenihrer Mieten angeordnet habe. Das hat mir einbisschen gefehlt.(Beifall des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak[CDU/CSU] – Sören Bartol [SPD]: Das istrichtig!)Wir erleben heute eine Debatte, in der die politischenUnterschiede deutlich geworden sind: Auf der einenSeite hören wir, wie Sozialdemokraten, Grüne und Linkeauf der Grundlage eines sehr dramatisierten Szenariosauch Instrumente aus der sozialistischen Mottenkiste derÖffentlichkeit verkaufen wollen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Auf der anderen Seite sehen wir die sachorientierteArbeit der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionenvon Union und FDP.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27939Dirk Fischer (Hamburg)(A)(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: WelcheArbeit?)Wir erkennen bestimmte Entwicklungen auf dem Wohnungsmarktund präsentieren marktgerechte Lösungen.Das ist für jede Bürgerin und jeden Bürger im Landeglasklar erkennbar.Bundesminister Peter Ramsauer hat im Herbst letztenJahres in seinem Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaftdie Dinge sachlich dargelegt und analysiert.Er hat dann die aus seiner und unserer Sicht erforderlichenund richtigen Konsequenzen gezogen und sienun der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine dieser Konsequenzenlautet: Wohnungsbau, Wohnungsbau, Wohnungsbau.Denn der beste Schutz vor steigenden Mietenin Ballungsregionen ist mehr Wohnungsbau. Nichts andereshilft den betroffenen Menschen, jenen, die Wohnungensuchen, und jenen, die bereits Mieter sind.Wir wollen auf die Situation angemessen reagieren.Lange Zeit wurde viel zu wenig gebaut. Das hat sichzwar seit Ende 2009, seit Beginn der Koalition ausUnion und FDP, gebessert;(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Ah!)aber das reicht noch nicht aus. Wir brauchen mehr Wohnungen,die sich Normalverdiener leisten können. Dasgilt ganz besonders für Familien mit Kindern. Wir müsseneinkommensschwache Mieter stärken und daherbeim Wohngeld Leistungshöhe und Miethöchstbeträgean die Entwicklung der Bestandsmieten anpassen.Minister Peter Ramsauer hat dazu die entsprechendenVorschläge präsentiert. Sein Programm zur Bekämpfungder regionalen Wohnungsknappheit in Deutschlandkann, Herr Pronold, ein regelrechtes Feuerwerk für denWohnungsneubau werden,(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)wenn alle mitmachen. Ich frage Sie, Herr Pronold:Warum wären Sie über ein solches Feuerwerk traurig?Auch der berühmte Karl Schiller hat gesagt: 50 Prozenteiner erfolgreichen Wirtschaftspolitik ist Psychologie, istOptimismus. – Das heißt: Anpacken! Wenn alle mitmachen,schaffen wir es, das Ziel von 250 000 neuen Wohnungenpro Jahr, Mietwohnungen und Eigenheime, zuerreichen.(Sören Bartol [SPD]: Herr Fischer, Ihre Vorschlägesind doch unfinanzierbar! Das ist eineangekündigte Wahllüge!)Jeder verwirklichte Wunsch nach eigenen vier Wändenist nicht nur eine gute Altersvorsorge, sondern entspanntauch die Lage auf dem Mietwohnungsmarkt. Wir lassendie Länder dabei nicht aus ihrer Verantwortung. Wer sichbei der Föderalismusreform nach der Zuständigkeit fürden sozialen Wohnungsbau drängte und sich diese vomBund jährlich mit 518 Millionen Euro bezahlen lässt,muss jetzt auch dazu stehen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Die Vorschläge unseres Bundesministers Ramsauergeben den Ländern dazu die allerbeste Gelegenheit.Packen wir es an! Dann werden wir das Ziel von250 000 Wohnungen erreichen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Sören Bartol [SPD]: Gut, dass Ihnen das amEnde der Legislaturperiode einfällt!)(C)(B)Die größte Bremse im Wohnungsbau wären Mietrechtsregelungenmit sozialistischen Zwangssystemeneiner staatlichen Preisbildung. Das war seit langem derTraum der Linken; aber dass die SPD jetzt mitträumt,das ist ziemlich neu. Ich glaube, selbst der Ex-Chef derNeuen Heimat Albert Vietor, der SPD-Mitglied war,würde sich bei derartigen Vorstellungen im Grabe umdrehen.Ich kann nur aufrufen: Lassen Sie die Finger davon!Packen Sie das Teufelszeug wieder dahin, wo eshingehört: in das Museum für gescheiterte Ideologien!(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Die Verwirklichung solcher Gedanken würde Wohnungsneubauverhindern. Bestehende Baufinanzierungenwürden zerstört werden.(Lachen des Abg. Florian Pronold [SPD])Gestern noch haben Sie, Herr Kollege Bartol, dieniedrige Rendite der DB AG bei Stuttgart 21 beklagt.Heute fordern Sie im Grunde genommen, bei der Wohnungswirtschafteine noch niedrigere Rendite herbeizuführen.(Sören Bartol [SPD]: Das ist ja völlig vergleichbar!Was ist das für ein Spannungsbogen!)Das heißt also: Gestern Bestürzung, aber heute sind Siein der Gegenrichtung unterwegs. Das passt doch nichtzusammen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)(D)Der vorliegende Bericht über die Wohnungs- undImmobilienwirtschaft zeigt, dass die Immobilienpreiseund Mieten in den vergangenen drei, vier Jahren mancherortswieder gestiegen sind, vor allem in denBallungsräumen. Aber Deutschland besteht nicht nur ausBallungszentren. Die Mietpreisentwicklung verlief seitBeginn der 90er-Jahre insgesamt eher moderat bisabnehmend. Jetzt haben wir zwar einen signifikantenAnstieg, aber wir liegen überall inflationsbereinigt nochunter dem Niveau von 1992. Das muss man sich bei demSzenario auch einmal verinnerlichen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagenauf den Drucksachen 17/12485, 17/12486, 17/12481 und17/11200 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüssevorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? –Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschussesfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem


27940 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)(B)Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit demTitel „Wohnraum in Deutschland zukunftsfähig machen– Für ein sozial gerechtes und klimafreundlichesMietrecht“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/12472, den Antragder Fraktion der Grünen auf Drucksache 17/7983abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung?– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionengegen die Stimmen der Oppositionsfraktionenangenommen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 41 a bis 41 c unddie Zusatzpunkte 2 a bis 2 c auf:41 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zu demHandelsübereinkommen vom 26. Juni 2012zwischen der Europäischen Union und ihrenMitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbienund Peru andererseits– Drucksache 17/12354 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)Auswärtiger AusschussRechtsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionb) Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demAbkommen vom 29. Juni 2012 zur Gründungeiner Assoziation zwischen der EuropäischenUnion und ihren Mitgliedstaaten einerseitsund Zentralamerika andererseits– Drucksache 17/12355 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss (f)Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionc) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes über IntelligenteVerkehrssysteme im Straßenverkehr undderen Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern(Intelligente Verkehrssysteme Gesetz – IVSG)– Drucksache 17/12371 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionZP 2 a)Beratung des Antrags der Abgeordneten RenéRöspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, UweBeckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder SPDMeeresforschung stärken – Potentiale ausschöpfenund Innovationen fördern– Drucksache 17/9745 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung (f)Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschussb) Beratung des Antrags der Abgeordneten RenéRöspel, Lars Klingbeil, Dr. Ernst DieterRossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder SPDFreier Zugang zu öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen– Drucksache 17/12300 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung (f)RechtsausschussAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und Medienc) Beratung des Antrags der Abgeordneten FranzThönnes, Dr. Rolf Mützenich, Christoph Strässer,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDsowie der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), Ute Koczy, weitererAbgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENUmfassende Modernisierung und Respektierungder Menschenrechte in Aserbaidschanunabdingbar machen– Drucksache 17/12467 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss (f)InnenausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionEs handelt sich um Überweisungen im vereinfachtenVerfahren ohne Debatte.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuüberweisen. – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.Dann ist das so beschlossen.Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 42 a bis42 m sowie Zusatzpunkt 3. Es handelt sich um dieBeschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprachevorgesehen ist.Tagesordnungspunkt 42 a:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Einführung von Kostenhilfe für Drittbetroffenein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshoffür Menschenrechte (EGMR-Kostenhilfegesetz– EGMRKHG)– Drucksache 17/11211 –Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses(6. Ausschuss)– Drucksache 17/12535 –(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27941Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)Berichterstattung:Abgeordnete Ute GranoldChristoph SträsserMarco BuschmannRaju SharmaIngrid HönlingerDer Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/12535, den Gesetzentwurfder Bundesregierung auf Drucksache 17/11211 inder Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmenwollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen?– Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiterBeratung bei Enthaltung der Linken von den anderenFraktionen angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvorangenommen.Tagesordnungspunkt 42 b:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzesüber konjunkturstatistische Erhebungen in bestimmtenDienstleistungsbereichen (Dienstleistungskonjunkturstatistikgesetz– DLKonjStatG)– Drucksache 17/12014 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)– Drucksache 17/12510 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Martin Lindner (Berlin)Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehltin seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache17/12510, den Gesetzentwurf der Bundesregierungauf Drucksache 17/12014 in der Ausschussfassunganzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurfso zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Werstimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionenund der SPD gegen die Stimmen der Linkenbei Enthaltung der Grünen angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist derGesetzentwurf mit den gleichen Mehrheitsverhältnissenwie zuvor angenommen.Tagesordnungspunkt 42 c:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszu dem Zusatzprotokoll von Nagoya/KualaLumpur vom 15. Oktober 2010 über Haftungund Wiedergutmachung zum <strong>Protokoll</strong> vonCartagena über die biologische Sicherheit– Drucksache 17/12337 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz(10. Ausschuss)– Drucksache 17/12528 –Berichterstattung:Abgeordnete Johannes RöringElvira Drobinski-WeißDr. Christel Happach-KasanDr. Kirsten TackmannHarald EbnerDer Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/12528, den Gesetzentwurf derBundesregierung auf Drucksache 17/12337 anzunehmen.Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurfzustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmtdagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist inzweiter Beratung einstimmig angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmenwill, den bitte ich, sich zu erheben. – Werstimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 42 d:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines DrittenGesetzes zur Änderung des VorläufigenTabakgesetzes– Drucksache 17/12338 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz(10. Ausschuss)– Drucksache 17/12530 –Berichterstattung:Abgeordnete Mechthild HeilElvira Drobinski-WeißDr. Erik SchweickertKarin BinderNicole MaischDer Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/12530, den Gesetzentwurf derBundesregierung auf Drucksache 17/12338 anzunehmen.Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurfzustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmtdagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist inzweiter Beratung einstimmig angenommen.Dritte Beratung(C)(B)(D)und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmenwill, den bitte ich, sich zu erheben. – Wer


27942 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist einstimmig angenommen.Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses(2. Ausschuss)(C)(B)Tagesordnungspunkte 42 e bis 42 m. Wir kommen zuden Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses.Tagesordnungspunkt 42 e:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses(2. Ausschuss)Sammelübersicht 537 zu Petitionen– Drucksache 17/12401 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Die Sammelübersicht 537 ist einstimmigangenommen.Tagesordnungspunkt 42 f:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses(2. Ausschuss)Sammelübersicht 538 zu Petitionen– Drucksache 17/12402 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Auch die Sammelübersicht 538 ist einstimmigangenommen.Tagesordnungspunkt 42 g:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses(2. Ausschuss)Sammelübersicht 539 zu Petitionen– Drucksache 17/12403 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Die Sammelübersicht 539 ist mit den Stimmender Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmender Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen.Tagesordnungspunkt 42 h:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses(2. Ausschuss)Sammelübersicht 540 zu Petitionen– Drucksache 17/12404 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Die Sammelübersicht 540 ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 42 i:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses(2. Ausschuss)Sammelübersicht 541 zu Petitionen– Drucksache 17/12405 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Die Sammelübersicht 541 ist mit den Stimmenvon vier Fraktionen gegen die Stimmen der Linken angenommen.Tagesordnungspunkt 42 j:Sammelübersicht 542 zu Petitionen– Drucksache 17/12406 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Die Sammelübersicht 542 ist mit den Stimmender Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmenvon Linken und Grünen angenommen.Tagesordnungspunkt 42 k:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses(2. Ausschuss)Sammelübersicht 543 zu Petitionen– Drucksache 17/12407 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Die Sammelübersicht 543 ist mit den Stimmender beiden Koalitionsfraktionen und der Linken gegendie Stimmen von SPD und Grünen angenommen.Tagesordnungspunkt 42 l:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses(2. Ausschuss)Sammelübersicht 544 zu Petitionen– Drucksache 17/12408 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Die Sammelübersicht 544 ist mit den Stimmender beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen vonSPD und Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen.Tagesordnungspunkt 42 m:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses(2. Ausschuss)Sammelübersicht 545 zu Petitionen– Drucksache 17/12409 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Die Sammelübersicht 545 ist mit den Stimmender Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionenangenommen.Zusatzpunkt 3:Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Ausschusses für Wirtschaft und Technologie(9. Ausschuss) zu der Verordnung derBundesregierungEinhundertzweiundsechzigste Verordnung zurÄnderung der Einfuhrliste– Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz –– Drucksachen 17/12001, 17/12114 Nr. 2.1,17/12448 –Berichterstattung:Abgeordnete Ulla LötzerDer Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/12448, die Aufhebung der Ver-(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27943Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)ordnung auf Drucksache 17/12001 nicht zu verlangen.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Werstimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungist einstimmig angenommen.Wir kommen zu den Zusatzpunkten 4 a bis 4 c, zu denBeschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses.Ich rufe zunächst Zusatzpunkt 4 a auf:Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschussesnach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss)zu dem Gesetz zur Fortentwicklungdes Meldewesens (MeldFortG)– Drucksachen 17/7746, 17/10158, 17/10768,17/12463 –Berichterstattung:Abgeordneter Jörg van EssenWir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschusshat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnungbeschlossen, dass im Deutschen Bundestagüber die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Diesgilt auch für die noch folgenden Beschlussempfehlungendes Vermittlungsausschusses zu den Zusatzpunkten 4 bund 4 c.Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschussesauf Drucksache 17/12463? – Werstimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungist bei Enthaltung der Fraktion der Linken angenommen.Ich rufe Zusatzpunkt 4 b auf:Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschussesnach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss)zu dem Gesetz zur Begleitungder Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zurFestlegung der technischen Vorschriften undder Geschäftsanforderungen für Überweisungenund Lastschriften in Euro und zur Änderungder Verordnung (EG) Nr. 924/2009(SEPA-Begleitgesetz)– Drucksachen 17/10038, 17/10251, 17/11395,17/11938 17/12464 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Michael MeisterDer Kollege Michael Meister hat darum gebeten, imRahmen seiner Berichterstattung eine <strong>Protokoll</strong>erklärungder Bundesregierung zu <strong>Protokoll</strong> zu nehmen. 1)zung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011in der Rechtssache C-284/09– Drucksachen 17/11314, 17/11717, 17/11718,17/11940, 17/11950, 17/12465 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Michael MeisterDer Kollege Michael Meister hat auch hier darum gebeten,im Rahmen seiner Berichterstattung eine <strong>Protokoll</strong>erklärungder Bundesregierung zu <strong>Protokoll</strong> zu nehmen.2)Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für dieBeschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses aufDrucksache 17/12465? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Die Beschlussempfehlung ist gegen die Stimmender Linken vom Haus angenommen.Ich rufe nun den Zusatzpunkt 5 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion DIE LINKEPosition der Bundesregierung zur Einführungeines gesetzlichen MindestlohnsIch eröffne die Aussprache und erteile dem KollegenKlaus Ernst für die Fraktion Die Linke das Wort.(Beifall bei der LINKEN)(C)(B)Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für dieBeschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses aufDrucksache 17/12464? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.Ich rufe Zusatzpunkt 4 c auf:Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschussesnach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss)zu dem Gesetz zur Umset-Klaus Ernst (DIE LINKE):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Nachdem man den Eindruck hat, dass es in diesemHause nur noch Befürworter eines gesetzlichenMindestlohnes gibt, weil inzwischen alle konsequent beiuns abschreiben – leider nicht immer richtig –,(Lachen des Abg. Dr. Michael Meister [CDU/CSU])haben wir das zum Anlass genommen, uns mit der einenoder anderen Aussage von Ihnen zu beschäftigen.Michael Grosse-Brömer, Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer,sagte im Spiegel am 18. Februar – Zitat –:Wir werden als Union noch einmal einen Versuchunternehmen,– noch einmal einen Versuch unternehmen –die FDP für einen tariflich vereinbarten Mindestlohnzu gewinnen.Sehr löblich! – Der CDU-Fraktionsvorsitzende in NRW,Karl-Josef Laumann sagt:Wir brauchen einen robusten Mindestlohn. Derkünftige Mindestlohn muss prägende Wirkung haben,sonst können wir es gleich sein lassen.Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben.Wir können nicht Hunderte Ausnahmen gebrauchen,sondern streben eine einheitliche und verbindlicheLohnuntergrenze an, bei der die Kommis-(D)1) Anlage 3 2) Anlage 4


27944 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Klaus Ernst(A)(B)sion der Tarifpartner in wenigen begründeten Fällendifferenzieren kann.Selbst Brüderle kann sich jetzt vorstellen, dass sich beiden Liberalen etwas tut, und auch Philipp Rösler sprichtvon fairen Löhnen, was sehr löblich ist. Frau Kramp-Karrenbauer im Saarland will einer Initiative des Bundesrateszur Einführung gesetzlicher Mindestlöhne zustimmen.Gegenüber der Welt betont Frau Hasselfeldt,mit der FDP laufend – das finde ich bemerkenswert –über das Thema zu reden. Sie tun auch gut daran; dennlaut einer Erhebung sind inzwischen 66 Prozent derUnionsanhänger für einen gesetzlichen Mindestlohn. Siemüssen Ihren Wählern etwas hinterherlaufen, um sienoch einholen zu können.(Beifall bei der LINKEN)Die entscheidende Frage ist: Meinen Sie es mit IhrerForderung nach einem Mindestlohn eigentlich ernst?Denn Ihr Vorschlag, dass nur in den Bereichen eine Lohnuntergrenzefestgelegt werden soll, in denen es keine Tarifverträgegibt, geht vollkommen am Thema vorbei; diesogenannte allgemein verbindliche Lohnuntergrenze istkein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn. ImFleischerhandwerk in Thüringen wird ein Stundenlohnvon 6,19 Euro gezahlt, im Friseurhandwerk in Berlinsind es 4,65 Euro, in der Floristik in Brandenburg sind es5,26 Euro, im Hotel- und Gaststättengewerbe – das dieFDP so gerne fördert – in Mecklenburg-Vorpommernwerden 6,73 Euro gezahlt, und die Garten- und Landschaftsbauernerhalten 6,25 Euro. All das sind tariflicheLöhne. Mit Ihrer Position würden diese Löhne bleiben,wie sie sind. Das ist Folge Ihrer Lohnuntergrenze.(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg.Anton Schaaf [SPD])Ich sage Ihnen in aller Klarheit: Das, was Sie vorschlagen,brauchen die Menschen in unserem Land nicht.Wird Ihr Vorschlag umgesetzt, dann bleibt es dabei:23,1 Prozent verdienen unter 9,15 Euro pro Stunde,4 Millionen Beschäftigte verdienen weniger als 7 Euround 1,4 Millionen sogar weniger als 5 Euro. Das ist derZustand, den Sie ändern müssten; aber das tun Sie nicht.Deshalb sind Sie für diese Löhne mit verantwortlich.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENund der Abg. Iris Gleicke [SPD])Momentan ist die Zeit der Plagiate. Deshalb noch einWort zu Herrn Steinbrück. Ich habe ein Zitat aus der Tagesschauvom 24. Februar zur Kenntnis genommen.Dort sagt Herr Steinbrück:Wir sind das Original mit einem flächendeckendengesetzlichen Mindestlohn, und die anderen werdenfummelig und eifern uns nach, weil sie merken: Dapassiert was.(Iris Gleicke [SPD]: Ich habe schon „Mindestlohn“gesagt, da haben Sie als Gewerkschafternoch dagegen gestänkert!)Meine Damen und Herren von der SPD,(Iris Gleicke [SPD]: Wir sind das Original!)Sie haben in der letzten Legislaturperiode dagegen gestimmt.Unsere Forderung stand da schon längst auf derTagesordnung.(Iris Gleicke [SPD]: Erzählen Sie doch nichtso einen Unsinn, Herr Ernst!)– Da könnt ihr brüllen wie ihr wollt.(Iris Gleicke [SPD]: Ja, ja!)Im Spiegel vom 1. April 2006 heißt es – Zitat –:In der Öffentlichkeit hält er sich noch bedeckt.– Ihr Spitzenkandidat –Hinter den Kulissen jedoch kämpft BundesfinanzministerPeer Steinbrück mit großer Energie gegendie Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.Das ist die Wahrheit.Wir brauchen keinen Mindestlohn von 8,50 Euro,sondern einen Mindestlohn von mindestens 10 Euro.(Beifall bei der LINKEN – Georg Schirmbeck[CDU/CSU]: 10,50 Euro!)Ich kann Ihnen auch sagen, warum. Das hat einen einfachenGrund – den kennen Sie genauso gut wie wir –: JederLohn von unter 10 Euro die Stunde führt dazu, dassder Mensch, der diesen Lohn sein Leben lang erhält– und nie arbeitslos wird –, als Rentner eine Rente bezieht,die unterhalb der Grundsicherung im Alter liegt.Das heißt, jeder Lohn unter 10 Euro in der Stunde führtim Ergebnis dazu, dass Sie die Menschen arm machen,wenn sie in Rente gehen. Das müssen Sie schon alleinemachen; das geht nicht mit den Linken.(Beifall bei der LINKEN)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Karl Schiewerling für die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Karl Schiewerling (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ichmich sehr, dass wir, als heute die Arbeitslosenzahlenvorgelegt worden sind, feststellen konnten, dass trotz einesschwierigen Winters keine weiteren Aufwüchse zuverzeichnen sind, sodass der Präsident der Bundesagenturfür Arbeit festhalten konnte, dass wir hoffnungsvollin die Zukunft schauen können.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – IrisGleicke [SPD]: Das war schon immer so!)Zu den guten Zahlen gehört, dass wir in Deutschlandim europäischen Vergleich mit 6,1 Prozent immer nochdie niedrigste Jugendarbeitslosigkeit haben. Wir wollen,dass sich das weiter verbessert.(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Herr Schiewerling, zu welchem Themareden Sie?)(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27945Karl Schiewerling(A)(B)Wir nehmen zur Kenntnis, dass sich der Anteil derMenschen in Kurzarbeit verringert. Warum sage ichdies? Ich sage Ihnen dies, weil wir zunächst einmal feststellendürfen, dass wir dank der guten Konjunktur, dankder erfolgreichen arbeitsmarktpolitischen Initiativen vergangenerZeiten und dieser Regierung(Iris Gleicke [SPD]: Dank Ihrer Kürzungen!)mehr als 41 Millionen Erwerbstätige haben, darunterrund 29 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.Dank der guten Entwicklung können wir uns auchdarüber freuen, dass im Wesentlichen unter Unionskanzlernin 12 Branchen Mindestlöhne eingeführt wordensind, die von Tarifpartnern gefunden wurden und die fürungefähr 4,6 Millionen Menschen Wirkung entfalten.Wir halten das für den richtigen Weg; denn verantwortlichfür die Lohnsetzung, auch für Mindestlöhne,sind die Tarifpartner und nicht der Staat.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wir wollen nicht, dass wir sozusagen in das „Pokerverfahren“einsteigen, wer denn nun am meisten bietet.8,50 Euro Pflichtuntergrenze der SPD, 10 Euro Mindestgrenzeder Linken – ich bin gespannt, wann im nächstenDeutschen Bundestag diese Summe erhöht wird und wirin einer Art orientalischer Phase anfangen auszuhandeln,wie hoch der beste Mindestlohn liegt. Nein, meine Damenund Herren, für das Finden von Mindestlöhnen sinddie Tarifpartner zuständig. Dieses System hat sich bewährt,und dabei wollen wir bleiben.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Das hat etwas mit Ordnungspolitik in unserem Landzu tun,(Zuruf von der SPD: Nein!)und das hat etwas mit klaren Strukturen zu tun.Das Modell, das die Union beschlossen hat und daswir jetzt in der Koalition miteinander diskutieren und zueiner Lösung führen wollen, sieht vor, dass die Tarifpartnergezwungen werden, überall dort, wo keine Tarifverträgewirken, dafür zu sorgen, dass ein Mindestlohn eingeführtwird. Das Modell sieht übrigens auch vor, dassüberall dort, wo Tarifverträge ausgelaufen sind, derNachlauf dieser Tarifverträge gebremst wird und nicht,wie wir das in der Tat in Thüringen erlebt haben, im Friseurhandwerkein Tarifvertrag bis zum Sankt-Nimmerleins-Taggilt, dessen Tariflöhne übrigens viel zu niedrigsind. Aber auch in diesem Bereich sind aufgrund derPraxis die Löhne mittlerweile gestiegen. Das hat etwasmit marktwirtschaftlicher Ordnung zu tun. Da befindenwir uns auf dem entsprechenden Weg. Seien Sie versichert:Wir werden dieses Thema miteinander klären undauch miteinander vereinbaren.(Beifall bei der CDU/CSU)Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle einessehr deutlich machen: Das Thema Mindestlohn stehtja symbolisch für das Thema Gerechtigkeit.(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Richtig!)Ich kann dies nachvollziehen.(Iris Gleicke [SPD]: Ach!)Worauf wir aber achtgeben müssen, ist, dass wir nichtständig den Eindruck vermitteln, als würden wir inDeutschland in einer blanken Verelendungswüste leben,(Iris Gleicke [SPD]: Gucken Sie sich doch maldie Löhne im Osten an!)in der die Menschen am Hungertuch nagen und in derkeine Perspektiven für die Menschen vorhanden sind.Das ist nicht der Fall.(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: HerrSchiewerling, wir fahren mal ins Erzgebirgeoder ins Vogtland!)Seit 2010 sind deutliche Lohnsteigerungen zu verzeichnen.Überall dort, wo Tarifpartnerschaft funktioniert,kommt es zu deutlichen Lohnsteigerungen und besserenRahmenbedingungen für die Menschen.Wir haben ein Interesse daran, dass dies auch für alleanderen Menschen zum Tragen kommt. Deswegen arbeitenwir jetzt daran, gemeinsam ein System zur Findungvon tariflichen Mindestlöhnen zu etablieren. Ichbin ganz sicher, dass dieses Konzept wirken wird, übrigensauch dort, wo Tarifverträge bestehen, die noch eineLohnhöhe vorsehen, die auch wir für hochproblematischhalten.(Maria Michalk [CDU/CSU]: Richtig!)Wir schreiben aber nicht vor, sondern wir setzen darauf,dass die Tarifautonomie funktioniert. Ich glaube, dasswir in der Bundesrepublik damit bisher am besten gefahrensind.Herzlichen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Anette Kramme für die SPD-Fraktion.(Beifall bei der SPD)Anette Kramme (SPD):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine Damen und Herren von FDP undCDU, Sie stellen schon eine verdammte Regierung derGaukler.(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was ist denn mitder CSU?)Sie alle wissen, was Gaukler tun. Gaukler erwecken Illusionen,Gaukler tricksen und schwindeln, und alles nurum der Show willen. Es ist natürlich klar, um welcheShow es Ihnen hier geht. Es geht um die Bundestagswahl.Sie wollen hier ein gutes Bild abgeben.(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das will dieLinke!)Ob Ihnen das tatsächlich gelingt? Wir werden es sehen.(C)(D)


27946 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Anette Kramme(A)(B)Meine Damen und Herren dieser Regierung, ich binIhnen dankbar dafür, dass Sie in Ihren Diskussionsbeiträgeneinen Begriff verwenden, der nichts mit dem eigentlichenMarkenprodukt zu tun hat. Ich bin Ihnendankbar dafür, dass Sie den Begriff der Lohnuntergrenzeverwenden.Lassen Sie mich einige Dinge zu dieser Lohnuntergrenzesagen: Es hat sich in den letzten Tagen herausgestellt,dass FDP und Union einige gemeinsame Eckpunktezu diesem Thema haben. Zunächst einmal willich festhalten, dass Sie alle miteinander sagen: Es darfkeine absolute Lohnuntergrenze qua Gesetz geben. Ichfinde es in diesem Zusammenhang interessant, dassGuido Westerwelle davon spricht, dass die Grundsätzeder Leistungsgerechtigkeit verletzt sind, wenn ein Stundenlohnin Höhe von lediglich 3 Euro gezahlt wird. Dastelle ich mir natürlich die Frage, was das heißt.(Maria Michalk [CDU/CSU]: Wir auch!)Heißt das, dass wir Mindestlöhne in Höhe von 3,50 Eurobekommen sollen? Sind dann die Grundsätze der Lohngerechtigkeiterfüllt?Meine Damen und Herren der Koalition, Sie sagenauch, dass eine Lohnuntergrenze immer dann nichtgreifen soll, wenn ein Tarifvertrag vorhanden ist oderauf einen Tarifvertrag Bezug genommen wird. HerrSchiewerling von der Union hat das gerade ganz elegantformuliert. Er hat gesagt: überall da, wo Tarifverträgewirken.(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Das ist auch einkluger und eleganter Mensch!)– Da haben Sie recht. Das ist ein angenehmer Mensch,auf der persönlichen Ebene;(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)aber es ist sicherlich auch so, dass er politisch an der einenoder anderen Stelle mächtig danebenliegt. Das giltauch für diesen Punkt,(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten derLINKEN)bei dem es darum geht, dass die Lohnuntergrenze immerwieder durch Tarifverträge ausgehöhlt werden kann.Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland Hundertevon Tarifverträgen mit einem Stundenlohn unterhalbvon 6 Euro. Man muss nur in das WSI-Archiv hineinschauen,um das festzustellen. Diese Bezugnahmeauf Tarifverträge bedeutet Folgendes: In jedem x-beliebigenArbeitsvertrag könnte künftig der Mindestlohn– Ihre Lohnuntergrenze – dadurch umgangen werden,indem beispielsweise hineingeschrieben wird, dass derTarifvertrag für die Floristen greift. Also ist es möglich,dass der Mitarbeiter an der Würstchenbude nach demTarifvertrag für die Floristen und Floristinnen bezahltwird.(Zuruf von der CDU/CSU: Was haben Siedenn gegen Floristinnen? – Gegenruf der Abg.Caren Marks [SPD]: Die Bezahlung!)Das ist nicht nur kurios, sondern schlimm, weil die Bezahlungin diesem Bereich nicht gut ist.Meine Damen und Herren der Union, Sie sagen: Esmuss so sein, dass nach Regionen und Branchen differenziertwird. Ich stelle mir einmal vor, wie das dann abläuft.Es gibt ganz viele Regionen in der Bundesrepublik,und man kann ganz viele Branchen finden, um diees in diesem Zusammenhang geht. Ich denke, wir würdenin einen jahrelangen Prozess der Lohnfindung hineinkommen,um einen Mindestlohn, eine Lohnuntergrenzezu finden. Ich stelle mir vor, wie Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer dann jeweils recherchieren müssen, um zuwissen, was für sie konkret gilt.Davon abgesehen, sehe ich Sie von einem Gesetzgebungsvorhabennoch ganz weit entfernt. Das gilt für Ihrebeiden Fraktionen. Ich will an dieser Stelle nur beispielsweiseerwähnen, was der bildungspolitische Sprecherder FDP gesagt hat. Er hat gesagt, es gebe keine Bewegungfür eine Lohnuntergrenze oder für Mindestlöhne inDeutschland. Na ja, wir werden sehen, wie Sie Mehrheitendafür zusammenkriegen.Meine Damen und Herren, dabei brauchen wir Mindestlöhnein der Bundesrepublik hochnotdringend.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Herr Schiewerling, Sie haben gesagt: Bei den Arbeitsmarktzahlensteht die Bundesrepublik toll da. Und Siehaben gesagt: Die Löhne steigen. – Und trotzdem stelltdas IAQ fest: 23 Prozent aller Beschäftigten – im Prinzipgleichbleibend – in Haupt- und Nebentätigkeit bekommenweniger als 8,50 Euro. Nicht umsonst wird immerwieder festgestellt, dass die Bundesrepublik leider einender größten Niedriglohnsektoren, bezogen auf die Industrieregionendieser Welt, hat.Das alles ist ein Jammer. Es geht um Gerechtigkeit,aber auch um die Bekämpfung von Altersarmut. An dieserStelle von einer Lebensleistungsrente zu sprechen, istverlogen, wenn man den Niedriglohnsektor nicht konsequentbekämpfen will.In diesem Sinne: Herzlichen Dank.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und derAbg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Frau Kollegin Anette Kramme. –Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP unser KollegeDr. Heinrich Kolb. Bitte schön, Kollege Dr. Kolb.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Kollegin Kramme, um das Wort „verlogen“ aufzunehmen(Widerspruch der Abg. Anette Kramme[SPD])(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27947Dr. Heinrich L. Kolb(A)(B)– das ist eigentlich nicht meine Sprache, aber Sie habenes eingeführt –: Verlogen finde ich eher, wenn eine Vertreterineiner Fraktion, die den Niedriglohnsektor inDeutschland überhaupt erst eingeführt hat, hier mit großenKrokodilstränen genau diesen Umstand beweint.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Es ist nun einmal so, dass Rot-Grün damals die Ideehatte, die Massenarbeitslosigkeit – über 5 Millionen Arbeitslose– dadurch zu bekämpfen, dass man einen Niedriglohnsektoran die deutsche Volkswirtschaft anflanscht.Ihr Handeln! Ihre Verantwortung! Sie solltendas heute hier nicht so beweinen.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, nach dem Willen der Väter und Mütter desGrundgesetzes ist Lohnfindung Sache der Tarifparteien.Ich will – anders als die Vertreter der Opposition – hierzunächst einmal festhalten, dass das in Deutschland immernoch in einem hohen Maße sehr gut funktioniert.60 Prozent der Arbeitsverhältnisse in Deutschland unterliegeneiner direkten Tarifbindung, bei weiteren 20 Prozentgibt es eine Bezugnahme auf Tarifverträge. Ichkann überhaupt nicht verstehen, wenn ein ehemaligeroder noch aktiver Gewerkschaftsfunktionär wie der KollegeKlaus Ernst hier eine allgemeine Tarifschelte betreibt.(Maria Michalk [CDU/CSU]: Richtig!)Das finde ich nicht akzeptabel. Da muss ich fragen, wieSie es mit der Tarifautonomie halten, lieber KollegeErnst.ausgestattet worden. Das zeigt: Wir sind bei diesemThema nicht blind. Überhaupt nicht!(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)Wir sind für Mindestlöhne. Aber für uns macht es einenUnterschied, ob sie auf der Basis von Tarifverträgen eingeführtwerden – also durch die Tarifpartner auf ihreVerträglichkeit überprüft wurden – oder nicht.Das ist das große Manko einer politischen Lohnfindung,wie sie hier offensichtlich der Opposition vorschwebt:Sie wollen einen Basar eröffnen – Sie habendas heute ja hier schon getan –, auf dem um den Mindest-Mindestlohngefeilscht wird. Unter 10 Euro dürfenes nach Ihrer Vorstellung überhaupt nicht sein. DieserMindest-Mindestlohn von 10 Euro zeigt doch schon,wohin die Reise bei Ihnen gehen würde.(Zuruf von der LINKEN)Vor Wahlen lässt sich dann trefflich ein Überbietungswettbewerbstarten. Das ist nicht unser Weg. Wir setzenkonsequent bei der Tarifbindung an.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)So wollen wir die Dinge mit unserem Koalitionspartnerweiter gestalten. Wir werden darüber diskutieren:Muss man den Rahmen, den wir im Arbeitnehmer-Entsendegesetzvollständig ausgeschöpft haben – es gibt jetztfür alle darin vorgesehenen Branchen Mindestlöhne –,nachjustieren? Vor allen Dingen: Wie kann man dasMindestarbeitsbedingungengesetz, wenn es denn Problemeaufwirft, noch einmal auf den Prüfstand stellen?Eines wundert mich immer bei Ihnen, Frau KolleginKramme – das muss ich deutlich sagen –: Sie führen dieRente mit 67 ein – Sie haben das gemacht –, und fünfJahre später wollen Sie damit nichts mehr zu tun haben.(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Was macht die FDP?)Sie führen einen Niedriglohnsektor in Deutschland ein,und sechs Jahre später wollen Sie das nicht mehr als IhrHandeln gelten lassen. Genauso haben Sie in der GroßenKoalition das aktuelle Instrumentarium für die Einführungvon Mindestlöhnen mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetzund mit dem Mindestarbeitsbedingungengesetzgeschaffen, und hinterher, nachdem Sie modernisiert haben,machen Sie keinen Gebrauch davon.(Katja Mast [SPD]: Mehr war ja mit Ihnennicht möglich! – Anette Kramme [SPD]:Schauen Sie einmal, wann diese Gesetze inKraft getreten sind!)Frau Kollegin Kramme, jede rot-grüne Landesregierungund auch jede grün-rote Landesregierung kann einenAntrag auf Einführung eines Mindestlohnes nachdem Mindestarbeitsbedingungengesetz stellen. Was passiert?Nichts. Sie machen nichts. Sie vertagen sich lieberauf einen Schauplatz, von dem Sie glauben, dass Sie ihnbesser beherrschen. Das finde ich unangemessen, FrauKollegin Kramme.(C)(D)(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Ich finde es wichtig, in der Diskussion immer auchauf aktuelle Tarifabschlüsse abzustellen. Deswegen istes schon ein Problem – das hat der Kollege Schiewerlingangesprochen –, wie man es mit ausgelaufenen Tarifverträgenhalten will, die sich in der Nachwirkung befindenund Signale senden, die heute so nicht mehr akzeptabelsind. Das ist eine Frage, die wir uns stellen und die wirsicherlich in einem guten Sinne beantworten werden. Jedenfallssteht für uns fest, dass es nicht Sache des Gesetzgeberssein kann, in bestehende, aktuelle Tarifverträgeeinzugreifen.(Beifall bei Abgeordneten der FDP und derCDU/CSU)Zu den unverändert 60 plus 20 Prozent – also 80 Prozent– der Arbeitsverhältnisse in Deutschland, die direkteinem Tarifvertrag unterliegen oder indirekt Bezug aufihn nehmen, kommen 3,8 Millionen Arbeitsverhältnissehinzu – teilweise überschneidet sich das –, in denen einMindestlohn aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärungvon Tarifverträgen gilt. 2,1 Millionen Arbeitsverhältnissesind in dieser Legislaturperiode, durch Handelndieser schwarz-gelben Koalition, neu mit Mindestlöhnen(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Anette Kramme [SPD]: Also, wenn Sie mei-


27948 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Heinrich L. Kolb(A)nen, dass Ihnen das irgendjemand in dieser Republikglaubt! – Weiterer Zuruf von der SPD)Uns geht es um faire Löhne für Arbeitgeber, die dieseLöhne zahlen müssen, und um faire Löhne für Arbeitnehmer,die von diesen Löhnen leben müssen.(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Was macht die FDP?)Uns geht es auch um faire Löhne aus Sicht der Arbeitslosen,denen durch Lohnfindung ein Wiedereinstieg inden Arbeitsmarkt nicht verwehrt und nicht verbaut werdendarf. Das ist der Weg, den wir in guter Abstimmungmit unserem Koalitionspartner gehen wollen. Sie dürfengespannt darauf sein, mit welchen Ergebnissen wir Siehier schon sehr bald konfrontieren werden.(Anton Schaaf [SPD]: Das sind wir allerdings!)Danke schön.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)der Marktwirtschaft als Gralshüter von Schmutzlöhnenprofiliert.(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das müssen Sie aberzurücknehmen!)Jetzt, etwa sechs Wochen vor den Bundestagswahlen(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Monate!Monate!)– Monate! –, hat sich selbst der Sprecher für spätrömischeDekadenz, Außenminister Westerwelle, zum Gerechtigkeitsfanatikerentwickelt.(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Durchschaubar ist das! – AnetteKramme [SPD]: So ist das! – Dr. Heinrich L.Kolb [FDP]: Was sagen die Grünen in Nordrhein-Westfalen?)Plötzlich ist auch ihm klar, dass 3 Euro Stundenlohn mitLeistungsgerechtigkeit nichts zu tun haben.(Katja Mast [SPD]: Hört! Hört!)Was für eine Erleuchtung hat diesen Mann erfasst?(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie des Abg. Anton Schaaf [SPD] –Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ihn hat wenigstensetwas erleuchtet! Sie nicht!)Auch Frau Merkel hat eine wundersame Wandlungdurchgemacht. Sie will jetzt eine Lohnuntergrenze einführen,will es also nicht mehr den Tarifvertragsparteienüberlassen.Sollten die Debatten der letzten Jahre vielleicht dochgefruchtet haben? Ich fürchte, die Erklärung ist viel banaler:Schwarz-Gelb hat elf Landtagswahlen in Folgeverloren. Genau dieses Schicksal befürchten Sie jetzt fürdie Bundestagswahl.(Max Straubinger [CDU/CSU]: Gemach, gemach!– Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich habeda eine Wette laufen!)Jetzt wollen Sie von den Koalitionsfraktionen, dass Ihnender Zeitgeist in die Segel bläst, aber dazu haben Sieden falschen Einfallswinkel.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowiebei Abgeordneten der SPD)Diese Bundesregierung ist Getriebene, Getriebene desBundesverfassungsgerichts und Getriebene des Gerechtigkeitsempfindensder Bevölkerung. 84 Prozent wolleneinen gesetzlichen Mindestlohn.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)Zwei Drittel der Bevölkerung sind der Auffassung, dassdie Gerechtigkeitslücke in Deutschland immer größerwird.(C)(B)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Kollege Dr. Kolb. – Nächste Rednerinfür die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist unsere KolleginFrau Brigitte Pothmer. Bitte schön, Frau Kollegin.Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vielen Dank; Herr Präsident. – Die einzige Aussagein Ihrer Rede, die zutreffend war, war, dass wir gespanntdarauf sind, was bei dieser Vereinbarung herauskommt,Herr Kolb.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg.Klaus Ernst [DIE LINKE])Herr Kolb, Sie haben darauf hingewiesen, dass dieLohnfindung in Deutschland so hervorragend funktioniere.Deswegen will ich Ihnen noch einmal ein paarZahlen in Erinnerung rufen. 6,6 Millionen Menschen inDeutschland arbeiten für Löhne unter 8,50 Euro dieStunde. 1,4 Millionen Menschen arbeiten für Löhne unter5 Euro brutto die Stunde. So weit zu der Lohnfindungin Deutschland. Dass wir Löhne unter 5 Euro die Stundehaben, ist ein Alleinstellungsmerkmal. Dieses Alleinstellungsmerkmalhaben wir in Deutschland deswegen, weilwir das einzige europäische Land sind, das keinen Mindestlohnhat.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg.Klaus Ernst [DIE LINKE] – Zuruf von derFDP: Das stimmt doch gar nicht, Frau Kollegin!)Es gab und es gibt in dieser Legislaturperiode unzähligeInitiativen aus den Oppositionsfraktionen, um diesesLohndumping, das zunehmend zum Geschäftsmodellvon Betrieben geworden ist, einzuschränken. Sie habenalle diese Initiativen abgelehnt, ohne auch nur eine einzigeeigene Initiative auf den Tisch zu legen. Insbesonderedie FDP-Fraktion hat sich unter dem DeckmantelMir könnte es eigentlich egal sein, ob Sie aus reinemOpportunismus oder aus tiefer Einsicht in die Sache IhreBlockade gegen den Mindestlohn aufgeben. Aber Siegeben sie eben nicht wirklich auf; das ist das Problem.(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27949Brigitte Pothmer(A)(B)Ihr Modell der Lohnuntergrenze ist eine politischeScheinlösung. Bestehende Ungerechtigkeiten werdenweiter beibehalten. 1 Million Beschäftigte arbeiten unterTarifverträgen und verdienen weniger als 8,50 Euro dieStunde. Für diese Menschen ändert sich durch IhreScheinlösung rein gar nichts.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)Das, meine Damen und Herren, ist von der Leistungsgerechtigkeit,von der Herr Westerwelle spricht, so weitentfernt wie ein Hartz-IV-Empfänger von den Millionenauf einem Schweizer Nummernkonto.Nein, diese Armutslöhne dürfen nicht Orientierungspunktfür Mindestlöhne werden. Mein Vorwurf an Sielautet: Ihnen geht es nicht um die Menschen. Ihnen gehtes auch nicht um die Inhalte. Für Sie sind Inhalte nur Instrumentezur Machtsicherung.(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Warumwundert mich das nicht?)Ich finde, im Tagesspiegel wurde das ziemlich treffendbeschrieben – ich zitiere –:Der Vorwurf gegen Angela Merkel, dass sie diePositionen, die sie nicht hat, jederzeit räumt,ist … berechtigt. Jetzt verändert sie die Haltung derCDU zum Mindestlohn …Aber die Menschen sehen: Das ist ein Betrugsmanöver.Damit werden Sie nicht durchkommen.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)Die Menschen wollen einen Mindestlohn ohne Wennund Aber, und sie wollen ihn für alle Beschäftigten undfür alle Unternehmen. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit,und das ist auch ein Gebot des fairen Wettbewerbsunter den Unternehmen. Die Leute wollen Schluss machenmit Lohndumping.Meine Damen und Herren, vor Ihnen liegt eine historischeChance: Im Bundesrat liegt derzeit eine Gesetzesinitiativevon Rheinland-Pfalz zur Einführung eines flächendeckendengesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro. Ichbin stolz darauf, dass letzte Woche die neue rot-grüneLandesregierung von Niedersachsen dieser Initiativebeigetreten ist.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)Frau Kramp-Karrenbauer hat bereits angekündigt, dasssie dieser Initiative für das Saarland zustimmen wird.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD sowie des Abg. Klaus Ernst[DIE LINKE])Frau Kramp-Karrenbauer ist eine kluge Frau, meine Damenund Herren. Seien Sie es ein einziges Mal auch!Ich danke Ihnen.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD sowie des Abg. Klaus Ernst[DIE LINKE] – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Was? Ich soll eine kluge Frau sein?)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Frau Kollegin Pothmer. – Nächster Rednerin unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion derCDU/CSU unser Kollege Max Straubinger. Bitte schön,Kollege Max Straubinger.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Max Straubinger (CDU/CSU):Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!Wir debattieren auf Antrag der Fraktion Die Linke wiederumdie Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Richtig!)Das ist für uns eine gute Gelegenheit – wir sind auchdankbar dafür –, die unterschiedlichen Konzepte darzustellen.Vorauszuschicken ist – der Kollege KarlSchiewerling und der Kollege Kolb haben das bereits gesagt–: Unter unserer Regierung wurden in zwölf Branchengesetzliche Lohnuntergrenzen eingeführt,(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das haben wirIhnen abverlangt!)allerdings solche, die von den Tarifpartnern nach eigenenMaßstäben und unter Berücksichtigung regionalerGesichtspunkte gefunden worden sind, also nicht flächendeckend.Das ist auch notwendig;(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Richtig!)denn Deutschland ist keine Einheit; deshalb muss derAspekt der Regionalität auch bei der Lohnfindung zumAusdruck kommen. Deshalb sind wir dafür, dass dieLohnfindung unter Beachtung der Tarifautonomie weiterhinzwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorgenommenwird.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Auch wenn wir uns in unserer Fraktion auf ein bestimmtesModell, das dem Rechnung trägt, geeinigthaben, möchte ich noch eines ergänzen: Es kann entscheidendsein bzw. wäre besser, Tarifverträge, zumindestdie unteren Lohngrenzen eines Tarifvertrages, fürallgemeinverbindlich zu erklären. Wir sollten deshalbdarüber nachdenken, die Allgemeinverbindlicherklärungzu erweitern bzw. zu verbessern. Wir könnten dadurcheinen Beitrag dazu leisten, dass die Lohnuntergrenzen,die die Tarifpartner selbstständig im Rahmen ihrer Verhandlungenfestlegen, die Politik dann für alle Arbeitgeberin der entsprechenden Branche für allgemeinverbindlicherklärt. So könnten wir für einen Wettbewerbum die Qualität der Betriebe sorgen statt für einen Wettbewerbum den geringsten Lohn. Das ist auch ein Anspruchvon CDU und CSU.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bedeutsam istauch, dass gleich nach der Beendigung der Wahl inFrankreich Vertreter der SPD unter Führung des Chef-(C)(D)


27950 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Max Straubinger(A)(B)diplomaten der SPD, Herrn Steinbrück, nach Frankreichgeeilt sind. Damals hatte er noch nicht die Leier drauf,dass Clowns gewählt worden sind, wie er es jetzt in Bezugauf Italien gesagt hat, wodurch möglicherweisemehr Verstimmung hervorgerufen wird, als dass ein Beitragzur Lösung von Problemen geleistet wird. Aber geradevon SPD-Seite aus wird doch Frankreich immer dafürgerühmt, dass es einen tollen, hohen gesetzlichenMindestlohn habe. Man muss sich aber auch dessenAuswirkungen anschauen.Während wir in Deutschland eine Jugendarbeitslosigkeitvon 6 Prozent zu verzeichnen haben, worauf wirstolz sein können, ist in Frankreich eine Jugendarbeitslosigkeitvon 27 Prozent zu verzeichnen. Diese Quotewäre noch höher – davon bin ich auch überzeugt –, wenndort noch höhere Mindestlöhne umgesetzt worden wären.(Zurufe von der SPD und der LINKEN)Aber es gibt ja den schönen Bericht der Gallois-Kommission.Darin wird dargelegt, dass in Frankreich jederneu geschaffene Arbeitsplatz auf Mindestlohnniveau mit70 000 Euro – wohlgemerkt: mit 70 000 Euro je Arbeitsplatz!– subventioniert wird. Da frage ich mich schon, obdies richtig sein kann. Deshalb ist auch die französischeIndustrie nicht mehr wettbewerbsfähig. Mit Subventionenallein kann man keine Volkswirtschaft führen. Daszeigt sich sehr deutlich.(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von derSPD)Deshalb kann ich Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen,vor staatlicher Lohnfestsetzung nur warnen. StaatlicheLohnfestsetzung(Zurufe von der SPD sowie der Abg. AlexanderSüßmair [DIE LINKE] und Dr. WolfgangStrengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN])bringt in keiner Weise Positives für eine Volkswirtschaft.Deshalb lehnen wir eine staatliche Lohnfestsetzung ab,Herr Kollege Strengmann-Kuhn.In dieser Frage ist auch Folgendes bedeutsam – darüberhaben wir uns jüngst mit Juristen unterhalten –:Wenn wir hier eine staatlich verordnete Lohnuntergrenzehaben, dann werden Sie feststellen, dass sich die Sittenwidrigkeitvon Löhnen in Deutschland signifikant verändernwird. Derzeit wird Sittenwidrigkeit im Durchschnittdann festgestellt, wenn Löhne von unter 60 Prozent gezahltwerden.(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Bei 3 Euro also2 Euro!)Wenn ein Architekt, der durchschnittlich einen Verdienstvon 4 000 Euro im Monat hat, zu einem Gehalt in Höhevon 2 050 Euro beschäftigt wird, dann wäre das nachdem jetzigen Gesetz sittenwidrig. Wenn Sie aber einengesetzlichen Mindestlohn einführen, dann ist das nichtmehr sittenwidrig. Das ist letztendlich ein Programm zurLohndrückerei(Widerspruch bei der LINKEN sowie beiAbgeordneten der SPD)insbesondere in Facharbeiterkreisen. Das möchte ich Ihnennoch ins Stammbuch schreiben.(Lachen bei Abgeordneten der SPD)Deshalb bin ich davon überzeugt, dass der von unseingeschlagene Weg, Lohnuntergrenzen von den Tarifparteienfestlegen zu lassen(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir auch!)und diese dann für allgemeinverbindlich zu erklären, imSinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und imSinne einer wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft der bessereWeg ist.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Kollege Straubinger. – Nächste Rednerinist für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere KolleginFrau Gabriele Lösekrug-Möller. Bitte schön, FrauKollegin.(Beifall bei der SPD)Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LieberKollege Straubinger, Ihre Rede bestand zu 100 Prozentaus Ideologie.(Max Straubinger [CDU/CSU]: Was? – JörnWunderlich [DIE LINKE]: Ein bisschenDummheit war auch dabei!)Ich finde, dafür ist das Thema nun wirklich ein bisschenzu schade.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derLINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ichbin doch ideologiefrei!)Ich habe hier das erste Blatt eines wunderbaren Papiersmitgebracht. Dabei handelt es sich um – einschlägig Bewanderteerkennen es an der Farbe – um eine Drucksacheaus dem Bundesrat, und zwar die Drucksache 136/13.Dies ist ein Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen,Schleswig-Holstein und, liebe KolleginPothmer, auch Niedersachsen.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Dieser Gesetzesantrag ist ganz eindeutig, weil in ihm fürein klares Problem eine eindeutige Lösung vorgeschlagenwird.(Max Straubinger [CDU/CSU]: Pure Ideologie!– Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Pure Ideologie,genau!)(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27951Gabriele Lösekrug-Möller(A)(B)Herr Straubinger, ich frage mich: Was müssen eigentlichdie Gewerkschaften über diese Mehrheitsfraktionenund über diese Regierung denken, wenn sie von Ihnenals Kronzeuge gegen einen gesetzlichen Mindestlohnmissbraucht werden? Ich will Ihnen sagen: Das ist eineganz dreiste Nummer.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Ich kenne keine Einzelgewerkschaft, die Ihre Haltungteilt. Selbst der DGB betreibt seit langem – aus gutenGründen – eine große Initiative für einen gesetzlichenMindestlohn. Und dann stellen Sie sich hierher und sagen:„Es lebe die Sozialpartnerschaft!“,(Max Straubinger [CDU/CSU]: Jawohl! Sehrgut!)und: „Die Gewerkschaften machen das richtig“.(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Gewerkschaftenschließen doch permanent Tarifverträge!Was hat das denn damit zu tun?)Die Gewerkschaften machen es insofern richtig, weil sieeinen gesetzlichen Mindestlohn fordern, damit sie dannmit voller Kraft, Herr Kolb, ihrer Tarifvertragshoheitnachkommen können. Genau darum geht es. Was Sieuns hier an Logik bieten, das taugt überhaupt nichts.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN – Zuruf des Abg. AlexanderSüßmair [DIE LINKE])Wie wir gerade gehört haben, sind in der BundesrepublikDeutschland 29 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtigbeschäftigt. Tatsache ist: 6,1 MillionenBeschäftigte – die Zahl wurde genannt – warten auf einengesetzlichen Mindestlohn; sie würden von einemMindestlohn von 8,50 Euro definitiv profitieren. DieseMenschen lassen Sie im Regen stehen.(Beifall bei der SPD sowie der Abg. BrittaHaßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])Übrigens würden die unter 25-Jährigen von diesem Mindestlohnüberproportional profitieren: Jeder Zweite vonihnen würde von einem Mindestlohn von 8,50 Euro profitieren.(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn sie dannnoch einen Arbeitsplatz hätten!)Ich kann nur sagen: Liebe junge Leute, wartet nichtmehr auf diese Regierung! Sie wird euch im Regen stehenlassen; denn es ist eindeutig, dass sie das, was richtigwäre, nicht will.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derLINKEN)Ich weiß, dass Sie – das werden in Folge auch derKollege Vogel und andere tun – immer darauf rekurrieren,in wie vielen Branchen Sie die Einführung einesMindestlohns erreicht haben.(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja!)Da sage ich: Das ist gut; aber das ist weniger als diehalbe Miete, und dieser Prozess zieht sich schon übereine lange Zeit hin.Bei den Lösungsvorschlägen, die jetzt von Ihrer Seitediskutiert werden, ergibt sich auch folgendes Problem:Ist man in der falschen Branche und wohnt und arbeitetman in der falschen Region, hat man doppelt Pech gehabt;dann steht man da, und gar nichts hilft. Ich fragemich: Interessieren Sie diese Menschen nicht? – Ich bingespannt auf Ihre Antwort.Im Zusammenhang mit der Debatte, die wir heuteMorgen über die Fragen geführt haben, wie es sich eigentlichmit Wohnen in Deutschland verhält, wer sichdas noch leisten kann, wer ordentliche Wohnungen bekommtund was diese Regierung eigentlich dafür getanhat – gar nichts hat sie übrigens getan –, ist mir aufgefallen,dass die Koalition jetzt folgende drei Stücke auf denSpielplan gesetzt hat:Sie versprechen Verbesserungen beim Wohngeld undauch beim sozialen Wohnungsbau. Das sind allerdingsnichts als Ankündigungen.(Max Straubinger [CDU/CSU]: In Münchenmüssen die Leute zahlen, weil die rot-grüneStadtverwaltung es nicht möglich macht,Wohnraum zu schaffen!)Auf den Spielplan kommt nach meinem Eindruckauch die halbierte doppelte Staatsbürgerschaft. Das istder Akt, den die FDP auf die Bühne bringen wird; dieProben dazu haben schon begonnen.(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Als Regisseurinhaben Sie aber nicht viel Talent, Frau Kollegin!)Für Ihre Ansagen in puncto Lohnuntergrenze, HerrKolb, können sich jene, die schon lange darauf warten,für ordentliche Arbeit endlich einen ordentlichen Stundenlohnzu bekommen, nichts kaufen.Das ist dreimal schlechtes Theater von dieser Regierungund diesen Fraktionen. Ich finde, das ist eine Zumutung.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner fürdie Fraktion der FDP unser Kollege Johannes Vogel.Bitte schön, Kollege Johannes Vogel.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DerKollege Schiewerling hat eben auf die Ausgangslage derDebatte hingewiesen. Die Ausgangslage ist doch, dasssich der deutsche Arbeitsmarkt in eine Richtung entwi-(C)(D)


27952 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Johannes Vogel (Lüdenscheid)(A)ckelt, über die wir alle froh sein sollten: rekordniedrigeArbeitslosigkeit, Rekordstand bei der Beschäftigung,(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Bei Werkverträgen zum Beispiel!)niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa. Auchdie Qualität der Arbeit, liebe Kolleginnen und Kollegenvon der Opposition, geht in die richtige Richtung. DerNiedriglohnsektor ist zuletzt geschrumpft, und die Einkommensungleichheitnimmt in Deutschland seit 2006nicht mehr zu.Das ist die Ausgangslage. Deshalb ist es doch richtig,zu überlegen: Wie erhalten wir diese Ausgangslage undverbessern die Lage noch, ohne Perspektiven zu zerstören?Ich denke, darüber sollte doch Einigkeit bestehen.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Deshalb sage ich ganz ehrlich: Ihre Forderung, liebeKolleginnen und Kollegen von der Opposition, eineneinheitlichen flächendeckenden Mindestlohn einzuführen,(Klaus Ernst [DIE LINKE]: So, wie ihn dieLeute wollen!)überzeugt mich nicht;(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Deshalb seid ihrbei 4 Prozent!)wir konnten ja heute wieder erleben, wohin das führt. Siealle schlagen ja auch vor, dass die Politik dann dieUntergrenze dieses einheitlichen Mindestlohns definierensoll.(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Einmaligund die Steigerung durch die Kommission!– Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie doch einmalden Antrag des Bundesrates! Da steht das ganzanders drin!)Wohin das führt, hat der Kollege Ernst hier im DeutschenBundestag in der Einleitung dieser AktuellenStunde doch wieder deutlich gemacht. Lieber KollegeErnst, das ist ja Ihr gutes Recht; aber Sie mögen mir verzeihen,dass ich ganz ehrlich bekenne: Lohnfindungdurch den Deutschen Bundestag, angetrieben durchKlaus Ernst hier im Plenum, das will ich nicht. Das zerstörtdie Perspektiven der Menschen.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU – Brigitte Pothmer [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will doch garkeiner! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht dagar nicht drin! Das will keiner! – JörnWunderlich [DIE LINKE]: Warum erstauntmich das nicht?)Ich fand interessant, was die Kollegin Lösekrug-Möller gesagt hat. Sie hat behauptet, dass gerade jungeLeute von einem gesetzlichen Mindestlohn profitierenwürden, und sie hat gesagt, wir sollten das Ganze ohneIdeologie betrachten.(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ah ja!)Ich finde, das ist eine gute Überlegung. Deshalb solltenwir doch ernst nehmen, was uns die OECD gerade wiedereinmal aufgeschrieben hat. Die OECD – nicht dieseRegierung, nicht die Koalition – sagt: Die Länder, die eineneinheitlichen flächendeckenden Mindestlohn haben,stehen gerade hinsichtlich der Jugendarbeitslosigkeit erheblichschlechter da. Das sehen Sie an dieser Grafik.(Abg. Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]hält ein Schaubild hoch)Diese Grafik ist nicht von uns, sondern von der OECD.Sie sehen hier, dass die Schere zwischen den Ländern,die einen einheitlichen flächendeckenden Mindestlohnhaben, und den Ländern, die ihn nicht haben, auseinandergeht,und zwar zulasten der Perspektiven der jungenMenschen. Hier sollten wir doch auf der Seite der Perspektivenfür die jungen Menschen sein.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Liebe Frau Kollegin Pothmer, das gilt übrigens nichtnur für uns, sondern zum Beispiel auch für unsere Nachbarnin Österreich oder im Norden, in Skandinavien.(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Die haben alle vergleichbare Lösungen!Da gibt es einen flächendeckenden Mindestlohn!)Sie haben auch keinen einheitlichen flächendeckendenMindestlohn, sondern gehen über die Tarifpartnerbranchendifferenziert vor.(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Flächendeckende Tarifbindung! –Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Über die flächendeckendeTarifbindung! Die haben wir aber nichtmehr!)Das ist genau der Weg auch dieser Koalition; dennwir wollen natürlich faire Löhne. Wir wollen auch, dassdas Prinzip der Leistungsgerechtigkeit vorherrscht. Wirwollen alle Dumpinglöhne verhindern. Deshalb ist esauch richtig, Lohnuntergrenzen einzuziehen. DieseLohnuntergrenzen müssen aber Branche für Branche geschaffenwerden – im Einklang mit der Tarifautonomie.Dann verbinden wir nämlich Einstiegschancen für dieMenschen, soziale Ausgewogenheit und ordentliche,faire Bezahlung für alle. Diesen Weg sollten wir weitergehen.(Beifall bei der FDP)Diese Koalition hat das auch schon getan. Ich wurdeja eben von der Kollegin Lösekrug-Möller dazu aufgefordert,noch einmal zu sagen, was diese Koalition imBereich Mindestlöhne eigentlich getan hat.(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das kann mannicht oft genug sagen!)Ich kann sagen: Für über 2 Millionen Menschen hatdiese Koalition neue, branchenbezogene Mindestlöhneim Einklang mit der Tarifautonomie ermöglicht. Dasführt dazu, dass mittlerweile 4 Millionen Menschen inDeutschland in Branchen arbeiten, in denen es dieseMindestlöhne gibt – aber eben branchendifferenziert undim Einklang mit der Tarifautonomie.(C)(B)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27953Johannes Vogel (Lüdenscheid)(A)(B)Ich glaube, es ist richtig, diesen Weg weiterzugehen.Deshalb ist es auch richtig, wie das der Kollege Kolbschon gesagt hat, dass wir jetzt in der Koalition überweiteren politischen Anpassungsbedarf sprechen, umauf diesem Weg voranzukommen. Das ist der bessereWeg, als sich hier in Wahlkämpfen mit politischen Mindestlohnforderungenzu überbieten,(Anette Kramme [SPD]: Auch außerhalb vonWahlkämpfen!)wie Sie das tun, liebe Kolleginnen und Kollegen von derOpposition.(Beifall bei Abgeordneten der FDP)Nur ein Punkt zum Abschluss, Frau KolleginPothmer, weil Sie uns als Koalition in dieser Debattedurchaus angegangen sind, was auch Ihr gutes Recht alsOpposition ist.Sie kommen aus Niedersachsen, ich komme ausNordrhein-Westfalen. Ich will nur sagen: Wenn Sie, wieuns alle, sehr niedrige Löhne, Dumpinglöhne, umtreiben,die wir alle nicht wollen, dann wäre es schön, wennSie vielleicht im ersten Schritt vor der eigenen Haustürkehren würden. Wir alle haben Berichte darüber gesehen,dass zum Beispiel Ihre Fraktionsvize Frau BärbelHöhn in Nordrhein-Westfalen für den Wahlkampf Mitarbeiterfür Stundenlöhne von 4 Euro sucht.(Sebastian Blumenthal [FDP]: 4 Euro!)Ich glaube, das ist nicht überzeugend. Vielleicht klärenSie das erst einmal intern bei den Grünen, bevor wirhier die nächste Debatte führen, in der Sie uns von derKoalition Vorwürfe machen.Vielen Dank.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das ist eine Diffamierung! WelcheStundenlöhne zahlen Sie denn den Praktikanten?Absolut keine!)(Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L.Kolb [FDP]: Also Branchenmindestlöhne! Dasist etwas anderes, als Sie wollen! Das sindbranchendifferenzierte und regional differenzierteLöhne!)Mindestlöhne einzuführen, ist anscheinend hier inDeutschland superschwierig. Zum einen können wir fürRettungsschirme ganz schnell Milliarden Euro verteilen,zum anderen sind Mindestlöhne plötzlich eine Jahrhundertaufgabe.Es gibt aber Beispiele aus anderen Bereichen dafür– da bitte ich die Damen und Herren von der FDP, gutzuzuhören, Herr Kolb –, dass derartige Regelungenfunktionieren, und zwar sehr gut funktionieren:(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Ja,sagen Sie mal!)Beispiel Bundesurlaubsgesetz. Das Bundesurlaubsgesetz– das ist im Grunde genommen nichts anderes alsein Mindesturlaubsgesetz, und es gilt für alle, also keinUnterschied zwischen Ost und West – legt 20 Arbeitstagefest. Das sind vier Wochen. Der Tarifvertrag sagt inder Regel 30 Arbeitstage. Das sind im Grunde sechsWochen.Ein anderes Beispiel ist die Arbeitszeit. In unserenGesetzen stehen 48 Stunden. Der Tarifvertrag sagt 35 bis40 Stunden.(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Worauf wollenSie denn hinaus?)– Ja, hören Sie zu! Gesetze, Herr Kolb, legen schonheute Mindest- und Höchststandards fest, und das einvernehmlichund erfolgreich.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Nach Tarifvertrag gibt es zusätzliches Urlaubsgeld,zusätzliches Weihnachtsgeld, nach Gesetz nicht.(Zuruf von der LINKEN: Richtig!)Das sind Beispiele dafür, meine Damen und Herren,dass die Kombination von Tarifvertrag und Gesetz wunderbarfunktioniert.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Nur die FDP begreift das anscheinend nicht.Gesetze sind die Basis und so etwas wie die Untergrenze,Tarifverträge sind eigentlich on top.Wenn Sie etwas machen wollen, dann tun Sie den Gewerkschaften,die Sie ja im Grunde für ihre Arbeit immerloben, doch den Gefallen und führen Mindestlöhneein, damit es Gewerkschaften in Zukunft bei dem, wassie vorhaben, einfacher haben und nicht schwerer.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]:Schade, dass man keine Zwischenfrage stellenkann! Mir würde eine einfallen!)(C)(D)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Kollege Vogel. – Nächste Rednerin inunserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion Die Linkeunsere Kollegin Frau Jutta Krellmann. Bitte schön, FrauKollegin Krellmann.(Beifall bei der LINKEN)Jutta Krellmann (DIE LINKE):Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Lieber Herr Straubinger, ich möchtegerne die bayerische Verfassung zitieren, und zwar ganzkonkret den Art. 169 Abs. 1. Darin ist geregelt:Für jeden Berufszweig können Mindestlöhne festgesetztwerden, die dem Arbeitnehmer eine den jeweiligenkulturellen Verhältnissen entsprechendeMindestlebenshaltung für sich und seine Familieermöglichen.Irgendwie stehen Sie nicht auf dem Boden Ihrer Verfassung.


27954 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Jutta Krellmann(A)(B)Ziel der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze war es,einen Niedriglohnbereich zu etablieren. Minijobs,Leiharbeit, Befristungen, Hartz IV und der Zwang, jedeArbeit annehmen zu müssen, haben dazu geführt, dassmittlerweile über 20 Prozent der Vollzeitbeschäftigtenim Niedriglohnsektor arbeiten. Ich persönlich hätte niemalsgeglaubt, dass es in Deutschland jemals so weitkommen kann.Frauen sind davon besonders betroffen. Mein KollegeKlaus Ernst hat Beispiele genannt. Ich will das noch umein Beispiel aus dem Pflegebereich ergänzen. Es gibtzwar einen Pflege-Mindestlohn – na toll! –, aber er giltnicht für die hauswirtschaftliche Versorgung.In der Leiharbeit haben wir einen Mindestlohn – natoll! – von 8,19 Euro. Die Leiharbeiter müssen abertrotzdem aufstocken. Das kann doch wohl nicht wahrsein! Das ist doch nicht richtig so.(Beifall bei der LINKEN)Ich möchte gern ein Beispiel aus einer Broschüre vonVerdi und NGG vorlesen, das – wie ich finde – sehrtypisch ist, und zwar von einer Verkäuferin, die in solcheiner Situation arbeitet.Als Verkäuferin in einer Fleischerei muss ich meistens10 Stunden täglich arbeiten (Brutto-Stundenlohn:5,75 Euro). Ich lebe zur Miete mit meinemKind. Ohne das monatliche Kindergeld und denUnterhalt für mein Kind wäre ein Überleben nichtmöglich – ganz zu schweigen davon, sich auch malwas leisten zu können. Urlaub war seit 20 Jahrennicht drin. Ich bin für einen Mindestlohn, um dasLeben wieder lebenswert zu machen.Das ist ein konkretes Beispiel.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Die Frauen, die im Grunde genommen auf Mindestlohnangewiesen sind, müssen sich fragen: Wer blockierteigentlich die Einführung eines Mindestlohns hier inDeutschland? Warum geht das in Deutschland nicht? –Weil die FDP das nicht will? Weil die Arbeitgeberverbändedas nicht wollen? Weil die CDU lieber einenFlickenteppich über unser Land ausbreitet? – 20 von27 europäischen Ländern haben bereits einen Mindestlohn.Die sind doch nicht alle blöd; die wissen doch, wassie da gemacht haben!(Beifall bei der LINKEN – Maria Michalk[CDU/CSU]: Wir haben ein anderes Sozialsystem!)Mindestlöhne wurden in den meisten EU-Ländern inden letzten Jahren erhöht – nicht in den südeuropäischenLändern; da wurden sie durch den Druck des EU-Spardiktats reduziert. Deutschland ist mittlerweile dasreichste Land in der EU. Diskussionen über „zu hoch“und „zu teuer“ sind richtig lächerlich. Durch ständigesWiederholen wird das auch nicht richtig.(Beifall bei der LINKEN)Wir, die Linke – mein Kollege Klaus Ernst hat dasschon gesagt –, wollen einen flächendeckenden Mindestlohnin Höhe von 10 Euro, und zwar in Ost undWest. Es darf keinen Unterschied zwischen Ost undWest geben.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)Ein solcher Unterschied wäre nach über 20 Jahren deutscherEinheit nicht richtig und ein völlig falsches Signalan die Menschen, die hier in Deutschland leben.Also: Packen wir es an! Setzen wir es durch! Ichwürde mich unheimlich freuen.(Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L.Kolb [FDP]: Und was ist mit der Kommission,die Sie wollen?)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Frau Kollegin Krellmann. – NächsteRednerin für die Fraktion der CDU/CSU ist unsere KolleginFrau Maria Michalk. Bitte schön, Frau KolleginMichalk.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Maria Michalk (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!Verehrte Damen und Herren! Noch einmal dieFrage: Warum arbeiten die Menschen eigentlich? Warumarbeite ich? Diese Frage stellen sich zunehmend mehrMenschen in unserem Land. Ich will das einmal von dieserSeite beleuchten. Ist es das Vergnügen oder vielleichtdas Bedürfnis, mit anderen Menschen etwas gemeinsamzu machen, sich einzubringen, sich zu verwirklichen?Oder ist es eine ganz normale Notwendigkeit unseresMenschseins, seine Brötchen selbst zu verdienen, um eingutes persönliches Leben oder den Lebensunterhalt derFamilie zu sichern? Oder arbeiten wir, weil es ganz einfachzum Leben dazugehört, Freude bereitet und damitwir nicht aus Langeweile auf dumme Gedanken kommen?(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)All diese Fragen beschäftigen immer wieder Menschen.Wir sind uns doch einig: Die Mischung aus allen dreiGesichtspunkten ist es, die unsere Arbeitswelt zusammenhält.Nehmen wir als Beispiel einen Bäcker. Er backt seineBrötchen nicht, weil er Mitleid mit Menschen hat, dieHunger haben. Vielmehr macht er es, weil er seineschmackhafte Ware verkaufen will und muss, weil erGeld verdienen muss, weil er seine Familie ernährenmuss und weil er seinen Mitarbeitern Lohn zahlen muss.Wenn er am Ende des Tages Brötchen übrig hat, dannschmeißt er diese nicht weg, sondern gibt sie vielleichteiner Tafel, um sozial Bedürftigen zu helfen. Bis vorkurzem war es noch so: Obwohl er nichts eingenommenhatte, musste er auf die Abgabe an die Tafel Umsatzsteuerzahlen. Das haben wir geändert. Das ist gut so;das ist nun geklärt. Ich erwähne das nur, um deutlich zu(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27955Maria Michalk(A)machen, dass es viele Details in dieser Frage gibt, dienicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, die aber denUnternehmen vor Ort zum Teil das Leben ziemlichschwer machen.Fakt ist: Der Bäcker muss seine Ware zu einem Preisverkaufen, dass unter dem Strich für seine Angestelltendie Lohnzahlung möglich ist und er auch noch investierenkann.Der Lohn kommt vom Kunden. Das ist ein ewig geltenderund richtiger Satz. Unser Kaufverhalten ist einElement in dieser Diskussion; denn wir beeinflussen mitunserem Kaufverhalten, ob Waren abgegeben undordentliche Löhne gezahlt werden können. Ein auskömmlichesEinkommen durch seiner eigenen Händeoder seines Kopfes Arbeit zu haben, ist keine Gier – darinsind wir uns sicherlich einig –, sondern eine Selbstverständlichkeit.Dass aber immer noch viele Menschenin unserem Land zu Bedingungen arbeiten, die ihnenkein gedeihliches Auskommen ermöglichen und sie zuAufstockern werden lassen, ist wahr und vielfach nichtdie Schuld der Betreffenden, sondern ist der Tatsache geschuldet,dass manche Zeitgenossen in unserem Landsich auf Kosten der Mitarbeiterschaft überdimensionierteGewinne öffentlich fördern lassen.(Beifall bei der SPD)Auch darin sind wir uns einig: Löhne sind selbstverständlichein Wettbewerbselement. Aber gute Mitarbeiter,wirkliche Facharbeiter, Experten in ihrem Fachsind zunehmend gefragte Leute und haben auch ihrenPreis. Das haben viele Unternehmer in unserem Land erkanntund ihr Verhalten geändert. Manche Zeitgenossenhaben das noch nicht getan. Diese werden einen Preisdafür zahlen. Dieses Element dürfen wir in der Debattenicht vernachlässigen.Ich will kurz das Beispiel der Pflegedienste aufgreifen.Es ist klar: Wenn zum Beispiel ambulante Pflegedienstekeine Mitarbeiter mehr bekommen, weil Mitbewerberhöhere Löhne zahlen und die Menschen ganzselbstverständlich die Arbeit dort aufnehmen, wo siebesser verdienen können, dann liegt die Antwort dochauf der Hand.Wenn gerade in diesem Bereich bei gleichen Pflegeversicherungsbeiträgenimmer noch unterschiedliche Tarifein Ost und West ausgehandelt werden, dann ärgertmich das. Das ist ein Appell an die Tarifpartner, an dieserStelle zu reagieren, aber nichts vorzuschreiben.Weil der Dialog zwischen den Tarifpartnern so wichtigist, ist der von uns gewählte Weg, von dem Sie heuteschon mehrmals gehört haben und den Sie hoffentlichauch verinnerlicht haben, genau der richtige Weg, weilim Dialog der Partner die regionalen Besonderheiten,aber auch die speziellen Notwendigkeiten des Fachgebietsberücksichtigt werden können, weil eben der Bäckerkein Schneider ist.Aufgrund der Tatsache, dass 1,4 Millionen Menschenin Deutschland weniger als 5 Euro in der Stunde verdienen– das ist heute schon gesagt worden –, nehmen wirdas Thema ernst und haben einen Weg vorgeschlagen,den wir weitergehen werden. Ich persönlich bin mirziemlich sicher, dass das zwar ein kompliziertes Verfahren,aber der richtige Weg ist, den wir weitergehen werden.Vielen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)(C)(B)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Frau Kollegin Michalk. – Nächster Rednerfür die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser KollegeHubertus Heil. Bitte schön, Kollege Hubertus Heil.(Beifall bei der SPD)Hubertus Heil (Peine) (SPD):Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnenund Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!Diese Debatte gibt Anlass, über das zu reden, wasdas Wesen unserer sozialen Marktwirtschaft einmal warund sein soll. Was macht eigentlich unsere Wirtschaftsordnungaus, die wir dem Grunde nach befürworten unddie über Jahrzehnte hinweg in Deutschland eine großeAkzeptanz hatte? Was macht eigentlich die heutige Zeitmit der Unterstützung dieser marktwirtschaftlichen undsozialen Ordnung?Ich glaube, dass das Element der Leistungsgerechtigkeitzur Marktwirtschaft dazugehört.(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Ja!)Ich frage Sie, ob es leistungsgerecht ist, wenn 6,1 MillionenErwerbstätige in diesem Land weniger als 8,50 Europro Stunde verdienen.(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Wo istdenn da die Quelle?)Ich frage Sie, welche Auswirkungen das hat auf die Motivationder Kinder von Eltern, die hart arbeiten und sicham Ende des Tages ergänzendes Arbeitslosengeld II vomStaat abholen müssen.(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was will denndie SPD?)Was ist das für ein Vorbild für junge Menschen, denenwir sagen, dass sie sich im Leben anstrengen müssen,damit aus ihnen etwas wird und sie einen gerechten Anteilam Wohlstand haben? Welche Auswirkungen hat dasauf Ihre Argumentation, die nicht falsch ist, dass wir einenAbstand zwischen sozialen Transfers und Einkommenbrauchen?Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dassman das Existenzminimum bei der Berechnung des Regelsatzesnicht künstlich herunterrechnen darf, wie Siees immer wieder versucht haben. Wenn Sie tatsächlicheinen Lohnabstand haben wollen, geht das nur über einenMindestlohn – ich füge hinzu: über einen gesetzlichenMindestlohn.Neben Leistungsgerechtigkeit geht es in dieser Debatteauch um die Frage des sozialen Ausgleichs und derTeilhabe am Wohlstand in diesem Land. Auch das ist immerein Kennzeichen der sozialen Marktwirtschaft ge-(D)


27956 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Hubertus Heil (Peine)(A)(B)wesen. An dieser Stelle sollten Sie sich an das Credo vonLudwig Erhard „Wohlstand für alle“ – und nicht für wenige– erinnern. Was das angeht, ist in diesem Land etwasaus den Fugen geraten.(Beifall bei der SPD)Schauen wir uns einmal den Armuts- und Reichtumsberichtder Bundesregierung an,(Anton Schaaf [SPD]: Der ist doch gefälscht! Dengucke ich mir nicht mehr an!)der aufzeigt, wie Einkommen und Vermögen in diesemLand auseinandergehen. Im Übrigen versuchen Sie aufIntervention von Herrn Rösler, diesen Tatbestand ausdem Bericht zu tilgen und damit der Öffentlichkeit dieWahrheit vorzuenthalten.(Zuruf von der FDP: Du hast ihn gar nicht gelesen!)Deshalb müssen wir uns darüber unterhalten, wie wirin diesem Land eine gerechtere Teilhabe und Leistungsgerechtigkeitorganisieren. Dabei geht es um Fragen derSteuer- und Abgabenpolitik und darum, wie man diesegerecht, vernünftig und wirtschaftlich gestaltet. Die primäreVerteilung des Wohlstands erfolgt in diesem Landaber über die Lohnentwicklung.Über Jahre und Jahrzehnte hinweg haben die Sozialpartnerim Rahmen der Tarifautonomie das Richtige gemacht.Wir müssen aber feststellen, dass das in vielenBereichen heute nicht mehr funktioniert, weil Tarifbindungennachgelassen haben, weil in einzelnen Branchenimmer weniger Menschen in Gewerkschaften organisiertsind und weil zum Teil Arbeitgeber aus Arbeitgeberverbändenausgetreten sind. Das ist der Grund, warum wirin Deutschland eine Debatte über die neue Ordnung amArbeitsmarkt brauchen.Die Tarifautonomie ist richtig und wichtig. Die Tarifautonomieund die Sozialpartnerschaft müssen gestärktwerden, aber nicht in Sonntagsreden, sondern in einemvernünftigen Ordnungsrahmen, den wir für Lohnfindungsprozessein diesem Land brauchen.(Beifall bei der SPD)Deshalb sage ich: Es ist gut und richtig, dass tarifvertraglicheLösungen Vorrang haben. Herr Kolb, wenn Siesich rühmen, dass Sie in einigen Branchen Mindestlöhneeingeführt hätten,(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Stimmt!)dann kann ich Ihnen sagen, dass ich mich noch gut daranerinnern kann, wie wir Ihnen in zähen Verhandlungen jedeneinzelnen abringen mussten. So viel zu dem Thema,wie Sie politisch manipulierend mit Tarifverträgen indiesem Land umgegangen sind.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Meine Damen und Herren, neben Leistungsgerechtigkeit,sozialem Ausgleich und Motivation in einer sozialenMarktwirtschaft geht es nicht zuletzt um fairen Wettbewerbin der Wirtschaft. Ich kenne sehr viele anständigeUnternehmer in diesem Land, die ihren Betrieb ordentlichführen – oft sind es familiengeführte mittelständischeUnternehmen –, die sich bemühen, die persönlicheRisiken eingehen und die motivierte Kolleginnen undKollegen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habenwollen, die die Menschen anständig behandeln und bezahlen.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)Aber es sind gerade diese Unternehmer, die anständigenUnternehmer – das ist die große Mehrheit –, die vonDumpingkonkurrenz bedroht werden,(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)die von Dumpingkonkurrenz unterboten werden. Im Interesseeines fairen Wettbewerbs, auch im Interesse fairerUnternehmensführung, im Interesse anständiger Kaufleutein diesem Land brauchen wir einen Ordnungsrahmen,der fairen Wettbewerb ermöglicht und nicht eineAbwärtsspirale auslöst, wie wir sie leider haben.(Beifall bei Abgeordneten der SPD und desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Deshalb sage ich Ihnen: Aus Gründen der sozialenGerechtigkeit, aus Gründen der finanzpolitischen Verantwortung– weil unser Staat im Übrigen durch dieEntwicklung, die Sie zugelassen haben, immer mehr anergänzendem Arbeitslosengeld II für aufstockende Leistungzahlen muss –(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das Aufstockenhat doch die SPD mit Generalsekretär Heileingeführt!)und aus Gründen eines fairen Wettbewerbs in der Marktwirtschaftbrauchen wir auch den gesetzlichen Mindestlohnin diesem Land.Lassen Sie mich abschließend sagen: Die ordnungspolitischeVorstellung, die hinter Ihrer Vorstellungsteckt, Herr Kolb, mit Staatsgeld Lohnbewirtschaftungüber aufstockende Leistungen zu gewähren, hat mitmarktwirtschaftlichem Verständnis nichts zu tun und mitliberaler Politik schon gar nichts.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Das lassen Sie sich einmal sagen.(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die SPD hat’sgemacht!)Das ist eine Form von Subventionsmodell, die Sie eingeführthaben. Die anständigen Menschen in diesem Land,die ordentlich Steuern zahlen, müssen nach Ihrem ModellNiedriglöhne durch Steuerzahlungen aufstocken.Das ist finanzpolitisch unsinnig, das ist ordnungspolitischfragwürdig, und das hat mit sozialer Marktwirtschaftnichts zu tun.(Beifall bei Abgeordneten der SPD – MaxStraubinger [CDU/CSU]: Sie wollen das französischeModell!)(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27957Hubertus Heil (Peine)(A)(B)Ich sage meinen Kolleginnen und Kollegen von derCDU/CSU – die Hoffnung auf die FDP habe ich an dieserStelle nicht –: Ich habe mit Interesse verfolgt, was Sie aufIhrem Parteitag diskutiert haben. Ich habe die Hoffnunggehabt, dass man zu Ihnen mit Schiller – Wallenstein, ersterAufzug, erster Akt – sagen kann: Spät kommt Ihr– doch Ihr kommt! – Ich habe mir dann allerdings anschauenmüssen, was Sie tatsächlich entwickelt haben.Dazu kann ich Ihnen sagen: Mit Mindestlohn hat das, wasSie vorschlagen, wirklich nichts zu tun.(Maria Michalk [CDU/CSU]: Doch!)Das ist weiße Salbe, die Sie hier vor der Wahl verteilen.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Offensichtlich müssen Sie erst Wahlen verlieren, um dazuzulernen.Morgen wird der Bundesrat über eine Initiative vonRheinland-Pfalz mit Unterstützung der großen Mehrheitder Länder Ihnen die Gelegenheit geben, sich zu bekennen:Wollen Sie einen gesetzlichen Mindestlohn, ja odernein? Alles andere ist Spiegelfechterei. Ich bitte Sie: GebenSie sich einen Ruck! Sie haben sich auch in anderenPositionen an sozialdemokratische Politik angepasst.Auch in diesem Punkt besteht dazu Gelegenheit.Herzlichen Dank.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Kollege Hubertus Heil. – Nächster Rednerfür die Fraktion von CDU und CSU ist unser KollegeDr. Matthias Zimmer. Bitte schön, Kollege Dr. Zimmer.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Ich habe die Rede von Klaus Ernst mit großer Faszinationverfolgt.(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wirauch!)Verfolgt habe ich auch die Freiluftübungen, die er hiermacht, nachdem der Sauerstoff hier vorne etwas knappgeworden ist.Lieber Herr Ernst, eines kann ich Ihnen so nichtdurchgehen lassen: Sie wollen einen Mindest-Mindestlohnnicht unter 10 Euro. Heute lese ich im Wirtschaftsdienstiwd, dass Ihr Kollege Bartsch gesagt hat: Wirwären auch mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro zufrieden.(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das hater nicht gesagt!)– Hat er wohl gesagt. So ist das im iwd zitiert.(Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])Lieber Herr Ernst, das ist doch genau der Punkt, mitdem wir immer argumentieren: dass bei Ihnen Mindestlohnhöhenvon politischen Opportunitäten geprägt sindund nicht von dem, was in der Wirtschaft los ist.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der KollegeErnst hat es erklärt! – Max Straubinger[CDU/CSU]: Je nachdem, wo sie gerade sind!)Meine Damen und Herren, wir haben in den vergangenenJahren eine ganze Reihe von Branchenmindestlöhnendurchgesetzt. Insgesamt haben wir im Momentzwölf Branchenmindestlöhne in der BundesrepublikDeutschland.(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Schlechte!)Ich habe einmal nachgeschaut, wie viele von diesenBranchenmindestlöhnen unter Rot-Grün beschlossenworden sind:(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Sagen Sie dochmal die Höhe!)null; kein einziger.Der Kollege Kolb hat darauf hingewiesen: Es ist Rot-Grün gewesen, das den Niedriglohnsektor eingeführthat. Es ist Rot-Grün gewesen, das die Arbeitsmarktreformenin den Jahren seiner Regierung nach vorne gebrachthat. Dann kann ich mich nur fragen: Haben Sie die möglichenVerwerfungen am Arbeitsmarkt, haben Sie dieFolgen, die das haben kann, nicht gesehen, oder wolltenSie sie nicht sehen?(Anton Schaaf [SPD]: Die Zumutbarkeitsregelnhat der Bundesrat verschärft! Es ist unredlich,so zu reden!)(C)(D)Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichglaube, vorab muss man erst einmal sagen, lieber KollegeHeil: Wenn Sie aus dem Armuts- und Reichtumsberichtder Bundesregierung, den es ja so noch nicht gibt,zitieren,(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Dannauch vollständig! – Anton Schaaf [SPD]: HerrRösler ist ja noch am Streichen!)dann sollten Sie auch sagen, dass sich die Einkommensschereunter unserer Regierung wieder geschlossen hat.Das ist einer der wesentlichen Erfolge unserer Regierung.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Gibt es den Bericht,oder gibt es ihn nicht? – Anton Schaaf[SPD]: Herr Rösler malt ja noch darin herum!Deshalb gibt es ihn nicht! – Gegenruf des Abg.Max Straubinger [CDU/CSU]: Passt nicht inIhr Weltbild!)Ich habe manchmal den Eindruck: Wahrscheinlich habenSie es nicht gesehen. Wahrscheinlich können Sie esnicht. Wahrscheinlich sind Sie auch gar nicht regierungsfähig.Das zeigt sich im Grunde genommen auch bei derBemerkung, die Peer Steinbrück gestern gemacht hat.Ich war schon versucht, Peer Steinbrück ein Duplo zu


27958 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Matthias Zimmer(A)schenken, damit er wenigstens die hohe Kunst der „Duplomatie“lernt. Mit der Diplomatie ist es bei ihm wahrscheinlichzu spät.(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der istgut! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sind Sieein Berlusconi-Freund?)Aber wir mussten auch eine ganze Reihe von Trümmernbeseitigen, um Ihre Arbeitsmarktreformen erheblichzu verbessern. Sie haben sich in der Zwischenzeit,lieber Herr Heil, was diese Arbeitsmarktreformen angeht,aus dem Staub gemacht. Manchmal hat man denEindruck, die besonderen Erkenntnischancen hat Rot-Grün nur, wenn es in der Opposition ist. Wir wollen dafürsorgen, dass Ihnen diese besonderen Erkenntnischancennoch lange gewahrt bleiben.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)Meine Damen und Herren, es könnte aber auch sein,dass Sie die nichtintendierten Folgen Ihres Tuns zwargesehen haben, aber beschlossen haben, sie einfach zuignorieren, dass Sie zynisch gesagt haben: Nach mir dieSintflut; es ist mir egal, was passiert.(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Reden Sie auchmal zur Sache?)Sich dann aber, lieber Herr Heil, als Ritter der sozialenGerechtigkeit aufzuführen, halte ich für unredlich.Ich habe mir einmal angeschaut, wer die Innenausstattungder sozialen Marktwirtschaft in der BundesrepublikDeutschland gemacht hat: Kündigungsschutzgesetz,Bundesurlaubsgesetz, Arbeitszeitgesetz, dynamischeRente, Alterssicherung für Landwirte, Pflegeversicherung,Bundessozialhilfegesetz, Kindergeldgesetz, Erziehungsgeld-und Erziehungsurlaubsgesetz, Vermögensbildungsgesetz,(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die FDP war dabei!)all das hat die Union gemacht. Mit Ihnen geht Hartz IVnach Hause. Von Ihnen lassen wir uns über soziale Gerechtigkeitnicht belehren.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – AntonSchaaf [SPD]: Auweia!)Ein Letztes, meine Damen und Herren: Ich habe dieseBereiche deshalb aufgeführt, weil das alles Gesetzesvorhabensind, die die Union nicht allein gemacht hat, sonderndie wir in Zusammenarbeit mit den Liberalen gemachthaben.(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es, lieberHubertus Heil!)Ich bin mir ziemlich sicher: Wenn sich die Liberalen aufihrem Parteitag entschieden haben, dann werden wir mitihnen auch einen robusten und vernünftigen Mindestlohnin Deutschland einführen, der dann zum Marksteinder Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in Deutschland werdenkann.(Anton Schaaf [SPD]: Dem Herrn Kolb stehenschon Schweißperlen auf der Stirn!)Dazu bedarf es Ihrer fürsorglichen Belagerung nicht.Wir werden von alleine tätig und ein vernünftiges Gesetzauf den Weg bringen.Vielen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)(C)(B)Vizepräsident Eduard Oswald:Liebe Kolleginnen und Kollegen, der KollegeDr. Matthias Zimmer war der letzte Redner in unsererAktuellen Stunde, die damit beendet ist.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a und 5 b auf:a) – Beratung der Beschlussempfehlung und desBerichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)zu dem Antrag der BundesregierungEntsendung bewaffneter deutscher Streitkräftezur Beteiligung an der EU-geführtenmilitärischen Ausbildungsmission EUTMMali auf Grundlage des Ersuchens der Regierungvon Mali sowie der Beschlüsse2013/34/GASP des Rates der EuropäischenUnion (EU) vom 17. Januar 2013 und vom18. Februar 2013 in Verbindung mit denResolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012)des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen– Drucksachen 17/12367, 17/12520 –Berichterstattung:Abgeordnete Philipp MißfelderDr. Rolf MützenichMarina SchusterWolfgang GehrckeKerstin Müller (Köln)– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)gemäß § 96 der Geschäftsordnung– Drucksache 17/12521 –Berichterstattung:Abgeordnete Herbert FrankenhauserKlaus BrandnerDr. h. c. Jürgen KoppelinDr. Gesine LötzschSven-Christian Kindlerb) – Beratung der Beschlussempfehlung und desBerichts des Auswärtigen Ausschusses(3. Ausschuss) zu dem Antrag der BundesregierungEntsendung bewaffneter deutscher Streitkräftezur Unterstützung der InternationalenUnterstützungsmission in Mali unter afrikanischerFührung (AFISMA) auf Grundlageder Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsratesder Vereinten Nationen– Drucksachen 17/12368, 17/12522 –(D)Berichterstattung:Abgeordnete Philipp MißfelderDr. Rolf MützenichMarina Schuster


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27959Vizepräsident Eduard Oswald(A)(B)Wolfgang GehrckeKerstin Müller (Köln)– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)gemäß § 96 der Geschäftsordnung– Drucksache 17/12523 –Berichterstattung:Abgeordnete Herbert FrankenhauserKlaus BrandnerDr. h. c. Jürgen KoppelinDr. Gesine LötzschSven-Christian KindlerZu dem erstgenannten Antrag der Bundesregierungliegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.Über die Beschlussempfehlungen zu beiden Anträgender Bundesregierung werden wir später namentlich abstimmen.Ich weise schon jetzt darauf hin, dass unmittelbarim Anschluss an diese beiden namentlichen Abstimmungeneine weitere namentliche Abstimmung sowieeine Wahl mit Stimmkarte und Wahlausweis auf der Tagesordnungstehen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einer interfraktionellenVereinbarung ist für die jetzige Ausspracheeine Stunde vorgesehen. – Sie sind alle damit einverstanden.Dann haben wir das gemeinsam so beschlossen.Ich eröffne nun die Aussprache. Zunächst hat für dieFraktion der FDP unser Kollege Dr. Rainer Stinner dasWort. Bitte schön, Kollege Dr. Rainer Stinner.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Dr. Rainer Stinner (FDP):Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Bei jeder Entscheidung über die Entsendung von deutschenSoldaten ins Ausland müssen wir im DeutschenBundestag eine sorgfältige Abwägung vornehmen. Wirmüssen uns fragen: Sind unsere Interessen und Werte berührt?Welcher Beitrag wird von uns gefordert? WelchenBeitrag können wir leisten? Können wir das, was wirtun, vor den Kolleginnen und Kollegen im DeutschenBundestag, vor allen Dingen aber auch vor den vielenBürgern in unserem Land verantworten? Deshalb ist esjedes Mal eine sehr genaue Abwägung, was wir tun.In Bezug auf Mali ist für uns, für meine Fraktion, völligklar, dass die dortige Sicherheitssituation, die Möglichkeiteiner regionalen Destabilisierung, auch unseredeutschen Sicherheitsinteressen nachhaltig berührt.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass das inder Bevölkerung nicht überall genauso gesehen wird.Umso wichtiger ist es, dass wir festhalten: Die Tatsache,dass die Gefahr besteht, dass sich in einer weiteren Regiondieser Welt terroristische Kräfte oder jedenfallsKräfte, die etwas Böses wollen, breitmachen, muss unsnatürlich berühren. Nur eine Grenze und das Meer liegenzwischen Mali und der Europäischen Union. Daher müssenwir uns mit diesem Thema beschäftigen.Die Franzosen haben in einer akuten Notsituation gehandelt.Denn es wäre natürlich nicht mehr möglich gewesen,unserer Maßgabe zu folgen, dass eine politischeLösung das Wichtigste ist, wenn die Rebellen drei Tagelänger in Richtung Bamako vorgedrungen wären. Dannhätten wir die ganze Diskussion gar nicht mehr führenkönnen. Die Franzosen haben das getan; ich höre ausdem Deutschen Bundestag, vielleicht mit Ausnahme derLinken, keine Kritik daran. Die Frage ist jetzt: WelchenBeitrag können wir dazu leisten?Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich war schon sehrerstaunt, dass die ersten Überlegungen, die wir angestellthaben, nämlich zwei Transall-Maschinen zur Unterstützungdes Transportes nach Mali zu schicken, von einigenKollegen im Deutschen Bundestag ein bisschen ins Lächerlichegezogen wurden, so als ob das nur Peanutsseien. Nein, nein, niemand kann und wird von uns erwarten,dass wir, wenn eine militärische Aktion anläuft,jemand anderem mit Hurra und ohne Überlegung hinterherlaufen.Das werden wir nicht tun, auch in Zukunftnicht, und das tun wir natürlich auch in diesem Fallnicht.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Das, was wir tun können, ist an drei Kriterien zu messen:Erstens. Was ist notwendig? Zweitens. Was sind unsereFähigkeiten und Kapazitäten? Drittens. Wie lässtsich unser Einsatz in das Gesamtbelastungsprofil desBündnisses einbetten, in dem wir uns verantwortlichfühlen?Insofern finde ich, dass der Beitrag, den wir heute beschließen,genau richtig dosiert ist. Wir haben langeüberlegt: Sollen wir ein Mandat stricken oder es in zweiMandate aufteilen? Wir haben uns völlig zu Recht fürzwei Mandate entschieden. Denn es geht bei den beidenMissionen um völlig unterschiedliche Arten der Unterstützung:erstens um eine regional abgegrenzte Trainingsmissionim Süden von Mali, zweitens um eine Unterstützungsmissionlogistischer Art, die wir im NordenMalis durchführen.Meine Damen und Herren, ich habe von unseren französischenPartnern diesbezüglich keine Kritik gehört.Wir hatten diese Woche im Auswärtigen Ausschuss Kollegenaus dem französischen auswärtigen Ausschuss zuGast. Wir haben ausführlich über das Thema Mali diskutiert.Aber ich habe nicht gehört, dass gesagt wurde: Warumhabt ihr nicht zwei Bataillone, drei Brigaden undvier Divisionen geschickt? Nein, nein, davon war nichtdie Rede. Vielmehr erkennen die Franzosen unseren Beitragdurchaus an.Natürlich wissen wir – das müssen wir im Bundestagdem deutschen Volk deutlich sagen –: Jeder Auslandseinsatzist mit Gefahren verbunden. Es ist unsere Aufgabe,in verantwortlicher Weise dafür zu sorgen, diemöglichen Gefahren für unsere Soldaten bei einem solchenEinsatz zu minimieren, und das tun wir. Sicherlichwerden die Kolleginnen und Kollegen, die nach mirsprechen, auf Details des Einsatzes eingehen.Es geht hier darum, dass Deutschland, das große,wichtige europäische Land, in Zusammenarbeit mitwichtigen europäischen Partnern, hier unter französi-(C)(D)


27960 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Rainer Stinner(A)(B)scher Leitung, einen Beitrag zur Stabilität in einer füruns wichtigen Region leistet. Dieser Beitrag ist verantwortbar,dieser Beitrag wird anerkannt, und er wird offensichtlichdazu führen, dass die Stabilität der betroffenenRegion jedenfalls nicht weiter gefährdet wird,sondern wir im Gegenteil davon ausgehen können, dassauch in dieser wichtigen Region stabile Verhältnisse einkehren.Dazu leisten wir Deutsche mit der heutigen Zustimmungdes Deutschen Bundestages einen wichtigenBeitrag.Herzlichen Dank.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Kollege Dr. Stinner. – Nächster Rednerfür die Fraktion der Sozialdemokraten: unser KollegeDr. Gernot Erler. Bitte schön, Kollege Dr. Gernot Erler.(Beifall bei der SPD)Dr. h. c. Gernot Erler (SPD):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! InMali wird weiter gekämpft. Die bedrohliche Lage imNorden des Landes hält weiter an, trotz der französischenIntervention seit dem 11. Januar 2013. Auch wennder Norden nicht mehr unter der Kontrolle von radikalenund terroristischen Gruppierungen wie AQMI, Ansar al-Din und MUJAO steht, muss das Ziel sein, Mali und dieStaaten der westafrikanischen Gemeinschaft ECOWASsowie Frankreich bei der Wiederherstellung der IntegritätMalis zu unterstützen. Das auch mit bewaffnetenKräften zu tun, steht aufgrund der Sicherheitsratsresolutionen2071 und 2085 aus dem vergangenen Jahr auf einereinwandfreien völkerrechtlichen Grundlage.Hier abseitszustehen und andere die Arbeit machen zulassen oder gar zu riskieren, dass Mali ein Failed State, eingescheiterter Staat, wird oder von dort aus die ganze Sahel-Regiondestabilisiert wird, wäre politisch unverantwortlich.Deswegen wird die SPD-Bundestagsfraktion heutedem Antrag der Bundesregierung zustimmen, im Rahmender Mission EUTM Mali bei der Ausbildung malischerPioniere zu helfen sowie die ECOWAS-MissionAFISMA mit Lufttransport und der Betankung französischerFlugzeuge im Rahmen dieser Mission AFISMA zuunterstützen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kennen die Unberechenbarkeitund Eigengesetzlichkeit militärischerInterventionen. Nichts spricht dafür, dass dies in Maliplötzlich anders sein könnte. So erfreulich der schnelleErfolg der vorrückenden französischen und malischenTruppen war, so wenig überraschend ist es, dass die zunächstvertriebenen Terrorgruppen aus ihren Rückzugsgebietenheraus wieder angreifen und dabei zu den gefürchtetenMitteln der asymmetrischen Kriegsführunggreifen.Die Mali zu Hilfe geeilten Truppen aus dem Tschadhaben dabei schon ernsthafte Verluste erlitten. Vor diesemHintergrund ist jede Prognose über Dauer und Erfolgsperspektivender jetzigen Intervention geradezufahrlässig. Viel wichtiger sind aus unserer Sicht zweiFragen, die wir beantworten müssen:Erstens. Wie konnte es eigentlich dazu kommen, dassein früher für seine Entwicklung häufig gelobtes Landwie Mali plötzlich bewaffnete Hilfe von außen braucht,um weiter zu existieren? Was ist da schiefgelaufen?Wenn wir über eine internationale militärische Interventionsprechen, ist immer etwas schiefgelaufen. Warumgab es keine politische Reaktion, weder von der westafrikanischenStaatengemeinschaft ECOWAS oder der AfricanUnion noch von Frankreich, das bis 1960 Kolonialmachtin Mali war, oder anderen europäischen Staaten,als die drei entscheidenden Spannungs- und Konfliktlinienin Mali immer sichtbarer wurden? Ich meine denKonflikt zwischen den alten Eliten und den Putschisten,die am 21. März letzten Jahres zugeschlagen haben. Ichmeine den Konflikt innerhalb der malischen Armee zwischenInfanterie und Präsidialgarde, und ich meine denNord-Süd-Konflikt, in dessen Verlauf sich die unzufriedenenTuareg unter unseren Augen mit islamistischenGruppen eingelassen und mit ihnen illegalen Handel mitZigaretten, Drogen und sogar Menschen betrieben haben.Übrigens bestehen alle drei Konflikte auch jetzt,nach der aktuellen Intervention, weiter.Oder wieso wussten so viele, wie sich jetzt herausstellt,von den Geschäften des gestürzten PräsidentenAmadou Toumani Touré mit den Tuareg, nach demMotto: „Ich lasse euch bei euren Drogengeschäften inRuhe, wenn ihr dafür eure separatistischen Azawad-Träume zügelt und mich geschäftlich beteiligt“? War esnicht klar, dass hier über kurz oder lang andere Gruppenkommen und den Wunsch haben würden, sich auch andiesen Geschäften zu beteiligen? Heute wissen wir, dassdie so entstandenen Verteilungskämpfe wesentliche Auslöserder aktuellen Krise in Mali waren.Wieso ist eigentlich niemandem im Westen etwasBesseres als Antwort auf den Mali-Putsch eingefallen,als sofort die Entwicklungshilfe einzustellen – für einLand, das zu den ärmsten auf der ganzen Welt gehört,das unter einer Arbeitslosigkeit von 30 Prozent leidetund das im UNDP-Index für menschliche Entwicklungvon 187 Staaten auf Platz 175 steht?Das alles muss aufgearbeitet werden; denn sonst werdenwir auch die zweite Frage nicht glaubwürdig beantwortenkönnen. Die lautet: Was ist eigentlich unter derPriorität einer politischen Lösung für Mali zu verstehen?Das ist ein Postulat, das ständig wiederholt wird, auchhier in den Bundestagsdebatten; Kollege Stinner hat eseben auch wieder genannt. Gut, das malische Parlamenthat Ende Januar eine Feuille de Route, eine Roadmap,verabschiedet, in der lauter vernünftige Sachen stehen:Wiederherstellung der Integrität des Landes, Rückeroberungdes Nordens, transparente und glaubwürdige Wahlen.Es ist mutig, die Präsidentschafts- und Parlamentswahlenschon jetzt auf den 7. und 21. Juli dieses Jahresfestzulegen. Aber ich sehe nicht, wie bis dahin die dreivon mir genannten intermalischen Konfliktfronten entschärftwerden sollten. Ich frage mich, wie die Sicherheitin einem Land mit offenen Grenzen, mitten in der Sahel-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27961Dr. h. c. Gernot Erler(A)(B)zone liegend, mit ihren vielen sozialen Herausforderungenund kaum noch überschaubaren radikal-islamistischenGruppierungen – die übrigens Geld und Unterstützungaus Saudi-Arabien und von radikalen Kräften inÄgypten erhalten –, ohne einen intensiven Prozess aufregionaler Ebene stabilisiert werden kann.Wir sehen, welche Probleme ECOWAS hat, die zugesagten5 100 bewaffneten Kräfte vor Ort zu bringen, geschweigedenn, sie selber zu bezahlen. Aber AfricanOwnership kann doch nicht darauf reduziert werden, inkatastrophalen Situationen Truppen stellen zu dürfen.Wir müssen Wege finden, die westafrikanische StaatengemeinschaftECOWAS tatsächlich zu einer nachhaltigenund präventiven Friedens- und Stabilitätspolitik zubefähigen. Wir müssen vielleicht darüber nachdenken,Herr Außenminister, die etwas eingeschlafene Aktivitätder Gemeinschaft der Sahel-Sahara-Staaten, abgekürztCEN-SAD, in dieselbe Richtung wiederzubeleben undzu mobilisieren. Wir brauchen in einem solchen regionalenStabilisierungsprozess eine proaktive Beteiligungvon terrorerfahrenen Staaten wie Algerien und Mauretanien.Wir sind bereit, mit Ihnen von der Bundesregierungüber solche tatsächlichen politischen Lösungen zu redenund zusammenzuarbeiten. Aber das wird nur dannglaubwürdig sein, wenn die Versuche einer politischenLösung Priorität haben.Vielen Dank.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Kollege Dr. Gernot Erler. – NächsterRedner für die Fraktion der CDU/CSU: unser KollegeDr. Andreas Schockenhoff. Bitte schön, KollegeDr. Schockenhoff.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieEntwicklungen in Mali in den vergangenen Wochen habenuns vor Augen geführt: Militärische Gewalt vermagPolitik und Diplomatie nicht zu ersetzen, aber militärischesEingreifen kann die notwendige Voraussetzungsein, damit ein politischer Prozess wieder möglich wird.Militärisches Eingreifen muss Ultima Ratio sein. Daswar in Mali der Fall. Ohne den französischen Kampfeinsatzwäre das Land an die militanten Islamisten verlorengegangen. Nur weil diese aufgehalten wurden und dieStädte im Norden des Landes befreit werden konnten,kann ein politischer Prozess in Mali wieder in Gangkommen.Die Bevölkerung im Norden des Landes hat die Befreiungvom radikal-islamistischen Joch einhellig begrüßt.Ein erfolgreicher Vormarsch der militanten Extremistenin den Süden hätte ihrem Terror nicht nur in ganz Mali,sondern in der Region insgesamt Vorschub geleistet. Vorallem hätte er einen Rückzugsraum für militante Islamistengeschaffen, die unsere freiheitlich-demokratische Lebensweisebekämpfen.Frankreich und die am Kampf beteiligten Soldatenaus dem Tschad zahlen mit ihren Gefallenen einen hohenPreis. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen. Wir dankenden Soldaten aus Frankreich und aus dem Tschad,die im Interesse der Sicherheit Europas und Nordafrikasin diesen gefährlichen Kampfeinsatz gegangen sind undihr Leben riskieren.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender SPD, der FDP und des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN)Unser Einsatz in Afghanistan hat uns gezeigt: Mandarf nicht warten, bis ein fundamental-islamistisches Regimeein ganzes Land im Griff hat. Deshalb war dasfranzösische Vorgehen so wichtig. Aber wir wissen mittlerweileauch: Langfristige Stabilität kann es nur in Eigenverantwortungder Menschen vor Ort geben.Verteidigungsminister de Maizière weist immer wiederzu Recht darauf hin, dass Militär Politik und Entwicklungnicht ersetzen kann. Deshalb gilt es nun, nachder militärischen Nothilfe zwei Vorhaben anzugehen:erstens, in die Ausbildung der nationalen Sicherheitskräftezu investieren, um diese zu befähigen, selbstständigund effektiv Bedrohungen der Stabilität ihres Landesentgegenzutreten, und zweitens, den politischen Prozesszügig voranzubringen.Beides soll in Mali geschehen. Deutschland leistethierzu seinen Beitrag: mit der logistischen Unterstützungder vom UN-Sicherheitsrat mit Resolution 2085 mandatierteninternationalen Mission in Mali unter afrikanischerFührung – sie soll so lange die Sicherheit stabilisieren,bis malische Kräfte dazu eigenständig in derLage sind – und – damit dies möglich wird – mit der Beteiligungan der EU-Mission zur Ausbildung der malischenArmee. Die CDU/CSU unterstützt beide Mandate.Wir stehen am Anfang eines längeren Weges, der zueiner nachhaltigen Stabilität Malis führen soll. DiesenWeg können wir unterstützen – und das werden wir nachKräften tun – mit der Verabschiedung dieser beidenMandate, aber auch durch Entwicklungszusammenarbeitund Hilfe beim politischen Prozess. Aber dieser liegtletztlich in malischer und afrikanischer Verantwortung.Niemand kann den Erfolg eines solchen Ansatzes garantieren.Aber schauen wir nach Somalia. Dort könnendie Menschen nach langen Jahren der Instabilität und zuletztder Terrorherrschaft islamistischer Extremistenendlich wieder Hoffnung schöpfen, nachdem man einenganz ähnlichen Ansatz wie jetzt in Mali verfolgt hat.Die internationale Stabilisierungstruppe der AfrikanischenUnion hat dort militante Islamisten so weit schwächenund vertreiben können, dass ein politischer Prozesswieder möglich wurde. Im vergangenen Jahr konnte sichein Parlament konstituieren und ein Präsident gewähltwerden. Zeitgleich hat die EU-Trainingsmission in Somaliabereits 3 000 Soldaten erfolgreich ausgebildet,und Deutschland, Herr Außenminister, hat seit dieser(C)(D)


27962 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Andreas Schockenhoff(A)(B)Woche nach über 20 Jahren wieder den Botschafterpostenin Somalia besetzt.(Beifall des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen[FDP])Ohne Frage gibt es auch hier noch große Gefahrenund Probleme. Befriedung, Stabilisierung und Wiederaufbaueiner funktionierenden Staatlichkeit in Somaliawerden noch auf lange Zeit der Unterstützung durch dieinternationale Gemeinschaft bedürfen. Aber ein richtigerAnfang ist gemacht, und darum geht es jetzt auch inMali.Liebe Kolleginnen und Kollegen, das europäischeEngagement im Rahmen der Gemeinsamen SicherheitsundVerteidigungspolitik in Mali fügt sich in ein Musterein: Die neuen EU-Missionen seit 2010 sind mehrheitlichklein, unterstützend und – das ist entscheidend – zivil.Größere militärische Operationen hingegen wie inLibyen und jetzt in Mali erfolgen nicht im Rahmen derGSVP. Vielmehr übernimmt ein EU-Mitgliedstaat dieInitiative und Führung und schmiedet eine Koalition derWilligen.(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was hatdas mit dem Völkerrecht zu tun?)Manche mögen diese Vorgehensweise gut finden. Ichaber teile die Sorge, die der Kollege Arnold letzte Wochein der Debatte hinsichtlich der Entwicklung der GSVPgeäußert hat. Libyen und Mali haben uns gezeigt, dasswir in Europa mutige und aktive Schritte in Richtung einerVertiefung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeitund der militärischen Integration brauchen.Zurzeit erleben wir aber das genaue Gegenteil: In derAnhörung des Auswärtigen Ausschusses zur Entwicklungder GSVP in der vergangenen Woche wurde vonExperten dargelegt, dass die einzelnen Staaten in der EUweiterhin nationalen Interessen folgen und ohne Koordinationmit den europäischen Partnern ihre Verteidigungshaushalteverkleinern.Verluste der nationalen Fähigkeit finden bereits heutestatt, und sie werden zu Verlusten der europäischenFähigkeit führen, wenn diese Prozesse weiterhin unkoordiniertverlaufen. Und dann werden auch die Möglichkeitenfür ein effizientes Pooling und Sharing für diedringend notwendige Stärkung der europäischen Verteidigungdeutlich eingeschränkt werden. Angesichts derwachsenden sicherheitspolitischen Aufgaben und Herausforderungenin unserem europäischen Umfeld könnenwir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, das nichtleisten.Nationale Militäroperationen, die in der Hoffnung begonnenwerden, dass sich andere anschließen, die aberschließlich auch der Verteidigung der Sicherheit aller,also auch unserer Sicherheit dienen, können und dürfennicht die Zukunft der europäischen Verteidigung sein.Mali hat erneut verdeutlicht: Wir brauchen in der EUmilitärische Kriseninterventionsverbände,(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ach was!)die rasch über weite Distanzen verlegt, geführt unddurchhaltefähig im Einsatzgebiet gehalten werden können.Dazu gehört auch unsere deutsche Bereitschaft, solcheeuropäischen Sicherheitskräfte in den Einsatz zuschicken.Im Januar erst haben wir das ISAF-Mandat verlängert,im Dezember haben wir die Stationierung vonPatriot-Abwehrsystemen an der türkisch-syrischenGrenze beschlossen. Die heutigen Entscheidungen sinddie Mandate Nummer 9 und 10, über die der Bundestagaktuell zu befinden hat. Das zeigt: Die sicherheitspolitischenHerausforderungen und Fragen unserer Zeit sindmannigfaltig und komplex, und sie gehen weit über diekonkreten Fragen der jeweiligen Einzelmandate hinaus.Angesichts von rund 20 Mandatsdebatten jährlichhalten wir in der CDU/CSU die Einführung einer regelmäßigenGeneraldebatte zur sicherheitspolitischen LageDeutschlands für notwendig, um unsere Sicherheitsinteresseneiner breiten deutschen Öffentlichkeit zu vermittelnsowie Fragen und Sorgen der Bevölkerung besseraufgreifen zu können.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Damit wir uns richtig verstehen: Eine solche Generaldebattekann kein Ersatz für unsere Debatten über die jeweiligenMandate sein; aber es ist überfällig, über die20 Einzelberatungen hinaus, die jeweils auf ein engesMandat begrenzt sind, eine regelmäßige strategische, sicherheitspolitischeGrundsatzdebatte im Deutschen Bundestagzu etablieren.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Zum Schluss möchte ich unterstreichen, was der Verteidigungsministerbei der Einbringung der Mandateletzte Woche gesagt hat: Diese Einsätze sind ernst. Siekönnen gefährlich werden. Unsere Soldatinnen und Soldatensind einem Risiko für Leib und Leben ausgesetzt.– Wir danken ihnen, dass sie dies auf sich nehmen,um unsere Sicherheit zu verteidigen. Wir wünschen ihnendabei alles Gute und Gottes Segen.Herzlichen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)Vizepräsident Eduard Oswald:Herzlichen Dank, Kollege Dr. Andreas Schockenhoff. –Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke unsereKollegin Frau Christine Buchholz. Bitte schön, FrauKollegin Buchholz.(Beifall bei der LINKEN)Christine Buchholz (DIE LINKE):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um denBall von Herrn Schockenhoff aufzunehmen: Ich glaube,wir brauchen keine Generaldebatte über die Kriegspolitikder Bundesregierung, sondern wir brauchen eine Generaldebattedarüber, wie wir die wirtschaftlichen und(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27963Christine Buchholz(A)(B)sozialen Probleme und die extremen Probleme, die derWaffenhandel in dieser Welt verursacht, lösen können.So eine Debatte würden wir gerne führen, aber nicht eineDebatte über die Durchsetzung der wirtschaftlichen,strategischen und militärischen Interessen Deutschlandsmithilfe der Bundeswehr.(Beifall bei der LINKEN – Michaela Noll[CDU/CSU]: Unverschämt!)Die Bundesregierung will die Bundeswehr als Unterstützungstruppein den Krieg nach Mali entsenden, zumeinen, um Soldaten in das Kriegsgebiet zu transportieren,zum anderen, um malische Soldaten für den Kampfauszubilden. Genau genommen beteiligt sie sich schonjetzt am Krieg in Mali; denn seit Wochen transportierendeutsche Transall-Maschinen westafrikanische Kampftruppennach Mali. Das hat die Linke von Anfang an kritisiert.Sie wird auch die vorliegenden Mandate heuteablehnen.(Beifall bei der LINKEN – Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Freiheit für die Taliban!)Angeblich geht es um Terrorbekämpfung. Doch dieislamistischen Rebellen haben sich in die Berge und inbenachbarte Länder zurückgezogen. Das Problem hatsich also nur verlagert.(Beifall bei der LINKEN)Ich sage Ihnen: Terrorismus lässt sich nie mit Krieg bekämpfen.(Beifall bei der LINKEN)Schauen Sie nach Afghanistan: Mit genau demselbenArgument haben Sie die Bundeswehr vor mehr als elfJahren an den Hindukusch geschickt. Und was ist dasErgebnis? Sie haben den Nährboden für neuen Terrorismusgeschaffen. Al-Qaida hat sich in immer neuen Ländernausgebreitet, verbreitet nun auch Terror im Irak, imJemen und in der Sahara. Das zeigt doch: Ihr Krieg erzeugtimmer neuen Terror. Diese Logik muss ein Endehaben.(Beifall bei der LINKEN)Die französische Intervention wird von Ihnen als Notoperationbezeichnet. Nein, dieser Militäreinsatz ist keinchirurgischer Eingriff, wie Sie mit dieser Wortwahl unterstellen.Das ist ein Krieg. Nur weil der französischeKriegsminister Le Drian sich weigert, die Zahlen derOpfer des Feldzuges zu nennen, heißt das noch langenicht, dass es keine Opfer gibt.Der Krieg in Mali ist auch ein Propagandakrieg. Warumerwähnt eigentlich keine der anderen Fraktionenhier im Bundestag, dass die französische Armee diePressefreiheit unterbindet? Offenbar will sie keine Bilderüber die wahre Situation. „Reporter ohne Grenzen“beklagten Ende Januar einen – ich zitiere – „medialenBlackout“, der den Korrespondenten vom französischenund malischen Militär aufgezwungen werde.Auch der Bundesregierung liegen, wie sie uns schriftlichmitgeteilt hat, keine eigenen Erkenntnisse über dieOpfer infolge der französischen Luftangriffe vor. Eskann doch nicht angehen, dass der Bundestag nun beschließt,ohne jegliche Kenntnis über ihre Auswirkungengenau diese Luftangriffe zu unterstützen. Das ist unverantwortlich.(Beifall bei der LINKEN)Sprechen wir auch darüber, dass dieser Militäreinsatzdie ethnischen Spannungen in Mali massiv verschärft hat.Fast alle Tuareg und Araber sind aus Angst vor der malischenArmee aus Timbuktu geflohen. Ihre Geschäftewurden geplündert, ohne dass das Militär eingriff. Stattdessenmelden Menschenrechtsorganisationen ein Massengrabvon Hingerichteten.Der Krieg verhindert zivile Versöhnungsinitiativen.Ein für Januar geplanter Marsch von Bürgerrechtsorganisationen,der auf den Dialog zwischen den Ethnien abzielte,wurde von der französischen Armee verboten. Eskann nicht angehen, dass Sie die Bundeswehr zum Komplizendieser Eskalationslogik machen.(Beifall bei der LINKEN)Meine Damen und Herren, bei dem MilitäreinsatzFrankreichs geht es nicht um die Beseitigung menschlichenElends. Es geht um die Absicherung strategischerund wirtschaftlicher Interessen. Wenn Sie mir das nichtglauben, dann lesen Sie das Unternehmerblatt Wirtschaftswoche.Ich zitiere die Ausgabe vom 14. Januar2013:Tief im Herzen Afrikas will Frankreichs StaatspräsidentHollande die Versorgung seines Landes mitdem Atomkraftbrennstoff Uran sichern.Den Krieg „mit Sicherheitsinteressen zu begründen“, sei– ich zitiere weiter – „zynisch“. Das ist die unverblümteSprache der Wirtschaftswoche. Dem brauche ich nichtshinzuzufügen.(Beifall bei der LINKEN)Klar ist: Die Bundesregierung möchte bei den Kriegender Zukunft offenbar nicht nachstehen. Die Wortevon Herrn Stinner und Herrn Schockenhoff sind nur indiese Richtung zu verstehen. Das ist ein Grund für ihrEngagement in Mali.(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt ist aber eineGrenze erreicht!)Ich sage: Es kann nicht angehen, dass wir einen Kriegunterstützen, der für die Rohstoffinteressen der europäischenStaaten und die Interessen von Bergbauunternehmenoder Atomkonzernen geführt wird. Da wird dieLinke nicht mitmachen.(Beifall bei der LINKEN)Aber nun zur malischen Armee selbst. Angeblich solldie Mission Abhilfe schaffen und die malische Armeeausgebildet werden. Aber seien Sie doch ehrlich: Genaudie gleichen Ausbildungsprogramme seitens der Bundeswehrund der US-Armee liefen doch vor dem Putschim März 2012 über Jahre – offenbar ohne Erfolg. Nunhaben sich malische Truppen in Bamako auch noch gegenseitigbeschossen.(C)(D)


27964 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Christine Buchholz(A)(B)Bisher haben Sie die Frage nicht beantwortet, welchenTeil der malischen Armee Sie nun eigentlich ausbildenwollen. Zur Wahrheit gehört: In dem Moment, indem Sie sich endlich dieser Frage gestellt haben, drohtdie Bundeswehr als Konfliktpartei im innermalischenMachtkampf angesehen zu werden. Das wissen Sie ganzgenau. Auch deshalb kommen in der EU-Mission auf200 Ausbilder auch 250 Kampfsoldaten zur Absicherung.Mali hat viele Probleme; aber keines davon ist militärischzu lösen. Das zeigen die aktuellsten Zahlen: Alleindie französische Militäroperation hat bisher 100 MillionenEuro verschlungen. Doch von den 285 MillionenEuro, die für die notleidenden Menschen in Mali lautUN-Angaben benötigt werden, sind gerade einmal13 Millionen Euro angekommen. Es zeigt sich wiedereinmal: Sobald Militär im Spiel ist, wird das Zivile verdrängt.Dem werden wir uns widersetzen.(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder[CDU/CSU]: Wie machen Sie das?)Herr de Maizière, Herr Westerwelle, Sie können unsnicht sagen, was für Folgen der Krieg hat, den Sie unterstützen.Sie können uns nicht sagen, welche neuen Bedrohungenentstehen und welches Risiko für die entsandtenSoldaten Sie in Kauf nehmen. Sie können nichteinmal sagen, wie lange der Einsatz wirklich dauernwird.Wir werden nicht einem weiteren Mandat für ein militärischesAbenteuer zustimmen. Terrorismus lässt sichnicht mit Krieg bekämpfen. Krieg ist selber Terror.(Beifall bei der LINKEN)Vizepräsident Eduard Oswald:Nach unserer Kollegin Christine Buchholz sprichtnun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere KolleginFrau Kerstin Müller. – Bitte schön, Frau KolleginKerstin Müller.Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ImGegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren von derLinken, liebe Kollegin Buchholz, meinen wir, dassFrankreich in Mali im Grundsatz richtig gehandelt hat.Sie müssen sich einmal anschauen, wie die Lage vorherwar – dazu von Ihnen kein Wort –: Islamistische Rebellengruppenhatten im Norden Malis eine Schreckensherrschaftaufgebaut. Sie waren auf dem Vormarsch inden Süden. Im Januar drohte ein Staatszerfall in ganzMali.Insofern sagen wir – wir haben nicht von einem chirurgischenEingriff gesprochen; das ist totaler Quatsch,das haben Sie falsch verstanden –, dass die französischeIntervention eine Notoperation ist, um Schlimmeres zuverhindern. Sie findet im Übrigen mit Zustimmung dermalischen Bevölkerung statt. Dazu haben Sie natürlichauch kein Wort gesagt. Ohne diese Notoperation bräuchtenSie mit Politik gar nicht erst anzufangen, weil Sie ineinem „Failed State Mali“ keine Ansatzpunkte für Politikhätten. Deshalb war es im Grundsatz richtig von denFranzosen, dort einzugreifen, und es ist richtig, dass siedafür unsere Unterstützung haben.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordnetender FDP)Wahr ist auch, dass Präsident Hollande im Oktober inDakar eigentlich eine Wende der französischen Afrika-Politik erklärt hat, also das Ende von fünf Jahrzehnten„Françafrique“, und damit auch das Ende einer neokolonialenPolitik in West- und Zentralafrika. Das heißt,Frankreich will künftig multilateral handeln, eingebundenin die UNO und die EU und gemeinsam mit denAfrikanern. Das ist und bleibt das Ziel der neuen französischenRegierung. Wir meinen, dass es richtig ist, diesenfranzösischen Kurswechsel weg von einer französischenHinterhofpolitik generell zu unterstützen.(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das isteine Verdrehung der Tatsachen!)Denn es ist in unserem außen- und sicherheitspolitischenInteresse und auch im Interesse der EU, die Afrika-Politik generell zu europäisieren. Auch darum geht es,und auch deshalb wird meine Fraktion beiden Mandatenzustimmen.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der CDU/CSU undder SPD)Wobei ich klar sagen will – wir haben ja auch im Ausschussdarüber diskutiert –: Europäisierung der Afrika-Politik – da müssen wir ehrlich sein – heißt mehr Verantwortungfür Europa, und es wird auch mehr Verantwortungfür Deutschland heißen. Mit unserem Beitrag zurAFISMA, die ja in eine UNO-Mission umgewandeltwerden soll, unterstützen wir sowohl die Afrikaner, dieafrikanische ECOWAS, als auch die Franzosen und dieUNO. Mit der Ausbildungsmission wollen wir helfen,die malische Armee aufzubauen.Das Mandat zieht eine klare Trennlinie zwischen demKampfeinsatz einerseits und der Ausbildung der malischenSicherheitskräfte andererseits. Allerdings mussman auch sagen: Angesichts des maroden Zustandes dermalischen Armee ist es wichtig, dass das Ausbildungsmandateinen Schwerpunkt auf den Schutz derMenschenrechte und auch auf die Umsetzung des humanitärenVölkerrechts legt. Das bleibt natürlich schwierig,weil die Lage fragil ist. Aber es muss auch klar sein:Wenn wir nicht jetzt intervenieren, das heißt, die Armeeaufbauen und nachhaltige Stabilität schaffen, dann werdenwir es in einigen Monaten mit einer noch schwierigerenSituation zu tun haben. Deshalb gibt es dazu,glaube ich, keine Alternative.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)Aber klar ist auch: Die Ausbildung allein reicht nicht.Wir brauchen einen politischen Prozess. Die Feuille deRoute, die verabschiedet wurde, wurde bereits erwähnt.Die berechtigten Interessen der Tuareg müssen berücksichtigtwerden. Mali braucht einen gesamtgesellschaftlichenVersöhnungsprozess. Es ist geplant, noch im Juli(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27965Kerstin Müller (Köln)(A)(B)in Mali Wahlen durchzuführen; das wird schwieriggenug. Mali braucht die Unterstützung der Bundesregierung,der Europäischen Union und der UNO, damit dieWahlen stattfinden können.Wir brauchen noch mehr. Das will ich zum Schlussmeiner Rede sagen. Ich glaube, wenn wir nicht morgenin Niger und übermorgen in Burkina Faso oder anderswointervenieren wollen, brauchen wir jetzt im Sinne klassischerkrisenpräventiver Politik eine Strategie für dengesamten Sahel. Es geht am Ende sozusagen um eineRegionalstrategie. Da muss ich die Bundesregierung kritisieren.Denn wir haben ein gutes Netzwerk ziviler Krisenpräventionin Deutschland und auch auf EU-Ebene.Dieses fristet aber leider ein Schattendasein.Ich wünsche mir, dass hier einmal Analysen vorgelegtwerden, die zeigen, warum diese Länder des Sahel wackeligsind. Was schwächt sie? Was stärkt sie? Es gehtzum Beispiel um künstlich niedrige Weltmarktpreise, umunkontrollierten Rohstoffboom usw. Wir müssen diesklar analysieren und eine entsprechende Strategie vorlegen,auf deren Grundlage wir dann auch handeln. Daswäre eine effektive, nachhaltige und krisenpräventivePolitik. Wir werden sie brauchen. Da haben Sie ausunserer Sicht größeren Nachholbedarf. Man muss imBereich der zivilen Krisenprävention klotzen und nichtkleckern, wenn man künftig einen Schwerpunkt daraufsetzen möchte und nicht auf Militärinterventionen.Danke schön.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Kollegin Kerstin Müller. – NächsteRednerin für die Fraktion der FDP ist unsere KolleginFrau Elke Hoff. Bitte schön, Frau Kollegin Elke Hoff.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Elke Hoff (FDP):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!Liebe Kollegen! Ich möchte an zwei Punkte anknüpfen,die sowohl meine Vorrednerin, die Kollegin Müller, alsauch Herr Schockenhoff vorgetragen haben, und dieseAspekte ein Stück weit aus der Sicht einer SicherheitsundVerteidigungspolitikerin beleuchten.Unsere Bundeswehr befindet sich erneut in einemEinsatz, der multinational ist. Ich glaube, dass solcheEinsätze, die stabilisierend in einer Region wirken sollenund müssen, in Zukunft immer multinational sein werden.Das heißt, der Druck auf die Kooperation sowohlim Bereich der zivilen Aufbauarbeit als auch im Bereichdes Militärischen ist ganz entscheidend. Meine Damenund Herren, wir müssen uns an dieser Stelle die Fragestellen: Sind wir – bei all den guten Zielen, die wir haben– mit den vorhandenen Mitteln und den Mechanismender Zusammenführung wirklich effektiv? Nach denErfahrungen, die wir auch im Vorfeld des Mali-Einsatzesgemacht haben, bezweifle ich das. Ich möchte das begründenund eine Perspektive aufzeigen, wie wir bei derVerteilung der internationalen Verantwortung vielleichtetwas besser werden können.Wir haben gemerkt – das Beispiel Somalia ist ebenmit Recht angeführt worden; aber man könnte darunterdurchaus auch unsere Versuche in Afghanistan subsummieren–, dass Stabilität in einer Region dann gewährleistetist, wenn die souveränen Staaten selbst in derLage sind, sie sicherzustellen. Wir verfügen nicht ad infinitumüber die erforderlichen Mittel und die Durchhaltefähigkeit.Außerdem haben wir auch an anderenStellen Probleme und müssen dort Krisenbewältigungbetreiben.Auf der einen Seite gibt es die NATO-Fähigkeiten,auf der anderen Seite die europäischen Fähigkeiten. SeitJahren gibt es zwei Institutionen, die bei der schnellenKrisenprävention bzw. bei Interventionen bis jetzt so gutwie noch nie eingesetzt worden sind: die NATO ResponseForces und die sogenannten EU Battle Groups.Wir alle wissen, dass die EU große Probleme hat, militärischdurchhaltefähig zu sein. Das heißt, ohne die Fähigkeitenunserer großen NATO-Bündnispartner könnenwir auf diesem Feld nur sehr schwer reüssieren.Allerdings, meine Damen und Herren, können wir– davon bin ich sehr überzeugt – im Bereich der Polizeiausbildungaktiv sein. Die Polizei kann in den jeweiligenStaaten souverän Stabilität herstellen, angefangen beider Grenzüberwachung über die innere Sicherheit bishin zur Herstellung der Sicherheit beispielsweise inKommunen, die ja häufig – ich sage es einmal so – dieKeimzellen des Widerstands sind. Wir sollten darüberdiskutieren, ob eine Arbeitsteilung zwischen EuropäischerUnion und NATO möglich wäre, die zum Beispielso aussieht: Die NATO Response Forces sind für dieschnelle militärische Intervention da, und statt EU BattleGroups richtet man eine EU Training Group ein. Daswäre eine Möglichkeit, die Fähigkeiten, die wir haben,in eine verstetigte Struktur zu überführen, in eine Struktur,die wir nach meiner Auffassung auch politisch sehrgut verkaufen könnten. Denn die Bürgerinnen und Bürgerkönnen sehr gut verstehen, auch aufgrund eigenerErfahrungen, dass das etwas ist, was ein Staat braucht,um die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Ich glaube, die EU ist an dieser Stelle gut. Was michpersönlich im Vorfeld solcher Missionen allerdings immerwieder stört, ist, dass das Ganze in gewisser Weiseeine Basarmentalität hat: Was bekommt man von wem,und wer ist bereit, was zu geben? Hier müssen wir vordem Hintergrund der Erfahrungen, die wir bei der Polizeiausbildunggemacht haben, eine Struktur schaffen,die zur Stabilisierung der zivilen Sicherheit geeignet ist.Meine Damen und Herren, ich denke, das ist ein Ansatz,den man in die Diskussion mit einbeziehen sollte. Ichglaube, das ist ein seriöser Vorschlag, wie eine Aufgabenteilungzwischen den Fähigkeiten Europas und denmilitärischen Fähigkeiten der NATO aussehen könnte.Leider ist meine Redezeit vorbei. Ich bedanke michfür die Aufmerksamkeit. Vielen Dank.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)(C)(D)


27966 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Frau Kollegin Elke Hoff. – NächsterRedner für die Fraktion der Sozialdemokraten: unserKollege Dr. Rolf Mützenich. Bitte schön, KollegeDr. Rolf Mützenich.(Beifall bei der SPD)Unterschiedlichkeiten gibt, wie sie damals in Europaund auch in unserem Land geherrscht haben. FöderaleStrukturen können dazu beitragen, auch Befriedungsprozesseim Inneren zu erreichen. Der Austausch mit denfranzösischen Kolleginnen und Kollegen war schon deshalbwichtig, weil wir dabei auch unsere Erfahrungeneinbringen konnten.Hier ist die Frage aufgeworfen worden: Sollen wirauch vonseiten der internationalen Gemeinschaft auf einenWahltermin drängen? Darüber wird es keinen Konsensgeben. Aber ich möchte davor warnen; denn ichglaube, die Festlegung eines Wahltermins ist nicht dieUltima Ratio für die Befriedung von Konflikten.(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIELINKE])Vielmehr kann dies in einem Prozess möglicherweisehilfreich sein. Ein Wahltermin wird auch nur dann eineehrliche Antwort im Hinblick auf die politische Lage desLandes sein, wenn an diesem Prozess alle Gruppengleichberechtigt beteiligt werden.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. WolfgangGehrcke [DIE LINKE])Aus diesem Grunde sollte das von unserer Seite ebensobedacht werden.Wir müssen uns genau auf die Strukturen, auf dieSituation, aber auch auf die regionalen Herausforderungeneinstellen. Deswegen warne ich von dieser Stelle ausauch vor einer Vereinfachung der Probleme. Es warnicht hilfreich, dass man die Situation von Mali mit derin Afghanistan vergleicht. Damit werden wir der Herausforderungnicht gerecht, und damit werden wir auchder Verantwortung nicht gerecht, die wir haben.Es gab zweifellos Versäumnisse vonseiten der internationalenGemeinschaft. Wir haben diesem Land undden dortigen Herausforderungen nicht genügend Aufmerksamkeitgeschenkt. Wir haben uns möglicherweiseauch selbst getäuscht, weil uns der eine oder andere etwaserzählt hat, was wir vielleicht gerne hören wollten.Und wir haben in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitikder EU versagt. Auch das müssen wir in diesemZusammenhang eingestehen. Aus all diesen Dingenmüssen wir lernen. Insbesondere ist es wichtig, nichtselbstgerecht zu reagieren.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion derLinken, Sie haben schon in der ersten Beratung über diebeiden Mandate durchaus zu Recht Fragen gestellt. Ichkann aber nicht umhin, Ihnen hier den Vorwurf zu machen:Es ist auch eine Menge Selbstgerechtigkeit dabei.(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDPund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)(C)(B)Dr. Rolf Mützenich (SPD):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusseshaben sich am Montag dieser Woche mit Kolleginnenund Kollegen des Auswärtigen Ausschusses der französischenNationalversammlung getroffen. Ich fand unsereDiskussionen nicht nur nützlich, sondern auch lehrreich.So haben uns die Parlamentarier aus der französischenNationalversammlung zum Beispiel erzählt, dass sie einenständigen Ausschuss haben, der sich mit Mali undder Sahelzone befasst, und dass sie sehr stark auf dieSituation in Algerien schauen, um eine politische Begleitungdieses Konflikts durch das Parlament zu gewährleisten.Wie schon gesagt, fand ich das nicht nur nützlich,sondern hielt es auch für eine lehrreiche Stunde im Hinblickauf eine Demokratisierung von Sicherheitspolitik.Einen Teil haben wir im Deutschen Bundestag erreicht,und ich glaube, in der französischen Nationalversammlungwird darum gestritten.Wir waren uns mit den Kolleginnen und Kollegen darübereinig, dass absolute Priorität der politische Weghaben muss und nicht das kurzfristige Engagement, daszurzeit die internationale Gemeinschaft versucht. In diesemZusammenhang war es wichtig, zu sagen: Wir brauchendie Einbindung aller relevanten Gruppen. – In derTat war dies wichtig. Wir dürfen uns nämlich nichtalleine auf die ethnische Gruppe der Tuareg beziehen,sondern es gibt noch viele andere ethnische Gruppen,zum Beispiel in Mali, die genauso und vielleicht, ebenweil sie nicht zur Gewalt greifen, noch eher das Recht anpolitischer Partizipation und an sozialer und wirtschaftlicherBeteiligung in diesem Land haben. Das muss dieinternationale Gemeinschaft, das müssen Frankreich,Deutschland und viele andere europäische Partner erreichen.Das Zweite ist genauso wichtig. Wir brauchen auch– und darüber müssen wir mit der malischen Regierungreden – ein Ausstiegsprogramm für Gewaltakteure, fürgewaltbereite Gruppen. Ich meine, auch das gehört zu einempolitischen Versöhnungsprozess.Wir können über die europäischen Erfahrungen ausBürgerkriegssituationen sprechen. Im ehemaligen Jugoslawiengab es den Vertrag von Dayton, der unter anderemauch das Prinzip von Abrüstung und Rüstungskontrollein die Befriedung von Bürgerkriegen eingebrachthat. Das gehört für Mali und die Sahelzone genauso mitdazu wie andere Fragen auch.Ich finde es immer sehr interessant, wenn wir gefragtwerden: Wie versucht ihr eigentlich, föderale Strukturenaufzubauen? Diese Länder stehen vor denselben Herausforderungenwie wir, weil es dort ebenso regionaleWeil Ihnen das Land scheinbar so am Herzen liegt,habe ich mir einmal angeschaut, welche parlamentarischenInitiativen Sie in der letzten Legislaturperiode zuMali eingebracht haben. – Null. Die erste parlamentarischeInitiative in dieser Legislaturperiode gab es am2. März 2012. Ich finde, man darf hier so nicht auftreten(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27967Dr. Rolf Mützenich(A)und sagen, man habe den Stein der Weisen gefunden undwisse, wie man mit diesen Konflikten umzugehen habe.(Zuruf von der LINKEN)Denn ich finde, das, worauf Sie immer mit dem Fingerzeigen, zeigt auf Sie zurück.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Wenn ich zum Beispiel auf die Website Ihrer Parteigehe und angesichts der aktuellen Situation den Begriff„Mali“ eingebe, dann habe ich sieben Treffer, wovondrei über Boni und Mali berichten und nicht über dasLand Mali. Ich finde, das ist zu wenig, wenn man sichder internationalen Herausforderung stellt.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN)Das eine oder andere gemeinsam in den Raum zu stellen,liebe Kolleginnen und Kollegen, ist zu kurz gesprungen.Die Gewalt in Libyen hat die Situation in Mali mitSicherheit mit destabilisiert. Dahinter muss doch aberdie Frage stehen: Woher hatte Gaddafi die Waffen, die indiesen Konflikt in Mali mit eingeführt worden sind?(Christine Buchholz [DIE LINKE]: KanzlerSchröder! Das mit der Selbstgerechtigkeit istein Bumerang! – Weitere Zurufe von der LIN-KEN)An dieser Stelle einfach immer nur gewisse Hinweise zugeben, heißt, zu kurz zu springen. Die Gewalt ist in GaddafisKerkern erlernt worden und nirgendwo anders. Das isteine der Herausforderungen, vor denen dieses Land steht.(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NEN)Herr Kollege Stinner, ich fand es bemerkenswert,dass Sie gesagt haben: Am Anfang einer Mandatierungmüssen wir uns immer die Frage stellen: Genügt ein solchesMandat deutschen Interessen? – Natürlich habenwir auch immer noch eine deutsche Außenpolitik. Aberich habe gelernt: Es geht eigentlich um mehr, es geht sozusagenum die internationale Verantwortung Deutschlands.Wenn wir glauben, zur Situation nichts beitragenzu können, unterstützen wir zumindest unsere Partner.Die Bedeutung eines Mandats in dieser Situation gehtalso etwas weiter.Ich will betonen: Was Kollege Schockenhoff zu denHerausforderungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitikder Europäischen Union gesagt hat, hebtsich stark ab von der Rede, die der Verteidigungsministerin München zu dieser Frage gehalten hat.Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen,möchte ich sagen: Die SPD-Fraktion kann heute denMandaten zustimmen, wenn die Bundesregierung gemeinsammit unseren Partnern den politischen MöglichkeitenPriorität einräumt.Vielen Dank.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufvon der CDU/CSU: Was heißt das jetzt?)(C)(B)Vizepräsident Eduard Oswald:Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebeich das Wort zu einer Kurzintervention dem KollegenWolfgang Gehrcke.(Zurufe)Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):– Liebe Kolleginnen und Kollegen, das müssen Siedann schon erleiden.(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Im wahrstenSinne des Wortes!)– Ich weiß, das widerspricht der Haager Landkriegsordnung.Wenn nicht Kollege Mützenich gesprochen hätte,würde ich gar nicht damit anfangen; aber wir streiten jaimmer für das Völkerrecht, und ich weiß, dass KollegeMützenich mit solchen Fragen ernsthaft umgeht.Uns wurde Selbstgerechtigkeit vorgehalten.(Beifall des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen[FDP] – Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch richtig!)Ich finde, alle Fraktionen in diesem Hause sollten sichfragen, ob sie nicht in einer gewissen Art und Weiseselbstgerecht sind. Wenn ich mir so sicher wäre, dass alles,was wir vorschlagen, sobald es Gesetz würde, sofortzu einer Verbesserung der Situation führte, dann wäreich selbstgerecht. Ich habe aber meine Zweifel daran,und wir artikulieren diese Zweifel hier.Wir sind zumindest in der Lage, das auszuschließen,was wir in der praktischen Erfahrung als falsch erkannthaben. Deswegen frage ich Sie: Sehen Sie nicht die Parallelenzu Afghanistan? Auch ich sehe, dass die Menschenin Mali gejubelt haben, als die Islamisten geschlagenworden sind. Das war nach dem Sturz der Talibanaber auch in Afghanistan der Fall, und die Menschen habendann den Eindruck gewonnen, dass ihr Land besetztist.Ich möchte davor warnen – ich finde das furchtbar –,dass politische Verantwortung in erster Linie immer mitMilitär buchstabiert wird.(Widerspruch bei der CDU/CSU – KerstinMüller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Das hat hier doch keiner gemacht!)Eine Veränderung der Lage in der Welt müssen wirdurch politische Verantwortung erreichen. Wenn globalerGerechtigkeit mehr Raum gegeben wird, wenn mehrdavon gesprochen wird, dass die Menschen über die Produkte,die sie herstellen, auch verfügen können müssen,wenn Waffen nicht mehr als Handelsware gelten, dannwerden wir alle zusammen weniger selbstgerecht seinund mehr Gerechtigkeit in der Welt verbreiten können.(D)


27968 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Wolfgang Gehrcke(A)(B)Wenn Sie sagen, wir sollen nicht selbstgerecht sein,sage ich Ihnen: Fassen Sie sich an die eigene Nase!Wenn hier keiner selbstgerecht wäre, wäre die deutschePolitik besser. Das ist das, was ich rüberbringen wollte.Danke sehr.(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)Vizepräsident Eduard Oswald:Kollege Dr. Mützenich, wollen Sie antworten? – Ja.Das Wort hat Kollege Dr. Rolf Mützenich.Dr. Rolf Mützenich (SPD):Lieber Herr Kollege Gehrcke, Sie wissen, wie sehrich die Diskussionen mit Ihnen schätze, gerade im AuswärtigenAusschuss; deswegen habe ich noch einmal daraufhingewiesen, dass ich glaube, dass Ihr Beitrag in derersten Runde dieser Beratungen differenzierter gewesenist als sozusagen die Kaskade von Vorwürfen vonseitender Sprecherin der Fraktion Die Linke.Noch einmal: Ich glaube, Sie müssen akzeptieren,dass wir in der Tat aus der – –(Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIELINKE])– Dürfen Herr Gehrcke und ich uns einfach einmal überdas eine oder andere austauschen? Sie hätten sich jasonst zu Wort melden können. Er hat doch nun einmalgefragt.Ich habe eben davor gewarnt, weil ich glaube, dass esfalsch ist, Mali im Einzelnen mit Afghanistan zu vergleichen.Wir müssen in der Tat unsere Lehren aus Afghanistanziehen, aber ich glaube, man muss sagen: Zu dem,was in Afghanistan von Anfang an falsch gelaufen ist,haben die Administration Bush und der amerikanischePräsident Bush viel beigetragen. Er war nicht zu politischenLösungen und Angeboten gegenüber Gewaltakteurenin diesem afghanischen Konflikt bereit.Jetzt kommt es auf uns an, dass den Lehren, die wirgezogen und über die wir heute in dieser Debatte, imAuswärtigen Ausschuss, im Entwicklungshilfeausschussund im Zusammenhang mit den Menschenrechten diskutierthaben, Konsequenzen in einer Gemeinsamen AußenundSicherheitspolitik folgen. Hier kommt eine großeVerantwortung auf uns alle hier im deutschen Parlament,aber insbesondere auch auf die Bundesregierung zu.Mehr habe ich in meiner Rede nicht gesagt.Vielen Dank.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Kollege Dr. Mützenich. – Wir kommenwieder zurück zu unserer Rednerliste. Für die Fraktionder CDU/CSU gebe ich unserem Kollegen Ingo Gädechensdas Wort. Bitte schön, Kollege Ingo Gädechens.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Ingo Gädechens (CDU/CSU):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, dieDebattenbeiträge haben sehr deutlich gemacht, dassnicht nur unsere Bundeswehrsoldatinnen und -soldateneinsatzerfahrener geworden sind – egal ob durch dasKFOR- oder das ISAF-Mandat –, sondern auch wir, dasParlament; denn schon der Titel des Antrages machtdeutlich, dass es leider nicht oder noch nicht darum geht,wie man immer so schön banal sagt, Brunnen zu bohren,Brücken zu bauen und Schulen zu errichten. Nein, wirberaten über die Entsendung bewaffneter deutscherStreitkräfte im Zusammenhang mit der mehrfach geschildertenangespannten Situation in Mali.Die Republik Mali, ein Binnenstaat im Inneren Westafrikas,umringt von sieben Nachbarstaaten, liegt in derGroßlandschaft Sudan sowie im Sahel. Die RepublikMali ist eigentlich weit weg von Zentraleuropa, unddoch rückt uns auch von hier aus der Terrorismus näherbzw. ein gutes Stück entgegen. Putschende Streitkräfte,ein geschwächter Staat und Dschihadisten, die den Nordendes Landes als Rückzugsgebiet nutzen, um von dortaus die Bevölkerung zu terrorisieren: ein uns nicht unbekanntesMuster.In den Diskussionen und Beratungen wurde anerkannt,dass Frankreich richtig und entschlossen gehandeltund somit verhindert hat, dass die Republik Malivon Radikalislamisten überrannt wurde. Diese aus meinerSicht richtige Bewertung hat dazu geführt, dass dieBundesrepublik Deutschland gemeinsam mit den anderenVerbündeten den französischen Streitkräften Unterstützunggewährt, Unterstützung, die nicht nur wertvollist, sondern auch dankbar angenommen wurde; denn so,wie Afghanistan nicht die alleinige Angelegenheit Amerikaswar, kann und darf Mali nicht die alleinige AngelegenheitFrankreichs sein. Es sollte – auch das klangmehrfach an – ein gemeinsames Anliegen unserer demokratischenWertegemeinschaft sein, einem geschwächtenStaat Hilfe zu geben, um ihn vor Terror und marodierendenund menschenverachtenden Horden zu schützen.Ich gebe dem Kollegen Nouripour nur bedingt recht,der seitens der Grünen beklagt, man habe die explosiveGemengelage in der Region zu lange ignoriert. Ich darfdaran erinnern, dass sich gerade die Mitglieder des Verteidigungsausschussesdurch eindeutige Berichte desBundesnachrichtendienstes sehr früh und umfänglichüber die prekäre Situation in Mali informiert haben. DieFrage, die nach diesen Berichten im Raum stand, wardoch, wie man auf die besorgniserregende Entwicklungreagieren könnte.Dass Deutschland vor dem Hintergrund seiner Geschichtein einer schwierigen Situation ist und war, ist sicherlichnachvollziehbar, und ehrlich gesagt, lieber KollegeNouripour, glaube ich auch nicht, dass die FraktionBündnis 90/Die Grünen hier einen Antrag gestellt hätte,dass die Bundeswehr als erste Streitkraft in Mali einmarschiert.Es ist also gut, dass Frankreich entschlossen gehandeltund den ersten Schritt gemacht hat. Richtig ist aberauch, dass Deutschland seinen Nachbarn nicht alleinge-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27969Ingo Gädechens(A)lassen hat und ihn und die Mission im Rahmen der vorhandenenMöglichkeiten unterstützt.Gleich zwei Anträge der Bundesregierung machendie Teilung der Mission deutlich. Zum einen geht es darum,unter afrikanischer Führung auf der Grundlage einerResolution des Sicherheitsrates Lufttransportkapazitätenzur Verfügung zu stellen, um in der Region dieseTransporte und die Luftbetankungen vorzunehmen. Wirunterstützen damit das Mandat AFISMA.Es ist für mich keine Überraschung – dies gilt sicherlichauch für viele Verteidigungspolitiker hier im Saal –,dass die überaus erfahrenen Soldatinnen und Soldatenunserer Lufttransportgeschwader hier wieder einmalroutiniert, professionell und erfolgreich agieren. Manmöge mir nachsehen, dass ich als Schleswig-Holsteinerbesonders stolz bin auf die Soldatinnen und Soldaten desLufttransportgeschwaders 63 aus Hohn, also aus Schleswig-Holstein.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –Zuruf von der FDP: Hoi, Ingo!)Ich lobe aber natürlich auch die Kameradinnen und Kameradenaus Penzing und Wunstorf, die hier einen hervorragendenJob leisten.(Beifall des Abg. Philipp Mißfelder [CDU/CSU])Im zweiten Antrag erbittet die Bundesregierung dieZustimmung des Parlaments, um deutschen Streitkräftenden Auftrag zu erteilen, nach Maßgabe des Völkerrechtsund der durch die EU festgelegten Einsatzregeln einenBeitrag zu der militärischen Ausbildungsmission EUTMMali zu leisten. Dabei wird sich die Bundeswehr an derPlanung und der fachlichen Aufsicht sanitätsdienstlicherUnterstützung der Mission, aber auch der Pionier- undSanitätsausbildung für malische Soldaten beteiligen.Ich danke dem Verteidigungsminister de Maizière nichtnur für eine sach- und fachgerechte Beurteilung derLage, sondern auch für die richtige Einschätzung dessen,was die Bundeswehr zusätzlich und neben den laufendenEinsätzen noch in der Lage ist zu leisten.So wie einige Oppositionspolitiker anfangs bemängelten,man habe zu lange beobachtet und zu spät reagiert,hört man nun auch in dieser Debatte vermehrt dieSorge, Mali könnte ein zweites Afghanistan werden. Ichdenke, lassen wir einmal diese Vergleiche und erkennenlieber an, dass es in Afghanistan deutliche und Gott seiDank auch unumkehrbare Erfolge für die Menschengibt. Natürlich wäre es gut, wenn das auch in Mali geschehenkönnte.In der Tat ist allerdings zu befürchten, dass der Einsatzlänger dauern wird.(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Davon gehenwir aus!)Ich gehe davon aus, dass uns sowohl AFISMA als auchEUTM Mali länger in Anspruch nehmen werden, als dievon der Bundesregierung beantragten zwölf Monate.Trotzdem finde ich es gut, dass dieses Zeitfenster so gewähltwird und sich dieses Parlament in einem vernünftigenzeitlichen Abstand erneut mit dieser Mission beschäftigenmuss.Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, obdie Mission in ein Mandat des UN-Sicherheitsrats umgewandeltwerden kann. Allerdings muss man hier keinProphet sein, um zu sagen, dass Deutschland auch untereinem Blauhelm-Mandat eine wichtige Rolle spielenmuss.Die Entscheidungen der Bundesregierung waren ausSicht der CDU/CSU-Fraktion gut und abgewogen. Dieheutigen Anträge sind folgerichtig, international abgestimmt,und sie sind verantwortbar. Deshalb bitte ich alleEinsichtigen und alle Kolleginnen und Kollegen, diesich verantwortungsbewusst, vor allem aber ideologiefreimit diesem Thema auseinandergesetzt haben, umZustimmung.(Zuruf von der LINKEN)Und weil ich von „ideologiefrei“ gesprochen habe,nehme ich einmal die Fraktion Die Linke aus.Herzlichen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)(C)Vizepräsident Eduard Oswald:Vielen Dank, Kollege Ingo Gädechens.(Unruhe)– Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben noch zweiRedner auf unserer Liste, und ich bitte um die notwendigeAufmerksamkeit.Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/DieGrünen unsere Kollegin Frau Ute Koczy. Bitte schön,Frau Kollegin.(B)(D)Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Die Sahelzone ist gefährdet: extreme Armut,Klimawandel, Nahrungskrisen, Bevölkerungswachstum,Korruption, Menschenhandel, Waffenhandel, Drogenschmuggel– und Mali mittendrin.Die dortige Ausbreitung von Islamisten war imGrunde nur eine Frage der Zeit. Der MilitäreinsatzFrankreichs hat das Schlimmste abgewehrt. Jetzt müssendie Weichen neu gestellt werden, und es braucht eineafrikanisch geführte Lösung.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Die beiden Mandate sind wichtig. Sie sind aber nurein Notnagel. Der wirkliche Wiederaufbau muss vielumfassender geleistet werden, langfristig angelegt seinund natürlich die afrikanischen Staaten einbeziehen. Derpolitische Prozess und darin die entwicklungspolitischeZusammenarbeit muss kohärent, strategisch und multilateralangelegt sein.Deutschland hat seit Beginn des Jahres 2013 den Vorsitzder Geberkonferenz für Mali. Doch davon hört manwenig, vor allem nicht, was Deutschland mit dieser Aufgabein Mali strategisch erreichen will. Die Ansagen aus


27970 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Ute Koczy(A)(B)dem Haus des Entwicklungsministers Niebel sind viel zuwenig konzeptionell, wenn man schon einmal den Vorsitzin dieser Geberkonferenz für Mali hat. Ich hätte esrichtig gefunden, wenn es parallel zur Diskussion überdie Mandate auch die Vorstellung – mindestens eineSkizze – einer entwicklungspolitischen Agenda gegebenhätte.Die von Deutschland vor dem Putsch begleitete undanerkannt wichtige Dezentralisierung muss wieder aufgenommenwerden. Nur wenn alle Regionen in Mali denEindruck haben, dass sie vom Staat profitieren werdenund Einfluss nehmen können, wird Mali zu Frieden undzu einer gefestigten Staatsstruktur finden. Wenn dazu dieBudgethilfen beitragen, sind sie gut angelegt.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)Der tatsächliche Aufbau dauert Jahre, vielleicht auchJahrzehnte, und er muss an allen Orten stattfinden, Ernährungssicherheitschaffen, Frauenrechte im Blickhaben, Menschenrechte durchsetzen, Arbeit schaffen.Der Aufbau muss in den Provinz- und Regionalregierungenzu guter Regierungsführung und zu einer ausgewogenenArbeitsteilung zwischen den Ebenen führen. Ermuss in der Gesellschaft zu Aussöhnung und Dialog führen.Dies alles sind Mammutaufgaben, die nur gelingen,wenn afrikanische Staaten, Gebergemeinschaft und diehumanitären Organisationen an einem Strang ziehen.Da ist es doch blamabel, wenn UNOCHA gesternAlarm schlagen musste. Von den dringend erforderlichen285 Millionen Euro sind erst 13 Millionen eingetroffen.Die von Deutschland für dieses Jahr gewährte Hilfe von1 Million Euro ist viel zu wenig. Wir fordern daher einenAnteil von mindestens 6,73 Prozent an der UN-Hilfe.Das wären mindestens 17,5 Millionen Euro. Dahintersind wir weit zurückMali braucht sinnvolle Pläne: Wo wird humanitäreHilfe am dringendsten gebraucht? Was passiert mit denVertriebenen, die hoffentlich bald zurückkehren? Wie erhaltensie Saatgut? Wie werden Grundsteine für Ernährungssouveränitätgelegt? Aber die Frage ist auch: Wiestellen wir sicher, dass die Erträge aus den Rohstoffendes Landes der Bevölkerung zugutekommen? Nicht nurFrankreich wird beweisen müssen, dass es eine neuePolitik in Afrika gibt.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU):Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Der Beginn eines jeden neuen Bundeswehreinsatzes willwohlüberlegt sein, weil man mit diesem ersten Schritt imZusammenspiel mit internationalen Partnern Verantwortungfür ein Land und für Menschen übernimmt, zu derman, wenn es nicht erwartungs- oder hoffnungsgemäßläuft, auch stehen muss. Im Fall Mali wäre aber Nichthandelnverantwortungslos. Weder die Weltgemeinschaftnoch Europa noch Deutschland können sehendenAuges zulassen, dass im Norden Afrikas ein Staat zerfälltund dass dort Rückzugs- und Operationsräume fürTerroristen entstehen – wie zum Beispiel für al-Qaida imislamischen Maghreb –, deren politische Agenda nichtauf diese Region begrenzt ist, sondern deren Ziel es auchist, unsere Sicherheit, unsere Art, zu leben, und unserefreiheitliche demokratische Grundordnung zu bedrohen.Selbst wenn die terroristische Anschlagsgefahr in Europamomentan noch wenig konkret ist: Ein Staat, derzerfällt, in dem es kein Recht und keine staatliche Ordnungmehr gibt, zieht natürlich organisierte Kriminalität,Drogenhandel, Entführungen usw. an.Ein Nichthandeln jetzt könnte dazu führen, dass zu einemspäteren Zeitpunkt, wenn sich die Terroristen ersteinmal richtig festgesetzt haben, mit einem viel größerenAufwand gehandelt werden muss. Das ist aber auchnicht einfach; denn gerade wir als westliche Welt müssenuns nach den eher ernüchternden Erfahrungen, diewir in Afghanistan machen müssen, genau überlegen,wie wir wirkungsvoll Hilfe leisten können, ohne dasswir falsche Erwartungen oder falsche Hoffnungen aufden verschiedenen Seiten wecken.Meine Damen und Herren, es ist heute in der Debatteschon öfter angesprochen worden, dass es nur Hilfe zurSelbsthilfe sein kann für den malischen Staat bzw. fürdie benachbarten Staaten. Das Militär ist nur ein kleinerTeil der Hilfe, über den wir heute abstimmen und derdeswegen diese große Prominenz erhält. Das ist aber sichernicht der einzige Teil.Was wir als Bundeswehr dazu beitragen können, istdas, was wir bereits im Jahr 2005 begonnen haben, nämlichdie Ausbildung malischer Streitkräfte im Bereichder Pioniere und die militärische Ausstattungshilfe. Andiesem Punkt müssen wir weiter ansetzen. In den Bereichen,in denen wir Erfahrungen und Kompetenzen haben,sollten wir uns jetzt auch im Rahmen der EU-Ausbildungsmissioneinbringen.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)Meine Damen und Herren, neben der Ausbildungsunterstützungleisten wir noch einen weiteren Beitrag. DerUN-Sicherheitsrat hat zur Unterstützung der Rückeroberungdes Nordens eine Militärmission mandatiert, dievon der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten,ECOWAS, geführt wird. Die Truppen werden vonden Nachbarländern Malis gestellt. Wir werden dieseTruppen durch Lufttransport und Luftbetankung logistischunterstützen.(C)(D)Auch wir in Deutschland sind gefragt, zu zeigen, wasdurch internationale Unterstützung jenseits des Militärsfunktioniert. Enttäuschen wir diese Hoffnungen nicht!(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)Vizepräsident Eduard Oswald:Letzter Redner in dieser Debatte ist Kollege ReinhardBrandl für die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)Diese beiden Bereiche für den Einsatz deutschenMilitärs sind meines Erachtens klug gewählt. Es ist


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27971Dr. Reinhard Brandl(A)(B)wichtig, auch in der Öffentlichkeit festzuhalten, dass wiruns damit nicht an Kampfoperationen beteiligen. Es istauch wichtig, festzuhalten, dass das nicht der einzigeBeitrag ist, den Deutschland leistet. Dazu kommt humanitäreHilfe. Dazu kommt Entwicklungszusammenarbeit.Dazu kommt diplomatische Unterstützung, vor allemdurch den Dialog mit den gesprächsbereitenGruppen im Norden.Entscheidend für Mali wird auch sein, dass es einenpolitischen Fortschritt gibt; Kollegen haben das schon inverschiedenen Reden angesprochen. Dies betrifft dieVorbereitung und Durchführung von Wahlen, die politischeBeteiligung aller rund 30 Ethnien, die Aussöhnungvon verfeindeten Gruppen, die Fortschritte bei der Entwicklungin allen Landesteilen, die Integration derFlüchtlinge usw.Deutschland und seine Partner in der EuropäischenUnion leisten dazu einen sinnvollen und auch realistischenBeitrag, damit wir unsere Partner in Westafrikabefähigen, zu einer politischen Lösung zu kommen.Ich möchte mich zum Schluss meiner Ausführungenbei all denjenigen bedanken, die in Uniform oder in Zivildiesen Auftrag für uns ausführen. Ich wünsche ihnen,dass sie alle wieder gut nach Hause kommen. Ich wünscheihnen auch, dass sie für ihren Einsatz jetzt einebreite Unterstützung des Parlaments bekommen werden.Meine Damen und Herren, herzlichen Dank für IhreAufmerksamkeit.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Ich schließe die Aussprache.Bevor wir zu den beiden namentlichen Abstimmungenzu den Anträgen der Bundesregierung kommen,weise ich darauf hin, dass wir direkt im Anschluss eineweitere namentliche Abstimmung und eine Wahl mitStimmkarte und Wahlausweis durchführen werden. BleibenSie also alle im Plenarsaal!Wir kommen zur Beschlussempfehlung des AuswärtigenAusschusses zu dem Antrag der Bundesregierungmit dem Titel „Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräftezur Beteiligung an der EU-geführten militärischenAusbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchensder Regierung von Mali sowie der Beschlüsse2013/34/GASP des Rates der Europäischen Union (EU)vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindungmit den Resolutionen 2071 (2012) und 2085(2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen“. DerAusschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 17/12520, den Antrag der Bundesregierungauf Drucksache 17/12367 anzunehmen. Wir stimmennun über die Beschlussempfehlung namentlich ab.Hierzu liegen mir schriftliche Erklärungen zur Abstimmungvor. 1) Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sindalle Plätze an den Urnen besetzt? – Jetzt sind alle Plätzebesetzt. Dann eröffne ich die Abstimmung über die Beschlussempfehlung.Die obligate Frage: Ist noch jemand im Plenarsaal,der seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlichnicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmungund bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,mit der Auszählung zu beginnen.Wir kommen nun, liebe Kolleginnen und Kollegen,zur Abstimmung über den Entschließungsantrag derFraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache17/12543. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag?– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantragist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionengegen die Stimmen der Linken und derGrünen bei Stimmenthaltung der SPD abgelehnt.Wir kommen nun zur Beschlussempfehlung des AuswärtigenAusschusses zu dem Antrag der Bundesregierungmit dem Titel „Entsendung bewaffneter deutscherStreitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmissionin Mali unter afrikanischer Führung(AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012)des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen“. Der Ausschussempfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 17/12522, den Antrag der Bundesregierungauf Drucksache 17/12368 anzunehmen. Auch über dieseBeschlussempfehlung stimmen wir namentlich ab. Ichbitte erneut die Schriftführerinnen und Schriftführer, dievorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle Plätze anden Urnen besetzt? – Das ist offensichtlich der Fall.Dann eröffne ich die Abstimmung über diese Beschlussempfehlung.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seineStimme nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlichnicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung undbitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit derAuszählung zu beginnen.Die Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungenwerden Ihnen später bekannt gegeben. 2)Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun denZusatzpunkt 6 auf:Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Ersten Gesetzes zurÄnderung des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes– Drucksache 17/12033 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz(10. Ausschuss)– Drucksache 17/12400 Buchstabe a –Berichterstattung:Abgeordnete Cajus CaesarPetra CroneDr. Christel Happach-KasanDr. Kirsten TackmannCornelia Behm(C)(D)1) Anlagen 6 bis 8 2) Ergebnisse Seite 27974 C und 27976 D


27972 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)Nach Art. 87 Abs. 3 des Grundgesetzes ist zur Annahmedes Gesetzentwurfs die Mehrheit der Mitgliederdes Deutschen Bundestages, das heißt mindestens 311Stimmen, erforderlich.Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei„ja“, „nein“ oder „enthalte mich“. Ungültig sind demzufolgeStimmkarten, die kein Kreuz oder mehr als einKreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten.(C)Meine Damen und Herren, in der 222. Sitzung am21. Februar 2013 ist in der dritten Beratung die vorgeschriebeneFeststellung, dass die erforderliche Mehrheitvorliegt, unterblieben. Die Schlussabstimmung ist daherzu wiederholen.Dritte BeratungDiese Wahl findet offen statt. Sie können Ihre Stimmkartealso an Ihrem Platz ankreuzen. Bevor Sie dieStimmkarte in eine der Wahlurnen werfen, übergebenSie bitte den Schriftführerinnen und Schriftführern anden Wahlurnen Ihren Wahlausweis. Der Nachweis derTeilnahme an der Wahl kann nur durch Abgabe desWahlausweises erbracht werden.(B)und Schlussabstimmung. Wir stimmen über den Gesetzentwurfnamentlich ab. Der Ausschuss für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt unterBuchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache17/12400, den Gesetzentwurf der Bundesregierungauf Drucksache 17/12033 in der Ausschussfassung anzunehmen.Auch zu dieser Abstimmung liegt mir einepersönliche Erklärung nach § 31 GO vor. 1) Ich bitte dieSchriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenenPlätze einzunehmen. – Sind alle Plätze eingenommen? –Das ist offensichtlich der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.Die obligatorische Frage: Ist noch jemand anwesend,der seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlichnicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmungund bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmungwird Ihnen später bekannt gegeben. 2)Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt6 auf:Wahl eines Mitglieds des ParlamentarischenKontrollgremiums gemäß Artikel 45 d desGrundgesetzes– Drucksache 17/12462 –Die Fraktion Die Linke schlägt auf Drucksache17/12462 den Kollegen Steffen Bockhahn vor.Bevor wir zur Wahl kommen, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeitfür einige Hinweise zum Wahlverfahren.Nach § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarischeKontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit desBundes ist gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit derMitglieder des Bundestages auf sich vereint, das heißt,wer mindestens 311 Stimmen erhält.Die Wahl erfolgt mit Stimmkarte und Wahlausweis.Den Wahlausweis können Sie – soweit noch nichtgeschehen – Ihrem Stimmkartenfach in der Lobby entnehmen.Bitte achten Sie unbedingt darauf, dass derWahlausweis auch wirklich Ihren Namen trägt. DieStimmkarten wurden im Saal verteilt. Sollten Sie nochkeine Stimmkarte haben, besteht jetzt noch die Möglichkeit,diese von den Plenarassistenten zu erhalten.Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, dievorgesehenen Plätze einzunehmen. – Das ist erfolgt.Dann eröffne ich die Wahl.Ich glaube, es ist Ruhe eingekehrt; also haben alle gewählt.Dann schließe ich die Wahl und bitte die Schriftführerinnenund Schriftführer, mit der Auszählung zubeginnen. Das Ergebnis der Wahl wird Ihnen später bekanntgegeben. 3)Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b sowieZusatzpunkt 7 auf:9 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten BrittaHaßelmann, Kerstin Andreae, Nicole Maisch,weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENKeine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Drucksache 17/12394 –b) Beratung des Antrags der Abgeordneten UllaLötzer, Eva Bulling-Schröter, Katrin Kunert, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIE LINKEzu dem Vorschlag der Europäischen Kommissionfür eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011)897 endg.; Ratsdok.18960/11)hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestagesgemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzesi. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes überdie Zusammenarbeit von Bundesregierungund Deutschem Bundestag in Angelegenheitender Europäischen UnionWasser ist Menschenrecht – Privatisierungverhindern– Drucksache 17/12482 –ZP 7 Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martin Schwanholz, Manfred Nink, WolfgangTiefensee, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder SPDzu dem Vorschlag für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates über die(D)1) Anlage 92) Ergebnis Seite 27979 C 3) Ergebnis Seite 27984 B


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27973Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)(B)Konzessionsvergabe(KOM(2011)897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Artikel 23 Absatz 3 des GrundgesetzesKommunale Versorgungsunternehmen stärken– Formale Ausschreibungspflicht beiDienstleistungskonzessionen insbesondere fürden Bereich Wasser ablehnen– Drucksache 17/12519 –Über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünensowie über den Antrag der Fraktion Die Linke werdenwir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellenVereinbarung ist für die Aussprache eine halbeStunde vorgesehen. – Ich sehe keinen Widerspruch dazu.Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin BrittaHaßelmann für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dasWort.(Unruhe)– Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer nicht mehr zuhörenwill, den bitte ich, Platz zu nehmen oder den Saalzu verlassen, damit wir in Ruhe weiter debattieren können.– Bitte schön, Kollegin Haßelmann.Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine Damen und Herren Besucherinnen undBesucher des Deutschen Bundestages! Wir reden heuteüber drei Anträge, nämlich einen Antrag von uns Grünen,einen Antrag der SPD und einen Antrag der Linkenzur EU-Richtlinie zum Thema „Vergabe von Dienstleistungskonzessionen“;vielen der Bürgerinnen und Bürgerbekannt unter dem Schlagwort „Wasser ist ein Menschenrecht“und der entsprechenden Initiative für eineEuropäische Bürgerinitiative; über 1 Million Menschenhaben sich bereits gegen diese EU-Richtlinie ausgesprochen.Wir haben aber hier im Deutschen Bundestag nochnie inhaltlich über das Thema öffentlich diskutiert. Deshalbhaben wir das für diese Sitzung zu einem Debattenpunktgemacht.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Wir fordern in unserem Antrag, die EU-Konzessionsrichtlinieso auf gar keinen Fall zu verabschieden. DieRichtlinie muss in der vorliegenden Form gestoppt werden;denn sie wird in einem Verfahren durch die Hintertürzu einer Privatisierung der Wasserversorgung führen.Sie wird viele kommunale Stadtwerke, Zweckverbündeund interkommunale Kooperationen gefährden, und daswissen alle. Alle hier im Saal wissen das, auch und insbesonderedie Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU;denn die haben sich mit diesem Thema auch auf ihremParteitag befasst, aber nicht hier im Bundestag.Es ist so: Heute und auch im Dezember hat Deutschlanddieser EU-Richtlinie im EU-Ministerrat in den entsprechendenAusschüssen in unveränderter Form zugestimmt,er lässt diese Richtlinie passieren. Das allesgeschieht durch das Wirtschaftsministerium. Man ist derAuffassung, diese Art von Dienstleistungskonzessionender Ausschreibung zu unterwerfen, gefährde nicht diekommunalen Stadtwerke. Das wird aber der Fall sein.Wir werden demnächst mit europaweiten Ausschreibungenfür Wasserversorgungskonzessionen konfrontiertsein. Deshalb müssen wir uns hier im Bundestag positionierenund gegen diese Richtlinie vorgehen.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei der SPD und der LINKEN)Während wir heute das Thema im Bundestag beraten,hat Deutschland wieder eine Chance verpasst. Deutschlandhat nämlich, anders als Österreich, nicht zugestimmt,dass Änderungen an der Richtlinie vorgenommenwerden. Unser Ständiger Vertreter hat heute in derEU Österreich im Stich gelassen und nicht dafür gestimmt,dass sich Deutschland für die entsprechendenÄnderungen der EU-Richtlinie einsetzt.(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das ist skandalös!)Die öffentlichen Aktionen von CDU und CSU unddas bisherige Verhalten der schwarz-gelben Bundesregierunggehen völlig auseinander. Das müssen wiroffenlegen. Das ist so nicht hinnehmbar. So viel Scheinheiligkeitauf einmal ist wirklich zu viel.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei der SPD und der LINKEN – OliverKrischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dasist doppelzüngig!)Meine Damen und Herren von der CDU, wir haben esIhnen eigentlich leicht gemacht; denn wir stellen heuteden Beschluss, den Sie im Dezember auf Ihrem Parteitaggefasst haben, eins zu eins in einem Antrag zur Abstimmung.Es kann doch nicht sein, dass Sie den ganzenKommunalos flammend erklären, Sie sind gegen dieseRichtlinie, und gleichzeitig lassen Sie den Rösler laufen,der die Richtlinie eins zu eins passieren lässt, so wie dasBarnier und andere Wettbewerbsleute in Brüssel wollen.Sie müssen Ihren Leuten vor Ort erklären, wie Sieeine solche Spaltung des Bewusstseins hinbekommen.Auf Ihrem Parteitag sind Sie radikal gegen die EU-Richtlinie, und hier im Deutschen Bundestag ducken Siesich weg und lassen die schwarz-gelbe Bundesregierungagieren.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD sowie bei Abgeordneten derLINKEN)Noch schlimmer ist es bei der CSU.(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:Die sind genauso scheinheilig!)Bayern bringt morgen gemeinsam mit Nordrhein-Westfaleneine Entschließung gegen diese Richtlinie in denBundesrat ein. Wie ich sehe, sind Horst Seehofer undAlexander Dobrindt heute gar nicht hier.(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Gähnende Leere hier!)Das kann ich auch gut verstehen; denn das ist für sie einunbequemes Thema. Sie äußern sich öffentlich, dass Sie(C)(D)


27974 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Britta Haßelmann(A)massiv gegen diese Richtlinie vorgehen wollen. Sie habengesagt: Man muss einen Riegel vorschieben, eineharte Gangart einlegen. – So lauteten die Formulierungengegen die Richtlinie. Ich bin gespannt, ob Sie heutehier im Bundestag unserem Antrag, der ja eigentlich IhrParteitagsbeschluss ist, wirklich zustimmen.Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Das ist das Problem. Es ist daher gut, dass wir diesesThema heute diskutieren.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei der SPD und der LINKEN)(C)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ich fordere Sie auf: Bekennen Sie Farbe! Stoppen Siediese Richtlinie! Hören Sie von CDU und CSU vor allenDingen mit dem scheinheiligen Spiel: auf Parteitagengegen diese Richtlinie zu stimmen, aber am Ende hier imDeutschen Bundestag nichts dagegen zu tun! Hören Sieauf, zu behaupten, dass sich durch die Aussagen vonBarnier irgend etwas geändert hätte. Der EU-Kommissarhat eine Ankündigung gemacht, die Richtlinie aber nichtverhindert.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Frau Kollegin!Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwischendurch darfich die Ergebnisse der drei namentlichen Abstimmungenbekanntgeben.Zunächst zu dem von den Schriftführerinnen undSchriftführern ermittelten Ergebnis der namentlichenAbstimmung über die Beschlussempfehlung des AuswärtigenAusschusses zu dem Antrag der Bundesregierung„Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zurBeteiligung an der EU-geführten militärischen AusbildungsmissionEUTM Mali.“ Das sind die Drucksachen17/12367 und 17/12520. Abgegebene Stimmen:567. Mit Ja haben gestimmt 496 Abgeordnete, mit Neinhaben gestimmt 67, Stimmenthaltungen 4. Die Beschlussempfehlungist angenommen worden.(B)Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 567;davonja: 496nein: 67enthalten: 4JaCDU/CSUIlse AignerPeter AltmaierPeter AumerDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannErnst-Reinhard Beck(Reutlingen)Manfred Behrens (Börde)Veronika BellmannDr. Christoph BergnerPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang Börnsen(Bönstrup)Wolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr. Reinhard BrandlHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeDr. Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexander DobrindtThomas DörflingerMarie-Luise DöttDr. Thomas FeistEnak FerlemannIngrid FischbachDirk Fischer (Hamburg)Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich(Hof)Michael FrieserErich G. FritzHans-Joachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr. Thomas GebhartNorbert GeisAlois GerigEberhard GiengerMichael GlosJosef GöppelPeter GötzUte GranoldReinhard GrindelHermann GröheMichael Grosse-BrömerMarkus GrübelManfred GrundMonika GrüttersOlav GuttingFlorian HahnDr. Stephan HarbarthGerda HasselfeldtDr. Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilUrsula Heinen-EsserFrank HeinrichRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingErnst HinskenPeter HintzeChristian HirteRobert HochbaumKarl HolmeierFranz-Josef HolzenkampJoachim HörsterAnette HübingerHubert HüppeThomas JarzombekDieter JasperDr. Franz Josef JungAndreas Jung (Konstanz)Dr. Egon JüttnerBartholomäus KalbHans-Werner KammerSteffen KampeterAlois KarlBernhard KasterSiegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)Volker KauderDr. Stefan KaufmannRoderich KiesewetterEckart von KlaedenEwa KlamtVolkmar KleinJürgen KlimkeAxel KnoerigJens KoeppenManfred KolbeDr. Rolf KoschorrekHartmut KoschykThomas KossendeyMichael KretschmerGunther KrichbaumDr. Günter KringsRüdiger KruseBettina KudlaDr. Hermann KuesGünter LachDr. Karl A. Lamers(Heidelberg)Andreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangeDr. Max LehmerPaul LehriederIngbert LiebingMatthias LietzDr. Carsten LinnemannPatricia LipsDr. Jan-Marco LuczakDaniela LudwigDr. Michael LutherKarin MaagDr. Thomas de MaizièreHans-Georg von der MarwitzAndreas MattfeldtStephan Mayer (Altötting)Dr. Michael MeisterDr. Angela MerkelMaria Michalk(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27975Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)(B)Dr. Mathias MiddelbergPhilipp MißfelderDietrich MonstadtMarlene MortlerDr. Gerd MüllerStefan Müller (Erlangen)Dr. Philipp MurmannMichaela NollFranz ObermeierEduard OswaldHenning OtteDr. Michael PaulRita PawelskiUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferBeatrix PhilippRonald PofallaChristoph PolandRuprecht PolenzEckhard PolsThomas RachelDr. Peter RamsauerEckhardt RehbergKatherina Reiche (Potsdam)Lothar RiebsamenJosef RiefKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberJohannes RöringDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckErwin RüddelAlbert Rupprecht (Weiden)Anita Schäfer (Saalstadt)Dr. Wolfgang SchäubleDr. Annette SchavanDr. Andreas ScheuerKarl SchiewerlingNorbert SchindlerTankred SchipanskiGeorg SchirmbeckChristian Schmidt (Fürth)Patrick SchniederDr. Andreas SchockenhoffNadine Schön (St. Wendel)Dr. Kristina Schröder(Wiesbaden)Dr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerArmin Schuster (Weil amRhein)Detlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr. Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnCarola StaucheDr. Frank SteffelErika SteinbachChristian Freiherr von StettenDieter StierGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerKarin StrenzThomas Strobl (Heilbronn)Lena StrothmannMichael StübgenDr. Peter TauberAntje TillmannDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzVolkmar Vogel (Kleinsaara)Stefanie VogelsangAndrea Astrid VoßhoffDr. Johann WadephulMarco WanderwitzKai WegnerMarcus Weinberg (Hamburg)Peter Weiß (Emmendingen)Sabine Weiss (Wesel I)Ingo WellenreutherKarl-Georg WellmannPeter WichtelAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschElisabeth Winkelmeier-BeckerDagmar G. WöhrlDr. Matthias ZimmerWolfgang ZöllerWilli ZylajewSPDIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHeinz-Joachim BarchmannDoris BarnettSören BartolBärbel BasSabine Bätzing-LichtenthälerDirk BeckerLothar Binding (Heidelberg)Gerd BollmannKlaus BrandnerBernhard Brinkmann(Hildesheim)Edelgard BulmahnMartin BurkertPetra CroneMartin DörmannElvira Drobinski-WeißSebastian EdathyIngo EgloffSiegmund EhrmannDr. h. c. Gernot ErlerPetra ErnstbergerElke FernerGabriele FograscherDr. Edgar FrankeDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeGünter GloserAngelika Graf (Rosenheim)Kerstin GrieseGabriele GronebergWolfgang GunkelHans-Joachim HackerBettina HagedornKlaus HagemannMichael Hartmann(Wackernheim)Hubertus Heil (Peine)Wolfgang HellmichRolf HempelmannDr. Barbara HendricksGustav HerzogGabriele Hiller-OhmDr. Eva HöglChristel HummeJosip JuratovicOliver KaczmarekJohannes KahrsDr. h. c. Susanne KastnerUlrich KelberLars KlingbeilHans-Ulrich KloseDr. Bärbel KoflerDaniela Kolbe (Leipzig)Fritz Rudolf KörperAnette KrammeAngelika Krüger-LeißnerUte KumpfChristine LambrechtDr. Karl LauterbachSteffen-Claudio LemmeGabriele Lösekrug-MöllerKirsten LühmannCaren MarksKatja MastHilde MattheisPetra Merkel (Berlin)Ullrich MeßmerDr. Matthias MierschFranz MünteferingDr. Rolf MützenichDietmar NietanManfred NinkThomas OppermannHolger OrtelAydan ÖzoğuzHeinz PaulaJohannes PflugJoachim PoßDr. Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDr. Sascha RaabeStefan RebmannGerold ReichenbachDr. Carola ReimannSönke RixRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannKarin Roth (Esslingen)Michael Roth (Heringen)Annette SawadeAnton SchaafAxel Schäfer (Bochum)Bernd ScheelenMarianne Schieder(Schwandorf)Werner Schieder (Weiden)Ulla Schmidt (Aachen)Carsten Schneider (Erfurt)Swen Schulz (Spandau)Ewald SchurerFrank SchwabeDr. Martin SchwanholzRolf SchwanitzStefan SchwartzeRita Schwarzelühr-SutterSonja SteffenPeer SteinbrückDr. Frank-Walter SteinmeierChristoph SträsserKerstin TackDr. h. c. Wolfgang ThierseFranz ThönnesWolfgang TiefenseeRüdiger VeitUte VogtDr. Marlies VolkmerAndrea WickleinDr. Dieter WiefelspützUta ZapfDagmar ZieglerManfred ZöllmerBrigitte ZypriesFDPJens AckermannChristine Aschenberg-DugnusDaniel Bahr (Münster)Florian BernschneiderSebastian BlumenthalClaudia BögelNicole Bracht-BendtKlaus BreilRainer BrüderleErnst BurgbacherMarco BuschmannHelga DaubReiner DeutschmannBijan Djir-SaraiPatrick DöringMechthild DyckmansHans-Werner EhrenbergRainer ErdelJörg van EssenUlrike FlachOtto FrickeDr. Edmund Peter GeisenDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannHeinz GolombeckJoachim Günther (Plauen)Dr. Christel Happach-KasanHeinz-Peter HausteinManuel HöferlinElke HoffBirgit HomburgerHeiner KampMichael KauchDr. Lutz KnopekPascal KoberDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppDr. h. c. Jürgen KoppelinSebastian KörberPatrick Kurth (Kyffhäuser)Heinz LanfermannSibylle LaurischkHarald LeibrechtLars Lindemann(C)(D)


27976 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)(B)Dr. Martin Lindner (Berlin)Michael Link (Heilbronn)Oliver LuksicHorst MeierhoferPatrick MeinhardtGabriele MolitorJan MückeBurkhardt Müller-SönksenDr. Martin Neumann(Lausitz)Dirk NiebelHans-Joachim Otto(Frankfurt)Cornelia PieperGisela PiltzDr. Christiane Ratjen-DamerauJörg von PolheimDr. Birgit ReinemundHagen ReinholdDr. Peter RöhlingerDr. Stefan RuppertBjörn SängerChristoph SchnurrJimmy SchulzMarina SchusterDr. Erik SchweickertWerner SimmlingJudith SkudelnyDr. Hermann Otto SolmsJoachim SpatzDr. Max StadlerTorsten StaffeldtDr. Rainer StinnerStephan ThomaeManfred TodtenhausenDr. Florian ToncarSerkan TörenJohannes Vogel(Lüdenscheid)Dr. Daniel VolkDr. Guido WesterwelleDr. Claudia WintersteinDr. Volker WissingHartfrid Wolff (Rems-Murr)DIE LINKEJutta KrellmannBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKerstin AndreaeMarieluise Beck (Bremen)Volker Beck (Köln)Cornelia BehmBirgitt BenderAgnes BruggerViola von Cramon-TaubadelEkin DeligözKatja DörnerHarald EbnerHans-Josef FellDr. Thomas GambkeKai GehringKatrin Göring-EckardtBritta HaßelmannBettina HerlitziusPriska Hinz (Herborn)Dr. Anton HofreiterBärbel HöhnIngrid HönlingerThilo HoppeUwe KekeritzSusanne KieckbuschSven-Christian KindlerMaria Klein-SchmeinkUte KoczyTom KoenigsSylvia Kotting-UhlOliver KrischerRenate KünastMarkus KurthUndine Kurth (Quedlinburg)Dr. Tobias LindnerNicole MaischJerzy MontagKerstin Müller (Köln)Beate Müller-GemmekeDr. Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffDr. Hermann E. OttBrigitte PothmerTabea RößnerKrista SagerManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergDr. Gerhard SchickUlrich SchneiderDorothea SteinerDr. Wolfgang Strengmann-KuhnDr. Harald TerpeMarkus TresselJürgen TrittinDaniela WagnerBeate Walter-RosenheimerArfst Wagner (Schleswig)Wolfgang WielandDr. Valerie WilmsJosef Philip WinklerNeinSPDKlaus BarthelWaltraud Wolff(Wolmirstedt)FDPFrank SchäfflerDIE LINKEJan van AkenAgnes AlpersDr. Dietmar BartschKarin BinderMatthias W. BirkwaldHeidrun BluhmSteffen BockhahnChristine BuchholzEva Bulling-SchröterDr. Martina BungeSevim DağdelenDr. Diether DehmHeidrun DittrichWerner DreibusDr. Dagmar EnkelmannKlaus ErnstWolfgang GehrckeNicole GohlkeDiana GolzeAnnette GrothDr. Gregor GysiHeike HänselDr. Rosemarie HeinInge HögerDr. Barbara HöllAndrej HunkoUlla JelpkeDr. Lukrezia JochimsenKatja KippingHarald KochJan KorteKatrin KunertCaren LaySabine LeidigRalph LenkertUlla LötzerDr. Gesine LötzschThomas LutzeDorothée MenznerNiema MovassatThomas NordPetra PauJens PetermannPaul Schäfer (Köln)Michael SchlechtDr. Ilja SeifertKathrin Senger-SchäferRaju SharmaDr. Petra SitteKersten SteinkeSabine StüberAlexander SüßmairDr. Kirsten TackmannFrank TempelDr. Axel TroostAlexander UlrichKathrin VoglerJohanna VoßHalina WawzyniakHarald WeinbergKatrin WernerJörn WunderlichBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENHans-Christian StröbelefraktionsloserAbgeordneterWolfgang NeškovićEnthaltenCDU/CSUDr. Peter GauweilerSPDMarco BülowPetra Hinz (Essen)BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENMonika Lazar(C)(D)Wir kommen zu dem von den Schriftführerinnen undSchriftführern ermittelten Ergebnis der namentlichenAbstimmung über die Beschlussempfehlung desAuswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung„Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräftezur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmissionin Mali unter afrikanischer Führung(AFISMA)“. Das sind die Drucksachen 17/12368 und17/12522. Abgegebene Stimmen: 566. Mit Ja haben gestimmt492 Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt 66,Stimmenthaltungen 8.


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27977Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)(B)Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 566;davonja: 492nein: 66enthalten: 8JaCDU/CSUIlse AignerPeter AltmaierPeter AumerDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannErnst-Reinhard Beck(Reutlingen)Manfred Behrens (Börde)Veronika BellmannDr. Christoph BergnerPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang Börnsen(Bönstrup)Wolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr. Reinhard BrandlHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeDr. Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexander DobrindtThomas DörflingerMarie-Luise DöttDr. Thomas FeistEnak FerlemannIngrid FischbachDirk Fischer (Hamburg)Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich(Hof)Michael FrieserErich G. FritzHans-Joachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr. Thomas GebhartNorbert GeisAlois GerigEberhard GiengerMichael GlosJosef GöppelPeter GötzUte GranoldReinhard GrindelHermann GröheMichael Grosse-BrömerMarkus GrübelManfred GrundMonika GrüttersOlav GuttingFlorian HahnDr. Stephan HarbarthGerda HasselfeldtDr. Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilUrsula Heinen-EsserFrank HeinrichRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingErnst HinskenPeter HintzeChristian HirteRobert HochbaumKarl HolmeierFranz-Josef HolzenkampJoachim HörsterAnette HübingerHubert HüppeThomas JarzombekDieter JasperDr. Franz Josef JungAndreas Jung (Konstanz)Dr. Egon JüttnerBartholomäus KalbHans-Werner KammerSteffen KampeterAlois KarlBernhard KasterSiegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)Volker KauderDr. Stefan KaufmannRoderich KiesewetterEckart von KlaedenEwa KlamtVolkmar KleinJürgen KlimkeAxel KnoerigJens KoeppenManfred KolbeDr. Rolf KoschorrekHartmut KoschykThomas KossendeyMichael KretschmerGunther KrichbaumDr. Günter KringsRüdiger KruseBettina KudlaDr. Hermann KuesGünter LachDr. Karl A. Lamers(Heidelberg)Andreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangeDr. Max LehmerPaul LehriederIngbert LiebingMatthias LietzDr. Carsten LinnemannPatricia LipsDr. Jan-Marco LuczakDaniela LudwigDr. Michael LutherKarin MaagDr. Thomas de MaizièreHans-Georg von der MarwitzAndreas MattfeldtStephan Mayer (Altötting)Dr. Michael MeisterDr. Angela MerkelMaria MichalkDr. Mathias MiddelbergPhilipp MißfelderDietrich MonstadtMarlene MortlerDr. Gerd MüllerStefan Müller (Erlangen)Dr. Philipp MurmannMichaela NollFranz ObermeierEduard OswaldHenning OtteDr. Michael PaulRita PawelskiUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferBeatrix PhilippRonald PofallaChristoph PolandRuprecht PolenzEckhard PolsThomas RachelDr. Peter RamsauerEckhardt RehbergKatherina Reiche (Potsdam)Lothar RiebsamenJosef RiefKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberJohannes RöringDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckErwin RüddelAlbert Rupprecht (Weiden)Anita Schäfer (Saalstadt)Dr. Wolfgang SchäubleDr. Annette SchavanDr. Andreas ScheuerKarl SchiewerlingNorbert SchindlerTankred SchipanskiGeorg SchirmbeckChristian Schmidt (Fürth)Patrick SchniederDr. Andreas SchockenhoffNadine Schön (St. Wendel)Dr. Kristina Schröder(Wiesbaden)Dr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerArmin Schuster (Weil amRhein)Detlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr. Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnCarola StaucheDr. Frank SteffelErika SteinbachChristian Freiherr von StettenDieter StierGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerKarin StrenzThomas Strobl (Heilbronn)Lena StrothmannMichael StübgenDr. Peter TauberAntje TillmannDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzVolkmar Vogel (Kleinsaara)Stefanie VogelsangAndrea Astrid VoßhoffDr. Johann WadephulMarco WanderwitzKai WegnerMarcus Weinberg (Hamburg)Peter Weiß (Emmendingen)Sabine Weiss (Wesel I)Ingo WellenreutherKarl-Georg WellmannPeter WichtelAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschElisabeth Winkelmeier-BeckerDagmar G. WöhrlDr. Matthias ZimmerWolfgang ZöllerWilli ZylajewSPDIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHeinz-Joachim BarchmannDoris BarnettSören BartolBärbel BasSabine Bätzing-LichtenthälerDirk BeckerLothar Binding (Heidelberg)Gerd BollmannKlaus BrandnerBernhard Brinkmann(Hildesheim)Edelgard BulmahnMartin BurkertPetra CroneMartin DörmannElvira Drobinski-WeißSebastian EdathyIngo EgloffSiegmund EhrmannDr. h. c. Gernot Erler(C)(D)


27978 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)(B)Petra ErnstbergerElke FernerGabriele FograscherDr. Edgar FrankeDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeGünter GloserAngelika Graf (Rosenheim)Kerstin GrieseGabriele GronebergWolfgang GunkelHans-Joachim HackerBettina HagedornKlaus HagemannMichael Hartmann(Wackernheim)Hubertus Heil (Peine)Wolfgang HellmichRolf HempelmannDr. Barbara HendricksGustav HerzogGabriele Hiller-OhmDr. Eva HöglChristel HummeJosip JuratovicOliver KaczmarekJohannes KahrsDr. h. c. Susanne KastnerUlrich KelberLars KlingbeilHans-Ulrich KloseDr. Bärbel KoflerDaniela Kolbe (Leipzig)Fritz Rudolf KörperAnette KrammeAngelika Krüger-LeißnerUte KumpfChristine LambrechtDr. Karl LauterbachSteffen-Claudio LemmeGabriele Lösekrug-MöllerKirsten LühmannCaren MarksKatja MastHilde MattheisPetra Merkel (Berlin)Ullrich MeßmerDr. Matthias MierschFranz MünteferingDr. Rolf MützenichDietmar NietanManfred NinkThomas OppermannHolger OrtelAydan ÖzoğuzHeinz PaulaJohannes PflugJoachim PoßDr. Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDr. Sascha RaabeStefan RebmannGerold ReichenbachDr. Carola ReimannSönke RixRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannKarin Roth (Esslingen)Michael Roth (Heringen)Annette SawadeAnton SchaafAxel Schäfer (Bochum)Bernd ScheelenMarianne Schieder(Schwandorf)Werner Schieder (Weiden)Ulla Schmidt (Aachen)Carsten Schneider (Erfurt)Swen Schulz (Spandau)Ewald SchurerFrank SchwabeDr. Martin SchwanholzRolf SchwanitzStefan SchwartzeRita Schwarzelühr-SutterSonja SteffenPeer SteinbrückDr. Frank-Walter SteinmeierChristoph SträsserKerstin TackDr. h. c. Wolfgang ThierseFranz ThönnesWolfgang TiefenseeRüdiger VeitUte VogtDr. Marlies VolkmerAndrea WickleinDr. Dieter WiefelspützUta ZapfDagmar ZieglerManfred ZöllmerBrigitte ZypriesFDPJens AckermannChristine Aschenberg-DugnusDaniel Bahr (Münster)Florian BernschneiderSebastian BlumenthalClaudia BögelNicole Bracht-BendtKlaus BreilRainer BrüderleErnst BurgbacherMarco BuschmannHelga DaubReiner DeutschmannBijan Djir-SaraiPatrick DöringMechthild DyckmansHans-Werner EhrenbergRainer ErdelJörg van EssenUlrike FlachOtto FrickeDr. Edmund Peter GeisenDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannHeinz GolombeckJoachim Günther (Plauen)Dr. Christel Happach-KasanHeinz-Peter HausteinManuel HöferlinElke HoffBirgit HomburgerHeiner KampMichael KauchDr. Lutz KnopekPascal KoberDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppDr. h. c. Jürgen KoppelinSebastian KörberPatrick Kurth (Kyffhäuser)Heinz LanfermannSibylle LaurischkHarald LeibrechtLars LindemannDr. Martin Lindner (Berlin)Michael Link (Heilbronn)Oliver LuksicHorst MeierhoferPatrick MeinhardtGabriele MolitorJan MückeBurkhardt Müller-SönksenDr. Martin Neumann(Lausitz)Dirk NiebelHans-Joachim Otto(Frankfurt)Cornelia PieperGisela PiltzDr. Christiane Ratjen-DamerauJörg von PolheimDr. Birgit ReinemundHagen ReinholdDr. Peter RöhlingerDr. Stefan RuppertBjörn SängerChristoph SchnurrJimmy SchulzMarina SchusterDr. Erik SchweickertWerner SimmlingJudith SkudelnyDr. Hermann Otto SolmsJoachim SpatzDr. Max StadlerTorsten StaffeldtDr. Rainer StinnerStephan ThomaeManfred TodtenhausenDr. Florian ToncarSerkan TörenJohannes Vogel(Lüdenscheid)Dr. Daniel VolkDr. Guido WesterwelleDr. Claudia WintersteinDr. Volker WissingHartfrid Wolff (Rems-Murr)BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKerstin AndreaeMarieluise Beck (Bremen)Volker Beck (Köln)Cornelia BehmBirgitt BenderAgnes BruggerViola von Cramon-TaubadelEkin DeligözKatja DörnerHarald EbnerHans-Josef FellDr. Thomas GambkeKai GehringKatrin Göring-EckardtBritta HaßelmannBettina HerlitziusPriska Hinz (Herborn)Dr. Anton HofreiterBärbel HöhnIngrid HönlingerThilo HoppeUwe KekeritzSusanne KieckbuschSven-Christian KindlerMaria Klein-SchmeinkUte KoczyTom KoenigsOliver KrischerRenate KünastMarkus KurthUndine Kurth(Quedlinburg)Dr. TobiasLindnerNicole MaischJerzy MontagKerstin Müller (Köln)Dr. Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffDr. Hermann OttBrigitte PothmerTabea RößnerKrista SagerManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergDr. Gerhard SchickUlrich SchneiderDorothea SteinerDr. Wolfgang Strengmann-KuhnMarkus TresselJürgen TrittinDaniela WagnerBeate Walter-RosenheimerArfst Wagner (Schleswig)Wolfgang WielandDr. Valerie WilmsJosef Philip WinklerNeinSPDKlaus BarthelWaltraud Wolff(Wolmirstedt)FDPFrank SchäfflerDIE LINKEJan van AkenAgnes Alpers(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27979Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)Dr. Dietmar BartschKarin BinderMatthias W. BirkwaldHeidrun BluhmSteffen BockhahnChristine BuchholzEva Bulling-SchröterDr. Martina BungeSevim DağdelenDr. Diether DehmHeidrun DittrichWerner DreibusDr. Dagmar EnkelmannKlaus ErnstWolfgang GehrckeNicole GohlkeDiana GolzeAnnette GrothDr. Gregor GysiHeike HänselDr. Rosemarie HeinInge HögerDr. Barbara HöllAndrej HunkoUlla JelpkeDr. Lukrezia JochimsenKatja KippingHarald KochJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertCaren LaySabine LeidigRalph LenkertUlla LötzerDr. Gesine LötzschDorothée MenznerNiema MovassatThomas NordPetra PauJens PetermannPaul Schäfer (Köln)Michael SchlechtDr. Ilja SeifertKathrin Senger-SchäferRaju SharmaDr. Petra SitteKersten SteinkeSabine StüberAlexander SüßmairDr. Kirsten TackmannFrank TempelDr. Axel TroostAlexander UlrichKathrin VoglerJohanna VoßHalina WawzyniakHarald WeinbergKatrin WernerJörn WunderlichfraktionsloserAbgeordneterWolfgang NeškovićEnthaltenCDU/CSUDr. Peter GauweilerSPDMarco BülowPetra Hinz (Essen)BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENSylvia Kotting-UhlMonika LazarBeate Müller-GemmekeHans-Christian StröbeleDr. Harald Terpe(C)Ich komme zu dem von den Schriftführerinnen undSchriftführern ermittelten Ergebnis der namentlichenAbstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurf eines „Ersten Gesetzes zur Änderungdes Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes“. Das sind dieDrucksachen 17/12033 und 17/12400. AbgegebeneStimmen: 564. Mit Ja haben gestimmt 313 Abgeordnete,mit Nein haben gestimmt 126 Abgeordnete, Stimmenthaltungen125. Der Gesetzentwurf hat die erforderlicheMehrheit erreicht.(B)Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 563;davonja: 312nein: 126enthalten: 125JaCDU/CSUIlse AignerPeter AltmaierPeter AumerDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannErnst-Reinhard Beck(Reutlingen)Manfred Behrens (Börde)Veronika BellmannDr. Christoph BergnerPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang Börnsen(Bönstrup)Wolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr. Reinhard BrandlHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeDr. Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexander DobrindtThomas DörflingerMarie-Luise DöttDr. Thomas FeistEnak FerlemannIngrid FischbachDirk Fischer (Hamburg)Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich(Hof)Michael FrieserErich G. FritzHans-Joachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr. Peter GauweilerDr. Thomas GebhartNorbert GeisAlois GerigEberhard GiengerMichael GlosJosef GöppelPeter GötzUte GranoldReinhard GrindelHermann GröheMichael Grosse-BrömerMarkus GrübelManfred GrundMonika GrüttersOlav GuttingFlorian HahnDr. Stephan HarbarthGerda HasselfeldtDr. Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilUrsula Heinen-EsserFrank HeinrichRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingErnst HinskenPeter HintzeChristian HirteRobert HochbaumKarl HolmeierFranz-Josef HolzenkampJoachim HörsterAnette HübingerHubert HüppeThomas JarzombekDieter JasperDr. Franz Josef JungAndreas Jung (Konstanz)Dr. Egon JüttnerBartholomäus KalbHans-Werner KammerSteffen KampeterAlois KarlBernhard KasterSiegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)Volker KauderDr. Stefan KaufmannRoderich KiesewetterEckart von KlaedenEwa KlamtVolkmar KleinJürgen KlimkeAxel KnoerigJens KoeppenManfred KolbeDr. Rolf KoschorrekHartmut KoschykThomas KossendeyMichael KretschmerGunther KrichbaumDr. Günter KringsRüdiger KruseBettina KudlaDr. Hermann KuesGünter LachDr. Karl A. Lamers(Heidelberg)(D)


27980 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)(B)Andreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangePaul LehriederIngbert LiebingMatthias LietzDr. Carsten LinnemannPatricia LipsDr. Jan-Marco LuczakDaniela LudwigDr. Michael LutherKarin MaagDr. Thomas de MaizièreHans-Georg von der MarwitzAndreas MattfeldtStephan Mayer (Altötting)Dr. Michael MeisterDr. Angela MerkelMaria MichalkDr. Mathias MiddelbergPhilipp MißfelderDietrich MonstadtDr. Gerd MüllerStefan Müller (Erlangen)Dr. Philipp MurmannMichaela NollFranz ObermeierEduard OswaldHenning OtteDr. Michael PaulRita PawelskiUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferBeatrix PhilippRonald PofallaChristoph PolandRuprecht PolenzEckhard PolsThomas RachelDr. Peter RamsauerEckhardt RehbergKatherina Reiche (Potsdam)Lothar RiebsamenJosef RiefKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberJohannes RöringDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckErwin RüddelAlbert Rupprecht (Weiden)Anita Schäfer (Saalstadt)Dr. Wolfgang SchäubleDr. Annette SchavanDr. Andreas ScheuerKarl SchiewerlingNorbert SchindlerTankred SchipanskiGeorg SchirmbeckChristian Schmidt (Fürth)Patrick SchniederDr. Andreas SchockenhoffNadine Schön (St. Wendel)Dr. Kristina Schröder(Wiesbaden)Dr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerArmin Schuster (Weil amRhein)Detlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr. Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnCarola StaucheDr. Frank SteffelErika SteinbachChristian Freiherr von StettenDieter StierGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerKarin StrenzThomas Strobl (Heilbronn)Lena StrothmannMichael StübgenDr. Peter TauberAntje TillmannDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzVolkmar Vogel (Kleinsaara)Stefanie VogelsangAndrea Astrid VoßhoffDr. Johann WadephulMarco WanderwitzKai WegnerMarcus Weinberg (Hamburg)Peter Weiß (Emmendingen)Sabine Weiss (Wesel I)Ingo WellenreutherKarl-Georg WellmannPeter WichtelAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschElisabeth Winkelmeier-BeckerDagmar G. WöhrlDr. Matthias ZimmerWolfgang ZöllerWilli ZylajewFDPJens AckermannChristine Aschenberg-DugnusDaniel Bahr (Münster)Florian BernschneiderSebastian BlumenthalClaudia BögelNicole Bracht-BendtKlaus BreilRainer BrüderleErnst BurgbacherMarco BuschmannHelga DaubReiner DeutschmannBijan Djir-SaraiPatrick DöringMechthild DyckmansHans-Werner EhrenbergRainer ErdelJörg van EssenUlrike FlachOtto FrickeDr. Edmund Peter GeisenDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannHeinz GolombeckJoachim Günther (Plauen)Dr. Christel Happach-KasanHeinz-Peter HausteinManuel HöferlinElke HoffBirgit HomburgerHeiner KampMichael KauchDr. Lutz KnopekPascal KoberDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppDr. h. c. Jürgen KoppelinSebastian KörberPatrick Kurth (Kyffhäuser)Heinz LanfermannSibylle LaurischkHarald LeibrechtLars LindemannDr. Martin Lindner (Berlin)Michael Link (Heilbronn)Oliver LuksicHorst MeierhoferPatrick MeinhardtGabriele MolitorJan MückeBurkhardt Müller-SönksenDr. Martin Neumann(Lausitz)Dirk NiebelHans-Joachim Otto(Frankfurt)Gisela PiltzDr. Christiane Ratjen-DamerauJörg von PolheimDr. Birgit ReinemundHagen ReinholdDr. Peter RöhlingerDr. Stefan RuppertBjörn SängerFrank SchäfflerChristoph SchnurrJimmy SchulzMarina SchusterDr. Erik SchweickertWerner SimmlingJudith SkudelnyDr. Hermann Otto SolmsJoachim SpatzDr. Max StadlerTorsten StaffeldtDr. Rainer StinnerStephan ThomaeManfred TodtenhausenDr. Florian ToncarSerkan TörenJohannes Vogel(Lüdenscheid)Dr. Daniel VolkDr. Guido WesterwelleDr. Claudia WintersteinDr. Volker WissingHartfrid Wolff (Rems-Murr)NeinSPDIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHeinz-Joachim BarchmannDoris BarnettKlaus BarthelSören BartolBärbel BasSabine Bätzing-LichtenthälerDirk BeckerLothar Binding (Heidelberg)Gerd BollmannKlaus BrandnerBernhard Brinkmann(Hildesheim)Edelgard BulmahnMarco BülowMartin BurkertPetra CroneMartin DörmannElvira Drobinski-WeißSebastian EdathyIngo EgloffSiegmund EhrmannDr. h. c. Gernot ErlerPetra ErnstbergerElke FernerGabriele FograscherDr. Edgar FrankeDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeGünter GloserAngelika Graf (Rosenheim)Kerstin GrieseGabriele GronebergWolfgang GunkelHans-Joachim HackerBettina HagedornKlaus HagemannMichael Hartmann(Wackernheim)Hubertus Heil (Peine)Wolfgang HellmichRolf HempelmannDr. Barbara HendricksGustav HerzogGabriele Hiller-OhmPetra Hinz (Essen)Dr. Eva HöglChristel HummeJosip JuratovicOliver KaczmarekJohannes KahrsDr. h. c. Susanne KastnerLars KlingbeilHans-Ulrich KloseDr. Bärbel KoflerDaniela Kolbe (Leipzig)Fritz Rudolf Körper(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27981Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)(B)Anette KrammeAngelika Krüger-LeißnerUte KumpfChristine LambrechtDr. Karl LauterbachSteffen-Claudio LemmeGabriele Lösekrug-MöllerKirsten LühmannCaren MarksKatja MastHilde MattheisPetra Merkel (Berlin)Ullrich MeßmerDr. Matthias MierschFranz MünteferingDr. Rolf MützenichDietmar NietanManfred NinkThomas OppermannHolger OrtelAydan ÖzoğuzHeinz PaulaJohannes PflugJoachim PoßDr. Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDr. Sascha RaabeStefan RebmannGerold ReichenbachDr. Carola ReimannSönke RixRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannKarin Roth (Esslingen)Michael Roth (Heringen)Annette SawadeAnton SchaafAxel Schäfer (Bochum)Bernd ScheelenMarianne Schieder(Schwandorf)Werner Schieder (Weiden)Ulla Schmidt (Aachen)Carsten Schneider (Erfurt)Swen Schulz (Spandau)Ewald SchurerFrank SchwabeDr. Martin SchwanholzRolf SchwanitzStefan SchwartzeRita Schwarzelühr-SutterSonja SteffenPeer SteinbrückDr. Frank-Walter SteinmeierChristoph SträsserKerstin TackDr. h. c. Wolfgang ThierseFranz ThönnesWolfgang TiefenseeRüdiger VeitUte VogtDr. Marlies VolkmerAndrea WickleinDr. Dieter WiefelspützWaltraud Wolff(Wolmirstedt)Uta ZapfDagmar ZieglerManfred ZöllmerBrigitte ZypriesEnthaltenDIE LINKEJan van AkenAgnes AlpersDr. Dietmar BartschKarin BinderMatthias W. BirkwaldHeidrun BluhmSteffen BockhahnChristine BuchholzEva Bulling-SchröterDr. Martina BungeSevim DağdelenDr. Diether DehmHeidrun DittrichWerner DreibusDr. Dagmar EnkelmannKlaus ErnstWolfgang GehrckeNicole GohlkeDiana GolzeAnnette GrothDr. Gregor GysiHeike HänselDr. Rosemarie HeinInge HögerDr. Barbara HöllAndrej HunkoUlla JelpkeDr. Lukrezia JochimsenKatja KippingHarald KochJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertCaren LaySabine LeidigRalph LenkertUlla LötzerDr. Gesine LötzschThomas LutzeDorothée MenznerNiema MovassatThomas NordPetra PauJens PetermannPaul Schäfer (Köln)Michael SchlechtDr. Ilja SeifertKathrin Senger-SchäferRaju SharmaDr. Petra SitteKersten SteinkeSabine StüberAlexander SüßmairDr. Kirsten TackmannFrank TempelDr. Axel TroostAlexander UlrichKathrin VoglerJohanna VoßHalina WawzyniakHarald WeinbergKatrin WernerJörn WunderlichBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKerstin AndreaeMarieluise Beck (Bremen)Volker Beck (Köln)Cornelia BehmBirgitt BenderAgnes BruggerViola von Cramon-TaubadelEkin DeligözKatja DörnerHarald EbnerHans-Josef FellDr. Thomas GambkeKai GehringKatrin Göring-EckardtBritta HaßelmannBettina HerlitziusPriska Hinz (Herborn)Dr. Anton HofreiterBärbel HöhnIngrid HönlingerThilo HoppeUwe KekeritzSusanne KieckbuschSven-Christian KindlerMaria Klein-SchmeinkUte KoczyTom KoenigsSylvia Kotting-UhlOliver KrischerRenate KünastMarkus KurthUndine Kurth (Quedlinburg)Monika LazarDr. Tobias LindnerNicole MaischJerzy MontagKerstin Müller (Köln)Beate Müller-GemmekeDr. Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffDr. Hermann E. OttBrigitte PothmerTabea RößnerKrista SagerManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergDr. Gerhard SchickUlrich SchneiderDorothea SteinerDr. Wolfgang Strengmann-KuhnHans-Christian StröbeleDr. Harald TerpeMarkus TresselJürgen TrittinDaniela WagnerBeate Walter-RosenheimerArfst Wagner (Schleswig)Wolfgang WielandDr. Valerie WilmsJosef Philip WinklerfraktionsloserAbgeordneterWolfgang Nešković(C)(D)Wir setzen die Debatte zum Thema Wasserversorgungfort. Das Wort hat nun Ulrich Lange für die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Axel Troost[DIE LINKE]: Jetzt bin ich gespannt: ZwölfMinuten, eine lange Zeit!)Ulrich Lange (CDU/CSU):Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Dass die CSU keine Angst hat, zeigt sich schon daran,dass die gesamte Redezeit der Union heute auf die CSUfällt. So stehe ich hier.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –Heiterkeit bei der SPD und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU istabgetaucht!)Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, wenn Siedoch auch sonst so auf unsere Parteitagsbeschlüsse und


27982 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Ulrich Lange(A)(B)unsere Vorschläge wie zum Beispiel zum Steuerrechteingehen würden! Wir würden uns über diese Nähefreuen, die Sie heute beim Wasser zeigen.(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:Wenn sie gut sind!)Aber es zeigt sich natürlich, dass dieser Antrag vor allemeines hat: Er hat populistischen Charakter. Um nichtmehr und nicht weniger geht es.(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Scheinheilig!)Wenn es Ihnen um die Sache geht, dann treten Siejetzt an unsere Seite und hören sich zunächst einmal inRuhe an, was wir zu sagen haben.Klar ist, dass in Brüssel mal wieder die Technokratenregieren.(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Es regiert die FDP, das ist das Problem!)Ich sage es so offen: Wenn wir noch mehr für Europafrustrierende Ergebnisse haben wollen wie in Italien,dann müssen wir so weitermachen. Es bedarf des Drucksaus diesem Hause, es bedarf des Drucks aus dem EuropäischenParlament, damit man in Brüssel überhauptbegreift, was die Menschen beschäftigt und bewegt. Siebewegt und beschäftigt das Thema Trinkwasser.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufevom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Eines hat die Kommission leider immer noch nichtbegriffen. Das ist das Subsidiaritätsprinzip. Deswegen– ich kann mich dem nicht verschließen – möchte ich derEU-Kommission eine kurze juristische Nachhilfe geben.Ich hoffe, dass sich in Brüssel jemand die Mühe macht,das zu lesen.Ich möchte auf Art. 5 Abs. 3 des Vertrags über dieEuropäische Union hinweisen. Dort heißt es ganz klar:Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union inden Bereichen, die nicht in ihre ausschließlicheZuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweitdie Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmenvon den Mitgliedstaaten weder auf zentraler nochauf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklichtwerden können, sondern vielmehr wegenihres Umfanges oder ihrer Wirkungen auf Unionsebenebesser zu verwirklichen sind.Die Kommission ist sicherlich die Falsche, die dieseAufgabe wahrnehmen könnte.(Beifall bei der CDU/CSU)Es handelt sich nicht um eine Aufgabe, die auf dieUnionsebene gehört. Jahrzehntelang haben unsere Kommunen,unsere kommunalen Versorger für hohe Qualitätbei der Wasserversorgung gesorgt. Aus den Wasserrohrenunserer Städte und Gemeinden kommt qualitativhochwertiges Wasser, und das wollen wir so beibehalten –auch im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger.(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Dann müssen Sie zustimmen!)Auch der EuGH – wenn ich schon bei der juristischenNachhilfe bin, spreche ich auch ihn an – sieht hier keinenRegelungsbedarf:(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Bravo!)„Ein besonderer Regelungsbedarf für die Dienstleistungskonzessionist nicht ersichtlich“, so der EuGH.Dies unterstrich er im März 2011.Aber nein, die Kommission weiß es besser und legtunter dem Deckmantel von Transparenz und Rechtssicherheiteine Richtlinie vor. Liebe Kolleginnen undKollegen, Wasser ist kein gewöhnliches Handelsgut,sondern ein wichtiges Lebensmittel!(Beifall bei der SPD, der LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie beiAbgeordneten der CDU/CSU und der FDP –Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bravo! – Britta Haßelmann[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: AberDeutschland hat zugestimmt! – Harald Ebner[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für wenreden Sie hier eigentlich?)Daher steht die Wasserversorgung unter unserer besonderenBeobachtung.(Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Harald Ebner[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beobachtenreicht nicht!)Ich will hier jetzt nicht weiter auf Herrn Barnier undden Kommissionsvorschlag eingehen. Man kann die erstenHoffnungsschimmer haben, dass die Vernunft Einzughält. Mit dem, was bisher vorgelegt worden ist, sind wirnicht zufrieden. Ich unterstreiche das: nicht zufrieden!(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, derSPD, der LINKEN und des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN)Wir wollen die Debatte über dieses Thema – auch dassage ich ganz deutlich – nicht ideologisch unter demTitel „Liberalisierung/Privatisierung versus Rekommunalisierung“führen, sondern wir führen diese Debatteunter dem Gesichtspunkt, dass die Vorteile im Bereichder Wasserversorgung klar aufseiten der Kommunen liegenund nicht aufseiten der großen Konzerne.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU, der FDP und der LINKEN – PetraErnstberger [SPD]: Einsicht ist der ersteSchritt zur Besserung!)Unsere Kommunen liefern seit Jahren und Jahrzehnten– ich erlaube mir, das als Kommunalpolitiker zu sagen– Trinkwasser in Topqualität.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27983(A)(B)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage derKollegin Haßelmann?Ulrich Lange (CDU/CSU):Nein. Ich erkläre das. Sie kann danach fragen.(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)Unsere Kommunen stehen für die Qualität des Produktes,und sie kennen die Strukturen vor Ort. UnserWasser ist ein Stück regionale Wertschöpfung. Auchdiese regionale Wertschöpfung sollten wir pflegen.(Beifall bei Abgeordneten der SPD und desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – BettinaHagedorn [SPD]: Ha, ha, ha!)An dieser Stelle erlaube ich mir, auch wenn Sie, liebeKollegin, „Ha, ha, ha!“ sagen, da ich Kommunalpolitikerbin, einen kleinen Exkurs zur Bayerischen Rieswasserversorgungin meinem Wahlkreis. Auch dort sieht mandas, was aus Brüssel kommt, sehr skeptisch. Auch dorthat man die Sorge, dass schleichend eine Privatisierungder Wasserwirtschaft beginnt. Natürlich hat man vor Ortauch Angst, wem sich eventuelle Großunternehmen amEnde verpflichtet fühlen: dem Gewinn oder der gutenWasserversorgung? Die Unsicherheit ist also vor Ort angekommen.Diese nehmen wir als CDU/CSU auf;(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Und Sie stimmen unserem Antrag zu!Das ist sehr schön!)denn eines ist klar: Wasser darf nicht zum Spekulationsobjektwerden.(Beifall bei der SPD, der LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU und der FDP)Sie können gleich weiterklatschen, die ganze Rundekann weiterklatschen: Hier hört die Liberalisierung auf!(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LIN-KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Gustav Herzog [SPD]: Kein Applaus bei derFDP!)Wir führen eine Debatte über Wasser, Strom und andereVersorgungsbereiche. Ich möchte diese Diskussionnicht vertiefen, weil man nicht alles miteinander vergleichenkann. Es gibt gutes und gesundes Wasser, aber esgibt keinen guten und keinen ungesunden Strom. Deswegenbitte ich, diese Differenzierung zu akzeptieren.(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Jetzt wird es spannend!)Jetzt geht es darum, dass wir versuchen, diese Dienstleistungskonzessionsrichtliniein Brüssel zu kippen oderwenigstens den sensiblen Bereich der Wasserversorgungaus der Richtlinie zu nehmen.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)Dazu stehen wir als CDU/CSU, auch in dieser Deutlichkeit.Es geht jetzt darum, dass wir den neuesten Vorschlagaufgreifen und an dieser Stelle weiterarbeiten. LiebeKolleginnen und Kollegen, es geht jetzt darum, für einegute Wasserversorgung zu verhandeln. Es geht nicht darum,hier mit populistischen Anträgen(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Der Text ist doch von der CDU!)ein großes Buhei zu machen.(Beifall bei der CDU/CSU)Vielmehr geht es darum, daran zu arbeiten, dass dieWasserversorgung in Deutschland die jetzige Qualitätbehält.Liebe Bundesregierung, verehrtes Wirtschaftsministerium,Wasser ist ein Stück Lebensqualität. In diesemSinne: Nein zur Privatisierung! Dafür steht auch dieUnion.Danke schön.(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LIN-KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie des Abg. Heinz-Peter Haustein [FDP])Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegin BrittaHaßelmann das Wort.Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Lange,ich fand es schade, dass Sie keine Zwischenfrage zugelassenhaben. Aber nach den Pirouetten, die Sie geradegedreht haben – nach dem Motto: Sie haben mit IhremAntrag vollinhaltlich recht; wir fordern eigentlich dasGleiche, können dem Antrag aber nicht zustimmen –,weiß ich, warum Sie keine Frage zugelassen haben.Sie haben die ganze Zeit auf die EU-Kommission undauf diejenigen geschimpft, die diese Richtlinie verbrochenhaben. Wir teilen Ihre Kritik. Das haben Sie anmeinen Ausführungen gehört. Wir sind da Seit’ an Seit’mit der CSU. Morgen wird auch das rot-grün regierteLand Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Bayern imBundesrat vorgehen.Aber bitte nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis,Herr Lange, dass Deutschland – das Wirtschaftsministerium– am 11. Dezember im EU-Ministerrat dem Entwurfder EU-Richtlinie ohne jede sektorale Ausnahmefür den Wasserbereich zugestimmt hat(Zurufe von der SPD, der LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört! Hört!)und dass heute, als im Ausschuss der Ständigen Vertreterder Mitgliedstaaten darüber beraten wurde, was man eigentlichnoch machen kann, um diese Richtlinie zu verhindern,Deutschland – die schwarz-gelbe Bundesregierung,das Wirtschaftsressort – sich nicht hat durchringenkönnen, mit Österreich Einspruch gegen das Verhandlungsmandatfür die Richtlinie zu erheben, mit dem Ziel,(C)(D)


27984 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Britta Haßelmann(A)(B)die Wasserversorgung herauszuverhandeln. Das hatheute der deutsche Vertreter abgelehnt.Von daher hatte ich recht mit der Einschätzung: Beimanchen liegt da eine Art Bewusstseinsspaltung vor.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, beider SPD und der LINKEN)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Kollege Lange, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion.(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN], zur CDU/CSU gewandt: Auf euer Abstimmungsverhaltenbin ich gespannt!)Ulrich Lange (CDU/CSU):Liebe Frau Kollegin, ich fühle mich bei vollem Bewusstsein;ich erlaube mir, das so zu sagen. Ich glaubeauch, dass ich meine Ausführungen bei vollem Bewusstseingetätigt habe und dass sie schlüssig waren. Wir sindda ja nah beieinander. Wenn Sie mir ganz genau zugehörthaben, dann haben Sie am Ende meiner Rede eineAufforderung eines Parlamentariers, einer Fraktion andie Bundesregierung vernommen.Danke schön.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, derSPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Liebe Kollegen, zwischendurch – gewissermaßen zurBeruhigung – teile ich das Ergebnis der Wahl einesMitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiumsgemäß Art. 45 d des Grundgesetzes mit: abgegebeneStimmen 565, ungültige Stimmen 2, gültige Stimmen563. Mit Ja haben gestimmt 449, mit Nein haben gestimmt70, Enthaltungen 44. Der Abgeordnete SteffenBockhahn hat 449 Stimmen erhalten. Die erforderlicheMehrheit von mindestens 311 Stimmen wurde erreicht.Damit ist der Kollege Bockhahn Mitglied des ParlamentarischenKontrollgremiums. 1)(Beifall)Nun erteile ich dem Kollegen Martin Schwanholz fürdie SPD-Fraktion das Wort.(Beifall bei der SPD)Dr. Martin Schwanholz (SPD):Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen undHerren! Herr Lange, ich bin gespannt, wie Sie abstimmenwerden. Ich glaube, das interessiert uns alle.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derLINKEN)Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, Wasser ist Leben – diesen Titel trägt ein1) Namensverzeichnis der Teilnehmer an der Wahlsiehe Anlage 2vom Bundesministerium für Umwelt herausgegebenesArbeitsheft für Schülerinnen und Schüler der Grundschule.Nun kann ich verstehen, dass Herr Rösler – er istjetzt nicht da – nichts liest, was von Herrn Altmaierkommt. Aber in diesem Fall bin ich wohl nicht der Einzige,der sich gewünscht hätte, dass der Bundeswirtschaftsministervor den Verhandlungen zur Konzessionsrichtlinieeinmal einen Blick in dieses Heft geworfenhätte. Denn dann würde er sich nicht einfach über diemehrfach über alle Fraktionsgrenzen geäußerten Bedenkenhinwegsetzen.Sicherlich gibt es für die Verbraucherinnen und Verbrauchersowie für die öffentliche Hand gewinnbringendePrivatisierungsvorhaben – ich sage das ausdrücklichauch in Richtung der FDP –, aber der Bereich derWasserversorgung zählt eindeutig nicht dazu.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Wasser ist ein lebensnotwendiges Gut. Eine qualitativhochwertige und bezahlbare Wasserversorgung mussZiel guter Politik bleiben. Daher lehnen wir als SPD-Bundestagsfraktion eine Ausschreibungspflicht für denBereich Wasser grundsätzlich ab. Wir fordern, öffentlicheTräger der Wasserversorgung aus der Richtlinie auszunehmen.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Die Wasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorgeliegt in Deutschland größtenteils in öffentlicher Hand.Der Vertrag von Lissabon sichert den Kommunen dasRecht der eigenverantwortlichen Erbringung der Leistungender Daseinsvorsorge zu. Die aktuellen Beschlüssestellen jedoch einen massiven Eingriff in dieGestaltungsfreiheit dar und verletzen damit das Prinzipder Subsidiarität, das Sie bei der CSU sonst immer sohochhalten. Auch der Bundesrat hat diese Bedenkenmehrfach erhoben und wird dies in seiner morgigen Sitzungnoch einmal tun.Es gibt keinen ersichtlichen Grund, unsere gute undbezahlbare öffentliche Wasserversorgung dem Wettbewerbzu unterwerfen. Wir müssen nur in große europäischeHauptstädte blicken – Berlin, Paris, London –, umzu sehen, mit welchen Risiken die Privatisierung derWasserversorgung einhergeht. Hier wurden wichtige Investitionenaus übertriebenem Gewinnstreben nichtmehr getätigt. Das Ergebnis ist eine unhaltbare Situationfür die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die StiftungWarentest kommt in einer Analyse aus dem Jahr 2012 zudem Ergebnis: Die deutsche Wasserversorgung ist gutund preiswert, und mehr Privatisierung bringt keinenMehrwert.(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Harald Ebner[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])Auch der aktuelle Kompromissvorschlag von HerrnBarnier, die Wasserversorgung nur auszunehmen, wennsie zu 100 Prozent in öffentlicher Hand ist, ist blankerUnsinn, zumal bei Stadtwerken, die als GmbH oder als(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27985Dr. Martin Schwanholz(A)(B)AG organisiert sind, die Grenze der 80-prozentigen Erbringunginnerhalb der Kommune vollkommen willkürlichgesetzt ist. Auch ist zu befürchten, dass sich der vonder Richtlinie ausgehende Liberalisierungsdruck auf andereBereiche wie die Gesundheitswirtschaft, also Altenheimeund Krankenhäuser, ausdehnen wird. Die Folgenwären unabsehbar.Festzuhalten bleibt: Die Merkel-Regierung hat sich inkeiner Weise für die vielfach artikulierten Interessen derBürgerinnen und Bürger für eine Wasserversorgung inöffentlicher Hand eingesetzt.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Vielmehr hat sie dem Vorschlag der Kommission im Ratzugestimmt und somit billigend in Kauf genommen,dass die hochwertige und bezahlbare Wasserversorgungin Deutschland gefährdet wird. Über einen entsprechendenParteitagsbeschluss der CDU vom vergangenen Dezemberhat sich Frau Merkels Bundeswirtschaftsministereinfach hinweggesetzt. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktionschreibt deren stellvertretender FraktionsvorsitzenderHerr Singhammer – ich zitiere –:Es besteht zu Recht die Befürchtung, dass nach einerPrivatisierung nur noch die Erzielung von möglichsthohen Renditen im Vordergrund steht.Recht hat er, der Herr Singhammer.(Beifall bei Abgeordneten der SPD)Umso verwunderlicher finde ich es, dass Frau Merkelhöchstpersönlich in einem Schreiben Anfang Januar anVerdi und den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaftden Vorschlag der Kommission grundsätzlichbegrüßt hat.Als Ergebnis dürfen wir also festhalten: die Konservativenin Deutschland dagegen, die deutschen Konservativenin Europa dafür, Teile der FDP dagegen, dieRegierung in Deutschland dafür. Das Chaos in derMerkel-Truppe ist wieder einmal perfekt.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Klartext. Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,meine Fraktion fordert Sie und die Bundesregierung auf:Verhandeln Sie in Brüssel nach. Setzen Sie sich endlichdafür ein, die gute öffentliche Wasserversorgung und diehohe Qualität der deutschen Gesundheitswirtschaft zuschützen.Vielen Dank.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Wirtschaft und Technologie:Herr Präsident! Liebe Kollegin Haßelmann, lieberKollege Dr. Schwanholz, wenn ich mir Ihre Redebeiträgehier anhöre,(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Herr Lange doch auch! Der ist auf unsererSeite!)dann erkenne ich, was die wahrhaft weder konservativenoch markthörige Zeitung Die Zeit meinte, als sie kürzlichvon der Wasserlüge sprach. Hier läuft eine Kampagne,in der mit Unwahrheiten und Irreführungen(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Stimmt doch gar nicht!)die Ängste der Bürgerinnen und Bürger geschürt werdensollen. Bauen Sie doch keinen Popanz auf.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Sie wissen es genauso gut wie ich: Es wird auch künftigkeinen Zwang zur Privatisierung der Wasserversorgunggeben, weder direkt noch durch die Hintertür.(Dr. Martin Schwanholz [SPD]: Nein! Das istfalsch! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Fragen Sie mal die Wasserversorgungsunternehmen,was die dazu sagen!)Natürlich können die Kommunen auch künftig frei darüberentscheiden, in welcher Form, ob kommunal oderprivat, sie die Versorgung ihrer Bürger mit Wasser gewährleistenwollen. Etwas anderes stand übrigens auchnie im Zusammenhang mit der Konzessionsrichtlinie zurDebatte.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Kollege Otto, gestatten Sie eine Zwischenfrageder Kollegin Haßelmann?Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Wirtschaft und Technologie:Da kann ich ja nicht widerstehen.(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: 5 Euro in dieChauvi-Kasse! – Gegenruf der Abg. MichaelaNoll [CDU/CSU]: Musst du gerade sagen! –Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSUund der FDP)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Na! – Bitte schön.(C)(D)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun der Parlamentarische StaatssekretärHans-Joachim Otto.(Beifall bei der FDP)Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wenn schon Herr Kampeter vorschlägt, 1 Euro in dieChauvi-Kasse zu zahlen, kann ich nur sagen: Er muss eswissen.(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und derSPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]:5 Euro!)


27986 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Britta Haßelmann(A)(B)Herr Staatssekretär, da Sie gesagt haben, wir würdeneinen Popanz aufbauen und von Zwangsprivatisierungreden, muss ich annehmen, dass Sie meiner Rede nichtzugehört haben; –Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Wirtschaft und Technologie:Oh doch!Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):– denn ich habe das Wort „Zwangsprivatisierung“überhaupt nicht in den Mund genommen.Das Perfide ist – da bin ich mir wahrscheinlich mitHerrn Lange, Herrn Dobrindt, Herrn Seehofer und denKolleginnen und Kollegen von SPD, Linken und Grüneneinig –, dass Herr Barnier diese EU-Richtlinie so konzipierthat und jetzt davon spricht, dass zu 100 Prozentkommunale Unternehmen ausgenommen werden könnten.Dieser Vorschlag liegt allerdings noch nicht vor;verkaufen Sie das von daher bitte nicht als Erfolg.Jeder weiß, dass diese hohen Hürden von kommunalenUnternehmen nicht erfüllt werden können. Sie könnenauch dann nicht erfüllt werden, wenn ein kommunalesUnternehmen mehr als 20 Prozent des Auftragsaußerhalb des eigenen Gebietes erfüllt. Dann ist eine europaweiteAusschreibung vorgesehen.(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!)Das ist das Perfide, und Sie versuchen gerade, das zuverkleistern. Es ist doch so, dass zwei Hürden gesetztworden sind, und es ist so, dass über die Hälfte der Stadtwerkeprivates Kapital in sich hat und deshalb europaweitausschreiben muss. Das wissen Sie doch, oder?(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei der SPD und der LINKEN – Harald Ebner[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt bin ichja mal auf den Popanz gespannt, der da wiederaufgebaut wird!)Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Wirtschaft und Technologie:Liebe Frau Kollegin, zunächst einmal: Es wäre sinnvollgewesen, Sie hätten mich ein paar Worte sagen lassen.Dann hätte sich nämlich manches, wonach Sie geradegefragt haben, erledigt.Da Sie uns vorwerfen, wir würden hier perfide vorgehen,muss ich Sie darauf hinweisen: Ich halte es für perfide,den Menschen einzureden, dass diese Konzessionsrichtliniean der bisherigen Rechtslage irgendetwasändert. Sie entspricht eins zu eins der bisherigen Rechtsprechungdes Europäischen Gerichtshofes.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU – Widerspruch beim BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN)Materiell verändert sich nichts. Es soll nur Rechtssicherheitgeschaffen werden.Liebe Frau Kollegin Haßelmann, wenn ich Sie nocheine Sekunde um Ihr geschätztes Ohr bitten darf: Es istja keineswegs so, dass nur Sie, Frau KolleginHaßelmann, und der Kollege Schwanholz solche Dingeverbreiten. So etwas wird hier auf breiter Front erzählt.Sie, liebe Frau Kollegin Haßelmann, sprechen von einerPrivatisierung durch die Hintertür.(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Richtig!)Herr Schwanholz sagt, das laufe zwangsläufig auf einePrivatisierung hinaus. Mit Verlaub, liebe Kollegen: Ichhalte dies für Unsinn, um es Ihnen ganz klar zu sagen.Ich halte das für übertrieben.Was die Mehrspartenunternehmen angeht, sollten Siemich einfach einmal ausreden lassen. Dann werde ichdazu noch etwas sagen.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Kollege Otto, es gibt den Wunsch nach einerweiteren Zwischenfrage, diesmal vom Kollegen Lenkert.Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Wirtschaft und Technologie:Meine Güte ist heute unbegrenzt. Wir haben uns jaschon in der Fragestunde in der letzten Woche darüberunterhalten.(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Soll ich auch noch eine Frage stellen,Herr Otto?)Ralph Lenkert (DIE LINKE):Ja, genau, Herr Staatssekretär Otto. Wir haben schonletzte Woche geklärt, dass das Wirtschaftsministeriumdieser Richtlinie bei der EU-Kommission in dieser Formzugestimmt hat.Sie haben eben auf die Frage geantwortet, dass dieseKonzessionsrichtlinie nichts, aber auch gar nichts an derRechtslage ändert. Angenommen, Sie haben recht, dannverschwenden Sie gerade die Arbeitszeit vieler Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter sowohl in Brüssel als auch inBerlin, weil sie an einer Richtlinie arbeiten würden, dienichts verändert. Wenn dem aber nicht so ist, dann erzählenSie hier die Unwahrheit. Deswegen frage ich Sie:Setzen Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die inBerlin und Brüssel an der Konzessionsrichtlinie arbeiten,dafür ein, an etwas zu arbeiten, das nichts verändert?(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Wirtschaft und Technologie:Lieber Herr Kollege, schade, dass Sie mir letzte Wochenicht zugehört haben; denn ich habe schon in derletzten Woche versucht, Ihnen das zu erklären. DieDienstleistungskonzession ist bisher nicht gesetzlich geregelt;vielmehr ergibt sich die Vergabepflichtigkeit vonDienstleistungskonzessionen aus der Rechtsprechungdes Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat eine Kaskadevon Entscheidungen und Urteilen ausgelöst und hat da-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27987Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto(A)mit Rechtsunsicherheit herbeigeführt. Wir wollen geradedie Kommunen und die Unternehmen von dieser Rechtsunsicherheitentlasten.(Zurufe von der SPD: Oh!)Deswegen ist es notwendig, dass hier klare Verhältnissegeschaffen werden.Im Kern allerdings – das will ich betonen – ändert sichan der Rechtslage nichts. Wir sind der Auffassung: SobaldPrivate im Spiel sind – Frau Kollegin Haßelmann, wennSie mir Ihr Ohr leihen –, darf es nicht zu einer freihändigenVergabe unter der Hand oder unter dem Tisch kommen,weil das Korruption und Günstlingswirtschaft befördernwürde.(Beifall bei der FDP – Widerspruch bei derSPD)Was mitunter gern übersehen wird: Auch heute schonwerden Konzessionen nicht im rechtsfreien Raum vergeben.Zum Glück gibt es schon gewisse Vorgaben fürTransparenz und gegen Diskriminierung. Das, worüberwir hier diskutieren, haben nicht wir uns ausgedacht,sondern der Europäische Gerichtshof. Selbst wenn Siedie Richtlinie ablehnen, haben Sie die gleiche Rechtslage,nur mit mehr Rechtsunsicherheit.(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Totaler Quatsch!)Wir wollen also Rechtssicherheit schaffen für die Kommunen,weil diese wissen sollen, wie ein Anbieter imEinzelnen auszuwählen ist, sowie für die Unternehmen,weil diese künftig Vergabeentscheidungen rechtlich einwandfreiüberprüfen lassen können.(Bettina Hagedorn [SPD]: Aha!)(C)(B)Deswegen verstehe ich Ihr Geschrei in dieser Fragenicht.Herr Präsident, wenn Sie erlauben, würde ich jetztgerne mit meiner Rede fortfahren.Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ichwill noch einmal klarstellen: Nur dann, wenn ein privatesUnternehmen mit einer Leistung betraut werden soll,muss aus Gründen der Fairness ein transparentes unddiskriminierungsfreies Vergabeverfahren durchgeführtwerden. Das ist, wie ich eben schon sagte, auch ein geeignetesMittel im Kampf gegen Günstlingswirtschaftund Korruption, der uns doch allen am Herzen liegensollte.Sie können sicher sein: Wir haben uns in Brüssel dafüreingesetzt und werden das auch weiterhin tun, dassdie Kommunen auch künftig frei darüber entscheidenkönnen, wie sie ihre Wasserversorgung organisierenwollen.(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das stimmt doch gar nicht!)Im Gegensatz hierzu will die Europäische Bürgerinitiativedas kommunale Selbstverwaltungsrecht beschränken.Die Bürgerinitiative will die Kommunen zwingen,die Wasserversorgung zu verstaatlichen. Das habe ichauch beim Herrn Kollegen Dr. Schwanholz herausgehört.(D)Liebe Frau Kollegin Haßelmann, am Montag fand imWirtschaftsausschuss eine Anhörung zu einem GesetzentwurfIhrer Fraktion statt. Thema war die Einführungeines Korruptionsregisters speziell für öffentliche Vergaben.Wie, liebe Frau Kollegin Haßelmann, passt das zusammenmit dem Widerstand Ihrer Fraktion gegenTransparenzregeln bei den Wasserkonzessionen? Ichfrage Sie: Ist denn beim Wasser Vetternwirtschaft wichtigerals Transparenz?Natürlich müssen wir die bewährte Struktur der deutschenWasserversorgung berücksichtigen. Das Nebeneinandervon Unternehmen in kommunaler Trägerschaftund privaten Betreibern liefert Topqualität zu stabilenPreisen, wie der Kollege Lange bestätigt hat. Es gibt keinerleiErkenntnisse dazu, dass die Qualität oder der Preisvon privaten Versorgern schlechter seien als die von öffentlichen.(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das sagt der Richtige! – Weiterer Zurufvom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist jaunglaublich!)Bevor Sie hier schreien, sollten Sie auch wissen, meinesehr verehrten Kolleginnen und Kollegen: In einem Vergabeverfahrendarf nicht etwa nur allein der Preis überden Zuschlag entscheiden. Selbstverständlich könnenhohe Anforderungen an die Qualität der Leistung, die Investitionenin Netze oder Umweltaspekte maßgeblichberücksichtigt werden. Seien Sie sicher: Niemand inDeutschland muss künftig sein Wasser abkochen, weilwir Transparenz einfordern.Die Opposition beruft sich auf die Resolution derUNO-Vollversammlung. Hätte sich die Opposition nurmal die Mühe gemacht, die Resolution zu lesen, dannwäre ihr aufgefallen: Ausschreibungen werden darinnicht untersagt.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage,diesmal von der Kollegin Bulling-Schröter?Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Wirtschaft und Technologie:Meine Güte heute ist unbegrenzt.(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Die Regierungsgüte! – Heiterkeit beimBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):Sehr geehrter Herr Staatssekretär, herzlichen Dankerst einmal für Ihre Güte!Ich habe gehört, Sie sind kulturell sehr interessiert.Mich würde interessieren, ob Sie den Film Water MakesMoney kennen?


27988 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Eva Bulling-Schröter(A)Mich würde weiter interessieren, wie Sie es einschätzen,dass die Klage eines großen Wasserkonzerns vorGericht abgelehnt wurde.Dann wollte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dassder Umweltausschuss – das ist vielleicht zehn, zwölfJahre her; ich weiß nicht, ob Sie das so verfolgt haben –zum Thema Wasserprivatisierung in Großbritannien war.Der Umweltausschuss hat seinerzeit festgestellt: DieWasserversorgung wurde privatisiert, der Wasserpreisverdoppelte sich, die Belegschaften wurden halbiert. DasInteressanteste war, dass die bürgerliche Gesellschaft inGroßbritannien eine Demonstration veranstaltet hat, weildie Versorgungssicherheit so schlecht war, dass der tolleRasen in Großbritannien nicht mehr ohne Weiteres gesprengtwerden konnte.(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Wirtschaft und Technologie:Liebe Frau Kollegin Bulling-Schröter, bei allem kulturellenInteresse: Diesen Film habe ich nicht gesehen.Ich habe stattdessen im Ministerium dafür gearbeitet,dass wir diese Richtlinie möglichst gut für Deutschlandhinbekommen.(Beifall bei Abgeordneten der FDP)Liebe Frau Kollegin Bulling-Schröter, es ist unbestreitbar,dass in Deutschland das Wasser in Topqualitätzu stabilen Preisen geliefert wird.(Bettina Hagedorn [SPD]: Bisher ja! Das sollauch so bleiben!)Da sind wir uns einig. Genauso unstreitig ist, dass es inDeutschland auch private Wasserversorger gibt. Jetztverstehe ich nicht, wie Sie die beiden Dinge in einemAtemzug nennen. Die Bundesregierung will die derzeitigeSituation nicht verändern: Wir wollen weder einenkommunalen Wasserversorger herauswerfen noch dieWasserversorgung privatisieren. Wir wollen, dass diederzeitige Situation in Deutschland rechtssicher undrechtlich klar wird, und wir wollen verhindern, dass hierAmigowirtschaft und Korruption herrschen.(Beifall bei Abgeordneten der FDP)Ich verstehe nicht, warum Sie an dieser Front eine sogroße Schreierei machen. Niemand will die derzeitigeRechtslage verändern;(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Natürlich wird sie verändert!)wir wollen sie nur klarer machen.Meine Damen und Herren, ich will zu dem kommen,was der Kollege Lange auch schon angesprochen hat:Wir begrüßen die Ankündigung der Europäischen Kommission,dass sie einen Vorschlag zum Wassersektorvorlegen wird, der auf die – zugegebenermaßen besonderen– strukturellen Gegebenheiten in Deutschland eingeht.Das würde gerade die Mehrspartenstadtwerke inDeutschland begünstigen. Auch für die vielen Zweckverbändein Deutschland und die sogenannten Inhouse-Vergaben wollen wir eine praktikable, unbürokratischeLösung finden; dafür setzen wir uns ein.(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das stimmt doch gar nicht!)– Ach schreien Sie doch nicht, Frau Haßelmann; das istuncharmant, das gefällt niemandem.(Beifall bei Abgeordneten der FDP – OliverKrischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetztreicht es aber hier!)Meine Damen und Herren, Sie sehen die Unterschiede:Die einen führen eine ideologische Kampagnemit falschen Annahmen und Irreführungen. Die Bundesregierungverhandelt derweil in Brüssel intensiv zugunsteneiner praktikablen Lösung zur Sicherung derTopqualität der Wasserversorgung in Deutschland. Wirsind an Transparenz und Rechtssicherheit interessiert.Wir wollen keine Korruption und keine Amigowirtschaft.Ich frage mich wirklich: Was haben Sie eigentlichdagegen? Steigen Sie doch endlich von den Bäumen herunter,und beenden Sie diese absurde Kampagne! ZiehenSie mit uns in Brüssel an einem Strang! Das wäre vielsinnvoller, als hier herumzuschreien.(Beifall bei Abgeordneten der FDP und derCDU/CSU)(C)(B)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Ich erteile das Wort Kollegin Ulla Lötzer für die FraktionDie Linke.(Beifall bei der LINKEN)Ulla Lötzer (DIE LINKE):Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! WissenSie, Herr Otto, statt mit Ihnen an einem Strang zu ziehen,ziehen wir lieber an einem Strang mit 1,2 MillionenMenschen in Europa, die die Europäische Bürgerinitiative„Wasser und sanitäre Grundversorgung sind einMenschenrecht! …“ unterzeichnet haben.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Darunter sind Vertreterinnen und Vertreter von CDU/CSU, Linker, SPD, Grünen, der Verband kommunalerUnternehmen und selbst der Bundesverband der Energie-und Wasserwirtschaft. Sie alle wollen diese Richtlinienicht, erklären: Sie brauchen sie nicht.Nur Herr Rösler und mit ihm Sie, Herr Otto, machendas Gegenteil und sorgen in Brüssel für Zustimmung. Dawürde ich sagen: Umgekehrt wird ein Schuh daraus:Stellen Sie sich hinter diese Bürgerinitiative!Kollege Lange – er ist leider nicht mehr da – ist nichtnur Parlamentarier – die CDU/CSU stellt, glaube ich, sogardie Regierung.(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Nein! Skandal!)Die Frage ist schon: Wie geht es, dass Sie auf demCDU-Parteitag eindeutige Beschlüsse gegen die EU-(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27989Ulla Lötzer(A)Konzessionsrichtlinie fassen und gleichzeitig tatenloszusehen, wie Herr Rösler eine andere Politik macht?(Beifall bei der LINKEN, der SPD und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Es geht hier nicht um Peanuts, und es geht auch nichteinfach um die Klarstellung der Rechtsverhältnisse, HerrOtto. Über die Festlegung des Geltungsbereichs füreuropaweite Ausschreibungen erhöhen Sie den Zwangzur Privatisierung der Wasserversorgung und der anderenDienstleistungsbereiche. Das sei noch einmal ganzklar gesagt, und das hat auch die CDU in ihrem Parteitagsbeschlussfestgestellt.Herr Lange, Sie erklären das hier für populistisch. IstIhr Parteitagsbeschluss der CDU populistisch, nur weilwir hier heute dasselbe sagen?(Ulrich Lange [CDU/CSU]: CSU!)Der Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht; das habenSie auch gesagt. Wasser muss zum Kernbereich derDaseinsvorsorge werden.Herr Otto, wir alle wissen – offenbar im Gegensatz zuIhnen –, was passiert, wenn die Wasserversorgung privatisiertwird: Die Qualität des Wassers wird schlechter,die Preise werden höher, und Beschäftigte werden entlassen.Das ist ja auch kein Wunder: Ein privater Versorgerwill eben Gewinn damit machen, und Gewinngarantienwerden oft vertraglich vereinbart. Es gibt dasBeispiel Großbritannien, es gibt das Beispiel Paris, aberes gibt auch das Beispiel Berlin. So weit weg ist das alsogar nicht, als dass wir diese Erfahrung nicht gemachthätten. Deshalb wollen die Menschen diese Privatisierungzu Recht nicht.Hier helfen auch keine Einschränkungen des Geltungsbereichs.Die Frage ist nicht, ob mehr oder wenigerStadtwerke zur Privatisierung gedrängt werden. Es darfüberhaupt keine Privatisierung geben. Im Gegenteil:Kommunen, die die Wasserversorgung bereits privatisierthaben, müssen dabei unterstützt werden, sie inkommunale Hand zurückzuholen. Das Gegenteil ist beiIhnen der Fall.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)Auf einen Punkt möchten wir noch hinweisen: DieHerausnahme der Wasserversorgung aus dem Geltungsbereichder Richtlinie wäre zwar ein Fortschritt, würdeaber nicht ausreichen. Es gibt überhaupt keinen Bedarffür die Richtlinie zur Liberalisierung von Dienstleistungskonzessionen,weil dieser Bereich über die europäischeRechtsprechung hinsichtlich Transparenz undDiskriminierungsfreiheit bereits ausreichend geregelt ist.Die Kollegen der SPD weisen in ihrem Antrag zuRecht auch darauf hin, dass hier beispielsweise auchVerträge der Kommunen mit Gesundheitsdiensten undKrankenhäusern betroffen wären. Auch für sie wollenwir keinen Zwang und keinen Druck zu europaweitenAusschreibungen und zur Privatisierung. Deshalbbraucht es ein Nein, wie Sie das auf Ihrem CDU-Parteitagauch festgelegt haben.Kollege Lange, Sie können sich hier nicht hinterHerrn Rösler oder hinter Brüssel und der EU verstecken.Sie müssen heute in der Abstimmung Farbe bekennen,ob Sie weiterhin ehrlich dagegen sind(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)oder ob Sie sich sozusagen nur hinter Herrn Rösler versteckenund die Position der CDU nicht ehrlich ist. Dasheißt, Sie müssen den Anträgen, die hier heute vorgelegtwerden, zustimmen, wie das die CDU im Landtag inNRW bei ähnlichen Anträgen auch getan hat.Folgen Sie diesem Beispiel! Dann wird ein Schuh daraus.Das ist dann ehrlich. Alles andere ist unehrlich undverlogen.Danke.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)(C)(B)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Letzter Redner in dieser Debatte ist Kollege ManfredNink für die SPD-Fraktion.(Beifall bei Abgeordneten der SPD)Manfred Nink (SPD):Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen!Sicher kommen Ihnen folgende Worte bekanntvor – ich zitiere –:Dass SPD und Grüne heute einmal Anträge auf denTisch legen, die ich fast 1 : 1 unterschreiben könnte,hat wirklich Seltenheitswert. Aber wo Rot-Grün inder Sache ausnahmsweise einmal recht hat, da hatsie eben mal recht.Das ist ein Zitat aus der <strong>Protokoll</strong>rede des von mir geschätztenKollegen Dr. Nüßlein vom 1. März 2012 zurBeratung über die EU-Konzessionsrichtlinie im DeutschenBundestag.Leider hat Ihre Fraktion, verehrter Herr KollegeLange, wider besseres Wissen ein Jahr lang nicht gehandelt.Überhaupt: Für einige Abgeordnete in diesem Hausscheinen die Themen Wasserversorgung und EU-Konzessionsrichtlinieerst in den letzten Wochen wie aus heiteremHimmel gefallen zu sein. Verstärkt wurde das sicherlichdurch eine immense mediale Öffentlichkeit. Sie,insbesondere die Kollegen von CDU und CSU, habendas verschlafen.(D)Deshalb möchte ich Sie in einer kurzen Chronologiedaran erinnern oder manche vielleicht das erste Mal darüberaufklären, wann Sie die Chance hatten, der Bundeskanzlerinund dem Wirtschaftsminister eine klareAnsage für eine Ablehnung dieser Richtlinie auf europäischerEbene zu machen. Das erste Mal beschäftigtesich der Wirtschaftsausschuss am 18. Januar 2012 aufder Grundlage eines entsprechenden Berichts des Minis-


27990 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Manfred Nink(A)teriums intensiv mit der Richtlinie. Weitere Beratungenfolgten im Januar und im Februar.Am 1. März war der Antrag der SPD auf eine Subsidiaritätsrügeauf der Tagesordnung des Plenums. Schondamals forderten wir, die kommunale Daseinsvorsorgezu schützen und die Richtlinie abzulehnen. Leider gingendie Reden zu diesem Tagesordnungspunkt nur zu<strong>Protokoll</strong>.Am 29. März schließlich lehnte die Koalition unserenAntrag in zweiter Lesung ab. Sie beschlossen stattdesseneinen eigenen Antrag. Dieser Entschließungsantrag beinhalteteeine wachsweiche Formulierung, die Bundesregierungsolle in Brüssel die Belange der kommunalenWasserversorger berücksichtigen.Dank des Kollegen Nüßlein wissen wir aber, dass dieUnion, statt einen harten Kurs gegen die Richtlinie zufahren, vor der FDP aus Koalitionsräson eingeknickt ist.Ich darf den Kollegen Nüßlein noch einmal aus demschon genannten <strong>Protokoll</strong> zitieren:Spätestens bei meiner Initiative, im Rahmen einesEntschließungsantrags der Koalition die Bundesregierungaufzufordern, bei ihren Verhandlungenim Rat diese unsägliche Richtlinie gänzlich zu kippenoder wenigstens für den hochsensiblen Bereichder Wasserversorgung eine Ausnahmereglung zuschaffen, wie es seinerzeit in der EU-Dienstleistungsrichtlinieverankert worden war, bin ich aufden Widerstand unseres Koalitionspartners gestoßen,der noch schnell Rücksprache mit demBundeswirtschaftsministerium gehalten hatte. DieFDP-Vertreter in der Bundestagsfraktion wurdenerwartungsgemäß zurückgepfiffen.Ich danke dem Kollegen Dr. Nüßlein für seine offenenWorte.Was ist das Ergebnis? Die Bundesregierung hat dieWasserwirtschaft bei den Verhandlungen im Ministerratnicht aus der Richtlinie ausgeklammert – nicht, weil sienicht konnte, nein, weil sie nicht wollte, obwohl von denKoalitionsparteien hier im Deutschen Bundestag diesmit dem Entschließungsantrag beschlossen wurde. Soviel zur Aufforderung an die Bundesregierung, HerrKollege Lange. Die nimmt nicht einmal ihre eigenen Beschlüssewahr.(Beifall bei Abgeordneten der SPD und desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Sie ignorieren auch die derzeitige europaweite Petition– mittlerweile haben über 1 Million Menschen diesePetition unterschrieben –, und Sie stellen sich heute hierhin und tun so, als wären Sie mehrheitlich schon immergegen diese Richtlinie und gegen eine Privatisierung unsererkommunalen Wasserversorgung gewesen. Das isteine 180-Grad-Wende, und Sie schwindeln den Menschenetwas vor. Zahlreiche kommunale Vertretungenbundesweit haben entsprechende Resolutionen beschlossen– fast immer mit den Stimmen der CDU.Seien Sie sich gewiss, dass die kommunale Familieganz genau beobachtet, wer hier im Deutschen Bundestagdie Entscheidungen gegen sie trifft! Springen Sieüber Ihren eigenen Schatten! Gehen Sie nicht schon wiedervor der FDP in die Knie! Verschaffen Sie stattdessenIhrem eigenen Parteitagsbeschluss Geltung! Zeigen Sie,dass Sie die kommunale Familie nicht im Stich lassen!Fordern Sie Bundeskanzlerin und Wirtschaftsministerauf, den Kommissionsvorschlag in Brüssel abzulehnen!Herzlichen Dank.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derLINKEN)(C)(B)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmungüber den Antrag der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen auf Drucksache 17/12394 mit dem Titel „KeinePrivatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür“.Auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünenstimmen wir namentlich über den Antrag ab. Es liegenmir zahlreiche – wirklich zahlreiche – persönliche Erklärungenzur Abstimmung vor. 1)Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, dievorgesehenen Plätze einzunehmen. – Ich glaube, jetztsind alle vorgesehenen Plätze besetzt. Ich eröffne dieAbstimmung.Die obligatorische Frage: Haben alle anwesendenMitglieder ihre Stimme abgegeben? – Ich höre keinenWiderspruch. Dann schließe ich die Abstimmung undbitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit derAuszählung zu beginnen.Wir kommen nun zur zweiten namentlichen Abstimmung,und zwar zur Abstimmung über den Antrag derFraktion Die Linke auf Drucksache 17/12482 zu demVorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtliniedes Europäischen Parlaments und des Rates überdie Konzessionsvergabe mit dem Titel „Wasser ist Menschenrecht– Privatisierung verhindern“, hier: Stellungnahmedes Deutschen Bundestages gemäß Art. 23Abs. 3 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 4EUZBBG.Die Fraktion Die Linke hat namentliche Abstimmungverlangt. – Ich sehe, dass alle vorgesehenen Plätze anden Urnen besetzt sind. Dann können wir mit derAbstimmung beginnen. Ich eröffne die Abstimmung.Haben alle anwesenden Mitglieder ihre Stimme abgegeben?– Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das offensichtlichso passiert. Dann schließe ich die Abstimmungund bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,mit der Auszählung zu beginnen. Die Ergebnisse der namentlichenAbstimmung werden Ihnen später bekanntgegeben. 2)Wir kommen zum Zusatzpunkt 7: Abstimmungüber den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksa-(D)1) Anlagen 10 bis 152) Ergebnisse Seite 27993 C und 27995 D


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27991Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)che 17/12519 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie desEuropäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabemit dem Titel „Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – Formale Ausschreibungspflichtbei Dienstleistungskonzessionen insbesondere fürden Bereich Wasser ablehnen“, hier: Stellungnahme gegenüberder Bundesregierung gemäß Art. 23 Abs. 3 desGrundgesetzes. Wer stimmt für diesen Antrag? – Werstimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist,wenn ich es richtig gesehen habe, angenommen. DieCDU/CSU hat sich der Stimme enthalten, und die FDPhat abgelehnt.(Beifall bei der SPD, der LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. MatthiasMiersch [SPD]: So ist es! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Herr Präsident!)Ich glaube, wir sind uns hier vorne einig. Wir habengeguckt. Die CDU/CSU hat nicht abgestimmt.(Volker Kauder [CDU/CSU]: Doch!)Das ist Enthaltung.(Beifall bei der SPD, der LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU):Es war auch klar erkennbar, dass hier die Kollegenabgestimmt haben.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun denTagesordnungspunkt 8 auf:– Zweite und dritte Beratung des von den FraktionenCDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Beschleunigung der Rückholungradioaktiver Abfälle und der Stilllegung derSchachtanlage Asse II– Drucksache 17/11822 –– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Beschleunigung der Rückholung radioaktiverAbfälle und der Stilllegung derSchachtanlage Asse II– Drucksache 17/12298 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit(16. Ausschuss)– Drucksache 17/12537 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Maria FlachsbarthUte VogtAngelika BrunkhorstDorothée MenznerSylvia Kotting-UhlEs liegen sechs Änderungsanträge der Fraktion DieLinke vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Es gibtdazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile der ParlamentarischenStaatssekretärin Ursula Heinen-Esser das Wort.(Beifall des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU])(C)(B)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Kollege, Sie können bestenfalls eine Wiederholungder Abstimmung beantragen.Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU):Dann beantragen wir das.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Wir sind uns alle einig: Die Fraktion der CDU/CSUhat nicht teilgenommen an der Abstimmung. Das ist wieeine Enthaltung.Kollege Fuchtel, Sie übersehe ich nie. Wahrscheinlichstand der Kollege Kauder genau vor Ihnen.(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt!)– Das stimmt.Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU):Ich beantrage die Wiederholung der Abstimmung.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Dann müssen wir das vollziehen.Ich wiederhole die Abstimmung. Es geht um den Antragder SPD. Wer stimmt für diesen Antrag? – Werstimmt dagegen?(Zuruf von der FDP: Sehr viele!)Enthaltungen? – Bei der zweiten Abstimmung war dieCDU/CSU-Fraktion beieinander. Der Antrag ist mit denStimmen von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmender Oppositionsfraktionen abgelehnt worden.Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beimBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenKolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zu Beginnmeiner Ausführungen ganz herzlich bedanken, zunächsteinmal bei den Mitgliedern der Asse-Begleitgruppe inWolfenbüttel, die unsere Arbeit in Berlin ganz aktivunterstützen und manchen Diskussionsbeitrag – notwendigerweise,kann man ja sagen – eingebracht haben.Außerdem möchte ich mich bei den Berichterstatterinnenbedanken, insbesondere bei Maria Flachsbarth, beiAngelika Brunkhorst, bei Ute Vogt, bei Sylvia Kotting-Uhl, auch bei Dorothée Menzner, für die gute Zusammenarbeitin vielen, vielen Runden in den vergangenenMonaten.Ich möchte mich auch bedanken beim Land Niedersachsen,bei dem ehemaligen Umweltminister StefanBirkner und seiner Staatssekretärin Ulla Ihnen, die unsereArbeit gut begleitet haben. Ich verbinde das natürlichmit den hoffnungsvollen Wünschen, dass der neueUmweltminister in Niedersachsen, Stefan Wenzel, derheute hier zugegen ist, unsere Arbeit genauso intensiv(D)


27992 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser(A)(B)unterstützt und begleitet, wie es bei Stefan Birkner derFall gewesen ist.(Beifall bei der SPD, der FDP und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Weil alle gemeinsam daran gearbeitet haben, habenwir es geschafft, den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigungder Rückholung radioaktiver Abfälle tatsächlichfertigzustellen. Das zeigt unseren Willen zurZusammenarbeit in einer so entscheidenden Frage wieder Entsorgung radioaktiver Abfälle. Mit diesem Gesetzentwurfwird inhaltlich die Grundlage geschaffen für einbeschleunigtes, aber dennoch sicheres Vorgehen, weildie Rückholung der radioaktiven Abfälle gefordert wird,ohne dabei aber Abstriche beim Strahlenschutz für dieBevölkerung und die Beschäftigten zuzulassen.Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, Sie wissen, dass dieses Thema dem Bundesumweltministeriumin dieser Legislaturperiode immerein außerordentlich wichtiges Anliegen gewesen ist.Norbert Röttgen, der hier im Plenum ist, ist sehr früh inder Asse gewesen. Peter Altmaier hat direkt zu Beginnseiner Amtszeit einen Besuch in der Asse absolviert, umdeutlich zu machen, welchen Stellenwert dieses Themahat. Es ist eben nicht nur ein niedersächsisches Thema– auch wenn ich hier viele Niedersachsen sehe –; dieRückholung der Abfälle aus der Asse ist ein Thema, dasuns alle angeht. Ich freue mich, dass wir mit dem fraktionsübergreifendenGesetzentwurf dem Ziel ein großesStück näher gekommen sind und hier mit großer Mehrheitunserer gemeinsamen Verantwortung gerecht werden.Die Bundesregierung unternimmt alles, was verantwortbarist, um die Abfälle aus der SchachtanlageAsse II sicher zu bergen. Wir schaffen mit der Verabschiedungdieses Gesetzentwurfs Beschleunigungspotenziale,die von allen genutzt werden müssen. Wir müssenzügig handeln – das wissen alle, die sich mit dieserFrage beschäftigt haben –, weil sich der gebirgsmechanischeZustand der Asse II stetig verschlechtert. Wir habenStabilitätsprobleme beim alten Grubengebäude. Wir habeneingeschränkte Betriebsmöglichkeiten unter Tage.Der eine oder andere, der in letzter Zeit unten gewesenist, hat gesehen, dass die Wendelstrecke, die eine Zeitlang nicht benutzt werden konnte, erst seit kurzem wiederzugänglich ist. Außerdem haben wir es mit der Gefahreines unbeherrschbaren Laugenzutritts zu tun; auchdas ist ein Thema, das uns noch intensiv beschäftigenwird. Wir werden uns damit auseinandersetzen müssen,was wir mit den Laugen in der Asse machen werden. –Das alles hat uns auch die Expertenanhörung im Umweltausschussin der vergangenen Woche aufgezeigt.Damit einher ging die klare Botschaft an uns – darin warensich die Experten sehr einig –, dass die Arbeiten zurRückholung der Abfälle aus der Asse beschleunigt werdenmüssen.Lassen Sie mich noch kurz etwas zu den Eckpunktendieses Gesetzentwurfs sagen, mit denen wir die Grundlageschaffen, um das Verfahren zu beschleunigen.Der erste wichtige Punkt – er ist auch in der Regionentscheidend, wie meine Kolleginnen und ich immerwieder betont haben – ist, dass wir im Gesetzentwurf dieRückholung der radioaktiven Abfälle zum Ziel machen.Die Rückholung steht als klare Nummer-eins-Option imGesetzentwurf. Die entscheidende Botschaft, die wir alsPolitikerinnen und Politiker senden müssen, um allenbetroffenen Institutionen Rückhalt zu geben, ist: Wirwollen, dass die Abfälle herausgeholt werden.(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LIN-KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der FDP)Der zweite Punkt. Die Rückholung darf nur noch – dasist mindestens genauso wichtig – in gesetzlich festgeschriebenenFällen abgebrochen werden, also insbesonderedann, wenn die nach der Strahlenschutzverordnungvorgeschriebene Dosisbegrenzung nicht eingehalten werdenkann oder wenn die bergtechnische Sicherheit nichtmehr gewährleistet ist. Aber auch dann kann man dieRückholung nur unter Einhaltung strengster Kriterien abbrechen.Auch das war wichtig, um der Bevölkerungklarzumachen, dass damit nicht leichtfertig umgegangenwird, sondern dass es, ganz im Gegenteil, ein kompliziertes,aufwendiges Verfahren ist, einen solchen Prozessabzubrechen. Wie gesagt: Die Nummer-eins-Option istdie Rückholung.Im Gesetzentwurf wird ebenfalls festgelegt – auchdas ist ganz wichtig –, dass wir weiter auf BeteiligungsundMitspracherechte der Öffentlichkeit setzen, dass eshier nicht zu Beschneidungen kommt. Immer wieder warin der Diskussion, ob wir beispielsweise etwas von derUVP-Pflicht abgehen, um das Verfahren zu beschleunigen.Das hätte aber bedeutet, dass die Öffentlichkeit nichtmehr so stark eingebunden wäre, wie wir uns das wünschen.Nach der Expertenanhörung in der vergangenenWoche haben wir aber die Verpflichtung zu einer nochumfassenderen Unterrichtung der Öffentlichkeit, zu einemMehr an Transparenz aufgenommen; es muss entsprechendmehr berichtet und veröffentlicht werden, alsdas bisher der Fall ist. Das ist ein Punkt, auf den wir, dieBerichterstatterinnen und das Bundesumweltministerium,uns verständigt haben. Das gehört unbedingt mithinein.Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle Elemente – Siewerden gleich darüber berichten, was Ihnen ganz besondersam Herzen liegt – sind entscheidend, um die Rückholungzu beschleunigen, aber immer unter Beibehaltungeines hohen Sicherheitsniveaus. Das ist genausoentscheidend. Es ist entscheidend für die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter, die in der Asse unter Tage arbeitenund die Voraussetzungen für die Rückholung liefern. Esist aber genauso wichtig für die Bevölkerung vor Ort, dieschon seit vielen, vielen Jahren unter den Belastungender Asse leidet.Mit diesem Gesetzentwurf haben wir einen gutenSchritt nach vorn getan. Nochmals herzlichen Dank analle! Ute Vogt, unsere einzige Juristin, hat uns entsprechendbegleitet. Das Gesetz ist die Voraussetzung; eswird allen Dimensionen gerecht. Jetzt geht es darum, esmit Leben zu erfüllen. Das heißt, alle Beteiligten sindaufgerufen, die technischen und die baulichen Umsetzungenvorzunehmen. Ich bin guten Mutes, dass mit einemklaren Signal aus Berlin noch schneller, besser und(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27993Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser(A)unverzüglicher – um dieses Wort aufzunehmen – in derAsse gearbeitet werden kann.Danke für die Aufmerksamkeit.(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP unddem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden namentlichenAbstimmungen bekannt geben.Zunächst das Ergebnis der namentlichen Abstimmungüber den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit demTitel „Keine Privatisierung der Wasserversorgung durchdie Hintertür“ auf Drucksache 17/12394: abgegebeneStimmen 548. Mit Ja haben gestimmt 249, mit Nein habengestimmt 291, Enthaltungen 8. Der Antrag ist damitabgelehnt.(C)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnenzwischendurch die von den Schriftführerinnen und(B)Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 548;davonja: 249nein: 291enthalten: 8JaCDU/CSUPeter AumerDr. Peter GauweilerJosef GöppelCDU/CSUAlois KarlDr. Max LehmerSPDIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHeinz-Joachim BarchmannDoris BarnettKlaus BarthelSören BartolBärbel BasSabine Bätzing-LichtenthälerLothar Binding (Heidelberg)Gerd BollmannKlaus BrandnerBernhard Brinkmann(Hildesheim)Edelgard BulmahnMarco BülowMartin BurkertPetra CroneMartin DörmannElvira Drobinski-WeißSebastian EdathyIngo EgloffSiegmund EhrmannPetra ErnstbergerElke FernerGabriele FograscherDr. Edgar FrankeDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeGünter GloserAngelika Graf (Rosenheim)Kerstin GrieseGabriele GronebergWolfgang GunkelHans-Joachim HackerBettina HagedornKlaus HagemannMichael Hartmann(Wackernheim)Hubertus Heil (Peine)Wolfgang HellmichRolf HempelmannDr. Barbara HendricksGustav HerzogGabriele Hiller-OhmPetra Hinz (Essen)Dr. Eva HöglChristel HummeJosip JuratovicOliver KaczmarekJohannes KahrsDr. h. c. Susanne KastnerUlrich KelberLars KlingbeilHans-Ulrich KloseDr. Bärbel KoflerDaniela Kolbe (Leipzig)Fritz Rudolf KörperAnette KrammeAngelika Krüger-LeißnerUte KumpfChristine LambrechtDr. Karl LauterbachSteffen-Claudio LemmeGabriele Lösekrug-MöllerKirsten LühmannCaren MarksKatja MastHilde MattheisPetra Merkel (Berlin)Ullrich MeßmerDr. Matthias MierschFranz MünteferingDr. Rolf MützenichDietmar NietanManfred NinkThomas OppermannHolger OrtelAydan ÖzoğuzHeinz PaulaJoachim PoßDr. Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDr. Sascha RaabeStefan RebmannGerold ReichenbachDr. Carola ReimannSönke RixRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannKarin Roth (Esslingen)Annette SawadeAnton SchaafAxel Schäfer (Bochum)Bernd ScheelenMarianne Schieder(Schwandorf)Ulla Schmidt (Aachen)Carsten Schneider (Erfurt)Swen Schulz (Spandau)Ewald SchurerFrank SchwabeDr. Martin SchwanholzRolf SchwanitzStefan SchwartzeRita Schwarzelühr-SutterSonja SteffenPeer SteinbrückDr. Frank-Walter SteinmeierChristoph SträsserKerstin TackDr. h. c. Wolfgang ThierseFranz ThönnesWolfgang TiefenseeRüdiger VeitUte VogtDr. Marlies VolkmerAndrea WickleinWaltraud Wolff(Wolmirstedt)Uta ZapfDagmar ZieglerManfred ZöllmerBrigitte ZypriesDIE LINKEJan van AkenAgnes AlpersKarin BinderMatthias W. BirkwaldHeidrun BluhmSteffen BockhahnChristine BuchholzEva Bulling-SchröterDr. Martina BungeSevim DağdelenDr. Diether DehmHeidrun DittrichWerner DreibusDr. Dagmar EnkelmannKlaus ErnstWolfgang GehrckeNicole GohlkeDiana GolzeAnnette GrothDr. Gregor GysiHeike HänselInge HögerDr. Barbara HöllAndrej HunkoUlla JelpkeDr. Lukrezia JochimsenKatja KippingHarald KochJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertCaren LaySabine LeidigRalph LenkertUlla LötzerDr. Gesine LötzschThomas LutzeUlrich MaurerDorothée MenznerNiema MovassatThomas NordPetra PauJens PetermannPaul Schäfer (Köln)Michael SchlechtDr. Ilja SeifertKathrin Senger-SchäferRaju SharmaDr. Petra SitteKersten SteinkeSabine StüberAlexander SüßmairDr. Kirsten TackmannFrank TempelDr. Axel TroostAlexander UlrichKathrin VoglerJohanna VoßHalina WawzyniakHarald WeinbergKatrin WernerJörn Wunderlich(D)


27994 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)(B)BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKerstin AndreaeMarieluise Beck (Bremen)Volker Beck (Köln)Cornelia BehmBirgitt BenderAgnes BruggerViola von Cramon-TaubadelEkin DeligözKatja DörnerHarald EbnerHans-Josef FellDr. Thomas GambkeKai GehringKatrin Göring-EckardtBritta HaßelmannBettina HerlitziusPriska Hinz (Herborn)Dr. Anton HofreiterBärbel HöhnIngrid HönlingerThilo HoppeUwe KekeritzSusanne KieckbuschSven-Christian KindlerMaria Klein-SchmeinkUte KoczyTom KoenigsSylvia Kotting-UhlOliver KrischerRenate KünastMarkus KurthUndine Kurth (Quedlinburg)Monika LazarDr. Tobias LindnerNicole MaischJerzy MontagKerstin Müller (Köln)Beate Müller-GemmekeDr. Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffDr. Hermann E. OttBrigitte PothmerTabea RößnerKrista SagerManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergUlrich SchneiderDorothea SteinerDr. Wolfgang Strengmann-KuhnHans-Christian StröbeleDr. Harald TerpeMarkus TresselJürgen TrittinDaniela WagnerBeate Walter-RosenheimerArfst Wagner (Schleswig)Wolfgang WielandDr. Valerie WilmsJosef Philip WinklerfraktionsloserAbgeordnterWolfgang NeškovićNeinCDU/CSUThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannErnst-Reinhard Beck(Reutlingen)Manfred Behrens (Börde)Veronika BellmannDr. Christoph BergnerPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang Börnsen(Bönstrup)Wolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr. Reinhard BrandlHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeDr. Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannThomas DörflingerMarie-Luise DöttDr. Thomas FeistEnak FerlemannIngrid FischbachDirk Fischer (Hamburg)Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachDr. Hans-Peter Friedrich(Hof)Michael FrieserErich G. FritzHans-Joachim FuchtelAlexander FunkDr. Thomas GebhartNorbert GeisAlois GerigEberhard GiengerMichael GlosPeter GötzUte GranoldReinhard GrindelHermann GröheMichael Grosse-BrömerMarkus GrübelManfred GrundMonika GrüttersOlav GuttingFlorian HahnDr. Stephan HarbarthGerda HasselfeldtDr. Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilUrsula Heinen-EsserFrank HeinrichRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingErnst HinskenPeter HintzeChristian HirteRobert HochbaumKarl HolmeierFranz-Josef HolzenkampJoachim HörsterAnette HübingerHubert HüppeThomas JarzombekDieter JasperDr. Franz Josef JungAndreas Jung (Konstanz)Dr. Egon JüttnerHans-Werner KammerSteffen KampeterBernhard KasterSiegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)Volker KauderDr. Stefan KaufmannRoderich KiesewetterEckart von KlaedenEwa KlamtVolkmar KleinJürgen KlimkeAxel KnoerigJens KoeppenManfred KolbeDr. Rolf KoschorrekHartmut KoschykThomas KossendeyMichael KretschmerGunther KrichbaumDr. Günter KringsRüdiger KruseBettina KudlaDr. Hermann KuesGünter LachDr. Karl A. Lamers(Heidelberg)Andreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangePaul LehriederIngbert LiebingMatthias LietzDr. Carsten LinnemannPatricia LipsDr. Jan-Marco LuczakDr. Michael LutherKarin MaagDr. Thomas de MaizièreHans-Georg von der MarwitzAndreas MattfeldtDr. Michael MeisterMaria MichalkDr. Mathias MiddelbergPhilipp MißfelderDietrich MonstadtDr. Gerd MüllerStefan Müller (Erlangen)Dr. Philipp MurmannMichaela NollFranz ObermeierEduard OswaldHenning OtteDr. Michael PaulRita PawelskiUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferBeatrix PhilippRonald PofallaChristoph PolandRuprecht PolenzEckhard PolsThomas RachelDr. Peter RamsauerEckhardt RehbergKatherina Reiche (Potsdam)Lothar RiebsamenJosef RiefKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberJohannes RöringDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckErwin RüddelAlbert Rupprecht (Weiden)Anita Schäfer (Saalstadt)Dr. Wolfgang SchäubleDr. Annette SchavanDr. Andreas ScheuerKarl SchiewerlingNorbert SchindlerTankred SchipanskiGeorg SchirmbeckChristian Schmidt (Fürth)Patrick SchniederDr. Andreas SchockenhoffNadine Schön (St. Wendel)Dr. Kristina Schröder(Wiesbaden)Dr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerArmin Schuster (Weil amRhein)Detlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr. Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnCarola StaucheDr. Frank SteffelErika SteinbachChristian Freiherr von StettenGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerKarin StrenzThomas Strobl (Heilbronn)Lena StrothmannMichael StübgenDr. Peter TauberAntje TillmannDr. Hans-Peter UhlArnold Vaatz(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27995Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)Volkmar Vogel (Kleinsaara)Stefanie VogelsangAndrea Astrid VoßhoffDr. Johann WadephulMarco WanderwitzKai WegnerMarcus Weinberg (Hamburg)Peter Weiß (Emmendingen)Sabine Weiss (Wesel I)Ingo WellenreutherKarl-Georg WellmannPeter WichtelAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschElisabeth Winkelmeier-BeckerDagmar G. WöhrlDr. Matthias ZimmerWolfgang ZöllerWilli ZylajewFDPJens AckermannChristine Aschenberg-DugnusDaniel Bahr (Münster)Florian BernschneiderSebastian BlumenthalClaudia BögelNicole Bracht-BendtKlaus BreilRainer BrüderleErnst BurgbacherMarco BuschmannHelga DaubReiner DeutschmannBijan Djir-SaraiMechthild DyckmansHans-Werner EhrenbergJörg van EssenUlrike FlachOtto FrickeDr. Edmund Peter GeisenDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannHeinz GolombeckJoachim Günther (Plauen)Dr. Christel Happach-KasanHeinz-Peter HausteinManuel HöferlinBirgit HomburgerHeiner KampMichael KauchDr. Lutz KnopekPascal KoberDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppDr. h. c. Jürgen KoppelinSebastian KörberPatrick Kurth (Kyffhäuser)Heinz LanfermannSibylle LaurischkHarald LeibrechtLars LindemannDr. Martin Lindner (Berlin)Michael Link (Heilbronn)Oliver LuksicPatrick MeinhardtGabriele MolitorJan MückeBurkhardt Müller-SönksenDirk NiebelHans-Joachim Otto(Frankfurt)Cornelia PieperGisela PiltzDr. Christiane Ratjen-DamerauJörg von PolheimDr. Birgit ReinemundHagen ReinholdDr. Peter RöhlingerDr. Stefan RuppertBjörn SängerFrank SchäfflerChristoph SchnurrMarina SchusterDr. Erik SchweickertWerner SimmlingJudith SkudelnyDr. Hermann Otto SolmsJoachim SpatzDr. Max StadlerDr. Rainer StinnerStephan ThomaeManfred TodtenhausenDr. Florian ToncarSerkan TörenJohannes Vogel(Lüdenscheid)Dr. Daniel VolkDr. Guido WesterwelleDr. Claudia WintersteinDr. Volker WissingHartfrid Wolff (Rems-Murr)EnthaltenCDU/CSUHerbert FrankenhauserIngo GädechensBartholomäus KalbDaniela LudwigStephan Mayer (Altötting)Marlene MortlerFDPRainer ErdelHorst Meierhofer(C)(B)Sodann das Ergebnis der namentlichen Abstimmungüber den Antrag der Fraktion Die Linke zum Vorschlagder Europäischen Kommission für eine Richtlinie desEuropäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabemit dem Titel „Wasser ist Menschenrecht– Privatisierung verhindern“ auf Drucksache17/12482: abgegebene Stimmen 545. Mit Ja haben gestimmt122, mit Nein haben gestimmt 299. Enthalten habensich 124. Der Antrag ist damit abgelehnt.(D)JaEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 545;davonja: 122nein: 299enthalten: 124CDU/CSUDr. Peter GauweilerDIE LINKEJan van AkenAgnes AlpersKarin BinderMatthias W. BirkwaldHeidrun BluhmSteffen BockhahnChristine BuchholzEva Bulling-SchröterDr. Martina BungeSevim DağdelenDr. Diether DehmHeidrun DittrichWerner DreibusDr. Dagmar EnkelmannKlaus ErnstWolfgang GehrckeNicole GohlkeDiana GolzeAnnette GrothDr. Gregor GysiHeike HänselInge HögerDr. Barbara HöllAndrej HunkoUlla JelpkeDr. Lukrezia JochimsenKatja KippingHarald KochJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertCaren LaySabine LeidigRalph LenkertUlla LötzerDr. Gesine LötzschThomas LutzeUlrich MaurerDorothée MenznerNiema MovassatThomas NordPetra PauJens PetermannPaul Schäfer (Köln)Michael SchlechtDr. Ilja SeifertKathrin Senger-SchäferRaju SharmaDr. Petra SitteKersten SteinkeSabine StüberAlexander SüßmairDr. Kirsten TackmannFrank TempelDr. Axel TroostAlexander UlrichKathrin VoglerJohanna VoßHalina WawzyniakHarald WeinbergKatrin WernerJörn WunderlichBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKerstin AndreaeMarieluise Beck (Bremen)Volker Beck (Köln)Cornelia BehmBirgitt BenderAgnes BruggerViola von Cramon-TaubadelEkin DeligözKatja DörnerHarald EbnerHans-Josef FellDr. Thomas GambkeKai GehringKatrin Göring-Eckardt


27996 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)(B)Britta HaßelmannBettina HerlitziusPriska Hinz (Herborn)Dr. Anton HofreiterBärbel HöhnIngrid HönlingerThilo HoppeUwe KekeritzSusanne KieckbuschSven-Christian KindlerMaria Klein-SchmeinkUte KoczyTom KoenigsSylvia Kotting-UhlOliver KrischerRenate KünastMarkus KurthUndine Kurth (Quedlinburg)Monika LazarDr. Tobias LindnerNicole MaischKerstin Müller (Köln)Beate Müller-GemmekeDr. Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffDr. Hermann OttBrigitte PothmerTabea RößnerKrista SagerManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergUlrich SchneiderDorothea SteinerDr. Wolfgang Strengmann-KuhnDr. Harald TerpeMarkus TresselJürgen TrittinDaniela WagnerBeate Walter-RosenheimerArfst Wagner (Schleswig)Wolfgang WielandDr. Valerie WilmsJosef Philip WinklerfraktionsloserAbgeordneterWolfgang NeškovićNeinCDU/CSUThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannErnst-Reinhard Beck(Reutlingen)Manfred Behrens (Börde)Veronika BellmannDr. Christoph BergnerPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang Börnsen(Bönstrup)Wolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr. Reinhard BrandlHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeDr. Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannMarie-Luise DöttDr. Thomas FeistEnak FerlemannIngrid FischbachDirk Fischer (Hamburg)Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich(Hof)Michael FrieserErich G. FritzHans-Joachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr. Thomas GebhartNorbert GeisAlois GerigEberhard GiengerMichael GlosPeter GötzUte GranoldReinhard GrindelHermann GröheMichael Grosse-BrömerMarkus GrübelManfred GrundMonika GrüttersOlav GuttingFlorian HahnDr. Stephan HarbarthGerda HasselfeldtDr. Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilUrsula Heinen-EsserFrank HeinrichRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingErnst HinskenPeter HintzeChristian HirteRobert HochbaumKarl HolmeierFranz-Josef HolzenkampJoachim HörsterAnette HübingerHubert HüppeThomas JarzombekDieter JasperDr. Franz Josef JungAndreas Jung (Konstanz)Dr. Egon JüttnerBartholomäus KalbHans-Werner KammerSteffen KampeterAlois KarlBernhard KasterSiegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)Volker KauderDr. Stefan KaufmannRoderich KiesewetterEckart von KlaedenEwa KlamtVolkmar KleinJürgen KlimkeAxel KnoerigJens KoeppenManfred KolbeDr. Rolf KoschorrekHartmut KoschykThomas KossendeyMichael KretschmerGunther KrichbaumDr. Günter KringsRüdiger KruseBettina KudlaDr. Hermann KuesGünter LachDr. Karl A. Lamers(Heidelberg)Andreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangeDr. Max LehmerPaul LehriederIngbert LiebingMatthias LietzDr. Carsten LinnemannPatricia LipsDr. Jan-Marco LuczakDaniela LudwigDr. Michael LutherKarin MaagDr. Thomas de MaizièreHans-Georg von der MarwitzAndreas MattfeldtStephan Mayer (Altötting)Dr. Michael MeisterMaria MichalkDr. Mathias MiddelbergPhilipp MißfelderDietrich MonstadtMarlene MortlerDr. Gerd MüllerStefan Müller (Erlangen)Dr. Philipp MurmannMichaela NollFranz ObermeierEduard OswaldHenning OtteDr. Michael PaulRita PawelskiUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferBeatrix PhilippRonald PofallaChristoph PolandRuprecht PolenzEckhard PolsThomas RachelDr. Peter RamsauerEckhardt RehbergKatherina Reiche (Potsdam)Lothar RiebsamenJosef RiefKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberJohannes RöringDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckErwin RüddelAlbert Rupprecht (Weiden)Anita Schäfer (Saalstadt)Dr. Wolfgang SchäubleDr. Annette SchavanDr. Andreas ScheuerKarl SchiewerlingNorbert SchindlerTankred SchipanskiGeorg SchirmbeckChristian Schmidt (Fürth)Patrick SchniederDr. Andreas SchockenhoffNadine Schön (St. Wendel)Dr. Kristina Schröder(Wiesbaden)Dr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerArmin Schuster (Weil amRhein)Detlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr. Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnCarola StaucheDr. Frank SteffelErika SteinbachChristian Freiherr von StettenGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerKarin StrenzThomas Strobl (Heilbronn)Lena StrothmannMichael StübgenDr. Peter TauberAntje TillmannDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzVolkmar Vogel (Kleinsaara)Stefanie VogelsangAndrea Astrid VoßhoffDr. Johann WadephulMarco WanderwitzKai WegnerMarcus Weinberg (Hamburg)Peter Weiß (Emmendingen)Sabine Weiss (Wesel I)(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27997Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)(B)Ingo WellenreutherKarl-Georg WellmannPeter WichtelAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschElisabeth Winkelmeier-BeckerDagmar G. WöhrlDr. Matthias ZimmerWolfgang ZöllerWilli ZylajewSPDBernhard Brinkmann(Hildesheim)FDPJens AckermannChristine Aschenberg-DugnusDaniel Bahr (Münster)Florian BernschneiderSebastian BlumenthalClaudia BögelNicole Bracht-BendtKlaus BreilRainer BrüderleErnst BurgbacherMarco BuschmannHelga DaubReiner DeutschmannBijan Djir-SaraiMechthild DyckmansHans-Werner EhrenbergJörg van EssenUlrike FlachOtto FrickeDr. Edmund Peter GeisenDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannHeinz GolombeckJoachim Günther (Plauen)Dr. Christel Happach-KasanHeinz-Peter HausteinManuel HöferlinBirgit HomburgerHeiner KampMichael KauchDr. Lutz KnopekPascal KoberDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppDr. h. c. Jürgen KoppelinSebastian KörberPatrick Kurth (Kyffhäuser)Heinz LanfermannSibylle LaurischkHarald LeibrechtLars LindemannDr. Martin Lindner (Berlin)Michael Link (Heilbronn)Oliver LuksicPatrick MeinhardtGabriele MolitorJan MückeBurkhardt Müller-SönksenDirk NiebelHans-Joachim Otto(Frankfurt)Cornelia PieperGisela PiltzDr. Christiane Ratjen-DamerauJörg von PolheimDr. Birgit ReinemundHagen ReinholdDr. Peter RöhlingerDr. Stefan RuppertBjörn SängerFrank SchäfflerChristoph SchnurrMarina SchusterDr. Erik SchweickertWerner SimmlingJudith SkudelnyDr. Hermann Otto SolmsJoachim SpatzDr. Max StadlerDr. Rainer StinnerStephan ThomaeManfred TodtenhausenDr. Florian ToncarSerkan TörenJohannes Vogel(Lüdenscheid)Dr. Daniel VolkDr. Guido WesterwelleDr. Claudia WintersteinDr. Volker WissingHartfrid Wolff (Rems-Murr)EnthaltenCDU/CSUPeter AumerJosef GöppelSPDIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHeinz-Joachim BarchmannDoris BarnettKlaus BarthelSören BartolBärbel BasSabine Bätzing-LichtenthälerLothar Binding (Heidelberg)Gerd BollmannKlaus BrandnerEdelgard BulmahnMarco BülowMartin BurkertPetra CroneMartin DörmannElvira Drobinski-WeißSebastian EdathyIngo EgloffSiegmund EhrmannPetra ErnstbergerElke FernerGabriele FograscherDr. Edgar FrankeDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeGünter GloserAngelika Graf (Rosenheim)Kerstin GrieseGabriele GronebergWolfgang GunkelHans-Joachim HackerBettina HagedornKlaus HagemannMichael Hartmann(Wackernheim)Hubertus Heil (Peine)Wolfgang HellmichRolf HempelmannDr. Barbara HendricksGustav HerzogGabriele Hiller-OhmPetra Hinz (Essen)Dr. Eva HöglChristel HummeJosip JuratovicOliver KaczmarekJohannes KahrsDr. h. c. Susanne KastnerUlrich KelberLars KlingbeilHans-Ulrich KloseDr. Bärbel KoflerDaniela Kolbe (Leipzig)Fritz Rudolf KörperAnette KrammeAngelika Krüger-LeißnerUte KumpfChristine LambrechtDr. Karl LauterbachSteffen-Claudio LemmeGabriele Lösekrug-MöllerKirsten LühmannCaren MarksKatja MastHilde MattheisPetra Merkel (Berlin)Ullrich MeßmerDr. Matthias MierschFranz MünteferingDr. Rolf MützenichDietmar NietanManfred NinkThomas OppermannHolger OrtelAydan ÖzoğuzHeinz PaulaJoachim PoßDr. Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDr. Sascha RaabeStefan RebmannGerold ReichenbachDr. Carola ReimannSönke RixRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannKarin Roth (Esslingen)Annette SawadeAnton SchaafAxel Schäfer (Bochum)Bernd ScheelenMarianne Schieder(Schwandorf)Ulla Schmidt (Aachen)Carsten Schneider (Erfurt)Swen Schulz (Spandau)Ewald SchurerFrank SchwabeDr. Martin SchwanholzRolf SchwanitzStefan SchwartzeRita Schwarzelühr-SutterSonja SteffenPeer SteinbrückDr. Frank-Walter SteinmeierChristoph SträsserKerstin TackDr. h. c. Wolfgang ThierseFranz ThönnesWolfgang TiefenseeRüdiger VeitUte VogtDr. Marlies VolkmerAndrea WickleinWaltraud Wolff(Wolmirstedt)Uta ZapfDagmar ZieglerManfred ZöllmerBrigitte ZypriesFDPRainer ErdelHorst Meierhofer(C)(D)


27998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse(A)(B)Jetzt fahren wir in der Debatte zum Thema „SchachtanlageAsse II“ fort. Ich erteile der Kollegin Ute Vogt fürdie SPD-Fraktion das Wort.(Beifall bei der SPD)Ute Vogt (SPD):Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Ja, so schön und harmonisch kann es sein,wenn wir uns einer Aufgabe stellen, die uns vermutlichüber Legislaturperioden hinweg begleiten wird, undwenn alle Fraktionen des Hauses zu der Einsicht kommen,dass es überhaupt nicht anders geht, als sich an einenTisch zu setzen und konstruktiv zusammenzuarbeiten,um das Schlimmste zu verhindern, nämlich dass diestrahlenden Abfälle in der Asse verbleiben und möglicherweisedort versickern. Es ist also gut, dass wir diesenGesetzentwurf heute verabschieden.Nachdem die Frau Staatssekretärin Heinen-Esser unsallen so gedankt hat, möchte ich den Dank vonseiten derOpposition ausdrücklich an das Bundesumweltministeriumzurückgeben, vor allem aber an Sie, Frau Heinen-Esser. Sie haben einen ganz entscheidenden Beitrag dazugeleistet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter IhresHauses sehr positiv mitgewirkt haben und es auch zu einerBeteiligung der Menschen vor Ort kommen konnte.(Beifall im ganzen Hause)Einen Wermutstropfen gibt es am Ende doch, nämlichdie bedauerliche Tatsache, dass die Linke als eine Fraktion,die den Entwurf von Anfang an mit uns diskutiertund vorbereitet hat, nun nicht als antragstellende Fraktionauf dem Antrag erscheint. Ich muss sagen: Es istsehr schade, dass die Ideologie der CDU/CSU-Fraktionan dieser Stelle wieder Überhand gewonnen hat; es hattenichts mit dem zu tun, was wir als Berichterstatterinnengemeinsam erarbeitet haben. Ich muss ehrlich sagen: Esist nicht sehr sinnvoll, solche ideologischen Barrierenbei Themen aufzubauen, die – vollkommen egal, wer inden nächsten Jahren oder Jahrzehnten regiert – von allenangepackt werden müssen. Ich hätte mir gewünscht, dassda insbesondere der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSUüber seinen Schatten gesprungen wäre.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. AlexanderSüßmair [DIE LINKE])Gut war, dass die Bürgerinnen und Bürger einbezogenwaren. Es kann als Beispiel für weitere Gesetzesvorhabendienen, dass die Asse-Begleitgruppe nicht erst hinterher,als alles feststand, sondern von Anfang an in dieBeratungen einbezogen war. Sie konnte jeden Schritt,jede Änderung am Gesetzentwurf mit erarbeiten. Auchder Rechtsanwalt der Asse-Begleitgruppe, Herr Gaßner,hat uns sehr geholfen, indem er unsere Beratungen begleitethat. Das ist ein gutes Beispiel, das wir bei anderenGesetzesvorhaben durchaus aufnehmen sollten.Doch bei aller Freude müssen wir auch offen und ehrlichsagen: Bis zur Rückholung der Abfälle kann es auchaus technischen Gründen noch viele Jahre dauern. Eskann noch mehr als zehn Jahre dauern, bis wir die Abfällenicht nur erfolgreich geborgen, sondern auch neuverpackt und an anderer Stelle eingelagert haben. Dasheißt, es ist ein sehr langer Prozess, der erfordert, dassder Bundestag – wir hier und diejenigen, die nach unskommen – diesen Prozess weiter begleitet. Man darfauch nicht verschweigen, dass dieser Prozess die Steuerzahlerinnenund Steuerzahler viel, viel Geld kostet. DieSchätzungen gehen im Moment von 4 bis 6 MilliardenEuro aus; man kann es noch nicht genau sagen, weil wirnicht wissen, was technisch im Einzelnen erforderlichsein wird.Wir kennen die Bilder aus der Asse, auf denen wirverschüttete Fässer sehen. Es gibt auch schöne Bilder,auf denen Schulklassen zu sehen sind, die durch dasAsse-Bergwerk geführt werden, oder von Bürgerinnenund Bürgern, die eingeladen wurden, das Bergwerk amTag der offenen Tür zu besichtigen. Diese Bilder sinderst wenige Jahre alt. Dies ist ein mahnendes Beispieldafür, wie schnell es passieren kann, dass die Gefahrenradioaktiver Strahlung unterschätzt oder auch verdrängtwerden.In diesem Sinne war es richtig und überfällig, dass derdamalige Umweltminister Sigmar Gabriel im Jahr 2009die Asse zum einen dem Atomrecht unterstellt und damitdie Schutzanforderungen erhöht hat und zum anderendafür gesorgt hat, dass nicht länger eine private Betreibergesellschaft,nämlich das Helmholtz-Zentrum München,die Asse betreibt, sondern 2009 das Bundesamt fürStrahlenschutz die Federführung bei der Asse übernommenhat. Das war ein notwendiger Schritt, der es uns ermöglicht,das Gesetz weiterzuentwickeln. Dies ist einweiteres Beispiel dafür – das schließt ganz gut an unseregerade geführte Debatte zum Thema Wasserwirtschaftan –, dass die privaten Betreiber nicht immer Segen bringenund es oft die öffentliche Hand ist, die dann das Unheil,das die privaten Betreiber angerichtet haben, mitviel Geld beheben muss.(Beifall bei der SPD, der LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf wollenwir Rückendeckung geben – den Behörden, die die Genehmigungenzu erteilen haben und das Verfahren begleiten,aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiternvor Ort, die alle ganz ohne Zweifel wissen sollen: DieRückholung ist unser wichtigstes Ziel. Sie muss, wennes irgend geht, erfolgen, und zwar schnellstmöglich.Dies ist ein guter Gesetzentwurf; aber er bedarf einerBegleitung über die Verabschiedung hinaus. Ich denke,dass wir dadurch, dass wir uns in diesem Haus so einigsind, gewährleisten können, dass in der nächsten undübernächsten Legislaturperiode noch Kolleginnen undKollegen da sind, die die Ausführung dieses Gesetzeskontrollieren, die schauen, ob ein Nachsteuern notwendigist, und dafür sorgen, dass die Rückholung weiter diePriorität hat, die wir ihr mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurfeinräumen.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU, der FDP und der LINKEN)(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 27999(A)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Michael Kauch für die FDP-Fraktion.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU)Michael Kauch (FDP):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit derRückholung der Abfälle aus der Asse beheben wir dieFehler der Vergangenheit. Ich glaube, es ist wichtig– auch für die Bürgerinnen und Bürger, die uns heute zuhören–, deutlich zu machen, worum es geht. Wir habenein Forschungsbergwerk, das nach heutigen Erkenntnissennicht geeignet war, um die Abfälle dort einzulagern.Die Abfälle sind zum Teil chaotisch eingelagert worden.Wir wissen auch nicht genau, ob alle dokumentiert sind.Dieses Thema geht nicht nur die Menschen vor Ortan. Es ist vielmehr eine nationale Aufgabe, vor der wirstehen; denn der ehemalige private Betreiber, über dengerade gesprochen wurde, ist die größte WissenschaftsorganisationDeutschlands.(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Peinlich genug!)Das Unheil, wie Frau Vogt es zu Recht genannt hat, hatteeine staatliche Aufsicht. Deshalb sind hier alle Fraktionen– die Linke einmal ausgenommen, weil sie damalsnur in der DDR Verantwortung getragen hat – in der Verantwortung.(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Damalsgab es die Linke noch gar nicht!)– Ja, wir können über die Fehler der SED in Morslebenund anderen Fällen sprechen; ich glaube aber, das solltenwir jetzt nicht tun. – Die Forschungs- bzw. Umweltminister,die in den letzten 30 oder 40 Jahren Verantwortunggetragen haben, sind natürlich von allen Parteiengestellt worden. Deshalb tragen wir gemeinsam Verantwortung,und deshalb ist es richtig, dass wir einen fraktionsübergreifendenGesetzentwurf zur Lösung der Problemeder Vergangenheit vorgelegt haben.Die Rückholung ist das klare Ziel dieses Gesetzentwurfs.Wir haben die Mittel im Bundeshaushalt schon indiesem Jahr von 100 Millionen auf 142 Millionen Euroerhöht. Frau Vogt hat zu Recht gesagt, welche Ausgabennoch auf uns zukommen werden. Das ist aber unabwendbar,wenn wir an dieser Stelle wieder einen gutenUmweltzustand herbeiführen wollen.Wir beschleunigen mit diesem Gesetzentwurf dieatomrechtlichen Genehmigungsverfahren, um die Maßnahmenin der Asse schneller voranzubringen. Die fraktionsübergreifendeErarbeitung dieses Gesetzentwurfesist wirklich ein Beispiel für gute Arbeit in diesem Parlament.In diesem Zusammenhang danke ich ausdrücklichallen Berichterstatterinnen – es waren allesamt Frauen,die an diesem Gesetzentwurf gearbeitet haben –: Sie habensuper Arbeit geleistet. – An dieser Stelle geht meinDank auch an die erkrankte Berichterstatterin unsererFraktion, Angelika Brunkhorst. Ich freue mich, dass Siedas gemeinsam so gut geschafft haben.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowiebei Abgeordneten der SPD)Abschließend möchte ich allerdings noch betonen,dass natürlich die Rückholung Priorität hat, dass wiraber auch nicht die Verantwortung gegenüber den Beschäftigtenvergessen dürfen. Auch sie dürfen wir keinenRisiken aussetzen. Deshalb gehört es zu unserer Verantwortung,auch Grenzen der Rückholoption aufzuzeigen,nämlich dann, wenn die Beschäftigten nicht mehr sicherin dieses Bergwerk einfahren können. Wir hoffen alle,dass wir es schneller schaffen, als dass dieser Fall eintritt.Ausschließen kann man das nicht. Das gehört auchzur Wahrheit bei der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes.Vielen Dank.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowiebei Abgeordneten der SPD)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Das Wort hat nun Dorothée Menzner für die FraktionDie Linke.(Beifall bei der LINKEN)(C)(B)Dorothée Menzner (DIE LINKE):Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ein Gesetz zur Beschleunigungder Rückholung der radioaktiven Abfälleaus der Asse ist parteiübergreifend und vor allem vonden Menschen vor Ort ausdrücklich gewollt, geht esdoch schlicht darum, ob es eine Chance gibt, den strahlendenMüll noch herauszubekommen und durch Verfahrensbeschleunigungdafür auch die notwendige Zeit zuhaben, oder ob uns diese Chance nicht bleibt, weil alleszu lange dauert; denn der Berg und der Stollen sindmorsch, Wasser tritt ein, das Grubengebäude ist brüchig,und keiner von uns weiß, wann es zu einer nicht mehrbeherrschbaren Situation kommt.Man kann es nicht oft genug betonen: Es handelt sichum 126 000 Fässer atomaren Mülls, und das Bergwerkdroht einzustürzen. Ein Langzeitsicherheitsnachweis fürden Verbleib des Mülls im Berg liegt nicht vor. LautAussagen aus Kreisen des Bundesamtes für Strahlenschutzist er wohl auch künftig nicht zu erbringen.Demnach ist die Rückholung die einzige Option, denrechtswidrigen und gefährlichen Zustand in der Asse zubeenden.(Beifall bei der LINKEN)Die Frage ist, ob der jetzt vorliegende Gesetzentwurfwirklich alles an Möglichkeiten ausschöpft oder ob esHintertüren gibt, die es Gegnern der Rückholung ermöglichen,zu verschleppen, zu verzögern oder gar – das istdie große Befürchtung der Bevölkerung in der Region –die Stollen legal vorzeitig zu fluten. Um diesen Befürchtungenzu begegnen und Vertrauen aufzubauen oder neuzu begründen, wäre eine deutlichere und konkretere Formulierungwünschenswert und möglich gewesen. Eineausdrückliche Klarstellung, dass eine Stilllegung erstnach Rückholung der Abfälle erfolgen kann, wäre mög-(D)


28000 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dorothée Menzner(A)lich gewesen. Wir haben dazu einen Vorschlag unterbreitet.Zurück zu den Hintertüren. Mehrere dieser Hintertürensind infolge der Expertenanhörung und auch aufgrundvon Interventionen von Bürgerinnen und Bürgernund des Asse-Koordinationskreises in den letzten Tagenund Wochen noch geschlossen worden. Ich will ausdrücklichsagen: Das war wichtig und sehr gut. Aberzwei Probleme bleiben.Erstens. Uns fehlt die deutliche Feststellung des Klagerechtesfür den Fall, dass eines Tages über den Abbruchentschieden werden muss. Wir meinen, das wärezentral gewesen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen ineiner solchen Situation die Möglichkeit der Klage haben.Das ist eine wichtige Form der öffentlichen Beteiligung.Leider fehlt das.Zweitens. Noch zentraler ist die Rechtfertigungspflicht.Es geht um die Frage, ob die Rückholung derstrahlenden Abfälle weiter rechtfertigungsbedürftig gemäßStrahlenschutzverordnung ist oder nicht. Die Linkeist der Auffassung, dass die Bergung der Abfälle Teil desBetriebs und der Stilllegung der Asse ist(Beifall bei der LINKEN)und damit keinesfalls rechtfertigungsbedürftig. DerRechtfertigungspflicht ist nach unserer Auffassung bereitsGenüge getan. Leider ist das an keiner Stelle festgeschrieben.Vielmehr wurde in dieser Woche in derletzten Runde eine entsprechende Passage aus der Begründungdes Änderungsantrages der vier Fraktionen gestrichen.Wir finden, das ist kontraproduktiv; denn dasbietet in Zukunft – und wir werden noch sehr viele Jahredamit zu tun haben – den Gegnern der Rückholung zujeder Zeit die Möglichkeit – ich unterstelle das keinemder heute hier Agierenden –, eine Rechtfertigungsprüfungder Rückholung zu starten, in der dann wirtschaftlicheKriterien gegenüber Kriterien des langzeitsicherheitlichenStrahlenschutzes abgewogen werden. Das bedeutet: Esgibt ein großes Einfallstor für die gesamte Dauer desProzesses. Das kann im schlimmsten Fall zu einem vorzeitigenAbbruch führen, und zwar rein aus Kostengründen.(Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Dasstimmt nicht! Eindeutig nicht!)Sicherheit und Schadensbegrenzung nach Kassenlage– auch für nachfolgende Generationen – ist mit derLinken nicht zu machen.(Beifall bei der LINKEN – Dr. MariaFlachsbarth [CDU/CSU]: Frau Menzner, dasist unter Ihrem Niveau! Nachdem wir jahrelangdarüber diskutiert haben!)Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie unserem Änderungsantrag17(16)702 zu! Andernfalls kann die Fraktion derLinken der vorliegenden Version der Lex Asse nicht zustimmen.Seien Sie aber versichert: So, wie wir in denletzten acht, neun Monaten konstruktiv an dem vorliegendenText mitgearbeitet, wie wir uns reingehängt haben,werden wir uns auch in den kommenden Jahren undJahrzehnten einsetzen, in denen uns alle und vor allemdie Menschen in der Region dieses Thema notgedrungenbegleiten und belasten wird.Ich danke Ihnen.(Beifall bei der LINKEN)(C)Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Nächste Rednerin ist Sylvia Kotting-Uhl für die FraktionBündnis 90/Die Grünen.(B)Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Auch ich will mit einem Dank starten und aus derGruppe derer, die an diesem Gesetzentwurf gearbeitethaben, zwei Frauen herausgreifen.Frau Flachsbarth, wir beide wissen besonders gut, wiewüst und hässlich sich gerade unsere Fraktionen zerstreitenkönnen, wenn es um Atommüll geht. Ich möchteIhnen ausdrücklich danken, dass die Diskussionen imAusschuss nicht nur pfleglich, sondern auch in einer unglaublichkonstruktiven Weise vonstatten gingen. HerzlichenDank, Frau Flachsbarth!(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei der CDU/CSU und der SPD)Die Zweite, der ich herausgehoben danken möchte,ist Dorothée Menzner. Es war relativ bald klar, dass dieLinke im Rubrum des Gesetzentwurfes nicht erscheinenwürde. Nichtsdestotrotz hat Dorothée Menzner am Gesetzentwurfweiter mitgearbeitet, ihn mit erarbeitet unddamit auch die Verantwortung dafür übernommen, dassam Ende ein gutes, tragfähiges Gesetz entsteht. Auch dafürunter dieser Bedingung herzlichen Dank, DorothéeMenzner!(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Ich möchte auch die Chance ergreifen, den neuenUmweltminister von Niedersachsen, Stefan Wenzel, hierzu begrüßen. Ich erlaube mir das einfach mal. Er ist eineder Personen, die nachher mit der Umsetzung unseresGesetzes massiv zu tun haben werden. Ich glaube, er istprädestiniert dafür; denn es gibt kaum einen Zweiten,der die Asse so gut wie er aus dieser intensiven Arbeitkennt, die er im Untersuchungsausschuss zur Asse inNiedersachsen geleistet hat.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Herzlichen Glückwunsch zu deinem Amt und gute Nervenund viel Geduld für die Umsetzung dieses Gesetzes!(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)Nun bin ich mit meiner Freude ein Stück weit amEnde. Ich finde es, wie Ute Vogt schon gesagt hat,extrem bedauerlich, um es freundlich auszudrücken,dass die CDU/CSU nicht akzeptiert hat – ihre alten parlamentarischenReflexe kamen trotz dieser guten Arbeitan diesem Gesetzentwurf wieder hoch –, die Linke indas Rubrum des Gesetzentwurfs, ja nicht einmal in das(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28001Sylvia Kotting-Uhl(A)(B)des gemeinsamen Änderungsantrags aufzunehmen. Ichmuss schon sagen: Dass die Fraktionsführung bei einemso wichtigen Gesetz, das für lange Zeit halten muss unddas wirklich das Vertrauen sehr vieler Menschenbraucht, um zu funktionieren, den Bruch der Geschlossenheitdes gesamten Parlaments verantwortet, ist extrembedauerlich.Das Gesetz hat drei Aufgaben – um es kurz zu machen–: die Beschleunigung des Verfahrens für die Rückholung,Rechtssicherheit für die beteiligten Behördenund Vertrauensaufbau in der Bevölkerung. An Letzteremwerden wir alle, die daran beteiligt sind, und manche anderenoch lange arbeiten müssen; denn selbstverständlichist vor Ort ein großes Maß an Misstrauen vorhanden.Das ist auch weiß Gott kein Wunder bei diesem inder Geschichte größten Umweltskandal, den wir in derBundesrepublik zu verantworten haben. Die organisierteVerantwortungslosigkeit von Wissenschaft und Politik,die in den 70er-Jahren dazu geführt hat, dass wir heutediese Katastrophe in der Asse haben, mündet jetzt jedochin eine gemeinsame politische Verantwortungsübernahme.Wir haben nach der Anhörung zur Lex Asse Änderungenvorgenommen. Diese sind auf Initiative des Koordinationskreises,dem ich hier ebenfalls danken möchte,entstanden. Wir haben uns vor allem davon verabschiedet,die Grundsätze des Strahlenschutzes als möglicheAbbruchkriterien zu benennen. Benannt wird als beispielhaftesKriterium jetzt nur noch die Dosisbegrenzung.Was wir damit in diesem Gesetzentwurf zum Ausdruckbringen wollen, ist ausdrücklich, dass sowohl dieRechtfertigung der Rückholung als auch das Minimierungsgebot,das in diesem Fall natürlich die Kollektivdosisbedeuten würde, keine Abbruchkriterien sein werden.Dorothée Menzner hat selbstverständlich recht: Der Satzin der Begründung, der das ganz eindeutig klargestellthat, fehlt. Ich glaube trotzdem, dass das Gesetz selbsterklärendist, sicherlich ein Stück weit interpretierbarwie fast jedes Gesetz; das kennen wir aus jeder Geschichtevon Gesetzen.Wir wollen zum Ausdruck bringen und haben uns daraufverpflichtet, dass die Rechtfertigung der Rückholungmit dem Ziel der Rückholung als Vorzugsoptionnicht vereinbar ist. Das bringt dieses Gesetz zum Ausdruck.Vor Ort bestehen natürlich trotzdem Zweifel: Ist daswasserdicht? Gibt es eine Garantie? – Besorgte Bürgerinnenund Bürger haben uns angeschrieben, auch gesternnoch einmal. Ich muss ihnen sagen: Ja, Bürgerinnenund Bürger, ihr seid zu Recht besorgt. Bleibt wachsam,passt auf! – Aber ich muss auch sagen: Nein, weder derBundestag noch irgendein Gesetz kann die Rückholunggarantieren. Dass sie gelingt, kann niemand versprechen.Wir können nur versprechen, dass wir alles tun, damitsie gelingt. Das versprechen wir, und das verspricht auchdieses Gesetz – nicht mehr, aber auch nicht weniger.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU und der FDP)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Ich gebe das Wort der Kollegin Dr. Maria Flachsbarthfür die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU):Frau Präsidentin! Liebe Frau Kotting-Uhl! LiebeMitberichterstatterinnen! Liebe Frau Heinen-Esser, herzlichenDank für das große Lob, das mir natürlich sehrgutgetan hat. In einem solchen Prozess eine gute Rollezu spielen, ist nur möglich, wenn auf der anderen Seitedie Bereitschaft zur Kooperation vorhanden ist. Sie warvorhanden, und dafür mein ganz herzliches Dankeschön.Wir haben alle miteinander gemerkt und gelernt, dasssich Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Industrie beiden Vorgängen rund um die Asse tatsächlich nicht mitRuhm bekleckert haben. Aus dieser Erkenntnis herausist die gemeinsame Überzeugung gewachsen, dass wirdas Ganze aus dem politischen Streit herausholen müssenund wirklich in der Sache und an der Lösung desProblems arbeiten müssen. Wir haben das hier imDeutschen Bundestag getan. Beim NiedersächsischenLandtag verhält sich das genauso. Auch dort gibt es eineneinstimmigen Beschluss, in dem man sich für dieRückholung ausspricht. Die neue niedersächsische Landesregierungunterstützt das weiterhin, wofür ich ebenfallssehr dankbar bin; denn zügiges Handeln ist angesagt.Das haben schon viele Rednerinnen vor mir gesagt.Vorher war geplant – das wissen wir alle –, die Grubeunter Belassung des Atommülls zu verfüllen und zu fluten.Das hat zu massiven Bürgerprotesten geführt, bis2009, nach einem Optionenvergleich durch das Bundesamtfür Strahlenschutz ganz, ganz klar war: Ein Langzeitsicherheitsnachweisist nicht zu führen, wenn derMüll in der Grube verbleibt. Das heißt also: Rückholungist Vorzugsoption. Genau das wollen wir jetzt mit unseremGesetzentwurf, der die Novellierung des § 57 b desAtomgesetzes zum Ziel hat, gesetzlich festschreiben.Dabei ist es uns ganz wichtig, dass diese Option, die Beschleunigungder Rückholung, ohne Senkung von Sicherungsstandardsin Bezug auf die Bergleute, die Anwohnerund Anwohnerinnen oder die Umwelt vonstattengeht. Es ist an uns, deutlich zu zeigen, dass das Parlament,dass die Politik Verantwortung übernimmt. Es istan uns, den Beamtinnen und Beamten, die das Ganzeentscheiden müssen, die das administrieren müssen, dieletztendlich die Vorgaben machen müssen, die Gewissheitzu geben: „Ihr handelt im Sinne dessen, was derDeutsche Bundestag und der Niedersächsische Landtagwollen“, und damit eine größere Sicherheit in den Prozesszu bringen und alleine dadurch auch eine Beschleunigung.Wir wollen aber auch weitere verfahrensrechtlicheBeschleunigungen auf den Weg bringen: Einführung vonGenehmigungen mit Konzentrationswirkung, Zulässigkeitvon Teilgenehmigungen, Parallelisierung von Verfahren– das ist ganz wichtig insbesondere mit Blick aufden Schacht 5, den es unbedingt geben muss; denn ohnediesen Schacht wird es keine Rückholung geben – und(C)(D)


28002 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Maria Flachsbarth(A)(B)nicht zuletzt Vereinfachung von Vergabevorschriften.Diesbezüglich hat sich insbesondere die Linke eingebracht.Uns war es auch wichtig, behördliche Ausnahmenvon den Strahlenschutzvorschriften im Rahmen dessen,was schon jetzt gesetzlich möglich ist, zu ermöglichen.Das Bundesamt für Strahlenschutz hat uns in der Anhörungin der letzten Woche gesagt, dass insbesondere dasein wichtiger Schritt ist für die Vorbereitung einer zügigenRückholung.Soweit irgend möglich wollen wir versuchen – demdient auch dieses Gesetz –, verlorengegangenesVertrauen zurückzugewinnen. Deshalb legen wir großenWert auf Transparenz. Deshalb haben wir einen Änderungsantrageingebracht, der unter Bezugnahme auf dasUmweltinformationsgesetz ganz klar vorsieht, dass allewesentlichen zwischenbehördlichen Unterlagen zu veröffentlichensind, insbesondere Weisungen, Empfehlungenund Verwaltungsvorschriften.Die Zeit drängt. Das wissen wir. Die Situation vor Ortist insbesondere wegen der unsicheren Standfestigkeitdes Grubengebäudes und der Gefahr des unkontrolliertenZutritts von Laugen gefährdet. Und das Verfahrendauert. Auch das wissen wir. Die sogenannte Faktenerhebung,die im Moment im Gange ist, hat sich starkverzögert, weil sich das Anbohren einer Kammer – manmuss ja wissen, was darin ist – als fast unmöglich erwiesenhat. Man hat nämlich gar kein Lumen gefunden.Offensichtlich ist diese Kammer zusammengesintert. Indiesem Rückholungsverfahren sind insofern gewaltigetechnische Probleme verborgen.Zugleich ist der Zustand des Bergwerks problematisch;das ist schon gesagt worden. Zumindest ist dieWendel, die man braucht, um in diesem Bergwerk wie ineiner Spirale hoch- und runterfahren zu können, wiederin einem betriebsfähigen Zustand. Aber wir haben großeProbleme. Diese sind nicht unter den Tisch zu kehren.Ständiger Diskussionspunkt in unseren Berichterstatterrunden– das zog sich bis in die letzte Runde am vergangenenMontag – war die Frage: Wie vertragen sicheigentlich Rückholung und Stabilisierung des Bergwerksbzw. notwendige Vorsorge für den Notfall? Die Anhörunghat diesbezüglich noch einmal eindeutig ergeben:Die Stabilisierung, der Erhalt der Gebrauchstüchtigkeit,ermöglicht erst die Rückholung.Ich verstehe doch die Sorgen der Bürgerinitiativen,die sagen: Unter dem Anschein von Sanierungsmaßnahmenund Notfallvorsorge wollt ihr in Wirklichkeit dieStilllegung ohne Rückholung vorbereiten. – Ich verstehedas sofort; ich kann das nachvollziehen. Aber ich widersprechedem mit Nachdruck, und ich verspreche hier wiedie Kolleginnen vor mir: Der Umweltausschuss desDeutschen Bundestages wird sich regelmäßig vom BMUund vom BfS über den Fortgang der Arbeiten unterrichtenlassen und sofort eingreifen, wenn wir den Eindruckbekommen, dass es dort nicht mit rechten Dingen – dasheißt so, wie in diesem Gesetz vorgesehen ist – zugeht.(Beifall der Abg. Florian Bernschneider [FDP]und Dorothée Menzner [DIE LINKE])Aber – auch das will ich sagen – wir können hier imDeutschen Bundestag nicht das Gelingen der Rückholungbeschließen. Auch das gehört zur Wahrheit. Das istein technisch sehr ehrgeiziges, weltweit einmaliges Projekt.Von daher müssen wir gucken, dass wir es zu einemErfolg führen; aber wir können es eben nicht versprechen.In dem Fall, dass man zu der Einschätzung gelangensollte, dass die Rückholung gegebenenfalls abzubrechenist, weil Strahlenschutz oder bergtechnische Sicherheitnicht gewährleistet werden können, muss der DeutscheBundestag informiert werden, muss die Öffentlichkeitinformiert werden. Dann muss die Öffentlichkeit Gelegenheitzur Stellungnahme bekommen; der DeutscheBundestag hat sowieso immer Gelegenheit zur Stellungnahme.Wenn es dann tatsächlich so sein sollte, dass dieRückholung abgebrochen werden muss und die Stilllegunganders – das heißt ohne Rückholung – erfolgenmuss, dann ist dafür ein Planfeststellungsverfahren notwendig,mit entsprechender Anhörung der Öffentlichkeitund auch mit Möglichkeiten zur Verbandsklage. Ich willdamit nur sagen, dass wir so viele Absicherungen in dasVerfahren eingebaut haben wie nur eben möglich.Wegen des großen Misstrauens in der Bevölkerung,das ich verstehe, haben wir von Anfang an, als wir unsauf den Weg dieses Gesetzgebungsverfahrens gemachthaben, die örtliche Bevölkerung eng einbezogen. Mit derAsse-II-Begleitgruppe und dem Asse-II-Koordinationskreishat es über ein Jahr hinweg regelmäßige Konsultationengegeben. Da hat sich Ulla Heinen-Esser, unsereStaatssekretärin, große Verdienste erworben. Sie war invier- bis sechswöchigen Abständen vor Ort in Wolfenbüttelund hatte dort regen Kontakt zu den Menschen.Auch wir Berichterstatterinnen haben diesen engenKontakt gehalten. Rechtsanwalt Gaßner, der von denBürgerinitiativen beauftragt wurde, hat an unseren Berichterstattergesprächenteilgenommen und an diesemGesetzentwurf mitgearbeitet. Im Dezember hatten wirvor der ersten Lesung ein Gespräch mit den Vertreternhier in Berlin. Im Januar gab es ein Gespräch imRahmen einer Podiumsdiskussion in Wolfenbüttel, wowir gemeinsam waren. Mehrere Sachverständige aus denReihen der Bürgerinitiativen waren bei unserer Anhörungdabei. Von daher, glaube ich, haben wir die Bevölkerungwirklich sehr gut einbezogen.Aber es gibt bis heute – eben gerade habe ich nochMails bekommen – besorgte Bürgerinnen und Bürger, diesagen: Das alles geht uns noch nicht weit genug. – Ichwill aber sagen: Lassen Sie uns jetzt dieses Gesetz verabschieden!Ich glaube, es ist so gut, wie ein Gesetz nureben sein kann. Es mag immer noch Fehler geben; es mögenimmer noch Wünsche offen sein. Aber wir solltendieses intensive Verfahren jetzt tatsächlich abschließenund langsam anfangen, das Ganze in die Realität umzusetzen.Nochmals das Versprechen: Wir Politikerinnenstehen für Ihre Anliegen, liebe Bürgerinitiativen, liebeBürgerinnen und Bürger, jederzeit zur Verfügung.Liebe Frau Menzner, noch einmal vielen Dank fürIhre Mitarbeit, für Ihre Unterstützung. Ich würde mirsehr wünschen, dass auch die Linke ihrem Herzen einen(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28003Dr. Maria Flachsbarth(A)(B)Stoß geben kann. Ich verstehe, dass Sie enttäuscht sind.Ich verstehe, dass Sie sich das anders gewünscht hätten.Aber es wäre einfach ein wichtiges Signal, wenn wirdiese wichtige Angelegenheit aus dem politischenGerangel herausholen und uns ganz auf die Lösung derSache konzentrieren könnten. Deshalb möchte ich Siezugunsten der Menschen in der Region Wolfenbüttelsehr bitten – natürlich auch alle anderen Kolleginnenund Kollegen –: Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß undstimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu!Vielen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowiebei Abgeordneten der SPD und des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Nun hat der Kollege Dr. Matthias Miersch für dieSPD-Fraktion das Wort.(Beifall bei der SPD)Dr. Matthias Miersch (SPD):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Machen wir uns nichts vor: Das, was wir hier heute verabschieden,ist nur ein Auftakt und kann auch nur einAuftakt sein. Denn das Asse-Gesetz dokumentiert ganzdeutlich die Begrenztheit der Handlungsmöglichkeitendes Gesetzgebers. Wir können Gesetze noch so gut formulieren,letztlich wird die Rückholung aus der Asse nurgelingen und können wir das Vertrauen der Bevölkerungvor Ort nur gewinnen, wenn zwei elementare Aspekte inden nächsten Wochen, Monaten und Jahren gewährleistetwerden, nämlich erstens ein Hochmaß an Transparenzund zweitens glaubwürdiges Handeln.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derLINKEN)Ich bin sehr dankbar, dass die Staatsekretärin für unsalle noch einmal deutlich gemacht hat: Wir wollen dieRückholung, und wir wollen, dass jetzt alle, die mit diesemGesetz arbeiten müssen, alles tun, um diese Rückholungzu befördern.Gleichzeitig macht dieses Gesetz die Begrenztheitvon Wissenschaft, von Politik, von Verwaltung und vonGesellschaft deutlich. Vor 50 Jahren haben Menschengesagt: Dieses Bergwerk ist geeignet. Dort könnt ihr dieFässer für schwach- und mittelradioaktiven Abfalllagern. – 45 Jahre später stellen wir fest: mitnichten.Etwa 126 000 Fässer lagern in der Asse, und täglich gibtes einen Wasserzufluss von circa 12 000 Litern.Ich möchte an dieser Stelle ganz bewusst auch alsNiedersachse sagen: Wenn die Asse und die hier gemachtenErfahrungen einen Sinn haben, dann den, dasswir hier in diesem Haus lernen, mit einer der größtenHerausforderungen, nämlich der Frage der Endlagerungvon atomarem Müll, sehr sensibel umzugehen.Frau Staatssekretärin, der mir bekannte Entwurf einesGesetzes über ein Endlager von hochradioaktivem Müllsieht in § 1 vor, dass ein Standort gesucht werden soll,der bestmögliche Sicherheit über einen Zeitraum von1 Million Jahre gewährleistet. Wir haben mit der Assedie Erfahrung gemacht, dass Zusicherungen, dass wirden atomaren Müll dort lagern können und auf die wirvertraut haben, nicht einmal 50 Jahre gehalten haben.Ich glaube, dass wir sehr vorsichtig sein müssen, wennwir gemeinsam die Frage der Endlagerung von hochradioaktivemMüll angehen. Wir werden – nicht dass ichfalsch verstanden werde – unserer Verantwortung gerechtwerden müssen. Wir können nicht nachfolgendenGenerationen die Beantwortung dieser Frage überlassen,während nur wir den Nutzen hatten.Ich finde es richtig, dass die niedersächsische Landesregierungeinfordert – das tut sie zu Recht –, dass sehrsorgfältig geprüft wird und dass sie mitsprechen kann.Es gibt keine weiße Landkarte mehr in Deutschland. Wirhaben die Erfahrungen mit der Asse. Wir haben auch dieErfahrungen mit dem Prozess der Endlagersuche in Gorleben.Wir haben Erfahrungen mit Salzgestein. Wir habenErfahrungen mit Zusicherungen und fragen uns vordiesem Hintergrund: Was sind solche Zusicherungennach einigen Jahrzehnten noch wert? Welchen Wertmüssen wir diesen Zusicherungen beimessen, wenn esum die Lagerung über 1 000, 100 000 oder sogar 1 MillionJahre geht?Deswegen ist meine Bitte, dass wir, wenn wir dienächste Etappe auf uns nehmen, vor allen Dingen versuchen,diese Frage aus parteipolitischen Auseinandersetzungenherauszuhalten. Ich finde, da haben die heutigenBerichterstatterinnen ein gutes Beispiel geliefert. Wirsollten Sorgfalt walten lassen, wie wir sie, glaube ich,fast nicht menschlich ermessen können. Denn wir wissen:Was sind schon 100 Jahre bei dem, was wir vor unshaben, wenn wir für Generationen, für Millionen Jahreetwas finden wollen? Wir sollten uns vor allen Dingenauch Zeit nehmen, um ein Gesetz zu konzipieren, das einGroßmaß an Transparenz, aber auch an Lernfähigkeitbeinhaltet.Wir werden hier mit Sicherheit nicht die Lösung findenkönnen. Das ist eine enorme Aufgabe. Wir solltendiese Aufgabe mit ganzer Solidarität und möglichst ohneZeitdruck angehen. Ich glaube, alle in diesem Raum,auch die Landesregierung von Niedersachsen, die aufder Bundesratsbank vertreten ist, auch die Bundesregierung,sind dazu bereit. Das ist eine Frage, die sich demGesetzgeber noch nie gestellt hat. Ich glaube, wenn wirdas berücksichtigen, dann stellen die negativen Erfahrungen,die wir augenblicklich machen – so schlimm siesind –, zwar eine Mahnung an uns dar, sind aber für denweiteren Prozess eben auch hilfreich.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU, der FDP und der LINKEN)(C)(D)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Florian Bernschneider hat das Wort für die FDP-Fraktion.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)


28004 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Florian Bernschneider (FDP):Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen,dass uns die Schachtanlage Asse II nicht nur vortechnische, sondern, wie wir heute sehen, auch vor juristischeHerausforderungen stellt. Wir alle wissen auch,dass Zeit der wesentliche Faktor ist, damit die Rückholungtatsächlich gelingen kann. Deswegen wäre es nichtverantwortbar, durch verfahrenstechnische, durch bürokratischeStolpersteine wichtige Zeit zu verlieren. Deswegenist es auch so wichtig, dass wir mit diesem Gesetzheute eine Verfahrensbeschleunigung auf den Weg bringen,ohne dabei Zeitgewinn auf Kosten der Sicherheitvon Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Menschen inder Region zu generieren. Die Aufgabe, die hinter diesemGesetzentwurf steht, lässt sich also ganz schnell beschreiben.Trotzdem – auch wenn wir uns heute alle so einig sind –warne ich davor, zu meinen, dass das eine einfache Diskussionwar, die die Berichterstatterinnen da geführt haben.Deswegen möchte ich als regional betroffenerAbgeordneter an die Berichterstatterinnen und dieStaatssekretärin meinen ganz herzlichen Dank dafürrichten, wie konstruktiv, wie fundiert, wie engagiertdiese Diskussion geführt wurde. Ich will in diesen Dankausdrücklich auch die Bürgerinitiativen und die Begleitgruppeeinschließen, die dieses Gesetzgebungsverfahrenja nicht nur konstruktiv begleitet haben, sondernauch mit den Anstoß dafür gegeben haben, dass es überhaupterst zu diesem Gesetzentwurf kommen konnte.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender LINKEN)Man sollte dabei nicht unterschätzen, was wir mit diesemGesetz heute auf den Weg bringen. Es ist wesentlichmehr als nur eine Verfahrensbeschleunigung, die wirhier heute beschließen. Es ist das klare Signal: Ja, wirwollen die Rückholung. – Und es ist noch mehr das klareSignal: Wir als Deutscher Bundestag lassen die Menschenin der Region mit dem größten Umweltproblem inunserem Land nicht alleine. – Dieses deutliche Signal istmöglich, weil sich CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP mitdiesem gemeinsamen Gesetzentwurf auf wesentlichmehr als auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigthaben.Ich weiß, dass die Anhörung viele offene Fragen beseitigenkonnte – natürlich nicht alle –, dass es in der Regionvereinzelt allerdings immer noch Kritik gibt. Aberich glaube, wir haben heute die große Chance, der Regionmit einem geschlossenen Signal zu zeigen, dasssich der Deutsche Bundestag dieses Themas annimmt.Auch ich würde mich sehr freuen, wenn sich die Linkendoch noch einen Ruck geben würden. Denn wenn wirdieses Gesetz über alle Fraktionsgrenzen hinweg beschließenwürden, hätte das natürlich noch einen wesentlichhöheren Stellenwert. Man sollte sich nicht täuschen:Bei all der Kritik im Detail, die auch ich in der Regionimmer noch höre, sind doch alle Bürgerinnen und Bürgerdankbar, dass wir uns dieses Themas angenommen haben,Beschleunigungen auf den Weg gebracht haben undein klares politisches Signal für die Rückholung setzen.Meine Damen und Herren, ich möchte abschließendeine Forderung aufgreifen, die der Asse-II-Begleitgruppe,den Bürgerinitiativen, aber auch mir persönlichwichtig ist und die sozusagen der Grundgedanke hinterdiesem Gesetz ist: Wir brauchen für die Rückholung derAbfälle einen verbindlichen Zeitplan. Wir brauchen einklares und erkennbares Projektmanagement; hierzu mussdas Bundesamt für Strahlenschutz nach dem heute vorliegendenGesetzentwurf einen Plan vorlegen, der öffentlichund kontrollierbar ist.Wesentlich ist Folgendes: Wir brauchen ein transparentesVerfahren, wir brauchen ein schnelles Verfahren,mit dem man trotzdem keine zu hohen Risiken für dieMenschen in der Region eingeht, und wir brauchen eineverantwortungsvolle Politik. Ich finde, heute beweisenwir, dass der Deutsche Bundestag zu einer verantwortungsvollenPolitik in der Lage ist. Lassen Sie uns eineso verantwortungsvolle Politik nicht nur heute machen,sondern tatsächlich auch so lange, bis wir das letzte Fassaus der Asse herausgeholt haben!Vielen Dank.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von denFraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zurBeschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälleund der Stilllegung der Schachtanlage Asse II.Zur Abstimmung liegt eine Erklärung nach § 31 unsererGeschäftsordnung des Abgeordneten Paul vor. 1)(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Nicht wirklich, oder?)Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitempfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/12537, den Gesetzentwurfauf Drucksache 17/11822 in der Ausschussfassunganzunehmen.Hierzu liegen sechs Änderungsanträge der FraktionDie Linke vor, über die wir zuerst abstimmen.Ich lasse zunächst abstimmen über den Änderungsantragauf Drucksache 17/12552. Wer stimmt für diesenÄnderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Die einbringendeFraktion war dafür, Bündnis 90/Die Grünen habensich enthalten. Die übrigen Fraktionen waren dagegen.Änderungsantrag auf Drucksache 17/12553. Werstimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen?– Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt.Dafür hat die Fraktion Die Linke gestimmt, alleanderen dagegen.1) Anlage 16(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28005Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt(A)(B)Änderungsantrag auf Drucksache 17/12554. Werstimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen?– Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist wiederumabgelehnt bei Zustimmung durch die Fraktion DieLinke und gegen die Stimmen aller anderen Fraktionen.Änderungsantrag auf Drucksache 17/12555. Werstimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –Der Änderungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmungdurch die Fraktion Die Linke und Enthaltung von Bündnis90/Die Grünen. Die anderen Fraktionen waren dagegen.Änderungsantrag auf Drucksache 17/12556. Werstimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –Die Fraktion Die Linke hat dafür gestimmt, Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten, die übrigen Fraktionenwaren dagegen.Änderungsantrag auf Drucksache 17/12557. Werstimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen?– Enthaltungen? – Dieser Änderungsantrag ist abgelehntbei Zustimmung durch die Fraktion Die Linkeund Bündnis 90/Die Grünen, die SPD-Fraktion hat sichenthalten, CDU/CSU und FDP waren dagegen.Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf inder Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen.– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerGesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommenbei Zustimmung durch die CDU/CSU, FDP, Bündnis90/Die Grünen und SPD. Die Fraktion Die Linke hatdagegen gestimmt. Es gab keine Enthaltungen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmenmöchte, den und die bitte ich aufzustehen. –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurfin dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältniswie vorher angenommen.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlungzu dem von der Bundesregierung eingebrachtenGesetzentwurf zur Beschleunigung der Rückholungradioaktiver Abfälle und der Stilllegung derSchachtanlage Asse II. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit empfiehlt unter Buchstabe bseiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12537,den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache17/12298 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für dieseBeschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen?– Diese Beschlussempfehlung ist einstimmigangenommen.Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 7 auf:Erste Beratung des von den Abgeordneten RajuSharma, Jan Korte, Petra Pau, weiteren Abgeordnetenund der Fraktion DIE LINKE eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes über die Grundsätzezur Ablösung der Staatsleistungen anReligionsgesellschaften (Staatsleistungsablösegesetz– StAblG)– Drucksache 17/8791 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss (f)Rechtsausschuss (f)Federführung strittigHierzu ist verabredet, eine Dreiviertelstunde zu debattieren.– Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch.Das ist dann so beschlossen.Der Kollege Raju Sharma hat jetzt das Wort für dieFraktion Die Linke.(Beifall bei der LINKEN)Raju Sharma (DIE LINKE):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieLinke hat einen Gesetzentwurf zur Ablösung der Staatsleistungenan die Kirchen vorgelegt.(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Warumeigentlich?)Worum geht es dabei? – Zunächst sollte ich vielleicht erklären,worum es nicht geht. Wir reden heute nicht überKirchensteuern oder staatliche Zuschüsse für kirchlicheKindergärten, Pflegeheime oder Seelsorger in Justizvollzugsanstalten.All das wird gesondert geregelt, woandersabgerechnet, und all das wird auch gesondert vergütet.Wir reden heute über Entschädigungen, Entschädigungenfür Enteignungen, die 200 Jahre zurückliegenund durch die man versucht hat, nach dem sogenanntenReichsdeputationshauptschluss von 1803 Rechtsfriedenzu schaffen. Seitdem zahlen die Länder Jahr für Jahrpauschalierte Summen für Personalkosten und Baulastenan die Kirchen.Schon während der Verhandlungen über die WeimarerReichsverfassung gab es in der Gesellschaft einen großenKonsens darüber, dass mit diesen Zahlungen Schlussgemacht werden sollte.(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)Der liberale Friedrich Naumann – der FriedrichNaumann – forderte schon im Jahr 1919, dass der StaatInventur macht und diese Staatsleistungen ablöst.(Zuruf von der LINKEN: Damals schongesagt!)Darüber gab es, wie gesagt, einen großen Konsens.In der Konsequenz wurde in der Weimarer Verfassungein doppelter Verfassungsauftrag(Zuruf von der LINKEN: Genau!)mit zwei Adressaten festgeschrieben: Erstens sollten dieLänder durch Landesgesetzgebung die Staatsleistungenablösen. Zweitens wurde das Reich bzw. später der Bundverpflichtet, ein Grundsätzegesetz zu erlassen, damitdiese Ablösung nach einheitlichen Regeln stattfindenkann. Dieser Verfassungsauftrag wurde später unverändertin das Grundgesetz übernommen. Also nochmals:doppelter Verfassungsauftrag mit zwei Adressaten, dasheißt, die Länder sind verpflichtet, Gesetze zu erlassen;sie können ihrer Verpflichtung aber erst dann nachkommen,wenn zuvor der Bund seine Verpflichtung erfüllthat, indem er besagtes Grundsätzegesetz erlässt.(C)(D)


28006 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Raju Sharma(A)(B)Dieser Verfassungsauftrag ist jetzt über 90 Jahre alt.Nun kann man fragen: Wo ist denn dieses Gesetz desBundes? – Sie können lange forsten in den Gesetzesarchivendes Bundes, Sie werden feststellen: Da gibt eskein Gesetz. Es gibt auch keine Initiative der Bundesregierung,so ein Gesetz auf den Weg zu bringen.(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Gar nichts? –Zuruf von der LINKEN: 90 Jahre nicht!)– Da ist nichts zu finden, Herr Kollege Wiefelspütz. –Ich habe deshalb bei der Bundesregierung angefragt,was sie zu tun gedenkt, um diesen Zustand zu beenden.Die schriftliche Antwort der Bundesregierung war einerseitserfrischend offen, andererseits aber auch bemerkenswertdreist; denn die Aussage der Bundesregierungwar: Erstens. Ja, es gibt diesen Verfassungsauftrag.Zweitens. Ja, wir wissen, er ist noch nicht erfüllt. Drittens.Wir gedenken nicht, irgendetwas zu tun; es gibtkeinen Handlungsbedarf.Wir als Linke sagen: So geht man mit unseremGrundgesetz nicht um!(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. RolfSchwanitz [SPD] – Dr. Dieter Wiefelspütz[SPD]: Rechtsstaatspartei Die Linke! GrundgesetzparteiDie Linke! Respekt!)Dieser Verfassungsauftrag ist eindeutig, unmissverständlichund verbindlich. Es ist aber nichts passiert.Das Problem ist jetzt: Die Länder können nicht handeln;ihnen sind, weil der Bund untätig ist, die Hände gebunden.So zahlen sie Jahr für Jahr Staatsleistungen inMillionenhöhe,(Zuruf von der LINKEN: 460 Millionen!)jedes Jahr – alle Länder zusammen – ungefähr 500 MillionenEuro,(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]:460 Millionen!)eine halbe Milliarde Euro, und können nichts tun. Dasallein ist Grund, aktiv zu werden.(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. RolfSchwanitz [SPD])Die Länder müssen zahlen, obwohl sie – das wissen wiralle – im Grunde gar kein Geld haben.Ich will das an einem konkreten Beispiel festmachen,wie viel Länder zahlen, die kein Geld haben: Schleswig-Holstein – selbst ein verschuldetes Land – zahlt jedesJahr 12 Millionen Euro an Staatsleistungen. Genau dieseSumme fehlt dem Verkehrsminister des Landes für dieganz irdische Beseitigung von Schlaglöchern in denStraßen Schleswig-Holsteins; so wirkt sich das aus.(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sind Sie eingenialer Haushaltspolitiker!)– Ich komme gleich zu den Haushalten der Länder, fürdie auch Sie sich einsetzen sollten.(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)Wenn die Länder jetzt mit Kirchen verhandeln wollen,um diese Staatsleistungen zu reduzieren – dazu werdensie von den Landesrechnungshöfen aufgefordert –,dann müssen sie gegenüber den Kirchen als Bittstellerauftreten; denn die Kirchen können völlig zu Recht sagen:Solange der Bund kein Grundsätzegesetz erlassenhat, haben wir einen Anspruch auf diese Staatsleistungen.Wir Linke haben jetzt einen Vorschlag eingebracht,wie man das regeln kann,(Beifall bei der LINKEN)nicht nur, weil wir die Partei sind, die sich für die Verfassungeinsetzt, sondern auch – –Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Entschuldigung, Herr Sharma! Herr Schwanitz würdeIhnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Möchten Siedas zulassen?(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ist das abgesprochen?– Nein! – Gisela Piltz [FDP]: Mussdas sein?)Raju Sharma (DIE LINKE):Bitte.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Bitte schön.Rolf Schwanitz (SPD):Herr Kollege Sharma, Sie haben aus meiner Sicht einensehr guten und längst überfälligen Gesetzentwurfvorgelegt.(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)Das betrifft auch die – ich sage einmal – Übergangsregelungenin dem Gesetzentwurf; hier ist ja unter anderemein degressives Vorgehen vorgesehen. Ich habe eineFrage an Sie: Sie sprechen in Ihrem Gesetzentwurf indiesem Zusammenhang von „Entschädigungszahlung“.Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, dass es angesichtsder Tatsache, dass dieser Ablösungsbefehl seitüber 90 Jahren nicht eingelöst worden ist, der Begriff derEntschädigung unangemessen ist und noch einmal überdachtwerden muss?(C)(D)Raju Sharma (DIE LINKE):Das ist ein interessanter Aspekt, Herr KollegeSchwanitz. Man kann diese Rechtsauffassung vertreten.(Zuruf von der FDP: Nein!)Diese Rechtsauffassung wird auch in der Literatur vertreten.Viele Menschen sagen: Durch die jahrhundertelangenZahlungen – darum handelt es sich ja – sind dieseStaatsleistungen längst abgegolten. – Wir haben unsdiese Rechtsauffassung in unserem Gesetzentwurf ganzbewusst nicht zu eigen gemacht,(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie warengroßzügig! Sie verschenken Geld!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28007Raju Sharma(A)obwohl man sie natürlich vertreten kann, weil wir dieDiskussion nicht gleich an dieser Stelle beendet sehenwollten. Wir wollen eine Diskussion und wollen dieseauch fortsetzen.(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)Unser Gesetzentwurf sieht vor, dass die Länder dasZehnfache eines Jahresbetrages als Ablösesumme zahlen.Sie können das auf einen Schlag tun oder über einenZeitraum von maximal 20 Jahren strecken.In 20 Jahren schreiben wir das Jahr 2033. Dann hättendie Länder 230 Jahre lang Staatsleistungen an die Kirchengezahlt. Der Verfassungsauftrag, der sagt, dasmüsse beendet werden, wäre dann auch schon 114 Jahrealt.Wir finden, das ist ein moderater Vorschlag. Wir sindaber ebenso der Meinung: Dann muss auch gut sein. Dasgeht nicht bis in alle Ewigkeit.(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. RolfSchwanitz [SPD])Ich weiß, dass einige von Ihnen jetzt möglicherweisewieder behaupten werden, dieser Vorschlag sei kirchenfeindlich.Ich sage Ihnen: Das ist alles Quatsch. DieserVorschlag ist sehr sinnvoll und überhaupt nicht kirchenfeindlich.Ganz im Gegenteil! Der scheidende PapstBenedikt XVI. hat in seiner Freiburger Rede 2011 daraufhingewiesen, dass eine Entweltlichung der Kirche undein Abschaffen der Privilegien kein Angriff auf die Kircheist, sondern dass das dazu beitragen kann, den christlichenGlauben zu stärken.(Manfred Grund [CDU/CSU]: Da hat erresigniert!)Nun will ich hier bestimmt niemanden katholisch machen,und ich teile auch bei weitem nicht alles, was derscheidende Papst gesagt hat; aber an dieser einen Stellehat er einfach einmal recht.(Beifall bei der LINKEN – Dr. DieterWiefelspütz [SPD]: Wo er recht hat, hat errecht!)Die Staatsleistungen an die Kirchen sind kein Gottesdienst.Sie sind ein Relikt aus dem vorvorletzten Jahrhundert,und es ist höchste Zeit, Inventur zu machen undaufgeräumt in die Zukunft zu gehen.Ich danke Ihnen.(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. RolfSchwanitz [SPD])Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich habe eigentlich immer geglaubt, ich kenneunser Grundgesetz ganz gut.(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Na ja!)Ich musste mich aber eines Besseren belehren lassen.Ich wusste, dass es einen Art. 138 der WeimarerReichsverfassung gibt, der auch fortgilt; aber mir richtigvergegenwärtigt, was darin steht, habe ich bislang nicht.(Gisela Piltz [FDP]: Was? Ich bin entsetzt!)Das musste ich in den letzten Tagen tun. – Es ist entsetzlich,Frau Kollegin; das ist richtig. Ich schäme mich auchein wenig.(Gisela Piltz [FDP]: Das ist nicht nötig!)Ich stellte fest, dass wir seit 1919 einen Verfassungsauftraghaben, der nicht erfüllt wird. Ich habe dann kurzzeitigdarüber nachgedacht: Könnte es sein, dass dieKirchen, die hier Geld entgegennehmen, vielleicht dieVerantwortlichen sind, die man kritisieren und angehenmüsste? Wenn man sich aber mit dem Art. 138 der WeimarerReichsverfassung auseinandersetzt, dann stelltman fest, dass sich der Normbefehl nicht an die Kirchen,sondern an uns richtet –(Rüdiger Veit [SPD]: So ist das!)an Sie alle, an mich und an diejenigen, die hier nicht sitzen,aber im Geiste anwesend sind.Das heißt, das Verfassungsorgan Deutscher Bundestag,unser Gesetzgeber, erfüllt einen Verfassungsauftragseit sehr vielen Jahrzehnten nicht: seit 1949 der DeutscheBundestag nicht, aber auch – ich rede jetzt nichtüber die Nazizeit – das Weimarer Parlament, das Parlamenthier in diesem Hause während der Weimarer Republik,nicht. Hier muss ich Ihnen freimütig sagen: Als ichmir darüber klar geworden bin, habe ich mich gefragt:Was erzählst du denn jetzt, wenn du dich mit dem Antragder Linksfraktion auseinandersetzt?Ich will zunächst einmal deutlich zum Ausdruck bringen:Ich respektiere diesen Antrag, weil ich finde, aufdieses Versäumnis, auf diese, wenn man so will, Missachtungeines Verfassungsauftrages durch uns Parlamentarierkann man nicht wirklich stolz sein.Nun hat das alles seine Gründe. Es geht um 460 MillionenEuro. Sie werden in erster Linie von den Ländernund nicht vom Bund gezahlt. Das ist nicht wenig Geld.Andererseits ist das aber auch ein eher kleinerer Betragim Verhältnis zu den Einnahmen und Ausgaben der Kirchenin jedem Jahr. Trotzdem sind 460 Millionen Eurokeine kleine Summe.Dies hat seinen Hintergrund – Sie haben das zutreffenddargestellt – in Säkularisierungsmaßnahmen Anfangdes 19. Jahrhunderts, vor über 200 Jahren. Auchdas war für mich neu, und es war für mich erstaunlich,das zur Kenntnis zu nehmen.Wenn man diesen Zustand beklagt, dass wir als Gesetzgebereinen Verfassungsauftrag nicht erfüllen, dann(C)(B)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Die Kollegin Beatrix Philipp hat ihre Rede zu <strong>Protokoll</strong>gegeben. 1)Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. DieterWiefelspütz für die SPD-Fraktion.(Beifall bei der SPD)1) Anlage 18(D)


28008 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Dieter Wiefelspütz(A)(B)wird man realistischerweise aber auch anerkennen müssen:Wenn das 90 Jahre lang, 93 Jahre lang nicht erfülltwurde, wird das nicht von heute auf morgen zu regelnsein.Ich bin also sehr dafür, dass man den Hinweis ernstnimmt und dass wir in Deutschland einen Diskussionsprozessorganisieren – nicht nur hier im Parlament, sondernauch mit den Kirchen –, um darüber zu reden, wiedas geht. Sie haben eine Summe genannt. Ich höre auskirchlichen Kreisen, dass das zu wenig ist. Das meineich jetzt auch gar nicht böse. Darüber wird zu reden sein.Wie soll man das, was da vor 210 Jahren enteignet wordenist, beziffern, um die Höhe einer Entschädigung oderErstattung – wie immer man das, Rolf Schwanitz, dannbezeichnen will – zu ermitteln?Ich höre, dass es auch bei den Kirchen Gesprächsbereitschaftgibt. Wenn das so ist, liebe Kolleginnen undKollegen, dann sollten wir einerseits ehrlich einräumen,dass es keine gute Sache ist, dass wir über 90 Jahre langeinen Verfassungsauftrag nicht erfüllt haben, aber andererseitsauch anerkennen, dass das nicht – bei allem Respektvor Ihrem Antrag – von heute auf morgen zu ändernsein wird. Über Summen wird man reden müssen.Ich rate dazu, dass wir einen fairen Diskussions- undGesprächsprozess mit den Kirchen und auch in diesemHause organisieren, um einmal zu schauen, ob wir imLaufe der kommenden Zeit – ich glaube realistischerweiseeher, dass das nicht innerhalb von wenigen Monatenzu regeln sein wird – Ergebnisse erzielen können.Ein Ergebnis könnte übrigens auch sein – das will ichjetzt einmal in Klammern ansprechen –, dass wir das allesvöllig in Ordnung finden, wie es ist. Dann allerdingsmüsste man das Grundgesetz ändern. Nicht ertragenkann ich – da bin ich zu sehr deformiert als Jurist, alsVerfassungsrechtler –, dass man kommentarlos einenGrundgesetzartikel ignoriert, dass also wir als Gesetzgeber,der von jedem Bürger erwartet, dass er die Gesetzeernst nimmt, unsere Verfassung nicht ernst nehmen. Daskann keine Alternative sein,(Beifall bei der SPD und der LINKEN)sondern dann muss man gegebenenfalls den Art. 140 desGrundgesetzes verändern. Wenn man beispielsweise denjetzigen Zustand mit den Staatsleistungen für in Ordnunghält, dann muss man das so regeln.Ich wäre sehr für einen kollegialen, fairen Diskussionsprozess.Ich selber bin, anders als mein Vorredner,Mitglied der evangelischen Kirche, ein gläubigerMensch. Sie glauben auch an irgendetwas, aber an etwasanderes als ich. Ich bin also der Auffassung, dass mandiesen Prozess einleiten sollte, um dann zu klären, wie esgehen könnte. Der jetzige Zustand kann im Grunde niemanden,der es mit unserem Grundgesetz ernst meint,wirklich zufriedenstellen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Das Wort für die FDP-Fraktion hat der KollegeDr. Stefan Ruppert.(Beifall bei Abgeordneten der FDP)Dr. Stefan Ruppert (FDP):Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Es entbehrt ja nicht einer gewissen Ironie, dassSie hier heute genau zu dem Zeitpunkt, zu dem viele unsererKollegen in einem Gottesdienst des Rücktritts vonPapst Benedikt XVI. nicht nur gedenken, sondern ihnsozusagen würdig begehen und ihm auch für seine TätigkeitDanke sagen, diesen Gesetzentwurf vorlegen. Fairerweisemuss man die Kolleginnen und Kollegen vonden Grünen und von der Union entschuldigen. Wenn siehier ihre Reden zu <strong>Protokoll</strong> geben, dann liegt das nichtan Desinteresse, sondern an dem zeitgleich stattfindendenGottesdienst.Art. 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung, derüber Art. 140 unseres Grundgesetzes Bestandteil unsererVerfassung geworden ist, ist schon, wie man feststellt,wenn man in die historischen Materialien schaut, einKompromiss. Schon damals haben USPD und SPD untereinandervehement darum gerungen, wie man es damithalten soll, und auch bei den Liberalen war zwischender DDP und der DVP Uneinigkeit über die Frage, wieman mit den Staatsleistungen an Religionsgesellschaftenumzugehen habe.Anders als es von Herrn Sharma dargestellt wird undauch ein wenig anders als es Herr Wiefelspütz gesagthat, hat man sich damals bewusst auf den nicht einklagbaren,eher deklaratorischen und eine Absicht bekundendenKompromiss geeinigt, dass man eines – fernen – Tagesdie Staatsleistungen ablösen werde. Schaut man sichgenauer an, wie diese Staatsleistungen zusammengesetztsind, dann kommt man als Verfassungsrechtler in der Tatetwas ins Grübeln und stellt fest, dass das keiner erkennbarenSystematik folgt. Es gibt sogar Landeskirchenoder Bistümer, die gar keine Staatsleistungen erhalten.Die Leistungen sind regional ungleich verteilt. Aber soist das nun einmal, wenn eine Leistung historisch gewachsenist und unterschiedliche Funktionen erfüllt.Wenn man mit den Kirchen im Dialog darüber ist, stelltman fest: Es gibt Landeskirchen, bei denen die Staatsleistungengar keine Rolle spielen, und es gibt Landeskirchen,bei denen sie eine erhebliche Rolle spielen,etwa im Osten, weil Christen dort durch das Wirken IhrerVorgängerpartei, meine sehr geehrten Damen undHerren von der Linken, einen sehr schweren Stand hattenund ganze Landstriche sozusagen entchristianisiertworden sind. Gerade diese Christen sozusagen in derDiaspora sind sehr wohl auf die historisch gewachsenenLeistungen angewiesen, nachdem sie dort über 40 Jahretätig waren.(Beifall bei der FDP)(C)(D)Schönen Dank fürs Zuhören.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN)Schauen wir uns einmal an, wie diese Staatsleistungenzusammengesetzt sind, Herr Wiefelspütz. Es handeltsich nicht nur – auch hier ist der Antrag der Linkenhandwerklich leider nicht sauber verfasst – um Leistun-


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28009Dr. Stefan Ruppert(A)(B)gen aus dem Reichsdeputationshauptschluss. Vielmehrsind während des ganzen 19. Jahrhunderts, ja sogar nochim 20. Jahrhundert Leistungen hinzugekommen, zumTeil sozusagen auf historischem Grund basierend, zumTeil aber auch aus Staatskirchenverträgen oder Konkordatenstammend. Es handelt sich um ein wirres bzw. unübersichtlichesGemisch aus Ansprüchen.Vor diesem Hintergrund muss ich Ihren Antrag einwenig geraderücken. Es handelt sich eben nicht um eineRechtsposition, die einseitig aufkündbar wäre. Wir könnennicht einfach deklaratorisch sagen: Wir lösen dieStaatsleistungen jetzt zu einem gewissen Satz ab. – Vielmehrgeht es darum, mit den Kirchen konsensuale Gesprächezu führen und darüber nachzudenken, wie manin nicht allzu ferner Zukunft einen Kompromiss findenkann. Übrigens sagen sowohl der Finanzchef der EKDals auch einzelne Stimmen aus der katholischen Kirche,dass sie durchaus dialogbereit sind. Diesen Dialog solltenwir aufnehmen und führen. Wir sollten nicht einseitigund bewusst einen nach herrschender Meinungrechtswidrigen oder enteignend wirkenden sehr niedrigenSatz gesetzlich festlegen. Wer wirklich Erfolg in dieserSache haben will, darf gerade nicht so vorgehen, wieSie es tun.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU – Raju Sharma [DIE LINKE]:Werden Sie etwas tun, Herr Ruppert?)– Ja, wir haben schon etwas getan. Es war eine christlich-liberaleLandesregierung in Hessen, die die kommunalenBaulasten abgelöst hat. Dort sind wir genau sovorgegangen, wie wir das eben besprochen haben. Esgibt Staatsleistungen von Länderseite, aber auch kommunaleStaatsleistungen. Häufig handelt es sich dabeium Baulasten. So wurde früher beispielsweise festgelegt:Dem Pfarrer der Stadt sind zwei Schweine und einFass Bier zu liefern, und die Kirchenglocke ist vonseitender Kommune instand zu halten. – Diese sehr unübersichtlicheRechtslage zersplitterte – auch in Hessen –,und keiner wusste mehr ganz genau, was eigentlich Gegenstandder kommunalen Staatsleistungen an die Kirchenist. Jene christlich-liberale Koalition in Hessen hateine Erhebung durchführen lassen, hat das alles zusammengefasstund hat eine Abfindung bzw. eine Verrentungder Ansprüche gefunden. Das ist zur beiderseitigenZufriedenheit geschehen; denn die Kirchen konnten soihre zunehmend in Vergessenheit geratenen Rechtspositioneneinmalig geltend machen und wurden auch monetärentschädigt. Gleichzeitig wurde das komplizierteRechtsverhältnis, das auf lokaler Ebene bestand, in eingeordneteres Verfahren überführt.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Ruppert, der Kollege Sharma würde Ihnen gerneeine Zwischenfrage stellen.Dr. Stefan Ruppert (FDP):Gerne.Raju Sharma (DIE LINKE):Herr Kollege Ruppert, vielen Dank, dass Sie meineZwischenfrage zulassen. – Mir ist schon bekannt, dasseinige Länder mittlerweile die Staatsleistungen abgelöstund Vereinbarungen mit den Kirchen getroffen haben.Ich bitte Sie nur, erstens zur Kenntnis zu nehmen, dassdas nicht nach einheitlichen Maßstäben passieren kann.Zweitens. Wenn der eine Verhandlungspartner mit derForderung des anderen Verhandlungspartners konfrontiertwird und dem entgegenhalten kann: „Das, was duwillst, kannst du dir wünschen, aber du hast gar keinenAnspruch darauf, und ich muss mit dir gar nicht verhandeln“,würden Sie mir dann zustimmen – vielleicht sehenSie das anders –, dass die Verhandlungsposition deseinen eindeutig besser ist als die des anderen und dassVerhandlungen auf Augenhöhe gar nicht möglich sind,weil der eine sofort sagen kann: „Ich muss nicht verhandeln“?Auch solche praktischen Erfahrungen gibt es. So habenSie es möglicherweise auch in Hessen verhandelt.Ich habe in Schleswig-Holstein andere Erfahrungen gemacht,ohne dass man der Kirche einen Vorwurf machenkann. Wie jeder Verhandlungspartner versucht natürlichauch die Kirche, ihre eigene Verhandlungsposition undnicht die des anderen möglichst zu stärken.Dr. Stefan Ruppert (FDP):Herr Kollege Sharma, es trennt uns in der Tat dasPolitikverständnis. Ich halte es eher mit dem KollegenWiefelspütz. Wenn man in der Sache etwas erreichenwill, dann führt man ein Gespräch und bringt nicht einseitigdeklaratorisch einen Gesetzentwurf ein, der zudemaus meiner Sicht enteignungsgleiche Bedingungen enthält.Ich weiß, dass Sie mit dem ersten Versuch einer gesetzlichenRegelung vor zwei oder drei Jahren auch beiIhrer eigenen Fraktionsführung auf erheblichen Widerstandgestoßen sind(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: WasSie so alles wissen!)und man diesen den Kirchen gegenüber sehr unfreundlichenAkt wieder zurückgezogen hat. In größerer Wahlkampfnäheversuchen Sie es jetzt erneut, aber nicht zuBedingungen, die der geltenden Rechtslage entsprechen.Wenn man etwas erreichen will – insofern trennt uns unserPolitikverständnis –, geht man dabei anders vor alseinseitig, so wie Sie es hier tun.(Beifall bei der FDP)Ich könnte weitere Beispiele aufzählen. Im BistumPaderborn beispielsweise ist erreicht worden, dass dieStaatsleistungen abgelöst worden sind. Wir Liberale sindkeineswegs der Auffassung, dass der Umstand, dass einkatholischer Bischof in Bayern vom Staat bezahlt wird,der Weisheit letzter Schluss ist. Auch Benedikt XVI.– das haben Sie richtig gesagt – hat in der Entweltlichungsdebattedurchaus Hinweise dazu gegeben.(C)(D)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Bitte schön.An dieser Stelle ist Ihr Antrag aber nicht handwerklichsauber ausgearbeitet. Gerade diese Ansprüche beru-


28010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Stefan Ruppert(A)hen nicht auf dem Reichsdeputationshauptschluss, sondernergeben sich aus anderen Rechtsquellen.Der bayerische Landesbischof der evangelischen Kirchedenkt gerade über eine Ablösung nach. Auch auf katholischerSeite gibt es Stimmen, die sagen: Wir solltenin einen Dialog eintreten und überlegen, wie das in Zukunftgehandhabt wird.Aufgrund der zersplitterten Rechtslandschaft ist eseine sehr mühselige Arbeit, die hier zu leisten ist. Wennwir aber das Gespräch konsensual gestalten und denRechtsanspruch der Kirche achten, dann könnte mandurchaus etwas erreichen. Auch bei den Kirchen wirddarüber nachgedacht, dass die Preise für solche Ablösungenin einer – aus meiner christlichen Sicht leider –sich abwendenden Gesellschaft wahrscheinlich nichtbesser werden.Daher sollten wir das gemeinsam und eher konsensualangehen, aber nicht mit einem kulturkämpferischenHabitus.(Widerspruch bei der LINKEN)Dann erreichen Sie auch etwas, so wie in Hessen und inPaderborn. Unterschiedliche Couleurs haben schon bessereVorarbeit geleistet, als Sie es mit Ihrem Gesetzentwurfmachen. Deshalb werden wir diesem leider nichtzustimmen können.Vielen Dank.(Beifall bei der FDP sowie der Abg. KatharinaLandgraf [CDU/CSU])tige zivilgesellschaftliche Arbeit der Kirchen unterstützenkönnen.Auch das muss einmal gesagt werden: 70 Prozent derMenschen in Deutschland sind Mitglied einer Kircheoder einer Religionsgemeinschaft; etwa ein Drittel istevangelisch, ein Drittel ist katholisch. Das ist also keinAnliegen einer kleinen Gruppe.Ich bin dafür, dass wir im Gespräch mit den Bundesländern– meine Vorredner haben bereits gesagt, dass eshauptsächlich auf die Länder ankommt – und mit denKirchen darüber reden, wie und ob man diese Staatsleistungenablösen kann. Dazu vier Punkte.Erstens. Die Ausgangslage ist bereits geschildert worden.Den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 kennennach dieser Debatte alle hier Anwesenden. Das habenwir den Nichtanwesenden voraus. Das muss mannoch einmal genau nachlesen. Mit dem Reichsdeputationshauptschlusssind die Kirchen für die Enteignungund Säkularisierung kirchlicher Güter entschädigt worden.Sie sind für eine Quelle entschädigt worden, die ihnenregelmäßig die Finanzierung ihrer Arbeit sicherte.Deshalb ging es damals nicht um eine einmalige Zahlung,sondern um einen Ersatz für die wirtschaftlicheGrundlage, die es den Kirchen ermöglichte, Strukturenund Personal zu finanzieren.Die Weimarer Reichsverfassung, deren Artikel wirins Grundgesetz übernommen haben – das haben berufeneJuristen hier geschildert –, hat als einen wichtigenSchritt zur Trennung von Staat und Kirche diese Leistungengenau so gesetzlich verankert, wie wir es jetzt vorfinden.Eines ist mir wichtig: Es handelt sich nicht umeine Privilegierung oder Bevorzugung der Kirchen, sondernum geltendes Recht und um geltende Verträge. Interessantist ja auch, dass die Religionsgemeinschaftenerweitert werden können. Es gibt inzwischen auchStaatsleistungen für die jüdischen Landesgemeinden undfür den Zentralrat der Juden in Deutschland. Die LänderHamburg und Bremen haben als Erste Staatsverträge mitislamischen Gemeinschaften unterzeichnet. Auch daverändert sich also etwas.Zweitens. Unser Staat ist ein säkularer, aber er ist keinlaizistischer. Wir haben selbstverständlich Religionsfreiheit,ein hohes, wichtiges Gut der Menschenrechte. DieVerfassungsrechtler nennen die Neutralität unseres Staateseine „fördernde Neutralität“, eine positive Religionsfreiheit,die es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht,ihre Religion zu leben – oder auch nicht, wenn sie esnicht möchten. Daher ist der – etwas durchklingende –Rückkehrschluss Ihres Gesetzentwurfes, wir hätten erstdann eine Trennung von Staat und Kirche, wenn Ihr Gesetzentwurfbeschlossen worden ist, meines Erachtenssicherlich falsch.(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)Drittens. Ich will betonen, dass es viele Äußerungenaus dem kirchlichen Raum gibt. Kollege Ruppert hat denbayerischen evangelischen Landesbischof zitiert. DieEKD, die Evangelische Kirche in Deutschland, hat bereits2011 erklärt, dass sie bereit ist, mit den Bundeslän-(C)(B)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Der Kollege Josef Winkler und die Kollegin MariaFlachsbarth haben ihre Reden zu <strong>Protokoll</strong> gegeben. 1)Ich gebe jetzt der Kollegin Kerstin Griese für dieSPD-Fraktion das Wort.(Beifall bei der SPD)Kerstin Griese (SPD):Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Fraktion Die Linke hat einen Gesetzentwurfzu einem Thema vorgelegt, über das es sich zu diskutierenlohnt; das haben, glaube ich, alle schon gewürdigt.Allerdings muss man sagen, dass die Ablösung vonStaatsleistungen an die Kirchen bisher nur in sehr wenigenFällen – die kommunalen Fälle in Hessen hat derKollege Ruppert geschildert – stattgefunden hat. Das hatauch seine Gründe. Man muss also sehr genau hinschauen,um feststellen zu können, warum das wo undwie funktioniert hat.Den Weg, den Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorschlagen,halte ich so für nicht gangbar. Ich bin aber sehr dafür,dass wir diese Fragen diskutieren; denn dahintersteckt auch die Frage, wie wir unter Beibehaltung derTrennung von Staat und Kirche, die wir in Deutschlandjetzt schon haben – und das ist auch gut so –, die wich-1) Anlage 18(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28011Kerstin Griese(A)dern über die Ablösung der Staatsleistungen zu verhandeln.Der bayerische evangelische Landesbischof hatsein Befremden darüber geäußert, dass sein eigenes Gehaltaus dem Haushalt des Freistaats Bayern bezahltwird. Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes hatdiese Staatsleistungen sogar als „nicht mehr zeitgemäß“bezeichnet.Ich will zum Abschluss festhalten, dass wir bei aller– oft notwendigen – Kritik an den Kirchen, über die sicherlichanderenorts zu diskutieren ist, die Arbeit derKirchen und Religionsgemeinschaften in unserem Land,ihr soziales Engagement, ihr Engagement für Flüchtlingeund Asyl, ihre internationale Verantwortung, zumBeispiel in der Entwicklungshilfe, sehr wertschätzen.(C)Ich will ausdrücklich festhalten: Die Kirchen verschließensich dem Thema nicht. Ich will dazu den VerfassungsrechtlerProfessor Hans Michael Heinig zitieren,der gesagt hat:Vielen Dank.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU und der FDP)(B)Aber da die Kirchen ein partnerschaftliches Verhältniszum Staat pflegen und das Grundgesetz mitseinen religionsfreiheitlichen Komponenten wertschätzen,müssen sie auch das Ablösegebot ernstnehmen.Diesem Appell kann ich mich nur anschließen.Viertens – das ist mein letzter Punkt –: Es kommteben auf die Bedingungen der Ablösung an. Sie schreibenselber in Ihrer Gesetzesbegründung: Alle seriösenVorschläge beziehen sich auf die 18- bis 25-facheSumme der jährlichen Zahlung als Ablösesumme. Insofernist der in Ihrem Gesetzentwurf gemachte Vorschlag,einmalig die 10-fache Summe zu zahlen, glaube ich,auch ein bisschen provokativ gemeint. Damit machenSie es sich etwas zu einfach. Aber selbst da, wo es in denBundesländern Debatten gab – ich habe das zum Beispielin den Plenarprotokollen des thüringischen Landtagesnachgelesen –, haben sich die Bundesländerentschlossen, es lieber bei der jährlichen Zahlung zu belassen,als diese einmalige Summe aufzubringen.Die Zahlungen umfassen bundesweit etwa 460 MillionenEuro; davon gehen knapp 240 Millionen Euro andie evangelischen Landeskirchen. Das macht im Durchschnitt2 Prozent ihres Etats für die kirchliche Arbeitaus. Man sollte jetzt also nicht so tun, als machten dieseZahlungen den größten Teil des Etats aus.Wichtig ist, dass die Situation in den Ländern sehr heterogenist. Deshalb kann man das Ganze nicht für allegleich lösen. Zur Erläuterung ein paar Zahlen: Baden-Württemberg zahlt jährlich 100 Millionen Euro an dieKirchen, Nordrhein-Westfalen etwa 21 Millionen Euro,die gleiche Summe wie Thüringen. Das hat, glaube ich,mit Kirchengeschichte und -bauten zu tun. Das zeigtnoch einmal, dass eine pauschale Ablöseregelung, wieSie sie vorschlagen, nicht funktionieren kann.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Der Kollege Norbert Geis hat seine Rede zu <strong>Protokoll</strong>gegeben. 1)Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 17/8791 an die in der Tagesordnung aufgeführtenAusschüsse vorgeschlagen. Die Federführung istjedoch strittig. CDU/CSU und FDP wünschen Federführungbeim Innenausschuss, die Fraktion Die Linke beimRechtsausschuss.Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag derFraktion Die Linke, Überweisung an den Rechtsausschuss,abstimmen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? –Enthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlagabgelehnt. Die Fraktion Die Linke hat für den Vorschlaggestimmt, alle anderen dagegen. Enthaltungen gab eskeine.Jetzt lasse ich über den Überweisungsvorschlag derFraktionen der CDU/CSU und FDP, Überweisung anden Innenausschuss, abstimmen. Wer stimmt dafür? –Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Damitist dieser Überweisungsvorschlag angenommen bei Gegenstimmender Fraktion Die Linke; alle anderen warendafür.Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 10 auf:– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionender CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtliniesowie zur Änderung steuerlicherVorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz– AmtshilfeRLUmsG)– Drucksache 17/12375 –(D)Auf Landesebene gab es erste konkrete Schritte zurUmsetzung; wir haben Entsprechendes gerade von Hessengehört. Ich verweise auch auf die Regelung in Paderborn.Wichtig ist, dass dort, wo die Ablösung geregeltwurde, immer von einer partnerschaftlichen Verantwortunggesprochen worden ist. Damit komme ich zu einemPunkt, der für mich zu den Bedingungen für eine Ablösungdazugehört. Es wäre gut, wenn der Bund sowohlmit den Ländern als auch mit den Kirchen partnerschaftlichverhandeln würde. Ich plädiere dafür, dass wir einesachliche Diskussion dazu führen, mit allen Beteiligten,nicht ohne sie.1) Anlage 18Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses(7. Ausschuss)– Drucksache 17/12532 –Berichterstattung:Abgeordnete Olav GuttingLothar Binding (Heidelberg)Dr. Barbara HöllDr. Thomas Gambke


28012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt(A)(B)– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)gemäß § 96 der Geschäftsordnung– Drucksache 17/12533 –Berichterstattung:Abgeordnete Norbert BarthleCarsten Schneider (Erfurt)Otto FrickeDr. Gesine LötzschSven-Christian KindlerHierzu ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattieren.– Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch.Ich gebe das Wort dem Kollegen Olav Gutting für dieCDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Olav Gutting (CDU/CSU):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Mit dem vorliegenden Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz– schöner Name – werden wir diejenigen Maßnahmenaus dem gescheiterten Jahressteuergesetz 2013auf den Weg bringen, die jetzt zwingend einer Umsetzungbedürfen. Es geht dabei insbesondere um Angleichungenan EU-Recht, um Vertragsverletzungsverfahrenzu verhindern, die sonst vonseiten der EuropäischenKommission drohen. Zu nennen sind hier beispielsweisedie Umsetzung der EU-Rechnungsrichtlinie sowie dieAnpassungen beim ermäßigten Steuersatz für Kunstgegenstände.Daneben geht es uns auch um die Bekämpfungvon Steuermissbrauch. Hier will ich nur das Stichwort„Goldfinger-Modell“ nennen; wir werden es mitdieser Gesetzesvorlage beenden und damit dem Missbrauchdas Wasser abgraben.Elektrofahrzeuge sollen bei der Bemessungsgrundlagefür die 1-Prozent-Versteuerung, der sogenanntenDienstwagenregelung, von einer pauschalen Listenpreisminderungprofitieren. Wichtig sind für uns auch dienotwendigen Neuregelungen im Bereich der Vorschriftenzur Einführung des Verfahrens der elektronischenLohnsteuerabzugsmerkmale. – Dieses Gesetz strotzt geradezuvor langen Wörtern;(Manfred Zöllmer [SPD]: Nicht nur vor langenWörtern!)aber so ist unser Steuerrecht nun einmal. – Hier ist eineNeuregelung dringend erforderlich, weil diese Vorschriftab dem 1. Januar 2013 bereits aufgehoben wurde.Gleichzeitig gewähren wir den Arbeitgebern mehr Zeitzur Umstellung auf das ELStAM-Verfahren. Damit vermeidenwir technische und organisatorische Probleme,die bei einem gleichzeitigen Einstieg aller Arbeitgeberzu einem festen Termin entstehen können.Wir wollen, dass diese Maßnahmen noch in der laufendenLegislaturperiode in Kraft treten. Ich will hiernicht noch einmal die Historie des gescheiterten Jahressteuergesetzes2013 im Detail aufzeigen. Ich glaube imÜbrigen auch nicht, dass es die Bürgerinnen und Bürgerin diesem Land interessiert, wenn wir uns hier darüberstreiten, wer für das Scheitern des Jahressteuergesetzes2013 verantwortlich ist. Fakt ist aber: Wir haben das Jahressteuergesetz2013 hier in diesem Haus bereits im Oktoberletzten Jahres verabschiedet und beschlossen. Faktist: Dieses Jahressteuergesetz 2013 ist, ebenso wie dasGesetz zum Abbau der kalten Progression, wie das Gesetzzum Deutsch-Schweizer Steuerabkommen und wiedas Gesetz zur steuerlichen Absetzbarkeit der energetischenSanierung, im rot-grün dominierten Bundesrat gescheitert.Der vorliegende Gesetzentwurf – es ist ein abgespeckterGesetzentwurf – trägt nun den schwierigenMehrheitsverhältnissen im Bundesrat Rechnung. Ichweiß, Sie hätten gern Ihren großen Änderungsantrag.Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,ich bitte auch um Verständnis, wenn wir uns hiernicht am Nasenring durch die Manege ziehen lassen.(Zurufe von der SPD und der LINKEN: Nein!)Sie haben im Bundesrat ein klares Foul begangen; daswissen Sie. Sie können nicht von uns erwarten, dass wirmit Ihnen weiterspielen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Siewaren doch gar nicht dabei!)Wenn es Ihnen mit Sachpolitik ernst ist, dann stimmenSie heute hier zu. Aber das wollen Sie nicht. Nein,Sie wollen mit Ihrem Änderungsantrag die Konflikte,die wir im Bundesrat hatten und die im Vermittlungsausschussweitergingen, auch hier wieder austragen. Ichhabe schon im Ausschuss gesagt: Das Ganze erinnertmich an die Argalis im Tierreich. Ich weiß nicht, ob Siesie kennen. Das sind Wildschafe mit großen Hörnern,die regelmäßig aufeinanderprallen und mit den Hörnernzusammenstoßen –(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Der eine heißt FDP, der andereCDU/CSU!)bis irgendwann jemand aufgibt, weil er Kopfschmerzenhat. Aber so funktioniert es hier nicht.Sie kamen hier mit Ihrem Änderungsantrag um dieEcke,(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Nicht um dieEcke! Ganz klar von vorne!)obwohl Sie genau wussten, dass wir nach der letztenNummer im Bundesrat diesem Änderungsantrag so nichtzustimmen werden – prinzipiell nicht, weil wir uns hiernicht zum Affen machen,(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Das machtihr selber! Das müssen wir nicht!)aber auch aus inhaltlichen Gründen nicht; darauf will ichgleich eingehen.Ein Beispiel sind die sogenannten Cash-Gesellschaften.Natürlich wollen auch wir von den Koalitionsfraktionenmissbräuchliche Gestaltungen im Erbschaftsteuerrechtverhindern.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28013Olav Gutting(A)(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Sie sind sich doch gar nicht einig in diesemPunkt!)Wer in diesem Haus würde überhaupt dafür eintreten,missbräuchliche Gestaltungen im Steuerrecht nicht zubeseitigen? Jeder in diesem Haus möchte Missbrauch imSteuerrecht verhindern.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowiedes Abg. Dr. Daniel Volk [FDP])Im Übrigen ist dies auch im Interesse unserer Unternehmen,der deutschen Mittelständler und der Familienunternehmenin diesem Land, die sich in schwierigen Prozessender Unternehmensnachfolge befinden. Sie selbsthaben ein Interesse daran, dass sie nicht in irgendeinenMissbrauchstopf geworfen werden; auch sie haben einInteresse daran, dass wir hier die Sache regeln.Nur würde das, was Sie, meine Damen und Herrenvon der Opposition, in Ihrem Änderungsantrag vorschlagen,(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Wir haben das gemacht, wozu Sie zugestimmthaben!)dazu führen, dass jegliche Liquidität in den Betrieben alsschädlich erachtet und einen Missbrauchsverdacht erweckenwürde. Die 10-Prozent-Liquiditätsgrenze entsprichtnicht der Lebenswirklichkeit in mittelständischen Betrieben.Die 10-Prozent-Grenze, die Sie hier vorschlagen,kann sogar insolvenzrechtlich problematisch werden.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)Der von Ihnen übernommene Vorschlag des Bundesratesschießt deutlich über das Ziel hinaus.(Dr. Daniel Volk [FDP]: So ist es!)Wir müssen hier eine gangbare Alternativlösung entwickeln– darüber herrscht Konsens in der Koalition –, dieMissbrauch vermeidet, aber eben auch Arbeitsplätzeschützt. Wir werden zeitnah einen entsprechenden Vorschlagerarbeiten; wir werden hier handeln.Der vorliegende Entwurf unserer Koalition ist im Übrigennicht das letzte Gesetz dieser Koalition in dieserLegislaturperiode. Das, was wir hier vorlegen, ist nichtdas Ende der Fahnenstange beim großen Komplex desgescheiterten Jahressteuergesetzes 2013.(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Oh!)Im ursprünglichen Jahressteuergesetz der Koalition warzum Beispiel eine Umsatzsteuerbefreiung für Betreuungsleistungensowie für Leistungen von Bühnenregisseurenvorgesehen.(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Ja! Und?)An der Notwendigkeit dieser Maßnahmen halten wirselbstverständlich nach wie vor fest; aber wir werden sienicht mit diesem Gesetz umsetzen,(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Warumnicht?)weil wir hier ein schlankes Gesetz wünschen, das schnelldurch den Bundesrat geht.(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Ach! Da sindIhnen die Menschen egal?)Wir werden diese Maßnahmen in einem folgenden Verfahrenumsetzen.Das Gleiche gilt für den besonderen Gewerbesteuerzerlegungsmaßstabim Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen.Wir werden die Maßnahme, die wir in diesemHaus bereits debattiert und mit dem Jahressteuergesetz2013 beschlossen haben, nach Abschluss des vorliegendenGesetzgebungsverfahrens noch einmal intensivprüfen. Wir werden schauen, wie wir diese Maßnahmenmöglichst zügig umsetzen und verwirklichen können.Meine Damen und Herren von der Opposition, ichkann nur sagen: Wenn Sie wirklich etwas für die Menschenin diesem Land tun wollen, dann stimmen Sieheute zu, und lassen Sie dieses Gesetz möglichst schnellin Kraft treten. Sagen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegenim Bundesrat, dass sie das Gleiche tun sollen.Herzlichen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)(C)(B)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Lothar Bindingdas Wort.(Beifall bei der SPD)Lothar Binding (Heidelberg) (SPD):Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der ersten Lesunghabe ich das Jahressteuergesetz 2013 noch kritisiert. Ichhabe gesagt: Es enthält sehr viele kleinteilige Regelungen;gemessen an der Koalitionsvereinbarung fehlen diewichtigen Dinge: die Reform der Mehrwertsteuer, derUnternehmensteuer usw. Aber immerhin: Wenn man bereitwar, einmal auf die großen Lösungen zu verzichtenund sich auf die kleinteiligen einzulassen, konnte manerkennen, dass im Vermittlungsausschuss ein ganz gutesErgebnis erzielt wurde.(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowiedes Abg. Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])Fast alles war ausgehandelt; sagen wir einmal: 98 Prozent.In der Koalitionsvereinbarung von Schwarz-Gelb,von CDU, CSU und FDP, gab es einen Passus, der diesteuerrechtliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaftenbetrifft. Wer hätte darauf kommenkönnen, dass es ausgerechnet dann, wenn man etwas einbringt,was in Ihrem Vertrag steht, zur Explosion kommt,(Olav Gutting [CDU/CSU]: Wer hätte daraufkommen können? Völlig überraschend!)dass man wegen der einen plötzlich von Ihnen nichtmehr gewünschten Vereinbarung die 98 Prozent, die ausgehandeltwaren, in Gefahr bringt?(D)


28014 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Lothar Binding (Heidelberg)(A)(B)Jetzt bekommen wir einen Gesetzentwurf vorgelegt,der nicht die ausgehandelten 98 Prozent enthält, sondernvielleicht nur noch 15 Prozent, und das halte ich für einganz großes Problem. Wir sehen hier ein bisschen einenphilosophischen Unterschied zwischen den verschiedenenParteien. Wir haben hier gelernt: Erst kommt diePartei, dann kommt die Partei, und dann kommt die Partei.(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]:Wir sind doch hier nicht bei den Sozialdemokraten!)Dann kommt möglicherweise lange gar nichts, und dannkommt erst der Bürger.Ich will das einmal am Beispiel meines Wahlkreisesbeschreiben: In meinem Wahlkreis ist es so, dass dieBürger unbedingt und schon seit langem auf das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzwarten. Praktisch könnendie sich gar nichts anderes vorstellen, als dieses tolleGesetz zu haben. Damit es für sie leichter wird, habenwir auch die Abkürzung geübt: AmtshilfeRLUmsG. Dieseserwarten die Bürger jetzt ganz dringend.(Heiterkeit bei der SPD)Die Maßnahmen gegen Missbrauch im steuerlichenBereich fehlen praktisch komplett.(Olav Gutting [CDU/CSU]: Goldfinger!)Das ist ein Desaster; da sind wir uns alle einig. Trotzdemverzichten wir jetzt auf eine Regelung, die schon fast gesetzlichgeregelt war. Das ist eigentlich völlig verrückt.Wir brauchten nur den Arm zu heben und hätten eine Superlösung.Aber nein, man schafft ein neues, sehr sperrigesGesetz. Im Grunde wird jetzt eine Formalie beschlossen,die man eigentlich gar nicht zu beschließenbraucht; die ist zwingend. Aber auf das, was an politischerGestaltung notwendig ist, verzichtet die Regierung.Dies geschieht nicht zum ersten Mal; aber manmuss doch die gleiche Dummheit nicht immer wiederbegehen.Eine Regelung zur Monetarisierung von Verlusten– dies betrifft das Umwandlungsteuergesetz – fehlt komplett.Eine Regelung zu Cash-GmbHs im Rahmen derErbschaftsteuergestaltung fehlt komplett. Die Grunderwerbsteuergestaltung,das, was man RETT-Blocker –Real-Estate-Transfer-Tax-Blocker – nennt, fehlt komplett.Zu welchen Einnahmeausfällen dies für unserenFiskus, für unsere Gesellschaft, führt, sollte man sicheinmal klarmachen. Die Vermeidung weißer DBA-Einkünfte,also Gestaltungen von Gewinnen über DBA-Abkommenbei hybriden Finanzierungen, fehlt komplett.Die Verhinderung von Steuertricks bei der Wertpapierleihefehlt komplett. Ich muss sagen: Das ist ein Desaster.Die Anpassungen im Einkommensteuergesetz an dieAussetzung der Wehrpflicht, eine Regelung zu den Bezügenfür freiwilligen Wehrdienst, fehlen komplett. Diegesetzliche Klarstellung zur steuerlichen Berücksichtigungvon Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungenals Reaktion darauf oder Anerkennung dessen,was BFH-Rechtsprechung bedeutet, fehlt komplett. DieNeuregelung der Berechnung von Steuerzinsen bei derAuflösung eines Investitionsabzugsbetrags fehlt komplett.Soll ich das fortsetzen? Sie merken, dass Sie mit demvorliegenden Gesetz Maßnahmen verhindern, die wiralle schon lange betreiben.(Beifall bei der SPD sowie des Abg.Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN])Jetzt ist etwas Interessantes passiert: Ich habe heuteMorgen an anderer Stelle ein paar Allgemeinplätze derKollegen von Schwarz-Gelb zitiert, etwa: Wir haben diebeste Regierung der Nachkriegsgeschichte, seit 1992.(Beifall des Abg. Olav Gutting [CDU/CSU])– Olav Gutting applaudiert.(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Er ist der Einzige, der das hier imSaal glaubt!)Heute Morgen gab es da immer Applaus. Olav Guttinghat das gerade sehr gut gemacht; er hat praktisch ein Zitatbenutzt. Er hat das Gleiche gemacht wie Sie heuteMorgen. Bei all den von mir heute Morgen zitierten Sätzenwurde applaudiert. Dann habe ich gesagt: Schauenwir einmal ins Gesetz. Daraufhin hat der Kollege Kaudergesagt: Ja, schauen Sie einmal ins Gesetz. – Dann habeich ins Gesetz geschaut und daraus zitiert. Interessanterweisehat keiner von Ihnen bei auch nur einem einzigenZitat dessen, was Sie aufgeschrieben haben, applaudiert.Ist das nicht interessant?(Zurufe von der SPD: Ja!)Sie applaudieren Ihren eigenen Regelungen nicht. Jetzthaben Sie einen Trick angewandt, der super ist: All das,bei dem man aus Ihren Reihen nicht applaudierenkönnte, haben Sie einfach weggelassen.(Volkmar Klein [CDU/CSU]: Ich glaube, dahast du dich argumentativ ausgetrickst!)Die Umsatzsteuerbefreiung für rechtliche Betreuungsleistungen– sehr wichtig – und für eng mit der Sozialfürsorgeund der sozialen Sicherheit verbundeneLeistungen für privatgewerbliche Sozialleistungserbringerfehlt komplett. Die Umsatzsteuervergünstigung fürdie Kulturschaffenden – das wird manche Leute aufhorchenlassen – wie die Befreiung für Leistungen von Bühnenregisseurenund -choreografen fehlt komplett. DieModernisierung und Vereinfachung des Verfahrens derAnmeldung der Feuerschutzsteuer fehlt komplett.Sie können sehen: Sie haben ein Gesetz gemacht, dasein Torso ist, bei dem alle wichtigen Dinge fehlen, diewir gemeinsam vereinbart haben. Ich glaube, ganz offengesprochen, dass Sie damit Ihrer Verantwortung nichtgerecht werden.(Beifall bei der SPD sowie des Abg.Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN])(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28015Lothar Binding (Heidelberg)(A)Deshalb will ich – ohne die Punkte zu nennen, dietrotzdem noch fehlen, obwohl ich schon so viele genannthabe – an Sie noch einmal applaudieren bzw. appellieren(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wir habenes ja wörtlich zitiert! Das steht ihm Antragstextdrin!)Was Sie hier gerade vorgetragen haben, ist durchaus plagiatverdächtig;(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Nein,das Zitat ist schon korrekt! Wer zitiert, plagiiertnicht! Sie verstehen ja von Plagiaten mehr!)denn Sie haben die Urheberschaft hier am Rednerpultverschwiegen.(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Sie haben es scheitern lassen! –Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Wer hier plagiatverdächtig ist! Daswürde ich mir überlegen!)Umsatzsteuerfreiheit für Bühnenregisseure und Betreuer,der Umgang mit Wehrdienst und Bundesfreiwilligendienst– alle diese Punkte(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Die Sie nichtbeschließen wollten! Die Sie ablehnen!)haben wir als Koalitionsfraktionen in den Entwurf desJahressteuergesetzes 2013 geschrieben.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: So stehtes in unserem Antrag!)Das haben Sie scheitern lassen.(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Sie haben es scheitern lassen! Sie habendagegen gestimmt!)Sie schmücken sich mit fremden Federn, wenn Sie dasalles hier aufzählen. Das ist ein Plagiat.(Beifall bei der FDP – Lothar Binding [Heidelberg][SPD]: Dann können wir es doch gemeinsambeschließen! – Heiterkeit bei Abgeordnetender SPD)Herr Binding, Sie haben gerade so süffisant gesagt: InIhrem Wahlkreis würden die Bürgerinnen und Bürgernach Ihrem Eindruck auf das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzwarten.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ja, ichbin halt oft in meinem Wahlkreis!)Ich habe das so verstanden, dass Sie das ironisch meinten.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Oh, dashaben Sie aber sensibel bemerkt! – Heiterkeitbei Abgeordneten der SPD, der LINKEN unddes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Gegenrufdes Abg. Rudolf Henke [CDU/CSU]:Der war nicht schlecht!)Ich kann Ihnen einen Punkt aus dem hier zu beratendenGesetzentwurf nennen, auf den die Bürgerinnen undBürger sehr wohl warten. Es geht um die Vereinfachungund die Anpassung des Lohnsteuerabzugsverfahrens andie modernen technischen Gegebenheiten. Es geht umELStAM, um die elektronischen Lohnsteuerabzugs-(C)(B)(Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär: Applaudieren!)– ich kann Ihnen auch applaudieren, wenn Sie da zustimmen–, ob Sie sich nicht doch einen Ruck geben könnten.Wenn wir in diesem Gesetzgebungsverfahren auf dievon Ihnen inzwischen wieder neu beurteilte Regelunghinsichtlich der eingetragenen Lebenspartnerschaftenverzichten – wir werden sie an anderer Stelle einbringen–, können Sie dann nicht darauf verzichten, das gesamteJahressteuergesetz 2013 – ohne diesen strittigenFall – abzulehnen? Wäre das nicht politisch klug? Wärees nicht eine gute Idee, diesen Schritt im Vermittlungsausschussnoch einmal zu gehen? Denn alles andereklingt ein bisschen nach beleidigter Leberwurst. Daswurde eben deutlich, als Sie, Herr Gutting, sagten: „Wirlassen uns doch nicht mit einem Nasenring durch dieManege ziehen.“Es wurden vorhin auch viele Tierbeispiele genannt.Eines davon hat uns gut gefallen, nämlich das mit denHörnern und den Stieren. Man muss sich einmal überlegen,warum das alles gescheitert ist – das ist vielleichtdie Quintessenz dieses Verfahrens –: Angenommen, dieCSU und die FDP wären in dieser strittigen Frage einerMeinung gewesen, dann wäre doch alles beschlossenworden. Aber weil sich die beiden gestritten haben, wares nicht möglich, das Verfahren im Vermittlungsausschusszu Ende zu führen. Das haben Sie eben mit demBild der Hörner, die aufeinander zusteuern, ganz gut beschrieben.Das scheint im Moment Ihr Standardmodell in derRegierungspolitik zu sein. Deshalb bekommen Sie auchso große Probleme mit Ihrer Glaubwürdigkeit. Wer Ihnenjetzt glaubt, dass Sie ein gutes Gesetz gemacht haben,der könnte Gefahr laufen, dass er im Septemberfalsch entscheidet.Alles Gute!(Beifall bei der SPD, der LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der KollegeDr. Daniel Volk.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Dr. Daniel Volk (FDP):Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Lieber Herr Kollege Binding,Sie haben gerade die Punkte aufgezählt, die in dem ÄnderungsantragIhrer Fraktion – mit Unterstützung derFraktion der Grünen – enthalten sind. Dieser Änderungsantragwürde übrigens von anderen in diesem Lande alsein Plagiat bezeichnet werden.(D)


28016 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Daniel Volk(A)merkmale, ein klares Jahressteuervereinfachungselement,das im Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz enthaltenist. Das muss so schnell wie möglich umgesetztwerden, damit wir auch in diesem Bereich eine Steuervereinfachunghinbekommen.Wenn Sie dies wiederum ablehnen, zeigen Sie alsSPD-Fraktion – im Geiste mit den Grünen vereint –,dass Sie überhaupt kein Interesse daran haben, eineSteuervereinfachungspolitik zugunsten der Bürgerinnenund Bürger zu unterstützen. Sie sind diejenigen, die daskomplizierte Steuerrecht weiterhin kompliziert haltenwollen.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das hatdoch nichts mit Recht zu tun!)Das kann wirklich nicht Ihr Ernst sein.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Sie haben natürlich auch die großen Linien vorangestelltund gesagt, es fehle eine Reform des Mehrwertsteuersystems,(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das warnur ein Beispiel! Die Hotels haben es ja!)Für uns Steuerpolitiker ist das eigentlich die Umsatzsteuer.Ihr Kanzlerkandidat hat gestern eine wunderbareAnkündigung gemacht. Er hat gesagt, wenn er das Sagenhätte, dann würde er auf jeden Fall eine große Mehrwertsteuerreformdurchführen und er könne sich nur noch infünf Bereichen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatzvorstellen:(Steffen-Claudio Lemme [SPD]: Guter Mann!)Lebensmittel, Mieten. Ich höre: Mieten.(Manfred Zöllmer [SPD]: Nein, hat er nichtgesagt!)Oh, das ist ja interessant! Umsatzsteuer auf Mieten. Waswill er denn dort reformieren? Soll etwa bei Privatwohnmietverhältnissendie Mehrwertsteuer von 0 auf 7 Prozentangehoben werden?(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Dass Ihnenso etwas einfällt, wundert nicht!)Das passt ja hervorragend in Ihre Linie, den Mietwohnraumin Deutschland bezahlbar zu halten. Oder will ermöglicherweise bei der Gewerberaummiete die Umsatzsteuerpflichtvon 19 Prozent auf 7 Prozent senken? Einerstaunlicher Vorschlag!Ich kann Ihnen nur eines sagen: Eine solche Mehrwertsteuerreformwie dort angekündigt sollte diesemLande wirklich erspart bleiben.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sie könnennatürlich über solche Dinge reden oderüber das Gesetz, über das wir jetzt befindensollen!)Wir sollten uns darauf konzentrieren, uns im steuerpolitischenBereich jenseits einer gewissen Polemik undjenseits eines gewissen Populismus an den Punkten zuorientieren, die für die Bürger entscheidend sind.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das machenSie nicht!)Ich glaube schon, dass das elektronische Lohnsteuerverfahrenein Punkt ist, der auf jeden Fall kommen muss.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das istdoch eine technische Finesse! Das ist dochnichts von Bedeutung!)Ich richte auch in Ihre Richtung die Bitte: Geben Siesich einen Ruck, und stimmen Sie dieser Neuerung zugunstenaller Bürgerinnen und Bürger in diesem Landzu!(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wennwir darüber separat abstimmen, stimmen wirdiesem Punkt zu!)Im Bereich der Steuermissbrauchsbekämpfung bedarfetwa das Goldfinger-Modell, das ebenfalls in dem hierzu beratenden Gesetzentwurf enthalten ist, der Klärung.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ab welchemZeitpunkt gilt die Goldfinger-Regelung?)Es gibt offenbar keinen Punkt, weswegen Sie gegendieses Gesetz sein können. Deswegen versuchen Sie miteinem Änderungsantrag, sozusagen über ein billiges Plagiatdes Jahressteuergesetzes 2013, das aus unserer Federstammt,(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Ab wann soll dieGoldfinger-Regelung gelten?)eine künstliche Argumentation aufzubauen. Das ist aberwirklich keine gute Politik für dieses Land.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Was heißt„künstlich“?)Es ist keine gute Politik für die Bürgerinnen und Bürgerdieses Landes, für die Steuerzahler, übrigens auch nichtfür die Steuerverwaltung. Sie verweigern sich durch IhrVerhalten hier im Parlament einer Verbesserung desSteuervollzugs und der Steuerverwaltung.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das kannjeder nachlesen, ob das, was Sie sagen, wahrist oder falsch oder vielleicht sogar gelogen!)Das sollten Sie wirklich überdenken. Deswegen bitte ichSie ganz herzlich, auch in Ihrem Interesse, diesem Gesetzentwurfin unveränderter Fassung zuzustimmen.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das machenwir sicher nicht!)(C)(B)(D)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Die Kollegin Dr. Barbara Höll hat jetzt das Wort fürdie Fraktion Die Linke.(Beifall bei der LINKEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28017(A)(B)Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich glaube, heute müssen sich viele Bürgerinnen undBürger fragen, was wir hier im Bundestag machen. DieKoalition ist zutiefst beleidigt und sitzt in der Ecke wieein trotziges kleines Kind und sagt: Jetzt wollen wir aberauch nicht mehr. Schluss, wir wollen nicht mehr!(Beifall bei der LINKEN und der SPD –Dr. Daniel Volk [FDP]: Was haben Sie gegentrotzige Kinder, Frau Kollegin? Was haben dieIhnen getan?)Dann denken Sie sich einen neuen Namen aus, damitman es nicht ganz so doll merkt. Es heißt jetzt nichtmehr Jahressteuergesetz 2013, jetzt ist es das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz.(Dr. Daniel Volk [FDP]: Der Name ist ja nichtfalsch!)Sie haben sich wahrscheinlich gesagt: Wir müssen etwasmachen. Wie können wir damit in der Öffentlichkeitirgendwie noch bestehen? – Dann verkündet HerrKoschyk als Staatssekretär im Ausschuss: Ja, Sie habenuns geärgert. Wir machen jetzt nicht mehr mit. Wir machennur noch das, was europarechtlich notwendig ist.Man könnte denken: Okay, das, was europarechtlichnotwendig ist; schauen wir doch mal ins Gesetz. – Dasist für uns natürlich nicht ganz einfach gewesen. Wir bekamenin der letzten Sitzungswoche Mittwoch früh denGesetzentwurf auf den Tisch und durften uns diesen amMittwochvormittag anschauen. Am Donnerstag war dieerste Lesung im Bundestag. Am Mittwoch dieser Wochewar die Beratung im Ausschuss und heute ist die zweiteund dritte Lesung. Von einem wirklichen Beratungsablaufkann man hier nicht sprechen. Das spricht einer geordnetenparlamentarischen Beratung hohn.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)Das sind wir an der einen oder anderen Stelle von dieserKoalition so gewöhnt.(Dr. Daniel Volk [FDP]: Aber dieselben Punktewurden schon einmal beraten!)Wir haben Sie dann gebeten: Machen Sie doch wenigstenseine Auflistung, was von dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses,auf das Sie sich geeinigt hatten,tatsächlich Eingang in den Gesetzentwurf gefunden hat!Daraufhin gab es eine Liste, die sehr schwer zu handhabenwar. Aber okay, das sei Ihnen verziehen. Dann habenwir nachgeschaut, was von dem europarechtlichNotwendigen, von dem, was unabdingbar ist, enthaltenist. Da habe ich wirklich gestutzt.Die Elektroautos, deren steuerliche Förderung unterumweltpolitischen Aspekten sehr in der Kritik steht, istenthalten. Meines Erachtens hat das mit Europarecht ersteinmal nicht viel zu tun. Dafür haben Sie die umsatzsteuerlicheBehandlung der Betreuungsleistungen, zudenen es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gibt,nicht aufgenommen, obwohl hier wirklich Handlungsbedarfbesteht.(Beifall bei der LINKEN, der SPD und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. DanielVolk [FDP]: Das haben Sie zum Scheitern gebrachtbeim Jahressteuergesetz 2013, FrauKollegin!)Die Frage der Behandlung der gastierenden Regisseurehaben Sie einfach rausgeschmissen.(Dr. Daniel Volk [FDP]: Auch das haben Siezum Scheitern gebracht beim Jahressteuergesetz!– Gegenruf des Abg. Lothar Binding[Heidelberg] [SPD]: Das stimmt doch garnicht! Wir sind dafür! Sie lehnen es doch ab!)Da interessiert Sie die künstlerische Arbeit nicht, und dieLeute interessieren Sie auch nicht.Warum nun das Ganze? Warum dieses ganze Theater?Herr Gutting, Sie haben gesagt, das gehe so nicht, wirhätten ein Foul begangen. Entschuldigung, Herr Gutting,in den Beratungen im Vermittlungsausschuss wurde nuretwas eingebracht, was in Ihrem Koalitionsvertrag steht.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Frau Dr. Höll, Herr Beck würde Ihnen gerne eineZwischenfrage stellen.Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):Gerne.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Bitte schön.Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Da der Kollege Volk Ihnen hier dauernd vorwirft, Siehätten das alles zum Scheitern gebracht(Dr. Daniel Volk [FDP]: „Dauernd“? Zweimal!)– wahrscheinlich meint er uns alle damit –, möchte ichSie fragen, ob Sie mir erklären können, wie es sein kann,dass man, wenn eine Forderung der FDP in einen ansonstenkonsensualen Gesetzentwurf aufgenommenwird, den Vorwurf erhebt, dass Sie das zum Scheiterngebracht haben, obwohl die FDP ihn dann abgelehnt hat.(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei der SPD und der LINKEN)Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):Sehr geehrter Herr Kollege Beck, vielleicht trägt einRückblick auf die gestrige Debatte zur Aufklärung bei.Ich denke, dass das, was Herr Geis hier gestern abgelieferthat – ich möchte ihn gerne zitieren, um Ihnen undmir das, was er gesagt hat, in Erinnerung zu rufen –, gezeigthat, dass das, was im Koalitionsvertrag steht, wasCDU und CSU unterschrieben haben, gar nicht so ernstgemeint war, wie die Bürgerinnen und Bürger das eigentlicherwarten können. Herr Geis sagte gestern, dasBundesverfassungsgericht befinde sich auf dem Irrwegund man müsse schon sehr weit von dem Wesen derElternschaft abstrahieren, um Papa/Papa oder Mama/Mama als Eltern anzugeben: Ich sehe darin eine Miss-(C)(D)


28018 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Barbara Höll(A)(B)achtung der menschlichen Natur. Ich glaube, wir müssenuns auch um der Bewahrung unserer Kultur willen gegensolche Tendenzen wehren.(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das erklärt aber nicht das Verhaltenvon Herrn Volk!)Ich denke, dass die CDU/CSU große Probleme hat,sie zum Teil wirklich mittelalterliche Ansichten vertritt,sie keinen Bezug zur Realität und zu unserer verändertenGesellschaft hat und sie deshalb dem, was in ihrem Koalitionsvertragsteht und was die FDP vertritt, nicht mehrfolgen konnte. Deshalb haben nicht wir die Schuld, sonderndie Schuld liegt eindeutig bei Union und FDP. Siekönnen sich hier drehen und wenden, wie Sie wollen.Das kriegen Sie nicht vom Tisch gewischt. Nur um derIdeologie willen haben Sie das gesamte Gesetz scheiternlassen.(Beifall bei der LINKEN, der SPD und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Iris Gleicke[SPD]: So ist das!)Als Steuerpolitikerin habe ich angenommen, dass Sie,wenn Sie das Gesetz scheitern lassen, weil Sie aus ideologischenGründen nicht über die Hürde springen können,weil Sie es nicht schaffen, da herauszukommen,wenigstens das nehmen, was schon ausgehandelt war. Esgab eine Vorlage, die vom Bundestag verabschiedet wordenist. Im Bundesrat wurde noch einiges hineinformuliert.Es gab positive Veränderungen des Gesetzentwurfs.Das wäre wirklich umgesetzt worden. Nichts anderes istder Änderungsantrag, der hier auf dem Tisch liegt. Dazusagen Sie aber auf einmal: Nein, das geht nicht.Herr Gutting, Sie haben hier das Ergebnis des Vermittlungsausschussesinfrage gestellt.(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: DemokratischeMehrheit!)Da Sie sich hier damit gerühmt haben, Lücken für Steuergestaltungsmodellezu schließen – Stichwort: Goldfinger–, sage ich Ihnen: Sie meinen es doch wieder nichternst. Sie setzen das, was ab dem Datum der Verabschiedunghier im Bundestag im vergangenen Jahr möglichwäre, nicht um, sondern halten das offen und verlegendas in die Zukunft. Alle, die dieses Modell nutzen, könnensich darauf einstellen und damit umgehen. Daszeigt: Auch das meinen Sie nicht wirklich ernst. Das,was Sie hier abliefern, ist wirklich unterstes Niveau. Ichglaube, das haben die Bürgerinnen und Bürger nicht verdient.(Beifall bei der LINKEN und der SPD)Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass wirhier unsere Hausaufgaben machen und dieses Thema ausdem Parteienkrieg heraushalten. Mit dem, was Sie hierabliefern, mit Ihrem Agieren führen Sie sich selbst durchdie Manege. Sie brauchen dazu niemand anderen.Vielleicht wissen Sie es: Trotzigen Kindern sollteman keine Streicheleinheiten geben und ihnen nicht sagen:Du hast in allem recht. – Nein, man muss da schonein bisschen Haltung bewahren. Mit der Verabschiedungdes Änderungsantrages mit den ausgehandelten Vorschlägenzum Jahressteuergesetz 2013 könnten wir hierdemonstrieren, dass uns die Sache wichtig ist. Das erwarteich, das erwartet die Linke, das erwartet die gesamteOpposition von Ihnen, wenn es stimmt, dass Siewirklich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger handelnwollen.Danke.(Beifall bei der LINKEN, der SPD und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Der Kollege Dr. Thomas Gambke hat jetzt das Wortfür Bündnis 90/Die Grünen.Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damenund Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diesendicken Packen Papier – in anderer Farbe – hat HerrBrinkhaus hier vor einer Woche hochgehalten und sichstolz damit gebrüstet, was für tolle Gesetze die Koalitionschon verabschiedet habe, was sie schon alles geschaffthabe.Herr Brinkhaus, einmal abgesehen davon, dass Siesich da ein bisschen mit fremden Federn geschmückt haben– denn diesen dicken Packen Papier haben fleißigeBeamtinnen und Beamte des Finanzministeriums erarbeitet–, lenken Sie dabei von dem eigentlichen politischenVersagen der Koalition ab. Das ist das Problem.Wissen Sie, was Herr Sell, Abteilungsleiter im Finanzministerium,heute Morgen zu dem gesagt hat, was Sieuns hier anbieten? Er hat gesagt: Es nervt.(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Es nervt, dass Sie das mit vielen Details bestückteJahressteuergesetz – wir haben darüber gesprochen; HerrKollege Binding hat das sehr schön ausgeführt –, das imletzten Herbst hier auf dem Tisch lag, im Vermittlungsausschusszu einem bitteren Ende gebracht haben. Esnervt, dass Sie die Realität einfach nicht zur Kenntnisnehmen. Sechs Urteile des Verfassungsgerichtes nehmenSie nicht zur Kenntnis.In Abwandlung eines Spruches von Egon Bahr habeich ein bisschen den Eindruck, dass Sie, wenn ein Grünersagt: „Zwei mal zwei ist vier“, sagen: Oh, das sagtein Grüner; dann ist zwei mal zwei für uns fünf. – Sokommen wir nicht weiter. Das ist Realitätsverweigerung.(Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Sie haben es imAusschuss abgelehnt!)Sie müssen einfach einmal sehen, was Sie hier nicht abgelieferthaben. Das ist nicht nur bei dem vorliegendenGesetz der Fall.(C)(D)Nehmen wir die Mehrwertsteuerreform. Da gibt es eigentlichEinigkeit; Herr Steinbrück hat jetzt gerade davongesprochen.


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28019Dr. Thomas Gambke(A)(Dr. Daniel Volk [FDP]: Mieten umsatzsteuerpflichtigzu machen! Gute Idee!)Das ist ein Thema, bei dem wir bis weit in Ihre Kreisehinein Einigkeit erzielen könnten,(Dr. Daniel Volk [FDP]: Bei den Mieten sehenwir das nicht so!)übrigens auf der Linie eines Positionspapiers der Grünen.Aber Sie sagen: Das sagt ein Grüner; zwei mal zweiist(Zurufe von der CDU/CSU: Fünf!)fünf. – Ganz genau, das ist Ihre Rechnung.Nehmen Sie die Gewerbesteuer. Was haben Sie dageleistet? Gar nichts haben Sie geleistet. Was haben Siegemacht? Sie haben die wesentlichen Akteure nicht eingebunden.Sie wollten das Band zwischen den Gewerbesteuerzahlern,dem Gewerbe, und den Kommunen zerschneiden.Sie haben einfach nicht gefragt. Natürlichsind Sie damit gescheitert.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD – Dr. Daniel Volk [FDP]:Sprechen Sie eigentlich noch über den Gesetzentwurf?)– Ich spreche über Ihre Leistungen. Herr KollegeBrinkhaus hat das beim letzten Mal auch so schön gemacht.Zu den Unternehmensteuern haben Sie einen Zwölf-Punkte-Plan vorgelegt. Was ist daraus geworden? Dreikleine Änderungen.Zum Steuerabkommen mit der Schweiz.(Dr. Daniel Volk [FDP]: Wer hat es abgelehnt?– Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Werhat es blockiert?)– Aus gutem Grund haben wir es blockiert. Denn waslese ich heute? Herr Brinkhaus, was ist heute passiert?Die Schweiz geht zu einer Weißgeldstrategie über. Siegeht aus der Anonymität heraus. Und warum tut sie das?Weil wir Widerstand geleistet haben.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD – Dr. Daniel Volk [FDP]: Dasist ein bisschen Selbstüberschätzung, HerrKollege! – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Unddie Einnahmen sind verschwunden!)Das sind die politischen Entscheidungen, die man treffenmuss.Denken Sie an die Einkommensteuer. Was haben Sieda geleistet? Nichts haben Sie geleistet.Zum Thema Steuergestaltung. Finanzminister Schäublesagt, über Starbucks werde er mit seinem britischen Kollegensprechen. Und was haben wir hier? Bei den Cash-GmbHs wäre eine Regelung wichtig. Das Perfide dabeiist, dass Sie nicht einmal das Vermittlungsergebnis umsetzenwollen.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ja, dasist schlimm!)Insgeheim sagen Sie: Da ist jetzt noch eine andere Regelung,die wir haben wollen. – Das empfinde ich wirklichals unredlich. Wir hatten ein Ergebnis. Sie hatten demzugestimmt. Aber dann haben Sie selber es abgelehnt.Das ist nicht in Ordnung.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, beider SPD und der LINKEN)Meine Damen und Herren, wenn wir das einmal resümieren,dann kann man nur sagen: Es ist wirklich beschämend,was für ein dünnes Gesetzchen Sie hier vorlegen.Mit dem Änderungsantrag, den wir gestellt haben,wäre es zwar immer noch ein dünnes Gesetz gewesen,weil viele wichtige Regelungen fehlen; aber man hätteihm zustimmen können. Das lehnen Sie ab. Ich kann nursagen: Das nervt. Ich bin sehr froh, dass Sie spätestens ineinem halben Jahr abtreten werden.Vielen Dank.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, beider SPD und der LINKEN)(C)(B)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Bartholomäus Kalb hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir beraten hier über das Gesetz mit dem trockenenund Charme versprühenden Titel Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz.Hinsichtlich des Charmes wirder nur noch übertroffen von dem Titel einer Richtlinieaus den 80er-Jahren – ich habe das einmal herausgesucht –,der Richtlinie des Rates zur Annäherung der Rechtsvorschriftender Mitgliedstaaten über bestimmte Bestandteileund Merkmale von land- oder forstwirtschaftlichenZugmaschinen auf Rädern.(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Daraufhaben meine Wähler auch gewartet!)Kollege Gutting hat ja schon gesagt, warum wir diesenGesetzentwurf hier vorgelegt haben. Wir haben ihnvorgelegt, weil notwendige Maßnahmen noch in dieserLegislaturperiode umgesetzt werden müssen, und zwarzwingend, weil Sie sich zunächst verweigert haben, demJahressteuergesetz hier zuzustimmen, weil Sie es dannauch im Bundesrat nicht haben passieren lassen und weiles im Vermittlungsausschuss nicht zu vernünftigen Ergebnissengekommen ist. Der Bundesfinanzministerweist in seiner Vorlage zu Recht darauf hin, dass dieBundesregierung verpflichtet ist, alle zwei Jahre einenBericht vorzulegen, beispielsweise über die Wirkung derkalten Progression und zu Fragen der Grundsicherung;denn wir haben hier im Deutschen Bundestag beschlossen,dass wir alle zwei Jahre einen solchen Bericht habenwollen.Ich brauche auf die einzelnen Inhalte hier nicht mehreinzugehen, weil sie, wie ich meine, von den KollegenGutting und Dr. Volk sehr eingehend dargelegt wordensind. Wir müssen uns heute hier damit befassen, lieber(D)


28020 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Bartholomäus Kalb(A)Kollege Binding, weil die SPD und die von ihr geführtenLänder sich darauf verständigt haben, in der Steuerpolitikeine destruktive Linie zu fahren(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber IhrKoalitionsvertrag ist doch nicht destruktiv!Vielleicht doch?)– nein –, und weil Sie nicht mehr zur konstruktiven Zusammenarbeitim Interesse der Steuerzahler, im Interesseder Bürger und im Interesse der Wirtschaft dieses Landesfähig sind.(Dr. Daniel Volk [FDP]: So ist das!)Ich habe vorhin schon das Stichwort „kalte Progression“genannt. Sie sind wohl verliebt in das Ankündigenvon Steuererhöhungen, Sie verschweigen aber dabei,dass Sie eben nicht nur Spitzenverdiener damit treffen,sondern die breiten Schichten der Leistungsträger unseresLandes. Sie sind nicht bereit, die unteren Einkommensschichtenin dem Maße zu entlasten,(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Stimmtgar nicht! Das ist falsch!)wie die Inflationsrate steigt bzw. die Nominallöhne steigen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Dr. Daniel Volk [FDP]: Unsoziale Steuerpolitik!– Zuruf des Abg. Lothar Binding [Heidelberg][SPD])Sie klagen beredt darüber, dass die Länder nicht inder Lage sind, die Steuerausfälle zu tragen. Sie habendas Steuerabkommen mit der Schweiz erfolgreich verhindert,(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Gott seiDank!)und Sie haben damit verhindert, dass Steuereinnahmenin Milliardenhöhe nach Deutschland fließen; dies könntebereits jetzt geschehen.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Sie haben auch verhindert – ich glaube, KollegeGutting hat schon darauf hingewiesen –, dass wir einesehr vernünftige Maßnahme, nämlich die energetischeGebäudesanierung, steuerlich begünstigen. Heute frühist wieder beklagt worden, dass im Bereich der Gebäudesanierungzu wenig getan wird. Dort, wo Sie hättenmitwirken können, haben Sie sich verweigert. Sie habenes abgelehnt.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: SchlechteGesetze werden immer abgelehnt! Das istdoch klar! Sie aber lehnen gute Gesetze ab!)Sie sind nicht an einer gerechten und sachgerechtenBesteuerung interessiert,(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Doch! –Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: So etwas machenSie ja nicht! Das können Sie ja nicht!)sondern Sie machen den Menschen mit Ihren Steuerplänenetwas vor. Kollege Dr. Volk hat hier eben schon dieneuesten Äußerungen des Herrn Steinbrück zum Bestengegeben. Ich kann im Interesse der vielen Mieterinnenund Mieter in diesem Lande nur hoffen, dass Steinbrückmit seinen Vorstellungen nicht durchkommt.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Kollege Binding hatte auf die Verfahren hingewiesen.Was sich im Vermittlungsausschuss abgespielt hat, warschlicht und einfach – denken wir an das Fußballspielgestern Abend; als Bayer darf ich mich daran erinnern –(Peter Hintze [CDU/CSU]: Jetzt aber Vorsicht!)ein komplettes Foulspiel.(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Nein!)Das Verfahren im Vermittlungsausschuss ist nicht dazuda, um Spielchen zu treiben, sondern um Lösungen zusuchen, um sich auf einen Kompromiss zu einigen. Mansollte andere dort nicht vorführen; diese lassen sich auchnicht vorführen. Das sollten Sie sich hinter die Ohrenschreiben.(C)(B)(Dr. Daniel Volk [FDP]: Alles auf dem Rückender Steuerzahler!)– Genau, alles zulasten der Steuerzahler.Lieber Kollege Binding, Sie haben vorhin vorgeschlagen,wenn ich Sie richtig verstanden habe, wir solltendoch die Urfassung des Jahressteuergesetzes hier wiedereinbringen.(D)(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: GuteIdee!)– Jetzt bestätigen Sie per Zwischenruf, dass dies einegute Idee sei. Warum haben Sie denn diese gute Ideenicht schon im Herbst letzten Jahres gehabt,(Dr. Daniel Volk [FDP]: So ist es!)nämlich bei der zweiten und dritten Lesung des Jahressteuergesetzesam 25. oder 26. Oktober?(Dr. Daniel Volk [FDP]: Abgelehnt haben Siees im Bundestag!)Hätten Sie ihm zugestimmt, dann hätten wir uns jetzt alldies ersparen können, und dann würden wir auch denKollegen Gambke nicht nerven.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Kollege, ihre Redezeit ist schon längst abgelaufen.Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):Vielen Dank, aber das musste einmal gesagt werden.


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28021(A)(B)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Da wir über der Zeit sind, sind auch keine Zwischenfragenmehr möglich.Ich schließe damit die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von denFraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachtenGesetzentwurf zur Umsetzung der Amtshilferichtliniesowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften. Der Finanzausschussempfiehlt in seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/12532, den Gesetzentwurf aufDrucksache 17/12375 anzunehmen. Ich bitte diejenigen,die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um dasHandzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommenbei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen,die Oppositionsfraktionen waren dagegen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Wer zustimmen möchte, dermöge sich bitte erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen?– Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Beratungmit dem gleichen Ergebnis wie vorher angenommen.Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 11 a und bauf:a) Beratung der Antwort der Bundesregierung aufdie Große Anfrage der Abgeordneten RitaSchwarzelühr-Sutter, Rolf Hempelmann, DirkBecker, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder SPDDie Energiewende – Kosten für Verbraucherinnen,Verbraucher und Unternehmen– Drucksachen 17/10366, 17/12246 –b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Ausschusses für Wirtschaft und Technologie(9. Ausschuss)– zu dem Antrag der Abgeordneten RolfHempelmann, Dirk Becker, Hubertus Heil(Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktionder SPDDie europäische Energieeffizienzrichtliniewirkungsvoll ausgestalten– zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer,Dorothée Menzner, Eva Bulling-Schröter, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIELINKEDie Energiewende braucht Energieeffizienz– zu dem Antrag der Abgeordneten IngridNestle, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, weitererAbgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENEnergie sparen, Kosten senken, Klimaschützen – Für eine ambitionierte Effizienzstrategieder deutschen und europäischenEnergieversorgung– Drucksachen 17/8159, 17/8457, 17/7462,17/10106 –Berichterstattung:Abgeordneter Thomas BareißEs liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion derSPD zu der Antwort der Bundesregierung auf die GroßeAnfrage vor.Es ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattieren. –Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann istdas damit so beschlossen.Das Wort für die SPD-Fraktion hat die KolleginSchwarzelühr-Sutter.(Beifall bei der SPD)Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD):Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! „Das große Wursteln 2.0“, wie wir in Baden-Württemberg sagen, könnte der Titel einer Publikation,die mir vorliegt, oder gar ein Thema für eine Doktorarbeitsein.(Lachen bei der SPD – Ulrich Kelber [SPD]:Das wäre eine echte Doktorarbeit!)Ich spreche von der Antwort der Bundesregierung aufunsere Große Anfrage mit dem Titel „Die Energiewende– Kosten für Verbraucherinnen, Verbraucher und Unternehmen“.Wissen Sie eigentlich, dass es eine Wissenschaft desNichtwissens gibt?(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)Unwissen herzustellen ist eine Kunst. Seit einigen Jahrenuntersucht die Agnotologie, wie Unwissen durch absichtlicheoder unabsichtliche Selektivität hergestelltwerden kann. Die Antwort der Bundesregierung auf unsereAnfrage ist dafür wirklich das Beispiel schlechthin.(Beifall bei der SPD, der LINKEN und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Was alles wurde nicht beantwortet? Die Große Anfragehat der Bundesregierung eigentlich eine großeChance gegeben, nämlich den Verbraucherinnen undVerbrauchern sowie der Wirtschaft den Stand der Energiewendedarzustellen. Sie hätte mit Vergleichsrechnungenzeigen können, wie sich die Kostenbelastungen beiunterschiedlichen Handlungsoptionen entwickeln undim Vergleich zur Situation ohne Energiewende verhaltenhätten und welcher Nutzen durch die erneuerbaren Energienerzielt werden kann. Also verkürzt: Was kostet dieEnergiewende? Und viel wichtiger: Welche Erlöse, welcheWertschöpfung und welche Chancen bringt sie?Es ist wirklich unverständlich, dass die Bundesregierungdiese Chance nicht genutzt hat, um vor allem mehrSachlichkeit und auch mehr Transparenz in die Energiekostendebattezu bringen. Stattdessen haben Sie uns geantwortet,Sie hätten keine Daten, Sie hätten keine Er-(C)(D)


28022 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Rita Schwarzelühr-Sutter(A)(B)kenntnisse, und Sie machten sich Zahlen Dritter nicht zueigen. Das ist die Kunst des Nichtwissens. So weit, soschlecht. Für diese Antwort ein halbes Jahr Zeit gebrauchtzu haben, ist wirklich ein Kunststück. HerzlichenGlückwunsch!Dabei haben Sie den Sachverständigenrat an derHand, die Monopolkommission hat Ihnen Optionen vorgelegt,und auch eine Expertenkommission hat zum Monitoring-Berichteine Stellungnahme abgegeben. Nichtsdavon findet sich in der Antwort auf diese Große Anfragewieder. Warum verteilt die Bundesregierung überhauptihren Monitoring-Bericht, wenn sie die daraus ersichtlichenDaten nachher nicht nutzt? Dort heißt esnämlich: „Der Bericht ist faktenbasiert.“ Wo bleiben IhreFakten? Sie bleiben wahrscheinlich auf der Strecke zwischenUmweltministerium, Wirtschaftsministerium undMinisterium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,das es doch tatsächlich auch noch gibt,(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist ein Gerücht!)das aber im Moment andere Probleme hat.Damit liegt der Verdacht nahe, dass sich die Bundesregierungnicht auf eine einheitliche Bewertung der vorliegendenStudien verständigen kann, dass sie nicht inder Lage ist, gemeinsam zur weiteren Entwicklung derEnergiewende zu handeln, sondern sich nicht einmalüber die Faktenlage verständigen kann. Sie belegt, dasssie nur wurstelt, kein abgestimmtes Konzept hat und imInneren zwischen den Ressorts zutiefst zerstritten ist.Das ist allerdings nichts Neues, wenn man sich die Arbeitder vergangenen drei Jahre anguckt.Doch jetzt wird es richtig spannend.(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Ich bin gespannt!)Genau zum richtigen Zeitpunkt und mit dem richtigenGespür für Drama und Public Relations präsentiert UmweltministerAltmaier die Strompreisbremse, garniertmit einer Zahl, die anscheinend nicht einmal sein Ministeriumkennt.(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Jetzt wird eskonkret!)Auch bei diesem Vorschlag des Umweltministers zumEinfrieren der EEG-Umlage zeigen sich das Chaos unddie Zerstrittenheit in der Regierungskoalition: nicht abgestimmtund gleich von den Kabinettskollegen zerrissen.Der Umweltminister weiß nicht, wie sich die Kostender EEG-Umlage entwickeln – darauf bezog sich unsereFrage 1 –, ob sie durch die bereits ergriffenen Maßnahmenauch sinken können, aber er weiß, er will die Kosteneinfrieren.Er weiß nicht, wie viel die wachsende Differenz zwischenEinspeisevergütung und Börsenpreis ausmachtund wie er sie verringern kann. Welch nackte Panikmuss bei diesem Minister vor der Bundestagswahl geherrschthaben, dass er eine Zahl von 1 Billion Euronennt! Die KfW rechnet im Übrigen mit 30 MilliardenEuro pro Jahr, andere kommen auch auf diese Zahl. Esscheint, als habe Herr Bundesminister Altmaier dieseZahl aus dem Bauch heraus erfunden, oder vielleicht hatdas Umweltministerium ja auch keine Taschenrechner.Mit der Billion setzt man auf einen billigen Effekt,schürt Ängste, und, was noch viel schlimmer ist, dieEnergiepolitik dieser Bundesregierung wird noch vielunglaubwürdiger, als sie bisher schon war. Das ist einverheerendes Signal insbesondere für diejenigen, die Investitionenin die erneuerbaren Energien oder in Netzetätigen wollen. Das ist nicht nur trickreich, sondern dasist auch gefährlich. Die Akzeptanz für die Energiewendewird so zerstört, und der Wirtschaft wird mit einer solchenEnergiepolitik die Planungssicherheit genommen.So ist es nicht verwunderlich, wenn sogar der BDIfordert: Energiewende jetzt, aber richtig. Wir Sozialdemokratenhaben der Bundesregierung wiederholt Gesprächsangebotegemacht. Aus unserer Sicht ist es wichtig,dass alle an einen Tisch geholt werden – Bund,Länder und Kommunen – und dass auch die Verbrauchereinbezogen werden, selbstverständlich auch die Wirtschaftund die Gewerkschaften. Wir brauchen nicht nureinen Konsens über den Atomausstieg, sondern wirbrauchen auch einen echten Energiekonsens.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN)Wir versperren uns nicht, im akuten Fall die Strompreisezu bremsen. Wir machen sinnvolle Vorschläge, die kurzfristighelfen, den Strompreis in den Griff zu bekommen.Wir wollen eine Stromsteuerbefreiung für den Grundverbraucheinführen, weil die Kosten auch gerecht verteiltwerden müssen.Umso bedauerlicher ist es, dass diese Bundesregierungnicht plant, sozial schwache Haushalte und Sozialleistungsbezieherbei der Anschaffung energieeffizienterHaushaltsgeräte zu unterstützen. So hat sie uns auf dieFrage 122 geantwortet.Wir wollen einen Energieeffizienzfonds auflegen, derprivate Haushalte bei der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmenwie der Anschaffung dieser energieeffizientenHaushaltsgeräte unterstützt. Wir schlagen weiterhinvor, zielgenauer vorzugehen, wenn es darum geht,Unternehmen von der EEG-Umlage zu befreien. Die Befreiungvon den Netzentgelten sollte auf den Stand von2010 zurückgeführt werden.Das Ziel von uns Sozialdemokraten ist und bleibt dieMarkt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien.Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre energiepolitischenEntscheidungen aufgrund valider Daten – diees natürlich gibt – zu treffen. Rechnen Sie seriös undnachvollziehbar, und vergessen Sie dabei bitte nicht dieSteigerung der Energieeffizienz und den Umbau der Verteilnetzezu intelligenten Netzen!Es lohnt sich, diesen Satz immer wieder zu wiederholen:Die beste Energie ist die, die nicht verbraucht wird.Doch auch bei der Umsetzung der Energieeffizienzrichtliniehaben Sie Ihre Chance vertan. Sie haben diese Einsparpotenzialenicht genutzt; das ist schade.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28023Rita Schwarzelühr-Sutter(A)Machen Sie Schluss mit der Wissenschaft des Nichtwissens!Hören Sie auf mit Flickschusterei! Statt der üblichenReparaturgesetze erwarten wir, dass endlich eineRoadmap vorgelegt wird, aus der ersichtlich wird, wiedie Zahnräder der Energiewende ineinandergreifen. Statteiner Veränderung von Stellschrauben in einzelnen Gesetzenwollen wir einen koordinierten Gesetzgebungsprozess.Nur mit einem Gesamtkonzept, neudeutsch:Masterplan, und aufeinander abgestimmten Gesetzesnovellenkann die Energiewende für alle – für Verbraucherinnenund Verbraucher wie für die Wirtschaft – bezahlbarund versorgungssicher gelingen.Herzlichen Dank.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der KollegeThomas Bareiß das Wort.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Ist endlich Konsens hergestellt! Istdoch gut so!)Die Grünen wollen sogar noch mehr vorantreiben, siesagen: Bis 2030 brauchen wir 100 Prozent erneuerbareEnergien.Zur Stromsteuer: Anfang Februar war in der Bild-Zeitungzu lesen, dass Sigmar Gabriel sich dafür ausgesprochenhat, die Stromsteuer teilweise abzuschaffen oder siezu reduzieren – obwohl die Stromsteuer 1999 von Rot-Grün eingeführt wurde. Der Energieminister von Schleswig-Holstein,Herr Habeck, sagt: Die Stromsteuer zusenken, ist keine Lösung.(Ulrich Kelber [SPD]: Was meinen Sie dennzur Stromsteuer? – Hubertus Heil [Peine][SPD]: Was ist Ihre Meinung?)Ähnlich beim zukünftigen EEG: Ende Dezember warin der Neuen Osnabrücker Zeitung zu lesen, dass SigmarGabriel meint: Das EEG funktioniert so nicht mehr. – Sie,Herr Kelber, haben noch vor zwei Wochen gesagt: DasEEG funktioniert.Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, istkeine seriöse und glaubwürdige Politik. Deshalb mussich meiner Vorrednerin auch sagen, dass wir durch solcheÄußerungen von Ihnen die Glaubwürdigkeit hinsichtlichder Energiewende verlieren.(Ulrich Kelber [SPD]: Herr Bareiß, lesen Siedoch einmal die Zeitungen! Selbst die Wirtschaftszeitungennehmen Sie auseinander!)Wir verlieren Stück für Stück die Akzeptanz, wenn wirdas Thema Strompreiserhöhungen bzw. Energiepreiserhöhungennicht ernsthaft anpacken. Wenn wir uns in dennächsten Wochen ganz konkret mit diesen Themen beschäftigen,werden wir sehen, an welchen einzelnenPunkten Sie mitmachen.(Rita Schwarzelühr-Sutter [SPD]: Macht Ihr Wirtschaftsministerauch mit?)Ein fünfköpfiger Haushalt in Deutschland zahlt indiesem Jahr circa 200 Euro für erneuerbare Energien.Wenn dieser Preisanstieg wie in den letzten Jahren weitergeht,werden in zwei Jahren nicht, wie dieses Jahr,22 Prozent des Strompreises, sondern wird bereits einDrittel des Strompreises auf die erneuerbaren Energienzurückgehen. Diese Entwicklung kann so nicht weitergehen.Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung– das ist kein Gewurstel, sondern ein einhelliger Vorschlag,der zwischen Peter Altmaier und Philipp Röslerabgestimmt ist – den Anstieg der EEG-Umlage in dennächsten zwei Jahren mit einer Strompreisbremse verlangsamenwill.(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Ein Vorschlag zum Stopp des Ausbausder erneuerbaren Energien ist das!)(C)(B)Thomas Bareiß (CDU/CSU):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Unsere heutige Debatte hat einerseits die GroßeAnfrage der SPD zum Inhalt, aber auch drei Oppositionsanträgezum Thema „Energiepreise und Energieeffizienz“.Wie in vielen Verlautbarungen der letztenWochen findet man auch in diesen drei Anträgen großeWorte, viele Ankündigungen, viele Forderungen; aberwenn es konkret wird, fehlt den Antragstellern der Mut.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen dieRichtigen!)Frau Schwarzelühr-Sutter, wenn Sie uns vorwerfen,dass wir, wie wir Schwaben sagen, herumwursteln – ichbin, wie man hört, auch aus Schwaben –,(Rita Schwarzelühr-Sutter [SPD]: Ich bin ausBaden!)dann kann ich dazu nur sagen: Das, was wir von Ihnendie letzten Wochen erlebt haben, ist ein großes Gewurstelgewesen. Ich will dazu nur einige Beispiele nennen:Wenn es konkret darum geht, den Anstieg der Energiepreisezu bremsen, sagen Frau Kraft und Herr Duin:Wir kämpfen weiterhin für die Ausnahmen im Bereichder Industrie. – Hier sagt Rot-Grün immer: Wir müssendie Ausnahmen für die Industrie verringern.(D)(Ulrich Kelber [SPD]: Sie hören nach dem halbenSatz zu zitieren auf, das ist das Problem,Herr Bareiß!)Herr Fell und Herr Kelber sagen einmütig: Der zukünftigeAusbau der erneuerbaren Energien darf nicht begrenztwerden.Wir wollen versuchen, die EEG-Umlage bei 5,277 Centje Kilowattstunde zu belassen, und nehmen alle in dieVerantwortung und Verpflichtung, ihren Beitrag dafür zu


28024 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Thomas Bareiß(A)leisten, dass die EEG-Ausbaukosten nicht aus dem Ruderlaufen. Alle müssen ihren Beitrag leisten.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Kollege, der Herr Kelber würde Ihnen gerne eineZwischenfrage stellen. Möchten Sie sie zulassen?Ich glaube aber, dass Peter Altmaier mit seiner Zahlfast richtig liegt. Ich kann nicht sagen, ob es 1,1 BillionenEuro oder 900 Milliarden Euro sein werden, aber einesist klar: Die Energiewende ist das größte und sicherherausforderndste Projekt der nächsten 30, 40 Jahre. DasProjekt wird nicht schon 2020 oder 2030 abgeschlossensein, sondern es wird noch wesentlich länger dauern.Wenn ich allein nur die heutige EEG-Umlage, die wirzahlen, hochrechne, ohne dass es in den nächsten Jahrenzu einem Zubau kommt, kommen wir schon heute aufGesamtkosten von 400 Milliarden Euro, lieber HerrKelber. Darin sind noch keine Kosten für den Leitungsausbau,für die Speicher, die wir brauchen, für das Verteilnetz,das wir brauchen, und für die Energieforschung,die wir brauchen, und auch keine Investitionen in dieGebäudesanierung enthalten. Insofern glaube ich, dass ermit dieser 1 Billion Euro relativ richtig liegt und dass essicherlich nicht viel günstiger wird.Ich glaube, wir müssen hier den Menschen reinenWein einschenken und ihnen einerseits sagen, wo dieChancen liegen und wie unsere Wirtschaft davon profitierenkann, andererseits dürfen wir sie aber nicht anlügenund sagen, dass wir das alles ganz einfach hinkriegen,sondern wir müssen auch die Kosten ganz klar unddeutlich aufzeigen. Wie gesagt: Ich glaube, dass wir hiermit 1 Billion Euro nicht ganz falsch liegen.(C)(B)Thomas Bareiß (CDU/CSU):Immer wieder gerne.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Bitte schön.Ulrich Kelber (SPD):Herr Kollege Bareiß, Sie haben sich ja gerade zu einerPrognose hinsichtlich der Kosten der Förderung der erneuerbarenEnergien hinreißen lassen. Das hat der Umweltministerja auch gemacht. Er hat gesagt, das würde1 Billion Euro kosten. Dazu brauche ich eine Einschätzungvon Ihnen.Er hat diese Aussage ja in einem Interview getroffen,also in der freien Wildbahn. Hier liegen jetzt Antwortenauf eine Große Anfrage vor, die im Juli 2012 gestelltwurde. Nach sieben Monaten haben wir die Antwortenbzw. die Nichtantworten. Wenn ich mich richtig erinnere,müssen die Antworten nach der Geschäftsordnungdes Bundestages wahrheitsgemäß sein.Wahrheitsgemäß ist auf die Frage, wie hoch die Kostenfür den Ausbau bestimmter erneuerbarer Energiensind, geantwortet worden: Das weiß die Bundesregierungnicht.Auf die Frage, welche Investitionskosten entstehenwürden, wenn wir die erneuerbaren Energien nicht ausbauen,sondern weiter auf konventionelle Energien setzenwürden, erhielten wir die wahrheitsgemäße Antwortder Bundesregierung: Wissen wir nicht.Auf die Frage – um jetzt einmal weg vom Strom undhin zur Wärme zu kommen –, wie viel man für welcheInvestitionen im Bereich von Wärme- und Effizienzmaßnahmeneinsparen kann, ist die wahrheitsgemäßeAntwort der Bundesregierung: Wissen wir nicht.Würden Sie mir, wenn die drei Antworten wahrheitsgemäßsind, dass man die Kosten nicht kennt, zustimmen,dass die Aussage, es kostet 1 Billion Euro, dannnicht wahrheitsgemäß sein kann?Thomas Bareiß (CDU/CSU):Ich glaube, diese Frage müssen Sie an die Bundesregierungrichten.(Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN – Rita Schwarzelühr-Sutter[SPD]: Die haben wir gestellt! – OliverKrischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wirhaben diese Frage gestellt!)– Ich bin Mitglied des Parlaments; Entschuldigung, aberdas ist nun einmal ein kleiner Unterschied.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Kollege, Sie könnten Ihre Redezeit jetzt nocheinmal verlängern, indem Sie Herrn Kollegen Fell dieMöglichkeit zu einer Zwischenfrage geben.Thomas Bareiß (CDU/CSU):Ja, natürlich, sehr, sehr gerne. Wir haben ja Zeit heuteAbend.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Bitte schön.Thomas Bareiß (CDU/CSU):Herr Fell, bitte schön.Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vielen Dank. – Herr Kollege Bareiß, Sie haben geradegesagt, wir müssten die Bundesregierung fragen,wenn wir wissen wollten, wie die 1 Billion Euro errechnetworden sei. Ich habe die Bundesregierung gefragtund auch eine Antwort bekommen. Vor allem habe ichgefragt, welches denn die wissenschaftlichen Grundlagenseien und welche Quellen es für die Berechnunggebe, weil wir das gerne nachvollziehen wollten.(Rolf Hempelmann [SPD]: Das ist das Bauchgefühldes Bundesministers!)Die Antwort der Bundesregierung war, diese hätteHerr Minister Altmaier in einem Interview für die FAZbenannt. Ich habe in dem Interview nachgeschaut. Darinstehen keine Quellen, keine wissenschaftlichen Belegeund anderes. Insofern möchte ich Sie bitten, mir zu sagen,was Ihr Rat wert ist, wir sollten die Bundesregie-(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28025Hans-Josef Fell(A)(B)rung fragen, wenn die Bundesregierung diese Fragenicht richtig beantwortet.Zu der zweiten Frage, nämlich dazu, wie hoch dieKosten wären, wenn wir nicht umstellen, gibt es immerhineinmal einen Anhaltspunkt, und ich bitte Sie, diesenzu bewerten:Wir haben Brennstoffkosten in Höhe von etwa80 Milliarden Euro, die wir aufgrund der Importe vonErdgas, Erdöl und Kohle zahlen müssen.(Ulrich Kelber [SPD]: Das weiß die Bundesregierungnicht!)– Das kann man beim Statistischen Bundesamt und anderswonachlesen. – Wenn wir nun die Energiewendemit erneuerbaren Energien durchführen, vermeiden wirdiese doch. Wenn wir das über 20 Jahre hochrechnen,dann kommen wir übrigens weit über 1 Billion Euro.Wie können Sie denn behaupten, dass diese Kosten eineBelastung für die Ökonomie sind? Wir kommen wegvon den Belastungen der Ökonomie!(Beifall des Abg. Oliver Krischer [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN] – Ulrich Kelber[SPD]: Das wussten sie nicht!)Thomas Bareiß (CDU/CSU):Herr Fell, ich habe versucht, es zu erklären. Ich ratedazu, auch normalen Menschenverstand einzuschalten.Wir alle wissen, dass die heutigen EEG-Anlagen, die wirhaben, 20 Milliarden Euro kosten. Die nächsten 20 Jahre(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Danach habe ich nicht gefragt!)sind die noch alle am Netz. Das heißt, wenn wir die Zahlen,die wir für die bestehenden Anlagen haben, für diekommenden 20 Jahre aufsummieren, dann sind wir bei400 Milliarden Euro.(Ulrich Kelber [SPD]: Sie verwechseln schon wiederAusgaben und Kosten!)Sie wollen aber sogar weitermachen mit dem EEG-Ausbau. Dann kommen noch einmal 100, 200 oder300 Milliarden Euro dazu. Hinzu kommen noch Kostenfür den Netzausbau im Überlandbereich in Höhe von 80oder 90 Milliarden und für den Verteilnetzbereich inHöhe von 30, 40, 50 Milliarden Euro.(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Haben Sie denn die Kosteneinsparungendagegen gerechnet? Das war die Frage!)Wenn wir dann noch den Speicherbereich dazu zählen,dann haben wir wahrscheinlich noch einmal 50 MilliardenEuro. Das sind Summen, die sich in den nächsten30, 40 Jahren noch einmal erheblich nach oben entwickeln.Dann sind wir relativ schnell bei 1 Billion Euro.Ich sage ja nicht, dass die Chancen nicht gesehen werdendürfen.(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Sie sehen die nicht!)Ich sage auch, man muss beides sehen: Man muss dieRisiken, die Kosten sehen, aber auch die Chancen. Umdiese Debatte glaubwürdig zu führen,(Zurufe von der Linken)müssen wir beides sehen und offen und ehrlich mit denMenschen umgehen. Wir müssen Lösungsansätze finden,um diese enorme Steigerung bei den Energiekostenin den Griff zu bekommen. Deshalb haben wir jetzt zumGlück den Vorschlag einer Strompreisbremse vorliegen,(Widerspruch bei der Linken)bei dem wir schauen können, inwieweit Sie mitmachen.Es gibt verschiedene Punkte, bei denen wir eventuellIhre Hilfe brauchen.Erster Punkt: Thema Industrieausnahmen(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was wollen Siedenn da?)und Eigenerzeugnisse, wo wir 40 Prozent – –(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, wie denn?)– Ja, da wollen wir jetzt drangehen. Schauen wir einmal,wo Sie mitmachen.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Herr Kollege, ich hätte jetzt noch eine Möglichkeitfür Sie, Ihre Redezeit zu verlängern. Ihr Kollege Grundhätte nämlich auch noch eine Zwischenfrage. MöchtenSie die auch zulassen?Thomas Bareiß (CDU/CSU):Sehr schön. Ja, gern.(C)(D)Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:Bitte schön.Manfred Grund (CDU/CSU):Man merkt an der Überraschung, dass es keine bestellteFrage sein wird.(Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN und der LINKEN)Weil wir bei der Größenordnung der Zahlen sind: Je20 Milliarden Euro EEG-Umlage in den nächsten20 Jahren. Man kann sich ja auch ausrechnen, wie vielKaufkraft und wie viel Finanzvolumen damit gebundenwerden. Die Frage ist ja, für welches Ergebnis.Ich habe in dieser Woche bei der Bundesregierung angefragt,und ich würde Ihnen das gern einmal vorlegen,damit Sie mir sagen können, ob das Ergebnis überhauptin einem angemessenen Verhältnis zu dem Nutzen steht.Ich habe gefragt: Wie hoch war die im Monat Januar2013 in der Bundesrepublik Deutschland verbrauchteelektrische Arbeit in Terawattstunden, und welchen Anteildaran hatte der durch Photovoltaik erzeugte Strom?(Ulrich Kelber [SPD]: Da kann ich Ihnen dieWebsite sagen, auf der das steht! Da brauchenSie nicht die Bundesregierung zu fragen! – Zurufdes Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


28026 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Manfred Grund(A)– Ja, ich wollte die Zahl: 0,8 Prozent. Also, Photovoltaikhat im Januar dieses Jahres zu 0,8 Prozent an der inDeutschland verbrauchten elektrischen Arbeit teilgehabt,und zwar zu Kosten von 20 Milliarden Euro proJahr.Der dritte Punkt wird sein, die zukünftigen Anlagen,die noch kommen werden, ebenfalls mit in die Verantwortungzu nehmen und die Vergütungssätze Stück fürStück zu reduzieren. Das wird mit 660 Millionen Euronoch einmal 35 Prozent ausmachen.Nun geht es ganz konkret darum, ob Sie bei den Bestandsanlagen,bei den Industrieanlagen und bei den Anlagen,die zukünftig kommen werden, mitmachen werden.Nur wenn wir es gemeinsam schaffen, dasGesamtpaket umzusetzen, werden wir die EEG-Umlagein den nächsten zwei Jahren auf ein gesundes Maß einfrierenund bei 5,277 Cent pro Kilowattstunde haltenund damit die Energiewende nicht nur für die Menschen,sondern auch für die Wirtschaft und im Hinblick auf unsereArbeitsplätze bezahlbar machen können.(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Sie wollen doch gar keine Energiewende!)Wenn wir dies schaffen und die EEG-Vergütung zweiJahre lang eingefroren werden kann, dann können wiruns auch die Zeit nehmen, zu diskutieren, wie das zukünftigeEEG aussehen soll.(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Quatsch!)Es wird darauf ankommen, für mehr Markt und Wettbewerbzu sorgen und so die erneuerbaren Energien zukunftssicherund nachhaltig zu machen. Auch da werdenwir sicherlich sehr viel diskutieren und langfristige Ideenbrauchen.Wir haben aber nicht nur vor, das EEG zu ändern. Wirhaben schon in den letzten drei Jahren vieles bei denEnergiepreisen und der Energieeffizienz bewirkt. Ichhabe das Thema Solarenergie schon angesprochen. Wirhaben hier die Vergütung um 70 Prozent reduziert, umfür mehr Wirtschaftlichkeit zu sorgen. Wir haben dieFörderung der Energieeffizienz der Gebäude massiv ausgebaut.So fließen nun jedes Jahr 1,8 Milliarden Euro indie Verbesserung der Gebäudeenergieeffizienz. Das istein Betrag, der jedem Häuslebauer hilft und dafür sorgt,dass Energie eingespart wird. Ich nenne die Mietrechtsnovelle.Des Weiteren haben wir versucht, eine steuerlicheFörderung der energetischen Gebäudesanierunggegen Ihren Willen durchzusetzen.(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Hört!Hört!)Das haben wir nicht geschafft. Dort, wo Sie Verantwortungtragen, wurde ein Ausbau der Energieeffizienz immerwieder verhindert. Wir haben mit der Förderung vonWettbewerb und Transparenz einiges auf dem Kraftstoffmarktgetan. Ich nenne als weiteres Stichwort die Stromsparinitiative.Das ist eine in sich schlüssige und glaubwürdige Politik.Nur so kann die Energiewende gelingen. Ich fordereSie auf: Machen Sie mit! Nehmen Sie das Thema Energiepreiseernst,(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nehmen Siedas mal ernst!)und machen Sie auch bei der Strompreisbremse mit!(C)(Zurufe von der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Ist dies noch verhältnismäßig?Thomas Bareiß (CDU/CSU):Mit der Frage der Verhältnismäßigkeit habe ich michin den letzten drei Jahren intensivst beschäftigt: in etlichenDebatten zur PV-Novelle innerhalb des EEG, wowir dafür gekämpft haben, dass wir Stück für Stück dieEEG-Umlage gerade im Bereich der PV-Anlagen, derSolaranlagen, reduzieren. Wir haben es trotz erbittertenWiderstands geschafft,(B)(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Moment! Wenn sie nicht einspeisen,bekommen sie keine Vergütung!)die Vergütung im Bereich der Solarenergie um 70 Prozentzu reduzieren und damit das, was Sie beschreiben,nämlich diese enorme Kostensteigerung im Bereich derPhotovoltaik bei relativ wenig Ertrag, in den Griff zu bekommenund damit auch ein Stück weit mehr Sinn indiese Energiedebatte zu bekommen.(Ulrich Kelber [SPD]: Können Sie ausrechnen,wie viel für Solar ausgegeben wurde, wenn Sienicht einspeisen? – Null!)Insofern haben wir den Punkt angepackt.Die Zubauraten, die wir in den letzten Jahren im Bereichder Solarenergie hatten, gehen in eine ganz falscheRichtung. Wir müssen da wieder auf ein sinnvolles Maßan Zubauraten in einer Größenordnung von 1 000 bis2 000 Megawatt kommen. Die 7 500 Megawatt in denletzten Jahren waren – gelinde ausgedrückt – nicht immerganz sinnvoll. Deshalb ist der Punkt, den Sie ansprechen,sehr wichtig. Da sieht man, dass vieles fehlgesteuertwurde, viel Geld in Bereichen ausgegeben wurde, beidenen verhältnismäßig wenig herauszuholen ist. – HerzlichenDank.(Manfred Grund [CDU/CSU]: Bitte!)Zur Strompreisbremse. Wir haben – ich will jetzt aufmeinen ursprünglichen Redebeitrag zurückkommen – inallen Bereichen die Verantwortlichen zu benennen. DieIndustrieanlagen, die Eigenerzeugnisse wollen wir anpacken;die werden anteilig circa 40 Prozent liefern. Wirwollen aber auch, dass die Bestandsanlagen, die imEEG-Topf mit 14,5 Milliarden Euro den größten Brockenausmachen, ihren Beitrag leisten. Das ist ein Punkt,der natürlich auch für uns nicht ganz einfach ist und überden wir ebenfalls noch diskutieren werden. Aber wirwerden die EEG-Kosten nur dann begrenzen können,wenn wir auch ein Stück weit die Bestandsanlagen mit500 Millionen Euro mit ins Boot holen. Das macht25 Prozent aus.(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28027Thomas Bareiß(A)Herzlichen Dank, meine sehr verehrten Damen undHerren.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Ausbaustopp bei den Erneuerbaren machenwir nicht mit! Da brauchen Sie keineAngst zu haben!)(Ulrich Kelber [SPD]: Die hoffen, abgelöst zuwerden!)Letzter Punkt. Über die Notoperation, die Sie jetztvorschlagen, können wir gerne reden. Wir haben eigeneVorschläge gemacht, weil wir das Thema Bezahlbarkeitsehr ernst nehmen. Aber was nicht geht, ist, dass Sie Investitions-und Planungssicherheit in diesem Land zerstören,indem Sie rückwirkend in den Bestand eingreifen.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Ausländische Investoren achten genau darauf, was inDeutschland in diesem Bereich geschieht. UnterhaltenSie sich bitte auch mit den großen Energieversorgern,mit den Anbietern erneuerbarer Energien und mit denHerstellern von Anlagen in diesem Land über die fataleWirkung dieser Art und Weise, Politik zu machen!Ich sage Ihnen: Industriepolitisch gesehen – das istmein Schluss – haben Sie eine Antwort nicht gegeben.Sie versuchen, bei uns einen Widerspruch hinsichtlichder Ausnahmen für energieintensive Betriebe zu konstruieren.Da gibt es aber überhaupt keinen Widerspruch.Wir sind der festen Überzeugung, dass Unternehmen,die tatsächlich energieintensiv sind, die alle Möglichkeitenzur Steigerung der Energieeffizienz genutzt habenund die im internationalen Wettbewerb stehen, nichtstärker belastet werden dürfen. Sie machen mit HerrnAltmaier jedoch einen gegenteiligen Vorschlag. Sie wollenauch Unternehmen belasten, die Maßnahmen zurEnergieeffizienzsteigerung ergriffen haben und im internationalenWettbewerb stehen.(C)(B)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort demKollegen Hubertus Heil.(Rita Pawelski [CDU/CSU]: Ach Mensch,Herr Heil, müssen Sie wirklich reden?)Hubertus Heil (Peine) (SPD):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrterHerr Bareiß, ich habe mich schon ein bisschen gewundert,weil neben der Großen Anfrage, die dankenswerterweisemeine Kollegin Rita Schwarzelühr-Sutterfederführend und verdienstvoll auf den Weg gebrachthat, ein Antrag meiner Fraktion vorliegt, den man lesenund auf den man sich beziehen kann.Ich frage Sie also, Herr Bareiß: Was ist eigentlich Ihrepersönliche Meinung zum Thema Stromsteuer? Wie Siewissen, hat der Bund alleine durch die Mehrwertsteuerauf die erhöhte EEG-Umlage Mehreinnahmen in Höhevon 1 Milliarde Euro jährlich. Meine ganz konkreteFrage lautet angesichts von Äußerungen der sächsischenStaatsregierung und auch aus der CSU: Sind Sie bereit,den Verbraucherinnen und Verbrauchern kurzfristig zuhelfen, indem etwas im Bereich der Stromsteuer getanwird?(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Wer hat sieeingeführt?)Ich möchte Ihre persönliche Meinung als Abgeordneterwissen. Das ist der erste Punkt.Zweitens. Ich sage Ihnen ganz deutlich, Herr Bareiß,was Ihr Problem ist. In dieser Legislaturperiode hätte derStrommarkt in Deutschland umfassend neu geordnetwerden müssen. Tatsache ist: Das Erneuerbare-Energien-Gesetzist ein Riesenerfolg; sonst läge der Anteilder erneuerbaren Energien in Deutschland nicht bei rund25 Prozent. Aber Sie haben Zeit durch Laufzeitverlängerungenfür Kernkraftwerke, durch eine 180-Grad-Wendeund durch ein Verhaken zwischen Wirtschafts- undUmweltministerium verplempert. Jetzt, am Ende derLegislaturperiode, kommen Sie mit durchschaubarenManövern, die dazu dienen sollen, den Schwarzen Peter– nicht Peter Altmaier – für die gestiegenen Energiekostenanderen zuzuschieben. Ich sage Ihnen: Sie habenDeutschland in der Energiepolitik vier Jahre gekostet.Deshalb würde ich von Ihnen gern wissen: Warum habenSie eigentlich nie Vorschläge für eine Neuordnung desStrommarkts bzw. für ein anderes Strommarktdesign gemacht?Wir brauchen eine Neuordnung, um den Ausbauder Erneuerbaren vernünftig voranzubringen, gesicherteKapazitäten bereitzustellen sowie die Bezahlbarkeit zuerhalten und den Netzausbau nach vorne zu bringen. Ihnenfehlt die Vorstellung, wie es weitergehen soll.Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Herr Kollege Heil, die Zeit ist abgelaufen.Hubertus Heil (Peine) (SPD):Das nenne ich industriepolitischen Irrsinn. Sie habenökonomisch gesehen die falsche Richtung eingeschlagen.Sie sollten umkehren.(Beifall bei Abgeordneten der SPD)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Herr Kollege Bareiß zur Erwiderung, bitte.(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Aber nichtso kurz! – Rolf Hempelmann [SPD]: Ein umfassendesGeständnis reicht!)Thomas Bareiß (CDU/CSU):Herzlichen Dank, Herr Heil, für die Fragen. – Ichfinde es interessant, festzustellen, dass in Ihrer Fraktionzwischenzeitlich ein Bewusstseinswandel stattgefundenhat, was das zukünftige Marktdesign betrifft. Wenn ichmit den Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion überdas Thema Energie diskutiert habe, habe ich bisher immerden Eindruck gehabt, dass Sie zwanghaft am EEGfesthalten und keine einzige Reform des EEG vorsehen(D)


28028 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Thomas Bareiß(A)(B)wollen. Das war die Debatte der vergangenen drei Jahre.Sie haben zwanghaft am EEG festgehalten.(Rolf Hempelmann [SPD]: Sie haben doch garkeinen Vorschlag gemacht! – Hans-Josef Fell[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Strommarktdesign,aber nicht EEG abschaffen!)Wenn wir im EEG Kleinigkeiten novellieren wollten,gab es von Ihrer Seite aus immer nur Widerspruch, nichteinmal konstruktiven Widerspruch. Sie waren immer nurdagegen, weil Sie jede Änderung des EEG immer sofortals einen Angriff auf die erneuerbaren Energien gewertethaben. Das hat die Debatte auch enorm vergiftet.(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: GroßerQuatsch!)Wenn wir ein Marktinstrument eingebaut haben wie dieMarktprämie beispielsweise, indem wir versucht haben,die erneuerbaren Energien Stück für Stück an den Marktzu bringen, waren Sie immer dagegen. Sie waren immerdagegen, dass die erneuerbaren Energien in den Markteintreten, obwohl diese das könnten. Erneuerbare Energiensind nämlich schon so weit, dass sie Stück für Stückin den Markt eintreten können. Sie brauchen nicht mehrdie für 20 Jahre fest vereinbarte Vergütung; sie brauchendie Bevorzugung nicht.Ich glaube, wir sind dabei schon ein Stück weiter alsSie. Wir werden jetzt ganz unaufgeregt kurzfristigeMaßnahmen vorschlagen. Das haben wir bereits zumThema Strompreise gemacht, da wir gesehen haben, dasswir das Thema kurzfristig angehen müssen. In dennächsten zwölf Monaten brauchen wir eine Phase, in derwir das große Thema von EEG und EnWG, die Verbindungder fossilen Kraftwerkswelt mit der Welt dererneuerbaren Energien, anpacken. Das wird die größteReform der nächsten 20 Jahre sein.(Dorothée Menzner [DIE LINKE]: Könnenwir als Drohung auffassen!)Das wird die Grundlage der Energiewelt der nächsten30 bis 40 Jahre sein. Dabei dürfen wir keine Schnellschüssemachen. Wir müssen schauen, was jetzt sinnvollund machbar ist. Ich glaube, dabei bekommen wir auchgemeinsam etwas hin.Deshalb glaube ich, dass die Stromsteuer – damitkomme ich zu der Frage, die Sie gestellt haben – keinAnsatz ist, um das Ganze langfristig in den Griff zubekommen. Jetzt die Stromsteuer abzuschaffen, wäre einTaschenspielertrick. Dadurch würden wir anderswoLöcher aufreißen, nämlich bei der Rente. Das haben Sie1999 eingeführt.(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Mehreinnahmen inder Mehrwertsteuer von 1 Milliarde!)Sie haben damals die Stromsteuer erfunden. Damit habenSie die Rente finanziert. Wir wollen das jetzt nichtmehr abschaffen. Vielmehr glauben wir, dass wir langfristigausgerichtete, nachhaltige und ehrliche Debattenüber das EEG und die Energieversorgung und auch ehrlicheLösungen brauchen. Deshalb müssen wir dasThema grundsätzlich angehen. Das über die Stromsteuerzu versuchen, wäre der falsche Weg. Deshalb bin ich gegendie Senkung der Stromsteuer und auch gegen dieAbschaffung der Stromsteuer.Herzlichen Dank.(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Dann fangen Sie mit der Ehrlichkeitmal an!)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Jetzt hat die Kollegin Dorothée Menzner von derFraktion Die Linke das Wort.(Beifall bei der LINKEN)Dorothée Menzner (DIE LINKE):Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!Was kostet die Energiewende? Umweltminister Altmaier– das wurde zitiert – hat neulich von 1 Billion Euro gesprochen.Da fragt man sich: Ist das Wirklichkeit oderPanikmache? Wie kommt er eigentlich darauf?Die Bundesregierung führt keine Vergleichsrechnungder Kosten der atomaren und fossilen Energieerzeugungim Verhältnis zu den Kosten der erneuerbaren Energien.Die Bundesregierung hat keine Vorstellung von derkünftigen Preisentwicklung fossiler und atomarer Brennstoffe.Die Bundesregierung hat keine Vorstellung davon,wie sich die CO 2 -Preise entwickeln werden. DieBundesregierung hat keine Vorstellung davon, welcheWertschöpfung die Branche der erneuerbaren Energienin diesem Land bringt, nicht einmal für den nahen Termin2020. Die Bundesregierung hat keine Vorstellungdavon, wie hoch die Klimafolgekosten von 1 TonneCO 2 -Ausstoß sind.All das kann man der Antwort auf die Große Anfrageder SPD entnehmen, die wir uns natürlich sehr genau angeschauthaben.Ich frage Sie: Wie kann man so völlig ohne Vorstellungenvon zukünftigen Preisentwicklungen Aussagenzu zukünftigen Kosten machen? Das erschließt sich mirnicht. Tut mir leid.(Beifall bei der LINKEN)Die Bundesregierung gibt immer Auskunft darüber,was die Energiewende kostet. Aber was sie verschweigt,ist, wie hoch die Kosten denn sein werden, die auf unszukommen, wenn wir so weitermachen wie bisher. Dakann ich nur sagen: Es müssen externe Kosten in dieRechnung mit einbezogen werden.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Das Umweltbundesamt rechnet mit Folgekosten von wenigstens40 Euro pro ausgestoßener Tonne CO 2 . Ichkenne andere Schätzungen, die sogar bis zu 120 Euroreichen. Schauen Sie doch alle einmal nach, was Ihr Pkwso an CO 2 -Ausstoß hat!Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, DIW,beziffert die Klimafolgekosten allein für Deutschlandwirklich konservativ auf 800 Milliarden Euro. Steigende(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28029Dorothée Menzner(A)(B)Ressourcenpreise, Ressourcenkämpfe, Ressourcenkriege,all das gibt es schon längst, und es wird sich besonders imHinblick auf wachsenden Energiebedarf aufstrebenderLänder weiter verschärfen. Auch Rüstungsausgaben sindimmer mehr Kosten der fossil-atomaren Energie. Folgekostender Atomkraft, Stichwort: „Atommüll“ – wir hattenvorhin die Debatte zur Asse –, sind weitere möglicheKosten, von der Möglichkeit eines Super-GAUs inDeutschland oder einem Nachbarland ganz zu schweigen.All das sind externe Kosten der bisherigen Energiewirtschaft.Damit sind die aus der Luft gegriffenen 1 BillionEuro an Kosten für eine ökologische Energiewende beiweitem überboten; man wird es sich denken können.Was macht die Bundesregierung? Sie plant den Abschussdes Erneuerbare-Energien-Gesetzes und bringtdadurch nicht nur die Energiewende in Gefahr, sondernauch eine Branche mit 381 000 Arbeitsplätzen inDeutschland. Dazu argumentiert sie seit langem daserste Mal – es ist wirklich so – mit einer sozialen Komponente:Der Strompreis sei durch die erneuerbarenEnergien so angestiegen, dass genau an dieser StelleAbstriche gemacht werden müssten.Fakt ist: Der Strompreis ist seit 2000 auf das Doppeltegestiegen; das ist richtig. Aber davon ist wirklich nur einDrittel tatsächlich dem Ausbau der erneuerbaren Energienzuzurechnen. Was hingegen eklatant gestiegen ist,sind die Ausnahmen für die energieintensive Industriebeim Strompreis, bei der Stromsteuer, bei der EEG-Umlage und bei Netzentgelten. Reden Sie also nicht vonsozialer Gerechtigkeit, wenn Sie gar keine Vorstellungdavon haben, wie Sie sie herstellen wollen!(Beifall bei der LINKEN)Würden wir die gesamten Folgekosten der fossilenund atomaren Energieerzeugung allein im Stromsektorauf den Preis aufschlagen, dann wären wir längst bei einemStrompreis von 40 Cent pro Kilowattstunde. Daswürde man dann, anders als bisher, auch sehen.Energiewende bedingt, wenn man es klug und vorallem günstig machen will, Energieeffizienz. Ich binRealistin genug, um zu erkennen, dass Sie unserem Antraghier nicht zustimmen werden. Aber ich würde Ihnenraten: Dann machen Sie es doch wie so oft: Benutzen Sieihn als Steinbruch für Ihre zukünftige Arbeit!(Beifall bei der LINKEN)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.Dorothée Menzner (DIE LINKE):Wir fordern Sie auf: Schlagen Sie einen anderen Wegein! Es wäre besser für alle, wenn Sie endlich Einsichthätten, dass Kohle und Atomenergie Dinosaurier sind,dass wir so nicht weiterkommen und entsprechendhandeln müssen. Allein dann hätte das eine wirkliche sozialeKomponente.Ich danke.(Beifall bei der LINKEN)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege KlausBreil.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Klaus Breil (FDP):Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!Lassen Sie mich zunächst etwas Aufklärung imHinblick auf aufgeworfene Fragen geben, was die1 000 Milliarden bzw. 1 Billion Euro für die ökologischeEnergiewende betrifft. Es gibt ein Sondergutachten desSachverständigenrates für Umweltfragen aus dem Jahr2011. Es enthält auf Seite 179 eine Folie – ich empfehlesie Ihrer besonderen Aufmerksamkeit –, und da könnenSie sehen, wie sich die entsprechenden Zahlen entwickelnund wie die Zahl von 1 Billion Euro bzw.1 000 Milliarden Euro zustande kommt.(Rolf Hempelmann [SPD]: Ist das jetzt dieAntwort auf die Große Anfrage?)Sie müssen dabei nur noch berücksichtigen, dass derAufwuchs in den letzten Jahren die Kurven von damalsein ganz klein wenig gesprengt hat.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beschäftigenuns heute mit den Anträgen der Opposition, die vorüber einem Jahr gestellt wurden. In letzter Minute kamein Entschließungsantrag der SPD dazu, wahrscheinlichum der Debatte zumindest den Anschein von Aktualitätzu geben.(Lachen bei der SPD – Ulrich Kelber [SPD]:Das ist nicht in Ordnung, wenn sich Ihre Antwortverzögert, das uns vorzuwerfen! –Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was sind Sie fürein Parlamentarier?)Allerdings kann man diesen Entschließungsantrag schonnach den ersten Zeilen nicht mehr ernst nehmen. Die Regierungskoalitiondafür anzugreifen, dass die Kürzungender Vergütung für Photovoltaik in den EEG-Novellennicht ausreichend waren, um die Umlage wirkungsvollzu begrenzen, müsste den Genossen die Schamesröte insGesicht treiben. Den ganzen restlichen Winter könnteich mit Pressemitteilungen und Namensartikeln heizen,in denen Sie uns anklagen, die Solarbranche, Ihre Amigos,kaputt zu machen, in denen Sie den Bürgerinnenund Bürgern glauben machen, die Photovoltaik wäre dieErsatzlösung für den Wegfall der konventionellen Kapazitäten,in denen Sie uns vorwerfen, die Energiewendeganz und gar nicht zu wollen. Dabei waren Sie es doch,die den letzten Kürzungsversuch im Bundesrat blockierthaben. Das ist hochrangig unseriös, was Sie, die Genossenvon EUROSOLAR, mit diesem Entschließungsantragtun.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Ulrich Kelber [SPD]: Wann? Welche Kürzungsvorschläge?Nennen Sie mal ein Datum! – Diezweite bewusste Unwahrheit, Herr Breil!)(C)(D)


28030 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Klaus Breil(A)(B)In dem einem Jahr, das vergangen ist, seit die anderenAnträge geschrieben wurden, ist nicht nur die Oppositionvon der Realität eingeholt worden. Nein, auch dieEnergieeffizienzrichtlinie der EU, auf die in den Anträgeneingegangen wird, wurde vom Europäischen Ratverabschiedet.Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Herr Kollege Breil, die Kollegin Schwarzelühr-Suttermöchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.Klaus Breil (FDP):Ich möchte gerne meine Gedanken zu Ende führen.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Wennes mal welche wären! – Ralph Lenkert [DIELINKE]: Ich habe noch keine gesehen!)Im vergangenen Jahr ist die Richtlinie im Dezemberin Kraft getreten. Sie muss bis zum Juni 2014 in nationalesRecht umgesetzt werden. Die schwarz-gelbe Bundesregierungwird das mit Freude in der kommenden Legislaturperiodetun.Unser Ziel ist es, mit der Richtlinie einen Beitrag zurErreichung des EU-Energieeffizienzziels bis 2020 zuleisten,(Ulrich Kelber [SPD]: Warum ist der nur halbso hoch wie die Ziele?)die Hebung von wirtschaftlichen Potenzialen zur Energie-und Stromeinsparung zu unterstützen, die Verbrauchervon steigenden Energie- und Strompreisen zu entlasten(Ulrich Kelber [SPD]: Warum haben Sie dieEffizienzvorgaben dann verwässert?)und den Markt für Energiedienstleistungen weiter zustärken bzw. auszubauen.Allerdings müssen wir bei allen Regelungen daraufachten, dass erstens der bereits bestehende und bewährteMix an Instrumenten zur Steigerung der Energieeffizienzfortgeführt und zweitens zusätzlicher bürokratischerAufwand minimiert wird. Deshalb sollten wir die Richtlinieeins zu eins umsetzen.Bis 2020 soll der Primärenergieverbrauch gegenüber2008 um 20 Prozent, bis 2050 um 50 Prozent sinken.Das erfordert für uns in Deutschland pro Jahr eine Steigerungder Energieproduktivität um durchschnittlich2,1 Prozent.Gemäß dem Monitoring-Bericht – Sie alle kennenihn – haben wir in diesem Bereich schon vorzeigbare Ergebnissegeliefert. Im Zeitraum 2008 bis 2011 ist dieEnergieproduktivität jährlich im Durchschnitt um 2 Prozentgestiegen. Wir befinden uns also auf dem Zielpfadund müssen den Trend nur noch geringfügig verstärken.(Ulrich Kelber [SPD]: Ach Gott!)Die in der vorigen Woche veröffentlichte Studie derPrognos AG – Sie alle werden sie gelesen haben – hatalle laufenden und geplanten politischen Maßnahmenauf ihre Energieeinspareffekte im Zeitraum 2014 bis2020 untersucht. Die Gutachter bescheinigen für diesenZeitraum sogar eine leichte Übererfüllung der europäischenEinsparvorgabe. Dabei ist schon eingerechnet,dass die Vorleistungen bei Einsparungen, die Deutschlanderbringt, nur zu 25 Prozent auf das Einsparziel inArt. 7 der Richtlinie angerechnet werden dürfen. Daszeigt uns eines: In Deutschland hat sich in den letztenJahrzehnten ein breiter und bewährter Mix an Instrumentenzur Steigerung der Energieeffizienz entwickelt, unddieser Mix unterliegt einer fortlaufenden Weiterentwicklungoder – besser gesagt – einer Optimierung.Die Maßnahmen, die wir in Deutschland bisher umgesetzthaben, tragen wesentlich zur Verringerung desEndenergieverbrauches bei. Auch wenn ich hohe Energiepreisein keiner Form befürworte, werden doch in erheblichemUmfang Einsparimpulse gesetzt. Aber auchdie Energieeffizienz von Produkten und Dienstleistungenwird kontinuierlich gesteigert oder die Nutzungenergieeffizienter Technologien oder Techniken vorangetrieben.Die Gebäudesanierung und die Neubaustandardsführen ebenfalls zu hohen Einsparungen. Vor diesemHintergrund muss im Rahmen der Umsetzung derRichtlinie von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden,unseren bewährten Instrumentenmix auszubauen.So können wir die Energieeinsparverpflichtungen derEU einhalten, ohne Verbraucher und Wirtschaft mit erheblichenzusätzlichen Kosten zu belasten.Wer auch immer auf die Idee kommt, die bisherigenErfolge kleinzureden, hat ein Problem. Denn dann müssenSie, meine Damen und Herren von der Opposition,Farbe bekennen und sagen, mit welchen Instrumentenund mit wessen Geld die Effizienzfortschritte beschleunigtbzw. erzwungen werden sollen. Ich bin jedenfallsgegen Sanierungszwang oder staatliche Effizienzumlagenà la EEG.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Ich werde mich dafür einsetzen, dass alle staatlichenMaßnahmen, die tatsächlich eine Einsparwirkung haben,bei der Umsetzung der Richtlinie anerkannt und nachBrüssel gemeldet werden. Deutschland ist eine energieeffizienteVolkswirtschaft, die energieeffizientesteVolkswirtschaft der Welt,(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das stimmt nicht! Das ist Quatsch!)und das lasse ich mir nicht kaputtreden.(C)(D)Vielen Dank.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt das Wortder Kollegin Schwarzelühr-Sutter.(Lena Strothmann [CDU/CSU]: Oh! Die hatdoch schon geredet!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28031(A)(B)Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD):Sehr geehrter Herr Kollege Breil, ich finde es schonziemlich vermessen bzw. sogar etwas unverschämt, dassSie behaupten, unsere Anträge und Anfragen seien einProdukt von EUROSOLAR. Ja, ich bin genauso wie derKollege Göppel oder der Kollege Fell Mitglied von EU-ROSOLAR. Aber einen eingetragenen Verein – und Siewissen, was das heißt – mit Lobbyisten zu vergleichen,die teuer bezahlt sind – da würde ich bei Ihrer Partei malgucken, was denn bei den Nebenverdiensten steht –,(Beifall des Abg. Ulrich Kelber [SPD] –Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Dass derKelber auch noch klatscht! – Gegenruf desAbg. Ulrich Kelber [SPD]: Der Pfeiffer, dernicht einmal seiner eigenen Partei sagt, fürwen er arbeitet, reißt das Maul auf! – WeitererZuruf von der CDU/CSU: Da würde ich selbermal gucken!)das ist nicht in Ordnung.(Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD] – UlrichPetzold [CDU/CSU]: Nebenverdienste! Dawar doch was, oder?)– Ja, da war was mit Nebenverdiensten. Es gibt nämlichdiejenigen, die es offenlegen, angeben und versteuern.Aber es gibt auch diejenigen, die keine Transparenz habenwollen und entsprechende Anträge ablehnen. Dawar was, genau!(Ulrich Kelber [SPD]: Zum Beispiel der KollegePfeiffer!)Da müssen Sie schon in Ihren eigenen Reihen schauen,warum Sie das abgelehnt haben.(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Liebe Freunde,mit Nebenverdiensten würde ich hier nicht anfangen!)Aber ich möchte festhalten: Einen eingetragenen Vereinmit einer Lobbygruppe oder einem Lobbyverband zuvergleichen, ist einfach nicht in Ordnung.(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD:So ist es!)Zweiter Punkt: das Alter dieser Anfrage. Ist es unserProblem, wenn die Bundesregierung nicht in der Lageist, ihre eigenen Materialien auszuwerten und uns nachkürzerer Zeit die Antworten zu geben? – Es waren Fragenund keine Unterstellungen in Bezug auf das EEGoder sonst etwas. Ich muss schon sagen: Es ist schon bezeichnend,wenn man Fragen nicht von Antworten unterscheidenkann und man uns dann Manipulation vorwirft.Es sind Fragen, die sich jeder Bürger stellt.Ich bin nicht nur Mitglied von EUROSOLAR, sondernauch frei gewählte Abgeordnete und vertrete jedenBürger, auch Handwerker und Wirtschaft.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) –Ulrich Kelber [SPD]: Da wäre eine Entschuldigungangesagt! – Hubertus Heil [Peine][SPD]: Das muss man sich von der Hotelparteinicht erzählen lassen!)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Herr Kollege Breil, wollen Sie antworten?(Klaus Breil [FDP]: Ja!)– Bitte schön.Klaus Breil (FDP):Frau Kollegin Schwarzelühr-Sutter, erstens ist dieFormulierung, die ich da gewählt habe, glaube ich, zulässig.(Iris Gleicke [SPD]: Pfui!)Zweitens ist es nun einmal so, dass EUROSOLAR vieleMitglieder hat, die Ihnen nahestehen.(Rita Schwarzelühr-Sutter [SPD]: Über dieParteigrenzen hinweg!)– Ja, über die Parteigrenzen hinweg; aber ganz besondersviele stehen Ihnen nahe. Ich habe mich mit denenauseinandergesetzt; einige sitzen ja in München. Ichweiß also, wovon ich da rede.(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Offensichtlich nicht! Gar nichts wissenSie! – Iris Gleicke [SPD]: Ganz offensichtlichnicht! – Ulrich Kelber [SPD]: Normalerweisesagt man zu so einem Verhalten „schmutzig“!)Frau Schwarzelühr-Sutter, Sie haben die zurückliegendeZeit angesprochen. Ich habe gesagt, dass ich aufden aktuellen Entschließungsantrag Bezug nehme;(Rolf Hempelmann [SPD]: Jetzt ist er doch aktuell!Schön, dass er jetzt doch aktuell ist!)dazu habe ich heute im Wesentlichen gesprochen. Ichhabe also zu Dingen, die über ein Jahr zurückliegen, garnicht gesprochen.Danke schön.(Ulrich Kelber [SPD]: Das nehmen wir alshalbe Entschuldigung!)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat jetzt der Kollege Oliver Krischer vonBündnis 90/Die Grünen.Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn man sich die Antworten auf die Große Anfrageanschaut, dann sieht man ein Dokument des Unwillensund der Unfähigkeit, sich mit Fragen der Energiewendeauseinanderzusetzen. Das ist ein Zeichen von Nichtwollenund Nichtkönnen, und das wird nur noch von demgetoppt, was Sie hier in der Debatte zu diesem Themaabliefern.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)(C)(D)


28032 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Oliver Krischer(A)(B)Ich sage Ihnen: Wenn Sie über das Thema Energiepreisereden, dann reden Sie immer nur über die EEG-Umlage. Was Sie überhaupt nicht draufhaben, ist, dasswir Preissteigerungen wegen Konzerngewinnen undsteigender Preise für fossile Energien haben. Der 1 BillionEuro von Herrn Altmaier müsste gegengerechnetwerden, was wir an fossilen Rohstoffimporten sparen,was wir an Wertschöpfung in unser Land bekommen.Das haben Sie nicht auf dem Schirm.(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: 18 Prozent derPV kommen aus China!)Das ignorieren Sie, weil Sie es am Ende gar nicht wollen,weil es nämlich Ihre Wirtschaft betrifft, die darunterleiden würde.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Wenn man festhält, dass die EEG-Umlage steigt, dannmuss man auch festhalten, dass die nicht wegen des Ausbausder erneuerbaren Energien steigt, sondern wegensinkender Börsenpreise und wegen überbordender Ausnahmetatbestände.Wenn man da etwas tun will, mussman diese Fragen angehen. Sie aber wollen eine Ausbaubremseschaffen, Sie wollen den Ausbau der Windenergiean Land kaputtmachen. Mit Ihren Vorschlägen– das ist jetzt schon zu beobachten – stoppen Sie denAusbau der Windenergie im Binnenland komplett. Dasist eine Katastrophe für die Energiewende und für denAusbau der erneuerbaren Energien.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Was ich ganz deutlich sage: Man kann über vieles diskutieren,aber es ist eine Grenzüberschreitung, dass Siein bestehende Verträge eingreifen wollen, dass Sie rückwirkendDinge infrage stellen, die vorher politisch zugesagtworden waren. Das macht mehr kaputt als nur dieerneuerbaren Energien. Das rüttelt an der Säule, die wirin der Politik hatten, dass sich an geschlossene Verträgegehalten wird. Das wird Ihnen dann auch an andererStelle auf die Füße fallen.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)Wir haben Vorschläge gemacht, was man gegen einesteigende EEG-Umlage tun kann. Wenn ich mir dasAltmaier/Rösler-Papier ansehe, sehe ich 1,8 MilliardenEuro, die man dadurch sparen könnte – wenn man fürSie günstig rechnet! –, um den Preis, dass Sie den Ausbauder erneuerbaren Energien kaputtmachen. Wir habenVorschläge gemacht, wie man 4 Milliarden Euro sparenkann, ohne dass die erneuerbaren Energien kaputtgehen,und darüber sollten wir reden.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie der Abg. Rita Schwarzelühr-Sutter[SPD])Was Sie auch nicht verstehen, ist das ganze ThemaEnergieeffizienz. Dazu haben wir Anträge vorliegen, dieheute auch debattiert werden. Frau Merkel hat 2007 verkündet,Deutschland solle Effizienzweltmeister werden.(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Sind wirschon!)Da muss man sich einmal die Bilanz dessen ansehen,was Sie seit 2009 abgeliefert haben. Da ist null, da istgar nichts; es ist noch schlimmer: Überall da, wo es umetwas ging, haben Sie blockiert, haben Sie gebremst.(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Das ist dochfalsch! Das ist gar nicht wahr!)Sie haben in Brüssel versucht, die Energieeffizienzrichtliniezu verhindern. Das ist Teil Ihrer Politik.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Rita Schwarzelühr-Sutter [SPD]: Das sagt sogarder EU-Kommissar!)Jetzt geht es noch weiter. Jetzt geht es um die Frage:Wie setzen wir die Energieeffizienzrichtlinie um? HerrBreil hat eben dieses wunderbare Prognos-Gutachten genannt.Das soll die Grundlage dafür sein. Wenn man sichanschaut, was in diesem Gutachten ernsthaft vorgeschlagenwird, fällt man tot um. Die Netzentgelte, die Lkw-Maut, die Mehrwertsteuer – das alles wird plötzlich zuEnergiesparmaßnahmen umgerechnet. Ich habe nur nocherwartet, dass plötzlich das Wiederaufbauprogrammnach dem Zweiten Weltkrieg als Vorleistung zu Energiesparmaßnahmengerechnet wird. Dann kommen Sie zudem Ergebnis, dass Sie nichts tun müssen. Das ist genaudas, was nicht sein kann.Wir müssen Energie einsparen. Wir müssen da vorankommen.Wir müssen Maßnahmen vorschlagen. Wirmüssen einen Energieeffizienzfonds schaffen. Von alldem wollen Sie nichts wissen. Mit Taschenspielertrickswollen Sie verhindern, dass beim Thema Energieeffizienztatsächlich etwas passiert. So werden wir nie Energieeffizienzweltmeister.(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Siehe Gebäudesanierungsprogramm!Siehe Gebäudesanierungsprogramm!)Wir sind in Europa bei diesem ganzen Thema zumBremser geworden. Italien, Dänemark und Großbritannienmachen uns bei diesem Thema etwas vor.Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:Herr Kollege Krischer, Ihre Redezeit ist abgelaufen.Bitte kommen Sie zum Schluss.Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ich komme zum letzten Satz. – Da kann ich es nur mitHerrn Göppel sagen, der gleich nach mir noch spricht:Wenn man alles zusammenfasst, meine Damen und Herren,was Sie im Bereich Energiepolitik – Erneuerbare,Effizienz – machen, dann ist das – ich zitiere – ein Aufruf,Rot-Grün zu wählen.(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP –Ulrich Kelber [SPD]: Und zwar in der Reihenfolge!)Da hat Herr Göppel recht.Danke schön.(C)(D)(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28033(A)(B)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hatjetzt das Wort der Kollege Josef Göppel.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Josef Göppel (CDU/CSU):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieZielvorgaben der Bundesregierung zur Energiewendebleiben richtig, auch bei heftiger Kritik der Opposition.(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg.Klaus Breil [FDP])Wenn wir den Istzustand mit den Zielvorgaben vergleichen,dann stellen wir fest: Beim Ausbau der erneuerbarenEnergien liegen wir zwar gut in der Zeit, aberdie Zielvorgaben haben wir noch nicht erreicht. Als Abgeordneterder CSU sage ich: Solange die Zielvorgabennicht erfüllt sind, muss der Ausbau weitergehen.(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)Das bedeutet, dass die Strompreisbremse, die für bestimmteBevölkerungsschichten sehr wohl ihre Berechtigunghat, nicht zu einer Ausbaubremse führen darf.(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Ist sie aber jetzt schon!)Mit dem Ziel der Energiewende verbindet die Bundesregierungden Anspruch, eine krisenfeste und langfristiggünstigere Energieversorgung für Deutschland zugewährleisten: krisenfest, weil der Strom durch erneuerbareEnergien im eigenen Land erzeugt wird – und damitindirekt Wärme aus Stromüberschuss –, und günstiger –das beweist die Strombörse in Leipzig –,(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Richtig!)weil die variablen Kosten sehr viel niedriger sind als beider Erzeugung von Strom aus herkömmlichen Energien.Das heißt, die Langfristperspektiven sind günstig.Zur Bewertung der aktuellen Vorschläge. Erstens. FürSüddeutschland ist ein rückwirkender Eingriff nicht hinnehmbar.Das wäre aus unserer Sicht ein Dammbruch imHinblick auf die Investitionsbereitschaft der Menschen.Das entspricht ausdrücklich der Stimmung in meinerbayerischen Heimat.(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: In ganz Deutschland!)Zweitens. Für uns ist eine undifferenzierte Kürzungbei der Windenergie über das ganze Land hinweg nichtakzeptabel. Hier muss nach der Standortqualität differenziertwerden.(Beifall bei Abgeordneten der SPD und desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Drittens. Man kann darüber reden, den Eigenverbrauchheranzuziehen. Aber auch da muss nach denklimabelastenden Faktoren differenziert werden, die dieeinzelnen Energien und Brennstoffe mit sich bringen. Eskann nicht sein, dass jemand, der in ein mit Kohle betriebenesKraftwerk investiert und die gewonnene Energieselbst verbraucht, nur so viel bezahlen muss wie jemand,der auf seiner Scheune ein paar Solarzellen installiert hatoder den Strom durch das Windrad einer Energiegenossenschaftseines Dorfes erzeugt.Viertens. Weiterhin ist es für uns entscheidend, wiedie neue Stromvermarktung gestaltet werden kann. Wersich mit Praktikern an der Basis unterhält, der merkt,dass sich zwei Vorschläge immer stärker herauskristallisieren.Der eine ist: Wir dürfen nicht den gesamten erneuerbarenStrom über die Börse ziehen. Vielmehr müssenwir versuchen – so wie es in der Realität bereitsstattfindet –, möglichst vorher große Anteile regionaldirekt zu vermarkten. Der zweite Vorschlag bezieht sichauf das Desaster beim europäischen Emissionshandel.Solange er nicht wieder funktionsfähig ist, müssen wirauf die Energiemengen, die in Leipzig an der Börseangeboten werden, eine Abgabe auf die einzelnen Energieartenerheben, je nach Klimabelastung, um Wettbewerbsfähigkeitund Wettbewerbsgerechtigkeit zu gewährleisten.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)In meinem Heimatland Bayern ist eine wahre Volksbewegungfür den Ausbau erneuerbarer Energien inGang. Wir von der CSU unterstützen diese Bewegungumfassend, weil es unseren Grundwerten entspricht,dass Menschen von passiven Konsumenten von Energiezu eigenverantwortlichen Produzenten und Managernvon Energie werden und auf diese Art und Weise einganz anderes Verhältnis zur Energie bekommen; denndas erstreckt sich auch auf alle Familienangehörigen.Der nachhaltigere Umgang mit Energie hat sehr vieldamit zu tun, dass Millionen von Menschen in das Energiegeschäfteinbezogen werden und wir auf diese Artauch im sozialen Sinn der Nachhaltigkeit die alte, zentralgesteuerte Energiewirtschaft überwinden.(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDPund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)(C)(D)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Ich schließe die Aussprache.Der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD aufDrucksache 17/12538 zu ihrer Großen Anfrage soll zurfederführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaftund Technologie und zur Mitberatung an den Ausschussfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,an den Ausschuss für Verkehr, Bau undStadtentwicklung sowie an den Ausschuss für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit überwiesen werden.– Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.Dann ist das so beschlossen.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschussesfür Wirtschaft und Technologie auf Drucksache17/10106. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabea seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung desAntrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8159mit dem Titel „Die europäische Energieeffizienzrichtliniewirkungsvoll ausgestalten“. Wer stimmt für dieseBeschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen?– Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen


28034 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms(A)(B)der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und bei Stimmenthaltung der Linken und derGrünen angenommen worden.Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss dieAblehnung des Antrags der Fraktion Die Linke aufDrucksache 17/8457 mit dem Titel „Die Energiewendebraucht Energieeffizienz“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung?– Gegenstimmen? – Enthaltungen?– Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmender Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der FraktionDie Linke bei Enthaltung von SPD und Grünen angenommenworden.Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabec der Beschlussempfehlung die Ablehnung desAntrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufDrucksache 17/7462 mit dem Titel „Energie sparen,Kosten senken, Klima schützen – Für eine ambitionierteEffizienzstrategie der deutschen und europäischenEnergieversorgung“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung?– Gegenstimmen? – Enthaltungen? – DieBeschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionenbei Gegenstimmen von Linken und Grünensowie bei Enthaltung der SPD-Fraktion angenommenworden.Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 12 a bis 12 cauf:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines SechzehntenGesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes– Drucksachen 17/11293, 17/11873 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz(10. Ausschuss)– Drucksache 17/12526 –Berichterstattung:Abgeordnete Dieter StierDr. Wilhelm PriesmeierDr. Christel Happach-KasanDr. Kirsten TackmannFriedrich Ostendorffb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zudem Antrag der Abgeordneten Dr. WilhelmPriesmeier, Willi Brase, Petra Crone, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPDEin effizientes Tierarzneimittelgesetz schaffenund die Antibiotikagaben in der Nutztierhaltungwirkungsvoll reduzierenDr. Kirsten TackmannFriedrich Ostendorffc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zudem Antrag der Abgeordneten FriedrichOstendorff, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weitererAbgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENSystematischen Antibiotikamissbrauch bekämpfen– Tierhaltung umbauen– Drucksachen 17/9068, 17/10662 –Berichterstattung:Abgeordnete Dieter StierDr. Wilhelm PriesmeierDr. Christel Happach-KasanDr. Kirsten TackmannFriedrich OstendorffZu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt jeein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und derFraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Erhebt sichdagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann istdas so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstemRedner dem Parlamentarischen Staatssekretär PeterBleser das Wort.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)(C)(D)– Drucksachen 17/12385, 17/12526 –Berichterstattung:Abgeordnete Dieter StierDr. Wilhelm PriesmeierDr. Christel Happach-KasanPeter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerinfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Es gilt, Antibiotika als Waffe gegen lebensbedrohendeInfektionskrankheiten für Mensch und Tierzu erhalten. Das ist das Ziel dieses Gesetzentwurfs. DenGesetzentwurf haben wir auch deswegen eingebracht,weil wir eine zunehmende Antibiotikaresistenz feststellenund diese natürlich eine ernste Gefahr für Menschund Tier sein kann.Wir kümmern uns aber nicht erst seit heute um dieReduzierung des Antibiotikaeinsatzes. Vielmehr siehtschon die im Jahr 2008 beschlossene Antibiotika-Resistenzstrategiedie flächendeckende Erfassung des Einsatzesvon Antibiotika vor.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)Im letzten Sommer haben wir die ersten Ergebnisse erhalten.Erstmals gibt es verlässliche Zahlen: Es wurden1 734 Tonnen Antibiotika in der Nutztierhaltung eingesetzt.Das ist uns zu viel. Aber, meine Damen und Herren,wie viel es zu viel ist,(Ulrich Kelber [SPD]: Weiß man nicht!)ob es starke Reduzierungspotenziale gibt, lässt sich nochnicht feststellen. Tatsächlich ist es so, dass die Menge,


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28035Parl. Staatssekretär Peter Bleser(A)(B)die jetzt genannt wurde, mit der Anzahl der Tiere undden Tierarten, bei denen die Antibiotika eingesetzt wordensind, in Zusammenhang steht. Man muss aber auchdie Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffart bemessen,um eine Bewertung vornehmen zu können. Daswerden Sie, Kollege Priesmeier, sicher bestätigen.Es ist klar: Auch in Zukunft müssen Tiere, die kranksind, behandelt werden.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Daran darf überhaupt nicht gerüttelt werden. Deswegensage ich: Wer starre Reduzierungsziele vorschreibenmöchte – 50 oder 30 Prozent –, der kennt die Praxisnicht,(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)der opfert Tiere einer Ideologie und tritt letztlich denTierschutz mit Füßen. Dafür sind wir nicht zu haben.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Ganz ohne Möglichkeiten zum Einsatz von Antibiotikageht es auch in Zukunft nicht.(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das istdoch nicht das Problem! – FriedrichOstendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Das ist doch nicht die Debatte! Darum geht esdoch genau nicht!)Auch in den am besten geführten Betrieben kann das immerwieder notwendig werden. Diese Möglichkeitmüssen wir erhalten. Die Zwischenrufe zeigen, dass esdiesbezüglich einen breiten Konsens in diesem Saal gibt.Wir wollen die Verringerung des Einsatzes von Antibiotika.Deswegen haben wir in dem Gesetzentwurf dieStärkung der Eigenverantwortung festgeschrieben.(Ulrich Kelber [SPD]: Der Tiere?)Wir haben auch festgeschrieben, dass wir den vorsorgendenTier- und Gesundheitsschutz anstreben und diesbezüglichVerbesserungen wollen.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Das nimmt Tierärzte und Landwirte in die Verantwortungund in die Pflicht.Wir verbessern mit diesem Gesetz die Überwachungsmöglichkeitender Länder. Das ist das Ziel.Aber die Länder müssen diese Möglichkeiten auch nutzen.(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Ja!)Sie hätten auch bisher schon stärker überwachen können;(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Richtig!)(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowieder Abg. Dr. Christel Happach-Kasan[FDP])Da wird zu wenig getan. Das muss man an dieser Stelleeinmal feststellen.Kern dieses Gesetzentwurfs ist es, Vergleichsmöglichkeitenzu schaffen, um herauszufinden, ob bei einemBetrieb ein erhöhter Einsatz von Antibiotika festzustellenist oder der Einsatz von Antibiotika im Rahmen liegt.Dabei geht es auch darum, Eingriffsmöglichkeiten zuschaffen. Deshalb wird der Einsatz von Antibiotika beiRindern, Schweinen, Hühnern und Puten in Zukunft erfasst.Bei der Auswertung werden die Bestandsmeldungenherangezogen, um im Rahmen eines Benchmarkingfestzustellen, ob eine erhöhte Einsatzhäufigkeit und eineerhöhte Einsatzmenge vorliegen. Das ist das Ziel diesesGesetzentwurfs.Ich bin sehr stolz darauf, dass es in den Beratungen inden Koalitionsfraktionen gelungen ist, den bürokratischenAufwand, der sich aus diesem Gesetz ergibt, fürLandwirte und Tierärzte deutlich zu reduzieren, ohne dasErgebnis auch nur in geringster Weise zu beeinträchtigen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Ich glaube, das war eine Meisterleistung. Deshalb giltmein Dank den Fachpolitikern. Diese Möglichkeit istauch in unserem Haus am Anfang nicht gesehen worden.Das muss man auch einmal eingestehen.Bei dieser Erfassung der eingesetzten Antibiotikakann der Landwirt Dritte, zum Beispiel den Tierarzt, beauftragen,diese Meldung vorzunehmen. Der Tierarzt hatauch die entsprechende Expertise dafür. Die Behördensind verpflichtet, vorhandene Dateien zu nutzen. KollegeOstendorff, das wird die HIT-Datei sein. Die Länder sindfür die Erstellung der Dateien verantwortlich. Der Landwirtmuss die Tierbestandszahlen also nicht noch einmalmelden, weil sie schon zur Verfügung stehen. Auch dasist ein riesiger Fortschritt.Da auffällige Betriebe einen Managementplan erstellenmüssen und ordnungspolitisch eingegriffen werdenkann, wenn die gewünschten Erfolge nicht eintreten,wird diese Erfassung der Zahlen – da bin ich mir sicher –Wirkung haben. Da bin ich sehr zuversichtlich.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU –Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wieviele Jahre dauert das?)Wir bleiben an dieser Stelle aber nicht stehen. Wirsetzen – auch das will ich kurz sagen – insgesamtnatürlich auf eine Weiterentwicklung im Bereich derNutztierhaltung. Deshalb haben wir 62 Millionen Eurofür die nächsten drei Jahre bereitgestellt. Damit wollenwir eine moderne und tierschutzgerechte Tierhaltung mitModell-, Demonstrations- und Forschungsvorhaben weiterfördern.(C)(D)denn jeder Tierarzt und jeder Landwirt dokumentiert denEinsatz von Antibiotika und Arzneimitteln auf dem Hofseit 2005.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Sehr lobenswert!)


28036 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Parl. Staatssekretär Peter Bleser(A)Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir damit mehr erreichenals mit mancher Kontrolle, die vielleicht doch nichtso effizient ist, wie man erwartet hat.Herzlichen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Statistiker in diesem Hause ist das vielleicht nachvollziehbar.Ich habe einmal versucht, das Verfahren nachzuvollziehen.(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist abernicht unser Problem!)Wenn keine klare Zielvorgabe vorhanden ist, findet sich,solange das System implementiert bleibt, natürlich immerein oberes Quartil. Letztendlich sind immer 25 Prozentder Betriebe verpflichtet, entsprechende Sanierungsplänevorzulegen. Denn das obere Quartil istimmer verpflichtet.Wir haben hier die Frage zu diskutieren, ob wir uns zueinem ganzheitlichen Rahmen und ganzheitlichen Ansatzbereitfinden. Denn das ist die klare Erkenntnis ausder Anhörung: Es funktioniert nur mit einem ganzheitlichenAnsatz. Rein administrative Maßnahmen – das sehenwir heute an den Zahlen aus Dänemark – führen zunächsteinmal zu einer geringfügigen Verminderung unddann wieder zu einem Anstieg. Dänemark meldet heute:Die Bestandszahlen sind gesunken, aber im Jahr 2012wurden in Relation zum Bestand 10 Prozent mehr Antibiotikaverbraucht.(Rainer Erdel [FDP]: Darum machen wir einanderes Gesetz!)Das ist zunächst einmal keine gute Meldung für den inDänemark verfolgten Ansatz.Wir brauchen – das haben die Bundesländer angemahnt– ein Gesetz, das zielführend ist, das Klarheit undTransparenz schafft. Wir brauchen kein Gesetz, das wegenseiner Defizite – viele Unklarheiten, Allgemeinplätzeund nicht ausreichende Definitionen – von derLänderebene kaum vollzogen werden kann.(Beifall bei der SPD)Ein solches Gesetz ist nicht ausreichend konkret undversetzt die zuständige Behörde vor Ort nicht in dieLage, zu handeln. Das wird nicht funktionieren. UnterhaltenSie sich mit den Kollegen vor Ort in den Veterinärämtern!Fragen Sie die nach ihrer Einschätzung, wiees um die Umsetzung dieses Gesetzes steht!(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ach!)Dann werden Sie, Herr Goldmann, als Kollege vielleichterkennen, dass die Ansätze, die hier formuliert sind, beiweitem nicht ausreichend sind.Wir brauchen Klarheit, vollständige Transparenz imSystem. Arzneiströme vom Hersteller über den Tierarztbis zum Bestand müssen nachvollziehbar sein.(Beifall bei der SPD)Das wird mit Ihren gesetzlichen Vorgaben bei weitemnicht erreicht. Wir haben das in diesem Haus mit mehrerenAnträgen gefordert. Sie sind nicht darauf eingegangen,sondern den Weg des geringsten Widerstands gegangen.Sie haben einen großen Topf weiße Salbeangerührt. Die schmieren Sie jetzt drauf.(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Quatsch!)(C)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. WilhelmPriesmeier von der SPD-Fraktion.(Beifall bei der SPD)Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenndie Stunde schon ein bisschen fortgeschritten ist: DasThema ist ernst. Das, was wir eben hier vom HerrnStaatssekretär gehört haben, ist letztendlich nicht geeignet,kurzfristig eine Minimierung des Antibiotikaeinsatzeszu erreichen.Fast anderthalb Jahre haben wir jetzt über diesesThema diskutiert.(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was habt ihrdenn dazu beigetragen? Nichts!)Erst jetzt sieht sich die Regierung in der Lage, einen Gesetzentwurfvorzulegen. Der taugt allerdings nicht dazu,dieses Ziel zu erreichen.(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das stimmtdoch nicht!)Wir beraten im Wesentlichen über einen Gesetzentwurf.Zentrales Instrument der Minimierungsstrategie istoffensichtlich ein Behandlungsindex. Wer sich damitauseinandersetzt, sich den ersten Entwurf anschaut undihn mit den Änderungsanträgen und der jetzt vorliegendenForm vergleicht, der erkennt, dass dieser Gesetzentwurfin wesentlichen Punkten nicht verbessert, sondernverschlimmbessert worden ist.(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wo denn?)Offensichtlich haben die vielen – vielleicht auch bis spätin den Abend dauernden – Verhandlungen zwischenGelb und Schwarz nicht dazu geführt, dass man zu derrichtigen Erkenntnis gelangt ist, wie der Antibiotikaeinsatzunter den Bedingungen, unter denen heute bei uns inDeutschland Tiere gehalten und gemästet werden, zu minimierenist.(Beifall bei der SPD)Wir sollen hier über einen Gesetzentwurf beschließen,der viele Rechtsverordnungen vorsieht, deren Inhalt imAugenblick überhaupt nicht klar ist. Wir sollen über einenGesetzentwurf beschließen, den der geneigte Mitbürgerund der Landwirt kaum lesen, geschweige dennverstehen kann. Der Gesetzentwurf enthält keine klareZielvorgabe zum Antibiotikaverbrauch und auch keineklaren Zielvorgaben zu Zeiträumen.Er enthält allein das statistische Bewertungsverfahren,das immerhin das obere Quartil definiert. Für die(B)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28037Dr. Wilhelm Priesmeier(A)Aber darunter heilt es nicht. Das Problem wird weiterexistieren; das kann ich Ihnen versichern.Zu dem zentralen Instrument einer Datenbank machenSie gar keine Aussage. Da schreiben Sie nur etwasvon einer gemeinsamen Stelle. Ich habe in dem Zusammenhangein Gutachten beauftragt. Das haben Sie allebekommen. Sie haben sich dafür im Ausschuss bedankt.Okay. Hätten Sie Schlussfolgerungen aus dem Gutachtengezogen und die dort dargelegten möglichen Gestaltungenin Erwägung gezogen, wären wir vielleicht heuteschon ein bisschen weiter und nicht da, wo wir jetzt sind.(Zuruf des Abg. Hans-Michael Goldmann[FDP])Die Diskussionen über den Antibiotikamissbrauchoder nicht ordnungsgemäßen Gebrauch führen wir schonseit zwölf Jahren. Vor zwölf Jahren wurde die Verordnungerlassen, dass wir Abgabe- und Anwendungsbelegeauszustellen haben und der Landwirt das zu dokumentierenhat. Ursache war damals der eklatante, fastunglaubliche Antibiotikaskandal in Bayern, der zumRücktritt der Ministerin Stamm geführt hat. Das sollteman sich einmal in Erinnerung rufen. In der Zwischenzeitist übrigens nicht besonders viel passiert.(Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP)Das war damals der Grund für diese Verordnung. Dasist auch der Grund dafür, dass wir heute an sich alle Datenbei den Beständen und auch in den tierärztlichen Praxenvorliegen haben. Schon damals haben wir darüberdiskutiert, ob diese Daten der Behörde zugänglich gemachtwerden sollen oder nicht. Man hat sich damals dagegenentschieden. Jetzt ist es an der Zeit, das schleunigstnachzuholen. Ich glaube, das ist notwendig.(Beifall bei der SPD – Mechthild Heil [CDU/CSU]: Wer schreit, hat unrecht!)Was passiert denn? Schauen wir uns einmal die zeitlicheAbfolge an. Es ist doch heute, wie man am QS-Systemsehen kann, ohne Weiteres möglich, zum Beispiel7 Tage oder 14 Tage nach Abschluss der Behandlung dieDaten einzustellen und der zuständigen Behörde mitzuteilen.Warum ist es bei Ihnen erst halbjährlich am14. des Monats möglich, also, je nachdem, wann das Gesetzin Kraft tritt, am 14. Juli oder am 14. Januar? Warumdauert es ein halbes Jahr, bis die Daten in die Datenbankeingestellt werden? Wir könnten doch auch eingleitendes Verfahren wählen.Wissen Sie, was passieren wird? In vielen Betriebenwird dann erst am 10. angefangen, die Daten aufzuarbeiten,um sie dann innerhalb von vier Tagen einzustellen.Vorher ist nichts greifbar. Die Behörde, die vor Ort einenBetrieb kontrollieren möchte, wird keinen Zugang haben,weil sie gar nicht weiß, was im letzten halben Jahrdort verordnet worden ist.(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist auchgar nicht der Sinn!)Das ist die Konsequenz Ihres Gesetzes. Es ist meinerEinschätzung nach vollkommen untauglich, um diesenZweck zumindest kurzfristig zu erfüllen.(Beifall bei der SPD)Erst wenn anderthalb, maximal zwei Jahre ins Land gegangensind, ist die zuständige Behörde überhaupt in derLage, mit Anordnung dem Betrieb zur Seite zu stehenund ihm vielleicht zu sagen, wo es langgehen könnte,wenn er es bislang selber nicht geschafft hat.Wo liegen die Ursachen für das Problem? Die Ursachensind doch im Regelfall Hygienemängel und Mängelin der Haltung. Diese führen zu Erkrankungen. Ich kannIhnen hier aus meiner eigenen Praxis berichten. Ichglaube, hier im Hause ist niemand, der so viele Antibiotikaverordnet hat wie ich. Niemand; Sie garantiert nicht.(Heiterkeit)Ich kann Ihnen aus meiner eigenen praktischen Erfahrungsagen, wie das funktioniert. 80 Prozent aller Verordnungensind bedingt durch Atemwegserkrankungen.(Zuruf des Abg. Hans-Michael Goldmann[FDP])– Reden Sie doch nicht, Herr Kollege, Sie haben dochnie Praxis gemacht.(C)(B)(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruchbei der CDU/CSU und der FDP)Schlau reden, aber keine Praxis gemacht haben. Praxisfehlt Ihnen komplett. Darüber brauchen wir gar nicht zudiskutieren.Ich kann Ihnen sagen, wie das hinterher ausschaut.(Zuruf des Abg. Hans-Michael Goldmann[FDP])Ich kann Ihnen konkret sagen, wie das funktioniert.(D)(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Da muss erselber lachen!)Über 80 Prozent der Verordnungen sind begründet durchAtemwegserkrankungen, in der Hauptsache weil dasStallklima nicht in Ordnung ist und es bei entsprechendenklimatischen Situationen zu erheblichen Erkrankungsfällenkommt, die durchaus vermeidbar sind. Fangenwir doch einmal bei den Ursachen an,(Beifall bei der SPD und der LINKEN)und sorgen wir dafür, dass wir einen einheitlichen Gesetzesrahmenbekommen, durch den auch die Haltungsbedingungenmit entsprechenden Vorgaben, Hygienevorgabengeregelt werden, der nachvollziehbar ist und dereine entsprechende Grundlage dafür bietet, dass die zuständigeBehörde eingreifen kann, wenn es nottut – nur,wenn es nottut –, und dem Landwirt hilfreich zur Seitestehen kann, wenn er es mithilfe seines Haustierarztesnicht schafft.Vielen Dank.(Beifall bei der SPD – Rainer Erdel [FDP]:Genau das ist im Gesetz drin!)


28038 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan für die FDP-Fraktion.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Lieber Kollege Priesmeier, ich glaube, es istdeutlich geworden: Wir machen genau das, was Sie wollen.(Beifall bei der FDP)Wir geben nämlich den Tierärzten das Instrument an dieHand, dass dann, wenn es Missstände in einem Stallgibt, angeordnet werden kann, diese Missstände zu beheben.Genau dafür machen wir die Behörden mit diesemGesetz stark. Damit machen wir genau das, was du gesagthast.Im Übrigen möchte ich dir sagen: Bei uns in Norddeutschland,in Schleswig-Holstein heißt das: „Jetzt einmalein bisschen Butter bei die Fische.“ Einfach nur allgemeinherumzureden und zu sagen, das alles sei Mist,reicht nicht aus, um ein konkretes Modell hervorzubringen.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Lieber Kollege Priesmeier, wir haben doch eine gemeinsameStrategie. Wir haben das Arzneimittelgesetz.Wir haben DART, die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie,in der letzten Legislaturperiode in Gang gesetztund setzen sie jetzt weiter fort. Wir haben das Tierschutzgesetz,in dem wir explizit sagen, dass wir dieEigenkontrolle der Tierhalter wollen. Denn das Entscheidendeist, dass es den Tieren gut geht. Der Tierhaltermuss genau Bescheid wissen, was Sache ist. Und wirhaben das Tiergesundheitsgesetz, das wir jetzt beraten.Der Kollege Bleser hat es schon gesagt: Wir investierenin die Tierhaltung, indem wir mit Forschungsaufträgenermitteln, wie wir die Tierhaltung verbessern können.Das ist ein Gesamtkonzept, um die Tierhaltung inDeutschland besser zu gestalten.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage desKollegen Priesmeier? Seine Redezeit war offensichtlichzu kurz.Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):Aber gern.Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):Frau Kollegin, sind Sie überhaupt davon überzeugt,dass es die richtige Rechtsgrundlage ist, wenn Sie in denGesetzentwurf schreiben, dass Sie zum Beispiel dieMastdichte und die Mastdauer regeln wollen? Wir habeneine andere rechtliche Grundlage, zum Beispiel dieSchweinehaltungshygieneverordnung – Basis ist das bisherigeTierseuchengesetz –, in der es Mindestvorgabengibt, die einzuhalten sind, die aber nie jemand kontrollierthat. 50 ppm Ammoniak im Stall sind tolerabel,mehr nicht. Aber gehen Sie einmal in die Ställe! Wiesieht es denn dort aus? Können Sie mir eine Erklärungdafür geben?(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was bist dudenn für ein Tierarzt! Das ist unglaublich!)Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):Genau deswegen halte ich das Gesetz für gut. Ichweiß, Verordnungen stehen nur auf dem Papier, und dieFrage der Umsetzung muss geprüft werden. Das ist Aufgabeder Landesbehörden. Deswegen freue ich mich darüber,dass überall in den rot-grünen Koalitionsverträgensteht, dass die Länder im Bereich der Tierhaltung besserwerden und den Antibiotikaeinsatz mindern wollen. Genaudafür geben wir ihnen jetzt ein Instrument in denLandesbehörden, mit dem sie genau das, was sie wollen,auch tatsächlich umsetzen können.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Der nächste Punkt ist, dass wir mit Blick auf das Tierschutzgesetzsagen: Es reicht nicht, dass ein Landwirtalle Verordnungen einhält. Nein, er soll auch in den Stallgehen und selbst einmal nachgucken, ob es den Tierenbei Einhaltung aller Verordnungen tatsächlich gut geht.(Ulrich Kelber [SPD]: Vorschriftenmacherin!)Genau das wollen wir. Deswegen haben wir konkretfestgelegt,(Ulrich Kelber [SPD]: Dirigismus!)dass die Tierschutzindikatoren beachtet werden müssen.Ich nenne beispielsweise die Mortalität. Wir wissen,dass es Haltungen gibt, in denen die Mortalität meinesErachtens zu hoch ist.(Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD] nimmtwieder Platz)– Nun bleib mal noch stehen! Noch bin ich nicht fertig.(Ulrich Kelber [SPD]: Sie antworten doch garnicht! Sie reden gar nicht zum Thema!)– Ich antworte ihm auf seine Frage. Das mache ichgerne; denn er ist ein geschätzter Kollege, Herr KollegeKelber. Das müssten Sie doch eigentlich wissen.Das erste Thema ist, wie wichtig Tierschutzindikatorensind. Sie sind enorm wichtig. Das Zweite ist, dass dieFußballen- und Fußklauengesundheit kontrolliert werdenmuss. Drittens wollen wir, dass die Ergebnisse derSchlachtkörperuntersuchung ebenfalls miteinbezogenwerden. Insofern haben wir ein Gesamtkonzept für dieTierhaltung, für den Tierschutz festgelegt, auf das wirwirklich stolz sein können.Vielen Dank, Herr Kollege Priesmeier.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Antibiotika sind extrem wichtige Heilmittel. Es warein Meilenstein der Medizin, als 1928 antibiotisch wirkendeMittel entdeckt worden sind. Allerdings hat mandann in der Folge feststellen müssen, dass sich Bakterien(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28039Dr. Christel Happach-Kasan(A)(B)auf solche Mittel einstellen, dass sie Resistenzen ausbilden.Deswegen sind wir jetzt dabei, die Antibiotikaabgabeso zu gestalten, dass die Resistenzbildung gemindertwird. Sie kann zwar nicht auf null gesetztwerden, weil Bakterien spontan Resistenzen bilden, abersie kann durch den verringerten Einsatz von Antibiotikazumindest gemindert werden. Im Übrigen: Das ist eineAufgabe für die Tiermedizin und die Humanmedizin. Esreicht nicht aus, bei diesem Punkt nur auf die Tiermedizinzu gucken.(Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann[FDP])Wir verzeichnen das Auftreten von multiresistentenKeimen, nämlich MRSA – lieber Kollege Priesmeier,Sie haben dies im Ausschuss vielfach erwähnt, vielenDank – und ESBL. Wir haben die Situation, dass insbesondereSäuglinge davon betroffen sein können und dassinsbesondere ältere Menschen Probleme damit haben.Deswegen müssen wir die Anzahl solcher multiresistentenKeime mindern.Wir haben ein Gesetz vorgelegt, das sich nahtlos einfügtin die deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie, diegemeinsam vom Gesundheitsminister, von der Ministerinfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutzund von der Ministerin für Bildung und Forschungerarbeitet worden ist.Die Untersuchungen von Herrn Lindemann in Niedersachsenhaben gezeigt, dass in vielen Tierhaltungendie Gabe von Antibiotika die Regel ist. Was wir alle abernicht richtig beachten und was meines Erachtens ganzwichtig ist: Die Untersuchungen haben auch gezeigt,dass es in allen Bereichen Betriebe gibt, die ohne Antibiotikaauskommen. In der Mehrheit sind dies konventionellwirtschaftende Betriebe. Ich bin deswegen sehrguten Mutes, dass wir uns an diesen Betrieben orientierenund die Betriebe, die zurzeit noch einen hohen Antibiotikaeinsatzhaben, auf das Niveau der Betriebe ohneAntibiotikaeinsatz zurückführen können.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Ziel dieses Gesetzes – das muss ganz eindeutig sein –ist die Gesundheitsvorsorge, ist, dass sich weniger Bakterienresistenzenausbilden. Dieses Ziel des Gesetzeskann nur erreicht werden über die Stärkung der Tiergesundheit.Genau dieses Ziel verfolgen wir. Deswegenwollen wir den Behörden die Möglichkeit geben, denTierhaltern, die diese Bedingungen nicht einhalten, Auflagenzu machen, damit sie besser damit umgehen können.Ich bedanke mich im Übrigen bei den Grünen dafür,dass sie so nett waren, uns Vertrauen zu schenken unddeutlich gesagt haben: Das Gesetz ist so gut, dass wirnicht nur die vier Gattungen einbezogen wissen wollen,die bereits enthalten sind, sondern dass wir das auf Fischeausdehnen wollen. – Das ist eine Bestätigung für einenguten Gesetzesansatz. Vielen Dank dafür!(Beifall bei der FDP)Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das istdeutlich; denn sonst hätte man das nicht gemacht. Wennman gemeint hätte, dass der Ansatz nicht in Ordnung ist,würde man nicht sagen, man muss ihn auf weitere Tierartenausdehnen. Ich glaube, dass das richtig ist.(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sie habensie aber nicht mit reingenommen!)Wir haben die Kosten für die Dokumentation überschaubargehalten. Wir nutzen Datenbanken, die bereitsbestehen. Es ist richtig: Die Betriebe, die über der Kennzahlliegen, werden investieren müssen, damit sie all dieAuflagen erfüllen, sodass es ihren Tieren in der Zukunftbesser geht. Dadurch wird dort die Tiergesundheit gestärkt.Dabei wollen wir die Tierärzte einbinden; denndas Wissen von Tierärzten ist zu mehr gut als nur zumVerschreiben von Antibiotika. Wir wollen Tierärzte stärkerin das Bestandsmanagement einbinden. Dafür müssensie selbstverständlich auch entsprechend bezahltwerden.Wir halten es nicht für sinnvoll, das Dispensierrechtfür Tierärzte aufzuheben. Wir haben gesehen, wie es inDänemark ist; es hat letztlich nichts gebracht. Insofernsollten wir es nicht aufheben.Ich bin der Überzeugung, dass wir mit diesem Gesetzentwurfeinen guten Weg beschritten haben, und ich bindarüber hinaus der Überzeugung, dass dieses Gesetzwirken wird, noch bevor die erste Kennzahl überhauptermittelt ist, weil sich Tierhalter an dem orientieren, waswir vorhaben, und weil sie sagen: Ich möchte nicht insletzte Quartil hinein. Ich möchte unterhalb der Kennzahlliegen. – Die Tierhalter werden sich deshalb von vornhereinanstrengen, damit sie nicht Maßnahmen der Behördenzu befolgen haben, und von sich aus auf eine bessereTiergesundheit in ihren Ställen setzen.Wir haben uns in der Koalition außerdem dafür eingesetzt,dass es keinen Datenmissbrauch geben darf, undwir sind der Auffassung, dass das Gesetz evaluiert werdenmuss. Wenn wir es evaluiert haben, können wir darübernachdenken, darin weitere Bereiche einzubeziehen.(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Dann sindSie nicht mehr zuständig!)Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Kirsten Tackmannvon der Fraktion Die Linke.(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg.Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD] – Dr. WilhelmPriesmeier [SPD]: Kollegiale Unterstützung!)Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Liebe Gäste! Es begab sich zur Grünen Woche2012, dass Frau Aigner mal wieder einen Aktionsplanvorlegte.(C)(D)(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Aha!)


28040 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Kirsten Tackmann(A)(B)Diesmal sollte es um die drastische Reduktion der Antibiotikagehen. Darüber wurde ein Jahr lang diskutiert.Und was ist dabei herausgekommen? Ein Datenbänkchen,das hier heute in aller Eile durchgewunken werdensoll. Es löst das Problem leider überhaupt nicht; das hatHerr Priesmeier schon gesagt. Dabei gab es so viele Verbesserungsvorschlägeaus dem Bundesrat, von den Berufsständen,der Opposition, es gab eine Anhörung, undtrotzdem ist es bei allen Rechtsunsicherheiten und Regelungslückengeblieben.Anstatt alle Nutzungsrichtungen einzubeziehen, bleibenSie bei der Mast; das ist doch völlig unverständlich.Die vorhandenen tierärztlichen Abgabebelege – auchdies hat Herr Priesmeier schon erwähnt – hätten doch zurGrundlage der Datenbank genommen werden sollen,denn darin steht noch viel mehr; das ist wirklich relevantfür diese Auffassung.(Beifall bei der LINKEN, der SPD und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Kurz vor Schluss haben Sie auch noch die Meldefrequenzenvon drei Monaten auf sechs Monate verlängert;was das soll, weiß überhaupt niemand. Statt konsequentzu handeln, legen Sie uns also einen Entwurf auf demdenkbar kleinsten gemeinsamen Nenner vor; das reichtnicht.(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN undder SPD)Um das auch ganz klar zu sagen: Es geht nicht nur umdas Arzneimittelgesetz.Wie man es besser machen kann, können Sie in unseremEntschließungsantrag nachlesen. Ich nenne einmalein paar Beispiele: Die Tiergesundheit muss endlich inden Mittelpunkt der Gesetzgebung gerückt werden.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)Nutztiere dürfen nicht länger als Ware auf dem Basar einesgnadenlosen Marktes feilgeboten werden.(Beifall bei Abgeordneten der SPD und desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Es muss Rechtsschutz vor Dumpingzwängen geben. Aufdie Probleme der Nutztiergesundheit – zum Beispiel aufdie rasant gestiegenen Risiken durch den internationalenHandel, durch den Klimawandel und durch hochriskanteStrukturen – muss endlich adäquat reagiert werden.Die Linke fordert: Megaställe und zu hohe regionaleViehdichten müssen verhindert werden.(Beifall bei der LINKEN)Die Antibiotikadatenbank muss auf Bundesebene angesiedeltwerden, und die tierärztlichen Abgabebelegemüssen einbezogen werden. Ebenso müssen Daten zuHaltungsbedingungen, zur Sterblichkeit, zu Schlachtbefunden,zur Häufigkeit der Anwendung und zur Höheder täglichen Dosierung in diese Datenbank einbezogenwerden. Das darf nicht nur für die Mast gelten, das mussfür alle Haltungsformen und -stufen gelten. Die Behandlungganzer Bestände muss unbedingt explizit vermerktwerden. Alle Haltungssysteme inklusive der Bestandsdichtenim Stall und in den Regionen müssen auf Tiergesundheitsrisikenhin überprüft werden. Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung muss auf alle Nutztierartenausgeweitet werden; das ist ganz wichtig. Die Hygieneund das Klima im Stall müssen dringend verbessert werden;dazu brauchen wir klare Regelungen. Wir brauchendringend eine integrierte tierärztliche Bestandsbetreuung,(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD – Dr. Wilhelm Priesmeier[SPD]: Wohl wahr! Genau!)in der auch geregelt ist, wie häufig ein Tierarzt, eineTierärztin im Stall aufzutauchen hat.Die Behörden brauchen wirksame Kontroll- undSanktionsmöglichkeiten. Im Moment werden zwarMissstände festgestellt; aber im Prinzip kann überhauptnichts dagegen gemacht werden.Darüber hinaus müssen Wissenslücken geschlossenwerden. Die Deutsche Agrarforschungsallianz hat einenganz langen Katalog von Problemen in der Nutztierhaltungvorgelegt. Dieser Katalog muss jetzt dringend abgearbeitetwerden, und das darf auf keinen Fall an Finanzierungsproblemenscheitern.(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN –Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das machenwir doch!)Und: Die Linke fordert – das ist auch wichtig – die Einrichtungeines epidemiologischen Zentrums, das sichwissenschaftlich begründet explizit mit der Verhütungund Bekämpfung von Tierseuchen beschäftigt und unsentsprechende Konzepte vorlegt.Die Aus- und Weiterbildung der Landwirtinnen undLandwirte sowie der Tierärzte muss auf die neuen Herausforderungen,die ich beschrieben habe, ausgerichtetwerden. Beide Berufsgruppen müssen wie alle anderenvon ihrer Arbeit leben können. Das ist entscheidend dafür,dass auch die Qualität stimmt.(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg.Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN])Aus unserer Sicht haben Humanantibiotika im Stallnichts zu suchen.(Zuruf von der LINKEN: Genau!)Wir müssen auch konsequenter gegen Antibiotikamissbrauchvorgehen. Die Linke fordert die Bundesregierungauf, zu prüfen, ob nicht im Fall von Betrug oder grobfahrlässigem Handeln die tierärztliche Approbation entzogenwerden kann.(Beifall bei der LINKEN)Zu guter Letzt möchte ich sagen: Es ist ganz wichtig,dass wir endlich gegen den Dumpingwettbewerb inder Lebensmittelproduktion vorgehen. Den habenviele satt – und das völlig zu Recht.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28041Dr. Kirsten Tackmann(A)(B)(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetender SPD)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort derKollege Friedrich Ostendorff.Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wo ist Behle?“,fragte sich halb Deutschland, als Skilangläufer JochenBehle vor vielen Jahren, 1980, in den weiten WäldernLake Placids verschwand und nicht mehr auftauchte.Unsere Frage heute ist: Wo ist eigentlich MinisterinAigner bei der Bekämpfung des massiven Antibiotikaeinsatzes?(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Behle war nur zu langsam, meine Damen und Herren,aber noch in der Spur. Ministerin Aigner ist nicht nur zulangsam, sie hat auch Spur und Richtung verloren.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowiebei Abgeordneten der SPD)Die Bekämpfung des Antibiotikaskandals schwebt nunschon seit 16 Monaten. Wo ist Frau Aigner?Frau Aigners Regierungszeit ist geprägt von Skandalen:Dioxin, Ehec, PCB, ESBL, MRSA usw. – und demAntibiotikaskandal in der Tierhaltung.(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSUund der FDP)Mindestens genauso gravierend wie die Krisen ist jedochIhr unsägliches Krisenmanagement.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Verschleiern, solange es geht, verharmlosen, solangees geht, vertrösten, solange es geht, und verschieben, solangees geht: Das ist die einzige Antwort, die MinisterinAigner und Sie von Schwarz-Gelb den Menschen draußenauf ihre drängenden Fragen geben. Wir sagen: Dasist überhaupt keine Antwort. Das ist zutiefst verantwortungslosund vor allen Dingen verantwortungslos gegenüberunseren Nutztieren.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Dr. Erik Schweickert [FDP]: Was ist Ihre Antwort?)Außer Ankündigungen passiert nichts.(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Was ist Ihre Alternative?)Keine Verbesserungen für Hühnchen und Schweine!Keine Verbesserungen für Puten! Auch bei den Legehennenhaben Sie komplett versagt, und selbst den anachronistischenPferdeschenkelbrand haben Sie weiter erlaubt.(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Ein Skandal!)Wir sagen dazu: Thema verfehlt!Ohne den Umbau der Tierhaltung werden Sie den Antibiotikaeinsatzniemals drosseln können.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowiebei Abgeordneten der SPD)Das sehen wir nämlich an Dänemark, wenn wir dortgenau hinschauen.(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Richtig!)Wie viel Antibiotika eingesetzt werden, ist zuallerersteine Frage der Haltung, liebe Kolleginnen und Kollegenvon Schwarz-Gelb. Aber an Haltung lassen Sie es javermissen, weil Sie regelmäßig vor der Agrarlobby einknicken.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-KEN – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Was füreine Büttenrede!)Das ist verantwortungslos; denn Sie sind den Bürgerinnenund Bürgern und nicht Bauernverband und AgrarindustrieRechenschaft schuldig.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowiebei Abgeordneten der SPD)Das, was Sie tun, ist aber nicht nur verantwortungslos,sondern leider auch höchstgefährlich.(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Wer hat dieseRede geschrieben?)Ihr Nichtstun führt zu weiteren Antibiotikaresistenzen.Sie wollen den Skandal weiter nur erfassen und dokumentieren,statt die Ursachen anzugehen.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD – MarleneMortler [CDU/CSU]: Demagoge!)Dabei hat gerade erst die Denkschrift der Leopoldina vordem Rückfall ins präantibiotische Zeitalter gewarnt. LesenSie das einmal nach! Die Leopoldina warnt davor,dass Krankheiten wie Scharlach durch den Missbrauchvon Antibiotika möglicherweise lebensbedrohlich werdenkönnen.(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja, ja!)– Ja, Wissenschaft interessiert Sie nicht, HerrGoldmann; das wissen wir.(Zurufe von der FDP)Ihre einzige Antwort darauf ist: Wir machen mal einbisschen mehr Erfassung und verordnen den TierhalternReduktionspläne – ohne wirkliche Durchgriffsrechte derLandesbehörden. Das kann doch nach 16 Monaten nichtalles gewesen sein.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIELINKE])(C)(D)Stoppen Sie endlich die verbotene prophylaktischepermanente Verfütterung von Antibiotika über das


28042 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Friedrich Ostendorff(A)Trinkwasser! Das ist doch die tägliche Praxis im Bereichder Hühner. Stoppen Sie das!Sie sind Ihrer Verantwortung, Antibiotika auf krankeTiere zu begrenzen, nicht gerecht geworden. Statt Wirtschaft,Gesellschaft und Politik an einen Tisch zu bringenund ein Gesamtkonzept für eine weitgehend antibiotikafreieTierhaltung zu entwickeln, haben Sie Türen undFenster verschlossen und drinnen mit der Agrarlobbydas Handeln ausgekungelt.(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was soll dasjetzt?)Wir Grünen erwarten von Ihnen keinen Reformimpulsmehr. Wir setzen auf einen Neustart nach dem22. September 2013.(Beifall bei Abgeordneten der SPD)Dann wollen wir den überfälligen Wandel in der AgrarundVerbraucherpolitik angehen.(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Unglaublich! –Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ihr habt in denLändern versagt! – Dr. Kirsten Tackmann[DIE LINKE]: Das geht aber nur mit Rot-Rot-Grün!)Tiergerecht, offen und transparent, mit den Bürgerinnenund Bürgern statt permanent an ihnen vorbei: So werdenwir es angehen.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowiebei Abgeordneten der SPD)Tierhaltungsformen zu reden. Dass es in Ihrem Bereichauch Probleme gibt, erleben wir jeden Tag.Kommen wir also zur Sache. Es geht, wie der HerrStaatssekretär gesagt hat, um die Sicherstellung des Einsatzeseiner wirksamen Waffe gegen unvermeidbare Infektionskrankheiten.Die Gesunderhaltung unserer Nutztieregehört zum aktiven Tierschutz.(Beifall der Abg. Marlene Mortler [CDU/CSU])Das ist das große Anliegen eines jeden Tierhalters.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wenn Sie ihm das absprechen, dann beleidigen Sie vieleTausend Familienbetriebe, die das hohe Bedürfnis unddas hohe Ziel haben, ihre Tiere so zu halten, dass sieauch gesund bleiben.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)Meine Damen und Herren, viele Technologien, die inden letzten Jahrzehnten für die Stallbauten, für die Stallformen,für die Haltung von Tieren, die für Lüftungen,Klimaanlagen, Bodenbeläge usw. entwickelt wurden,dienen dem Tierwohl. Das können Sie nicht einfach negieren.Jeder ist bemüht – die Tierhalter, die Technikhersteller,die Behörden und die Tiermediziner –, diese Problemezu lösen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Die Versorgung der Tiere mit Arzneimitteln mussstets gewährleistet sein.Vermitteln Sie doch nicht den Eindruck, wir brauchtennur so wichtige Medikamente wie Antibiotika wegzulassen,und dann hätten wir das Problem gelöst!(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Dassagt doch keiner! Sie haben nicht zugehört! –Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Zielgenau einsetzen! Darum geht es!)Nein, dann haben wir es eben nicht gelöst. – Frau Kollegin,ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Aber der Zusammenhangvon Haltungsformen – Sie kritisieren dieHaltung in großen Formen – und epidemiologischenProblemen ist genau nicht nachgewiesen.(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Das hat sieauch nicht gesagt! – Dr. Kirsten Tackmann[DIE LINKE]: Ich habe von Megaställen geredet!)– Lassen Sie doch die Kampfbegriffe weg! Gehen wirdoch zu den Ursachen!(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Eben! Genaudas ist es!)Ist es die Lüftung, ist es die Größe, ist es die Stallform?Was ist es? Herr Kollege Priesmeier, genau diese Zusammenhängesind wissenschaftlich nicht ausreichenderforscht.(C)(B)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Als letzter Redner hat jetzt der Kollege Dr. MaxLehmer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Jetztist wieder Verstand hier! – Marlene Mortler[CDU/CSU]: Endlich gibt es wieder Verstand!)Dr. Max Lehmer (CDU/CSU):Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Lieber Herr Kollege Ostendorff, ich darf das sagen, weilich, wie Sie, praktizierender Landwirt bin und seit50 Jahren mit Tieren umgehe – das müssen Sie mir nichtbeibringen –: Mit der Polemik, die Sie gerade wiedervorgetragen haben, lösen wir genau die Probleme, die esunstrittig gibt, nicht.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Aber mit dem Gesetzentwurf auchnicht!)Zu den Problemen mit Bioeiern und anderen Problemen,die es auch in der Ökolandwirtschaft gibt, müssenSie einfach stehen. Diese Form kann nicht einmal 3 Prozentdes Fleischbedarfs und des Bedarfs an tierischenProdukten der deutschen Bürgerinnen und Bürger decken.Also haben Sie nur relativ wenig Berechtigung, über die(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruchbei der SPD und der LINKEN)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28043Dr. Max Lehmer(A)– Aber natürlich nicht. Ich habe darüber mit dem Professoraus Hannover, der die Indikatoren entwickeln soll,geredet. Er sagte, damit fangen wir erst richtig an. Dasist die Tatsache.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)Meine Damen und Herren, wir fangen anders an; wiranalysieren, wir stellen fest: Wir haben einen hohen Antibiotikaeinsatz.– Den mit dem in der Humanmedizin zuvergleichen, ist sowieso völlig daneben – völlig daneben!–, weil die absolute Antibiotikamenge überhauptnichts über die Qualität des Einsatzes aussagt. Bei einerResistenzstrategie ist nicht die Menge entscheidend,sondern der Einsatz. Wann setze ich es ein, welchenWirkstoff verwende ich, und wie lange und wie oft darfich bekämpfen? Das ist in der Humanmedizin nicht anders.Man könnte auch einmal auf die Idee kommen, denEinsatz von Antibiotika dort zu überprüfen,(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)sich fragen, ob man bei jedem kleinen Nasenkitzlerschon ein Antibiotikum braucht. Da müssen wir uns alleeinmal an die Nase fassen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Also: Die Einsatzmenge ist zunächst nicht der wichtigsteIndikator für oder gegen die Anwendung einesMedikaments, das unverzichtbar ist.Wir wollen selbstverständlich Resistenzen vermeiden.Das ist überhaupt keine Frage.(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Wollen reicht nicht, Herr Kollege!)Aber diese Resistenzentwicklung ist ein biologischesPrinzip. Das gilt bei Pflanzen, Tieren und Menschen ingleicher Weise. Wenn Sie mit einem Wirkstoff einen Organismuslange behandeln, dann wehrt er sich, und dasnennt man „Resistenz“. Das heißt, der Organismus kannsich zur Wehr setzen. Das ist zunächst nichts Schlimmes.Das Schlimme dabei ist, dass dann der Wirkstoff nichtmehr brauchbar ist. Genau das müssen wir verhindern.Deshalb haben wir eine Strategie. Bei dieser Strategie,Herr Kollege Priesmeier, fangen wir nicht bei denTransporten auf der Autobahn an. Wir wissen ja nicht,wo in einer bestimmten Haltungsform der optimale Einsatzist. Das weiß keiner; das weiß in Deutschland keinWissenschaftler. Deshalb machen wir ein Benchmark.Wir testen jetzt mit einer aufwendigen Analyse und ineinem Erfassungssystem – da nehmen wir übrigens auchdie AuA-Belege und alle Daten, die wir in QS schon haben,um dem Landwirt zusätzliche Bürokratie zu ersparen–, was denn eingesetzt wird. Das machen wir zeitnahund schnell. Zusammen mit dem Tierarzt ist der Landwirtverpflichtet, alles aufzulisten. Wir werden dabei dieTherapiehäufigkeit tierspezifisch und haltungsspezifischanalysieren. Daraus ergibt sich dann ein Benchmark.Wer über oder unter diesem Benchmark liegt, hatmit Maßnahmen zu rechnen. Wer im Benchmark auffälligwird, weil er über dem Behandlungsquotienten liegt,muss sich mit dem Tierarzt zusammensetzen und binneneines Jahres einen Beleg vorlegen oder mit dem Tierarzteinen Maßnahmenkatalog besprechen. Diese Zeit mussman dem Landwirt geben, weil in dieser Zeit auch erstermittelt wird, welcher Ursachenkomplex für dieses Abweichenvon der Norm, vom Benchmark, verantwortlichist.Das ist ja auch kein Klacks, da geht es um große Entscheidungen.Deshalb muss man das valide machen, unddas tun wir mit diesem Ansatz.Dieses schlüssige Gesamtkonzept, das jetzt mit dreiSchwerpunkten angegangen werden soll, ist wirklicheine Innovation.(Lachen bei der SPD)Erstens. Wir fördern und verbessern den sorgfältigenEinsatz und den verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotikain der Tierhaltung, zum Beispiel bei Umwidmungenvon Arzneimitteln.Zweitens. Wir ermöglichen der Überwachung eine effektivereAufgabenwahrnehmung.Drittens. Wir führen ein umfangreiches Antibiotikaminimierungskonzeptfür Mastbetriebe neu ein. Das hates bisher nicht gegeben. Dass wir das bürokratiesparendmachen wollen, habe ich schon erwähnt.(Beifall bei der CDU/CSU)Wir ergreifen auch Maßnahmen, damit die Bürokratienicht ausufert. Wir legen Bestandsuntergrenzen fest, sodassbei der Erfassung des Großteils des Tierbestandesdie Ermittlung der Kennzahlen repräsentativ bleibt. Nebeneiner Präzisierung des Berechnungsverfahrens zurErmittlung der Therapiehäufigkeit, das bereits im Bundesanzeigerveröffentlicht wurde, –(C)(B)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Aber den lesen Sie jetzt nicht mehr vor, bitte.(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten derSPD und der LINKEN)Denn Ihre Zeit ist abgelaufen.(D)Dr. Max Lehmer (CDU/CSU):– haben wir die Maßnahmen präzisiert, die bei Überschreitender Kennzahlen zu treffen sind.Insgesamt ist das ein rundes Konzept. Über Nacht istkeine Lösung zu finden. Lassen Sie uns jetzt mit sachgerechterKompetenz, genauer Analyse und einer gutenZusammenarbeit zwischen dem verantwortlichen Tierhalter,dem Tierarzt und den Behörden an die Sache herangehenund eine Verbesserung des Antibiotikaeinsatzeserreichen.Danke schön.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierungeingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur


28044 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms(A)(B)Änderung des Arzneimittelgesetzes. Der Ausschuss fürErnährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehltunter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 17/12526, den Gesetzentwurf der Bundesregierung– das sind die Drucksachen 17/11293 und17/11873 – in der Ausschussfassung anzunehmen. Ichbitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassungzustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen?– Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf istin zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionengegen die Stimmen der Oppositionsfraktionenangenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmenwollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? –Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichenStimmenverhältnis wie zuvor angenommen.Wir kommen nun zur Abstimmung über die Entschließungsanträge.Wir kommen zuerst zur Abstimmungüber den Entschließungsantrag der Fraktion DieLinke auf Drucksache 17/12544. Wer stimmt für diesenEntschließungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen?– Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmender Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Grünen undZustimmung von SPD und Linken abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantragder Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufDrucksache 17/12545. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag?– Gegenstimmen? – Enthaltungen? – DerEntschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionengegen die Stimmen der SPD und derGrünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt.Wir setzen die Abstimmungen zu der Beschlussempfehlungdes Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz auf Drucksache 17/12526 fort.Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlungdie Ablehnung des Antrags der Fraktionder SPD auf Drucksache 17/12385 mit dem Titel„Ein effizientes Tierarzneimittelgesetz schaffen und dieAntibiotikagaben in der Nutztierhaltung wirkungsvollreduzieren“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung?– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionengegen die Stimmen der Oppositionsfraktionenangenommen.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlungdes Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz zu dem Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen mit dem Titel „Systematischen Antibiotikamissbrauchbekämpfen – Tierhaltung umbauen“.Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/10662, den Antrag der FraktionBündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/9068 abzulehnen.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionengegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 13 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten AngelikaGraf (Rosenheim), Petra Crone, Dr. h. c. GernotErler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion derSPDMenschenrechte älterer Menschen stärken undErarbeitung einer UN-Konvention fördern– Drucksache 17/12399 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)Auswärtiger AusschussRechtsausschussAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für GesundheitAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruchdagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist dasso beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerinder Kollegin Angelika Graf von der SPD-Fraktiondas Wort.(Unruhe)– Vielleicht können die Kollegen, die nicht mehr teilnehmenwollen, den Saal verlassen, damit die anderen derRednerin folgen können. – Bitte schön, Frau Graf, Siehaben das Wort.(Beifall bei der SPD)Angelika Graf (Rosenheim) (SPD):Danke schön, Herr Präsident. – Herr Präsident! LiebeKolleginnen und Kollegen! Inzwischen spricht inDeutschland jeder über die demografische Entwicklung.Positiv wird sie wahrgenommen als Chance für den Einzelnen;denn man lebt länger. Positiv wird sie auchwahrgenommen im Bereich der Wirtschaft. Positiv wirdsie wahrgenommen im Bereich der ehrenamtlichen Tätigkeiten.Aber sie wird ebenso mit Angst und Schrecken wahrgenommenwegen der großen Herausforderungen, diefür unsere Gesellschaft damit einhergehen, zum Beispielder Herausforderung für die sozialen Sicherungssysteme.Im Jahr 2050 wird jeder dritte Deutsche älter als60 Jahre sein. Mit dieser Entwicklung stehen wir abernicht alleine da. Das weltweite Durchschnittsalter vonderzeit 42,9 Jahren wird auf 48 Jahre steigen. Gleichzeitigwerden 2050 weltweit etwa 2 Milliarden Menschenüber 60 Jahre alt sein. Heute sind es gerade einmal810 Millionen. In knapp 40 Jahren, also innerhalb einerdurchaus absehbaren Zeit, werden mehr ältere Menschenauf der Erde leben als Kinder unter 14 Jahren.Die wachsende Bevölkerungsgruppe der Älteren undinsbesondere der Hochaltrigen ist überall auf der Weltähnlich wie die Gruppe der Kinder sehr verletzlich. Ihrespezifischen Bedürfnisse sind im deutschen wie im inter-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28045Angelika Graf (Rosenheim)(A)(B)nationalen Recht bisher nur sehr unzureichend berücksichtigtund geschützt.Der Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Lebensaltersist zum Beispiel im internationalen und europäischenRecht im Vergleich zu anderen Diskriminierungsmerkmalenschwach ausgestaltet. Deshalb war esuns als SPD damals in der Großen Koalition so wichtig,dass Deutschland eine Vorreiterrolle spielt. Wir habentrotz des Widerstands der Union das Verbot der Diskriminierungwegen Alters in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzaufnehmen können.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)So ganz klappt das allerdings noch nicht mit der Implementierung;das muss man einfach feststellen. Nacheiner Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundesgelten ältere Menschen als sehr stark diskriminiert. Auchdie Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationenweist regelmäßig darauf hin. Es handelt sich vorwiegendum Diskriminierungen am Arbeitsmarkt, in derGesundheitsversorgung und in der Bildung, also in sehrzentralen Bereichen des Lebens.Die Vulnerabilität der Gruppe verstärkt sich mit steigendemAlter, und zwar in Deutschland wie überall aufder Welt. Dann sind nämlich viele Menschen abhängigvon Drittpersonen und können sprachlich oder körperlichnur noch beschränkt kommunizieren und sich nurselten wehren.Immer wieder beschäftigen uns in Deutschland Berichteüber Pflegeskandale. Sie sind – das sage ich hierganz deutlich – nicht die Regel. Aber oft sind Pflegekräfteoder auch Angehörige überfordert. Da kann eseben zu einer Einweisung einer pflegebedürftigen oderdementen Person gegen ihren Willen in ein Pflegeheim,einer Ruhigstellung durch Medikamente, einer Zwangsernährungüber eine Magensonde oder einer Fixierungkommen – schlimme Eingriffe in das Selbstbestimmungsrechtder Menschen.Auch über körperliche und psychische Gewalt wirdberichtet. Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungenwird zudem oft nicht das Maß an Privatleben,an Privatsphäre zugestanden, das ihnen zusteht.Im Bereich der politischen Rechte reichen die Benachteiligungenvom nicht altersgerechten Zugang zuWahlurnen und zum Wahllokal über Altersgrenzen beiEhrenämtern – Stichwort: Schöffen – bis hin zur politischenEntrechtung durch die Vormundschaft Pflegebedürftiger,so zum Beispiel durch die Kündigung von Parteimitgliedschaften.Frauen im Alter, hier in Deutschland wie in den Entwicklungsländernund Schwellenländern, sind von denDiskriminierungen mit am stärksten betroffen. In vielenEntwicklungsländern arbeiten Frauen ein Leben lang iminformellen Sektor und sind dann im Alter sozial nichtabgesichert und rechtlos. Auch werden Frauen in vielenGesellschaften im Erbrecht diskriminiert und haben imAlter keine angemessene Unterkunft.Wir sind der Ansicht, dass die Bundesregierung aufnationaler Ebene die Probleme der Diskriminierung Älterernicht ernst genug nimmt. Eine ihrer ersten Amtshandlungenbeim Amtsantritt 2009 war, der Antidiskriminierungsstelledie Mittel zu kürzen. Wir fordern dieBundesregierung ausdrücklich auf, diese Kürzungen zurückzunehmen.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Wir wollen, dass die Menschenrechte im Bereich derPflege effektiver überwacht werden. Hierfür müssen dieHeimaufsichtsbehörden und die Medizinischen Dienstebesser als bisher in die Lage versetzt werden, ihre Kontrollmöglichkeitenzu nutzen. Sanktionen dürfen da keinTabu sein. Die Ergebnisse der Kontrollen sollen wissenschaftlichevaluiert und die Pflegearbeit im stationären,aber auch im ambulanten Bereich soll in Richtung Ergebnisqualitätüberprüft werden. Ebenso sollen die Erfahrungenmit dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzüberprüft werden. Dies ist, denke ich, eine notwendigeVoraussetzung dafür, dass bessere Pflegestandardsdurchgesetzt werden.Auf internationaler Ebene setzt die Bundesregierungaus unserer Sicht ebenfalls keine Zeichen, und das, obwohldie UN im Jahre 2012 festgestellt hat, dass dasMenschenrechtssystem lückenhaft ist, und damals explizitangeregt hat, die Rechte zum Schutz Älterer neu zuregeln. Bisher hat die Bundesregierung dieses Themader Zivilgesellschaft überlassen. Organisationen wieHelpAge leisten wirklich gute Arbeit. Doch braucht esein ernsthaftes politisches Engagement. Das bedeutet,die bereits seit 2010 bestehende Working Group onAgeing der UNECE zu unterstützen und sich dafür einzusetzen,eine UN-Konvention über die menschenrechtlichenBedürfnisse älterer Menschen zu erarbeiten.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Um effektiv den Schutz der Rechte Älterer zu kontrollieren,ist aber auch vonnöten, einen UN-Sonderberichterstattereinzusetzen. Denn was hilft es, wenn man eineKonvention hat und keine entsprechende Kontrolle möglichist?Wer glaubt, mit einer solchen neuen Konvention würdendie Rechte anderer Bevölkerungsgruppen, zum Beispielder Jungen, beschnitten, der ist im Irrtum. Ichdenke, dass Schutzmechanismen für eine vulnerableGruppe, seien es Kinder – da gibt es die UN-Kinderrechtskonvention–, seien es die Frauen – da gibt es CEDAW –oder Behinderte – da gibt es die UN-Behindertenrechtskonvention–, der gesamten Gesellschaft nutzen. Alleindie Befassung mit der Menschenrechtssituation dieserGruppen und der Zwang, die Konvention umzusetzen,verändern aus meiner Sicht langfristig die gesellschaftlichenProzesse und führen dazu, dass Verhaltensweisengenerell überdacht werden. Ich denke, das gereicht zumVorteil aller. Deswegen brauchen wir dringend dieseKonvention. Sie bringt uns weiter, insbesondere mitBlick auf die Entwicklung der Demografie in vielen(C)(D)


28046 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Angelika Graf (Rosenheim)(A)Ländern, wo der Schutz für Ältere noch viel schlechterist als bei uns.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat der Kollege Frank Heinrich von derCDU/CSU-Fraktion.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)regionale Unterschiede. Eine Schwierigkeit, die wir mitIhrem Antrag haben, ist, dass darauf unserer Meinungnach nicht differenziert genug eingegangen wird, weil erzum einen die deutsche Situation beschreibt und zum anderenaber auch die weltweite Situation. Die nötige Bewältigungdieser Herausforderung, nämlich der Alterungunserer Bevölkerung, ist eine absolute Maßgabe für unserePolitik. Der Generalsekretär der Vereinten NationenBan Ki-moon schreibt – ich zitiere –:Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen diesesPhänomens sind tiefgreifend und reichen in beispielloserWeise weit über das Individuum und dieFamilie hinaus bis in die Gesamtgesellschaft unddie Weltgemeinschaft.Was sind diese Herausforderungen? Sie benennen siein Ihrem Antrag. Es geht um die Anerkennung der Sorgeum dieses Problem. Die Zahlen in Deutschland zeigen– der demografische Wandel; Sie haben es genannt –,dass der Anteil der Jüngeren ständig abnimmt, währendder Anteil der Älteren in der Bevölkerung steigt. DenFokus auf ältere Menschen zu richten, ist eine demografischeNotwendigkeit und damit politisch mehr als angezeigt.Sie werden sich erinnern, dass einige Maßnahmender Bundesregierung eindeutig in diese Richtung gehen.Die weltweiten Zahlen besagen, dass 2050 mit 2 MilliardenMenschen ein Fünftel der Menschen dieser Erdeüber 60 Jahre alt sein wird. Heute ist es „nur“ ein Neuntel.80 Prozent der über 60-Jährigen werden 2050 – dasist der geografische Unterschied – in Entwicklungsländernleben. Die Organisation HelpAge hat gesagt: „DieWelt wird grau“ – verstehen Sie das nicht falsch –, wennwir diese Herausforderung nicht bewältigen.Herausforderungen für Deutschland sind altersbedingteKrankheiten – wir reden oft über Alzheimer; dasführt oft zu Fremdbestimmung und Entmündigung –, Altersarmutund Diskriminierung. Wir alle kennen dasWort „Sexismus“; für das Wort „Ageism“ gibt es nochkein deutsches Wort. Es sind stereotype Einstellungen,die zu diskriminierendem Verhalten gegenüber älterenMenschen führen. Ageism beschreibt einerseits die Diskreditierungdes Altersprozesses als solchen und andererseitsdie Exklusion aller, die als „alt“ etikettiert werden.Die Welt hat im letzten Jahr in einem Bericht dasBeispiel von Margret Schukies, einer attraktiven und unternehmenslustigenDame – 62 Jahre alt – beschrieben.Sie wollte sich einen Hundewelpen in einem Tierheimabholen; aber die Leiterin des Tierheims sagte ihr, sie seizu alt.(C)(B)Frank Heinrich (CDU/CSU):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Schönen guten Abend! „Menschenrechte ältererMenschen stärken und Erarbeitung einer UN-Konventionfördern“, mir persönlich ist das ein ganz besonderesAnliegen; das wissen Sie vielleicht nicht. Ich habewahrscheinlich Ihnen allen gegenüber einen kleinen Vorsprung:Ich habe 14 Jahre meines Lebens in einem Altenheimgelebt; das hat mit meinen Eltern und ihrem Berufzu tun. Ich habe dadurch viele Menschen und denSchatz kennengelernt, den es in den damit verbundenenBegegnungen gibt, von dem in Reden immer wieder gesprochenwird.Ich erinnere mich an Gesichter, und ich erinnere michan Begegnungen. Ich erinnere mich etwa an Oma Berta,wie wir sie alle nannten, 99 Jahre, quicklebendig, nichtnur im Haus, sondern auch im Dorf, in dem das Heimstand. Ich erinnere mich an Schwester Luise, die einesNachts meine Mutter weckte – Schwester Luise warblind; sie hatte sich in der Etage vertan; sie musste jakein Licht anmachen, auch im Zimmer meiner Mutternicht –, als sie bei der Berührung ihres Gesichtes feststellte,dass sie im falschen Zimmer gelandet war. Ich erinneremich auch an Opa Walther, der überhaupt keinProblem hatte, sich mit den Jugendlichen zu unterhalten,und ihnen sogar das Wasser reichen konnte. – ÄltereMenschen sind ein sozialer Schatz für unsere Gesellschaft.Das kam auch in Ihrer Rede zum Ausdruck, FrauGraf. Neben dieser Wertschätzung brauchen Sie aberauch unseren Schutz.(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und derFDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN)Ältere Menschen spielen – darauf werden sie leiderimmer wieder reduziert – auch eine ökonomische Rolle,nicht nur bezogen auf den Wirtschaftsfaktor, sondernauch als Rentner, wenn sie ehrenamtlich tätig sind, Enkelbetreuen, den Ehe- oder Lebenspartner pflegen, aberauch, wenn sie ihre spezifischen oder allgemeinen Erfahrungenaus ihrem Leben weitergeben.Leider werden die älteren Menschen oft nur mit negativenBegriffen beschrieben. Zum Beispiel reden wirvom Problem der Überalterung. Zusammen mit einemLandtagskollegen aus Chemnitz habe ich mich entschieden,wenn möglich, auch von Unterjüngung und nichtimmer von Überalterung der Gesellschaft zu sprechen.Das Altern dieser Bevölkerung ist einer der bedeutendenTrends des 21. Jahrhunderts. Es gibt natürlich großeEs gibt Diskriminierung im Erwerbsleben, beim Abschlussvon Versicherungen und soziale Isolation. Einfrappierendes Beispiel war eine Hitzewelle im Jahr 2003in Frankreich; im letzten Jahr drohte sie dort wieder. Daransind etwa 15 000 Menschen gestorben; 80 Prozentvon ihnen waren über 75 Jahre alt. Es wurde einfach vergessen,sie zu versorgen. Es gibt sogar Misshandlungen– Sie haben das geschildert –: körperliche Misshandlungdurch Festhalten, emotionale Misshandlung durch Beschimpfungoder in Form von Vernachlässigung. Zudemgibt es Menschenrechtslücken im Hinblick auf institutionelleund private Pflege.(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28047Frank Heinrich(A)(B)Ich komme zu den Problemen in den Entwicklungsländern.Die Lage älterer Menschen hat sich in den Entwicklungsländernum einiges verschlechtert. ÄltereMenschen waren früher aufgrund ihrer Lebenserfahrung,von der ich hier anfangs sprach, Vermittler in der Gemeindebzw. der Gemeinschaft. Zurzeit erleben sie immerhäufiger Gewalt und Misshandlungen. Dazu kommtes natürlich auch aufgrund von Druck und Notsituationen.Armut oder HIV/Aids sind Gründe für die Verschlechterungen,ebenso Analphabetismus und die höhereVerletzbarkeit älter werdender Menschen. Aber eskann sogar noch weiter gehen: Im Jahr 2011 wurden inTansania 500 ältere Frauen ermordet, die der Hexerei beschuldigtwurden.Ich komme zu Lösungen bzw. zu Antworten und Reaktionenauf die Forderungen, die Sie in Ihrem Antragbeschrieben haben. Wir können bei Ihrem Antrag anzwei Stellen nicht mitgehen; die Punkte bauen, wie Siein Ihrer Rede gesagt haben, sogar aufeinander auf.Wir sind erstens nicht der Meinung, dass die Erarbeitungeiner UN-Konvention für die Rechte älterer Menschenangezeigt ist, zumal die Vereinten Nationen denAuftrag haben, zu prüfen, ob dies Sinn macht. Wir könnenhier unter anderem deshalb nicht mitgehen, weil dieentsprechenden völkerrechtlichen und menschenrechtlichenVoraussetzungen bereits bestehen und es nun anihre Umsetzung gehen muss. Da gibt es zum Beispiel– ich könnte jetzt alle Vereinbarungen nennen, aber Siekennen sie schon; sie stehen auch in Ihrem Antrag – denInternationalen Pakt über bürgerliche und politischeRechte, den Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelleRechte sowie die Internationale Konvention zumSchutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrerFamilienangehörigen. Immer geht es auch um das Alter;nicht immer wird es explizit genannt. So heißt es auch inIhrem Antrag – ich zitiere daraus –:Artikel 25 der 2009 in Kraft getretenen Charta derGrundrechte der Europäischen Union verbürgt „dasRecht älterer Menschen auf ein würdiges und unabhängigesLeben und auf Teilnahme am sozialen undkulturellen Leben“.Alter ist darüber hinaus eines von sechs Merkmalen,die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schütztund aufgrund derer kein Mensch diskriminiert werdendarf. Zudem sind die Vereinten Nationen dabei – ichhabe es schon gesagt –, zu untersuchen, ob die Lösung,eine Konvention zu erarbeiten, Sinn macht. Die von Ihnengenannte UN Open-ended Working Group on Ageingwurde letzten Dezember beauftragt, einen Vorschlagdazu zu unterbreiten, was eine Vereinbarung zum Schutzder Rechte Älterer umfassen sollte. Einer Konventionkönnen wir also nicht zustimmen.Insofern können wir – das ist die logische Folge –zweitens nicht der Einsetzung eines Sonderberichterstattersfür die Menschenrechte älterer Menschen zustimmen.Es besteht der Bedarf, die bestehenden Verträge,die bestehenden Mechanismen besser anzuwenden. Dastut auf der einen Seite die EU. Letztes Jahr war das EuropäischeJahr für aktives Altern und Solidarität zwischenden Generationen. Um die entsprechende Debattevoranzubringen – darum muss es zuerst gehen –, wurdenanlässlich des Europäischen Jahres 90 Initiativen auf lokaler,nationaler und europäischer Ebene durchgeführt.Was wurde in Deutschland schon gemacht? LetztesJahr wurde die Demografiestrategie auf den Weg gebracht.Dabei geht es zuerst einmal darum, ein Bewusstseinfür das Thema zu schaffen. „Jedes Alter zählt“ – sowurde diese Strategie genannt. Eines der sechs Themenfelderder Demografiestrategie trägt den Titel „SelbstbestimmtesLeben im Alter“. Hier geht es um folgendeZiele – ich gehe nur kurz darauf ein –: selbstbestimmtesLeben, Aktivität im Alter, gesellschaftliche Teilhabe, gesundesAltern.Die Bundesregierung engagiert sich auch bei der Bekämpfungvon diesen Stereotypen bezüglich ältererMenschen und setzt sich für eine bessere Lebensqualitätein. Ich weiß nicht, wer von Ihnen die Posterkampagnedes Bundesministeriums für Bildung und Forschungwahrgenommen hat. Ich habe ein Bild von dem Postergemacht. Darauf steht:Ältere auf dem Arbeitsmarktunverzichtbar(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Das ist letztendlich etwas, das die Gesellschaft durchdringenmuss; es darf nicht nur ein Signal sein, das vonuns in der Politik ausgeht.Als erstes deutsches Bundesland hat Sachsen 2005 einenLandesseniorenbeauftragten bestellt. Er hat unteranderem folgende Projekte verfolgt: altersentsprechendeAnpassung von Bildschirmen und Eingabemasken, Förderungder Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichenLeben insbesondere im ländlichen Raum.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)Von den Forderungen, die Sie aufführen, könnte manfolgende Forderung tatsächlich unterstützen: stärkereEinbeziehung zivilgesellschaftlicher Verbände bei derVerbesserung der menschenrechtlichen Situation. DesWeiteren könnte man die Forderung unterstützen, sichfür die Umsetzung von Systemen für sozialen Basisschutz,für sogenannte Social Protection Floors, in Partnerländerneinzusetzen, auf Länder hinzuwirken, immenschenrechtlichen Bereich ordnungsrechtliche Verantwortungzu übernehmen, auf die Bundesländer hinzuwirken,Seniorenbeiräte in den Ländern und Kommunennach einheitlichen rechtlichen Grundlagen einzurichten– ich habe gerade das Beispiel Sachsen angesprochen –,und – das ist mir am Schluss noch wichtig – sich für dieAbschaffung diskriminierender Altersgrenzen, „Höchstaltersgrenzen“genannt, im Ehrenamt und im Kirchengesetzeinzusetzen. So hat auch die Antidiskriminierungsstelledes Bundes das letzte Jahr zum Themenjahr gemacht:„Im besten Alter. Immer“. Das ist heute noch aufder Webseite zu sehen. Weitere Vorschläge in diesemBereich wären Forschung bezüglich Krankheiten, diemit dem Alter verknüpft sind, oder weitere Maßnahmenzur aktiven Alterung. Da gibt es das Projekt „Homeshare“aus Großbritannien zur Stärkung der Solidarität(C)(D)


28048 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Frank Heinrich(A)(B)zwischen Generationen durch Dienstleistungen, sodassältere Menschen Mitbewohner haben können.Zum Schluss. Demografischer Wandel sollte eher alsMöglichkeit, als Opportunity – ich nenne den englischenBegriff, weil es auch um den internationalen Zusammenhanggeht –, als Möglichkeit für innovative Lösungenfür viele aktuelle, soziale und wirtschaftliche Problemedenn als Last angesehen werden. Aber dafür brauchenwir einen neuen gesellschaftlichen Konsens, dass ältereMenschen ein sozialer Schatz für unsere Gesellschaftsind, und nicht nur eine politische Initiative. Ältere Menschenzu befähigen, gesünder und aktiver in der Arbeitsweltund der Gemeinschaft zu sein, wird uns bei diesendemografischen Herausforderungen helfen – auf einemWeg, der gerecht und nachhaltig ist.Mein letzter Satz. Art. 10 des Madrid InternationalPlan of Action on Ageing lautet: Das Potenzial ältererMenschen ist eine mächtige Grundlage für die zukünftigeEntwicklung. Es befähigt zunehmend die Gesellschaft,sich auf die Fähigkeiten, die Erfahrung und dieWeisheit älterer Menschen zu verlassen.In diesem Sinne wünsche ich uns einen guten Anstoßund ein gutes Weiterarbeiten an dem Thema dieser Debatte;denn sie ist wichtig genug.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die KolleginHeidrun Dittrich das Wort.(Beifall bei der LINKEN)Heidrun Dittrich (DIE LINKE):Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren! Heute geht es um den Antrag der SPD„Menschenrechte älterer Menschen stärken und Erarbeitungeiner UN-Konvention fördern“. Ja, Schutz vor Gewaltist nötig, und eine stärkere Kontrolle der Pflegeheimeist angebracht. Ihr Antrag zeigt in die richtigeRichtung, ändert aber nichts am Pflegealltag. Wenn es zuwenig examinierte Altenpflegerinnen gibt, dann könnenKontrollen und Berichte nur nützlich sein, wenn Sie Vorgabenfür mehr Personal machen. Aber genau das fehltin Ihrem Antrag.Auch an der Armut von älteren Menschen, vor allemvon Frauen – zu geringe Löhne und Teilzeitjobs führenzu Minirenten –, ändert Ihr Antrag nichts. Erst im letztenSatz Ihres Antrags fordern Sie, meine Damen und Herrenvon der SPD, einen gesetzlichen Mindestlohn, aberohne die Höhe anzugeben. Ich muss schon sagen: Das istdas Allerletzte!(Beifall bei der LINKEN)10 Euro Mindestlohn, wie ihn die Linke fordert, bedeutetzwar, dass die Menschen über die Grundsicherungkommen; aber das bedeutet nicht, dass man im Alterwirklich abgesichert ist. Es ist ein erster Schritt.(Beifall bei der LINKEN)Alle Parteien haben in der Regierung den Sozialabbauund die Rentenkürzungen sowie die Privatisierung derPflege vorangetrieben. Sie haben einen großen Marktgeschaffen, bei dem die Pflegebedürftigen die Verlierersind. Jetzt hat das Alter seinen Schrecken wieder. Dersoziale Fortschritt, den Älteren die Furcht vor der Abhängigkeitzu nehmen, ist nämlich dahin. Die Pflegebedürftigenfürchten sich vor dem Heim und vor der Abhängigkeit.Sie wünschen sich Unterstützung in einemselbstbestimmten Leben. „Die Würde des Menschen istunantastbar – bis zuletzt“,(Beifall bei der LINKEN)das hat die Hospiz-Bewegung 2001 geschrieben. DerPflegenotstand ist bekannt. Ich erspare mir die Details.Sie wissen, dass Vernachlässigung zum Tode führenkann.Es ist in Wohngruppen und Heimen einfach nicht dieZeit vorhanden, 1 Liter Flüssigkeit am Tag anzureichen.Meist trinken die Älteren aus eigenem Antrieb nur einGlas. Hier muss motiviert werden: abwechslungsreicheGetränke mit Geselligkeit und Unterhaltung, damit sieFlüssigkeit zu sich nehmen. Mit Gewalt geht das nicht.(Beifall bei der LINKEN)Weil die Grundversorgung nicht gesichert ist, kommtes zu Krankenhauseinweisungen. Doch dort geht es denSeniorinnen und Senioren nicht besser. Auch dortherrscht Pflegenotstand: Leiharbeiterinnen und Leiharbeiterin der Notaufnahme, Stress, Überforderung.(Zuruf von der FDP: Einen Mindestlohn in derPflege haben wir eingeführt! 8,50 Euro!)Es werden Sonden gelegt. Fremde Umgebung, fremdeMenschen – das macht den Aufenthalt unangenehm.Die Pflegekräfte selbst wollen gute Pflege leisten; leiderfehlt ihnen durch den Personalmangel die Zeit dazu.Die Altenpflegerinnen spüren, dass sie mehr tun müssten.Deshalb bleiben sie länger, versuchen nach Feierabendfür die Gruppe einzukaufen und den nächsten Tagvorzubereiten; aber das bekommen sie nicht bezahlt. Angestelltein der Pflege sind in der Regel bereits nach8,5 Jahren krank, Krankenschwestern nach 14 Jahren.Mit 8,50 Euro die Stunde, die im Branchentarifvertragfür Pflegekräfte vereinbart wurden, sind sie angesichtsder zu leistenden Schwerstarbeit noch immer unterbezahlt.(Beifall bei der LINKEN)Ist denn der Gesellschaft ein würdevolles Leben imAlter nichts wert? Müssen die Menschen, die in diesenBerufen arbeiten, so belastet werden? Der größte privatePflegebereich ist die Familie. Wie werden die Frauen,die keinen Beruf ausüben, weil sie Angehörige pflegen,vor Altersarmut geschützt? Die Leistungen nach demPflegezeitgesetz der Ministerin Schröder werden vonden pflegenden Angehörigen nicht nachgefragt, weil eseine freiwillige Leistung der Arbeitgeber ist.Warum fordern Sie nicht gemeinsam mit der Linkenim Interesse der Angehörigen, der Pflegebedürftigen undder Altenpflegerinnen mehr Personal? Das führt zu klei-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28049Heidrun Dittrich(A)neren Gruppen, das sichert die Einhaltung von Menschenrechten.Wir werden demnächst einen Antrag zuden Themen „Bemessung der Pflege“ und „Personalausstattung“vorlegen.Kommen Sie mir nicht mit dem Argument, dass examinierteAltenpflegerinnen nicht zu bezahlen seien. Wirhaben heute den Militäreinsatz in Mali beschlossen.Wenn es ums Töten geht, spielen die Kosten keine Rolle.Es geht nur darum, die wirtschaftlichen Interessen vonUnternehmen zu sichern.(Widerspruch der Abg. Marina Schuster[FDP])Wie schnell die Zerstörung eines Sozialstaates ablaufenkann, können Sie am Beispiel Griechenland sehen.Entbindungen werden nicht mehr bezahlt. Damit steigtdie Kindersterblichkeit. Das bedeutet: Zurück ins19. Jahrhundert!Ein positives Beispiel für eine alte Person – wenn ichdas noch anmerken darf – ist Stéphane Hessel, der vorzwei Tagen im Alter von 95 Jahren gestorben ist. Erüberlebte die Deportation durch die Gestapo und bliebaktiv. Er schrieb Empört euch!, setzte sich für Menschenrechteund die Überwindung der Armut ein. Erschlug vor, das Gemeinwohl vor die Interessen desGroßkapitals zu setzen. Das sollten wir auch tun.(Beifall bei der LINKEN)Das wird bis 2016 20 Milliarden Euro kosten. Trotzdemwerden wir die Vorgaben der Schuldenbremse nicht erst2016 einhalten; vielmehr haben wir sie schon vier Jahrefrüher, 2012, eingehalten.(Jens Ackermann [FDP]: Hört! Hört!)Warum sage ich das? Liebe Kolleginnen und Kollegender SPD und der Grünen, die Kollegin der Linkenhat die Staatsschuldenkrise in Griechenland angesprochen.Wir alle wissen, was ein überschuldeter Haushaltbedeutet: Es trifft am Ende die Schwächsten, auch dieAlten. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen derSPD und der Grünen, möchte ich Sie bitten, auf IhreKollegen in den Ländern, zum Beispiel in Baden-Württembergund Nordrhein-Westfalen, hinzuwirken, dieVerschuldungspolitik der Länder nicht fortzuführen undihr Einhalt zu gebieten.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)In Ihrem Antrag thematisieren Sie zu Recht dasThema Altersarmut. Wir wissen alle, dass die weit verbreitetsteUrsache für Altersarmut unterbrochene Erwerbsbiografiensind. Vor diesem Hintergrund frage ichmich, warum Sie für Ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahlmilliardenschwere Steuererhöhungen beschließen,mit denen Sie den Mittelstand und das Handwerkbelasten und damit Hunderttausende Arbeitsplätze aufsSpiel setzen.(Christoph Strässer [SPD]: Oje!)Das ist die falsche Politik. Sie sollten sich noch einmalüberlegen, ob Ihr Vorgehen richtig ist, wenn Sie demThema Altersarmut langfristig etwas entgegensetzenwollen.Dann haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen derSPD, das Thema „gesetzlicher Mindestlohn“ aufgegriffen.Sie sprechen nicht von einer Mindestlohnhöhe. Wirwissen aber aus Ihrem Wahlprogramm, dass Sie eineZahl im Kopf haben: 8,50 Euro. Wir sollten aber so ehrlichsein, zu sagen, dass man es bei 8,50 Euro sehrschwer haben wird, im Alter über das Niveau der Grundsicherungzu kommen. Dafür müsste man bei 35 Beitragsjahren10,40 Euro, also noch mehr als die von derLinkspartei geforderten 10 Euro in der Stunde verdienen.Wir sollten so ehrlich sein, den Menschen nichtSand in die Augen zu streuen. Einfach nur einen gesetzlichenMindestlohn zu fordern, wird dieses Problemnicht lösen.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)(C)(B)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Für die FDP-Fraktion hat jetzt das Wort der KollegePascal Kober.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU – Marina Schuster [FDP]: Eskann nur aufwärts gehen!)Pascal Kober (FDP):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Kollegen der SPD, das Thema, „Menschenrechteälterer Menschen stärken“, das Sie ansprechen, ist einwichtiges Thema. Deshalb ist es kein Wunder, dass sichdie Regierungskoalition seit Anbeginn ihrer Regierungszeitdieses Themas gerade auch im nationalen Bereichmit Tatkraft und Mut angenommen hat und vieles bewegthat, was richtig ist. Sie schreiben im ForderungsteilIhres Antrags, dass es auch nationale Herausforderungengibt, die es zu meistern gilt. Lassen Sie mich deshalbkurz auf das eingehen, was wir in den letzten drei Jahrengerade in diesem Bereich auf den Weg gebracht haben.Ich möchte mit einer Sache beginnen, an die manvielleicht nicht als Erstes denkt: die Übernahme derGrundsicherung im Alter durch den Bund. Damit habenwir zweierlei Sachen erreicht: Zum einen haben wir fürdie größte Entlastung der Kommunen in der Geschichteder Bundesrepublik gesorgt. Zum anderen haben wir dieFinanzierung der Grundsicherung im Alter und damitdas Leben derer, die im Alter bedürftig und auf Unterstützungangewiesen sind, auf eine sichere Grundlagegestellt.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Wenn wir der Altersarmut wirklich etwas entgegensetzenwollen – das ist glücklicherweise derzeit nochkein Massenphänomen, wie es häufig skizziert wird; nur2,4 Prozent der Menschen sind derzeit auf Grundsicherungim Alter angewiesen –, dann müssen wir einen präventivenAnsatz verfolgen. Ich habe das Thema „unterbrocheneErwerbsbiografien“ schon angesprochen. Wirmüssen an mehreren Stellschrauben beginnen. Beispielsweisebei der Kinderbetreuung – weil mangelnde Kinderbetreuungeine wesentliche Ursache dafür ist, dasseine Erwerbsbiografie gerade bei Frauen nicht stetig verläuft– haben wir zusätzlich zu den 4 Milliarden Euro,(D)


28050 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Pascal Kober(A)(B)die schon vereinbart waren, für 30 000 zusätzliche Kinderbetreuungsplätzenoch einmal knapp 600 MillionenEuro in die Hand genommen, und wir werden über 2014hinaus mit jährlich 845 Millionen Euro den Ausbau derKinderbetreuung weiter fördern.(Christoph Strässer [SPD]: Betreuungsgeld,Herr Kollege!)Das ist wichtig, gerade wenn man auf lange Sicht der Altersarmutbegegnen will.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Christoph Strässer [SPD]: Das Betreuungsgeldhaben Sie vergessen!)Das nächste Thema, um unterbrochenen Erwerbsbiografienvorzubeugen – die Staatssekretärin im GesundheitsministeriumAnnette Widmann-Mauz ist hier –: Mitdem Programm „Unternehmen unternehmen Gesundheit“fördern wir Betriebe, damit sie die Belegschaftenbei der Gesundheitsvorsorge unterstützen, damit sie längerbei guter Gesundheit arbeiten können. Auch das istein wesentliches Schräubchen, das wir eingeführt haben,an dem wir gedreht haben und an dem wir weiter drehenmüssen, damit in Zukunft Altersarmut vermieden werdenkann.Nicht nur Altersarmut ist das Thema. Sie haben in IhremAntrag zu Recht das Thema Pflegesituation angesprochen.Auch hier haben wir einiges zur Verbesserungder Situation älterer Menschen in unserem Land erreicht.Seit dem 1. Januar 2013 gibt es erstmalig Leistungen ausder Pflegeversicherung für Demenzkranke. Das ist auchetwas, was wir in dieser Regierungskoalition auf denWeg gebracht haben. Das ist wichtig.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)Wir wissen, dass noch immer mehr als zwei Drittelder Pflegebedürftigen von ihren Familien gepflegt werden.Deshalb haben wir gerade die finanzielle Unterstützungder Selbsthilfegruppen verstärkt und dort auch eineVerbesserung erzielt. Familien sind, wenn sie pflegen,besonders belastet und können sich in Netzwerken gegenseitigentlasten.Wir haben die Qualität der Pflegeeinrichtungen verbessert.Bisher galt, dass am Ende nur die Pflegedokumentationausschlaggebend ist. Wir haben hier gegengesteuertund gesagt: Es muss neben der Pflegedokumentationauch eine Inaugenscheinnahme der Patienten ausschlaggebendsein, um die Qualität eines Pflegeheimeszu bewerten. Auch das haben wir auf den Weg gebracht;auch das ist etwas, um die Rechte älterer Menschen inunserem Land zu stärken.Wie gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, das sindeinige Beispiele dafür, was wir auf nationaler Ebene indiesen drei Jahren schon erreicht haben und was wir abSeptember in der nächsten Koalitionsperiode mit allerKraft fortsetzen werden. Sie werden vonseiten der Oppositionweiter zuschauen und von uns lernen. Wir werdenweiter mit Ihnen diskutieren. Ich freue mich auf dieweitere Beratung dieses Antrags.Vielen Dank.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU –Christoph Strässer [SPD]: Gut, dass die da hintennicht mehr dabei sind, wenn wir lernen!)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hatjetzt der Kollege Tom Koenigs von der Fraktion Bündnis90/Die Grünen das Wort.(Christoph Strässer [SPD]: Jetzt redet mal einerzur Sache!)Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Im vorliegenden Antrag wird eine UN-Konventiongefordert, eine internationale Konvention zumSchutz der Menschenrechte der Alten.(Christoph Strässer [SPD]: So ist es!)Die Koalitionsfraktionen nehmen diesen Antrag nichtan, weil die SPD dies tut. Nun ist aber der Menschenrechtsschutzseit der universellen Erklärung der Menschenrechtegenau durch solche Konventionen vorangekommen,Schritt für Schritt, aber sicher. Das sind nichtnur Zivilpakt und Sozialpakt, sondern auch die Zusatzkonventionen,und zwar für einzelne Gruppen, die diesesSchutzes ganz besonders bedürfen – Frauen, Kinder,Menschen mit Behinderung, Flüchtlinge, Staatenloseund Wanderarbeiter –, aber noch nicht für die Alten.Wenn Sie sagen: „Das muss auch nicht sein“, dann stehtdahinter im Grunde die Vermutung: Das brauchen wirnicht, weil wir das schon haben, und eigentlich ist dasProblem schon längst gelöst. – Da fehlt es an Aufmerksamkeit.So eine Konvention würde genau diese Aufmerksamkeitschaffen.Es geht um Aufmerksamkeit für ein Problem, das sehrwohl existiert. Altersdiskriminierung existiert, und zwarin verschiedenen Bereichen. Die interpersonelle Diskriminierunghaben wir alle schon einmal erfahren. Sie istnicht so häufig, aber wir alle haben sie schon erfahren.Es gibt sie in unserer Gesellschaft. Wichtiger ist die institutionelleDiskriminierung, vor allem im Arbeitsleben.Die Quote der Beschäftigten zwischen 55 und 64 Jahrenliegt noch bei knapp 60 Prozent. Diese Quote ist in anderenLändern besser. Im Rahmen einer internationalenKonvention könnte man hier etwas machen. Es gibt institutionelleDiskriminierung, vor allem in der Wirtschaft.Aber auch in unseren Gesetzen gibt es noch Diskriminierung,auch in den Tarifverträgen. Wozu gibt es angesichtsder demografischen Veränderungen eigentlichnoch Altersgrenzen, frage ich. Beispielhaft sei auch einGesetz angeführt: In § 39 der Hessischen Gemeindeordnungwird gesagt, dass ein Bürgermeister nicht über67 Jahre alt sein darf. Als ob Petra Roth nicht mehr fitfür das Amt der Bürgermeisterin gewesen wäre. Legtman das zugrunde, hätte Konrad Adenauer nie Bürgermeisterin Maintal werden können, weil er zu alt war.Das ist Altersdiskriminierung. Dagegen muss man etwastun, statt nur zu reden.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowiebei Abgeordneten der SPD)(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28051Tom Koenigs(A)(B)So eine Konvention könnte auch Institutionen stärkenoder besser verankern. Gegenwärtig werden die Institutionen,die sich mit diesem Thema befassen, von derBundesregierung ja wie Stiefkinder behandelt. DasDeutsche Institut für Menschenrechte braucht eine gesetzlicheGrundlage, sonst wird es den A-Status verlieren.(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)Sie weigern sich beharrlich, das zu machen. Das zweiteBeispiel ist die schon erwähnte Antidiskriminierungsstelle.Sie krepelt mit schwacher finanzieller Unterstützungvor sich hin. Das ist keine wirkliche Stärkung.Im internationalen Bereich wird nun gesagt: Es wirdnoch geforscht. Warum kommt man nicht vorwärts?Auch weil Deutschland nichts macht. Im Januar hat sichder Menschenrechtsrat damit befasst. Es gab einen Callfor Papers, er hat um Anregungen gebeten. Ich bin gespannt,ob die Bundesregierung diesbezüglich mehr unternimmt,als nur zu sagen: „Eine Konvention wollenwir nicht“, wie sie es bisher in der Open-ended WorkingGroup on Ageing gemacht hat.Schließlich komme ich auf das Handeln zu sprechen.Sie drücken sich davor, zu handeln. Deshalb wollen Siekeine Konvention. Wenn es eine Berichtspflicht gäbe,müssten Sie auch über das Handeln berichten. Ja, ichspreche auch Sie an, Herr Heinrich. Sie haben darübergesprochen. Ein Peer Review würde offenbaren, dassnicht gehandelt wird, sondern nur gesagt wird: Wir machennichts anderes als das, was wir immer schon gemachthaben. Herr Kober sprach sogar von etwas ganzanderem, weil es schön ist, dass das gemacht worden ist.Ein Special Rapporteur wäre ein Fortschritt.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD – PascalKober [FDP]: Sie verstehen die Weite der Zusammenhängenicht!)Schauen wir auf die internationale Szene: Bei derOpen-ended Working Group on Ageing, bei der wir allewohl geborene Mitglieder sind, kommt gegenwärtignichts heraus. Es bedarf eines richtigen Impulses.(Pascal Kober [FDP]: Sie wollen kontrollieren,aber Sie wollen nichts machen!)Der könnte von Deutschland ausgehen. Das ist abernicht nur ein deutsches Problem, sondern auch ein internationalesProblem. Da darf man nicht einfach sagen:Wir machen da nichts. – Sie wollen nicht handeln, siesollten aber handeln. Gerade Sie sollten handeln. Geradewir Alten haben das verdient.Vielen Dank.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowiebei Abgeordneten der SPD)führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden?– Das ist der Fall. Dann ist die Überweisungso beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a und 14 b auf:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen(Tiergesundheitsgesetz – TierGesG)– Drucksache 17/12032 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz(10. Ausschuss)– Drucksache 17/12478 –Berichterstattung:Abgeordnete Dieter StierDr. Wilhelm PriesmeierDr. Christel Happach-KasanDr. Kirsten TackmannFriedrich Ostendorffb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz (10. Ausschuss)zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. KirstenTackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKENotfonds für tierhaltende Betriebe einrichten– Drucksachen 17/9580, 17/10663 –Berichterstattung:Abgeordnete Dieter StierDr. Wilhelm PriesmeierRainer ErdelDr. Kirsten TackmannFriedrich OstendorffNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich würde die Aussprache gerne eröffnen, sobald inden Fraktionen keine lauten Gespräche mehr geführtwerden und es möglich ist, dem Redner zuzuhören. – Icheröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege AloisGerig aus der Unionsfraktion.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Alois, washast du uns zu sagen?)(C)(D)Vizepräsidentin Petra Pau:Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage aufDrucksache 17/12399 an die in der Tagesordnung aufge-Alois Gerig (CDU/CSU):Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine Damen und Herren! Das Wohlergehenund die Gesunderhaltung von Tieren ist eine wichtigeund wahrhaft verantwortungsvolle Aufgabe, in erster Linienatürlich für die Tierhalter – die wissen das –, aberauch für Tierärzte, für die zuständigen Veterinärbehördenund für die Politik. So ist es unsere Aufgabe als Gesetzgeber,zeitgemäße und situationsangepasste Rahmenbe-


28052 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Alois Gerig(A)(B)dingungen zu schaffen. Genau das machen wir mit diesemneuen Tiergesundheitsgesetz.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Das alte Tierseuchengesetz aus dem Jahr 1909 wirddamit abgelöst. Das alte Gesetz stellte die Bekämpfungvon ausgebrochenen Krankheiten und Seuchen in denVordergrund. Das neue Tiergesundheitsgesetz hingegenzielt neben der Bekämpfung von Krankheiten und Seuchenauch darauf ab, diesen wirksam vorzubeugen. ZahlreicheNeuregelungen sorgen dafür, dass in der Tierhaltungdie Prävention vor Krankheiten und Seuchen eingrößeres Gewicht erhält.Hervorzuheben ist unter anderem, dass künftig in Betriebenmit Tierbeständen zur Vorbeugung eigenbetrieblicheKontrollen und verpflichtende hygienische Maßnahmenangeordnet werden können.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Außerdem wird der Personenkreis, der zur Anzeigeeiner Tierseuche verpflichtet ist, erweitert.Ein weiterer wichtiger Eckpunkt ist das geplante Monitoringüber den Gesundheitsstatus unserer Tiere. InZeiten der zunehmenden Globalisierung der Märkte– was per se ja gar nichts Schlechtes sein muss – steigtdie Gefahr, dass Tierseuchen aus dem Ausland nachDeutschland eingeschleppt werden. Vor diesem Hintergrundist es sicher richtig und wichtig, dass dasFriedrich-Loeffler-Institut zukünftig damit beauftragtwird, das weltweite Seuchengeschehen auszuwerten.Damit können wichtige Erkenntnisse für Präventivmaßnahmenin Deutschland gewonnen werden.Ebenso wird vom gleichen Institut die Ständige ImpfkommissionVeterinärmedizin – auch etwas Neues – eingerichtet,welche auf wissenschaftlicher GrundlageImpfempfehlungen erarbeitet. In den vergangenen Jahrenhaben ja die Koalitions- und die Oppositionsfraktionenin einem gemeinsamen Antrag gefordert, bei derTierseuchenbekämpfung den Grundsatz „Impfen stattKeulen“ durchzusetzen. Schön, dass wir das gemeinsamgeschafft haben.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Mit der verpflichtenden Einrichtung einer Impfkommissionkann man davon ausgehen, dass dieses Ziel nochkonsequenter in die Praxis umgesetzt wird.Bei der Erkennung von Seuchen und Krankheitenspielen sogenannte In-vitro-Diagnostika eine sehr wichtigeRolle, die künftig nur für anzeigepflichtige Seuchenund Krankheiten eine amtliche Zulassung benötigen. Füralle anderen, nicht anzeigepflichtigen Seuchen wird einaufwendiges amtliches Zulassungsverfahren entbehrlich.Dies ist nicht nur im Sinne der Hersteller, wie manchebetonen, sondern dient insbesondere auch einer schnellerenund effektiveren Bekämpfung von Krankheiten undSeuchen.Tritt der Seuchenfall ein, ist es weiterhin – das istganz wichtig – die Aufgabe der Tierseuchenkassen inden Ländern, gegenüber den Landwirten Entschädigungenfür Tierverluste zu leisten. Schnelle und unbürokratischeHilfe ist hierbei ganz besonders wichtig, weil imErnstfall ganz schnell Existenzen auf dem Spiel stehenkönnen.Mit unserem Tiergesundheitsgesetz werden wir erreichen,dass in Deutschland an der konsequenten Bekämpfungvon Tiersuchen festgehalten wird und gleichzeitigbei der Prävention von Krankheiten und Seuchen nochmehr Anstrengungen als seither unternommen werden.Meine Damen und Herren, mit einer ganzen Reihevon Gesetzesinitiativen, dem Tierschutzgesetz, dem Arzneimittelgesetz,dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchund nicht zuletzt diesem Tiergesundheitsgesetzverbessert die christlich-liberale Koalition die Rahmenbedingungenfür die Tierhaltung in Deutschland.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Wer hat Ihnendenn das aufgeschrieben?)Ich möchte deshalb ausdrücklich unser Bundesministeriumfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutzunter Leitung unserer Ministerin Ilse Aigner fürdiese logistische Meisterleistung, die in den letzten Monatenaufzubringen war, loben.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wir sorgen mit dem Gesetz a) für mehr Verbraucherschutz,Transparenz und Aufklärung und tragen b)gleichzeitig mit dem notwendigen Augenmaß und Feingefühldazu bei, dass unsere Landwirte weiterhin dieChance für tragfähige wirtschaftliche Perspektiven fürihre Betriebe und hoffentlich auch – das betone ich –weiterhin Freude an ihrem Beruf haben werden. Wirwerden es nicht zulassen, dass die Landwirtschaft – eineder ältesten und solidesten Branchen überhaupt – permanentvon Besserwissern und Theoretikern an den Prangergestellt wird.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Dies ist verantwortungslos und unmoralisch. Dabeidenke ich insbesondere an die vorhergehende Debattezum Arzneimittelgesetz.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufevon der SPD)Ich bin überzeugt davon, dass es insbesondere zumWohle unserer Verbraucher ist, wenn die Landwirtschaftund die Tierhaltung in Deutschland erhalten werden.Aktuelle Skandale zeigen uns leider, dass kriminelleEnergie nie auszuschließen ist. Deshalb brauchen wir einerseitsein wirksames Netzwerk von Kontrollen. Andererseitsbrauchen wir aber auch – das ist mir ganzwichtig – kritische Verbraucher, die noch bewusster einkaufen,als sie dies seither machen.(Zurufe der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIELINKE])(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28053(A)Vizepräsidentin Petra Pau:Kollege Gerig, ich unterbreche Sie ungern, aber Siemüssen bitte zum Schluss kommen.(Beifall bei Abgeordneten der SPD)Das ist nicht sehr weit weg von uns. Wenn uns dieseereilen würde, hätte das fatale Konsequenzen für denganzen Sektor. Aus diesem Grunde halte ich in diesemZusammenhang auch die jetzigen Regelungen für mehrals nur vernünftig.Wir brauchen Prävention; das ist unbestritten. Vor allenDingen brauchen wir aber auch die wissenschaftlicheExpertise jenes Institutes, das weltweit eine herausragendeBedeutung im Rahmen der Tierseuchenbekämpfunghat; das ist das Friedrich-Loeffler-Institut. Wirhaben immerhin mehr als 100 Millionen Euro in diesesInstitut investiert, sodass es weltweit den technologischhöchsten Standard aufweist. Viele in diesem Institut leistenihren Beitrag dazu, dass die weltweite Tierseuchensituationbeobachtet wird und dass demnächst die StändigeImpfkommission, hoffentlich zur rechten Zeit, dierichtigen Empfehlungen gibt.Das verbindliche Monitoring, das in dem Gesetzentwurfvorgeschrieben wird, ist eigentlich selbstverständlich.Auch die Errichtung von seuchenfreien Schutzgebietenwird einen wesentlichen Fortschritt in derweiteren Bekämpfung und in der weiteren Präventionvor Tierseuchen bringen. Das Gesetz ist also in seinenKernbereichen unstrittig.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Die SPD wird ihm zustimmen, wie auch im Ausschuss.Die Frage ist letztendlich: Warum haben Sie es nichtbei der alten Bezeichnung belassen? Wenn oben drübersteht:„Tiergesundheitsgesetz“, so muss ich sagen, dassfür mich nicht alles drin ist, was ich unter Tiergesundheitsubsumieren würde; denn Tiergesundheit ist mehr alsdas Verhindern von Tierseuchen allein.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender LINKEN)Ich komme jetzt auf die Argumentation zurück, dieich schon in der vorletzten Debatte hier in diesem Hausvorgetragen habe. Ich glaube, dass gerade dieses Tiergesundheitsgesetzeine hervorragende Möglichkeit wäre,um zum Beispiel einen entsprechenden Beitrag fürbetriebliches Hygienemanagement und optimierte Haltungsbedingungenzu leisten. Dazu müssten darin allerdingsrechtliche Verfahren geregelt werden. Allein einpaar vorbeugende Maßnahmen in das Gesetz zu schreiben,ist in vielen Bereichen einfach zu wenig.Wir haben nun eine ganze Reihe von Regelungen, diedie Tierhaltung betreffen. Wir sollten uns in diesemHause wirklich einmal ernsthaft Gedanken darübermachen, ob es nicht eine sinnvolle Alternative zu denbisherigen gesetzlichen Regelungen wäre, wenn wir versuchten,sie in ein Gesamtkonzept einzubinden und in einemeinheitlichen Rahmen zusammenzuführen.(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das wäreeure Aufgabe als Opposition gewesen! Aberihr bringt doch nichts zustande!)(C)(B)Alois Gerig (CDU/CSU):Ich komme zum Schluss. – Natürlich können wir immernoch besser werden, aber im Grundsatz gilt: Die beiuns produzierten Lebensmittel sind die nachweisbar bestenNahrungsmittel mit den geringsten Rückständen anunerwünschten Stoffen. Sie sind nach den weltweithöchsten Standards produziert. Insbesondere bei Tierkomfortund Tierschutz haben sich in den vergangenenJahrzehnten Welten positiv bewegt. Das höre ich nie vonder Opposition. Unsere Landwirte haben den Respektunserer Gesellschaft verdient.(Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind eine Phrasendreschmaschine!)Sie versorgen uns mit Nahrungsmitteln und Energie, undganz nebenbei pflegen sie unsere schöne und liebgewonneneKulturlandschaft.Vielen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Ulrich Kelber [SPD]: Märchenstunde mit OnkelAlois!)Vizepräsidentin Petra Pau:Das Wort hat für die SPD-Fraktion der KollegeDr. Wilhelm Priesmeier.(Beifall bei der SPD)Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Mit der heutigen Beratung wird in der Tatein Meilenstein bei der Weiterentwicklung des Tierseuchenrechtesgesetzt. Dies gilt auch für die Anpassungder deutschen Vorschriften und Vorgaben im Zuge derHarmonisierung des europäischen Tierschutzrechts. Daswar an sich dringend notwendig und in der Rückschauschon längst überfällig.Die Einschleppung von Tierseuchen bedeutet für dengesamten Sektor eine erhebliche Gefahr: die Gefährdungvon einzelnen Existenzen in den Betrieben, aber auchdie Gefährdung der gesamten Wertschöpfung beischwerwiegenden Verläufen von Tierseuchen. Wir solltenuns einmal an die Schweinepestzüge in Deutschlanderinnern und daran, wie unsere Tierbestände in früherenJahrzehnten durch Maul- und Klauenseuche dezimiertworden sind.Die Gefahr ist dauernd und immanent vorhanden undbleibt vorhanden. Gerade durch die zunehmendenHandelsbeziehungen bzw. Handelsströme, die man vielfachkaum noch einzeln nachverfolgen kann, und auchdurch den Personen- und Reiseverkehr steigt das Risikound wird nicht kleiner. Ein Beispiel dafür ist unlängstdas Auftreten der Afrikanischen Schweinepest in derUkraine.Ich glaube, dann hätten wir viel mehr Möglichkeiten,steuernd oder begleitend einzugreifen. Zugleich würden(D)


28054 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Wilhelm Priesmeier(A)wir dem Sektor insgesamt einen rechtlichen Rahmen geben,in dem die betroffenen Betriebe letztendlich auchzukunftsfähig arbeiten könnten.Lebensmittelproduktion herangezogen werden können.Ich halte es für überfällig und vernünftig, dies auch gesetzlichzu regeln.Vor diesem Hintergrund finden natürlich die tierseuchenrechtlichenRegelungen unsere volle Unterstützung.Aber bis wir das gesamte Gesetz zu einem wirklichenTiergesundheitsgesetz gemacht haben, müssen wir allenoch kräftig nacharbeiten. Vielleicht schafft es ja eineneue Regierung im Herbst dieses Jahres.Vielen Dank.(Beifall bei der SPD sowie des Abg. FriedrichOstendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] –Lachen des Abg. Alois Gerig [CDU/CSU])(C)(B)Das Tiergesundheitsgesetz an sich sollte alle hygienischenMaßnahmen regeln, auch solche, die das Auftretenvon Bestandserkrankungen verhindern. Aus der letztenDebatte haben wir ja mitgenommen, dass uns gerade dieBestandserkrankungen und auch die Haltungs- sowie dieHygienebedingungen in den Betrieben vielfach großeProbleme machen. Schlechtes Hygienemanagement oderauch schlechtes betriebliches Management leisten zudemunter Umständen der Ausbreitung von TierseuchenVorschub.Auch sind Vorgaben für Betriebe ab einer bestimmtenGrößenordnung im Hinblick auf Desinfektionsmaßnahmenund deren regelmäßige Kontrolle zu treffen. Wirhaben zwischenzeitlich nicht nur Antibiotikaresistenzen,sondern wir haben mittlerweile in vielen BereichenKeime, die schon vollständig gegen Desinfektionsmittel– ich nenne da nur quartäre Ammoniumverbindungen –resistent sind oder zunehmend resistent werden. Daslässt einiges befürchten, wenn man dort nicht gegensteuert.Ich glaube, auch in diesem Zusammenhang sollteman einen integrierten Ansatz wählen und im Rahmender Tiergesundheitsgesetzgebung, die dann weiterzuentwickelnwäre, die notwendigen Voraussetzungen schaffen,damit wir solchen Entwicklungen Einhalt gebietenkönnen.Ein regelmäßiges Bestandsmonitoring und auch dieregelmäßige tierärztliche Bestands- und Hygieneberatungsind heute in vielen Betrieben reine Routinepraxis,in vielen anderen Betrieben aber nicht. Deshalb halte icheine entsprechende Regelung für überfällig, durch diedies zur Voraussetzung für das wirtschaftliche Handelngemacht wird; denn das sind Ausgaben, die sich imRegelfall für den Betrieb auszahlen und nicht allein dasHonorar des Tierarztes, der diese Beratung macht, erhöhen.Das haben viele Betriebe erkannt; viele Betriebehalten sich daran und haben ausgefeilte Hygienekonzepteentwickelt. Das sind die Spitzenbetriebe, mitdenen wir auch in anderen Bereichen keine gravierendenProbleme haben. Darüber hinaus ist aber noch nichtüberall erkannt worden, dass es so funktionieren kann.Deshalb gibt es auch Betriebe, die meinen, sie müsstendas anders handhaben, oder sich aus wirtschaftlichenErwägungen unter Umständen solchen Beratungen vollständigentziehen.Die Beratungen über die Novelle des Tierschutzgesetzeshaben auch gezeigt, dass zum Beispiel Tierschutzindikatorenauch als wichtige Indikatoren für die Tiergesundheitim Bestand dienen können. Wir können aberauch bisher noch nicht in Gänze verwendete Befunde,die bei der Schlachtuntersuchung am Schlachthof erhobenwerden, einsetzen. Auf diese Weise würden wir gemäßdem Verständnis der Kette von der Produktion bisletztendlich zum Produkt alle Möglichkeiten ausschöpfen,um den Status der Tiergesundheit in unseren Betriebenzu erhöhen. Das wird uns auch wirtschaftlichen Erfolgbringen, und es wird auch dazu beitragen, dass inDeutschland weiterhin zu adäquaten Kosten Tiere für dieVizepräsidentin Petra Pau:Das Wort hat die Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan für die FDP-Fraktion.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Ich habe mich sehr über die Rede des KollegenPriesmeier gefreut, der deutlich gemacht hat, dassdas, was wir auf den Weg gebracht haben, gut ist. Das istschon mal eine gute Voraussetzung für eine guteDebatte.Aber, lieber Kollege Priesmeier, Sie haben doch genaudie Begründung geliefert, weshalb wir das Tierseuchengesetzjetzt Tiergesundheitsgesetz nennen. Wir tundies, weil es eben nicht mehr nur darum geht, wie manTierseuchen bekämpft, sondern weil es auch um Vorbeugung,damit Bestände nicht von Tierseuchen befallenwerden, um Monitoring und um Stärkung der Institutionengeht, die damit befasst sind. Insofern ist die Begründungfür die Neubenennung des Gesetzes von der SPD-Fraktion richtig erkannt worden. Das finde ich gut. HerzlichenDank dafür.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)In Ihrem Beitrag ist auch deutlich geworden – ichhätte es kaum besser darstellen können –, dass diesesTiergesundheitsgesetz eines von drei Gesetzen ist. Wirhaben eben etwas kontroverser als jetzt über das Arzneimittelgesetzdiskutiert, und wir haben davor schon dasTierschutzgesetz verabschiedet, das auch die Billigungdes Bundesrates gefunden hat, worauf ich eigens nocheinmal hinweisen möchte. Und jetzt geht es um das Tiergesundheitsgesetz.In allen drei Gesetzen geht es darum – als Liberalefinde ich das wichtig –, die Eigenverantwortung derTierhalter zu stärken und diese in den Mittelpunkt zustellen. Das bedeutet insgesamt natürlich auch, dass wir,wenn wir Eigenverantwortung wollen, dem Tierhalternicht jeden einzelnen Handgriff vorschreiben können. Esdarf nicht so sein, dass er, bevor er in den Stall geht, erstins Gesetz gucken und sich fragen muss, ob er diesesoder jenes macht; vielmehr muss er dies vorher wissen.Das bedeutet auch, dass wir uns einmal darüber unter-(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28055Dr. Christel Happach-Kasan(A)halten müssen, wie die Ausbildung von Landwirten undTierhaltern auszusehen hat, damit sie die Aufgaben, dieihnen diese drei Gesetze vorgeben, auch wirklich eigenverantwortlichwahrnehmen können. Ich könnte mir vorstellen,dass in dem Bereich noch einiges zu tun ist.Das Gesetz, über das wir jetzt sprechen, hat eine alteGrundlage. Es wurde 1909 beschlossen und hat seinenUrsprung 1880. Deshalb ist es verständlich, dass ein solchaltes Gesetz einmal eine Grundrenovierung braucht. Ichglaube, auch in diesem Punkt sind wir uns sehr einig.Festzuhalten ist auch, dass es damals, als das Gesetzbeschlossen worden ist, noch keine Europäische Uniongab. Jetzt befinden wir uns in einer fortentwickeltenEuropäischen Union von 27 Ländern. Es gibt heute eineinnergemeinschaftliche Harmonisierung von verschiedenentierseuchenrechtlichen Bestimmungen. Das ist auchgut so; denn in der Regel machen Viren an den Grenzennicht halt. Deswegen ist es richtig, wenn wir innerhalbder EU auf gemeinsame Rechtsakte setzen.Außerdem müssen wir auch in diesem Bereich einezunehmende Globalisierung feststellen. Das gilt nichtnur für die Warenströme, das gilt auch für Menschen, diereisen. Wir haben das selbst erlebt in dieser Legislaturperiode:Am Anfang mussten wir den Blauzungenvirusbekämpfen, als Letztes kam letztes Jahr der Schmallenberg-Virushinzu, mit dessen Bekämpfung wir nochnicht fertig sind. Es hat sich gezeigt, dass wir mit demalten Gesetz nicht adäquat reagieren konnten. Der Bundkonnte nicht von vornherein eine Anzeigepflicht festlegen– dieses Instrument gab es nicht –, er musste erstauf die Entscheidung des Bundesrates warten. Dieses regelnwir im vorliegenden Gesetzentwurf neu.(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Das ist gutso!)Das heißt, es kann gemeldet werden, ohne dass der Bundesratvorher zugestimmt hat; er kann hinterher seineZustimmung dazu geben. Ich glaube, dass das eine deutlicheVerbesserung darstellt.Für die effektive Bekämpfung von Tierseuchenbraucht man bessere Vorsorge und Monitoring, zugleichist aber auch eine globale Betrachtung des Tierseuchengeschehensnotwendig, um vorgewarnt, um gewappnetzu sein für Dinge, die bei uns auftreten könnten.Die Zulassung von Tierimpfstoffen ist beim Paul-Ehrlich-Institut angesiedelt, die Zulassung von In-vitro-Diagnostika im Friedrich-Loeffler-Institut; ich glaube,dass dies die richtige Aufgabenaufteilung ist.Wir sind uns in diesem Hause ja weitgehend einig,dass die Devise „Impfen statt Töten“ gelten sollte. DieFDP-Bundestagsfraktion hat mehrfach Anträge dazueingebracht, weil wir der Auffassung sind, dass solchemodernen Verfahren tatsächlich genutzt werden sollten.Die Einrichtung der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin,die Impfempfehlungen aussprechen soll, isterwähnt worden.Einige Änderungsanträge sind in der parlamentarischenBeratung vorgenommen worden: Wir haben schongesehen, dass die wissenschaftliche Erprobung von immunologischenTierarzneimitteln und von In-vitro-Diagnostika in Ausnahmefällen auch außerhalb akademischerInstitute erfolgen kann. Durch eine solche Ausnahmeregelungwollen wir kleine und mittelständischeLabore stärken; denn wir brauchen diese Labore, weilsie innovativer sind als manche großen.Wir lassen außerdem zu, dass in Einzelfällen Tiere,die für den Export bestimmt sind, auch mit Impfstoffenbehandelt werden können, die bei uns nicht zugelassensind – einfach um den Bedingungen des Importlandes zuentsprechen. Auch das ist, glaube ich, ein wichtigesAnliegen.Wir sind den weitgehend technischen Änderungsanliegendes Bundesrates im Wesentlichen gefolgt, weilwir der Auffassung sind, dass in diesem Fall im Bundesratgute Arbeit geleistet worden ist. Das ist nicht immerso; aber wenn es so ist, dann sollte man das meines Erachtensauch sagen.Wir wollen, dass das FLI gestärkt wird. Es soll schonim Verdachtsfall epidemiologische Untersuchungen aufnehmenkönnen, damit, wenn es ernst wird, tatsächlichMöglichkeiten der Behandlung da sind.Insgesamt legen wir Ihnen einen ausgesprochen guterarbeiteten Entwurf eines Gesetzes vor, das einenwichtigen Reformansatz aufzeigt. Ich bitte Sie alle umZustimmung.Danke für die Aufmerksamkeit.(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)(C)(B)Vizepräsidentin Petra Pau:Die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann hat nun für dieFraktion Die Linke das Wort.(Beifall bei der LINKEN)Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Gäste, herzlich willkommen zu später Stunde! DieLinke fordert schon lange, dass die Tiergesundheit einstrategisches Ziel der Gesetzgebung wird. Deswegenfinden wir es richtig, dass das Tierseuchengesetz heutezu einem Tiergesundheitsgesetz fortentwickelt wird. Wirbrauchen den Perspektivenwechsel von einem Krisenmanagement-und Kontrollsystem hin zu mehr Vorbeugungund Vermeidung von Krankheiten; da sind wir unsvöllig einig. Dass mit dem vorgelegten Gesetzentwurfnicht nur eine Überschrift geändert, sondern tatsächlichin der Substanz etwas vorgelegt wird, finden wir sehr erfreulich.Das ist auch volkswirtschaftlich wichtig und notwendig.Ich möchte ein Beispiel nennen: Allein in den Jahrenzwischen 2000 und 2010 hat die Bekämpfung vonBSE über 2 Milliarden Euro gekostet.(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Genau!)(D)Das ist eine erhebliche Summe; deswegen ist es gut undwichtig, Tiererkrankungen zu vermeiden.


28056 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Kirsten Tackmann(A)(B)Die Tiergesundheit ist aber – da bin ich dem KollegenPriesmeier sehr dankbar – mehr als die Abwesenheit vonTierseuchen. Wir müssten uns zum Beispiel auch vielmehr um Faktorenerkrankungen kümmern. Es geht nämlichnicht nur um die klassischen Erkrankungen, es gehtoftmals auch um chronische und andere Erkrankungen,die nur ausbrechen, wenn bestimmte Faktoren zusammenkommen.Deswegen hätten Sie in diesem Gesetzentwurf eigentlichmehr Dinge verankern müssen. Es ist durchaus zubedauern, dass das nicht geklappt hat. Das gilt zum Beispielfür die Tierdichte. Welchen Einfluss hat die Tierdichtesowohl in Ställen als auch in Regionen auf dieTiergesundheit? Das gilt aber auch für die Stallhygiene,für das Stallklima und für Betreuungsstandards.(Beifall bei der LINKEN)Die integrierte tierärztliche Betreuung hätte man indiesem Gesetzentwurf festschreiben können. Dort hätteman auch regeln können, wie häufig sich ein Tierarzt einenBestand vor Ort anschauen muss, und wir hätten darüberreden müssen, was wir bei der Ausbildung vonLandwirtinnen und Landwirten sowie Tierärzten undTierärztinnen zu leisten haben, damit sie mit dieserneuen Situation klarkommen. Daneben müssen die entsprechendenBehörden wirklich ausgebildetes Personalhaben. Diese Dinge sind ganz dringend erforderlich.(Beifall bei der LINKEN)Wir haben auch einen Regelungsbedarf in Bezug darauf– das haben wir ja vorhin in der Debatte über dasArzneimittelgesetz schon einmal diskutiert –, dass dieDurchsetzungskraft in Bezug auf behördliche Verfügungenund Ähnliches gestärkt wird, und auch die Tierärztemüssen gestärkt werden, damit die problematischenDinge, die sie im Stall feststellen, auch wirklich verändertwerden. Das heißt also, wir brauchen eine gut ausgebildeteTierärzteschaft und gut ausgebildete Tierhalterinnenund Tierhalter.Daneben brauchen wir risikoärmere Strukturen. Hiersehe ich einige Entwicklungen durchaus mit großer Sorge:Der Lebensmittelhandel übt einen enormen Kostendruckauf die tierhaltenden Betriebe aus. Das kann nicht gutgehen.Das Risiko von Tierseuchen steigt, zum Beispieldurch den Klimawandel, weil hier vektorübertragene Erkrankungeneine Rolle spielen, und durch die vielfältigenHandelsbeziehungen; denn wenn wir die Ferkel einmalquer durch Europa fahren, dann ist das ein Problem,dessen Auswirkungen auf die Tiergesundheit wir nichtabbilden können. Megaställe, über die wir vorhin schoneinmal diskutiert haben, und viehdichte Regionen führennatürlich dazu, dass der Ausbruch einer Tiersuche verheerendereWirkungen hat, als wenn andere Strukturengegeben wären.Daneben sind auch große Wissenslücken zu schließen.Es geht hier zum Beispiel um die vielfältigen Risikeneines Ausbruchs oder einer Verschleppung, die wirteilweise gar nicht genau kennen, und wir müssen auchdie Bekämpfungsszenarien, die wir uns überlegen, wissenschaftlichprüfen lassen und entsprechend evaluieren.Weil hierfür wirklich Fachkompetenz erforderlich ist– das ist eine besondere Herausforderung –, fordert dieLinke schon seit langem ein epidemiologisches Zentrum;das ist überfällig. Stattdessen schließen Sie Endedes Jahres 2013 das Institut für Epidemiologie desFriedrich-Loeffler-Instituts am Standort Wusterhausenund riskieren mit dem Umzug zur Insel Riems die Arbeitsfähigkeitdieses Standortes. Das ist aus meiner Sichtein völlig falsches Signal und hätte eigentlich korrigiertwerden müssen.(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)Die neuen Risiken setzen die Tierhaltungsbetriebe zusätzlichunter Druck. Deshalb hat die Linke einen Antragfür einen Notfonds für tierhaltende Betriebe vorgelegt.Das ist kein Rundum-sorglos-Paket, sondern es geht tatsächlichum Erkrankungen, die entweder noch nichtamtlich festgestellt sind oder bei denen noch ein wissenschaftlicherStreit darüber herrscht, welche Ursache siehaben. Wir reden über das Schmallenberg-Virus, wir redenüber das Blutschwitzen der Kälber, und wir redenüber den sogenannten chronischen Botulismus.Aus meiner Sicht ist dieser Notfonds wirklich dringenderforderlich. Die Argumente der anderen Fraktionengegen diesen Notfonds aus der ersten Debatte kannman wirklich gut widerlegen: Die klassischen Tierseuchenkassenhandeln in einer entsprechenden Situationeben nicht adäquat, und wir haben keine Möglichkeit,Überbrückungskredite zu leisten. Die Versicherungslösungist nicht finanzierbar; das wissen wir. Eine steuerfreieRisikoausgleichsrücklage haben Sie auch schon abgelehnt.Vizepräsidentin Petra Pau:Kollegin Tackmann.Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):Ja, ich komme zum Schluss. – Deswegen bitte ich Siewirklich dringend, diesem Antrag auf einen Notfonds fürtierhaltende Betriebe zuzustimmen.Vielen Dank.(Beifall bei der LINKEN)Vizepräsidentin Petra Pau:Der Kollege Friedrich Ostendorff hat für die FraktionBündnis 90/Die Grünen das Wort.Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Tiergesundheitsgesetzsoll, so sagt § 1, nicht nur „die Vorbeugungvor Tierseuchen und deren Bekämpfung“ regeln,sondern „auch der Erhaltung und Förderung der Gesundheitvon Vieh und Fischen“ dienen,(Dr. Erik Schweickert [FDP]: So ist es!)also unter anderem von Kühen, Schweinen, Hühnern,Puten und viele anderen Nutztieren.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28057Friedrich Ostendorff(A)Dieser Anspruch ist richtig, er ist wichtig, und er istnotwendig. Dieser Anspruch ist aber auch selbstverständlich,wenn wir Art. 20 a des Grundgesetzes ernstnehmen. Vielleicht erinnern sich einige Kolleginnen undKollegen von Schwarz-Gelb noch, dass es möglich war,dies im Grundgesetz zu verankern.Dieser Anspruch ist auch hoch, meine Damen undHerren. Offensichtlich ist er für einige von Ihnen in derschwarz-gelben Koalition viel zu hoch.(Zuruf von der CDU/CSU: Na, na, na!)Denn im Gegensatz zu den durchaus richtigen Ansätzenin diesem Gesetzentwurf dient Ihre Agrarpolitik überhauptnicht der Erhaltung und Förderung der Gesundheitder Tiere.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Das ist das Traurige! – Zuruf von der FDP:Zum Thema!)Oder dient die von Ihnen so gelobte und protegierteMassentierhaltung der Erhaltung und Förderung der Tiergesundheit?(Zuruf von der FDP: Das ist nicht zumThema! – Alois Gerig [CDU/CSU]: Jetztkommt das wieder!)Dienen viele Millionen Euro Hermesbürgschaften fürTierfabriken mit 5 Millionen Tieren in der Ukraine derErhaltung und Förderung der Tiergesundheit?Dienen Pferdeschenkelbrand und unbetäubte Ferkelkastrationder Erhaltung und Förderung der Tiergesundheit?(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Nein!)Dient es der Erhaltung und Förderung der Tiergesundheit,wenn Frau Aigner versucht, in Brüssel dafür zusorgen, dass zukünftig für artgerechte Ställe und Weidehaltungsprogrammekein Geld mehr da sein wird?(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Dient es nicht!)Dient der von Ihnen so propagierte Strukturwandel,der immer mehr Kühe von der Weide in die Ställe treibt,der Erhaltung und Förderung der Tiergesundheit?Meine Damen und Herren, wir wissen: Sie – und vorallen Dingen wir – beantworten diese Fragen alle mitNein. Aber das müssen wir miteinander besprechen.Wenn Sie etwas zur Erhaltung und Förderung der Tiergesundheittun wollen, dann sollten Sie sich vielleichteinmal an dem orientieren, was wir Ihnen vorgeschlagenhaben. Wir haben Ihnen wirksame Maßnahmen zur Bekämpfungdes Antibiotikamissbrauchs vorgeschlagen.(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Wodenn?)Sie haben abgelehnt. Wir haben Ihnen ein Tierschutzgesetzvorgelegt, das für den Tierschutz und nicht für dieAgrarlobby geschrieben wurde wie Ihres.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)Sie haben abgelehnt. Wir haben Vorschläge eingebracht,um die Massentierhaltung zu stoppen, etwa über dasBaugesetzbuch. Sie haben abgelehnt. Wir haben IhnenAnträge für bessere Haltungsbedingungen und für mehrTierschutz bei Tiertransporten vorgelegt. Sie haben abgelehnt.(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Du bist derGrößte!)Frau Aigner hat diese Woche nicht ohne Grund vomSpiegel, einer nicht ganz unbedeutenden Zeitschrift, imMünchhausen-Check für ihre Tierschutzpolitik die Note„Fünf“ erhalten. Aber Sie von Schwarz-Gelb sind beimTierschutz nicht nur untätig, Sie sind auch noch zynisch.Wir haben Minister Rösler gefragt, wie die Bundesregierungdenn damit umgeht, dass die Haltungsbedingungenin den von der Bundesregierung mit Hermesbürgschaftengeförderten Legehennenfabriken in der Ukraineeklatant allen Bekundungen von Frau Aigners Charta fürLandwirtschaft widersprechen. Antwort Minister Rösler– ich zitiere –:Die Diskussionen zur Verbesserung des Tierschutzesin Deutschland im Rahmen der Charta fürLandwirtschaft und Verbraucher bezogen sich aufdie Bundesrepublik Deutschland sowie die EuropäischeUnion. Ausweislich der öffentlichen undtransparenten Diskussionen und der vielfältig veröffentlichtenDokumente des Charta-Prozesses ginges hierbei nicht um die Verbesserung des Tierschutzesin der Ukraine.(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)Meine Damen und Herren, das ist Ihre Politik. Zynischerund kleinkarierter kann man bei einem so wichtigenThema wie dem Tierschutz, glaube ich, nicht sein.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN-KEN)Es ist an der Zeit, dass Sie diese falsche Politik schleunigstbeenden.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN! –Alois Gerig [CDU/CSU]: Was hatte das jetztmit dem Gesetz zu tun?)(C)(B)Vizepräsidentin Petra Pau:Für die Unionsfraktion hat der Kollege JohannesRöring das Wort.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Johannes Röring (CDU/CSU):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachder Verabschiedung des Tierschutzgesetzes und am heutigenAbend des Arzneimittelgesetzes folgt jetzt diegrundlegende Neufassung des Tiergesundheitsgesetzes.Das ist für mich ein weiterer Schritt – sozusagen ein(D)


28058 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Johannes Röring(A)(B)Dreiklang – in der Frage: Wie können wir besser mit unserenTieren umgehen? Es ist ein weiterer Schritt imSinne des Tierwohls und auch des Verbraucherschutzesin Deutschland.Ich kann nur ganz deutlich sagen: Gut, dass wir das zuverantworten haben. Wir setzen auch auf die Praktikervor Ort, auf die guten Tierärzte, die uns da stark unterstützen,aber auch auf die Landwirte, die es gelernt haben,mit Tieren umzugehen. Deswegen sage ich nocheinmal: Gut, dass wir Verantwortung haben, dass wirdieses Gesetz nach etwa 100 Jahren seines Bestehensweiterentwickeln.Ich finde es gut, dass wir hier auch eine große Einigkeitbis in die Oppositionsreihen hinein haben. LieberKollege Priesmeier, ich wünschte mir, dass wir diese Einigkeitauch bei anderen Themen der Tierhaltung erreichenkönnten.(Ulrich Kelber [SPD]: Dann müssen Sie sichaber inhaltlich bewegen! – Dr. Kirsten Tackmann[DIE LINKE]: Wenn Sie was Vernünftigesvorlegen, sind wir dabei!)Kollege Ostendorff hat das Thema komplett verfehlt.Er kann im Grunde zwischen Krankheit und Seuchenicht unterscheiden. Wir haben das alte Tierseuchengesetzin Tiergesundheitsgesetz umbenannt. Allein dieseUmbenennung zeigt, in welche Richtung das Ganzegeht.(Ulrich Kelber [SPD]: Ja, in welche RichtungPolitik gemacht wird!)Ich finde, es ist ein toller Fortschritt, dass wir das gemachthaben.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Warum ist das passiert? Das hat auch etwas mit derVeränderung der Gesellschaft zu tun. Die Menschen sindheutzutage wesentlich mobiler. Sie reisen in Länder, indie sie früher nie gekommen wären, zum Beispiel nachOsteuropa und Südamerika. Aktuell stellen wir Seuchengeschehenin Osteuropa, in der Ukraine und in Südrussland,fest. Die Afrikanische Schweinepest, aber auch dieMaul- und Klauenseuche in Rumänien und in Südamerikasind noch längst nicht bekämpft. Aufgrund der Mobilitätder Menschen sind auch die Krankheitserregermobil. Eine Wurst oder ein Butterbrot mit Wurst, die ausden betreffenden Ländern mitgebracht wird und irgendwoim Futtertrog unserer Tierbestände landet, kanneine Seuche auslösen. Es gilt, diesen neuen Herausforderungenzu begegnen. Das machen wir mit dem Tiergesundheitsgesetz.Das ist der richtige Weg.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Wir müssen auch die neuen Möglichkeiten der Diagnostik,die in unseren wissenschaftlichen Instituten entwickeltwurden und weltweit anerkannt sind, konsequentnutzen. Aufgrund der neuen Diagnostikmethoden könnenwir die Parole ausgeben: Keulen statt Impfen wargestern. Notimpfen und anschließend Freitesten ist füruns der bessere Weg. Die neuen Methoden werden wirgeballt zum Einsatz bringen.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Das Gesetz ermöglicht des Weiteren die sogenannteKompartimentierung. Das heißt, wir können Seuchengeografisch besser eingrenzen. Wenn also irgendwo inDeutschland ein Seuchenfall auftritt, dann muss nichtmehr der gesamte Handel Deutschlands mit anderenStaaten gesperrt werden. Es ist sehr begrüßenswert, dassdas FLI die notwendigen Kompetenzen hat, um die Impfungennach vorne zu bringen, das Seuchengeschehenauf ganz kleine Regionen zu begrenzen und Seuchenganz schnell auszumerzen.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender FDP)Impfung ist auch in Zukunft das zentrale Element beider Tierseuchenbekämpfung und der Tierseuchenprävention.Noch viel wichtiger ist der Schutz vor der Einschleppungvon Seuchen. Moderne Tierhaltungsbetriebesind heute in der Lage, durch geregelten Verkehr und geregelteEinkäufe von Tieren aus bekannten Beständen,mit denen partnerschaftlich zusammengearbeitet wird,dafür zu sorgen, dass Tierseuchen erst gar nicht auftreten.Der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist genaurichtig.Das gesamte Parlament ist aufgerufen, in Zukunft inallen Tierhaltungsfragen – dabei geht es letztlich um diezentrale Frage, wie wir die Menschen in Deutschlandund darüber hinaus ernähren – genauso viel Einigkeit zuerzielen wie – Gott sei Dank – über den vorliegendenGesetzentwurf. Ich habe mit Wohlwollen vernommen,dass die Opposition den von uns eingeschlagenen Wegmitgeht. Ich kann Sie alle nur aufrufen, diesem Gesetzentwurfzuzustimmen, genauso wie den anderen Gesetzen,die jetzt im Hinblick auf die Tierhaltung in dieWege geleitet werden. Ich bin sehr sicher: Wenn wir denPraktikern vor Ort – in diesem Fall: den Tierärzten – undden Wissenschaftlern, aber auch den Bäuerinnen undBauern Verantwortung überlassen und ihnen vertrauen,dann wird sich zeigen, dass wir etwas Gutes für die deutschenVerbraucher und für unsere Gesellschaft insgesamterreicht haben.Herzlichen Dank fürs Zuhören.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Vizepräsidentin Petra Pau:Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierungeingebrachten Gesetzentwurf zur Vorbeugungvor und Bekämpfung von Tierseuchen.Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/12478, den Gesetzentwurf derBundesregierung auf Drucksache 17/12032 in der Ausschussfassunganzunehmen. Ich bitte diejenigen, diedem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmenwollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Darf ich wissen, ob es bei der SPDunterschiedliches Abstimmungsverhalten gibt?(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28059Vizepräsidentin Petra Pau(A)(Zuruf von der FDP: Die meisten! – Iris Gleicke[SPD]: Nein!)– Aha. Das waren dann andere gymnastische Übungen. –Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Lesung mit denStimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion DieLinke bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der FraktionBündnis 90/Die Grünen angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurfist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionenund der Fraktion Die Linke bei Zustimmung, Ablehnungund Enthaltung von Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion sowie bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschussesfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutzzu dem Antrag der Fraktion Die Linke mitdem Titel „Notfonds für tierhaltende Betriebe einrichten“.Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/10663, den Antrag der FraktionDie Linke auf Drucksache 17/9580 abzulehnen. Werstimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmtdagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlungist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegendie Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung derSPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünenangenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Ausschusses für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)– zu dem Antrag der Abgeordneten SabineStüber, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKENeue Flusspolitik – Ein „Nationales Rahmenkonzeptfür naturnahe Flusslandschaften“– zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Sabine Stüber, Ralph Lenkert, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIELINKEUmfassendes Elbekonzept erstellen– Drucksachen 17/9192, 17/9160, 17/11063 –Berichterstattung:Abgeordnete Ingbert LiebingUlrich PetzoldWaltraud Wolff (Wolmirstedt)Horst MeierhoferSabine StüberDorothea SteinerNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache.Ich weise darauf hin, dass wir die Rede des KollegenIngbert Liebing von der Unionsfraktion zu <strong>Protokoll</strong>nehmen. 1)Das Wort hat die Kollegin Waltraud Wolff von derSPD-Fraktion.(Beifall bei der SPD)(C)(B)Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD):Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine Damen und Herren! Ich finde das sehrtraurig. Wir wissen: Wasser ist die Grundlage unseresLebens. Wir haben heute früh über die Privatisierung derWasserversorgung gesprochen. Jetzt meint die Regierungskoalition,dass sie heute Abend ihre Reden zu <strong>Protokoll</strong>geben kann. Schade!(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Sie wissen, wie dasgewesen ist!)Wir reden dennoch.Es gibt nichts Neues; wir machen das alles schon. Daswar die Kernaussage der Reden, die die Koalition zurersten Lesung der Anträge mit den Titeln „Neue Flusspolitik– Ein ‚Nationales Rahmenkonzept für naturnaheFlusslandschaften‘“ und „Umfassendes Elbekonzept erstellen“zu <strong>Protokoll</strong> gegeben hat.Vielleicht sind die Regierungsfraktionen davon ausgegangen,dass niemand liest, was sie abgeliefert haben.Ich habe das aber gelesen. Zusammengefasst kann mansagen, dass darin steht: Erstens. Rahmenkonzept? Dafürgibt es doch die Wasserrahmenrichtlinie. Außerdem sindnicht wir, sondern die Länder dafür zuständig. Zweitens.Elbe-Konzept? Machen wir schon. Kommt schon. WartenSie einmal ab! – Das waren die Aussagen, die ichden Reden entnommen habe. Aber, meine Damen undHerren, das überzeugt niemanden. Wo sind Ihre Konzeptedenn?Die Wahrheit ist doch: Mit Ihrer Reform der WasserundSchifffahrtsverwaltung haben Sie deutlich gezeigt,dass Sie weder einen Ausgleich von Interessen noch eineZusammenarbeit mit den Regionen wollen. Fakt ist:Ohne Rücksprache werden die Wasserstraßen neu kategorisiert.Fakt ist: Ohne Rücksprache wird die WasserundSchifffahrtsverwaltung zerschlagen. Fakt ist: OhneRücksprache ziehen Sie die Behörden aus der Fläche ab.Jedoch hat der Kollege Liebing – er wurde ebenschon angesprochen; er hat seine Rede wieder zu <strong>Protokoll</strong>gegeben – in seiner ersten Rede zu diesem Themagesagt – ich zitiere –:„Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern einererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechendbehandelt werden muss.“ Dieser Auszug ausden Erwägungsgründen der Europäischen Wasserrahmenrichtliniebeschreibt die Überzeugung, ausder heraus die Gemeinschaft ihre integrierte Gewässerschutzpolitikentwickelt hat.1) Anlage 19(D)


28060 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Waltraud Wolff (Wolmirstedt)(A)Jetzt kommt es:Dieser Überzeugung fühlen sich auch die Bundesregierungund die CDU/CSU-Bundestagsfraktion inihrem Handeln verpflichtet …Ja, meine Güte, was soll ich denn da sagen? Wenndem so ist, dann machen Sie es doch einfach! Wer istdenn für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie anden Bundesgewässern zuständig? Natürlich die WasserundSchifffahrtsverwaltungen, die Sie gerade mit IhrerReform beerdigt haben.(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Stimmt janicht! – Gabriele Groneberg [SPD]: Eine Beerdigungerster Klasse war das!)Herzlichen Glückwunsch!(Beifall bei Abgeordneten der SPD)Die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltungzeigt mehr als deutlich: Sie haben überhaupt kein Konzept.Was allerdings überfällig und ausgesprochen nötiggebraucht wird, ist ein neues integriertes Konzept, dassowohl Naturschutz, die Binnenschifffahrt als auch dieInteressen der Regionen berücksichtigt. Das kann derBund nicht allein bewerkstelligen.Um den Erhalt der noch intakten Gewässer und Auenzu fördern, muss es einfach eine Zusammenarbeit mitden Ländern geben, allein schon, weil die Finanzierungzwischen Bund und Ländern aufgeteilt ist: Der Bund istzuständig für die Maßnahmen zum Erhalt der Schiffbarkeit,und die Länder sind zuständig für den Hochwasserschutzund für ökologische Maßnahmen; das wissen wiralle. Es geht hier also um eine Querschnittsaufgabe; deshalbsind die enge Zusammenarbeit und die Koordinierungso wichtig.Alle Beteiligten, meine Damen und Herren, müssensich um die vielen Einzelfragen kümmern, wie zum Beispieleine Binnenschifffahrt, die stärker an die Flüsse angepasstwerden muss, oder eine Landwirtschaft, die dieRückhaltefunktion der Böden erhält, oder aber auch dieRückverlegung von Deichen. Die Lösungen können nurvor Ort gefunden werden, nicht am grünen Tisch. Sieaber ziehen die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ausden Regionen ab.(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Stimmt nicht!)Mit einer solchen Gesetzgebung verabschieden Sie sichauch aus dem Dialog mit der Bevölkerung. Das findeich, ehrlich gesagt, fatal.(Gustav Herzog [SPD]: Sehr richtig, Frau Kollegin!)Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein nationales Rahmenkonzeptist mehr als notwendig. Der Antrag der Linkengeht zweifellos in die richtige Richtung. Wir lehnenihn jedoch trotzdem ab, weil wir in Bezug auf die Wasser-und Schifffahrtsverwaltung ein Moratorium für laufendeAusbaumaßnahmen nicht richtig finden.(Gabriele Groneberg [SPD]: Richtig! – GustavHerzog [SPD]: So ist es!)Aber richtig und sehr sinnvoll finden wir auch denAntrag zu Ihrem Elbe-Konzept. Wir als SPD haben umfassendeGespräche gesucht: in den Ländern, mit denVerbänden, mit den Anwohnern. Ich darf aus persönlicherBefindlichkeit sagen: Durch meinen Wahlkreiszieht sich die Elbe in Gänze, und darum ist es mir einganz persönliches Anliegen, die ökologische Funktionder Elbe zu verbessern. Ich weiß noch, wie die Elbe aussah,als ich Kind war, und ich bin froh darüber, wie esheute ist. Daran wollen wir weiter arbeiten.Dennoch bin ich dafür, die Schiffbarkeit zu gewährleisten.Früher unter Rot-Grün haben wir immer gesagt– das weiß ich noch ganz genau –: Wir wollen weg vonder Straße hin zu Schiene und Wasser. Meine Damenund Herren, dazu stehe ich auch heute noch – doppeltesAusrufezeichen!Wie schaffen wir, ein Sowohl-als-auch gut hinzubekommen?Erstens. Wir als SPD setzen auf einen öffentlichenDialog und auf frühzeitige Bürgerbeteiligungsverfahren,die nicht auf die Fragen der Umweltverträglichkeit reduziertsind, sondern alle Aspekte der Planung umfassen.Zweitens. Wir setzen darauf, dass die Öffentlichkeitbei der Festlegung der Planungsziele und bei möglichenÄnderungen von Anfang an dabei ist. Dazu schlagen wirals SPD einen Elbe-Rat vor, in dem Vertreter des Naturschutzesund der Binnenschifffahrt sind. Nur auf dieseWeise kann man Stück für Stück zu einem tragfähigenKonzept kommen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ziel, den gutenökologischen Zustand der Elbe gemäß Wasserrahmenrichtliniezu erreichen, hat dabei natürlich Priorität. Ichsage: Es ist möglich, mit ökologisch optimierten Buhnenund Leitwerken vielfältigere Gewässerstrukturen zuschaffen und gleichzeitig die Schiffbarkeit zu verbessern.Allerdings muss dabei klar sein: Es wird keine Eingriffeohne ökologische Verbesserung geben. Unter dieserPrämisse kann man ganz einfach sagen: Der Schutzder Elbe als Naturraum und ihre wirtschaftliche Nutzungals Bundeswasserstraße schließen sich nicht aus. Dazusteht die SPD.Diese Grundaussage und viele unserer Forderungenfinde ich auch im Antrag der Linken wieder. Deshalb unterstützenwir diesen Antrag und lehnen die Beschlussempfehlungdes Ausschusses ab.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)(C)(B)Vizepräsidentin Petra Pau:Die Rede des Kollegen Horst Meierhofer für dieFDP-Fraktion nehmen wir zu <strong>Protokoll</strong>. 1)Das Wort hat die Kollegin Sabine Stüber für die FraktionDie Linke.(Beifall bei der LINKEN)1) Anlage 19(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28061(A)Sabine Stüber (DIE LINKE):Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!Mir geht es heute um zwei Dinge: generell umdas Rahmenkonzept für eine neue Flusspolitik in unseremLand und speziell um die Elbe. Sauberes Wasserbrauchen wir für alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche.Deshalb muss es als Ressource in ausreichender Mengeund guter Qualität erhalten werden. Und das will die EUmit ihren Wassergesetzen sicherstellen.Damit wir einen guten chemischen und ökologischenZustand unserer Gewässer erreichen, müssen wir vor allemim Umgang mit den Flüssen etwas ändern. Das istseit Jahren Konsens in diesem Hause. Nur, was verändern?Da gibt es Unterschiede in den Auffassungen. DieLinke sagt: Wir betrachten Flüsse in ihrer Gesamtheitund wollen sie naturnah entwickeln.(Beifall bei der LINKEN)Gegenwärtig ist der Zustand der Gewässer schlecht.Obwohl Deutschland bei der Abwasserreinigung technologischviel erreicht hat, ist das ökologische Gleichgewichtder Flüsse aus der Balance; denn sie werden nachwie vor begradigt, vertieft, umverlegt und aufgestaut.Dabei gehen Überflutungsflächen und Auen verloren,während im Gegenzug die Hochwassergefahr steigt unddie Artenvielfalt abnimmt.Durch eine konsequente Umsetzung der Wasserrahmenrichtliniekann diese Entwicklung aufgehalten werden.(Beifall bei der LINKEN)Das ist Aufgabe der Bundesregierung. In der letzten Debattewar dazu aus der Koalition zu hören, dass die Gesetzeauf Bundesebene in Kraft gesetzt sind und ansonstenGewässerschutz Ländersache ist. Die Landes- undBundesgesetze wirken aber nicht so zusammen wie erwartet.Die Schnittstellen passen nicht. Und da sind wirwieder bei der Verantwortung der Bundesregierung.Ich will jetzt nicht alle Versäumnisse auflisten. Esgeht vielmehr darum, eine ökologische Flusspolitik aufden Weg zu bringen. Unser Antrag für ein nationalesRahmenkonzept naturnaher Flusslandschaften ist eineGrundlage, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Darüber,was alles in ein solches Konzept gehört, kann mangeteilter Meinung sein und durchaus konstruktiv streiten.Deshalb meine Bitte an die Koalition: Halten Siesich nicht weiter an Formalien fest!Es gibt viele konkurrierende Interessen an den Flüssen:Binnenschifffahrt, Tourismus, Natur- und Hochwasserschutz,Fischerei, Landwirtschaft bis hin zu Industrieund Energiegewinnung. Die Elbe ist dafür ein beredtesBeispiel. Sie ist über Hunderte Kilometer durch natürlicheFlussdynamik und Auenlandschaft geprägt. SeitJahrzehnten setzen sich Menschen dafür ein, dass diesereinzigartige Lebensraum erhalten bleibt,(Beifall bei der LINKEN)oft im Konflikt mit Wirtschaftsinteressen.Wie sieht es zurzeit aus? Laut Spiegel soll der Ausbauvon Mittel- und Oberelbe vom Tisch sein. Die Unterelbesoll weiter ausgebaggert werden, damit auch Schiffe bis14,5 Meter Tiefgang den Hamburger Hafen anlaufenkönnen. Dagegen haben allerdings Umweltverbände,Elbefischer und Obstbauern aus dem Alten Land geklagtund so die weitere Vertiefung der Fahrrinne vorerst gestoppt.(Beifall bei der LINKEN)Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben.Die Linke fordert klipp und klar ein umfassendesKonzept für eine naturnahe Elbe.(Beifall bei der LINKEN)Flüsse sind wertvolle Lebensräume. Sorgen wir dafür,dass sie uns erhalten bleiben!Danke.(Beifall bei der LINKEN)(C)(B)Vizepräsidentin Petra Pau:Die Kollegin Dorothea Steiner hat für die FraktionBündnis 90/Die Grünen das Wort.Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir begrüßenes, dass wir am späten Abend noch die Chancehaben, über ein wichtiges Thema zu sprechen, das in derRegel zu wenig Aufmerksamkeit erfährt: Flusspolitik imAllgemeinen und der Elberaum im Besonderen. Dafürvielen Dank!Auch wir Grüne haben in dieser Legislaturperiodeschon entsprechende Anträge vorgelegt, unsere Ideen füreine Entwicklung des Elberaumes skizziert und darüberrelativ breit mit der Bevölkerung und den Anrainern diskutiert.Bei der Bundesregierung hingegen: Fehlanzeige!Die Bundesregierung hat 2009 ein umfassendes Elbekonzeptangekündigt und will schon jetzt, 2013, ihreVorstellungen dazu öffentlich diskutieren.(Ulrich Kelber [SPD]: Am Abend werden dieFaulen fleißig!)Das ist leider etwas spät, um parteiübergreifend ein gutesKonzept für einen zukunftsfähigen Elberaum entwickelnzu können.(Beifall des Abg. Friedrich Ostendorff[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])Das wird wohl eher eine Aufgabe für die nächste Bundesregierungsein, die dann – hoffentlich in einer anderenZusammensetzung – ein Elbekonzept entwickelt, dasnicht nur der Bevölkerung, der Natur und der Elbe nützt,sondern auch der ganzen Elberegion Entwicklungschancenbietet.(D)Dem Antrag der Linken mit dem Titel „UmfassendesElbekonzept erstellen“, der sich auf die mittlere Elbe bezieht,können wir klar zustimmen. Er greift viele Punkteauf, deren Umsetzung unserer Meinung nach notwendigist. Das mag auch ein bisschen damit zusammenhängen,dass wir, die Grünen, eine hohe Übereinstimmung mitunserem schon erwähnten eigenen Antrag mit dem Titel


28062 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dorothea Steiner(A)„Elberaum entwickeln – Nachhaltig, zukunftsfähig undnaturverträglich“ erkennen können. Er zeigt, wie manNaturschutz- und Tourismuspolitik mit Arbeitsmarktpolitikverbindet. Bedauerlicherweise wurde unser Antragvon den Regierungsfraktionen abgelehnt.Wir Grünen sagen: Es ist zwingend notwendig, sämtlicheBau- und Unterhaltungsmaßnahmen an der Elbehinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Natur und Umweltzu prüfen.(Gustav Herzog [SPD]: Das machen wir dieganze Zeit schon!)Wir fordern die Bundesregierung auf, den komplettenElbeausbau nicht nur in Sonntagsreden abzulehnen, sondernauch alltags damit aufzuhören, sinnlose, ökologischschädliche Ausbaumaßnahmen zu ergreifen, die als Unterhaltunggetarnt werden.(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN – Gustav Herzog [SPD]:Unsinn!)Die Bundesregierung scheut die Auseinandersetzung darüber,welche Schifffahrt verträglich und auf der mittlerenElbe möglich ist. Es geht auch nicht an, dass Sie weiterhinauf das Prinzip „Unterhaltungsmaßnahmen umjeden Preis“ setzen, gleich welche ökologischen Folgendies für die Elbe, das Grundwasser und die Absenkungdes Grundwassers hat. Wir hoffen dennoch, dass dievielbeschworene Konferenz der Bundesregierung zurFlusspolitik, die in der nächsten Woche stattfindet, keinereine Showveranstaltung wird, sondern Sie endlich einmaleine echte Diskussion und eine Abwägung zwischenökologischen und wirtschaftlichen Ansprüchen insbesonderean die Elbe eröffnen.Der zweite Antrag der Linksfraktion zum ThemaFlusslandschaften benennt sicherlich viele wichtige Zieleeiner guten Flusspolitik. Aber er bleibt bei der Benennungund Aufzählung dieser Ziele stecken; er bleibt imAllgemeinen, wo schon lange Konkretisierung erforderlichist.Werte Kollegin von der Linken, das Rad in der Flusspolitikmuss nicht mehr neu erfunden werden. Wir müssenuns wichtige Punkte vorknöpfen, um die notwendigenVerbesserungen für die Qualität der Flüsse zuerreichen. Im Mittelpunkt einer aktiven Flusspolitik– das wissen wir alle; in Sonntagsreden wird es auch beschworen– steht eine umfassende Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinieund ein konsequenter, vorbeugenderHochwasserschutz. Dazu brauchen wir ein wirksamesAuenprogramm – jetzt endlich einmal –, Auenrenaturierungund Deichrückverlegungen an ausgewählten Flüssen.Das müssen wir vorantreiben.Wir müssen einen zweiten Punkt thematisieren: Stoffeinträgein die Flüsse, beispielsweise durch die Landwirtschaft.Auch das gehört ins Zentrum der Diskussionüber eine moderne Flusspolitik. Wir Grüne diskutierendas ebenfalls im Zusammenhang mit der Gülleproduktionan den Flüssen und in der Nähe der Flüsse und derNitratbelastung des Grundwassers und der Flüsse. Dasist der Punkt, wo sich die Flusspolitik mit der Agrarwendeverbindet: weniger Gülleeintrag, weniger Grundwasserbelastung,weniger Wasserbelastung. Da könnenwir nur sagen: Von mehr grüner Agrarwende werdenauch die Flüsse und Flusslandschaften profitieren, zumBeispiel die Elbe, die Oder und die Ems.Vielen Dank.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)(C)(B)Vizepräsidentin Petra Pau:Der Kollege Ulrich Petzold hat nun für die Unionsfraktiondas Wort.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Uli, duhältst die Fahnen der Union hoch!)Ulrich Petzold (CDU/CSU):Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Eigentlich hatte ich vor, Ihnenein bisschen mehr freie Zeit am Abend zu schenken.Aber nachdem diese Reden gehalten worden sind, wiesie gehalten worden sind, fühle ich mich doch verantwortlich,ein paar Worte dazu zu sagen.Frau Steiner, erst einmal herzlichen Dank, dass Siewenigstens erwähnt haben, dass am Mittwoch die Elbekonferenzin Magdeburg stattfindet.(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Wenn Sie es nicht tun, ich mache eswenigstens!)Es sind dort zwei Staatssekretäre der Bundesregierunganwesend; sie werden dort sprechen. Ich glaube, ein bisschenwas machen wir dann schon.(Gustav Herzog [SPD]: Hat ja auch lange genuggedauert!)Zum Elbekonzept, das hier von der SPD eingefordertworden ist: Liebe Waltraud, es ist nun einmal so, dassdie Flussgebietskonferenz in Magdeburg Aussagen treffenwird; das ist klar. Aber in der Flussgebietskonferenzist die Bundesregierung nicht allein vertreten. Da spielenalle Bundesländer mit. Ich frage ganz besorgt, was dennaus Niedersachsen kommen wird. Bis vor kurzem gab esklare Aussagen aus Niedersachsen, was Niedersachsenund wie Niedersachsen es haben will. Das alles ist jetztinfrage gestellt.(Ulrich Kelber [SPD]: Sie meinen den Mann,der die Auenwälder abgeholzt hat?)Liebe Freunde, so geht es natürlich nicht: Nun malschnell, wir verändern jetzt die Welt, und deswegenmuss alles neu werden. – Das geht nicht! Man muss aucheine gewisse Verlässlichkeit zeigen.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)Die Elbe ist ein tausendjähriger Fluss.(Ulrich Kelber [SPD]: Der niedersächsischeUmweltminister hat Auenwälder abgeholzt!Gut, dass damit Schluss ist!)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28063Ulrich Petzold(A)Es geht natürlich darum, dass man in der Politik auchKonsistenz benötigt, und die werden wir in der Elbe-Konferenz durchsetzen. Das kann ich Ihnen sicher sagen.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)Liebe Kollegin Steiner, Sie haben das Hochwasserschutzgesetzangesprochen. Das ist mit Herrn Trittingrandios gescheitert.(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das stimmt überhaupt nicht!)Ich wage nur, mich ganz vorsichtig daran zu erinnern.Das sollten Sie nicht in irgendeiner Form als Großtat derGrünen erwähnen. Das ist es nicht.Liebe Kollegin Stüber, zu den Differenzen mit derEU. Die Differenzen mit der EU liegen nicht darin begründet,dass die Elbe oder irgendein Fluss in Deutschlandirgendwie verseucht wäre oder durch Umwelteinflüssein sehr schlechtem Zustand wäre. Da geht es umeine ganz einfache rechtliche Frage. Es geht um dieFrage der Wasserdienstleistung. Es geht in diesem Zusammenhangzum Beispiel darum, ob die Nutzung desWassers von Flüssen und Bächen für Kleinwasserkraftanlagenund Wasserkraftanlagen eine Wasserdienstleistungist, die mit Gebühren beaufschlagt werden kann.Darüber streitet sich die Bundesrepublik im Auftrag vonelf europäischen Ländern mit der Europäischen Union.Das kann man in einem solchen Antrag nicht einfach derBundesregierung zuschustern. Das funktioniert nicht.Ein bisschen klarer und besser muss man sich schon informierthaben.Deswegen sage ich klar und deutlich: Flussgebietspolitikist etwas anderes als die Vorlage solcher Anträge.Zu dem Antrag eines Elbekonzeptes habe ich in meinerersten Rede schon einiges gesagt. Wissen Sie, es hatmich dann schon erstaunt, dass Sie diesen Antrag nichtwenigstens ein bisschen verändert haben. Man kann zwischender ersten und zweiten Beratung eines solchen Antragesein paar Veränderungen vornehmen; aber in einemAntrag einfach weiterhin falsche Sachen zu behaupten,das funktioniert nicht.(Ulrich Kelber [SPD]: Was wollen Sie dennjetzt eigentlich?)Die Elbe als frei fließender Fluss? Na, prima! Die Elbeist ein Fluss, der bis zum 11. Jahrhundert – –(Ulrich Kelber [SPD]: Was wollen Sie alsMehrheit?)– Sie werden im Zuge der Elbe-Konferenz erfahren, waswir vorhaben.(Ulrich Kelber [SPD]: Was Sie wollen! Hier istPlenumsdebatte! Sagen Sie doch, was Sie wollen!Das ist ätzend! Gestohlene Lebenszeit!)– Meine Aussage ist klar und deutlich. In meinem Wahlkreisliegt das Biosphärenreservat Mittelelbe. Wir habengemeinsam mit dem Biosphärenreservat Mittelelbe klareVorgaben für Baumaßnahmen an der Elbe festgelegt.Dazu gehört zum Beispiel auch der Bau von Sohlschwellenim Bereich Dessau-Wörlitz. Wenn Sie aber den Bauvon Sohlschwellen sofort als Steinigung der Elbe diffamieren(Gustav Herzog [SPD]: Wer? Wir nicht!)– Sie! –, dann sorgen Sie dafür,(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Ichglaube, die Elbe kann man gar nicht steinigen!– Ulrich Kelber [SPD]: Sie lesen ja gar nicht,was wir aufschreiben! Wer bereitet denn IhreRede vor?)dass die Eintiefung der Elbe fortschreitet und dass dieAuenwälder bei Dessau-Wörlitz trockenfallen. Das istdie Situation. Wir stehen dazu in Differenz. Wir wollen,dass die Auenwälder auch weiterhin erhalten werden.Dafür sind ökologische Maßnahmen notwendig.Liebe Freunde, im Bereich Dömitz/Hitzacker geht esdarum, ein paar Buhnen zu versetzen(Gustav Herzog [SPD]: Nein! Nein! Es istschon etwas mehr!)– das ist aber das Wesentliche –, um dafür zu sorgen,dass sich die Sandbänke an bestimmten Stellen nicht ablagern.(Gustav Herzog [SPD]: Richtig!)Um Gottes willen, warum soll man nicht darüber sprechenkönnen? Weswegen ist es sakrosankt, darüber zusprechen? Das kann so nicht funktionieren.(Ulrich Kelber [SPD]: Haben Sie eigentlichgelesen, was wir beantragen?)– Sie haben gar nichts beantragt. Ihren Antrag kenne ichnicht; das ist das Problem.(Ulrich Kelber [SPD]: Ja! Sie kennen unserePosition nicht! Das ist Ihr Problem!)Einen Antrag der Grünen und der Linken habe ich gelesen,aber einen SPD-Antrag, der sich mit diesem Themabefasst, definitiv nicht.(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das istja sehr schade! – Ulrich Kelber [SPD]: Sie redenvöllig ins Blaue hinein, Herr Kollege!)Lieber Herr Kelber, die Situation ist nun einmal: Siegreifen Kampfbegriffe auf, Sie arbeiten mit Schlagwörtern,wir arbeiten in der Realität.(Ulrich Kelber [SPD]: Auch wenn wir nichtwissen, was Realität ist!)Wir sorgen dafür, dass die Elbe ökologisch weiterhin inOrdnung bleibt, dass die Elbe weiterhin schiffbar bleibtund dass wir weiterhin in unserem Land vernünftig lebenkönnen. Das ist der Hintergrund.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)(C)(B)(D)Wir stehen für die Konferenz. Frau Staatssekretärin,Herr Staatssekretär, wir freuen uns auf Ihre Ausführun-


28064 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Ulrich Petzold(A)(B)gen und sind gespannt, was von den Ländern im Einzelnenkommen wird.Herzlichen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP –Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sie wissennicht, was dabei herauskommt! Aber Siesind schon mal dafür!)Vizepräsidentin Petra Pau:Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlungdes Ausschusses für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit auf Drucksache 17/11063. DerAusschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlungdie Ablehnung des Antrages der FraktionDie Linke auf Drucksache 17/9192 mit dem Titel „NeueFlusspolitik – Ein ‚Nationales Rahmenkonzept für naturnaheFlusslandschaften‘“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung?– Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen.Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehltder Ausschuss die Ablehnung des Antrags derFraktion Die Linke auf Drucksache 17/9160 mit dem Titel„Umfassendes Elbekonzept erstellen“. Wer stimmtfür diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen?– Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mitden Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmender Oppositionsfraktionen angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzesüber den Beruf der Notfallsanitäterin und desNotfallsanitäters sowie zur Änderung weitererVorschriften– Drucksache 17/11689 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Gesundheit (14. Ausschuss)– Drucksache 17/12524 –Berichterstattung:Abgeordnte Kathrin VoglerDie Reden sollen zu <strong>Protokoll</strong> gegeben werden. 1) –Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss fürGesundheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/12524, den Gesetzentwurf der Bundesregierungauf Drucksache 17/11689 in der Ausschussfassunganzunehmen. Ich bitte diejenigen, diedem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmenwollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiterBeratung angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurfist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionenbei Enthaltung der Opposition angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Violavon Cramon-Taubadel, Dr. Frithjof Schmidt,Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENZusammenarbeit mit China intensivieren –China-Kompetenzen in Deutschland ausbauen– Drucksache 17/11202 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss (f)RechtsausschussAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungDie Reden nehmen wir zu <strong>Protokoll</strong>. 2)Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 17/11202 an die in der Tagesordnung aufgeführtenAusschüsse vorgeschlagen. – Ich sehe, Sie sinddamit einverstanden. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionender CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfseines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderungdes Soldatengesetzes– Drucksache 17/12059 –– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines FünfzehntenGesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes– Drucksache 17/12353 –Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses(12. Ausschuss)– Drucksache 17/12498 –Berichterstattung:Abgeordnete Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)Fritz Rudolf KörperBurkhardt Müller-SönksenHarald KochAgnes BruggerAuch hier gehen die Reden zu <strong>Protokoll</strong>. 3)Wir kommen zur Abstimmung über den von denFraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzentwurfzur Änderung des Soldatengesetzes. DerVerteidigungsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seinerBeschlussempfehlung auf Drucksache 17/12498, den(C)(D)1) Anlage 202) Anlage 213) Anlage 22


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28065Vizepräsidentin Petra Pau(A)(B)Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und derFDP auf Drucksache 17/12059 anzunehmen. Ich bittediejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratungangenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurfist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionenund der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der FraktionDie Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen angenommen.Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehltder Ausschuss, den Gesetzentwurf der Bundesregierungauf Drucksache 17/12353 zur Änderung desSoldatengesetzes für erledigt zu erklären. Wer stimmt fürdiese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmigangenommen.Ich rufe den Zusatzpunkt 8 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligungund Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren(PlVereinhG)– Drucksache 17/9666 –Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses(4. Ausschuss)– Drucksache 17/12525 –Berichterstattung:Abgeordnete Helmut BrandtKirsten LühmannManuel HöferlinFrank TempelWolfgang WielandHierzu liegt ein Entschließungsantrag der FraktionBündnis 90/Die Grünen vor.Die Reden sollen zu <strong>Protokoll</strong> gegeben werden. –Sie sind damit einverstanden. 1)Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurfist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionengegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantragder Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufDrucksache 17/12549. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag?– Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmender Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der FraktionBündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linkebei Enthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeitund Entwicklung (19. Ausschuss)zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Roth(Esslingen), Lothar Binding (Heidelberg),Gabriele Fograscher, weiterer Abgeordneter undder Fraktion der SPD sowie der AbgeordnetenThilo Hoppe, Tom Koenigs, Undine Kurth(Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENRechte indigener Völker stärken – ILO-Konvention169 ratifizieren– Drucksachen 17/5915, 17/11209 –Berichterstattung:Abgeordnete Anette HübingerKarin Roth (Esslingen)Helga DaubNiema MovassatThilo HoppeAuch hier gehen die Reden zu <strong>Protokoll</strong>. 2)Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss empfiehltin seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache17/11209, den Antrag der Fraktionen der SPD unddes Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 17/5915abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung?– Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – DieBeschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionengegen die Stimmen der Oppositionsfraktionenangenommen.(C)(D)Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschussempfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache17/12525, den Gesetzentwurf der Bundesregierungauf Drucksache 17/9666 in der Ausschussfassung anzunehmen.Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, umdas Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionender CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfseines Dritten Gesetzes zur Änderung desLebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchessowie anderer Vorschriften– Drucksache 17/11818 –– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines DrittenGesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und1) Anlage 23 2) Anlage 24


28066 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Vizepräsidentin Petra Pau(A)Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften– Drucksache 17/12299 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz(10. Ausschuss)– Drucksache 17/12527 –Berichterstattung:Abgeordnete Franz-Josef HolzenkampElvira Drobinski-WeißDr. Christel Happach-KasanKarin BinderFriedrich OstendorffEs liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion derSPD und der Fraktion Die Linke vor.Auch hier nehmen wir die Reden zu <strong>Protokoll</strong>.vollziehen. Deshalb werden wir die Vorschrift nocheinmal anpassen.Gern möchte ich die rot-grüne Opposition auf einigeTatsachen aufmerksam machen, die sie der Öffentlichkeitgern verschweigt: Die schwächste Formder Informationsverpflichtung durch die Behörden beivermuteter Täuschung wurde unter Rot-Grün eingeführt.Damals konnten die Behörden laut LFGB informieren.Verschärft wurde diese Vorschrift, nachdemdie Union in der Großen Koalition das Agrarministeriumübernommen hatte. 2007 wurde aus dem„konnte“ ein „sollte“. Und die christlich-liberale Koalitionhatte dann im vergangenen Jahr aus der SolleineMuss-Vorschrift gemacht. Wer tut hier also wasfür den Verbraucherschutz? Doch es ist wie immer:Rot-Grün tut so als ob, und viele Medien plappernohne gründliche Recherche nach.Die christlich-liberale Koalition hat hier schnellstmöglichzum Schutz der Verbraucher gehandelt. Weranderes behauptet, sollte einmal in sich gehen.Das kann ich übrigens auch einmal den Ländernempfehlen. Wenn ich an die Rede der HamburgerVerbraucherschutzsenatorin vergangene Woche beiuns im Plenum denke, kommt mir nur das Wort „Glashaus“in den Sinn. In dem sollte man ja bekanntlichvorsichtig mit Wurfgeschossen umgehen. Ich empfehleden Ländern, sich einmal intensiv mit der Qualität undder Quantität ihrer Lebensmittelkontrolle auseinanderzusetzen.Hier liegen große Aufgaben vor ihnen.Und dabei meine ich nicht die Qualität der Lebensmittelkontrolleure– die machen nämlich einen tollen Job.Also noch einmal: Die Opposition kann gern anderesbehaupten – Ministerin Aigner und die Koalitionhaben schnell und gut im Sinne der Verbraucher reagiert.Bleiben wir bei der Verbraucherinformation: Sie erinnernsich nur zu gut an die dramatischen Wochen derEhec-Krise im Jahr 2011. Dem Ehec-Ausbruch waren53 Personen zum Opfer gefallen. In der Krise hat sichgezeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen Bund undLändern, aber auch zwischen den Bundesländern verbessertwerden muss.Im Herbst 2012 haben der Bund und die Verbraucherschutzministerder Länder hierzu eine Vereinbarunggetroffen, die wir jetzt im LFGB umsetzen. ImMittelpunkt steht dabei der schnelle Datenaustauschzwischen den beteiligten Behörden auf Ebene desBundes und der Länder. Zudem schaffen wir gesetzlicheSicherheit für den Datenaustausch zwischenLebensmittelüberwachungs- und Gesundheitsbehörden.Damit greifen wir Anregungen aus dem Gutachtendes Bundesrechnungshofes zum gesundheitlichenVerbraucherschutz auf.(C)(B)Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU):Die Verbraucherpolitik der Bundesregierungschützt die Verbraucher nicht wirksam vor Lebensmittelskandalen.Das schreibt die SPD in ihrem Entschließungsantragzum Gesetzentwurf zur Änderung des Lebens-und Futtermittelgesetzbuches, welchen wir heutebeschließen werden. Glauben Sie wirklich, was Sie dain Ihrem Antrag schreiben? Oder ist es wie bei denKolleginnen und Kollegen von den Grünen, dass mansich bei Skandalen oder vermeintlichen Skandalenheimlich die Hände reibt und auf den Rücken von Verbraucherinnenund Verbrauchern Wahlkampf betreibt?Nein, ehrlich ist das nicht, was Sie da treiben. Ichwerde Ihnen das gleich verdeutlichen.Wir werden heute den Gesetzentwurf zur Änderungdes Lebens- und Futtermittelgesetzbuches beschließen.Das LFGB ist Sinnbild für die Politik der christlich-liberalenKoalition: Wir arbeiten sachorientiert;wir arbeiten gründlich, und wir arbeiten schnell.Die Novelle des LFGB wird dazu beitragen, dassBehörden im Falle von Lebensmittelkrisen – wie zumBeispiel der Ehec-Krise – oder im Falle von Täuschungender Verbraucher bei Lebensmitteln schnellerund zielgerichteter reagieren können.Wir werden mit dem LFGB drei Punkte regeln: Zunächstschließen wir mit der Versicherungspflicht fürMischfuttermittelunternehmen den letzten Punkt desDioxinaktionsplans ab. Darüber hinaus werden wir inKonsequenz auf die Ehec-Krise das Krisen- und Informationsmanagementzwischen Bund und Ländern verbessern.Und schließlich werden wir als Reaktion aufdie Pferdefleischtäuschungen die Vorschriften zur Informationder Öffentlichkeit noch einmal verschärfen.Lassen Sie mich kurz auf diese drei Sachverhalteeingehen.Der aktuelle Pferdefleischskandal hat gezeigt, dassLänderbehörden Probleme haben, die Verschärfungder behördlichen Auskunftspflicht bei Täuschungen zuUnd schließlich werden wir den letzten Punkt desDioxinaktionsplanes umsetzen. Ministerin Aigner hatin Reaktion auf die Dioxinfunde in Mischfuttermittelnden Aktionsplan Verbraucherschutz in der Futter-(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28067Franz-Josef Holzenkamp(A)(B)mittelkette aufgestellt und zügig abgearbeitet. Derletzte offene Punkt – die Versicherungspflicht fürMischfuttermittelunternehmen – bedurfte intensiverBeratungen. Wir haben jetzt im LFGB eine Pflichtversicherungfür Mischfuttermittelhersteller verankert,die sich am Umfang der Produktion orientiert.Damit hat der Landwirt, der von den Folgen verunreinigterFuttermittel betroffen ist, künftig die Sicherheit,dass der Futtermittelhersteller ausreichendversichert ist, um seiner Schadensersatzpflicht nachzukommen.Gleichzeitig können sich die Geschädigten– anders als bisher – direkt an die Versicherung wenden,um Schadensersatz einzufordern. Damit bestehtim Falle einer Insolvenz des Schädigers der Versicherungsschutzfort.Sie sehen, die christlich-liberale Koalition arbeitetschnell, gründlich und sachorientiert für den Verbraucherschutzin der Lebensmittelkette. Deshalb bitte ichSie um Zustimmung zu der vorliegenden Änderung desLebens- und Futtermittelgesetzbuches.Elvira Drobinski-Weiß (SPD):Diese Bundesregierung hat einmal mehr bewiesen,dass sie nicht in der Lage ist, die Verbraucherinnenund Verbraucher vor Lebensmittelskandalen zu schützen.Während wir noch fassungslos sind über die täglichneuen Details hinsichtlich des Ausmaßes des Pferdefleischbetrugs,haben wir schon den nächsten großangelegten Betrugsfall: Eier von Legehennen, die gesetzeswidrigauf engstem Raum gehalten wurden, dieteilweise sogar als Bioeier verkauft wurden. Es gehtdabei um Betrug sowie Verstöße gegen das Lebensmittel-und das Ökolandbaugesetz. Womöglich haben dieBetriebe auch Tierschutzvorschriften und Umweltgesetzemissachtet.Doch sicherlich wird sich auch hier die Bundesregierungmit groß angekündigten Punkteplänen, wirkungslosenEinzelmaßnahmen und Prüfaufträgen vonSkandal zu Skandal hangeln. Verbraucherinnen undVerbraucher ziehen den Kürzeren, und die schwarzenSchafe in der Lebensmittelwirtschaft kommen ungeschorendavon.Jetzt will die Bundesregierung in Windeseile das Lebensmittel-und Futtermittelgesetzbuch ändern – allerdingsohne die notwendigen Konsequenzen aus denLebensmittelskandalen zu ziehen. Das lehnen wir ab.Mit der dort vorgesehenen Änderung des § 40 LFGBwird nicht gewährleistet, dass Behörden über Falschetikettierungund Täuschungsfälle informieren. Im Gegenteil:Behörden werden über Täuschungsfälle nichtinformieren, weil die Hürden zu hoch sind.Aber: Wir sind es den Verbraucherinnen und Verbrauchernschuldig, alle unsere Möglichkeiten zu nutzen,um die Verbraucherinformation, die Qualität derLebensmittelkette und die Lebensmittelüberwachungzu verbessern und so das Risiko von weiteren Lebensmittelskandalenzu minimieren.Wir brauchen eine grundsätzliche Offenlegung derbehördlichen Untersuchungsergebnisse. Transparenzist nicht nur im Hinblick auf gleiche Wettbewerbsbedingungenfür redliche Anbieter unverzichtbar undsoll den einzelnen Lebensmittel- und Futtermittelunternehmernoch stärker und kontinuierlicher als bisherdazu veranlassen, seinen Betrieb im Einklang mit denlebensmittel- oder futtermittelrechtlichen Vorschriftenzu betreiben. Transparenz ist auch für die Demokratieselbst konstitutiv. Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeitdes demokratischen Rechtstaats sinkt, wennBürgerinnen und Bürger über Pferdefleischfunde inFertiggerichten und Dönerspießen nicht durch die Behördenselbst informiert werden können, sondern aufdie teilweise lückenhaften Informationen der Anbieterund Handelsketten angewiesen sind.Wir brauchen die Rückverfolgbarkeit, um nicht ordnungsgemäßeProdukte schnell aus der Kette zu holen,Qualität zu gewährleisten und Betrüger zu entlarven.Bisher dokumentieren viele Lebensmittelunternehmerdie Handelsströme lediglich eine Stufe vor und eineStufe zurück. Das erschwert die Arbeit der Lebensmittelkontrolleureund ermöglicht es Betrügern, die Herkunftvon Lebensmitteln zu verschleiern. Die Unternehmenstehen nach den Bestimmungen der EU-Basisverordnung Lebensmittelrecht, VO-Nr. 178/2002,jedoch in der Pflicht, Verfahren und Systeme zur stufenübergreifendenRückverfolgung bereitzustellen. DieWirtschaftsbeteiligten müssen sich gegenseitig kontrollieren,und Lebensmittel müssen lückenlos rückverfolgbarsein, damit mangelhafte Produkte auf allenProduktionsstufen schnell identifiziert und vom Marktgenommen werden können. Die Lieferkette muss fürdie Kontrolleure transparent werden, und zwar nichtnur über eine, sondern über alle Handelsstufen hinweg.Wir brauchen eine wirkliche Rückverfolgbarkeit.Wir brauchen eine echte Herkunftskennzeichnung.Noch letztes Jahr hat die Verbraucherministerin IlseAigner auf EU-Ebene abgelehnt, sich für eine Herkunftskennzeichnungvon verarbeiteten Lebensmittelnund die Herkunft von Fleisch und Milchprodukten einzusetzen.Wir begrüßen, dass genau dies im NationalenAktionsplan nun vorgeschlagen wird.Wir brauchen Klarheit auf einen Blick für die Verbraucherinnenund Verbraucher über den Hygienezustandin Restaurants und sämtlichen Lebensmittelbetrieben.Wir brauchen die Hygieneampel. DerGesetzentwurf der Bundesregierung enthält keinenVorschlag zur Einführung eines Restaurantbarometerszur Kennzeichnung der Betriebshygiene mit Ampelfarben.Die zuständige Bundesministerin bleibt uns weiterhineinen Vorschlag für eine bundeseinheitliche Regelungschuldig. Damit ignoriert sie die Beschlüsseder 8. Verbraucherschutzministerkonferenz und dieStellungnahme des Bundesrates zum Entwurf einesDritten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- undFuttermittelgesetzbuches.Wir brauchen den Hinweisgeberschutz. Wenn Lebensmittelskandalevon Mitarbeiterinnen und Mitar-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28068 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Elvira Drobinski-Weiß(A)(B)beitern aufgedeckt werden, gehören diese unter denSchutz der Rechtsordnung. Dazu genügt es nicht, wennder damalige Bundesminister Horst Seehofer einenHinweisgeber, der den Gammelfleischskandal aufgedeckthat, mit der Professor-Niklas-Medaille des Bundesverbraucherministeriumsauszeichnet. Hinweisgebermüssen gesetzlich vor Kündigung und anderenNachteilen geschützt werden. Ein Gesetzentwurf derSPD-Bundestagsfraktion für ein Hinweisgeberschutzgesetz,Bundestagsdrucksache 17/8567, liegt vor undbefindet sich im parlamentarischen Verfahren.Wir brauchen harte Strafen für Betrüger. Lug undTrug darf sich nicht lohnen. Die Sanktionen im Lebensmittel-und Futtermittelrecht müssen verschärftwerden. Das Strafrecht bietet schon jetzt die Möglichkeit,die durch Verbrauchertäuschung erzielten Gewinneder Lebensmittelindustrie abzuschöpfen. Darüberhinaus sind Vorschläge zu prüfen, abgeschöpfteUnrechtsgewinne für die Verbraucherarbeit zu verwenden.Wir müssen die Lebensmittelunternehmer in diePflicht nehmen. Sowohl hinsichtlich der Anforderungenan die Eigenkontrollsysteme als auch im Hinblickauf Täuschung und Irreführung sind Unternehmen zursofortigen Information zu verpflichten.Wir müssen die Grundlagen schaffen für eine bessereund effizientere Lebensmittelüberwachung. Dabeimuss auch die Finanzierung überdacht werden: Warumbürden wir die Kosten für die amtliche Überprüfungder Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben denSteuerzahlern auf? Im rot-grünen Koalitionsvertrag inNiedersachsen wurde vereinbart, auch für Regelkontrollender Lebensmittelüberwachung kostendeckendeGebühren zu erheben, um dadurch die finanzielle Basisfür eine schlagkräftige Lebensmittel- und Futtermittelaufsichtzu verbessern.Die Verbesserung der Schlagkraft der LebensmittelundFuttermittelaufsicht tut dringend not; das sehenwir bei jedem Lebensmittelskandal erneut. Die Unternehmenan den Kosten zu beteiligen, sollte durchaus inderen Interesse sein; denn je besser die Kontrollen,umso schneller werden unseriöse Anbieter vom Marktgedrückt.Wir haben mit unserem Entschließungsantrag imAusschuss Vorschläge zur Änderung des LFGB gemacht,die wirklich Konsequenzen aus den Lebensmittelskandalenziehen und die endlich mehr Transparenzund Sicherheit bringen würden. Doch dazu sind CDU/CSU und FDP nicht bereit. Der nächste Lebensmittelskandalkommt bestimmt, und ganz bestimmt auchder nächste fruchtlose Aktionsplan dieser Bundesregierung.Die Leidtragenden bleiben die Verbraucherinnenund Verbraucher.Hans-Michael Goldmann (FDP):Die christlich-liberale Koalition schützt Verbraucherinnenund Verbraucher vor Täuschungen im Lebensmittelbereichund handelt klug und entschlossenim Sinne aller Betroffenen. Heute verabschieden wirein sehr gutes Gesetz. Die christlich-liberale Bundesregierung„löscht die Brände“ dort, wo sie auftreten,und sorgt in Zukunft für Sicherheit und Transparenz.Mit der Beratung am heutigen Tage setzen wir denletzten Punkt unseres Aktionsplans „UnbedenklicheFuttermittel, sichere Lebensmittel, Transparenz fürden Verbraucher“ um. Die schwarz-gelbe Bundesregierunghatte diesen im Nachgang zum Dioxingeschehenerarbeitet. Damals wurde bekannt, dass einFuttermittelunternehmen mit Dioxinen belastete Industriefettefür die Herstellung von Futtermitteln verwendethatte. Wir arbeiten den Aktionsplan konsequentab und führen eine Versicherungspflicht fürMischfuttermittelunternehmer ein, um zukünftig wirtschaftlicheSchäden bei den Landwirten, die unwissentlichbelastete Futtermittel erhalten, zu verhindern.Die Versicherungspflicht gilt für Futtermittelbetriebe,die mindestens eine im Inland zugelassene oder registrierteMischfutteranlage haben. Sie müssen in Zukunftdafür Sorge tragen, dass sie eine Versicherung entsprechendihrer Produktionsmenge abschließen. DieseVersicherung deckt die Schäden ab, die durch die Verfütterungeines von ihnen hergestellten Mischfuttermittelsentstehen, wenn es nicht den futtermittelrechtlichenAnforderungen entspricht. Wir sorgen dafür, dassGeschädigte einen Schadensersatzanspruch künftigauch gegen den Versicherer geltend machen können,wenn der Mischfuttermittelunternehmer/Verursacherin die Insolvenz geht oder nicht mehr greifbar ist.Aus Anlass des aktuellen Pferdefleisch- und Hühnereierskandals,bei dem mit kriminellem Tun die Verbraucherinnenund Verbraucher in arglistiger Weisegetäuscht wurden, haben wir eine weitere Verbesserungdes § 40 des LFGB, Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch,vorgenommen. Hier haben wir sehrschnell gehandelt und tragen damit dem öffentlichenInformationsanspruch der Verbraucher Rechnung.Durch die Erweiterung in § 40 Abs. 1 sollen dieÜberwachungsbehörden der Länder die Herstelleroder Inverkehrbringer falsch gekennzeichneter Produktedann veröffentlichen, wenn der durch Tatsachenbegründete Verdacht besteht, dass ein Lebensmittel gegenden Täuschungsschutz verstoßen hat und somiteine Täuschung am Verbraucher besteht. Wir schaffendamit den Rahmen, den die Länder brauchen, um Produkt-und Herstellernamen zu nennen.Bisher musste bei Gesundheitsgefahren oder schwerenHygienemängeln veröffentlicht werden. Heute sorgenwir dafür, dass Täuschungen bei Lebensmittelndurch die zuständigen Lebensmittelbehörden der Länder,nach Abwägung der beteiligten Interessen, immerveröffentlicht werden können. Damit ist eine schnelleInformation der Verbraucher gewährleistet.Gerade beim Pferdefleischskandal hat die öffentlicheDiskussion deutlich gemacht, dass die Belange derÖffentlichkeit sehr hoch einzuschätzen sind. Die neue(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28069Hans-Michael Goldmann(A)Vorschrift der christlich-liberalen Koalition ist praxistauglichund handhabbar in der Umsetzung.bensmittelindustrie vor den Verbraucherinnen undVerbrauchern zu schützen!Mit dem hier vorliegenden Entschließungsantragder Linksfraktion weisen wir auf die gröbsten Mängelvon Schwarz-Gelb hin und fordern:Erstens. Das Gutachten „Organisation des gesundheitlichenVerbraucherschutzes – Schwerpunkt Lebensmittel“des Bundesrechnungshofes muss Schrittfür Schritt umgesetzt werden. Bei herausgehobenenÜberwachungsaufgaben, zum Beispiel bei Lebensmittel-und Futtermittelherstellern mit überregionalemMarkt, bei großen Handels- und Discounterketten fürLebensmittel sowie bei Fastfoodketten ist dem Bunddie Zuständigkeit im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchzuzuordnen.Zweitens. Die von der 8. Verbraucherschutzministerkonferenzam 14. September 2012 beschlossene undvom Bundesrat geforderte Rechtsgrundlage zur Veröffentlichungder Ergebnisse amtlicher ÜberwachungsundKontrollmaßnahmen ist unverzüglich auf den Wegzu bringen. Zudem ist ein bundeseinheitliches Modellzur Transparentmachung der Kontrollergebnisse vonLebensmittelunternehmen für die Verbraucherinnenund Verbraucher zu schaffen. Denn eines ist klar: MitAktionsplänen und Eigenlob ist den Lebensmittelskandalennicht beizukommen. Das Vertrauen der Verbraucherinnenund Verbraucher in die Politik muss durchTaten zurückgewonnen werden. Frau Aigner, fangenSie endlich damit an!(C)(B)Karin Binder (DIE LINKE):Die Anzahl immer neuer Lebensmittelskandale führtuns vor Augen, wie unwirksam die Maßnahmen vonVerbraucherministerin Ilse Aigner sind. Mit Glaubwürdigkeithat das nicht viel zu tun. Das zeigt auch deraktuelle Gesetzentwurf zur Änderung des Lebensmittel-und Futtermittelgesetzbuches, des LFGB. Das Papierignoriert völlig die Auswirkungen einer internationalarbeitenden Lebensmittelindustrie und deszunehmend globalisierten Lebensmittelhandels.Schlimmer noch: Es greift nicht einmal die Vorschlägeeiner umfassenden Studie zur Neuordnung derLebensmittelaufsicht, die Frau Aigner höchstselbst inAuftrag gegeben hatte, auf. Der Präsident des Bundesrechnungshofes,Beauftragter für das wirksame Handelnvon Behörden, stellte erhebliche Mängel fest undschlug eine Art Neustart für die Lebensmittelaufsichtvor. Die Kernbotschaft: Der Bund hat das grundgesetzlicheRecht – nach meiner Auffassung auch diePflicht –, Kompetenzen an sich zu ziehen, wenn Länderstrukturendafür nicht geeignet sind. Und einessteht fest: Global agierende Lebensmittelkonzernekönnen kaum von einer Landkreisebene her kontrolliertwerden.Der europaweite Fund von Pferdefleisch in Rindfleischgerichtenverdeutlicht einmal mehr, dass eineNeuordnung der Lebensmittelsicherheit in Deutschlanddringend erforderlich ist. Man muss sich das vorAugen führen: Nicht einmal die Hersteller wussten,woher ihr Fleisch kam. Da wirken die Versprechen derBranche nach Sicherheit und Qualität, nach Rückverfolgbarkeitund Transparenz wie ein schlechter Witz.Der bleibt den Verbraucherinnen und Verbrauchernmit dem Bissen im Halse stecken.Die Linke sagt: Mit Blick auf den weltweiten Handelvon Lebensmitteln ist die Lebensmittelkontrolle inDeutschland mit ihrer zersplitterten Struktur und ihrenunzulänglichen Zuständigkeiten nicht mehr zeitgemäß.Handeln Sie endlich, Frau Aigner!Der Gesetzentwurf setzt ja nicht einmal die Beschlüsseder Verbraucherschutzministerkonferenz derLänder von 2012 um. Dort wurde zum Beispiel dringendRechtssicherheit für die sogenannte Hygiene-Ampel gefordert. Der Bundesrat forderte außerdem,dass der Bund die Verantwortung für ein bundesweiteinheitliches System zur Information der Verbraucherinnenund Verbraucher über die Ergebnisse amtlicherÜberwachungs- und Kontrollmaßnahmen in der Gastronomieübernimmt. Die erforderlichen Rechtsgrundlagenzu schaffen, ist Aufgabe des Bundes. Mehrfachbelegten Gerichtsurteilte in den letzten Monaten, dassfür die Veröffentlichung von Hygienemängeln bei Lebensmittelbetriebendurch die Gemeinden die derzeitigenRechtsgrundlagen nicht ausreichen. Aber dasnennt Frau Aigner Verbraucherinformation. Die Linkefordert: Frau Aigner, hören Sie endlich auf, die Le-Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Über zwei Jahre und ungezählte Zehn-Punkte-Ankündigungsplänevon Ministerin Aigner sind seit demDioxinskandal 2010/2011 vergangen. Über zwei Jahrehaben Sie gebraucht, um einen so schlichten Punkt wiedie Versicherungspflicht für Futtermittelunternehmenin Gesetzesform zu gießen und diesen Skandal halbwegsaufzuarbeiten. Das war notwendig und richtig.Nur leider sind wir schon wieder diverse Skandaleweiter: Antibiotikamissbrauch, Pferdefleischskandal,jetzt der Legehennenhaltungsskandal: Die Skandalkarawaneist längst weitergezogen, und Frau Aignerläuft mit ihren Aktionsplänen hilflos hinterher.Die Hektik, mit der Sie nun Schnellschüsse nachreichen,hilft da auch nicht weiter. Sie schaffen beimThema Transparenz nur eine Sollregel mit zu vielRaum für Interpretationen, die juristisch auf sehrwackligen Füßen steht. Wir kennen das bereits vomFall der Verbraucherinformationen bei Hygienemängeln:Durch eine seit 2012 geltende Veränderung imLFGB sollen die Behörden über Hygieneverstöße informieren,zum Beispiel auf Internetseiten. Die Gerichtehaben aber in verschiedenen Fällen die Veröffentlichunguntersagt. Das heißt, der Gesetzestext istnicht gerichtsfest, und daher kommt es nicht zu den gewünschtenVeröffentlichungen. So wird es leider auchIhrem heutigen Gesetzentwurf ergehen.(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28070 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Friedrich Ostendorff(A)Frau Aigner, Sie kriegen die Sache einfach nicht inden Griff. Sie versagen regelmäßig bei der Skandalbekämpfung,weil Sie sich nicht an die Ursachen wagenwollen. Mehr noch: Sie unterstützen eben jene Strukturen,die uns einen Lebensmittelskandal nach dem anderenbescheren.Sie fördern mit Ihrer Fleischexportstrategie aktivdie Billigfleischproduktion in Deutschland. Sie widersetzensich allen unseren Vorschlägen zur gesetzlichenEindämmung der Massentierhaltung in Deutschland,etwa über das Baugesetzbuch.Sie unterstützen die Massentierhaltung in Osteuropamit Hermesbürgschaften von weit über 100 MillionenEuro und bringen damit das internationaleFleischkarussell erst richtig in Schwung.Sie blockieren die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitikund verhindern damit, dass endlich Klasse stattMasse gefördert wird.Sie fördern eine Agrarindustrie, die der Intransparenzund dem Betrug Vorschub leistet, und wundernsich, wenn Ihnen die Sache regelmäßig um die Ohrenfliegt. Denn die Lebensmittelskandale sind immerSkandale der Agrarindustrie und oft der Futtermittelindustrie.Immer sind es die industriellen Strukturen,die in den Betrug verwickelt sind. Der eigentliche politischeSkandal dahinter ist Ihre Politik für diese Agrarindustrieund gegen die bäuerliche Landwirtschaft.Das ist der Skandal dieser Bundesregierung. Das istIhr Skandal, Frau Aigner.Solange Sie die Agrarwende verhindern, wird dieLandwirtschaft nicht aus den Schlagzeilen verschwinden.Solange wir nicht zu einer grundsätzlich anderenAusrichtung der Agrarpolitik kommen, ist der nächsteAktionsplan von Frau Aigner nur eine Frage der Zeit.Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sieernähren sich politisch immer noch von dem Märchen,Sie seien die Partei der Bauern. In Wahrheit schadetniemand den Bäuerinnen und Bauern mehr als CDUund CSU.Ich nenne nur ein Beispiel: 16 EU-Regierungschefshaben bei den Verhandlungen zum mehrjährigenFinanzrahmen in Brüssel vor wenigen Tagen Sonderzuschlägein der zweiten Säule erreicht: Italien 1,5 MilliardenEuro extra, Frankreich 1 Milliarde Euro extra.Deutschland: null Euro extra.Bundeskanzlerin Merkel und Ministerin Aigner stehenmit leeren Händen da. Dieses Ergebnis bedeutetweitere heftige Kürzungen bei den Agrarumweltmaßnahmenund der ländlichen Entwicklung in Deutschland.Das ist das Ergebnis einer Politik, die sich nurfür die Privilegien der Agrarindustrie interessiert unddie Interessen der bäuerlichen Landwirtschaft vernachlässigt.Dieses Ergebnis ist das Resultat IhrerPolitik, meine Damen und Herren.Wir Grünen wollen eine andere Agrarpolitik. EineAgrarpolitik für die bäuerliche Landwirtschaft, die Lebensmittelskandaledieses Ausmaßes gar nicht erstaufkommen lässt, anstatt ihnen immer nur hinterherzulaufen.Darauf wollen wir die Gemeinsame Agrarpolitikausrichten. Daran arbeiten unsere grünen Ministerinnenund Minister in den Ländern. Und das wollenwir nach der Bundestagswahl auch in der Bundespolitikendlich wieder voranbringen.(C)(B)Vizepräsidentin Petra Pau:Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehltunter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 17/12527, den Gesetzentwurf der Fraktionender CDU/CSU und der FDP auf Drucksache17/11818 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bittediejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassungzustimmen wollen, um das Handzeichen. – Werstimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurfist damit in zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurfist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionengegen die Stimmen der SPD-Fraktion bei Enthaltung derFraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen angenommen.Wir kommen nun zur Abstimmung über die Entschließungsanträge.Entschließungsantrag der Fraktionder SPD auf Drucksache 17/12558. Wer stimmt für diesenEntschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke aufDrucksache 17/12559. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag?– Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? – Auch dieser Entschließungsantrag ist mit denStimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.Wir setzen die Abstimmung zu den Beschlussempfehlungendes Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz auf Drucksache 17/12527 fort.Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung,den Gesetzentwurf der Bundesregierungauf Drucksache 17/12299 für erledigt zu erklären.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Werstimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlungist damit einstimmig angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Sportausschusses (5. Ausschuss) zudem Antrag der Abgeordneten Martin Gerster,Dagmar Freitag, Sabine Bätzing-Lichtenthäler,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDNeue Struktur der Nationalen Anti DopingAgentur schaffen– Drucksachen 17/11320, 17/12237 –Berichterstattung:Abgeordnete Klaus Riegert(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28071Vizepräsidentin Petra Pau(A)(B)Martin GersterDr. Lutz KnopekKatrin KunertViola von Cramon-TaubadelAuch hier nehmen wir die Reden zu <strong>Protokoll</strong>.Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):Ziel der Nationalen Anti Doping Agentur, NADA, inBonn ist die Bekämpfung des Dopings in Deutschland.Dieses Ziel verfolgt die NADA seit ihrer Gründung imJahr 2002 konsequent und nachdrücklich.Der Besuch des Vorstandsvorsitzenden der US-amerikanischenNationalen Anti-Doping-Agentur, TravisTygart, im Sportausschuss des Deutschen Bundestageshat gezeigt, dass sie diese Konsequenz und Nachdrücklichkeitnicht nur in Deutschland bekannt gemacht hat,sondern dass sie auch weltweit für ihre Tätigkeit Anerkennungerhält.Die hervorragende und äußerst wichtige Arbeit, diedie NADA unter ihren Vorständen, Dr. AndreaGotzmann und Dr. Lars Mortsiefer, mit den rund30 Mitarbeitern täglich leistet, gilt es daher auch inZukunft weiter fortzuführen und zu unterstützen. Voraussetzunghierfür ist aber, dass der NADA auch dieentsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestelltwerden.Bis heute ist nur der Bund seinen 2002 eingegangenenVerpflichtungen nachgekommen. Man muss sogaran dieser Stelle sagen, dass er seine finanziellen Verpflichtungenübererfüllt hat. Das müssen auch die Kolleginnenund Kollegen der Opposition anerkennen. Esstammen mehr als 11 Millionen Euro des 13 Millionenumfassenden Stiftungskapitals der NADA aus Bundesmitteln.Erst bei den kürzlich beendeten Haushaltsberatungenhat sich die christlich-liberale Koalitionerneut erfolgreich für einen Ausgleich einer Finanzierungslückeder NADA von 1 Million Euro eingesetzt.Leider kommen jedoch nicht alle Stakeholder ihren2002 gegebenen Versprechungen bezüglich der finanziellenUnterstützung nach. Die 16 Länder haben esseit elf Jahren schlicht versäumt, durch Erbringungdes ihnen obliegenden Beitrags der Finanzierung derNADA und dem Anti-Doping-Kampf in der BundesrepublikDeutschland eine noch größere Schlagkräftigkeitzu verleihen.Sicherlich sind die Haushalte der Länder nicht prallgefüllt. Im letzten Jahr hätten sie aber beispielsweisedie Chance gehabt, die Novellierung des Gesetzes zurBesteuerung von Sportwetten für eine entsprechendeFinanzierung der NADA und damit eine Stärkung derIntegrität des Sports zu nutzen.Aber auch die Wirtschaft mit Ausnahme der FirmaAdidas als weiterer „Stakeholder“ der NADA ist bisherihren zugesagten Verpflichtungen nicht nachgekommen.Dies ist umso bedauerlicher, als doch geradeWirtschaftsunternehmen von einem sauberen und fairenSport in besonderem Maße profitieren. Dahersollte es ihr ureigenstes Interesse sein, entsprechendeKontrollmaßnahmen zu unterstützen.Selbst wenn die von mir aufgezeigten Stakeholder ihrenfinanziellen Verpflichtungen noch nicht oder bishernur teilweise nachgekommen sind, vermag mich eineerneute Grundsatzdiskussion, so wie von der SPD-Fraktion im vorgelegten Antrag gewünscht wird, nichtzu überzeugen.Für die NADA wurde im Jahr 2002 ganz bewusstein „Multi-Stakeholder-Modell“ zu ihrer Finanzierungausgewählt. Die verschiedenen gesellschaftlichenBereiche der Wirtschaft, der Politik und des Sportsollten unmittelbar in den Anti-Doping Kampf mit einbezogenwerden. Nur so kann sichergestellt werden,dass die NADA unabhängig agiert und kontrolliert.Gleichzeitig ist mit dem ausgewählten „Multi-Stakeholder-Ansatz“sichergestellt, dass das Handeln derNADA eine breite gesellschaftliche Akzeptanz inDeutschland erfährt.Der von der SPD-Fraktion in ihrem Antrag dokumentierteVorschlag, eine unabhängige Expertenkommissioneinzusetzen, die Vorschläge für eine neue Träger-und Finanzierungsstruktur der NADA erarbeitensoll, geht an der eigentlichen Herausforderung, vorder die NADA und auch wir als Deutscher Bundestagstehen, vorbei.Sie tragen mit Ihrer Forderung gerade nicht zu einerkonkreten Lösung bei, sondern drehen sich weiterhinim Kreis. Denn durch die anhaltende Diskussionüber einen grundsätzlichen Umbau des NADA-Strukturmodellsbewegen Sie weder Länder noch die Wirtschaftsich endlich in größerem Maße finanziell zuengagieren. Im Gegenteil: Sie bestätigen dadurch dieHaltung einiger Verantwortlicher in den Ländern,keine weiteren Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.Der Antrag der SPD ist daher zum jetzigen Zeitpunktsogar kontraproduktiv.Zur Erinnerung: Der im Jahr 2002 von allen Stakeholdernunterschriebene Stiftungsvertrag verpflichtetalle Stakeholder, finanzielle Mittel bereitzustellen. Diefortlaufende Infragestellung dieses Vertrags nimmt jedochden Druck und ist daher für die Arbeit der NADAäußerst schädlich.Der Antrag ist daher abzulehnen.Klaus Riegert (CDU/CSU):Seit langer Zeit beschäftigen wir uns im Sportausschussdes Deutschen Bundestages mit Fragen zumnationalen und internationalen Kampf gegen Dopingim Sport. Die Glaubwürdigkeit und die Integrität dessportlichen Wettstreits drohen deutlich abzunehmen,wie nicht zuletzt eine Studie der Deutschen Sporthilfegezeigt hat. Bei aller Skepsis gegenüber Rekorden undsportlichen Höchstleistungen gilt es aber auch, dieAthletinnen und Athleten nicht alle pauschal abzuurteilenund dem Leistungssport seinen Sinn vorschnellabzusprechen. Allzu oft wird mit der „großen Unbekannten“,der „Dunkelziffer des Dopings“, in eigener(C)(D)


28072 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Klaus Riegert(A)(B)Sache Interessenspolitik betrieben – letztlich auf demRücken der fairen und sauberen Sportlerinnen undSportler. Gerade unter schwierigen Wettkampfbedingungen,der Pflicht zu umfangreichem Training sowiein Aussicht stehenden, hohen ökonomischen Prämiensind die Athleten und das Umfeld gefordert, die Integritätdes sportlichen Wettkampfs zu wahren und sichaktiv hierfür einzusetzen.Wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichensind Sportler ebenso Menschen, die Fehler begehenkönnen, dem Leistungsdruck und moralischen Anspruchgegebenenfalls nicht standhalten oder sogarganz bewusst zu unerlaubten Mitteln greifen. Unabhängigdes zugrunde liegenden Menschenbildes brauchenwir national wie international starke unabhängigeOrganisationen, die das Doping im Sportprofessionell bekämpfen. Die NADA hat sich in derZeit seit Gründung vor mehr als zehn Jahren zu einemnationalen Kompetenzzentrum entwickelt, das auch internationalhöchste Anerkennung erfährt.Dabei lässt sich der Erfolg einer Anti-Doping-Organisationjedoch nicht allein an der Anzahl der aufgedeckten,positiven Dopingfälle festmachen. Die abschreckendeWirkung der Dopingkontrollen der NADAbei Wettkämpfen oder bei unangekündigten Trainingskontrollenkann kaum oder gar nicht gemessen werden.Die Präventionsarbeit und die Aufklärung jungerAthletinnen und Athleten sind in dieser Hinsichtebenso zu nennen, die aber genauso wenig „positiveSchlagzeilen“ produzieren, da sie ja gerade das Fehlverhaltenverhindern. Dies soll allerdings nicht heißen,dass wir uns zurücklehnen können und uns imAnti-Doping-Kampf, in der Prävention oder in der Dopinganalytiknicht weiter verbessern müssen. Kurzum:Die NADA hat sich seit ihrer Gründung zu einem starkenKompetenzzentrum entwickelt. Der NADA wirdberechtigterweise von vielen Seiten ein hohes Renommeeund Professionalität im Anti-Doping-Kampf zugesprochen.Gleichwohl müssen alle, die sich für die Integritätdes Sports einsetzen, gemeinsam den Anti-Doping-Kampf konstruktiv weiterentwickeln und unterstützen.Für einen wirksamen Kampf gegen Doping im Sportbedarf es selbstverständlich einer soliden Finanzierungder NADA. Die Möglichkeit, überhaupt erst imAnti-Doping-Kampf erfolgreich arbeiten zu können,basiert wesentlich auf einer nachhaltigen Finanzierungdurch die jeweiligen Stakeholder. Der Erfolg derNADA basiert genauso stark auf dem Engagement derMitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung wie aufjenen, die sich ehrenamtlich für einen sauberen Sporteinsetzen. An dieser Stelle sei allen ausdrücklich gedankt!Die Unabhängigkeit einer Organisation wirdebenso häufig als Voraussetzung für einen erfolgreichenAnti-Doping-Kampf genannt. Beide Faktoren habeneine wesentliche Rolle bei der Gründung derNADA als eine unabhängige Stiftung gespielt.Der Antrag der SPD-Fraktion verknüpft nun unsachgemäßdie Finanzierung der Nationalen Anti-DopingAgentur Deutschland, NADA, mit der grundsätzlichenFrage nach deren Struktur bzw. Rechtsform. DieNADA wurde 2002 als Stiftung in Bonn gegründet, umeine größtmögliche Unabhängigkeit gegenüber externenEinflüssen zu gewährleisten. Mit Blick auf eine finanzielleUnabhängigkeit der NADA wurde deshalbmit der Stiftung ein „Stakeholder-Modell“ etabliert.Hiernach sind für die NADA-Finanzierung der Bund,die Bundesländer, der organisierte Sport sowie dieWirtschaft verantwortlich.Entgegen dieser Zusage haben sich bisher vor allemdie Bundesländer der Verantwortung entzogen. DerBund hat sich weit überproportional an den Kosten derNADA beteiligt. Demnach stammen mehr als 11 MillionenEuro des (circa 13 Millionen Euro umfassenden)Stiftungskapitals der NADA aus Bundesmitteln.Auch mit Blick auf das operative Geschäft der NADAleistet der Bund den größten Beitrag. Bei den Haushaltsberatungen2012/2013 haben sich die Koalitionsfraktionenerneut für einen kurzfristigen Ausgleich einerFinanzierungslücke der NADA von 1 Million Euroeingesetzt. Unabhängig von der Bedeutsamkeit desAnti-Doping-Kampfes ist es jedoch nicht richtig, dassder Bund jedes Jahr immer dann einspringt, wenn andereStakeholder erneut ihren eigenen Zusagen nichtnachgekommen.Mit wenigen Ausnahmen haben hierbei vor allemdie Bundesländer ihre Zusagen bezüglich der NADA-Finanzierung nicht eingehalten. Im Gegensatz zur eindimensionalenForderung der SPD-Fraktion, eineStrukturkommission einzusetzen, sollen dahin gehenddie Bundesländer ihrer Verantwortung endlich gerechtwerden. Über die künftigen Einnahmen aus demGlücksspiel bzw. den Sportwetten können sich die Bundesländeran der NADA-Finanzierung beteiligen. ImRahmen des Rennwett- und Lotteriegesetzes bzw. desGlücksspielstaatsvertrages haben sich der Bund unddie Bundesländer hierfür bereits ausgesprochen. DerSPD-Antrag mit der wenig kreativen Forderung, eineExpertenkommission für die Entwicklung alternativerNADA-Strukturmodelle einzurichten, zeugt indes voneigener Perspektivlosigkeit. Nicht eine neue Strukturder NADA zählt zu den künftigen Herausforderungendes Anti-Doping-Kampfes, sondern eine solide Finanzierungunter angemessener Beteiligung der vielfachSPD-geführten Bundesländer.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion macht sich zusammenmit der Bundesregierung und der NADA seitlangem für einen sauberen Sport stark. Durch die immerwieder (auch international) auftretenden Dopingfällewird bei vielen Bürgerinnen und Bürgern der Eindruckerweckt, man bekomme das Problem nicht in denGriff, die Strafen seien einfach nur noch nicht schwerwiegendgenug oder man müsse nur zu einer vollständigenÜberwachung der Sportler übergehen. DieWahrheit ist, dass in der Tat das hoch professionalisierteDoping kriminalistisch nicht einfach aufzudeckenist, gleichwohl – nach dem Evaluationsberichtder Bundesregierung – die Anzahl der Verfahren deut-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28073Klaus Riegert(A)(B)lich zugenommen hat. Zudem sind zum Beispiel datenschutzrechtlicheAspekte zu berücksichtigen, wie auchdie Persönlichkeitsrechte der Athletinnen und Athletennicht aus dem Blick geraten dürfen. Eine seriöseSportpolitik muss beim Kampf gegen Doping im Sportrechtsstaatliche Grundsätze unserer Demokratie wahrenund nicht den Eindruck erwecken, mit einer Lawand-Order-Politikließe sich das Problem aus der Weltschaffen. Deshalb setzt sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktionnachhaltig dafür ein, die im Evaluationsberichtder Bundesregierung gemachten Vorschlägezur Verbesserung des Anti-Doping-Kampfes umzusetzen.Die Einsetzung von Schwerpunktstaatsanwaltschaftenist dabei nur ein Punkt, der aber zeigt, dasswir vor allem ein Vollzugsdefizit haben.Nicht zu vergessen sei, dass neben der Strafgerichtsbarkeitauch eine Sportgerichtsbarkeit besteht,die zudem viele Vorteile für sich beanspruchen kann.Die schnelle Durchführung von Dopingverfahren undgegebenenfalls rasche Bestrafung von dopendenSportlern sichern die Integrität des sportlichen Wettstreits.Nichts wäre schlimmer als laufende strafrechtlicheDopingverfahren ohne Konsequenzen für densportlichen Wettbewerb. Auch die Höhe der sportrechtlichenSanktionen, die im Dopingfall einem Berufsverbotgleichkommen kann, ist ausreichend undmit jenen in einem strafrechtlichen Verfahren nichtvergleichbar. Das Sportrecht hat hier ungleich härtereKonsequenzen zur Folge. Nicht eine neue Strukturdebatteüber die NADA, noch der Ruf nach einem immerschärferen Strafrecht – uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit– sind die künftigen Herausforderungen imAnti-Doping-Kampf. Wofür wir uns künftig einsetzenmüssen, ist, dass die NADA auf eine solide, finanzielleBasis gestellt wird und die SPD-geführten Bundesländerendlich ihren Zusagen nachkommen. Wir müssendas Testsystem weiter professionalisieren und gezielteinsetzen. Wir müssen die wissenschaftliche Forschungund die Dopinganalytik weiter kraftvoll unterstützen.Und wir müssen die Empfehlungen der Bundesregierungzur „Evaluierung des Gesetzes zurVerbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport“,DBVG, aufnehmen und umsetzen.Der Anti-Doping-Kampf kann nicht von heute aufmorgen gewonnen werden – schon gar nicht international.Es gilt weiter, sich engagiert für die NADA einzusetzen.Ich würde mich sehr freuen, wenn wir überdie Fraktionsgrenzen hinweg uns gemeinsam für diewirklichen Herausforderungen starkmachen.Dagmar Freitag (SPD):Unser Antrag hat das Ziel, eine ergebnisoffene Debatteüber eine erfolgversprechendere Struktur derNationalen Anti Doping Agentur zu führen und somitden Kampf gegen Doping in Deutschland zu stärken.Man sollte meinen, dass dieses Ansinnen die einhelligeUnterstützung des Hohen Hauses finden würde. Aberweit gefehlt! Ihre Beiträge in der ersten Lesung undauch bei den Beratungen im Sportausschuss, verehrteKolleginnen und Kollegen der Koalition, haben gezeigt:Ihnen fällt nichts anderes ein als ein hilfloses„Weiter-so“. Weiter so mit einer Struktur, in der diejetzigen Stakeholder zwar jederzeit ihren Einflussnachhaltig geltend machen, den an sie gerichtetenfinanziellen Erwartungen jedoch nicht oder nur unzureichendgerecht werden und wo am Ende dann immerder Bund einspringen muss, um wenigstens ein Mindestmaßan Arbeitsfähigkeit der NADA zu gewährleisten?Vor zehn Jahren hatte man sich auf das bis heute dieNADA tragende Stakeholder-Modell geeinigt, theoretischein Modell, das funktionieren könnte. Könnte! Inerster Linie zahlt seit zehn Jahren der Bund für dieNADA. Sowohl Wirtschaft und vor allem die Bundesländerhalten sich bis auf wenige Ausnahmen nach wievor sehr vornehm zurück; auch der Beitrag des organisiertenSports könnte deutlich höher sein.In die Finanzierung durch die Länder kommt zwarnach Jahren schwarz-gelber Stagnation durch die teilweiseneu gewählten rot-grünen Landesregierungenein bisschen Bewegung, aber kleine Beiträge im vierstelligenBereich sind nur der berühmte Tropfen aufden heißen Stein und nicht dazu angetan, um dieNADA in ihrer jetzigen Form nachhaltig auf finanziellsichere Füße zu stellen.Hier hat im Übrigen auch der von BundesinnenministerFriedrich im vergangenen Jahr einberufeneRunde Tisch zur NADA-Finanzierung so gut wie keineVerbesserung gebracht. Im Gegenteil: Vertreter derWirtschaft haben unmissverständlich erklärt, dass derKampf gegen Doping nicht zu ihren Kernaufgaben gehört,und der vollständige Rückzug der Telekom ausder Unterstützung der NADA ist ein eindrucksvollerBeleg dafür.Man kann also ganz objektiv feststellen: Das Stiftungsmodellmit den derzeitigen Stakeholdern ist gescheitert.Und was fällt der Union dazu ein? Man müsse ebenwarten, bis die Saat aufgehe, so der Kollege Riegert imAusschuss zu diesem Thema. Herr Kollege, wenn dasPflänzchen nach zehn Jahren noch nicht erblüht ist,gibt selbst der geduldigste Gärtner die Hoffnung auf,dass das noch etwas werden könnte.Es kann doch kein Dauerzustand werden, dass dieNADA in jedem Jahr aufs Neue um die nötigsten finanziellenGrundlagen kämpfen muss und bis zum letztenMoment nicht weiß, ob und in welchem Maße sie alsfunktionierende Organisation überleben wird. Was fürein verheerendes Signal an die sauberen Sportlerinnenund Sportler, was für eine negativ besetzte Botschaftüber die Landesgrenzen hinweg und – ebenso verheerend– was für eine Zumutung für die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter der NADA. Denn dort liegen die Aufgabenauf dem Tisch, manchmal aber wohl auch in derWarteschleife. Ist die NADA beispielsweise personellund finanziell in der Lage, die noch vielen offenenFälle der Causa Erfurt zu bearbeiten? Oder sind diese(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28074 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dagmar Freitag(A)(B)bereits kollektiv in der Ablage verschwunden? Diehohe personelle Fluktuation bei der NADA ist bekannt:Sicherlich trägt die anhaltende finanziell unsichereSituation und die damit verbundene Perspektivlosigkeitfür den Mitarbeiterstab nicht zu einerVerbesserung der personellen Konstanz bei.Bleibt Ihnen, liebe Kollegen und Kolleginnen derKoalition, all das verborgen? Oder interessiert es Sieschlicht und ergreifend nicht?Uns allerdings interessiert es sehr wohl. Deshalbfordern wir als SPD-Fraktion eine, ich betone nochmals,ergebnisoffene Diskussion von unabhängigenExperten, die alternative Vorschläge für eine TrägerundFinanzierungsstruktur der NADA erarbeiten sollen.Aus aktuellem Anlass verweise ich auf die Studie„Dysfunktionen des Spitzensports“ der Stiftung DeutscheSporthilfe. An dieser Stelle gilt es, der Sporthilfeausdrücklich dafür Dank zu sagen, sich dieser Thematikangenommen zu haben, selbst wenn dieses innerhalbdes organisierten Sports nicht überall auf einhelligeBegeisterung gestoßen sein soll; so hört manjedenfalls.Innerhalb der Studie wurden 1 154 Leistungssportleranonym unter anderem zum Thema Doping befragt.5,9 Prozent der befragten Sportler haben angegeben,regelmäßig zu dopen; 40,7 Prozent wollten auf dieseFrage keine Antwort geben.Um Missverständnissen vorzubeugen: Aus diesenErgebnissen lässt sich nicht zwingend ableiten, dasseine erhebliche Zahl der deutschen Spitzensportlerund –sportlerinnen dopt. Sehr wohl ist in diesem Kontextaber die Frage nach der Effektivität der Dopingkontrollenin Deutschland legitim. Ich bin sicher, einefinanziell und personell ausreichend ausgestatteteNADA könnte durchaus effektiver arbeiten. Damit sindwir wieder beim Geld. Und wieder einmal kommt manaus dem Staunen nicht heraus.Zur Erinnerung: Anfang Dezember 2012 lag für dieMitgliederversammlung des Deutschen OlympischenSportbundes ein Antrag eines Spitzenverbandes mitder Forderung vor, den finanziellen Beitrag des organisiertenSports für die NADA zu erhöhen. Bekanntlichmuss die NADA in diesem Jahr ihre Rücklagen zu einemerheblichen Teil angreifen, um wenigstens ihreKernaufgaben erfüllen zu können. Dieser Antragwurde – wie zu erwarten – mit wortgewaltiger Unterstützungdes Generaldirektors Dr. Vesper vom Tischgefegt. Und nun das: Nur einen Tag nach Vorstellungder Sporthilfestudie im Sportausschuss fordert derselbeGeneraldirektor laut Pressemeldungen „einebessere strukturelle und finanzielle Unterstützung derNADA“. Da ist man schon einigermaßen fassungslos.Leider hat Herr Dr. Vesper, wie aber zu erwarten war,es versäumt, seinen Worten Konkretisierungen folgenzu lassen. Wie beispielsweise soll eine bessere strukturelleUnterstützung nach Lesart des DOSB aussehen?Und vor allem: Wer soll mehr zahlen? Wie auch immer,wir werten diese Einlassung trotz dieser Versäumnisseals ausdrückliche Unterstützung unseres Antrages undsehen konkreten Beiträgen des DOSB, vor allem infinanzieller Hinsicht, mit Freude entgegen.Es gibt viele gute Gründe, die Strukturdiskussion zuführen. Wenn Sie ein tatsächliches Interesse an einernachhaltig finanzierten, erfolgreich arbeitendenNADA haben, gibt es keinen Grund, eine solche Diskussionbereits im Keim zu ersticken. Wer sich verweigert,zementiert den völlig unbefriedigenden Statusquo – zum Nachteil der sauberen Sportlerinnen undSportler in unserem Land. Wollen Sie das wirklich?Dr. Lutz Knopek (FDP):Alle Bundestagsfraktionen, dies lässt sich ganz sicherfeststellen, sind an einer gut arbeitenden NationalenAnti Doping Agentur interessiert. Die NADAwurde 2002 gegründet, da der organisierte Sport fürsich alleine überfordert war, dem zunehmenden Dopingeffizient entgegenzutreten. Das galt damals undgilt auch noch heute. Die Agentur sollte den gesamtenDopingkampf in einer Organisation bündeln, und siesollte nicht einseitig abhängig von Sport oder Staatsein. Beides ist der NADA im Grundsatz gelungen. Sieist heute das Kompetenzzentrum im Kampf gegen Dopingin Deutschland.Jedoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass dieNADA von Anfang an an einem Finanzierungsdefizitleidet. Mit der Gründung als Stiftung wurde ein Stakeholder-Modelleingerichtet. Hiernach sind für dieNADA-Finanzierung der Bund, die Bundesländer, derorganisierte Sport sowie die Wirtschaft verantwortlich.Entgegen den ursprünglichen Zusagen hat sich inder Vergangenheit jedoch der Bund weit überproportionalan den Kosten der NADA beteiligt. Demnachstammen mehr als 11 Millionen Euro des (circa 13 MillionenEuro umfassenden) Stiftungskapitals der NADAaus Bundesmitteln. Auch im Blick auf das operativeGeschäft der NADA leistet der Bund den größten Beitrag.Bei den Haushaltsberatungen 2012/2013 hat sichdie Koalition im Sinne einer einmaligen Zwischenlösungfür einen kurzfristigen Ausgleich einer Finanzierungslückeder NADA von 1 Million Euro eingesetzt.Mit wenigen Ausnahmen haben vor allem die Bundesländerihre Zusagen bezüglich der NADA-Finanzierungnicht eingehalten. Die FDP-Fraktion fordertdeshalb ausdrücklich die Bundesländer auf, ihrer Verantwortunggerecht zu werden und sich beispielsweiseüber die künftigen Einnahmen aus dem Glücksspielbzw. den Sportwetten an der NADA-Finanzierung zubeteiligen. Im Rahmen des Rennwett- und Lotteriegesetzesbzw. des Glücksspielstaatsvertrags haben sichBund und Länder hierfür bereits ausgesprochen. Auchdie Wirtschaft und der organisierte Sport müssen endlichihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen.Es gab einen Grund, warum die NADA von mehrerenVerantwortlichen finanziert werden sollte: um die politischeUnabhängigkeit zu wahren. Allein deshalb sollteund kann der Bund nicht der alleinige Zahler sein.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28075Dr. Lutz Knopek(A)(B)Ein Argument der Länder ist stets, dass die NADAes nicht geschafft hat, das Stiftungskapital durch Beiträgeaus der Wirtschaft zu erhöhen. Wie ich bereits inmeiner ersten Rede zu diesem Thema im November gesagthabe, sollte der Vorsitzende des Aufsichtsrates,Professor Dr. Hans Georg Näder, erst einmal die Möglichkeitbekommen, seine versprochenen Aktivitäten,denen ich zuversichtlich entgegenschaue, umzusetzen,bevor man sich nach neuen Finanzierungsmodellenumschaut.Die Frage, die sich nun stellt, ist, was die SPD mitder Einrichtung einer Expertenkommission, die überdie Entwicklung alternativer NADA-Strukturmodelleberaten soll, bezwecken möchte. Für mich zeugt derAntrag der Fraktion der SPD von eigener Perspektivlosigkeit.Nicht eine neue Struktur der NADA ist dringendnötig, sondern Verantwortungsbewusstsein unterden Stakeholdern. Was soll eine Kommission daran ändern,dass die Zahlungsbereitschaft der Länder, darunterviele SPD-geführte, fehlt?Die FDP-Fraktion hofft sehr, dass die Debatten imPlenum und im Ausschuss rund um diesen Antragnicht, wie von der SPD beabsichtigt, den Bund, sonderndie anderen Parteien des Stakeholder-Modells,namentlich den Sport, die Wirtschaft und die Länder,wachrüttelt und dass endlich eine klare und langfristigeFinanzierung der NADA geschaffen wird. Derdeutsche Sport braucht ein starkes und zuverlässigesDopingkontrollsystem mit einer NADA, die nicht alleJahre wieder auf ihre Finanzen schauen muss, sondernin die Zukunft planen kann. Alle Fraktionen des Bundestageswissen, wo aktuell die Probleme in der Finanzierungder NADA liegen, nämlich beim Sport, derWirtschaft und den Ländern gemeinsam.Mit ihrem Antrag muss sich die SPD die Frage gefallenlassen, was sie sich von einer Expertenkommissionverspricht. Welche konkreten Lösungen zurFinanzierung der NADA hat sie im Sinn? Sollte die Absichteine Vollfinanzierung durch den Bund sein, stehenwir, die Koalition, nicht an ihrer Seite. Der Bundhat seine Aufgabe bereits mehr als erfüllt. Meine Fraktionwird diesen Antrag daher ablehnen.Jens Petermann (DIE LINKE):Fast 6 Prozent der deutschen Kader-Athletinnenund -Athleten haben in einer aktuellen Studie zugegeben,sich regelmäßig zu dopen. Immerhin 40 Prozentder Befragten antworteten auf diese Frage erst garnicht. Auch in Verbindung mit vorausgegangenen Untersuchungendeutet also vieles darauf hin, dass dieKontrollen der Nationalen Anti Doping Agentur,NADA, alles andere als effektiv sind und wir ein manifestesDopingproblem im deutschen Sport haben.Ein Lösungsansatz wäre, die NADA völlig neu zustrukturieren und mit ausreichenden Mitteln auszustatten.In Ansätzen scheint das die Zielrichtung des SPD-Antrages zu sein. Als Linke halten wir das Anliegen fürrichtig, den Antrag allerdings für unzureichend. UnsereErgänzungsvorschläge wurden aber im Ausschussvon allen anderen Fraktionen abgelehnt. Weil uns dieSPD-Vorlage nicht weit genug greift, haben wir unsabschließend enthalten.Sicherlich dokumentieren die Ereignisse der vergangenenMonate, wie erfolgreich eine gut ausgestatteteund vor allem entschlossene Antidopingagenturhandeln kann. Allen voran steht hier die US-amerikanischeAgentur mit ihrem Chef Travis Tygart, der sichselbst vom System „Armstrong“ nicht aufhalten ließ.Andererseits wirft die bereits erwähnte Studie derDeutschen Sporthilfe und der Deutschen SporthochschuleKöln Fragen auf, die in eine Richtung weisen,die nicht nur auf unintelligente Kontrollen abzielt.Letztlich geht es doch darum, warum Sportlerinnenund Sportler dopen, warum sie zusätzlich häufig zuSchmerzmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln greifen.Bereits in der Debatte im Herbst habe ich daraufverwiesen, dass für die Linke die Prävention beimKampf gegen Doping einen hohen Stellenwert einnimmt.Die Kölner Studie belegt unsere Einschätzung.Nahezu 60 Prozent der befragten Athletinnen und Athletengaben zu, Existenzängste zu haben, erschreckende10 Prozent leiden unter Depressionen. Sich ineiner solchen Lage in einer Zeit, in der der Spitzensportimmer stärker durch den Kommerz bestimmtwird, mit unerlaubten Mitteln zu behelfen, scheint darumnicht abwegig.Deshalb stehen aus unserer Sicht zwei Aspekte imVordergrund des Anti-Doping-Kampfes: Schon die jugendlichenSportlerinnen und Sportler müssen verstärktdarüber aufgeklärt werden, dass die Einnahmevon Dopingmitteln ihre Gesundheit erheblich gefährdet.Nierenschäden, Herzschwäche, Hautveränderungenund Veränderungen bei den Geschlechtsmerkmalensind nur einige der Nebenwirkungen, dieinsbesondere auf Anabolika am missbrauch zurückzuführensind, der nicht nur im Spitzensport, sondernauch im Nachwuchs- und Breitensport weit verbreitetist.Außerdem scheinen Doping und Wettbewerbsmanipulationendirekte Folgen der Existenzängste zu sein,die mehr als die Hälfte der Sportlerinnen und Sportlerwährend ihrer Karriere umtreiben. Neben verstärkterpsychologischer Betreuung müssen die Möglichkeitenfür die berufliche Ausbildung der Sportler dringendausgebaut werden. Dabei muss darauf geachtet werden,dass eine Berufsausbildung unbedingt Angeboteumfasst, die über eine Laufbahn bei Bundeswehr, Zolloder Polizei hinausgehen. Nicht alle, die sich demSpitzensport verschreiben, können in diesem Bereicheine Perspektive finden.Es gilt also, neue Wege in der Sportförderung einzuschlagen,um im Kampf gegen Sportbetrug endlicherfolgreicher zu werden. Doping und Wettbewerbsmanipulationsind auch direkte Folgen von Existenzängsten.Es geht letztlich darum, die Ursachen zu(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28076 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Jens Petermann(A)(B)beheben und dadurch die Folgeerscheinungen zu reduzieren.Das ist nicht ohne finanzielle Investitionen zu haben.In der Pflicht steht dabei vor allem der Bund. DieRegierung sollte endlich die Vorreiterrolle einnehmen,die sie sich in ihrem letzten Sportbericht selbst zuschreibt.Die Zeit für Sonntagsreden ist längst vorbei.Der Bund muss sein finanzielles Engagement endlichdeutlich ausweiten. Die Bundesregierung hat sichdurch ihr zögerliches Agieren im Anti-Doping-Kampfein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem geschaffen.Es wäre eine gutes Signal, wenn wir endlich parteiübergreifendnach Lösungen suchen, wie wir dieSportförderung – und damit meine ich auch den Breitensport– so organisieren, dass sie die Sportlerinnenund Sportler in den Mittelpunkt stellt. „Spitzensportohne Existenzangst. Breitensport ohne Zugangsbehinderungen“:So könnte unser gemeinsamer Arbeitstitellauten. Die Linke streckt die Hand aus.Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünenwird dem vorliegenden Antrag zustimmen. Wir meinen,dass die Nationale Anti Doping Agentur, NADA, einzentrales Element in der Dopingbekämpfung inDeutschland ist. Wir teilen die Ansicht, dass es um dieNADA nicht gut bestellt ist.Vor einigen Wochen war der Geschäftsführer derUS-Anti-Doping-Agentur, USADA, Travis Tygart, imSportausschuss zu Gast. Die USADA hat vor fast zehnJahren den BALCO-Skandal aufgedeckt und Sportlerinnenund Sportler gesperrt. Die USADA hat vor kurzemLance Armstrong und das Radsportteam US Postaldes Dopings überführt und dafür zu Recht viel Loberhalten. Man hat sich in den USA an die mächtigenSportler und Funktionäre des Sports herangetraut unddie Verfahren durchgezogen.In Deutschland dagegen wird die Arbeit gerne anderenüberlassen. So ist die NADA erst nach Interventionder Welt-Anti-Doping-Agentur, WADA, von ihrerhalbherzigen Vorgehensweise abgewichen, als inErfurt am Olympiastützpunkt Thüringen verboteneBlutbehandlungen durchgeführt wurden. Bei der Aufklärungder Dopingvergangenheit der FreiburgerUniklinik war die NADA kaum beteiligt. Das langjährigeDopingsystem des Radsportteams Telekom wurdeerst durch Zeugenaussagen von Sportlern und durchdie Arbeit einer unabhängigen Kommission der UniversitätFreiburg aufgedeckt. Im Kerngeschäft derNADA, der Dopingbekämpfung mittels Durchführungvon Trainingskontrollen, gibt es kaum Erfolge. So sindpositive Proben lediglich im Promillebereich festzustellen.Von einer wirksamen und erfolgreichen Dopingbekämpfungin Deutschland kann man auch zehnJahre nach Gründung der NADA nicht sprechen.Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dassauch Politik und Sportorganisationen ihre Verantwortungan den Problemen der Dopingbekämpfung inDeutschland haben. Es stellt sich besonders die Fragenach den gesetzlichen Bestimmungen in der Dopingbekämpfung.Eine verbesserte gesetzliche Grundlage, seies ein Straftatbestand Sportbetrug durch Doping odereine volle Besitzstrafbarkeit für Sportlerinnen undSportler, wird von der Bundesregierung vehement abgelehnt.Es wird weiter ignoriert, dass Verfahrensfragenund auch Regelungen für einen verbesserten Datenschutzbesser in einem Gesetz aufgehoben wärenals in den Codes von WADA und NADA.Auch vier Monate nach der Vorlage des Evaluierungsberichtszum Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfungdes Dopings im Sport, DBVG, ist die Regierungskoalitionnicht fähig, selbst die vorgeschlagenenMinimaländerungen für eine strafrechtliche Sanktionierungdes Erwerbs von Dopingmitteln auf den Wegzu bringen. Sie wollen weder ein Anti-Doping-Gesetznoch eine Schmalspuränderung im Arzneimittelgesetz.Die Regierungskoalition ist bis heute nicht in derLage, die notwendigen gesetzlichen Konsequenzen ausdem überbordenden Dopingproblem zu ziehen. In Zeiteneiner großen Krise des Anti-Doping-Kampfesmacht die Bundesregierung nur Dienst nach Vorschrift.Viele Sportverbände in Deutschland gefallensich ganz offenbar in ihrer Rolle als Sekundant undnehmen dabei in Kauf, dass Staaten wie Frankreich,Italien und Österreich inzwischen viel konsequentergegen Doping vorgehen.Dabei liegen viele Fakten bereits auf dem Tisch.Eine Studie im Auftrag der Stiftung „Deutsche Sporthilfe“hat in der letzten Woche ergeben, dass mindestens5,9 Prozent der Sportlerinnen und Sportler inDeutschland regelmäßig Dopingmittel nehmen. Es gibtmit über 40 Prozent eine sehr hohe Dunkelziffer beiden befragten Personen, die einer Antwort ausgewichensind. Weitere Studien gehen von einer Verbreitungvon Dopingmitteln von bis zu 48 Prozent bei Sportlerinnenund Sportler in Deutschland aus. Egal welcheZahlen wir heute hier zugrunde legen: Die Situation istaus unserer Sicht alarmierend. Denn in Deutschlandherrscht ganz offenbar eine Symbiose zwischen Spitzensportund Politik, die diese Fakten ignorieren undeinen notwendigen politischen Kurswechsel verhindernwollen.Zum Abschluss meiner Ausführungen möchte ichnoch auf ein weiteres schwerwiegendes Versäumnis inder Politik der Regierungskoalition hinweisen. In denHaushaltsberatungen im Herbst wurde kurzfristig für2013 wieder die 1 Million für die Nationale Anti DopingAgentur, NADA, zur Verfügung gestellt, die maneinige Wochen vorher noch gestrichen hatte. Ich sagejedoch ganz deutlich: Die Finanzierungsklippe beimZuschuss für die NADA kann damit maximal bis Septemberdieses Jahres überwunden werden. Denn eswurde versäumt, eine langfristige Finanzierungszusageim Finanzplan des Bundes zu geben. Der Rettungsankerdurch einen weiteren Zuschuss des Bundesgreift jedoch erst, wenn die gesetzliche Ermächtigung(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28077Viola von Cramon-Taubadel(A)(B)durch den Bundeshaushalt 2014 vorliegt. Das wirdaber aufgrund der Bundestagswahl am 22. Septemberund der nachfolgenden Neukonstituierung des DeutschenBundestages erfahrungsgemäß erst im Märzoder April 2014 der Fall sein. Dieses kurzfristige Denkender Regierungskoalition von Union und FDP hatzur Folge, dass die NADA schon ab September diesesJahres entweder Personalentlassungen vornehmenmuss oder aber die Zahl der Trainingskontrollen drastischreduziert wird. Der Vorschlag meiner Fraktionliegt auf dem Tisch: Zukünftig sollten 5 Prozent derSpitzensportförderung zur Dopingbekämpfung verwendetwerden. Dies würde die notwendige Finanzierungs-und Planungssicherheit für Dopingkontrollen,Anti-Doping-Forschung und Prävention schaffen.Vizepräsidentin Petra Pau:Wir kommen zur Abstimmung. Der Sportausschussempfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache17/12237, den Antrag der Fraktion der SPD aufDrucksache 17/11320 abzulehnen. Wer stimmt für dieseBeschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Werenthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b auf:a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzesund anderer Gesetze (Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetz)– Drucksache 17/8802 –– Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrateingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurVerbesserung des Vollzugs im Unterhaltsvorschussrecht– Drucksache 17/2584 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Familie, Senioren, Frauen und Jugend(13. Ausschuss)– Drucksache 17/12488 –Berichterstattung:Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-BeckerCaren MarksSibylle LaurischkJörn WunderlichKatja Dörnerb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Ausschusses für Familie, Senioren,Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem Antragder Abgeordneten Jörn Wunderlich, DianaGolze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneterund der Fraktion DIE LINKEAlleinerziehende entlasten – Unterhaltsvorschussausbauen– Drucksachen 17/11142, 17/12488 –Berichterstattung:Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-BeckerCaren MarksSibylle LaurischkJörn WunderlichKatja DörnerAuch hier nehmen wir die Reden zu <strong>Protokoll</strong>.Dorothee Bär (CDU/CSU):In Deutschland gibt es immer mehr alleinerziehendeMütter und Väter: In knapp 20 Prozent allerFamilien leben mehr als 2 Millionen Kinder unter18 Jahren bei einem alleinerziehenden Elternteil. Dain alleinerziehenden Familien Erwerbs- und Familienpflichtennicht partnerschaftlich geteilt werdenkönnen, müssen diese Eltern ihre Kinder in der Regelunter erschwerten Bedingungen erziehen. Wenn danndas Kind keinen oder nicht regelmäßig Unterhalt vomanderen Elternteil erhält, verschärft sich die Situation.Dann muss der alleinerziehende Elternteil neben derVersorgung des Kindes auch noch für den ausfallendenUnterhalt des anderen Elternteils aufkommen. VieleAlleinerziehende sind in dieser Situation dringend aufUnterstützung angewiesen. Der zum 1. Januar 1980eingeführte Unterhaltsvorschuss setzt hier an undkann helfen, Armut zu vermeiden. Von dieser Leistungprofitieren jährlich rund eine halbe Millionen Kinder.Der Unterhaltsvorschuss soll den ausfallendenUnterhalt zumindest zum Teil ausgleichen, ohne denunterhaltspflichtigen Elternteil aus seiner Verantwortungzu entlassen. Das Land, auf das die Unterhaltsansprücheder Kinder übergehen, versucht, sich denUnterhalt beim Unterhaltsschuldner zurückzuholen.Das ist auch für die alleinerziehende Familie wichtig,weil es nach erfolgreichem Rückgriff leichter ist, auchdann regelmäßig Unterhalt vom unterhaltspflichtigenElternteil zu bekommen, wenn kein Unterhaltsvorschussmehr gezahlt wird. Denn der Unterhaltsvorschusswird insgesamt längstens für 72 Monate gezahltund endet, wenn das Kind 12 Jahre alt wird.CDU/CSU und FDP haben im Koalitionsvertragvereinbart, den Unterhaltsvorschuss zu entbürokratisierenund die Altersgrenze von 12 auf 14 Jahre anzuheben.Aufgrund der Schuldenbremse im Grundgesetzund der angespannten Haushaltslage konnten wir dieAnhebung der Altersgrenze leider nicht realisieren.Aber mit dem Gesetzentwurf wird der Verwaltungsvollzugvereinfacht; um den alleinerziehenden Elternteilenund ihren Kindern die unterstützende Wirkung der Unterhaltsleistungso einfach und so effektiv wie möglichzu machen. Für die alleinerziehenden Eltern wird dieAntragstellung vereinfacht, den Unterhaltsvorschussstellenwerden Prüfung und Bewilligung der Anträgeerleichtert. Beides beschleunigt das Antragsverfahren.Außerdem wird der Rückgriff auf den unterhaltspflichtigenElternteil durch eine Erweiterung derAuskunftsansprüche der zuständigen Stellen effektivergestaltet. Dafür werden die zur Auskunft befugtenSozialleistungsträger verpflichtet, auf Verlangen auch(C)(D)


28078 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dorothee Bär(A)(B)Angaben über den Arbeitgeber des unterhaltspflichtigenElternteils an die zuständigen Stellen zu machen.Außerdem dürfen die für den Rückgriff zuständigenStellen das Bundeszentralamt für Steuern ersuchen,Daten bei Kreditinstitutionen abzurufen, soweit es fürdie Ermöglichung eines Rückgriffs erforderlich ist.Die Koalitionsfraktionen haben zwei Regelungendes Gesetzentwurfs der Bundesregierung in einem erstenÄnderungsantrag zurückgenommen: Wir stimmendem Wunsch der Bundesregierung auf Streichung derRegelung nicht zu, wonach der Unterhaltsvorschussnicht mehr rückwirkend beantragt werden kann.Gerade in schwierigen Zeiten der Trennung kann deralleinerziehende Elternteil gehindert sein, rechtzeitigeinen Antrag auf Unterhaltsvorschuss zu stellen. Nachder Trennung brauchen vor allem die Elternteile, beidenen das Kind lebt, Zeit, um sich zu orientieren undauf die neue Situation einzustellen. Die rückwirkendeGewährung der Unterstützungsleistung kann vor allemdann wichtig sein, wenn aufgrund einer verspätetenAntragstellung Schulden entstanden sind.Rückgängig gemacht haben wir auch die Regelung,nach der die Leistungen auf den Unterhaltsvorschussangerechnet werden, die der unterhaltspflichtigeElternteil zur Deckung des Unterhaltsbedarfs anDritte erbringt. Wir wollen nicht, dass der alleinerziehendeElternteil, der sehr häufig auch nur über knappefinanzielle Ressourcen verfügt, eventuell die Kostenfür den täglichen Bedarf des Kindes allein finanzierenmuss, während der unterhaltspflichtige Elternteil Leistungenübernimmt wie Sportkurse oder Musikunterricht.Es sollte nicht in das Belieben des unterhaltspflichtigenElternteils gestellt werden, wie er denUnterhalt zahlt. Für den Elternteil, bei dem das Kindlebt, ist es wichtig, dass er das Geld des anderen Elternteilszur eigenverantwortlichen Verfügung erhält.Unser Änderungsantrag wurde in der öffentlichenAnhörung des Familienausschusses von den geladenenExpertinnen und Experten einhellig begrüßt.In einem zweiten Änderungsantrag haben CDU/CSU und FDP die Möglichkeiten erweitert, wie dieden Kindern zustehenden Unterhaltsansprüche gegenüberdem zahlungspflichtigen Elternteil tatsächlichauch realisiert werden können. Dafür wird künftig imGesetz auf eine Norm in § 74 SGB X verwiesen, die diezuständigen Stellen ermächtigt, relevante Daten desUnterhaltsschuldners – in dem dort geregelten Verfahren– an die alleinerziehenden Familien weiterzugeben.Der durch unsere Anträge geänderte Gesetzentwurfder Bundesregierung entlastet die Behörden und stärktdie alleinerziehenden Familien. Daher bitte ich Sie umZustimmung zu diesem Gesetzentwurf.Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):Das Gesetz, das wir heute verabschieden, unterscheidetsich in einigen wesentlichen Punkten von demGesetzentwurf der Regierung, der seinerseits wiederumauf Wünschen und Vorschlägen der Länder beruht.Leider konnten wir unser Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag,den Bezug von Leistungen nach demUnterhaltsvorschussgesetz bis zum 14. Geburtstag desKindes auszuweiten, aus Haushaltsgründen nicht umsetzen.Dennoch bin ich der Überzeugung, dass wirhier ein Gesamtpaket vorlegen, das sowohl für diePraxis der Jugendämter einige Erleichterungen vorsieht,aber auch – und das ist uns besonders wichtig –die alleinerziehenden Elternteile stärkt, die die Unterhaltsansprücheparallel oder auch nach Auslaufen derUVG-Leistungen selbst gegen den Unterhaltspflichtigendurchsetzen wollen oder müssen.Ein besonderes Ziel des Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetzeswar – und das steckt schonim Wort – Entbürokratisierung, also Erleichterungenund Vereinfachungen sowohl für den Alleinerziehendenals auch für die Verwaltung. Wo die im Regierungsentwurfvorgesehenen Entlastungen für die Verwaltungspraxisauf Kosten der Alleinerziehenden undder Kinder gegangen wären, haben wir dies durch Änderungenim Gesetzgebungsverfahren nicht umgesetzt.Gerade Alleinerziehende erziehen in der Regel ihreKinder unter erschwerten Bedingungen. Fällt dannnoch der Barunterhalt des anderen Elternteils aus,helfen die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgezielt und unterstützen und entlasten alleinerziehendeElternteile und ihre Kinder in dieser besonderen Situation.Wir haben deshalb durch einen Änderungsantragfür Klarheit gesorgt, dass Leistungen des Unterhaltspflichtigenan Dritte auf den UVG-Anspruch nicht angerechnetwerden. Es darf zum Beispiel nicht sein,dass etwa ein unterhaltspflichtiger Vater Unterhaltszahlungenan Dritte zum Beispiel für einen Sportkursoder Musikunterricht zahlt und dann diese Leistungauf den Unterhaltsvorschuss angerechnet wird mit derFolge, dass der Betrag der Mutter für den Bedarf desKindes als Bargeld fehlt. Ohne das explizite Einverständnisder Mutter wäre es dann ins Belieben des Unterhaltspflichtigengestellt, wie er den Unterhalt zahlt,und damit wären weitere Konflikte zwischen den Elternvorprogrammiert. Wir wollen mit unserem Änderungsantragklarstellen, dass der Barunterhalt gesichert ist.Denn für den Elternteil, bei dem das Kind lebt, ist esvon qualitativer Bedeutung, ob Geld zur eigenverantwortlichenVerfügung steht oder als eine Sachleistungan Dritte. Wir haben zu diesem Änderungswunsch allenSachverständigen eine positive Bestätigung bekommen,insbesondere auch aus der Praxis.Auch eine weitere Änderung im Gesetzentwurf waruns wichtig. Die Möglichkeit der rückwirkenden Zahlungdes Unterhaltsvorschusses für einen Monat. DerGesetzentwurf sah vor, dass der Unterhaltsansprucherst ab dem Monat der Antragstellung bestehen sollte.Als Begründung wurde ein sehr hoher Verwaltungsaufwandangeführt. Aus unserer Sicht kann die Streichungder Rückwirkung für einen Monat damit nicht aufgewogenwerden. Der Verlust einer monatlichen Unter-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28079Elisabeth Winkelmeier-Becker(A)(B)haltsvorschusszahlung wiegt aus unserer Sicht schwerer.Trennung und Scheidung sind besonders belastendeLebenssituationen, in denen auch gerade über dieZahlung von Unterhalt häufig Konflikte ausgetragenwerden. Diese Belastungen und daraus resultierendeUnklarheiten können dazu führen, dass eine Antragstellungnicht rechtzeitig erfolgt. Für die Alleinerziehendenund ihre Kinder ist gerade in der Trennungsphasedas Armutsrisiko besonders hoch und dieLeistung des Unterhaltsvorschusses oft von existenziellerBedeutung. Deshalb sorgen wir nun dafür, dassdie Rückwirkung für einen Monat erhalten bleibt.Wesentliche Verbesserungen bringt das Gesetz beider Durchsetzung des Rückgriffsanspruchs gegenüberdem Unterhaltspflichtigen. Hier sei nochmals daranerinnert: Unterhaltsvorschuss ist grundsätzlich alsVorschussleistung konzipiert; das Jugendamt kann undsoll Rückgriff beim unterhaltspflichtigen Elternteilnehmen. In der Praxis ist daraus vielfach eine Ausfallleistunggeworden, wo die dem Grunde nach Unterhaltspflichtigennicht leistungsfähig sind oder aus anderenGründen nicht erreichbar sind. Hier setzen wiran und wollen die Voraussetzung für den Rückgriff beileistungsfähigen, aber nicht leistungswilligen Elternteilenverbessern. Hier ist es nämlich nicht einzusehen,dass der Unterhalt des Kindes aus öffentlichen Kassenbestritten wird; hier ist es ein wichtiger Schritt, dieRückgriffsmöglichkeiten der Jugendämter zu verbessernund dafür die Informationsmöglichkeiten, wo derPflichtige wohnt, wo er arbeitet und wie notfalls auchAnsprüche gegen ihn vollstreckt werden können, auszubauen.Die im Gesetzentwurf vorgesehenen verbessertenAuskunftsrechte wurden von allen Sachverständigenbegrüßt. Sie dienen der verbesserten Geltendmachungvon Unterhaltsansprüchen. Es können jetzt weitere Informationenbei den Finanzämtern und Geldinstituteneingeholt werden und auch Nachfragen beim Arbeitgebergestellt werden.Hier haben wir auf Grundlage der Sachverständigenanhörungnoch einen wichtigen Aspekt ergänzt:Unterhaltsvorschuss ist bekanntlich begrenzt: in derDauer auf maximal 72 Monate, beim Kindesalterhöchstens bis zum 12. Geburtstag und in der Höhedurch den Mindestunterhalt abzüglich Kindergeld.Weitergehende Unterhaltsansprüche muss der alleinerziehendeElternteil selbstständig gegen den Unterhaltspflichtigengeltend machen. Dabei steht er in derPraxis oft ebenfalls vor dem Problem, die nötigen Informationendarüber zusammenzutragen, um einennicht zahlungswilligen Elternteil in Anspruch zu nehmen.Hier sind die Alleinerziehenden oft auf die Informationendes Jugendamtes angewiesen: diese könntenihnen maßgeblich helfen, den Anspruch des Kindesdann auch selbstständig gegen den Pflichtigen durchzusetzen.Hier hapert es bislang in der Praxis:In der öffentlichen Sachverständigenanhörungwurde deutlich, dass es in der Praxis bei den Jugendämternoft nicht klar ist, inwieweit Daten nach Maßgabedes § 74 SGB X an den alleinerziehenden Elternteil herausgegebenwerden dürfen. Wir haben deshalb dieAnregung aufgegriffen und an dieser Stelle nicht nureine Klarstellung ins Gesetz gebracht, dass die Ämterberechtigt sind, die Auskünfte zu geben. Wir haben darüberhinaus die Jugendämter verpflichtet, auf Antragder Alleinerziehenden die benötigten Daten herauszugeben.Wir wollen damit die Geltendmachung vonUnterhaltsansprüchen außerhalb eines gerichtlichenVerfahrens verbessern. Es bleibt damit bei dem bewährtenVerfahren nach dem 10. Sozialgesetzbuch, dasheißt, zuerst erhält der Pflichtige selbst die Gelegenheit,die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Wir wollendamit auch für die Unterhaltspflichtigen nochmalsganz deutlich machen: Es geht bei Unterhaltsschuldennicht um ein Kavaliersdelikt. Unterhaltspflichtverletzungstellt einen Straftatbestand dar; die vorsätzlicheNichtleistung steht unter Strafe – Unterhalt ist nichtverhandelbar. Unterhaltsansprüche werden in Zukunftauch nicht mehr von einer Restschuldbefreiung in derprivaten Insolvenz des Unterhaltspflichtigen erfasst.Unterhaltsansprüche von Kindern sind zu erfüllen.Auch diese Botschaft ist damit verbunden.Außerdem wollen wir mit dieser Änderung sicherstellen,dass die Realisierung des laufenden Unterhaltsanspruchsin der Praxis Vorrang hat vor denRückgriffsansprüchen des Jugendamts. Wenn es fürbeide nicht reicht, ist der laufende Bedarf des Kindeswichtiger als der Ausgleich in den öffentlichen Kassen.Insgesamt bringt der Gesetzentwurf mit den von unseingebrachten Änderungen Erleichterungen für Alleinerziehendesowie für die Behörden, er stärkt dieAlleinerziehenden und ihre Kinder.Caren Marks (SPD):Heute debattieren wir abschließend das Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetz.So sperrig wieder Titel des Gesetzentwurfes gestaltet sich auch dasparlamentarische Verfahren. Die schwarz-gelbeRegierungskoalition hatte in der Vergangenheit regelmäßigdie parlamentarische Beratung dieses wichtigenThemas hinausgeschoben. Im Oktober letzten Jahreswurde der Gesetzentwurf endlich in erster Lesungin den Bundestag eingebracht. Bereits hier wurdedeutlich, dass der Gesetzentwurf wesentliche Mängelenthält, die sowohl von der SPD-Bundestagsfraktionals auch von zahlreichen Verbänden wiederholt zurSprache gebracht wurden. So sollte den Alleinerziehendendie Möglichkeit genommen werden, den Unterhaltsvorschussrückwirkend zu beantragen – ein bislanggültiges Recht, welches den Betroffenenermöglicht, finanzielle Engpässe, zum Beispiel beiTrennung, zu überbrücken.Zum Glück, kann man sagen, ist diese Regelung aufgrunddes großen Drucks durch einen Änderungsantragder Regierungskoalition zurückgenommenworden. Schwarz-Gelb hat offenbar eingesehen, wennauch spät, dass die errechneten fünf Minuten Zeitersparnisbei der Antragstellung – dies wäre wohlgemerktnur bei 10 Prozent der Neuanträge der Fall –(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28080 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Caren Marks(A)(B)zur finanziellen Belastung des betreuenden Elternteilsin keinem Verhältnis steht.Einen weiteren Rückzieher gab es vonseiten derRegierungskoalition bei der geplanten Leistung desbarunterhaltspflichtigen Elternteils an Dritte. Diesewurde im Änderungsantrag aufgrund verstärkterKritik ebenfalls zurückgenommen; zum Glück, kannich auch hier nur wiederholen. Das ist nämlich ein intransparentesund aufwendiges Verfahren, welchesnicht im Sinne der Kinder gewesen wäre.Nun bleibt die Frage: Was debattieren wir eigentlichnoch? Dieser Gesetzentwurf wird in keiner Weisedem Anspruch gerecht, den Unterhaltsvorschuss positivweiterzuentwickeln. Es ist nicht ausreichend, dassin dem vorliegenden Änderungsantrag lediglich diegrößten Fehler des Gesetzentwurfes behoben werden.In der vorliegenden Fassung des Gesetzentwurfswurde nicht einmal die Vereinbarung des schwarzgelbenKoalitionsvertrages umgesetzt, für eine Anhebungder Altersgrenze von Kindern auf 14 Jahre fürden Bezug von Unterhaltsvorschuss zu sorgen. Daswäre eine wirkliche Verbesserung für Alleinerziehendeund ihre Kinder gewesen. Leider wurde hier eine weitereChance vertan. Genügend Zeit zur Prüfung wargegeben. Die Mehrheit der Sachverständigen fordertein der Anhörung ebenfalls eine Anhebung der Altersgrenze.Der Anspruch auf Leistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetzeines Kindes endet nach wie vor mitdem zwölften Lebensjahr, nicht aber die Notwendigkeitweiterer Unterstützung. Ursprünglich ist die Altersgrenzevon zwölf Jahren mit einem erhöhten Betreuungsbedarfvon kleineren Kindern begründet worden.Das ist richtig, doch gerade bei älteren Kindern steigtder materielle Aufwand. Statistiken zeigen, dass beiAlleinerziehenden, deren Kinder älter als zwölf Jahresind, eine größere Gefahr besteht, in Armut zu fallen.Der Wegfall des Unterhaltsvorschusses macht sichalso gerade hier deutlich bemerkbar. Ironischerweisezeigt gerade eine Publikation des Bundesministeriumsfür Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dass eineUrsache der hohen Armutsquote bei Alleinerziehendenmit Kindern im Jugendalter unter anderem mit denendenden Zahlungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetzin Verbindung gebracht wird.Warum lassen Frau Merkel und die schwarz-gelbeKoalition diesen Erkenntnissen keine Taten folgen?Der Koalitionsvertrag wird beim Unterhaltsvorschussumgangen, beim unsinnigen Betreuungsgeld hingegenwar er in Stein gemeißelt. Die von Schwarz-Gelb imGesetzentwurf vorgesehene Änderung des § 3 UVG istsogar definitiv eine Verschlechterung für Alleinerziehendeund ihre Kinder. Es ist vorgesehen, die Bezugsdauerauch dann anzurechnen, wenn ein zu Unrechtbezogener Unterhaltsvorschuss zurückgezahlt werdenmuss. Hier handelt es sich um eine Sanktion, die zulastender Kinder geht. Der Bundesregierung sind – sohat sie sich auf schriftliche Nachfrage geäußert – nichteinmal konkrete Zahlen bekannt, die darauf hinweisenwürden, dass in großem Stil rechtswidrig Unterhaltsvorschussbezogen wird. Häufig ist dies durch Nichtwissenbei den Alleinerziehenden begründet. Hierwäre detaillierte Aufklärung bei der Antragstellungnotwendig.Ein weiterer Punkt in der Reihe der nicht erledigtenHausaufgaben der Bundesregierung beim Unterhaltsvorschussist die Überprüfung der Tatsache, dass dasvolle Kindergeld nicht länger vom Unterhaltsvorschussabgezogen werden sollte. Diese Regelung stehtim Gegensatz zum Unterhaltsrecht. In dem Antrag derSPD-Bundestagsfraktion mit dem Titel „Alleinerziehendebesser unterstützen“ auf Drucksache 17/11032,eingebracht im Oktober letzten Jahres, fordern wir dieBundesregierung auf „zu prüfen, wie die bestehendeUngleichbehandlung, hervorgerufen durch den vollständigenAbzug des Kindergeldes beim Unterhaltsvorschuss,beseitigt werden kann, sowie für das Unterhaltsvorschussgesetzeine Anhebung der Altersgrenzevon derzeit 12 auf 14 Jahre zu prüfen und das Ergebnisder Prüfung umgehend und vor Beginn der parlamentarischenBeratungen zum Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetzvorzulegen“.Überprüft werden sollte unserer Meinung nachauch der Zeitraum des Bezugs des Unterhaltsvorschusses,der bisher bei 72 Monaten liegt. Häufig istder Anspruch schon dann, wenn sich das Kind imGrundschulalter befindet, verbraucht. Falls beispielsweisefür das Kind der Vorschuss erst mit neun oderzehn Jahren beantragt wird, können nicht einmal dievorgesehenen 72 Monate bzw. sechs Jahre voll ausgeschöpftwerden. Hier ist eine Änderung dringend anzuraten.Die ursprüngliche Zielsetzung, eine Übergangsfinanzierungzu schaffen, wird den heutigengesamtgesellschaftlichen Lebensverhältnissen nichtmehr gerecht.Der hier vorliegende Gesetzentwurf setzt weder denschwarz-gelben Koalitionsvertrag um, noch bringt erwesentliche Verbesserungen für die Situation der Alleinerziehendenund ihrer Kinder. Zumindest könntemit diesem Gesetzentwurf eine Entbürokratisierungund dadurch eine Entlastung der Ämter teilweise erreichtwerden. Die Prüfung und die Bewilligung derAnträge in den Unterhaltsvorschussstellen soll beschleunigtwerden. Ebenso soll den Ämtern der Rückgriffauf den Unterhaltsschuldner oder die Unterhaltsschuldnerinerleichtert werden. Aber wesentlichdrängender als eine Entbürokratisierung wären dieStärkung und der Ausbau des Unterhaltsvorschussesfür die betroffenen Kinder gewesen. Hierfür wird sichdie SPD-Bundestagsfraktion weiter starkmachen.Sibylle Laurischk (FDP):Mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfes derBundesregierung zum Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetzkann ich ein Thema abschließen,das ich lange begleitet habe. Als Familienrechtlerinwar es mir immer ein wichtiges Anliegen, deutliche(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28081Sibylle Laurischk(A)(B)und positive Signale an Alleinerziehende (in der Regeldie Mütter) zu senden, indem der Gesetzgeber dasUnterhaltsrecht vereinfacht, verbessert und die Effizienzsteigert. Ich bin mit dem vorliegenden Ergebnisdurchaus zufrieden, wenngleich die Wünsche offenbleiben. Eine Erhöhung der Altersbezugsgrenze aufmindestens 14 Jahre, wie es auch im Koalitionsvertragsteht, war aufgrund der Haushaltslage letztlich nichterreichbar. Allerdings haben sich alle Fraktionen imGesetzgebungsverfahren mit dem Unterhaltsvorschussrechtin einer Art und Weise auseinandergesetzt,wie das bislang nicht der Fall war.Alleinerziehende haben im Allgemeinen schonSchwierigkeiten, überhaupt einen Unterhaltstitel fürdas Kind oder die Kinder zu bekommen. Und weil dasVerfahren zu Beantragung Zeit kostet, hat man den Unterhaltsvorschussals eine „Überbrückungsleistung“eingeführt und etabliert. Das originäre Ziel war es, inder Zeit, bis Mütter den Unterhaltsanspruch gegenüberdem Vater klären können, eine Überbrückung vonstaatlicher Seite zu bieten. Das Kind braucht Unterhalt;das Kindeswohl, seine Bedürfnisse müssen imVordergrund stehen.Mittlerweile ist der Unterhaltsvorschuss aber zu einerLeistung geworden, die sich – auch wegen derstark voneinander abweichenden Praxis der föderalgeführten Jugendämter – verselbstständigt hat. Insbesonderedie Rückholungen der gezahlten Unterhaltsleistungenbeim Verpflichteten ist in den Bundesländernunterschiedlich organisiert. Ich hoffe, dass dieim Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geführteDiskussion und das neue Gesetz ein Anlass für dieBundesländer sind, den Rückgriff effizienter zu gestalten.Das kann als klares Signal gewertet werden, dassUnterhaltsleistungen an Kinder auch nach der Trennungoder Scheidung zu erbringen sind. MitNachdruck möchte ich nochmal erwähnen, dass dasUnterlassen von Unterhaltszahlungen kein Kavaliersdeliktist, sondern eine Straftat, die von den Staatsanwaltschaftenkonsequenter als bisher verfolgt werdenmuss. Zu Zeiten, in denen wir die Stärkung der Rechtevon Vätern im Deutschen Bundestag diskutieren undverabschieden, dürfen wir deren Pflichten – meist sinddie Väter unterhaltspflichtig – nicht vernachlässigen.Bei Verabschiedung des Gesetzentwurfes wird dieStellung der Alleinerziehenden gestärkt. Ihr Informationsrechtwurde verbessert. Künftig sind die zuständigenStellen für den Unterhaltsvorschuss dazu verpflichtet,notwendige Auskünfte und Informationen wieEinkommensnachweise, Vermögen oder Anschriftendes Verpflichteten zu erteilen. Das macht deutlich, wiewichtig und notwendig eine unbürokratische Kooperationzwischen den zuständigen Stellen ist. Maßgeblichist auch, dass die Leistungen rückwirkend für einenMonat vor der Antragsstellung beibehalten werden.Die Bundesländer wollten diese Regelung streichen.Zukünftig muss man trotzdem nochmal darübernachdenken, wie das Nebeneinander von Leistungsansprüchennach dem UVG und dem SGB II bereinigtwerden kann. Der Bundesrechnungshof regt zumBeispiel an, den unbedingten Vorrang von Unterhaltsvorschussund Wohngeld beim Bezug von SGB-II-Leistungen aufzugeben. Betroffene müssten dann stattdrei nur noch einen Antrag stellen, würden aber dengleichen Leistungsbetrag erhalten wie bisher schon.Hier ist also auch eine Kosteneinsparung möglich, wiees in der Anhörung des Familienausschusses zurUVG-Novelle hieß. Es besteht demnach weiterhin politischerHandlungsbedarf.Statt vieler Einzelleistungen für Kinder könnte maneine Art „Kinderbasisgeld“ einführen, das Familienmit Kindern für diese erhalten könnten. So würden Sieschnell und unbürokratisch unterstützt.Jörn Wunderlich (DIE LINKE):Unter Entbürokratisierung versteht die Linke etwasanderes. Schon der Titel hält nicht, was er verspricht.Um es noch einmal zu wiederholen: Der Unterhaltsvorschusssoll die finanzielle Situation von Alleinerziehendenund ihren Kindern verbessern, wenn derunterhaltspflichtige Elternteil seinen Unterhaltsverpflichtungennicht oder nicht ausreichend nachkommenkann. Der Unterhaltsvorschuss kommt damit unmittelbarden Kindern von Alleinerziehenden zuguteund unterstützt alleinerziehende Elternteile vorübergehend.Immerhin hat die Regierungskoalition diesmal zumindestpartiell Sachverstand einfließen lassen, indemsie nach der Anhörung von Sachverständigen im Ausschussdie Streichung der rückwirkenden Bewilligungwieder gestrichen hat, sodass den Alleinerziehendeninsoweit durch das neue Gesetz kein finanzieller Nachteilentsteht.Die von der Linken geforderte Erleichterung derDarlegungspflicht der „zumutbaren Bemühungen“ zurDurchsetzung der Unterhaltsansprüche gegenüber demunterhaltspflichtigen Elternteil ist leider nicht umgesetztworden. Wieder einmal hat diese Regierung eineChance vertan.Die Anrechnung von Sachleistungen auf den Unterhaltist nach der Sachverständigenanhörung glücklicherweiserevidiert worden. Die Linke hat dies vonAnfang an gefordert; denn Zahlungen an Dritte sindfür den betreuenden Elternteil weniger verlässlich undweitaus schwerer nachprüfbar als direkte Leistungen.Zudem verlieren Alleinerziehende und ihre Kinderdurch indirekte Leistungen einen Teil ihrer Entscheidungskompetenzund möglicherweise auch den bedarfsdeckendenUnterhalt.Dafür hat die Koalition jetzt im Gesetzentwurf einenautomatisierten Datenabgleich beim Bundeszentralamtfür Steuern sowie vorhandener Konten bei Kreditinstituteneingeführt. Insoweit verweist die Regierungauf gute Erfahrungen beim Wohngeld und BAföG. Hierherrscht wieder die Angst, dass das Unterhaltsvorschussrechtmissbraucht werden könnte, diese allesüberschattende Angst der Regierung vor Missbrauch.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28082 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Jörn Wunderlich(A)(B)Dagegen werden datenschutzrechtliche Bedenkenhinsichtlich des Umgangs mit Informationsquellen unddes automatisierten Datenabgleichs einfach hintangestellt,anstatt hier einmal zu überlegen, wie Anreize fürKommunen geschaffen werden können, um die Rückholquotezu erhöhen. In der Sachverständigenanhörungkam klar heraus, dass das Engagement der Kommuneninsoweit nicht riesig sei, wenn sie an der Steigerungder Rückholquote nicht selbst auch zumindest partiellteilhaben können.Wieder einmal wird ein Gesetz verabschiedet, ohneden Bedürfnissen der Realität gerecht zu werden. Eswäre besser gewesen, dem Antrag der Linken zu folgenund den Unterhaltsvorschuss zu entfristen und dasHöchstalter für den Bezug von Unterhaltsvorschussauf 18 Jahre anzuheben. Bar- und Betreuungsunterhaltsind als gleichwertig anerkannt. Daher ist es notwendig,dass beim Unterhaltsvorschuss nicht länger dasvolle Kindergeld angerechnet wird, sondern stattdessen– wie beim „normalen“ Unterhalt – nur das halbeKindergeld angerechnet wird und die andere Hälftebeim betreuenden Elternteil verbleibt.Das ist die Realität, aber dafür stehen angeblichkeine Gelder zur Verfügung. Bereits 2006, vor fast genausieben Jahren, hat die Linke einen derartigen Antragins Parlament eingebracht. Auch damals wurde erabgelehnt. Aber die regierenden Parteien hatten siebenJahre Zeit, um zu klären, wie dies zu finanzieren ist.Nichts haben sie getan, egal ob schwarz-rot oderschwarz-gelb: vertane sieben Jahre für Alleinerziehende.Und wie die Regierungskoalition zu der Ansicht gelangt,dass den Alleinerziehenden wesentlich geholfenist, wenn ihnen nach Einstellung der Zahlung durchdas Amt die Daten des Unterhaltsverpflichteten mitgeteiltwerden, damit die Unterhaltszahlung auch weitersichergestellt wird, wird wohl ihr Geheimnis bleiben.Warum ist denn Unterhaltsvorschuss durch das Jugendamtgezahlt worden? Weil der UnterhaltspflichtigeUnterhalt zahlen kann und will? Eher doch ausden gegenteiligen Gründen oder weil der Unterhaltsverpflichtetenicht greifbar ist.Liebe Regierungskoalition, es wird Zeit aufzuwachen.Willkommen in der Realität! Und da helfenauch nicht Sprüche wie „Gut regiert“ oder „Vorfahrtfür Familien“. Selbst die geplante Hilfe aus dem Koalitionsvertrag,nach welchem das Bezugsalter immerhinum zwei Jahre auf 14 Jahre angehoben werden sollte,war ein falsches Versprechen. Reine Augenwischerei,wie so vieles dieser Koalition. Im Ergebnis ändert dieserGesetzentwurf nichts an der Situation von Alleinerziehenden.Politik für Menschen sieht anders aus. Die Linkekämpft weiter für eine Politik für die Menschen.Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Meine Bemerkungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierungselbst kann ich kurzhalten – zum Glück,möchte ich sagen. Das hat damit zu tun, dass zwei ausgesprochenkritisch zu bewertende geplante Änderungen,die Anrechnung von Unterhaltszahlungen, die anDritte geleistet werden, sowie die Aufhebung der rückwirkendenAntragstellung, durch den Änderungsantragder Koalitionsfraktionen zurückgenommenwerden. Beide hätten erhebliche Verschlechterungenfür Alleinerziehende bedeutet. Ein Punkt bleibt allerdingskritisch, und zwar der Verbrauch der Gesamtbezugsdauer,wenn Gelder zwischenzeitlich zurückgezahltwurden. In einen Gesetzentwurf, der alsEntbürokratisierung daherkommt, werden faktischVerschlechterungen für Alleinerziehende hineingemogelt.Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf nichtzustimmen.Trotz der Veränderungen beim Datenabgleich, diedurch den vorliegenden Gesetzentwurf ermöglichtwerden sollen, wird die sogenannte Rückholquote einProblem bleiben. Eines hat die Anhörung zum Gesetzentwurfdeutlich gemacht: Die Rückholquote kannsehr wohl deutlich gesteigert werden. Aber wenn mandies erreichen will, muss die Problematik gelöstwerden, dass die Kommunen gar kein Interesse daranhaben, das von Bund und Ländern für den Unterhaltsvorschussausgezahlte Geld von den Unterhaltsschuldnerinnenund Unterhaltsschuldnern wieder hereinzuholen,weil sie Personal einsetzen müssten, ohne vonden Mehreinnahmen zu profitieren.Etwas ausführlicher möchte ich auf die grundsätzlicheHaltung zu Einelternfamilien eingehen, die beimRegierungshandeln von Schwarz-Gelb zum Ausdruckkommt. Für die 1,8 Millionen Alleinerziehenden, zu90 Prozent Frauen, hat die schwarz-gelbe Regierungstätigkeitvor allem negative Konsequenzen. Die gutenVorschläge, die im Koalitionsvertrag vereinbartwurden, wie die Verbesserungen beim Unterhaltsvorschussund die Prüfung einer alternativen Besteuerung,werden schlicht nicht in Angriff genommen. Papierscheint geduldig; denn seit der Unterzeichnungdes Koalitionsvertrages sind diese Themen von derAgenda verschwunden. Dabei steht dort klar: „Wirwerden das Unterhaltsvorschussgesetz dahingehendändern, dass der Unterhaltsvorschuss entbürokratisiertund bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensjahreseines Kindes gewährt wird.“ Das wäre einesinnvolle Maßnahme. Wir wissen: Im Gegensatz zurbildungs- und gleichstellungspolitischen Katastrophenamens Betreuungsgeld, das den Bundeshaushalt mitrund 2 Milliarden Euro im Jahr belasten wird, sind dieVerbesserungen für Alleinerziehende dem Sparzwangzum Opfer gefallen.Schlimmer noch: Gerade für Alleinerziehendewirken sich viele Reformen der Koalition besondersnegativ aus, beispielsweise die Anrechnung des Elterngeldesauf ALG-II-Leistungen, die nicht verfassungsgemäßenRegelsätze oder Kürzungen bei der Arbeitsmarktförderung.Es ist bitter, zu sehen, dass wederAlleinerziehende noch Frauen in der Regierung eineLobby haben.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28083Katja Dörner(A)(B)Der Verband alleinerziehender Mütter und Väterhat in einem Positionspapier zur Arbeitsmarkt- undBeschäftigungspolitik sehr gut herausgearbeitet, dassalleinerziehende Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht inerster Linie deshalb benachteiligt sind, weil sie alleinerziehendeFrauen sind, sondern erstens deshalb, weilsie Frauen sind, und zweitens, weil sie Mütter sind.Solange die Geschlechtergerechtigkeit auf demArbeitsmarkt nicht forciert wird, wird sich auch füralleinerziehende Mütter wenig ändern. Wir müssenalso große und kleine Räder drehen. Es wäre wichtig,bei den Alleinerziehenden endlich damit anzufangen.Vertan hat die schwarz-gelbe Koalition auch dieChance, die Familienleistungen insgesamt neu auszurichten.Auch hier warten wir seit Monaten aufErgebnisse der groß angelegten Gesamtevaluationfamilienpolitischer Leistungen. Es ist zentral, dieUnterstützung Alleinerziehender in einen gesamtgesellschaftlichenKontext zu stellen und die Familienförderungam Kind auszurichten. Wir brauchen eineKindergrundsicherung, die Kinder direkt fördert undArmut vermeidet. Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahlim September dieses Jahres kann ich nursagen: Das werden wir deutlich besser machen.Vizepräsidentin Petra Pau:Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierungeingebrachten Gesetzentwurf zur Änderungdes Unterhaltsvorschussgesetzes und anderer Gesetze.Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen undJugend empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlungauf Drucksache 17/12488, den Gesetzentwurfder Bundesregierung auf Drucksache 17/8802 inder Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmenwollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen?– Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damitin zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurfist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionengegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltungder SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen angenommen.Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seinerBeschlussempfehlung, den Gesetzentwurf des Bundesratesauf Drucksache 17/2584 zur Verbesserung des Vollzugsim Unterhaltsvorschussrecht für erledigt zu erklären.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Werstimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlungist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 21 b. Wir setzen die Abstimmungüber die Beschlussempfehlung des Ausschussesfür Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Drucksache17/12488 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabec seiner Beschlussempfehlung die Ablehnungdes Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache17/11142 mit dem Titel „Alleinerziehende entlasten –Unterhaltsvorschuss ausbauen“. Wer stimmt für dieseBeschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Werenthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit denStimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktiongegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltungder Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a und 24 b auf:a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)zu dem Antrag der AbgeordnetenWolfgang Gehrcke, Jan van Aken, ChristineBuchholz, weiterer Abgeordneter und der FraktionDIE LINKESofortige humanitäre Hilfe für Syrien leisten –Diplomatische Verhandlungslösung für denKonflikt fördern– Drucksachen 17/11697, 17/12243 –Berichterstattung:Abgeordnete Joachim HörsterGünter GloserBijan Djir-SaraiWolfgang GehrckeKerstin Müller (Köln)b) Beratung des Antrags der Abgeordneten JosefPhilip Winkler, Tom Koenigs, Volker Beck(Köln), weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENSyrische Flüchtlinge nicht im Stich lassen– Drucksache 17/12496 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss (f)RechtsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAuch hier nehmen wir die Reden zu <strong>Protokoll</strong>.(C)(D)Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU):Seit fast zwei Jahren wütet der Bürgerkrieg in Syrien,und ein Ende scheint leider auch heute weit entfernt zusein. Navi Pillay, die Hohe Kommissarin der VereintenNationen für Menschenrechte, hat Mitte Februar erklärt,dass sich die Zahl der Todesopfer nun der 70 000nähere. Der UN-Menschenrechtsrat sieht eine Zunahmeder Gewalttätigkeit aller Konfliktparteien; immer häufigerkomme es zu Verstößen gegen das humanitäreVölkerrecht. Nach aktuellen Schätzungen der VereintenNationen sind derzeit über 4 Millionen Syrer aufhumanitäre Hilfe angewiesen. Wir alle, liebe Kolleginnenund Kollegen, sind uns der prekären Lage in Syrienbewusst und versuchen einen Beitrag zu deren Verbesserungzu leisten.Die Beweggründe der Opposition für die beiden Anträge,die wir heute debattieren, kann ich deshalb nurschwer nachvollziehen. Denn auch die Bundesregierungtut meines Erachtens ihr Möglichstes, um der syrischenBevölkerung zu helfen und auf ein Ende des


28084 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Reinhard Brandl(A)Bürgerkrieges hinzuwirken. Dabei sollte sie die Unterstützungdes gesamten Parlaments erfahren und nicht– wie es beispielsweise die Fraktion Die Linke tut – deswidersprüchlichen Verhaltens bezichtigt werden. Ichlehne die beiden Anträge der Opposition deshalb ab.Es wird völlig außer Acht gelassen, in welchemMaße sich die Bundesregierung bereits in Syrien engagiert.Nehmen wir zum Beispiel die Forderung nach einerAufstockung der Mittel zur humanitären Hilfe. Am30. Januar dieses Jahres wurden, im Rahmen einer humanitärenGeberkonferenz der Vereinten Nationen inKuwait, weitere 10 Millionen Euro für humanitäreHilfsmaßnahmen in Syrien und den umliegenden Länderbereitgestellt. Erst heute hat der BundesaußenministerGuido Westerwelle erklärt, dass die Bundesregierungdie Mittel für die humanitäre Hilfe nochmalsum 5 Millionen Euro aufstocken wird.Die deutsche Unterstützung beträgt damit seit Beginnder Krise insgesamt 118 Millionen Euro, womitDeutschland einen der größten bilateralen Geldgeberdarstellt. Davon sind 68 Millionen Euro für die humanitäreHilfe bestimmt. 50 Millionen Euro stehen für diestrukturbildende Übergangshilfe und die bilateraleUnterstützung zur Verfügung.Ich kann hier keine Versäumnisse der Bundesregierungerkennen. Wir müssen uns jedoch darüber imKlaren sein, dass die Unterstützung und die humanitäreHilfe auch in Zukunft auf gleichem Niveau aufrechterhaltenwerden müssen. Bis Juni 2013 schätzendie Vereinten Nationen den Bedarf an humanitärerHilfe auf circa 500 Millionen US-Dollar.Nach Angaben des UNHCR sind bis heute über857 000 Menschen aus Syrien geflohen. Die Dunkelzifferwird als weit höher eingeschätzt. Sowohl im Antragder Linken als auch bei den Grünen wird der Umgangmit syrischen Flüchtlingen in Deutschland thematisiert.Doch auch der Vorwurf, die Bundesregierungwürde sich zu wenig für syrische Flüchtlinge engagieren,ist nicht berechtigt. Die Grünen verwenden sogardie Formulierung „im Stich lassen“. Dass dies keineswegsder Fall ist, wird unter anderem am Beispiel dersyrischen Studenten deutlich, die derzeit in Deutschlandstudieren und aufgrund des Konflikts in finanzielleNot geraten sind. Um dieser Situation entgegenzutreten,hat das Auswärtige Amt im vergangenen Jahrdie Vergabe kurzfristiger Überbrückungsstipendiendeutscher Hochschulen mit 1,5 Millionen Euro finanziert.Auch die Forderung der Opposition, das mit Syriengeschlossene Rückübernahmeabkommen zu kündigen,wurde hier im Plenum des Deutschen Bundestages bereitsthematisiert. Das Rückübernahmeabkommen enthältprozedurale Regelungen und konkretisiert die Verpflichtungenbeider Vertragsparteien bei der Rückübernahmeeigener Staatsangehöriger. Es verpflichtetjedoch nicht zur Durchführung von Abschiebungenund stellt auch keinen Hinderungsgrund dar, Abschiebungenin bestimmten Situationen auszusetzen. Faktist, dass seit April 2011 niemand nach Syrien abgeschobenwurde. Mit diesem Abschiebestopp der Bundesländerkommt Deutschland seinen humanitärenVerpflichtungen bereits nach. Die Forderung der Oppositionist demnach schlichtweg unbegründet.Bei der Debatte über die Aufnahme syrischerFlüchtlinge in Deutschland darf außerdem nicht vergessenwerden, dass viele Syrer, die die Hoffnung aufein baldiges Ende der Kämpfe nicht aufgegeben haben,in ihrer Region bleiben wollen. Für die CDU/CSU-Fraktion hat daher weiterhin die Hilfe vor OrtVorrang.Abschließend möchte ich noch einen Punkt ansprechen,der mir persönlich sehr am Herzen liegt: DerSchutz der christlichen Minderheit in Syrien. DieChristen versuchen sich im syrischen Bürgerkrieg neutralzu verhalten, aber es droht fortwährend die Gefahr,dass sie zwischen die Fronten geraten. Europamuss seine Verantwortung für die orientalische Christenheitstärker wahrnehmen, um sie in ihrer schwierigenLage zu unterstützen.(C)(B)Joachim Hörster (CDU/CSU):Als ich am 13. Dezember 2012 zum gleichen Themagesprochen habe, tat ich dies in der Hoffnung auf einbaldiges Ende des Assad-Regimes. Wie wir allezwischenzeitlich einräumen müssen, hat sich dieseHoffnung nicht erfüllt. Eine Lösung des Konflikts inSyrien ist nach wie vor in weiter Ferne.In der heutigen Debatte liegen uns zwei Anträgevor, einer der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Sofortigehumanitäre Hilfe für Syrien leisten – DiplomatischeVerhandlungslösung für den Konflikt fördern“und ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünenmit dem Titel „Syrische Flüchtlinge nicht im Stichlassen“. Beide Anträge sind abzulehnen, da sie dieAnstrengungen der Bundesregierung auf humanitäremGebiet in dieser Krisenregion negieren.Die Flüchtlingsproblematik ist uns allen – undselbstverständlich auch der Bundesregierung – nurallzu bewusst. Im Dezember vergangenen Jahres habendie Vereinten Nationen rund 450 000 syrischeFlüchtlinge registriert, wobei die angenommene Dunkelzifferweitaus höher lag.Die im Februar veröffentlichten Zahlen sprecheneine noch deutlichere Sprache: Mittlerweile verzeichnetder UNHCR eine Gesamtzahl von rund 814 000 registriertenFlüchtlingen aus Syrien in die benachbartenLänder. Allein im Libanon waren im Februar 2013rund 275 000 Flüchtlinge registriert; in Jordanienwaren es 260 000, in der Türkei rund 183 000, inÄgypten 18 000 und im Irak 92 500. Neben den Flüchtlingen,denen es gelungen ist, das Land zu verlassen,leiden in Syrien selbst geschätzte 4 Millionen Menschenunter den Folgen des Konflikts.Der überwiegende Teil der Flüchtlinge in den Nachbarländern,zum Großteil Frauen und Kinder, leben in(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28085Joachim Hörster(A)Camps oder Zeltstädten, nur wenige bei Verwandtenoder Freunden in den Städten.ner guten Koordination, vor allem aber eines dauerhaftenWaffenstillstandsUnd darüber hinaus sollten wir auch das Schicksalderjenigen im Auge behalten, die in Syrien leben undtäglich mit den Folgen des Konflikts konfrontiert werden.Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisationwird deren humanitäre Lage immer schwieriger. Diewenigen Hilfsorganisationen, die noch in Syrien arbeitenkönnen, können dies aufgrund der Kampfhandlungennicht effektiv genug tun.In diesem Zusammenhang sind vor allem der Sicherheitsratder Vereinten Nationen und damit auchdie fünf ständigen Mitglieder in der Verantwortung.Appelle des Generalsekretärs bzw. der Vollversammlungsind bedauerlicherweise nicht nachhaltig genug.Daher geht die Forderung zum Handeln, die Sie inIhren Anträgen von der Bundesregierung verlangen,ins Leere, da sie längst tätig ist.Es liegt in der Hand des UN-Sicherheitsrates, nichtgegen- sondern miteinander zu arbeiten. Angesichtsder Dauer des Konfliktes sollte es die vordringlicheAufgabe des Gremiums sein, nicht nur über dieschlechte humanitäre Lage in Syrien zu sprechen, sondernkonkret zu handeln. In der Vergangenheit wurdedie Verteilung von Hilfslieferungen massiv behindert.Nur mit einem einheitlichen Votum des UN-Sicherheitsrateskann ein gewisser Druck aufgebaut werden,um mehr internationalen Hilfsorganisationen den Zugangins Land zu ermöglichen. Insbesondere müssendie Kampfhandlungen eingestellt werden, und zwarauf beiden Seiten.Auch die im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen geäußerteKritik an der Bundesregierung hinsichtlichder Aufnahme von syrischen Flüchtlingen entbehrt jederGrundlage. Im Januar 2013 zählte das Bundesamtfür Migration und Flüchtlinge circa 1 000 Asylanträgevon Syrern. Aufgrund des bereits seit längerem bestehendenAbschiebestopps können die Flüchtlinge inDeutschland bleiben. Damit zeigt die Bundesregierungdeutlich ihre Solidarität mit der syrischen Bevölkerung.Deutschland hat seit Beginn der Krise in Syrien inenger Abstimmung und Zusammenarbeit mit den europäischenPartnern seine klare Position deutlich gemacht.Die von Ihnen geforderten diplomatischen Verhandlungslösungenmit dem herrschenden Regimesowie der Ausbau intensiver Kontakte zur demokratischen,gewaltfreien Opposition in Syrien entbehrenzum einen durch die Tatsache, dass sich die Bundesregierungimmer auf einen friedlichen Verhandlungswegberufen und aus diesem Grund die syrische Vertretungin Deutschland nicht gänzlich geschlossen hat,und zum anderen durch das Ergebnis der Konferenz inMarrakesch jeglicher realistischer Grundlage.Wir sind uns in diesem Hause darin einig, dass soschnell wie möglich die Bürgerkriegsauseinandersetzungenbeendet werden und der syrischen Bevölkerung(C)(B)Mittlerweile stehen die aufnehmenden Staaten vorgroßen Problemen: Die Versorgung der Flüchtlingemit elementaren Dingen wie Nahrungsmitteln, medizinischerVersorgung und Wasser bedeutet eine logistischeHerausforderung.Um diese Herausforderungen auch international zukoordinieren und zu meistern, wurde im Jahr 2012erstmals der „Regional Response Plan“ aufgestellt,eine Art „Hilfskoordinierungsplan“, an dem insgesamtcirca 60 nationale und internationale Partner beteiligtsind. Einer dieser Partner ist übrigens das TechnischeHilfswerk, das in Jordanien wichtige praktischeHilfe leistet.Bereits seit Eröffnung des Flüchtlingscamps al-Zaatari nahe der syrisch-jordanischen Grenze im Juni2012 waren THW-Kräfte vor Ort. Als erfahrene Organisationin internationalen Einsätzen leistet das THWwertvolle Hilfe. Der Aufbau von Kücheneinheiten,Wasseraufbereitungsanlagen sowie Toilettenanlagenim Camp sichert die Versorgung der Flüchtlinge mit.Mit diesen Maßnahmen wird Hilfe dort geleistet, wosie dringend benötigt wird: bei den Menschen vor Ort.Seit Juni 2012 waren so insgesamt 110 Helfer des deutschenTHW im Einsatz. Kritiker können jetzt natürlichbehaupten, das sei bei Weitem nicht genug, aber angesichtsder prekären Lage in den Camps zählt jederHelfer, und jede Maßnahme hilft den Flüchtlingen.Darüber hinaus steht die Bundesregierung auchfinanziell zu ihrer internationalen Verantwortung.Deutschland hat 2012 für den Bedarf an humanitärerHilfe insgesamt rund 103 Millionen Euro zur Verfügunggestellt und gehört damit zu einem der größtenGeber. Auf der internationalen Geberkonferenz, dieEnde Januar in Kuwait stattfand, hat die BundesrepublikDeutschland nochmals zusätzlich 10 MillionenEuro zugesagt.Angesichts dieser Zahlen kann man wohl kaum davonsprechen, dass syrische Flüchtlinge „im Stich gelassenwerden“, wie der Titel des Antrags der Fraktionvon Bündnis 90/Die Grünen impliziert. Die BundesrepublikDeutschland beteiligt sich in herausragenderWeise an den finanziellen und humanitären Maßnahmender Vereinten Nationen und der EuropäischenUnion. Insgesamt sollen von der internationalenStaatengemeinschaft mehr als 1,1 Milliarden Euro fürhumanitäre Maßnahmen in der Region zur Verfügunggestellt werden.Diese Zahlen zeigen, dass die Bereitstellung von finanziellenMitteln für die humanitäre Hilfe eben nichtdas eigentliche Problem ist, wie Sie es in Ihren Anträgenformulieren. Entscheidend ist, dass die bereitgestelltenGelder für die Maßnahmen verwendet werdenkönnen, für die sie gedacht sind, das heißt, dass sie beiden Menschen in den betroffenen Gebieten ankommen.Hierfür bedarf es einer ausgeklügelten Logistik und ei-(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28086 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Joachim Hörster(A)(B)in ihrer Not jetzt, aber auch später beim Wiederaufbau,geholfen werden kann.Die in den beiden Anträgen vorgebrachte Kritik ander Bundesregierung ist jedoch unbegründet, und daherwerden wir beide Anträge ablehnen.Günter Gloser (SPD):Der Grundforderung des Antrags „Sofortige humanitäreHilfe für Syrien leisten – Diplomatische Verhandlungslösungfür den Konflikt fördern“ widersprechenwir Sozialdemokraten nicht. Der Konflikt inSyrien hat mit wahrscheinlich über 70 000 Toten, circa1,5 Millionen Binnenflüchtlingen und HunderttausendenFlüchtlingen in die Nachbarstaaten mittlerweileeine neue blutige Dynamik erreicht. Die dramatischeFlüchtlingssituation treibt uns in der SPD-Bundestagsfraktionum. Ich hatte bei einem Besuch in BeirutAnfang Februar die Gelegenheit, mit syrischen Flüchtlingenzu sprechen, und dieser Dialog hat meine Einschätzungfür deren prekäre Situation stark geprägt.Die Aufnahme von Hunderttausenden syrischenFlüchtlingen in den Nachbarstaaten Jordanien, Libanonund Türkei ist eine Leistung, die man nicht genugwürdigen kann. Allein im Libanon wurde eine Zahl vonMenschen aufgenommen, die auf Deutschland umgerechnetder Aufnahme von etwa 3 Millionen Flüchtlingenentspräche. Die größte Flüchtlingswelle der deutschenNachkriegszeit brachte während derBalkankriege der 90er-Jahre einige HunderttausendFlüchtlinge zu uns. 3 Millionen zusätzliche Menschenin der Bundesrepublik übersteigen dagegen aber unserVorstellungsvermögen.Vor diesem Hintergrund fordern wir Sozialdemokratendie Bundesregierung auf, sich gegenüber denanderen EU-Mitgliedstaaten für eine gemeinsameeuropäische Initiative zur Aufnahme syrischer Flüchtlingeeinzusetzen. Unabhängig davon ist die Bundesregierungdazu aufgerufen, auf nationaler Ebene zurMinderung des syrischen Flüchtlingselends initiativ zuwerden. Es geht auch um ein Signal der Menschlichkeit.Da viele Syrer oder syrischstämmige Verwandtein Deutschland haben, ist ein Beitrag aus Deutschlandmöglich, wenn die Bundesregierung dem Ernst derLage angemessen reagiert. Die Forderung, schnell etwasgegen das syrische Flüchtlingselend zu unternehmen,teilen viele Kräfte in Deutschland, darunter auchdie beiden Kirchen. In Deutschland lebende Syrer undsyrischstämmige Deutsche haben signalisiert, bei derAufnahme von Verwandten bei uns vor Ort tatkräftigzu helfen. Diese Chance muss die Bundesregierungnutzen.Die im Antrag geforderte Einbindung Chinas unddes Iran in eine Lösung des Konfliktes ist grundsätzlichrichtig. China war als ständiges Mitglied des Sicherheitsratesder Vereinten Nationen aber von Anfangan eingebunden und hat dort – ebenso wie Russland –die Chance auf eine Eindämmung des Konfliktes verstreichenlassen. Der Iran ist durch seine Waffenlieferungenund durch die Entsendung von Militärberaternfür das Assad-Regime in diesem Konflikt bereits faktischKriegspartei. Interessant, dass die Linksparteiihn in ihrer Liste der Staaten, an keine Waffen die geliefertwerden sollen, unter Punkt 4 c im Antrag garnicht aufführt. Die Geld- und Waffenlieferungen desIran an das Assad-Regime scheinen für die Linke einnachrangiges Problem zu sein. Sie tauchen nirgendwoim Antrag auf. Wer so argumentiert, der ist in seinerBewertung der Aufrüstungssituation in Syrien einäugig.Auch macht es sich die Linke zu einfach, wenn sieArt.-VII-Resolutionen des VN-Sicherheitsrates kategorischausschließt. Wer sich selbst einer solchen Optionberaubt, der schwächt die Position des Sicherheitsratesder Vereinten Nationen und goutiert das VerhaltenRusslands und Chinas in dem Gremium. Ich kann dieForderung an die Linke, dass es gilt, klar Partei zu ergreifenfür die syrische Bevölkerung, Demokratie undeinen zivilen Wandel zu fördern, nur nochmals wiederholen.Doch anstatt eines klaren Bekenntnisses zur syrischenBevölkerung hört man nur, dass die Fraktionder Linken die Schuld des Assad-Regimes an der Eskalationdes syrischen Bürgerkriegs herunterspielt. Wennin dem vorliegenden Antrag für die Eskalation in Syriennur von einer „erheblichen Verantwortung“ desAssad-Regimes die Rede ist, dann muss ich dies alsEuphemismus zurückweisen. Ich selbst habe mir in Gesprächenmit ehemals engen Vertrauten des syrischenPräsidenten mehrfach bestätigen lassen, dass Bascharal-Assad immer wieder zu umfassenden Reformen inseinem Land gedrängt worden war. Nichts dergleichenist geschehen! Aus einer Politik der vermeintlichenStärke heraus hat Assad den Konflikt in seinem Landwissentlich eskalieren lassen, und dies wohlgemerkt zueiner Zeit, als er noch alle politischen Fäden in derHand gehalten hatte. Ich kann die Fraktion Die Linkedaher nur ausdrücklich auffordern, endlich aufzuhören,die Verantwortung des Assad-Regimes in diesemBürgerkrieg zu verharmlosen, wenn sie ein außenpolitischerVerantwortungsträger sein will.Die Gespräche zwischen dem US-amerikanischenAußenminister John Kerry und seinem russischenAmtskollegen Sergej Lawrow in Berlin waren auch einSignal dafür, dass die Chance für eine politische Lösungdes Syrien-Konflikts weiterhin besteht. Gleichesgilt für das Treffen zwischen Vertretern des Assad-Regimesund syrischen Oppositionellen bei der Konferenzder Freunde Syriens in Rom. Für mich ist dies Bestätigungdafür, dass nach wie vor der Wille zu einerfriedlichen Beilegung des Konflikts besteht. Die heutigenÄußerungen des französischen PräsidentenHollande anlässlich seines Moskau-Besuchs unterstützenmeine Auffassung, dass eine politische Lösung desKonfliktes in den kommenden Wochen im Bereich desMöglichen ist – vorausgesetzt, alle direkt und indirektbeteiligten Konfliktparteien erkennen ihre Verantwortungfür diesen Prozess und nehmen sie auch an. Auchwenn die Kontaktaufnahme zwischen den Konfliktparteiennur einen ersten Schritt auf einem langwierigenund steinigen Weg darstellt, so erhoffe ich mir von die-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28087Günter Gloser(A)(B)sen Treffen doch wenigstens humanitäre Erleichterungen.Die Bundesregierung steht hier in der Pflicht, gemeinsammit unseren europäischen Partnern eine Vorreiterrolleeinzunehmen und einen erheblichen Beitragzur Verbesserung der Flüchtlingssituation zu leisten.Deutschland ist sicherlich kein Schlüsselstaat, wenn esum die Beilegung des Syrien-Konflikts geht. Aber dort,wo wir eine internationale Verantwortung und vor allemeine Verpflichtung gegenüber der Menschlichkeithaben, müssen wir diese auch wahrnehmen.Marina Schuster (FDP):Die humanitäre Lage in Syrien ist verheerend undschon längst nicht mehr mit Worten zu fassen – und sieverschlechtert sich weiter. Der Menschenrechtsrat derVereinten Nationen gibt die Zahl der Todesopfer mitbeinah 70 000 an. Insgesamt 4 Millionen Menschensind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Zahl derBinnenvertriebenen liegt bei 2 Millionen Menschen.Kürzlich wurde bekannt, dass sich nach Schätzungender Weltgesundheitsorganisation WHO 2 500Menschen in der nordöstlichen Provinz Deir al-Sor mitTyphus infiziert haben. Dort gibt es nicht genügendTreibstoff oder Elektrizität, sodass die Menschen gezwungensind, Wasser aus dem Euphrat zu trinken.Kurzum: Eine höhere humanitäre Notfallstufe istlaut Vereinten Nationen nicht mehr möglich.Deshalb wird die Zahl der Syrer, die dieser Hölleentkommen wollen, nicht kleiner werden. Im Gegenteil:Die Flüchtlingsströme in die Nachbarländer nehmenweiterhin zu. Inzwischen befinden sich knapp730 000 Menschen als Flüchtlinge im Libanon, inJordanien, der Türkei, dem Irak, in Ägypten und Nordafrika.Bis zum Juni dieses Jahres werden es 1,1 MillionenFlüchtlinge sein.Vor diesem Hintergrund danke ich der Bundesregierungfür die bisher geleistete große Hilfe, die zuletzt imRahmen der Geberkonferenz Ende Januar in Kuwaitum 10 Millionen Euro aufgestockt worden ist. Undheute hat das Auswärtige Amt mitgeteilt, weitere5 Millionen Euro für humanitäre Hilfe in Syrien bereitzustellen.Insgesamt hat die Bundesregierung seitBeginn der Krise Hilfe in Höhe von 118 MillionenEuro geleistet. Davon entfallen 68 Millionen Euro aufhumanitäre Hilfsmaßnahmen in Syrien und den Nachbarländernsowie rund 50 Millionen Euro für strukturbildendeÜbergangshilfen und bilaterale Hilfe. Damitist Deutschland international der größte Geber.Für dieses außerordentliche Engagement könnenwir alle dankbar sein. In diesem Zusammenhang willich die hervorragende Arbeit unterstreichen, die zumBeispiel in Flüchtlingslagern an der Grenze Syriensvom THW geleistet wird. Mein Dank gilt auch denAnrainerstaaten, die die syrischen Flüchtlinge bereitwilligaufnehmen.Dennoch sage ich: Wir müssen unsere Anstrengungenfür die syrischen Flüchtlinge erhöhen. Wenn manversucht, zu begreifen, welche Leidensgeschichten hinterall diesen Zahlen verborgen sind, wäre es für michunvorstellbar, nicht weitergehend zu handeln.Es ist kein Geheimnis, dass wir Außenpolitiker fraktionsübergreifendund seit geraumer Zeit Bewegung inder Frage der syrischen Flüchtlinge fordern. HerrPolenz und die Sprecher aller Fraktionen haben sichmehrfach zu diesem Thema geäußert. Allerdings gibtes hier auseinandergehende Auffassungen, die teilweisein den unterschiedlichen fachpolitischen Perspektivenbegründet liegen. Und bei aller Koalitionsdisziplinmuss ich die Innenpolitiker der Unionansprechen: Aus meiner Sicht könnten wir jetzt schonmehr tun, ohne dass wir gesetzliche Änderungen vornehmenmüssten.Deshalb unterstütze ich den Vorschlag desMenschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung,Markus Löning, Menschen aus Syrien vermehrt dieEinreise zu ermöglichen, die Verwandte in Deutschlandhaben. Das Argument, das bisher gegen dieseMaßnahme sprechen soll, leuchtet mir nicht ein. Es istangesichts eines der weltweit grausamsten Kriege zynisch,zu sagen: Die könnten ja hier bleiben wollen.Um es auf den Punkt zu bringen: Wir müssen uns zueinem Akt der Menschlichkeit, der christlichen Nächstenliebeaufraffen. Wir könnten somit gleichzeitig einpolitisches Zeichen der Unterstützung setzen. In diesemZusammenhang sollten wir vorangehen und unsfür eine europäische Kontingentlösung starkmachen,die einen Verteilungsschlüssel zur Aufnahme derFlüchtlinge vorgibt und die die anderen Mitgliedstaatender EU nicht aus ihrer Verantwortung entlässt.Es würde mich freuen, wenn sich InnenministerFriedrich auf EU-Ebene dafür einsetzte – so wie essein Vorgänger Wolfgang Schäuble im Fall der irakischenFlüchtlinge auch getan hat.Gleichwohl sage ich: Das Grundrecht auf Asylmacht nicht an den Religionsgrenzen halt. Den Vorschlag,nur Christen aufzunehmen, halte ich für denVielvölkerstaat Syrien für brandgefährlich.Lassen Sie mich noch ein Wort zur Aufarbeitung derVerbrechen sagen. Wir begrüßen, dass sich derMenschenrechtsrat der Vereinten Nationen mit Kriegsverbrechenund Verbrechen gegen die Menschlichkeitin Syrien befassen wird. Diese Ankündigung kam nureinen Tag nach den Forderungen der UN-Menschenrechtskommissarinan den Sicherheitsrat, endlich denStrafgerichtshof in Den Haag einzuschalten. Das sindwichtige erste Schritte, um mit der strafrechtlichenVerfolgung der Täter zu beginnen; denn nur so könnenwir einer gefährlichen Kultur der Straflosigkeit entgegentreten– selbst wenn dies angesichts der Konfliktlageviele Jahre in Anspruch nehmen wird.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28088 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):Es ist längst überfällig, dass sich der Bundestagernsthaft und tiefer gehend – was er leider nicht tut –mit der Lage in Syrien und der deutschen Syrien-Politikauseinandersetzt. Bislang sind zu diesem Themadrei Anträge den parlamentarischen Gremien vorgelegtworden: Ein Antrag der Fraktion Die Linke, syrischeFlüchtlinge in Deutschland und in Europa aufzunehmen,wurde abgelehnt.Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragtheute erneut, dass sich Deutschland für die Aufnahmesyrischer Flüchtlinge human und unbürokratisch öffnensoll. Ich hoffe, dass der grüne Antrag, dem meineFraktion zustimmen wird, nicht das gleiche Schicksalerleidet wie der vorgenannte Antrag der Linken.Zur politischen Situation in Syrien hat ausschließlichdie Fraktion Die Linke einen umfassenden Antragvorgelegt. Dieser Antrag deckt sich in seinen Forderungenund Vorschlägen mit der grundsätzlichen Linie,die der Sonderbeauftragte der UN für Syrien, HerrLakhdar Brahimi, verfolgt. Er steht heute zur Abstimmung.Ich stelle fest: SPD, CDU/CSU und FDP habenzu Syrien nichts zu sagen oder wollen sich schriftlichnicht äußern.Das Wichtigste, was für Die Linke im Vordergrundsteht: Es muss ein Weg gefunden werden, das täglicheMorden in Syrien – der Bürgerkrieg hat mittlerweileüber 70 000 Menschen das Leben gekostet – zu beenden.Der einzig sinnvolle Weg in diese Richtung sindVerhandlungen zwischen dem Präsidenten Syriens,Baschar al-Assad, und/oder von ihm beauftragten Personenmit Gremien der Opposition. Die Linke hat daraufhingewirkt, dass an solchen Verhandlungen auchdie Teile der Opposition beteiligt werden, die ausdrücklichauf Gewalt verzichtet haben und in Syrienfür einen gewaltfreien Wandel aktiv sind. Gerade dieserTeil der politischen Opposition, mit dem wir sehreng zusammenarbeiten, steht derzeit unter einer doppeltenRepression: unter der anhaltenden Repressiondes Regimes und unter der Repression und Gewalttätigkeitanderer oppositioneller Gruppen, die immer extremistischerwerden.Ich wiederhole an dieser Stelle noch einmal: Es istdoppelbödig und unglaubwürdig, wenn in Syrien dieGruppen mit Geld und Waffen versorgt werden, auchvom Westen, aber besonders aus Saudi-Arabien undKatar, die in Mali mit Waffengewalt – auch vom Westen –vertrieben wurden.Die Regierung Assad hat Verhandlungen zugesagtund offensichtlich die Bitte von Lakhdar Brahimi, fürdiese Verhandlungen eine Person zu autorisieren, dieauch für die Gegenseite gesprächsfähig ist, aufgegriffen.Die „Nationale Koalition der syrischen Revolutions-und Oppositionskräfte“ und ihr Sprecher Muasal-Chatib hat solchen Gesprächen zugestimmt, allerdingsin den letzten Tagen diese Zustimmung unterdem Druck der extremistischen Kräfte wieder relativiert.Von der Bundesregierung gibt es keinen Appell– zum Beispiel im Rahmen der „Freunde Syriens“ – andie oppositionellen Gruppen, in Verhandlungen einzuwilligen.Die Bundesregierung lügt, wenn sie behauptet, denSonderbeauftragten der Vereinten Nationen LakhdarBrahimi in seinen Bemühungen um einen Dialog undeinen Waffenstillstand zu unterstützen. Im Gegenteil:Die Bundesregierung sabotiert die BemühungenBrahimis und trägt damit Mitverantwortung für dieFortsetzung von Bürgerkrieg und Gewalt.An keiner Stelle im Genfer Kommuniqué wird davongesprochen, dass der syrische Präsident Assad alsPreis für Verhandlungen zurückzutreten hat. Als Zielvon Verhandlungen wird eine Waffenruhe, die zu einemWaffenstillstand führen soll, definiert. In einem solchenKlima der Verhandlungen und des Dialoges solles zu einer Übergangsregierung kommen. Die Bundesregierungjedoch geht umgekehrt heran. Sie verlangtden Rücktritt von Assad, bevor es zu Gesprächen kommenkönne, und befördert, dass die vom Westen undden Golfstaaten präferierte „Nationale Koalition dersyrischen Revolutions- und Oppositionskräfte“ alsÜbergangsregierung anerkannt und eingesetzt wird.Zwei konkurrierende Regierungen aber spitzen denBürgerkrieg zu.Ein wichtiger Punkt von Verhandlungen soll undmuss die Freilassung von Gefangenen auf beiden Seitenund eine Sicherheitsgarantie für die kurdischenGebiete sein. Ein Gefangenenaustausch – und der istdringend notwendig – muss sorgfältig verhandelt werden.Ich betreue in Syrien einen langjährigen Oppositionellen,der wegen seines Eintretens für Gewaltlosigkeitund Demokratie vom Regime verschleppt wurdeund in einer Einrichtung der syrischen Luftwaffe festgehaltenwird. Abdel Asis al-Chair gehört zu den Mitbegründernund Repräsentanten des Nationalen Koordinierungskomiteesfür den demokratischen Wandel inSyrien. Ich bitte die syrische Regierung zu verstehen,dass es schwer ist, Gewaltlosigkeit als politisches undethisches Prinzip durchzuhalten und auf Verhandlungenzu bauen, wenn gleichzeitig Menschen, die dasvertreten, verschleppt und möglicherweise gefoltertwerden. Ich verlange, dass Abdel Asis al-Chair sofortfreigelassen wird und bitte alle Kolleginnen und Kollegen,mein Begehren zu unterstützen.Halten wir noch einmal fest: Lakhdar Brahimi, dieUNO, Russland und China setzen auf ein Ende der Gewaltdurch Verhandlungen. Die Bundesregierung setztauf einen militärischen Sieg der Aufständischen imBürgerkrieg und nimmt eine Verschärfung der Auseinandersetzungenund damit weitere Opfer in Kauf.Die Stiftung Wissenschaft und Politik hat die unterschiedlichenGrundlinien in der Syrien-Politik sehrklug analysiert. Sie kommt zum Ergebnis, dass keineder Seiten im syrischen Konflikt derzeit in der Lage ist,die Situation militärisch für sich zu entscheiden, unddass der Aufstand in Syrien längst enteignet und zu einemStellvertreterkrieg gemacht wurde. In Syrien kreu-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28089Wolfgang Gehrcke(A)(B)zen sich strategische Grundlinien einer neuen Verteilungvon Macht und Einfluss nicht nur in der Regiondes Nahen und Mittleren Ostens, sondern weitreichenderbis nach Nordafrika und in den asiatischen Raum.Es droht die Gefahr einer langanhaltenden blutigenAuseinandersetzung, die letztlich zur Zerstörung dessyrischen Staates führen wird. Die realistische Alternativezu Assad ist gegenwärtig kein demokratischesSyrien, sondern eine Zerstückelung des Landes in unterschiedlicheMacht- und Herrschaftsbereiche. Wastun in dieser Situation?Die Stiftung Wissenschaft und Politik empfiehlt derBundesregierung, ihre Kraft auf humanitäre Hilfe fürdie Bevölkerung zu konzentrieren. In den USA, aberauch in Deutschland und damit auch in der EU nimmtdie Debatte zu, die „Aufständischen“ mit direktenWaffenlieferungen zu unterstützen. AußenministerWesterwelle fordert das noch verklausuliert, einzelneGrünenpolitiker mittlerweile ganz offen. Waffenlieferungennach Syrien, und zwar über die türkisch-syrischeGrenze, sind mittlerweile ein ganz neues Konzeptgrüner „Friedenspolitik“.Es wäre ein geringer Trost, wenn man sich wenigstensin der Frage der humanitären Hilfe über Grundsätzeeinigen könnte. Humanitäre Hilfe soll, wo immeres möglich ist, überparteilich geleistet werden. Dasentspricht den Prinzipien des Roten Kreuzes und desRoten Halbmonds. Auf der Münchner Sicherheitskonferenzwurde jedoch diskutiert, humanitäre Hilfe gezieltnur in den sogenannten befreiten Gebieten zu leisten,sodass die Aufständischen „etwas vorzuweisen“hätten. Keine Hilfe der Bundesregierung ging bisher indie kurdischen Gebiete, kein Wunder, da der BündnispartnerTürkei in diesem Konflikt nicht an einem autonomenkurdischen Gebiet in einem syrischen Staatsverbandinteressiert ist.Unerträglich jedoch ist die Heuchelei der Bundesregierungzur Nichtaufnahme von Flüchtlingen ausSyrien. Mehr als 1 Million Menschen ist bisher ausSyrien geflüchtet – vor allem nach Jordanien, in dieTürkei und in den Libanon. Allein nach Jordanienflüchteten an einem Tag 20 000 Menschen, das istmehr als die gesamte EU seit Ausbruch des Konfliktesin Syrien aufgenommen hat. Man verweigert syrischenBürgerinnen und Bürgern, die in Europa und auch inDeutschland leben, das Nachholen von Familienangehörigenaus dem Bürgerkrieg und damit aus unmittelbarerLebensgefahr. Im Auswärtigen Ausschuss warensich alle Fraktionen einig, dass dieser Heuchelei einEnde bereitet werden muss. Statt Krokodilstränenbrauchen Syrien und die politische Moral in unseremLand aufrechte menschliche Hilfe. Wer dazu nicht bereitist, soll den Menschen nicht erzählen, dass die Notin Syrien unerträglich geworden sei.Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Die grüne Bundestagsfraktion hat erneut einen Antragzur Unterstützung und Aufnahme syrischerFlüchtlinge in den Bundestag eingebracht. Hintergrundhierfür waren neben der dramatischen Menschenrechtssituationin Syrien auch Äußerungen vonAußenpolitikern der schwarz-gelben Regierung, diesich für eine Aufnahme syrischer Flüchtlinge aussprechen.Die humanitäre Situation in Syrien verschlechtertsich zunehmend. 4 Millionen Menschen sind nach Angabender UNO auf Hilfslieferungen angewiesen. Fast70 000 Menschen sind ums Leben gekommen. Zehntausendewurden verhaftet oder gelten als vermisst.Laut UNHCR-Angaben vom 27. Februar 2013 sind bereits940 000 Menschen in benachbarte Länder geflohen– davon zwei Drittel Frauen und Kinder –, seitdemdie Revolte gegen Staatschef Assad im März 2011 begann.Pro weitere Woche des Krieges werden40 000 Flüchtlinge in den Nachbarländern Jordanien,Libanon und Türkei erwartet. Der Hohe Flüchtlingskommissarder UN, António Guterres, sprach in seinergestrigen Mitteilung davon, dass die Situation für dieFlüchtlingshelfer unlösbar zu werden droht.Angesichts der Eskalation der Gewalt in Syrien undder ständig steigenden Zahl der Flüchtlinge in denNachbarstaaten muss Deutschland nicht nur weitereHilfe für die Anrainerstaaten bereitstellen, sondernauch syrische Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen.Es ist zwar positiv, dass die Bundesregierung heute erneut5 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für notleidendeSyrer zur Verfügung gestellt hat.Direkte Unterstützung muss die Bundesregierungaber auch durch die Aufnahme von syrischen Flüchtlingenaus den Nachbarländern Syriens leisten. Daswäre ein Zeichen der Solidarität für syrische Flüchtlingeund die Nachbarländer, die mit der Aufnahmeder Flüchtlinge an ihre Grenzen stoßen. Es ist an derZeit, dass sich die Bundesregierung hier auch deutlichgegenüber den europäischen Mitgliedstaaten für eineAufnahme eines größeren Kontingents starkmacht undselbst mit gutem Beispiel vorangeht.Es häufen sich Hilfeersuchen verzweifelter inDeutschland lebender syrischer Staatsangehöriger, diekeine Möglichkeit haben, Verwandte zu sich zu holen.Grund hierfür sind die strengen Vorgaben beim Familiennachzug,die eine Einreise nur für die „Kernfamilie“– dies sind Ehegatten und minderjährige Kinderanerkannter Flüchtlinge und Asylberechtigter – zulassen.Bei anderen Schutzberechtigten ist der Nachzugselbst von Ehegatten und minderjährigen Kindern inaller Regel ausgeschlossen. Der Nachzug weitererVerwandter wie erwachsener Kinder, Geschwisteroder Eltern zu ihren in Deutschland lebenden Angehörigenist unabhängig von deren Status nahezu ausgeschlossen.Auch deutschen Staatsangehörigen syrischer Abstammunggelingt es kaum, Verwandte nach Deutschlandzu holen, selbst wenn die Finanzierung des Aufenthaltsgesichert ist. Denn ein Visum wird regelmäßigunter Hinweis auf eine Rückkehrprognose und man-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28090 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Josef Philip Winkler(A)(B)gelnde Verwurzelung der Antragsteller im Heimatlandabgelehnt. Vor diesem Hintergrund muss in Bezug aufsyrische Staatsangehörige dringend eine Lösung außerhalbder strengen Regelungen zum Familiennachzuggefunden werden. Die Anordnung des AuswärtigenAmtes vom 12. Oktober 2012 in Bezug auf Erleichterungenbeim Erfordernis des Nachweises ausreichenderdeutscher Sprachkenntnisse für den Familiennachzugreicht hier bei weitem nicht aus.Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen,UNHCR, hat bereits mehrfach an die Innenministervon Bund und Ländern appelliert, syrischenFlüchtlingen in Deutschland den Nachzug von Familienangehörigenaus der Region unabhängig vom Vorliegender auf nationaler oder europarechtlicherEbene geregelten Familiennachzugsvoraussetzungenzu erleichtern. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Appellnun endlich erhört wird.Auch für die bereits in Deutschland aufgenommenenSyrerinnen und Syrer muss die Situation verbessertwerden. Die Innenminister der Länder haben sichmit dem Bundesinnenminister zwar darauf verständigt,den Abschiebungsstopp für Syrien zu verlängern.Eigentlich stünde damit geduldeten Flüchtlingen ausSyrien laut Gesetz eine Aufenthaltserlaubnis zu. Nachdem Beschluss der Innenministerien sollen sie aberweiterhin lediglich Duldungen bekommen – hier mussdringend nachgebessert werden.In Anbetracht des immer brutaleren Vorgehens dersyrischen Regierung hat Deutschland den diplomatischenDruck auf diese erhöht. Dazu passt jedoch nicht,dass das Anfang 2009 in Kraft getretene Rückübernahmeabkommenzwischen Deutschland und Syrien weiterhinin Kraft bleibt. Auch wenn derzeit praktischkeine Rückführungen nach Syrien möglich sind, isteine unverzügliche Aufkündigung des Rückübernahmeabkommensdringend erforderlich, da es jeglichesmenschenrechtliche Fundament vermissen lässt. DasFesthalten an dem Abkommen verleiht dem derzeitigenRegime Assads den Anschein völkerrechtlicher Anerkennungund sendet zudem ein falsches Signal an einekünftige syrische Staatsführung.Vizepräsidentin Petra Pau:Wir kommen zur Abstimmung. Der Auswärtige Ausschussempfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 17/12243, den Antrag der Fraktion DieLinke auf Drucksache 17/11697 abzulehnen. Wer stimmtfür diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen?– Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung istmit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegendie Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen.Tagesordnungspunkt 24 b. Interfraktionell wird Überweisungder Vorlage auf Drucksache 17/12496 an die inder Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.Dann ist so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften– Drucksachen 17/12046, 17/12302 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz(10. Ausschuss)– Drucksache 17/12529 –Berichterstattung:Abgeordnete Cajus CaesarKerstin TackDr. Christel Happach-KasanDr. Kirsten TackmannCornelia BehmAuch hier nehmen wir die Reden zu <strong>Protokoll</strong>.Cajus Caesar (CDU/CSU):Mit dem vorgelegten Gesetz zur Änderung jagdrechtlicherVorschriften ist es uns wichtig, den Spagatzu meistern: Umsetzung des Urteils des EuropäischenGerichtshofs für Menschenrechte und weiterhin Sicherungder vorbildlichen Bejagung im Rahmen der Jagdgenossenschaftenund Eigenjagden.Die Mehrheit der Sachverständigen der öffentlichenAnhörung in der vorletzten Woche hat uns eindrucksvollbestätigt, dass dies mit dem vorgelegten Gesetzentwurfsehr gut gelungen ist.Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte,EGMR, hat in einem im Juni verkündeten Urteil entschieden,dass die Pflichtmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaftdie Europäische Menschenrechtskonventionverletzt. Es geht dabei um Fälle, in denen einGrundstückseigentümer trotz entgegenstehender ethischerMotive ausnahmslos gesetzlich zur Duldung derJagd verpflichtet ist. Der EGMR sah darin eine unverhältnismäßigeBelastung.Die große Kammer des Europäischen Gerichtshofsstellte fest, dass die gesetzliche Mitgliedschaft in einerJagdgenossenschaft das Grundrecht auf Schutz desEigentums verletze. Allerdings hat das Gericht auchfestgestellt, dass die flächendeckende Bejagung nichtgrundsätzlich unvereinbar mit der Menschenrechtskonventionsei.Der hier vorgelegte Gesetzentwurf trägt dem Rechnung,indem betroffenen Grundeigentümern künftigein Anspruch auf Einrichtung eines befriedeten Bezirksgewährt wird, in dem die Jagd ruht. Wir habendies an klar formulierte Bedingungen geknüpft: Es isthierzu notwendig, einen Antrag zu stellen.Der Grundeigentümer muss dabei glaubhaft versichern,dass er die Jagd aus ethischen Gründen grundsätzlichablehnt. Dies kann zum Beispiel durch eidesstattlicheVersicherung erfolgen.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28091Cajus Caesar(A)(B)Hier liegt auch begründet, dass lediglich natürlichePersonen einen Antrag auf Befriedung stellen können.Juristische Personen – beispielsweise Verbände, Gruppen,Stiftungen – haben grundsätzlich kein Gewissenund können daher auch keine ethischen Motive anführen.Der Entscheidung über den Antrag muss eine Anhörungvorausgehen. Die schützenswerten Belange desAntragstellers, Ablehnung der Jagd aus ethischenGründen, müssen in diesem Rahmen mit wichtigen Gemeinwohlbelangenund Interessen Dritter, insbesondereangrenzender Grundeigentümer abgewogen werden.Dazu gehören: Erhaltung eines artenreichen undgesunden Wildbestands, Schutz vor übermäßigen Wildschäden,Naturschutz und Landschaftspflege, Schutzvor Tierseuchen und die Abwendung von Gefahren fürdie öffentliche Sicherheit und Ordnung.Die Befriedung wird im Erfolgsfall des Antrags inder Regel räumlich und zeitlich beschränkt genehmigt.In jedem Fall ist die Befriedung an die Pachtlaufzeitgekoppelt. Die Entscheidungskompetenzen liegen vorOrt, in den Kreisen, bei den unteren Jagdbehörden.Hierzu duften wir in der Anhörung erfahren, dasswir mit dem Gesetzentwurf für die Entscheidungen aufBewilligung des Antrags einen guten Rahmenkalatogmitgeben. Neben der ohne Zweifel vorbildlichen Umsetzungdes Urteils ist in diesem Zusammenhang weiterhinFolgendes festzustellen: Das System der Jagdgenossenschaftenund das Reviersystem sind bewährt.Auch hier gaben die Sachverständigen uns recht. AndereLänder beneiden uns um dieses System.Das Reviersystem hat dazu geführt, dass die heimischenWildarten aufgrund des jagdlichen Artenschutzeserhalten wurden. Der Wildbestand wird so nachhaltigbejagt. Der Revierinhaber übernimmt einepersönliche Verantwortung für das Wildmanagement.Ein Flickenteppich in der Bejagung ist von uns nichtgewünscht. Und er wäre auch kontraproduktivhinsichtlich der Artenvielfalt und der Gesundheit desWildes.Die Zusammenfassung von einzelnen Grundstückenin der Jagdgenossenschaft ist zur Verwirklichung derHegeziele zwingend. Wild macht nicht an Grundstücksgrenzenhalt. Daher sind die Auswirkungen vonHegemaßnahmen auch nicht auf das einzelne Grundstückzu beschränken. Gesetzlich zu regeln war in diesemZusammenhang auch die Frage der Haftung. Aufbefriedeten Flächen kann Wild sich einen Rückzugsraumschaffen. Diese Rückzugsräume können auswildbiologischer Sicht sinnvoll sein. Wo dies der Fallist, gibt es sie auch.Keinesfalls können aber ethische Gründe dafür entscheidendsein, wo ein wildbiologisch geeigneterRückzugsraum zu finden ist. Hierzu haben wir Folgendesin den Gesetzesvorschlag aufgenommen: Eigentümerbefriedeter Bezirke sollen zur Wildschadenshaftungin ihrem Jagdbezirk verpflichtet werden.Dies wurde von der großen Mehrheit der Sachverständigenals angemessen bewertet. Denn das Grundstückbildet genauso einen Lebensraum für das Wildwie die bejagten Grundstücke im Jagdbezirk. Auch sahendie Sachverständigen in der Frage der Haftungder Eigentümer des befriedeten Bezirks keine unverhältnismäßigenHürden für die Wahrnehmung derGrundrechte. Auch und vor allem die Jagdausübungunserer Jäger wird über Deutschlands Grenzen hinauspositiv bewertet.Der Dank der Union, aber auch mein ganz persönlicherDank gilt unseren Jägern für ihre vorbildlicheHege, den Jagdgenossenschaften mit einem hohen Anteilan diesem aufwändigen Einsatz und den Eigentümern,darunter viele Land- und Forstwirte, für ihreauch gesamtgesellschaftlichen Leistungen.Besonders wichtig war es uns auch, das Zusammenspielvon Wald und Wild im Blick zu behalten. Hier habenwir bereits in der Waldstrategie 2020 einen Wegfestgelegt. Von uns wurde in der Waldstrategie formuliert:„Die Wildbestände sind so zu regulieren, dass einenatürliche Verjüngung aller Hauptbaumarten ohneZaun möglich wird. Die Abschusspläne sind im Hinblickauf das Management der Schalenwildpopulationenan die regionalen/örtlichen Gegebenheiten anzupassen.“Die Jagd dient einer nachhaltigen Forstwirtschaftim besonderen Maße. Einer der geladenen Sachverständigenin der öffentlichen Anhörung hat einen auchfür mich sehr interessanten Satz geprägt: „Jagd istDienstleistung am Wald.“ Wald und Wild gehören zusammen.Wald ist Lebensraum für viele Tierarten einschließlichder jagdbaren Arten. Im Bundesjagdgesetzist festgelegt, dass die Jagd einen gesunden, artenreichenWildbestand erhalten und seine Lebensgrundlagenpflegen und sichern soll.In den deutschen Wäldern sind Reh-, Rot- undSchwarzwild die flächenmäßig am häufigsten vorkommendenSchalenwildarten. Die Jagdstrecken bei diesenArten sind in den letzten 40 Jahren stark angestiegen,um drohende Verbissschäden im Wald und dieSchäden auf landwirtschaftlichen Flächen zurückzudrängen.Das Bundesjagdgesetz setzt einen klaren rechtlichenRahmen für die Erreichung der gesellschaftlichenZiele im Bezug auf Feld, Wald und Wild: DasWild ist zu hegen. Die Hege muss dabei so durchgeführtwerden, dass insbesondere Wildschäden möglichstvermieden werden. Mit dem vorliegendenGesetzentwurf, über den es nun abzustimmen gilt, istes gelungen, das Urteil des Europäischen Gerichtshofsfür Menschenrechte umzusetzen, die Bewahrung desEigentums zu schützen, Tierseuchen vorzubeugen, einervorbildlichen Hege weiterhin den Weg zu ebnenund damit die umfangreiche Artenvielfalt weiter zuschützen.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28092 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Petra Crone (SPD):Wer die Jagd als politischen Inhalt anpackt, dermerkt schnell, was für ein heißes Eisen er da in derHand hält. Da fliegen die Blattschüsse meist in indirektenstatt in direkt geführten Diskussionen nur so hinund her. Von „Befriedigung der Mordlust“ von Jägernist da die Rede, und Jagdgegnern wird im Internet angedroht,dass ihre Schonzeit vorbei sei. Es sind solcheFormulierungen, die eine bestimmte Haltung suggerierenund Missverständnisse provozieren. Die Debatteum die Jagd wird höchst emotional geführt. Ichhabe selten politische Inhalte erlebt, die so stark polarisierenwie die Debatte zwischen Jagdgegnern undJagdfreunden. Emotionen machen eine vernünftigeDiskussion aber unmöglich.Ich halte nichts von solch einer Kategorisierung,und ich pflege auch keine Gegnerschaft oder garFeindbilder. Es bringt doch nichts, wenn eine Meutedie andere hetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion willauch in der Jagdpolitik eine an der Sache orientiertePolitik machen. Wir wollen nicht der schnellen Versuchungder Polarisierung erliegen. Als zuständige Abgeordnetehöre ich zunächst einmal zu und setze michmit gegenläufigen Positionen auseinander. Und ichgebe offen zu, dass sich in der Positionierung der SPDzur Jagd in den letzten Jahren einiges gewendet hat,wie ich finde zum Positiven.Grundsätzlich: Die SPD will die Jagd nicht abschaffenund setzt auch weiterhin auf das Reviersystem.Über alles andere können und müssen wir reden.Jäger übernehmen Verantwortung für Mensch und Natur.Naturschutz, wie wir ihn in einer vom Menschengehegten und gepflegten Kulturlandschaft verstehen,braucht den Jäger. Das unterschreibt die SPD-Bundestagsfraktionsofort.Wir sind allerdings sehr dafür, dass auch die Jägermit der Zeit gehen. Eine Gruppe innerhalb einer Gesellschaft,die auf Tradition beharrt und ihre Passiondem gesellschaftlichen Wandel nicht anpassen will,bleibt zurück. Wer heute noch jagen will wie zu KarlMays Zeiten, mag sich als Romantiker sehen. Tatsächlichzieht er vielfach den Zorn von Bürgerinnen undBürgern auf sich.Einer dieser Bürger hat vor dem Europäischen Gerichtshoffür Menschenrechte, EGMR, gegen die BundesrepublikDeutschland geklagt. So war die Bundesregierungdurch das Urteil vom 26. Juni 2012 desEGMR gefordert. Nach deutschem Recht ist jeder Besitzerkleiner Wald- und Flurstücke bis 75 HektarZwangsmitglied in einer Jagdgenossenschaft. DasEGMR-Urteil besagt, dass keiner die Jagd auf eigenemLand dulden müsse. Die Pflicht zur Duldung derJagd ist unvereinbar mit der europäischen Konventionzum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten.Nach Ansicht des Gerichtshofes verstößt die Mitgliedschaftin der Jagdgenossenschaft gegen den Schutz desEigentums, der in der Konvention verankert ist.Nach dem Urteil galt es für den Gesetzgeber sowohlzwischen den Bedürfnissen der Gemeinschaft und derethischen Überzeugung des Grundstücksbesitzers alsauch zwischen den Interessen des Jagdfreunds und desJagdgegners abzuwägen. Keine leichte Aufgabe unterden zuvor skizzierten Bedingungen! In Straßburg hatdie Bundesrepublik verloren, und so war es folgerichtig,dass hier der Bundesgesetzgeber die Fäden in dieHand nimmt und für alle 16 Bundesländer eine einheitlicheRegelung schafft. Der vorliegende Gesetzentwurfzur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften zeigtLösungen auf, die den unterschiedlichen Belangen entsprechen.Das war auch der Tenor der Sachverständigenin der Anhörung am 20. Februar 2013 im ELV-Ausschuss. Daher wird die SPD-Bundestagsfraktiondiesem Gesetzentwurf zustimmen.Die Einzelheiten der Umsetzung werden sich in derPraxis zeigen, und ja, notfalls auch auf dem rechtsstaatlichenWeg. Ich setze bei den nun anlaufendenVerfahren zur Befriedung von Flächen auf Verständigungund Kooperation unter allen Beteiligten. Es istwichtig, dass die ethische Befriedung der Jagd ermöglichtwird. Und es muss ebenfalls möglich sein, eineBefriedung im Interesse des gemeinschaftlichen Wohlszu untersagen bzw. einzuschränken. Die SPD-Bundestagsfraktionhat Vertrauen in die Arbeit der Oberstenund Unteren Jagdbehörden der Länder. Sie werden ihrerVerantwortung gerecht werden. Daher war es unsein Anliegen, zur Anhörung einen Vertreter der Landesbehördevon Mecklenburg-Vorpommern einzuladen.Die Bundesregierung hat einen passablen Entwurfvorgelegt; es liegt aber nun bei den Frauen undMännern in den Behörden, diesen umzusetzen. Wirweisen ihnen damit keine behagliche Aufgabe zu.Viele Fragen bleiben auch nach der Anhörung imAusschuss offen: Wie geht es generell weiter mit demBundesjagdgesetz? Für die SPD-Bundestagsfraktionmuss sich eine zeitgemäße und naturnahe Jagd an ökologischenPrinzipien ausrichten und den Erfordernissendes Tierschutzes gerecht werden. Nur auf diesemWeg verleihen wir ihr die dringend nötige gesellschaftlicheAkzeptanz. Wir müssen hinsichtlich der jagdlichenAnforderungen bundeseinheitliche AusbildungsundPrüfungsstandards bei der Schießausbildungimplementieren und sicherstellen, dass die Schießfertigkeitauch nach der Jägerprüfung fortbesteht undhinreichend erhalten wird. Wer in 14 Tagen einenJagdschein ablegt, ist doch meilenweit von den Kenntnissenund Fähigkeiten eines Berufsjägers nach dreijährigerAusbildung entfernt. Diese Angebote sind gefährlich.Ein bundesweites Verbot bleihaltiger Munition stehtebenfalls noch aus. Die Bundesregierung ist weiterhinin der Verantwortung, das Bundesjagdgesetz zu modernisieren.Es ist nur recht und billig, das Jagdrechtim Interesse von Mensch und Tier dem gesellschaftlichenWandel anzupassen.Wir brauchen darüber hinaus einen ambitioniertenjagdpolitischen Dialog, der vom Bund angestoßen und(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28093Petra Crone(A)(B)geleitet wird. Warum nutzen beispielsweise noch nichtalle Länder ihre Spielräume nach der Föderalismusreformin den Landeswaldgesetzen so vorbildlich wieRheinland-Pfalz? Weshalb ist der Zaunbau offensichtlichimmer noch lohnender als eine Bejagung, dieWald mit Wild zulässt? Auch mit anderen Landnutzernmuss gesprochen werden: Wer immer nur Monokulturenwie Mais auf dem Acker zulässt, braucht sich überdas Schwarzwild im Feld nicht zu wundern. Undweshalb gelingt es den Forstwirtinnen und den Forstwirtenin den staatlichen Forstverwaltungen immerweniger, ihre jagdlichen Aufgaben wahrzunehmen?Das alles sind hochspannende Fragen, zu deren Klärungwir auch in diesem Haus beitragen sollten.Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):Die Achtung der Eigentumsrechte ist Teil unsererGrundordnung. Der Europäische Gerichtshof fürMenschenrechte, EGMR, hat mit seinem Urteil vom26. Juni 2012 die Eigentumsrechte von Grundeigentümerngestärkt. Grundeigentümer können nach diesemUrteil die Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaftablehnen und ihre Grundstücke zum befriedeten Bezirkerklären lassen, in dem Jagd verboten ist, wenn sie fürdiese Entscheidung ethische Gründe glaubhaft machen.Dieses Gerichtsurteil macht eine Änderung unseresJagdgesetzes erforderlich. Ich freue mich, dass unserGesetzentwurf bei der Beratung im Ausschuss eine soweitgehende Zustimmung auch vonseiten der Oppositionerfahren hat. Die Zustimmung entspricht dem Ergebnisder Anhörung. Sie ist Ausdruck der Einsicht derüberwiegenden Mehrheit im Deutschen Bundestag indie Notwendigkeit der Jagd.Wir leben in einer Kulturlandschaft, die weitgehendvon den menschlichen Ansprüchen an die Natur geprägtist. Wir beobachten, dass in vielen Regionenhohe Wildbestände dazu führen, dass in den Wäldernjunge Forstpflanzen geschädigt und in der LandwirtschaftWiesen und insbesondere Maisbestände in Teilendurch Wildschweine zerstört werden. Die hohe Wilddichteführt angesichts zerschnittener Lebensräume zueiner hohen Zahl von Unfällen mit Wildtieren. DieZahl der pro Jahr im Straßenverkehr verendeten Wildtiereliegt im Schnitt der Jahre bei etwa 240 000. Daruntersind etwa 200 000 Rehe. Nach Angaben desADAC wurden etwa 2 800 Menschen bei Wildtierunfällenverletzt; etwa 10 starben.Deshalb können Wildtierbestände bei uns nicht sichselbst überlassen werden, wie dies in unbewohnten Regionenin Sibirien oder Kanada möglich ist. Bei uns istein Wildtiermanagement erforderlich. Eine nachhaltigeund sachgerechte Waldbewirtschaftung ist nur mitangepassten, durch Jagd und Hegemaßnahmen reguliertenTierbeständen möglich.Vor diesem Hintergrund gilt es, das Gerichtsurteildes EGMR angemessen und unter Berücksichtigungder verschiedenen Interessen in deutsches Recht umzusetzen.Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ermöglichtes Grundstückseigentümern auf Antrag, ihrGrundstück zum befriedeten Bezirk erklären zu lassen,das von der Jagd ausgenommen wird, und trägt gleichzeitigder Tatsache Rechnung, dass das Ruhen derJagd auf einzelnen Flächen Auswirkungen auch aufandere Betroffene und die Natur haben kann. Der Entwurfstellt zu Recht fest, dass wildbiologisch gesehendas Risiko von Wildschäden durch erhöhte Wildbeständebei einer Zunahme der befriedeten Flächen ansteigt.Der vorgelegte Gesetzentwurf wahrt die Balancezwischen den Interessen von Grundeigentümern, diedie Jagd aus ethischen Gründen ablehnen, und den Interessender Allgemeinheit. Dies haben die Expertenaus Wissenschaft, Umwelt- und Jagdverbänden in derAnhörung der Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz einhellig bestätigt. DieHürden für eine Befriedung von Grundstücken ausethischen Gründen sind hoch, aber sie sind nachvollziehbarund gut begründet. Die Eigentumsrechte Dritterwerden ebenso wie Seuchen- und Tierschutzaspekteoder Belange des Naturschutzes gegenüber den Vorgabendes EGMR angemessen berücksichtigt. Das sindkeine leeren Floskeln. Wildschweine zum Beispiel bildenein Reservoir für die Schweinepest, einer gefährlichenViruserkrankung bei Schweinen. Weiterhin isteine finanzielle Beteiligung der Grundstückseigentümer,die auf ihren Flächen keine Jagd dulden wollen,rechtlich geboten. Damit wird dem Antragsteller dieWahrnehmung seiner Menschenrechte nicht verbaut.Die Beteiligung soll sicherstellen, dass dadurch die– grundrechtlich geschützten – Rechte Dritter und dasüberwiegende Interesse der Allgemeinheit gewahrtwerden.(C)(D)Uns ist bewusst, dass es Menschen gibt, die die Jagdtotal ablehnen. Aber ist diese Haltung ethisch wirklichverantwortbar? Ich bitte diese Menschen, sich überWildschäden zu informieren und Vorschläge zu machen,wie diese anders als durch Bewirtschaftung derWildbestände – ein Instrument ist die Jagd – vermiedenwerden können.Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vollzieht völligüberraschend in ihrer Waldpolitik eine vollständigeKehrtwendung. Bisher ist sie für die natürliche Sukzessionim Wald eingetreten. Voraussetzung dafür sindwaldgerechte Wildbestände. Das ist vorbei. Vor demHintergrund des Gerichtsurteils des EGMR hat siediese Position verlassen. Sie will laut ihrem Entschließungsantragdie für eine Befriedung erforderlichenBedingungen deutlich aufweichen und damit Jagd erschweren.Das Ziel waldgerechter Wildbestände hatsie aus den Augen verloren. Das ist Opportunismus gegenüberJagdkritikern und sachlich nicht zu begründen.Dies gilt insbesondere für ihre Forderung, juristischenPersonen und Eigenjagdbesitzern das Recht zurBefriedung aus ethischen Gründen zu gewähren. Eserschließt sich außerdem nicht, wie juristische Personen,also Gemeinden, Stiftungen oder Vereine ethischeBeweggründe glauben machen wollen. Ein Gewissenhaben nur natürliche Personen. Ist es das Ziel derZu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28094 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Christel Happach-Kasan(A)(B)Grünen, dass künftig jeder Gemeinderat oder jedeStadtverordnetenversammlung Jagd auf ihren Flächenverbieten kann? Der Vorschlag der Grünen begünstigtWald-Wild-Konflikte und ist aus Umwelt- und Naturschutzgründenvöllig abwegig.Die FDP stimmt dem Gesetzentwurf zur Änderungdes Jagdgesetzes zu. Wir lehnen den argumentativ wenigüberzeugenden Änderungsvorschlag ab.Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE):Die Linksfraktion steht für eine naturnahe Waldbewirtschaftung.Das gilt sowohl für die Forstwirtschaftals auch für die Jagd. „Jagd ist Dienstleistung amWald“, hat der Sachverständige Dietrich Mehl von derArbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft inder Anhörung zur Novelle des Bundesjagdgesetzes am20. Februar 2013 gesagt. Das sehe ich auch so.Die Linke will aber keine Jagd als elitäres Vergnügenbetuchter, älterer Herren, obwohl sie das manchmalist. Wir wollen, dass die Jagd im Interesse des Gemeinwohlsund tierschutzgerecht ausgeübt wird, voneiner Jägerschaft, die breit in der Gesellschaft und inden Dörfern und kleinen Städten verankert ist und dieihre jagdliche Funktion als Teil des Ökosystems Kulturlandschaftdefiniert, in dem der Mensch große Beutegreiferwie Wölfe, Braunbären oder Luchse nahezuausgerottet hat.Um das Ziel einer naturnahen Waldbewirtschaftungzu erreichen, müsste sich an der Jagdpraxis und teilweiseauch den gesetzlichen Grundlagen einigesändern. Ob dies besser auf Bundes- oder auf Landesebenezu ändern ist, da scheiden sich die Waldgeister.Vermutlich liegt die Wahrheit wie so oft in der Mitte:Manches sollte auf Bundes- und anderes kann aufLandesebene geregelt werden.Es gäbe jedenfalls viele Gründe für eine umfassendeNovelle des Bundesjagdgesetzes. Leider ist derGesetzentwurf kein umfassender Reformansatz, sondernlediglich eine notwendige Umsetzung eines Gerichtsurteils.Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte,EGMR, entschied am 26. Juni 2012, dass Bodeneigentümerinnenund -eigentümern die Möglichkeit eingeräumtwerden muss, das Jagen auf ihrem Grundstückverbieten zu können. Nach Ansicht des Gerichtes verstößtdie aktuelle deutsche Gesetzgebung gegen Art. 1<strong>Protokoll</strong> Nr. 1 (Schutz des Eigentums) der EuropäischenMenschenrechtskonvention. Eigentümer vonGrundstücken unter 75 Hektar sind automatisch Mitgliedin einer Jagdgenossenschaft und müssen bisherdie Jagd auf ihren Flächen dulden, auch wenn sie dasnicht wollen. Entgegen der Hoffnung einiger HundertJagdgegnerinnen und -gegner, die sich in den vergangenenWochen per Mail auch an mein Büro gewandthaben, begründet das Urteil des EGMR kein Recht aufBefriedung.So oder so muss das EGMR-Urteil natürlich indeutsches Recht umgesetzt werden, und wir können inZukunft von einigen jagdfreien Flächen ausgehen.Die Linke respektiert selbstverständlich dieseRechtslage. Wer Jagd aus ethischen Gründen ablehnt,muss die Möglichkeit haben, diese auch mit in dieWaagschale zu werfen. Allerdings gibt es weitere Betroffenevon dieser Entscheidung. Das ist auch in derAnhörung diskutiert worden. Dabei geht es nicht nurum die Flächenbewirtschafter wie Land- oder Forstwirtschaft,sondern – und für uns als Linke besonderswichtig zu berücksichtigen – auch um das Gemeinwohl.Eigentum muss nach Art. 14 des Grundgesetzeszum Gemeinwohl verwendet werden. Das ist eine dersogenannten Ewigkeitsklauseln unserer Verfassung.Um diesen Zielkonflikt zu entschärfen, brauchenwir eine bessere gesellschaftliche Legitimation derJagd. Denn die Ablehnung der Jagd hat ja teilweiseauch mit berechtigter Kritik zu tun. Und wahr ist jaauch, dass trotz Jagd die Schalenwildbestände – Rehe,Hirsche, Wildschweine – vielerorts historisch hochsind. Die Ursachen dafür müssen ebenso sachlich diskutiertwerden wie wildbiologisch begründete Maßnahmenzur Lösung des Problems. Dabei kann eine effektiveJagd auch nur ein Baustein in einer vielfältigenStrategie sein.Jagdfreie Grundstücke sollten eine begründete Ausnahmesein. Sie erschweren eine wirkungsvolle, naturnaheBejagung und damit auch eine naturnahe Waldbewirtschaftung.Beispielsweise werden Drückjagdendurch befriedete Flächen in den Revieren erheblichschwieriger und unsicherer. Weder großflächige nochein Mosaik aus vielen jagdfreien Flächen dienen einernaturnahen Waldbewirtschaftung. Die flächendeckendeBejagung macht Sinn, auch wenn sowohl ihre Ausübungals auch die damit einhergehende Jagdkulturhier und da kritisierenswert sind. Über berechtigteKritik muss dringend gesprochen werden. Daher habenwir auch die Anhörung zum Gesetzentwurf imAgrarausschuss des Bundestages zusammen mit derSPD und den Grünen beantragt.Die Linksfraktion hat sich bereits vor einigen Wochenintensiv mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt.So haben wir zum Beispiel in einer Kleinen Anfragedie Bundesregierung zur Änderung jagdlicherVorschriften befragt (vergleiche Bundestagsdrucksache17/11983 „Änderungen jagdrechtlicherVorschriften“). Die heute vorgeschlagenen Änderungsvorschlägezum Bundesjagdgesetz halte ich fürangemessen. Die Ablehnung der Jagd aus ethischenGründen steht nun einmal Gemeinschaftsinteressenwie Waldumbau, Arten- oder Tierschutz gegenüber.Damit wird den Behörden eine Interessenabwägung indie Hände gelegt. Diese ist vor allem dann sorgfältigdurchzuführen, wenn einerseits mehrere Anträge in einemRevier vorliegen oder andererseits die herauszunehmendeFläche von zentraler Bedeutung für diejagdliche Funktionalität des Revieres ist. Dass nur natürlichePersonen antragsberechtigt sind, halte ich für(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28095Dr. Kirsten Tackmann(A)(B)angemessen. Die ethische Entscheidungsgrundlage juristischerPersonen wäre nur sehr schwer zu belegen.Gegebenenfalls muss dies juristisch entschieden werden.Die Linksfraktion stimmt dem Gesetzentwurf derBundesregierung zu. Wir hätten gerne noch den Vorschlagdes Bundesrates zum unbeabsichtigten Überjagender Hunde aufgenommen, doch dies lässt sich jagegebenenfalls bei der nächsten Novelle des BJagdGnachholen. Und diese sollte deutlich umfassender seinals die heutigen Änderungen. Bis dahin müssen wirweiter über die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltenenWildtierfütterungsverbote oder Veränderungenbei den Jagd- und Schonzeiten debattieren.Wieso die grüne Fraktion diesen Gesetzentwurf ablehnt,ist mir unverständlich, unterstützt er doch dasZiel einer naturnahen Waldbewirtschaftung, die ihrsonst so wichtig ist. Gleichzeitig kritisiert sie, dass zurAnhörung keine Tierschutzverbände eingeladen wurden.Die Expertinnen und Experten für die Anhörungenwerden aber nach Größenproporz von den Fraktionenbenannt. Die grüne Fraktion hatte es also selbstin der Hand, einen Tierschutzverband zu benennen.Sich öffentlich nun über das Fehlen zu empören, istscheinheilig.Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ich bin keine Jagdgegnerin, sondern ich stehe aufdem Standpunkt, dass eine effektive Jagd insbesondereim Interesse einer naturnahen Waldwirtschaft, aberauch der Landwirtschaft in Deutschland aktuell erforderlichund legitim ist. Trotzdem bin ich der Meinung,dass das EGMR-Urteil zur Zwangsmitgliedschaft inJagdgenossenschaften zu achten und ohne Wenn undAber und ohne den Versuch umzusetzen ist, es insLeere laufen zu lassen. Und gleichzeitig bin ich derMeinung, dass die Landnutzung in Deutschland diesesStück Liberalisierung des Jagdrechts vertragen würde.Der von der schwarz-gelben Bundesregierung vorgelegteGesetzentwurf jedoch dient, das ist sehr offensichtlich,in erster Linie dem Interesse, eine flächendeckendeBejagung sicherzustellen und den Jagdgegnerndeshalb die ethische Befriedung ihrer Grundstückeund damit die Wahrnehmung ihrer Grund- und Menschenrechteso schwer wie möglich zu machen. DerParlamentarische Staatssekretär Peter Bleser wurdemit dem – in einem Gespräch mit einer Jagdgegneringeäußerten – Satz zitiert, genau das sei auch die Absichtder Bundesregierung. Mir ist nicht bekannt, dasser das mittlerweile dementiert hätte.Was wir im Einzelnen kritisieren: Befriedungsanträgeaus ethischen Gründen können unter Verweis aufvielfältige Gründe abgelehnt werden, und unter Verweisauf ebenso vielfältige Gründe kann Zwangsbejagungangeordnet werden. Eigenjagdbesitzer sind vomGesetz ausgenommen, auch wenn sie verpflichtet sind,Abschusspläne einzuhalten. Ebenfalls haben juristischePersonen kein Recht, Befriedungsanträge zu stellen,auch wenn ihre Vereins- oder Stiftungssatzung eindeutigeAussagen zur Ablehnung der Jagd enthält. Dasdürfte beispielsweise für die Mitglieder einer Religionsgemeinschaft,deren Glauben die Ablehnung vonJagd beinhaltet, oder eines Tierschutzvereins genausounzumutbar sein wie für jeden einzelnen Jagdgegnermit ethischen Vorbehalten. So bleiben die ethisch befriedetenGrundstücke weiter Teil des Jagdbezirks, undihre Eigentümer müssen weiter für Wildschäden im gesamtenJagdbezirk haften, obwohl sie in der Jagdgenossenschaftkeine Rechte mehr ausüben können.Es ist offensichtlich, dass diese Regelungen denJagdgegnern reichlich Möglichkeiten für Klagen bieten.Und die werden sie mit absoluter Sicherheit nutzen.Das Thema Befriedung wird die Jägerschaft undden Tierschutz noch sehr lange beschäftigen, und ichbin mir sicher, dass die Jagdgegner weitere juristischeErfolge erringen werden.Am wahrscheinlichsten sind diese bei einer Regelung,die ich mir kaum hätte ausmalen können: So wirdlaut Gesetzentwurf die ethische Befriedung erst zumEnde des laufenden Jagdpachtvertrags in Kraft treten.Dabei beträgt die gesetzliche Mindestpachtzeit fürJagdpachtverträge neun Jahre. Wer bei besonders langerWartezeit von der vorgesehen AusnahmeregelungGebrauch machen möchte, muss die Jagdgenossenschaftentschädigen. Dass hier nicht einfach geregeltwurde, dass die Befriedung zum Ende des laufendenJagdjahres in Kraft tritt, und die befriedete Flächedann aus dem Pachtpreis herauszurechnen ist, machtdie Intention dieses Gesetzentwurfes deutlich.Auch wenn es im Interesse aller Beteiligten ist, dassdas EGMR-Urteil zeitnah umgesetzt wird, halte ich esnicht für einen guten parlamentarischen Stil, dass dieKoalition über den Gesetzentwurf ohne vorherige parlamentarischeBeratung entscheiden wollte. So habenwir als Oppositionsfraktionen eine Anhörung im Ausschusserzwungen. Eine Anhörung kann eine parlamentarischeDebatte aber nicht ersetzen, sondern nurergänzen, weil eine Anhörung den Abgeordneten letztlichnur Fragen erlaubt, aber keinen Raum fürausführliche Stellungnahme bietet. Trotz der recht einseitigenZusammensetzung der Sachverständigen – eswaren nur Sachverständige aus der Jägerschaft vertreten– wurden einige Schwachpunkte des Gesetzentwurfesdeutlich. So lässt dieser Gesetzentwurf zum Beispieldie Landwirte, die Flächen in ethisch befriedetenBezirken gepachtet haben, im Ungewissen darüber, obund von wem sie gegebenenfalls Wildschadensersatzerhalten. Der Gesetzentwurf schweigt sich zu dieserFrage aus. So wird es auf die Interpretation andererFormulierungen ankommen.Die Regelung, dass Grundeigentümer ethisch befriedeterBezirke keinen Wildschadensersatz geltendmachen können – was selbstverständlich eine richtigeRegelung ist, – scheint den Landwirten die Möglichkeitzu eröffnen, ihre Wildschäden weiterhin gegenüberder Jagdgenossenschaft bzw. dem Jagdpächtergeltend machen zu können. Dass diese das akzeptierenwerden, ist jedoch mehr als fraglich; denn der(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28096 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Cornelia Behm(A)(B)Jagdausübungsberechtigte hat ja keinerlei Möglichkeit,die Wildschäden auf diesen Grundstücken mitjagdlichen Mitteln zu verhindern. Warum soll er dannfür diese Wildschäden haften? Hier werden voraussichtlichdie Gerichte das letzte Wort haben. MehrereSachverständige haben daher bei der Anhörung zuRecht für die Wildschäden von Landpächtern eineklare Regelung angemahnt. Aus unserer Sicht wäre esnach dem Verursacherprinzip sachgerecht und notwendiggewesen, zu regeln, dass der Grundeigentümerethisch befriedeter Bezirke gegenüber dem Landpächterfür Wildschäden haftet, sofern im Landpachtvertragnichts anderes vereinbart ist. Denn er ist es, derdie Entscheidung über die Befriedung des Grundstückeszu verantworten hat.Angesichts dieser genannten und zahlreicher andererunzureichender Regelungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeitdazu führen, dass das Gesetz beklagtund die Umsetzung des EGMR-Urteils deshalb für längereZeit infrage gestellt ist, lehnen wir Grünen denGesetzentwurf ab.Vizepräsidentin Petra Pau:Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehltin seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache17/12529, den Gesetzentwurf der Bundesregierungauf den Drucksachen 17/12046 und 17/12302 anzunehmen.Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmenwollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen?– Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf istdamit in zweiter Beratung angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurfist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen,der SPD-Fraktion, der Fraktion DieLinke gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, nehmen wirdie Reden zu <strong>Protokoll</strong>.Reinhard Grindel (CDU/CSU):Dieser Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünenzeigt Ihre ganze Doppelzüngigkeit, man kann auch sagen,Verlogenheit in der Ausländerpolitik. Seit Wochenbestürmen uns gerade rot-grün regierte Städte, dasswir ihnen seitens des Bundes helfen, mit der ungesteuertenZuwanderung von Ausländern fertigzuwerden.Es sind gerade auch grüne Sozialdezernenten, die aufunhaltbare Zustände in Wohnungen, auf Integrationsproblemevon Kindern und wachsende Probleme imBereich des Ordnungs- und Strafrechts hinweisen.Während uns diese Hilferufe von rot-grün regiertenStädten erreichen, bringen Sie hier einen Gesetzentwurffür eine ungesteuerte Zuwanderung von türkischenStaatsangehörigen in den Deutschen Bundestagein. Das ist unter dem Gesichtspunkt der Integrationnicht nur widersprüchlich zu den Forderungen IhrerKollegen in den Städten und Kommunen, sondern es istden bereits bei uns lebenden türkischen Mitbürgerngegenüber völlig verantwortungslos.Sie verhindern eine erfolgreiche Integrationspolitik,wie sie CDU/CSU und FDP jetzt seit einigen Jahrenauf den Weg gebracht haben, und wollen zurück zu denZeiten von rot-grünen Bundesregierungen, als wir Parallelgesellschaftenhatten, als wir eben gerade keineIntegration hatten und viele Probleme, die nicht zuletztauch dazu geführt haben, dass unsere deutschen Mitbürgeres an Aufnahmebereitschaft haben fehlen lassen.Wir werden in den kommenden Wochen und Monatenmit den Menschen in den von ungesteuerter Zuwanderungbetroffenen Städten intensiv darüber redenmüssen, ob wir, wie SPD und Grüne hier im DeutschenBundestag, uns weiter hilflos einer ungesteuerten Zuwanderunggegenübersehen, oder ob wir endlich handelnund geeignete Maßnahmen ergreifen, um Integrationspolitikerfolgreich in Deutschland durchsetzen zukönnen und ungesteuerte Zuwanderung zu verhindern.Das ist die Alternative, um die es auch in den kommendenMonaten geht.Es ist abenteuerlich, dass Sie jetzt mit der Krückedes EU-Assoziationsabkommens mit der Türkei versuchen,zahlreiche ideologische Vorstellungen zu verwirklichen,die wir hier bei anderer Gelegenheit imDeutschen Bundestag schon mehrfach abgelehnt haben.Ich weise mit allem Nachdruck zurück, wenn dieGrünen den Mitarbeitern unserer Ausländer- und Ordnungsbehördenunterstellen, dass sie, wie es in der Begründungzu Ihrem Gesetzentwurf heißt, unwillig sind,Erfordernisse des Assoziationsabkommens umzusetzen.Das Gegenteil ist wahr. Selbstverständlich ist dasAssoziationsabkommen mit der Türkei im Aufenthaltsgesetzumfassend berücksichtigt worden, und es wirdtäglich von unseren Behörden auch angewandt. Außerdemgibt es zu Fragen des Assoziationsrechts regelmä-(C)(D)Erste Beratung des von den Abgeordneten MemetKilic, Josef Philip Winkler, Dr. Konstantin vonNotz, weiteren Abgeordneten und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Klarstellung desassoziationsrechtlichen Rechtsstatus Staatsangehörigerder Türkei im Aufenthalts-, Beschäftigungserlaubnis-und Beamtenrecht– Drucksache 17/12193 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss (f)Auswärtiger AusschussRechtsausschussAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28097Reinhard Grindel(A)(B)ßig bei der Besprechung der Ausländerreferenten desBundes und der Länder einen ausführlichen Abstimmungsprozess.Neben ständigen informellen Kontaktenauf Arbeitsebene findet zu diesem Thema ein Erfahrungsaustauschder Ausländerbehörden großerStädte und der Zuständigen in den Innenministerienvon Bund und Ländern statt. Auch hier ergaben sichniemals Anzeichen für Probleme bei der Umsetzungdes Assoziationsrechts.Hinzu kommt, dass Sie hier mit Ihrem Antrag Regelungenim Aufenthaltsrecht durchdrücken wollen, diesich überhaupt nicht aus den Urteilen des EuropäischenGerichtshofs ergeben und schon gar nicht dafürerforderlich sind. Sie fordern zum wiederholten Mal,dass wir den Zuzug von Ehegatten zu Ausländern nachDeutschland nicht mehr davon abhängig machen, dasseinfache Deutschkenntnisse beherrscht werden. Ichhabe es Ihnen schon neulich im Innenausschuss versuchtklarzumachen. Reden Sie einmal mit den Leiternder Goethe-Institute in vielen Ländern der Welt! Siehaben immer wieder bestätigt, dass das Erlernen derdeutschen Sprache vor der Übersiedlung nach Deutschlandgroßen Wert gerade für Frauen hat. Wir stärkenFrauen, wenn wir sie überhaupt erst einmal in dieLage versetzen, ihr Recht in die Hand nehmen zu können,wenn sie zu uns nach Deutschland kommen.Was nutzen bei der Frage der Zwangsverheiratungdie besten Beratungseinrichtungen, wenn es zum Beispieleiner Türkin eben schon an den Sprachkenntnissenmangelt, um überhaupt die Polizei anrufen zukönnen, wenn sie in Not ist, geschweige denn mit Mitarbeiterinnender Beratungsstelle reden zu können.Wir wissen gerade auch von den Experten der Goethe-Institute, dass es in einer Vielzahl von Fällen gelungenist, durch den Erwerb der Sprachkenntnisse und damitverbundenem Kontakt von Zwangsverheiratung betroffenerFrauen zu unseren Experten in den Goethe-Institutenzu verhindern, dass es tatsächlich am Ende zu einerÜbersiedlung nach Deutschland gekommen ist.Und wir wissen auch, dass es vielen jungen Frauen,gerade auch aus der Türkei, sehr gutgetan hat, dass sieeben in den Integrationskursen der Goethe-Instituteund vergleichbarer Einrichtungen nicht nur alleindeutsche Sprachkenntnisse erworben haben, sondernauch etwas erfahren über die Rechtslage, etwa dieGleichberechtigung von Mann und Frau in Deutschland,und auf den Lebensalltag in unserem Land gutvorbereitet werden.Wer wie die Grünen, die sich sonst immer so sehrfür die Gleichberechtigung von Mann und Frau undgerade gegen die Gewalt und die Einschränkungen derSelbstbestimmung von Frauen einsetzen, diesesSpracherfordernis beim Familiennachzug kippen will,der verhindert nicht nur den Start in einen erfolgreichenIntegrationsprozess, sondern er verhindert auch,dass Frauen gegenüber Zwangsverheiratung geschütztwerden, und er verhindert, dass Frauen informiert undmit mehr Selbstbewusstsein ihr Leben in Deutschlandbeginnen. Sie versündigen sich geradezu, wenn Sie aufdieses wichtige Integrationsinstrument verzichten wollen.Und, wie gesagt, mit dem EU-Assoziationsabkommenhat das schon gar nichts zu tun.Auch mit der Regelung zur Ehebestandszeit wirddas wichtige und legitime Ziel verfolgt, Zwangsheiratund Scheinehen entgegenzuwirken. Wenn Sie sich einmalmit dem Alltag in den Ausländerbehörden vertrautmachen würden, dann wüssten Sie, dass insbesonderedas Thema Scheinehen nach wie vor ein großes Problemdarstellt. Immer wieder erhalten wir Informationenüber die gleiche Praxis, die den Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern der Ausländerbehörden auffällt. TürkischeEhefrauen lassen sich schon wenige Tage nachVerstreichen der Ehebestandszeit von ihren Ehemännernscheiden und heiraten türkische Staatsangehörigein ihrer früheren Heimat, mit denen sie vorherschon einmal verheiratet waren.In einer ganzen Reihe von Fällen gibt es Indiziendafür, dass diese Ehefrauen niemals in Deutschlandgelebt haben, sondern sich immer in einer Lebensgemeinschaftmit ihren Ehepartnern in der Türkei befundenhaben. Dieses ganze Verfahren hat nur den Zweck,dass die Ehefrau, die ein unbefristetes Aufenthaltsrechtdurch die Verheiratung mit einem hier lebendenMann erhalten hat, ihren früheren und dann wieder geheiratetenEhemann nach Deutschland nachzieht. Sowird in vielen Fällen ein dauerhafter Aufenthaltsstatusin Deutschland erschwindelt. Mit der Senkung derEhebestandszeit leisten Sie einen Beitrag dazu, dasswir diesen Schwindel jetzt wieder öfter in den Ausländerbehördenhätten. Mit uns als CDU/CSU ist dasnicht zu machen. Und auch diese Frage der Ehebestandszeithat mit dem EU-Assoziationsabkommen genaugar nichts zu tun.Einen Beitrag zur massenhaften ungesteuerten Zuwanderungleisten Sie durch Ihre Forderung nach einerpraktischen Visumfreiheit für türkische Staatsbürger.Nichts anderes ist in Wahrheit der Inhalt und dieZielsetzung Ihres Antrags. Wir wissen, welchen enormenMigrationsdruck es in der Türkei gibt. Wir wissenauch, dass man in der Türkei in großen Familienverbändenzusammenlebt und es gerade auch in den wirtschaftlichbesonders problematischen Regionen derTürkei zahlreiche Menschen gibt, die, wenn auch nurentfernte, Verwandtschaft bei uns in Deutschland haben.Es bedarf keiner besonderen Phantasie, dass beieinem Wegfall der Visumpflicht für türkische Staatsangehörigesich viele von diesen auf den Weg nachDeutschland machen würden, nicht zu touristischenoder Besuchszwecken, sondern um hier auf Dauer zuleben und zu arbeiten. Gerade angesichts des ungesteuertenZustroms von Roma und Sinti und sonstigenBürgern aus Rumänen, Bulgarien und anderen EU-Ländern wäre eine solche Ballung von Problemen, dieuns integrationspolitisch vor eine nicht zu bewältigendeHerausforderung stellen, eine völlige Fehlentwicklung.Mit uns als CDU/CSU ist das nicht zu ma-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28098 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Reinhard Grindel(A)chen. Es gibt für eine solche Maßnahme auch garkeinen Bedarf.Wir haben etwa die Möglichkeiten von ausländischenArbeitnehmern, auf dem deutschen ArbeitsmarktBeschäftigung zu finden, erheblich ausgeweitet. Dasgilt auch und gerade für türkische Staatsangehörige.Wenn es auf unserem Arbeitsmarkt Bedarf für die Beschäftigungvon türkischen Arbeitnehmern gibt, kannder heute schon umfassend gedeckt werden. Das giltauch für die Aufnahme von selbständigen Tätigkeiten.Insofern gibt das geltende Recht schon jetzt alle Möglichkeitenfür diejenigen, die tatsächlich einen Beitragzu Wachstum und Beschäftigung unseres Landes leistenwollen, diesen auch verwirklichen zu können. Darüberhinaus haben die Bundesländer und auch derBund eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, umMenschen mit Migrationshintergrund den Zugang zumBeamtenverhältnis zu ermöglichen.Es ist integrationspolitisch völlig verfehlt, türkischeStaatsangehörige mit EU-Bürgern gleichzusetzen. Wirhaben ein Interesse daran, dass türkische Mitbürger,die erfolgreich einen Integrationsprozess durchlaufenhaben, sich an dessen Ende auch zu unserem Landdurch die Einbürgerung bekennen. Die EU und dementsprechendauch deren Staatsangehörige sind ebenetwas anderes als Länder, die außerhalb der EuropäischenUnion stehen, und insofern ist es abwegig, türkischeStaatsangehörige hier mit deutschen und EU-Bürgern sofort gleichstellen zu wollen.Es ist integrationspolitisch schon ausgesprochensinnvoll, dass wir auch in Zukunft erwarten, dass mandie deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, wenn man inunserem Land Beamter werden will.Der Antrag der Grünen ist integrationspolitischverfehlt. Er gefährdet in manchen Teilen auch die Sicherheitunseres Landes, und er passt vor allem angesichtsder ungesteuerten Zuwanderung, die wir in diesenTagen und Wochen erleben, überhaupt nicht in diepolitische Landschaft, und deshalb lehnen wir ihn alsCDU/CSU nachdrücklich ab.hörige … keine neuen Beschränkungen der Bedingungenfür den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.“Wenn die Kolleginnen und Kollegen der FraktionBündnis 90/Die Grünen im vorliegenden Antrag nunvortragen, dass Verschärfungen im Bereich der Familienzusammenführungwie die Einführung des Spracherfordernisses2007 für nachziehende Ehegatten gegendieses Verschlechterungsverbot verstoßen, stimmenwir dem zu.Auch wir wollen keine vom Assoziationsabkommenausdrücklich nicht gewollte nachträgliche Erschwerungder Familienzusammenführung für türkischeArbeitnehmer. An dieser Stelle sei die Anmerkung erlaubt,dass wir außerdem für die grundsätzliche Abschaffungdes Spracherwerberfordernisses für nachziehendeEhegatten sind, wie wir es in unseremGesetzentwurf zur Änderung des aufenthalts- und freizügigkeitsrechtlichenEhegattennachzugs, Drucksache17/8921, vorgeschlagen haben.Für ähnlich plausibel erachten wir die Begründung,dass das Gebot des Art. 13 ARB, keine nachträglichenVerschlechterungen oder Bedingungen für Arbeitnehmereinzuführen, dazu führen müsste, dass die erst mitdem Gesetz zur Bekämpfung von Zwangsheirat im Juni2011 eingeführte Verlängerung der Ehebestandszeitvon zwei auf drei Jahre für vom Assoziationsrecht Begünstigtekeine Anwendung finden kann. Im Übrigenerachte ich die Anhebung der Ehebestandszeit auf dreiJahre grundsätzlich für verfehlt. Ich kann nach wie vornicht erkennen, wie die Verlängerung der Bestandszeitvon zwei auf drei Jahre dazu führen soll, Zwangsehenzu verhindern. Eher scheint mir die Verlängerung dazugeeignet, die Zwangssituation von Menschen in nichtgewollten bzw. sich nicht bewährt habenden Ehen umein Jahr zu verlängern.Der Gesetzentwurf enthält des Weiteren Erleichterungenfür nachziehende Kinder bis 16 Jahre. Bis zumJanuar 1997 sei es so gewesen, dass Minderjährige biszur Vollendung des 16. Lebensjahres generell von demErfordernis eines Aufenthaltstitels befreit waren, bzw.ab 1990 immerhin noch Kinder unter 16 Jahren ausden europäischen Mitglied- und ehemaligen Anwerbestaaten.Diese Befreiung von der Notwendigkeit einesAufenthaltstitels wurde 1997 aufgehoben und stelle insofernfür Assoziationsberechtigte ebenfalls eine unzulässigeVerschlechterung dar.Die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis90/Die Grünen halten darüber hinaus Erleichterungenbei der Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnisund der Niederlassungserlaubnis durch das Assoziationsabkommenfür geboten. Außerdem fordern sieeine gesetzliche Klarstellung der Rechtsstellung vonAssoziationsberechtigten im Aufenthaltsgesetz sowieEinreiseerleichterungen für türkische Staatsangehörige,die in Deutschland eine selbstständige Tätigkeitausüben wollen.All diesen Vorschlägen stehen wir dem Grunde nachpositiv gegenüber. Wir halten es auch für notwendig(C)(B)Rüdiger Veit (SPD):Ziel des Assoziationsabkommens zwischen derEuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der RepublikTürkei vom September 1963 ist die Stärkung derHandels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen denVertragsparteien. In Art. 12 des Assoziationsabkommensheißt es: Die Vertragspartner vereinbaren „untereinanderdie Freizügigkeit der Arbeitnehmerschrittweise herzustellen.“ Eine wichtige Konkretisierungerfuhr das Assoziationsabkommen durch den Beschlussdes Assoziationsrates, ARB, vom September1980, der eine Reihe von Erleichterungen und Besserstellungentürkischer Arbeitnehmer vorsieht, zum Beispielbei der Familienzusammenführung und dem Aufenthaltsrecht.So heißt es in Art. 13 ARB, dass die Mitgliedstaatenund die Türkei für „Arbeitnehmer und Familienange-(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28099Rüdiger Veit(A)(B)und richtig, die Vereinbarkeit der geltenden Rechtslagemit dem Assoziationsabkommen zu überprüfen,und möchten den Kolleginnen und Kollegen von derFraktion Bündnis 90/Die Grünen danken, dass sie insofernhier die Initiative ergriffen haben.Die Kolleginnen von Bündnis 90/Die Grünen, derLinken und wir werden im Innenausschuss eine Anhörungzur vorliegenden Gesetzesvorlage beantragen.Ich schlage vor, die Anhörung abzuwarten, um dannbesser noch beurteilen zu können, ob die gefordertenÄnderungen assoziationsrechtlich zwingend sind.Serkan Tören (FDP):Im Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen lesenwir: „Die sich aus dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei unmittelbar ergebenden Rechte werden durchdiesen Entwurf explizit im deutschen Recht verankert.“Recht, das sich bereits unmittelbar aus dem Abkommenergibt, soll also explizit in einem Gesetz verankertwerden. Nehmen wir für einen Moment an, dassder Entwurf das tatsächlich umsetzen würde: Wiesogenau brauchen wir eine rechtliche Verankerung dessen,was längst Recht ist? Wieso sollten wir ein Gesetzverabschieden, wenn der Inhalt längst Gesetz ist?Sie sagen, es diene der Transparenz und der Rechtssicherheit,wenn wir Ihr Gesetz heute beschließen. Ichverspreche Ihnen: Mit diesem Gesetz bekämen wir genaudas Gegenteil: Intransparenz und Rechtsunsicherheit.Der assoziationsrechtliche Status von Türken inder EU ergibt sich unmittelbar aus dem Assoziationsabkommen.Das Assoziationsabkommen hat Vorranggegenüber dem nationalen Recht. Entscheidend seinwird also immer das Abkommen selbst und dessen Interpretationdurch den EuGH – das würde auch IhrGesetzentwurf nicht ändern. Streuen Sie also den Menschenkeinen Sand in die Augen! Ihr Vorschlag machtes für die Menschen nur verwirrender, definitiv nichteinfacher.Aber Ihr Gesetzentwurf umfasst nicht nur die Regelungendes Abkommens – und zwar selbst dann nicht,wenn wir die bisherige Rechtsprechung durch denEuGH noch hinzunehmen. Nein: Sie wollen sogar überEinzelfragen entscheiden, über die der EuGH selbstnicht entschieden hat. Sie stellen bloße Mutmaßungenan, wie der EuGH entscheiden würde. Solche Mutmaßungenaber können weit von den künftigen Entscheidungendes EuGH abweichen. Und wenn sie abweichen,wird das von Ihnen geplante Gesetz veraltet seinund nur noch Verwirrung stiften. Das kann niemandernsthaft wollen.Während Sie Symbolpolitik betreiben, hat die Koalitionaus CDU/CSU und FDP längst die Verbindungenzur Türkei gefestigt. Die Türkei ist einer unserer wichtigstenHandelspartner außerhalb der EU. Deshalbstreben wir im Rahmen des EU-Visadialogs mit derTürkei langfristig eine Visafreiheit an. Bereits jetzt habenwir die Einreisebestimmungen gelockert. So erlassenwir die Visagebühren für Kinder im Alter von biszu 12 Jahren und bei Jugendlichen im Alter bis zu25 Jahren, wenn sie im Rahmen eines zivilgesellschaftlichenAustausches über eine NGO nach Deutschlandreisen. Wir haben Mehrjahresvisa bis zu fünf Jahreneingeführt sowie ein Terminvereinbarungssystem, daseine schnellere Bearbeitung der Anträge ermöglicht.Anträge für Mitarbeiter von Unternehmen der Auslandshandelskammerkönnen sogar bei den Kammernselbst gestellt werden, wodurch eine persönliche Antragsstellungentfällt. Für weitere Verbesserungen setzenwir uns ein.Lassen Sie uns weiter Deutschland und die Türkei,aber auch die gesamte EU und die Türkei annähern.Dazu bedarf es jedoch Augenmaß und rechtliche Klarheit.Der Inhalt des Gesetzentwurfs von Bündnis 90/Die Grünen hingegen würde nur Verwirrung schaffen.Sevim Dağdelen (DIE LINKE):Anfang der Woche besuchte BundeskanzlerinMerkel die Türkei und traf den türkischen MinisterpräsidentenErdoğan und Staatspräsident Gül. Ihr Besuchsollte auch der Verbesserung der deutsch-türkischenBeziehungen dienen. Doch auch das beständige Beschwörender deutsch-türkischen Freundschaft undder engen Verbindungen zwischen der Bundesrepublikund der Türkei bleiben leere Worthülsen. Geradezuheuchlerisch wirkt es vor dem Hintergrund, dass dieBundesregierung türkischen Staatsangehörigen dieEinreise nach Deutschland durch die unrechtmäßigeund europarechtswidrige Praxis der Visumpflicht erschwertund für viele sogar verhindert. Insofern bietetder vorliegende Gesetzentwurf der Grünen die Gelegenheit,im Bundestag erneut über den skandalösenUmgang der Bundesregierung mit den Rechten türkischerStaatsangehöriger und über die Brüskierung desEuropäischen Gerichtshofs, EuGH, in diesem Zusammenhangzu debattieren.Bereits im Oktober 2011 hat die Linke einen Antragmit dem Ziel einer wirksamen Umsetzung des EWG-Türkei-Assoziationsrechtsin den Bundestag eingebracht.Vor allem geht es um die Beachtung der Verschlechterungsverboteim Assoziationsrecht, auch Standstill-Klauseln genannt. Vereinfacht gesagt bedeutet dies,dass jedwede Verschlechterung der Rechtslage undPraxis im Umgang mit türkischen Staatsangehörigenverboten ist, soweit damit in deren Rechte auf Beschäftigungbzw. in die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheiteingegriffen wird. Der EuGH hat in seinerRechtsprechung immer wieder betont, dass dieseVerschlechterungsverbote effektiv und umfassend anzuwendensind. Ständige Rechtsprechung ist, dassauch Aufenthaltsrechte und die Bedingungen der erstmaligenEinreise dem Verschlechterungsverbot unterfallenund dass zwischenzeitliche Lockerungen desRechts nicht mehr wieder zurückgenommen werdendürfen.Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestageshat auf meine Bitte hin eine umfangreicheAusarbeitung dazu angefertigt, in der der Frage nachgegangenwird, in welchem Ausmaß in Deutschland(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28100 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Sevim Dağdelen(A)(B)gegen verbindliches EU-Recht verstoßen wird. Dochobwohl die Rechtsprechung des EuGH und auch dieüberwiegende Kommentarliteratur recht eindeutigsind, verweigert die Bundesregierung aus politischenGründen die Rechtsprechung des EuGH und verletztdamit die betroffenen Menschen in ihren Rechten. Dasist ein unerhörter Vorgang und belegt auch die Bigotterieder Bundesregierung, die gerade gegenübertürkischen Staatsangehörigen nicht müßig wird, vorwurfsvolldie Beachtung von Recht und Gesetz einzufordern.Die Strategie der Bundesregierung ist klar: Manwill, solange es irgend geht, an Vorschriften festhalten,von denen man längst weiß, dass sie europarechtlichnicht haltbar sind. Denn würde die Bundesregierungdie einschlägige Rechtsprechung des EuropäischenGerichtshofs umsetzen, wäre dies das Eingeständnis,mit maßgeblichen aufenthaltsrechtlichen Verschärfungender letzten Jahre nicht nur faktisch Europarechtmissachtet zu haben, sondern auch gescheitert zu sein.So ist zum Beispiel die diskriminierende Regelung derSprachanforderungen beim Ehegattennachzug, auf dievor allem die CDU/CSU-Fraktion gedrungen hat, wegendes Verschlechterungsverbots auf türkische Staatsangehörigeeigentlich nicht anwendbar – also ausgerechnetauf die Gruppe nicht, auf die die Regelungabzielt. Wenn aber wichtige Regeln im Aufenthaltsrechtfür die größte Gruppe von Migrantinnen und Migrantenin Deutschland gar nicht gelten – für Unionsangehörigegelten sie ohnehin nicht –, dann drängtsich die Frage nach dem Gleichbehandlungsgrundsatzin Bezug auf alle anderen Migrantinnen und Migrantenauf. In letzter Konsequenz muss dies bedeuten, imBereich der Migrations- und Integrationspolitik einengrundlegenden Politikwechsel zu vollziehen, der nichtauf Gesetzesverschärfungen, Sanktionen und Zwangsetzt, sondern auf gleiche Rechte, aktive Förderungund soziale Inklusion. Dies ist zumindest der Ansatzder Linken.In mehr als einem Dutzend Kleiner Anfragen undzuletzt in einer Großen Anfrage hat meine Fraktion dieRechtsauffassungen der Bundesregierung in diesemBereich infrage gestellt. Dadurch ist nachlesbar, mitwelcher ideologischen Borniertheit und welchen juristischnur notdürftig bemäntelten Ausreden die Bundesregierungsich aus der Verantwortung stehlen will.Und wenn ihr die Argumente ausgehen, erklärt sie kurzerhand,sie sehe es nicht als ihre Aufgabe an, „in einenjuristischen Fachdisput einzutreten“. Dazu passt,dass sich im Jahr 2011 eine Richterin des EuGH sogaröffentlich über die mangelnde Rechtstreue mancherMitgliedstaaten der EU beim Assoziationsrecht beschwerte.Völlig inakzeptabel ist es auch, dass sich die Bundesregierungim Rahmen der Beantwortung unsererGroßen Anfrage unter Missachtung der Parlamentsrechtesogar geweigert hat, die Bundesländer zurAnwendungspraxis in Bezug auf die Verschlechterungsverbotedes Assoziationsrechts zu befragen. DieBundesregierung behauptet nämlich, dass für die Umsetzungund Beachtung des Assoziationsrechts „überwiegend“die Bundesländer zuständig seien. Das istmehr als fragwürdig, weil die Bundesregierung auchund gerade angesichts der föderalen Struktur der Bundesrepublikdafür Sorge tragen muss, dass verbindlichesEU-Recht in Deutschland effektiv umgesetzt wird.Doch diese Regierung erklärt, „keine Erkenntnisse“dazu zu haben, wie die Bundesländer das Assoziationsrechtund die Rechtsprechung des EuGH zu denVerschlechterungsverboten umsetzen. Es bleibt dabeiihr Geheimniss, woher sie dann eigentlich wissen will,dass es in der Praxis zu keinen Rechtsverstößen beimAssoziationsrecht kommt, die ein Eingreifen des Bundeserforderten. Die Argumentation ist aber auch in eineranderen Hinsicht widersprüchlich: Der Umstand,dass das Bundesinnenministerium Anwendungshinweisezum Assoziationsrecht erlassen hat und an einerÜberarbeitung dieser Hinweise arbeitet, zeigt deutlich,dass ein Vereinheitlichungsbedarf seitens desBundes gesehen und für notwendig erachtet wird.Dass es bundeseinheitliche Vorgaben geben muss– sei es durch Anwendungshinweise, sei es durch Gesetzesänderung,wie es die Grünen vorschlagen –, istoffenkundig. Die Rechtsprechung des EuGH erfordertnicht weniger als eine Betrachtung der Entwicklungdes Rechts und auch der untergesetzlichen Weisungender letzten Jahrzehnte, um die Standstill-Klauselnrichtig anwenden zu können. Das können einfacheSachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Ausländerbehördennie und nimmer leisten. Geradezu einHohn ist es da, wenn die Regierung erklärt, es sei nichtschlimm, dass die Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriumszum Assoziationsrecht „nicht aktuellsind“; denn die zuständigen Ausländerbehördenseien an Recht und Gesetz gebunden und würden auchdie aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung stetsbeachten.Um es deutlich zu sagen: Jedenfalls in Bezug auf dieVerschlechterungsverbote des Assoziationsrechts sinddie amtlichen Hinweise aus dem Jahr 2002 das Papiernicht wert, auf dem sie stehen, da der EuGH hierzugerade in den letzten Jahren maßgebliche Entscheidungengetroffen hat. Wohl nicht einmal die Bundesregierungselbst glaubt ihre Behauptung, diese Rechtsprechunglasse „sich in der Praxis zufriedenstellendumsetzen“, zumal „Fehlverständnisse … gegebenenfallsdurch fachaufsichtliche Maßnahmen der zuständigenLandesbehörden in aller Regel beseitigt werden“könnten. Wissen Sie, was der Hamburger Senatauf die parlamentarische Anfrage der dortigen Linksfraktionantwortete, ob man sich klarere Vorgaben vonder Bundesregierung zu den Verschlechterungsverbotenwünsche? „Die zuständige Behörde geht davonaus, dass die Bundesregierung alle erforderlichen Informationenund Vorgaben übermittelt …“, erklärteder Senat am 15. Februar 2013 ganz im Widerspruchzu der Behauptung der Bundesregierung, die Länderwürden das Assoziationsrecht eigenverantwortlich undumfassend umsetzen.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28101Sevim Dağdelen(A)(B)Zwei Anmerkungen aber noch zu dem ansonstensehr umfassenden Gesetzentwurf der Grünen. Hierfällt auf, dass ein wichtiger Punkt fehlt: Auch derZwang zum Integrationskursbesuch und damit einhergehendeSanktionen sind nach Ansicht von Fachkundigenmit den Verschlechterungsverboten des Assoziationsrechtsnicht vereinbar. Fehlt dieser Aspekt etwa,weil die Grünen nur ungern daran erinnern wollen,dass sie an dieser Verschärfung mitgewirkt haben?Oder fehlt er, weil die Grünen nach wie vor am sanktionsbewehrtenZwang zur Integration festhalten wollen?Fakt ist, dass dieser sanktionsbewehrte Zwangüberflüssig wie ein Kropf ist. Denn das Interesse unddie Motivation der Migrantinnen und Migranten ist daes braucht vor allem verbesserte Möglichkeiten für dieTeilnahme. Nicht nachvollziehen kann ich zudem, dassauch eine weitere bedeutende Verschärfung im Aufenthaltsrechtaus jüngster Zeit im Gesetzentwurf der Grünenunangetastet bleibt: Die Regelung, wonach einemehr als einjährige Aufenthaltserlaubnis nur nach einemerfolgreichen Integrationskursbesuch undSprachtest erteilt werden darf, verstößt meines Erachtensganz eindeutig gegen die Standstill-Klausel desAssoziationsrechts.Dessen ungeachtet unterstützen wir die Zielrichtungund das Grundanliegen des vorliegenden Gesetzentwurfs.Ich freue mich vor allem darüber, dass wir nunendlich eine Sachverständigenanhörung zum Themabeschließen können, die von der Linken seit langemangestrebt wird. Denn selten gab es ein Thema, dassich angesichts der Komplexität der Sach- und Rechtslage,die wohl nur von wenigen Fachkundigen wirklichdurchdrungen wird, mehr geeignet hätte für eine Sachverständigenanhörung.Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Dieses Jahr feiern wir das 50-jährige Bestehen desAssoziationsabkommens zwischen der EuropäischenWirtschaftsgemeinschaft und der Türkei. In Anbetrachtdessen ist es ein Armutszeugnis, dass sich die Bundesregierungund die Koalition immer noch weigern, dasAssoziationsrecht vollständig und rechtsstaatlichenStandards gemäß umzusetzen. In über 50 Entscheidungenhat der Europäische Gerichtshof – insbesondereimmer wieder in Korrektur der restriktiven deutschenRechtspraxis – aufgezeigt, dass aus dem Assoziationsrechtein besonderes aufenthaltsrechtliches Regime fürStaatsangehörige der Türkei folgt. Dieses Regimeorientiert sich entsprechend den Vorgaben in dem Assoziationsabkommeneng an den Rechten von Unionsbürgerinnenund Unionsbürgern, die von ihrem Rechtauf Arbeitnehmerfreizügigkeit oder ihrer Niederlassungs-und Dienstleistungsfreiheit Gebrauch gemachthaben. Es unterscheidet sich daher deutlich von denRechten, die sonstigen Ausländerinnen und Ausländernin Deutschland zustehen.Bisher hat es die Bundesregierung versäumt, zuhandeln. Sie weigert sich nämlich nach wie vor, Vorschlägeauszuarbeiten und dem Parlament vorzulegen,wie das Assoziationsrecht auf nationaler Gesetzesebeneangemessen umgesetzt werden kann. Deshalbmuss man leider sagen, dass die alte Weisheit, wonachein Blick ins Gesetz die Rechtsfindung fördert, für dieStaatsangehörigen aus der Türkei in Deutschlandnicht gilt. Obwohl das Assoziationsrecht nahezu alleFragen des Aufenthaltsrechts für Staatsangehörige derTürkei wesentlich beeinflusst, finden sich im gesamtenAufenthaltsgesetz gerade einmal drei Vorschriften, diedas Assoziationsrecht überhaupt erwähnen. Und dieseVorschriften lassen sowohl die Betroffenen als auchdie Behörden dann auch noch völlig im Unklaren darüber,welche Rechte den Betroffenen zustehen undwas die Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahmesind. Klar geregelt ist allein ein Bußgeldtatbestand fürdie versäumte Beantragung eines Aufenthaltstitels, derohnehin nur deklaratorische Bedeutung hat. Auf einenNenner gebracht lautet das Motto der Bundesregierunghier: Restriktion ja, Rechte nein.Es ist aber eines Rechtsstaates nicht würdig, wenndie Betroffenen nicht klar erkennen können, was ihreRechte sind. Auch die Ausländerbehörden und Gerichteklagen seit langem darüber, dass die Rechtslageimmer unübersichtlicher wird, weil sich die Rechtsstellungfür die größte hier lebende Gruppe von Ausländerinnenund Ausländern noch nicht einmal mehr ansatzweiseaus dem Gesetz ablesen lässt. Dies darf so nichtweitergehen. Es gehört nun mal zu den Pflichten einesRechtsstaates, für Transparenz und Rechtsicherheit zusorgen.Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir daher diesich aus dem Assoziationsabkommen ergebendenRechte im deutschen Recht klar und transparent verankern.Die Betroffenen, die Ausländerbehörden und dieGerichte sollen endlich die wesentlichen Rechte, diesich aus dem Assoziationsrecht ergeben, mit einemBlick ins Gesetz entnehmen können. Unser Gesetzentwurfgeht aber noch ein weiteres Problem an. Bisherwar es so, dass die Betroffenen jeden Rechtsfortschrittmühsam vor dem Europäischen Gerichtshof erstreitenmussten. Anstatt auf die nächsten Verurteilungendurch den Europäischen Gerichtshof zu warten, setztunser Gesetzentwurf nicht nur die in der Rechtsprechungbereits entschiedenen Einzelfragen um, sonderntrifft auch dort Regelungen, wo sich aus der allgemeinenLinie der Rechtsprechung Änderungsbedarf ergibt.Darüber hinaus soll unser Entwurf Lückenzwischen dem Assoziationsrecht und dem nationalenRecht schließen.Unser Gesetzentwurf sieht unter anderem vor:Erstens. Regelungen zum Aufenthaltsstatus: Einespezielle Aufenthaltserlaubnis für Assoziationsrechtsberechtigtewird eingeführt, die das Bestehen eines assoziationsrechtlichenDaueraufenthaltsrechts bescheinigt.Die Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechtsist wichtig, um Benachteiligungen im Rechtsverkehretwa beim Abschluss längerfristiger Mietverträge oderArbeitsverhältnisse zu vermeiden.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28102 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Memet Kilic(A)(B)Zweitens. Regelungen zur Familienzusammenführung:Hier wirken sich die assoziationsrechtlichenVerschlechterungsverbote aus, die eine Vielzahl vonausländerrechtlichen Verschärfungen der letzten Jahreunanwendbar machen. So kann der Nachzug von Ehegattennicht von dem Nachweis von Deutschkenntnissenvor der Einreise abhängig gemacht werden. Kinderunter 16 Jahren müssen kein Visumsverfahrendurchlaufen, wenn ein Elternteil eine Aufenthaltserlaubnisaufgrund des Assoziationsrechts besitzt. Undschließlich erhalten nachziehende Ehegatten nach wievor nach zwei Jahren Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht,weil die von dieser Koalition beschlosseneVerlängerung auf drei Jahre klar gegen das assoziationsrechtlicheVerschlechterungsverbot verstößt.Drittens wird entsprechend der Rechtsprechung desEuropäischen Gerichtshofes klargestellt, dass Staatsangehörigeder Türkei für einen Kurzaufenthalt inWahrnehmung der Dienstleistungsfreiheit kein Visumbrauchen.Viertens werden die Assoziationsrechtsberechtigtenbei den Gebühren für Aufenthaltstitel so gestellt wiedie Staatsangehörigen der Schweiz. Statt bis zu110 Euro fallen hier wie bei einem Personalausweisnur Gebühren von 28,80 Euro an. Auch das folgt ausdem assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbot.Schließlich fünftens, Regelungen zum ArbeitsmarktundBerufszugang. Wir stellen klar, welche Verschärfungenbeim Arbeitsmarktzugang in verschiedenen Berufsgruppenkeine Anwendung finden. Und wir stellendie Assoziationsrechtsberechtigten beim Zugang zumBeamtenverhältnis mit den Unionsbürgern und andereneuroparechtlich Privilegierten gleich.Die Lücke zwischen nationalem und Europarechtmuss endlich geschlossen werden, allein schon deshalb,um die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaateszu wahren. Genauso aber müssen den Assoziationsrechtsberechtigtenendlich ihre Rechte zugestandenwerden. Diesen Zielen wollen wir mit unserem Gesetzentwurfnäher kommen und bitten um Ihre Unterstützung.Vizepräsidentin Petra Pau:Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfsauf Drucksache 17/12193 an die in der Tagesordnungaufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt esdazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.Dann ist das so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Ausschusses für Wahlprüfung, Immunitätund Geschäftsordnung (1. Ausschuss)Änderung der Geschäftsordnung des DeutschenBundestageshier: Änderung der Geheimschutzordnung(Anlage 3 der Geschäftsordnung) im Zusammenhangmit geheimhaltungsbedürftigen Belangenin parlamentarischen Anfragen– Drucksache 17/12287 –Berichterstattung:Abgeordnete Christian Freiherr von StettenSonja SteffenJörg van EssenDr. Dagmar EnkelmannVolker Beck (Köln)Auch hier nehmen wir die Reden zu <strong>Protokoll</strong>.Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU):Das Bundesverfassungsgericht gibt uns, dem DeutschenBundestag, immer wieder Anlass, bestehendeRegelungen anzupassen. So haben wir uns erst in dervergangenen Woche mit der Neuregelung des Bundeswahlgesetzesbefassen müssen. Heute beschäftigen wiruns nun mit einem der elementaren Rechte von Abgeordneten,dem parlamentarischen Frage- und Auskunftsrechtund seiner Bedeutung für das parlamentarischeRegierungssystem.Die Abgeordneten besitzen das Recht, sich die fürihre Tätigkeit notwendigen Information zu beschaffen.Dies geschieht zum Beispiel durch die Beantwortungparlamentarischer Anfragen, welche es den Volksvertreternermöglicht, ihre Aufgabe im eigentlich Sinne,nämlich die Interessenvertretung, aber auch die Kontrolleder Regierungsarbeit, zu erfüllen. Hintergrundist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtsvom 1. Juli 2009 zu der Frage, wie bei parlamentarischenAnfragen verfahren werden soll, die nach Ansichtder Bundesregierung geheimhaltungsbedürftigeBelange berühren. Die Antragsteller hatten seinerzeitkeine Antwort auf die von ihnen gestellten Anfragen andie Bundesregierung erhalten, mit dem Verweis darauf,„verfassungsrechtlich nicht tragfähige Erwägungen“ließen dies nicht zu.Das Gericht hat in seinem Urteil zum Informationsinteressedes Parlaments vom 1. Juli 2009 unter anderemdarauf hingewiesen, dass der parlamentarischeInformationsanspruch zwar auf die Beantwortung dergestellten Fragen „in der Öffentlichkeit hin“ angelegtsei, aber auch Formen der Informationsvermittlung zusuchen seien, durch die die berechtigten Geheimhaltungsbedürfnisseder Bundesregierung gewahrt werden.In gegenseitiger Rücksichtnahme der Verfassungsorganewar es also unbedingt nötig, eine Lösungzu finden, die dem Informationsinteresse des Parlamentsunter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressender Regierung Rechnung trägt.Sich zwischen diesen beiden Polen bewegend– Transparenz und Informationsanspruch auf der einenSeite und Sicherung von als Geheim eingestuftenBelangen auf der anderen Seite – haben wir im Ausschussüber die Fraktionsgrenzen hinweg beschlossen,dass bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragendie Kollegen im Parlament einen Anspruch auf Informationendurch die Bundesregierung haben, und(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28103Christian Freiherr von Stetten(A)(B)zwar – das erscheint mir für die transparente Arbeitsweiseinnerhalb des Parlaments von großer Bedeutung –auch bei einer Einstufung als geheimhaltungsbedürftig.Aber es gilt trotz allem zu beachten, dass es derBundesregierung in Einzelfällen zur Sicherung desStaatswohls möglich sein soll, Informationen als geheimhaltungsbedürftigeinzustufen und somit denKreis derjenigen einzuschränken, die Zugang zu diesenInformationen erhalten.So haben wir in der uns hier vorliegenden Beschlussempfehlungin einem zweiten Teil festgelegt, dass die alsVerschlusssache eingestufte Information selbst ausschließlichan die Geheimregistratur des Bundestagesweitergeleitet wird. Dort kann sie, wie bisher, von jedemMitglied des Bundestages sowie von den vomBundestagspräsidenten hierzu ausdrücklich ermächtigtenMitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abgeordnetenund Fraktionen eingesehen werden. Eine Beschränkungder Einsicht hinsichtlich Verschlusssachenwird auf die Mitglieder von Untersuchungsausschüssenoder sonstigen Gremien, die regelmäßig geheimtagen, unter anderem des Parlamentarischen Kontrollgremiums,empfohlen. Da durch die geschildertenMaßnahmen Fragen der Geheimhaltung nach der Geschäftsordnungberührt werden und sie eine Änderungder Geheimschutzordnung erfordern, haben wir uns imGeschäftsordnungsausschuss durchaus kontrovers mitdieser schwierigen Abwägung befasst.Ich darf aus der vorliegenden Beschlussempfehlungzitieren, die übrigens – das kommt ja nicht allzuoft vor – von den Vertretern aller Fraktionen im Ausschusseinstimmig angenommen wurde: „Verschlusssachender Geheimhaltungsgrade Streng geheim oderGeheim dürfen nur in den Räumen der Geheimregistratureingesehen werden. Abweichend hiervon könnenVerschlusssachen Mitgliedern von Untersuchungsausschüssensowie von Gremien, die aufgrundrechtlicher Grundlage regelmäßig geheim tagen, zurEinsichtnahme in ihren Büroräumen ausgegeben werden,sofern diese mit VS-Verwahrgelassen ausgestattetund die Verschlusssachen dem Bundestag zum Zweckeder Auftragserledigung dieses Gremiums zugeleitetworden sind.“Wir Abgeordnete können unseren Aufgaben als Parlamentariernur dann nachkommen, wenn es uns ermöglichtwird, die entsprechenden Informationen zuerhalten. Dennoch sehe ich auch die Bundesregierungin der Pflicht, verantwortungsbewusst mit durchaussensiblen Informationen umzugehen. Die nun gefundeneLösung halte ich für eine angemessene. Ich bedankemich für die gute Zusammenarbeit mit den Vertreternder Regierung, den Kollegen im Ausschusssowie den Mitarbeitern des Ausschusssekretariats.Sonja Steffen (SPD):In der Vergangenheit ist es immer wieder vorgekommen,dass die Bundesregierung bei parlamentarischenAnfragen den fragenden Abgeordneten eine Antwortschuldig blieb. Hierbei handelte es sich zum Beispielum Anfragen zur Überwachung von Mitgliedern desDeutschen Bundestages durch den Verfassungsschutz.Die Bundesregierung verwies darauf, sie äußere sichzu den geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheitender Nachrichtendienste grundsätzlich nur in den dafürvorgesehenen besonderen Gremien des Deutschen Bundestages.Diese Vorgehensweise ist vor allem insofernproblematisch, als die Bundesregierung durch dieselbst vorgenommene Einstufung von Informationen indie unterschiedlichen Geheimhaltungsstufen das FrageundInformationsrecht der Abgeordneten theoretischdeutlich einschränken kann.Das Bundesverfassungsgericht urteilte daher 2009,dass hier eine Verletzung des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 unddes Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz vorliegt. DasBundesverfassungsgericht kam zu dem Schluss, dassdie Informationsrechte des Bundestages auch bei geheimhaltungsbedürftigenBelangen vollumfänglich gewahrtwerden müssen, dass dabei aber den Geheimhaltungsinteressender Bundesrepublik DeutschlandRechnung getragen werden muss.Dass vertrauliche Informationen auf eine parlamentarischeAnfrage nicht, wie sonst üblich, in einerBundestagsdrucksache veröffentlicht werden können,ist klar und leuchtet ein. Wir haben uns daher im Geschäftsordnungsausschussintensiv mit der Frage beschäftigt,wie derartige Informationen den Abgeordnetenzugänglich gemacht werden können bzw. müssenund welcher Personenkreis Einsichtsrechte erhaltensoll.Mit der heute vorliegenden Änderung der Geheimschutzordnungwerden wir die Vorgaben des Urteilsendlich umsetzen und eine klare Regelung schaffen.Ich freue mich, dass sich das Bundesministerium desInnern in dieser Frage letztlich doch gesprächsbereitgezeigt hat und wir so im Geschäftsordnungsausschusszu einer einstimmigen Entscheidung kommen konnten.Wir haben uns darauf verständigt, dass Verschlusssachender Geheimhaltungsgrade Geheim oder Strenggeheim in der Regel die Geheimregistratur des DeutschenBundestags nicht mehr verlassen und nur nochvor Ort eingesehen werden dürfen. Es sollen aber allebisher schon nach der Geheimschutzordnung berechtigtenPersonen, so auch die vom Bundestagspräsidentenermächtigten Mitarbeiter von Abgeordneten undFraktionen, Einsicht nehmen können. Damit wird einerseitsder Geheimschutz des Deutschen Bundestagesgestärkt, andererseits die Arbeitsfähigkeit der Abgeordnetenund ihre Entlastung durch die Mitarbeiter sichergestellt.Ausgenommen hiervon sind Mitglieder von Gremien,die regelmäßig mit Verschlusssachen arbeiten,wie Untersuchungsausschüsse, das ParlamentarischeKontrollgremium oder das Vertrauensgremium. Hierbleibt die Möglichkeit der Herausgabe von Verschlusssachenbei Vorhandensein eines Verwahrgelasses imBüro des Abgeordneten ausdrücklich bestehen.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28104 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Sonja Steffen(A)(B)Wir waren uns im Geschäftsordnungsausschuss darübereinig, dass die teilweise extrem umfangreichenAkten, beispielsweise die des NSU-Untersuchungsausschusses,anders nicht zu bewältigen sind. Vor diesemHintergrund müssen wir unbedingt sicherstellen, dassdiese parlamentarische Praxis beibehalten und vonder Bundesregierung respektiert wird. Hierfür solltenwir die Regelung regelmäßig in Bezug auf die tatsächlicheUmsetzung und ihre Praktikabilität überprüfen.Mit der vorliegenden Änderung der Geheimschutzordnunghalten wir an den hohen Anforderungen desGeheimschutzes fest, stellen jedoch gleichzeitig die Arbeitsfähigkeitder Abgeordneten und bestimmter parlamentarischerGremien sicher. Insgesamt stärken wirdas parlamentarische Frage- und Informationsrechtund damit die Rechte der Abgeordneten.Gisela Piltz (FDP):Dem parlamentarischen Frage- und Informationsrechtdes Bundestages gegenüber der Bundesregierungkommt in der Demokratie eine wesentliche Bedeutungzu. Ein System von „Checks and Balances“ istnicht denkbar, wenn dem Parlament Informationenentzogen werden, die zur Bewertung des Regierungshandelnserforderlich sind.Im sensiblen Bereich geheimhaltungsbedürftigerTatsachen, die in der Sphäre der Bundesregierung liegen,kann das parlamentarische Frage- und Informationsrechtan Grenzen stoßen, die unter bestmöglicherWahrung der betroffenen Interessen zum Ausgleichgebracht werden müssen. Es ist dabei offensichtlich,dass nachrichtendienstliche Tätigkeit geheimhaltungsbedürftigsein kann. Allerdings hat das Bundesverfassungsgerichtin seinem Beschluss vom 1. Juli 2009 zuRecht festgestellt, dass sich die Bundesregierung nichtpauschal darauf zurückziehen kann, dass Informationen,die die Tätigkeit der Nachrichtendienste beträfen,generell geheimhaltungsbedürftig sind. So leicht darfes sich die Bundesregierung nicht machen.Insbesondere kann sich die Bundesregierung nichtdadurch ihrer Verpflichtung zur Aufklärung und Informationentziehen, dass sie schlicht auf ihre Berichte imParlamentarischen Kontrollgremium verweist. Diese– ja durchaus gängige – Praxis der Bundesregierungverkennt das Gewicht und die Bedeutung der Kontrollrechtedes Parlaments. Der gern gegebene Verweisdarauf, die Bundesregierung berichte zu geheimhaltungsbedürftigenAngelegenheiten nur vor den hierfürvorgesehenen, geheim tagenden Gremien, ist unzulässig.Zutreffend führte das Bundesverfassungsgerichtnämlich aus, dass die Einrichtung des ParlamentarischenKontrollgremiums eine zusätzliche Maßnahmeist, um die Kontrollrechte des Parlaments zu stärken.Die Auffassung der Bundesregierung, wonach sie alleinim PKGr berichten könne und damit ihrer PflichtGenüge getan habe, verletzt grundlegende Parlamentsrechte.Denn mit dem zusätzlichen Kontrollinstrumentbegibt sich der Bundestag ja gerade nicht seiner Kontrollrechteim Übrigen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts,mit dem dies endlich klargestelltwird und der Anlass für die heute zu beratende Änderungist, ist deshalb sehr zu begrüßen.Nicht nur diese Klarstellung ist ein Erfolg für dasParlament, sondern auch die Feststellung, dass dieGeheimhaltungspflicht einer Begründung bedarf. Wieschon vorhin gesagt, kann eine nachrichtendienstlicheTätigkeit geheimhaltungsbedürftig sein. In einemRechtsstaat kann nicht einfach eine Bereichsausnahmegeschaffen werden für staatliches Handeln, das sichder Kontrolle entzieht. Vielmehr ist auch hier im Einzelfallzu begründen, warum eine Einstufung in eineGeheimhaltungsstufe erforderlich ist. Im Hinblick aufdie Rechte des Parlaments ist dies auch bedeutsam,weil nur dann eine Fraktion oder ein einzelner Abgeordneterdie nötige Entscheidungsgrundlage hat, obdie Bundesregierung ihrer Pflicht zur umfassendenund wahrheitsgemäßen Information auch nachgekommenist.Mit Freude sehen wir daher künftigen Antworten aufKleine oder Große Anfragen oder Einzelfragen entgegen,die statt des üblichen Textbausteins „Hierüber erteiltdie Bundesregierung nur den dafür vorgesehenenGremien des Deutschen Bundestages Auskunft“ eine– wenigstens in der Geheimschutzstelle hinterlegte –Antwort sowie eine plausible Begründung dafür enthalten,warum die Antwort geheimhaltungsbedürftigist.Die Grundsätze des Geheimschutzes werden dadurchallerdings natürlich nicht obsolet. Es muss andieser Stelle auch deutlich und ausdrücklich daraufhingewiesen werden, dass mit dem Recht, eine eingestufteInformation zu kennen, auch eine Pflicht korrespondiert.Sofern und soweit die Geheimhaltung zutreffendbegründet ist, muss auch sichergestellt sein, dassdie Information geheim bleibt. In unserem Rechtsstaatmüssen hohe Anforderungen an Geheimhaltung gestelltwerden, weil es den Rechtsstaat gerade auszeichnetund von Diktaturen und anderen Unrechtsregimenunterscheidet, dass die Offenlegung, Überprüfbarkeitund Kontrolle staatlichen Handelns gewährleistetwird. In den Fällen aber, in denen eine Geheimhaltungtatsächlich begründet und erforderlich ist, muss dieseauch sichergestellt sein.Deshalb wird mit dem heute vorliegenden Vorschlagzweierlei geregelt: Zum einen wird sichergestellt, dassder Zugang zu eingestuften Informationen nicht unzulässigauf einen bestimmten Personenkreis beschränktwird, sondern nach wie vor alle Abgeordneten sowiedie hierzu besonders ermächtigten Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter der Fraktionen und Abgeordneten eingestufteTeile von Antworten der Bundesregierung inder Geheimschutzstelle einsehen können. Das stärktdie parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelnsund stellt die effektive parlamentarische Arbeitsicher.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28105Gisela Piltz(A)(B)Zum anderen wird der Geheimschutz dadurch gestärkt,dass Unterlagen grundsätzlich in der Geheimschutzstelleverbleiben, statt in die eigenen Büros mitgenommenzu werden. Denn auch mit der ja ohnehinbestehenden Einschränkung, dass in den betreffendenBüros ein Verwahrgelass – schönes Verwaltungsdeutschfür Safe – vorhanden ist, muss man doch festhalten,dass die Gefahren für die Geheimhaltung steigen,wenn Unterlagen „wandern“ können.Es ist aber zugleich richtig, dass diejenigen, die regelmäßigmit Verschlusssachen befasst sind, also etwaim Vertrauensgremium oder im Finanzmarkstabilisierungsgremiumoder auch im PKGr wie auch in denUntersuchungsausschüssen, nach wie vor die Unterlagen,die für ihre dortige spezifische Tätigkeit erforderlichsind, auch – unter Beachtung der Geheimhaltungsvorschriften– in ihren Büros studieren können.Das ist auch nicht eine Frage der Bequemlichkeit, sondernder Effektivität parlamentarischer Kontrolltätigkeitin diesen Gremien.Für diejenigen, die solchen Gremien nicht angehören,aber trotzdem regelmäßig mit Verschlusssachen inihrer Aufgabe etwa im Haushaltsausschuss umgehenmüssen, zum Beispiel die dortigen Berichterstatter fürVerteidigung, kann nach der neuen Regelung in § 3 ader GSO-BT eine Genehmigung vom Bundestagspräsidentenerlangt werden, damit auch hier Unterlagenvon der Geheimschutzstelle ausgehändigt werden können.Dies gilt im Übrigen dann für die betreffendenAbgeordneten wie auch für die besonders ermächtigtenMitarbeiter der Fraktionen und Abgeordnetenbüros.Mit der heute vorgelegten Regelung schaffen wir einenguten Ausgleich: parlamentarische Kontrolle stärkenund Geheimschutz gewährleisten. Ich bin froh,dass alle Fraktionen gemeinsam zu dieser guten undausgewogenen Lösung finden konnten. Wir alle alsParlamentarier sind aufgerufen, Regierungshandelnzu kontrollieren. Wir alle als Parlamentarier haben eingemeinsames Interesse, dies effektiv zu tun. Und wiralle als Parlamentarier sind uns unserer Verantwortungbewusst, wenn es um tatsächlich geheimhaltungsbedürftigeTatsachen geht.Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):Wir befassen uns heute mit der Änderung der Geheimschutzordnung.Hintergrund ist ein von Kollegenerstrittenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts.Diesem Verfahren lag die Weigerung der Bundesregierungzugrunde, darüber Auskunft zu erteilen, obund gegebenenfalls welche Informationen die Geheimdienstedes Bundes und der Länder über die Mitgliederdes Deutschen Bundestages sammeln. Mittlerweilewissen wir, dass diese verfassungswidrige Praxis, gegendie sich die Betroffenen gerichtlich umfassendwehren, sehr viele Abgeordnete meiner Fraktion betrifftbzw. betraf.Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Urteildiesbezüglich ganz richtig festgestellt: Die nachrichtendienstlicheBeobachtung von Abgeordneten birgterhebliche Gefahren im Hinblick auf ihre Unabhängigkeitund auf die Mitwirkung der betroffenen Parteienbei der politischen Willensbildung und damit fürden Prozess demokratischer Willensbildung insgesamt.Das Urteil des Gerichts zur Frage der Beobachtungsteht noch aus; heute geht es uns um die Entscheidungzum Fragerecht der Abgeordneten.Für diesen parlamentarischen Bereich hat das Bundesverfassungsgerichtden Abgeordneten und demParlament den Rücken gestärkt und die Ausflüchte derBundesregierung nicht gelten lassen: Wieder einmalhat es der Bundesregierung im Ergebnis nichts genutzt,dass sie sich mit Verweis auf geheimhaltungsbedürftigeBelange ihrer im Grundgesetz verankertenAntwortpflicht gegenüber dem Parlament entziehenwollte. Gegebenenfalls müsse die Bundesregierungdas Informationsinteresse des Parlaments eben unterWahrung ihrer berechtigten Geheimhaltungsinteressenbefriedigen. Die gängige Praxis genügte dem Anliegenschon bisher.Der 1. Ausschuss hat dennoch auf die Bedenken derBundesregierung und von Teilen des Ausschusses inBezug auf Geheimhaltungsschutz reagiert und schlägtnun eine Neuregelung der Geheimschutzordnung vor.Zunächst möchte ich betonen: Wir haben ganz klarsolchen verfassungswidrigen Überlegungen eine Abfuhrerteilt, die das Recht auf Einsicht in geheimhaltungsbedürftigeTeile einer Antwort auf parlamentarischeAnfragen auf Abgeordnete oder Mitarbeiterinnenbzw. Mitarbeiter der fragestellenden Fraktion beschränkenwollten.Stattdessen wird nun die Einsicht in Verschlusssachengrundsätzlich auf die Geheimregistratur des Bundestagesbeschränkt, mit gewichtigen Ausnahmen fürUntersuchungsausschussmitglieder und andere geheimtagende Gremien und die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter der MdB und Fraktionen. Es soll alsonicht der zugangsberechtigte Personenkreis, sondernder Ort der Einsichtnahme verändert werden. Die Botschaftist: Die Arbeit des Parlaments soll nicht erschwertwerden. Der 1. Ausschuss geht davon aus,dass sich insbesondere für den Bereich der Untersuchungsausschüsseund der anderen Gremien, die regelmäßiggeheim tagen, so zum Beispiel Vertrauensgremium,Parlamentarisches Kontrollgremium undandere nichts ändert.Das betrifft auch die unveränderte Möglichkeit derAushändigung von Verschlusssachen zur Einsichtnahmeund zum Verbleib in den Büroräumen mit Safe,ungemindert auch direkt für die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter der betreffenden Abgeordneten und derFraktionen. Das wurde von allen Fraktionen im Ausschussso geteilt. Sollte sich demgegenüber etwa herausstellen,dass die bisherige Praxis beeinträchtigtwird, wird sich der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunitätund Geschäftsordnung umgehend wieder mit dem(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28106 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Dagmar Enkelmann(A)(B)Thema befassen. Dass wir uns in dieser Woche schonmit der juristisch absurd begründeten, generellen Weigerungder Bundesregierung, Mitarbeiterinnen bzw.Mitarbeitern von Mitgliedern des VertrauensgremiumsEinsichtnahme in VS zu geben, beschäftigen müssen,lässt mich allerdings nichts Gutes ahnen.Ich möchte hier noch auf das eigentliche und zugleichwichtige Problem im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigenAnliegen beim Fragerecht eingehen,auf dessen Lösung ich schon im Ausschuss gedrängthabe: Das Problem ist nicht die Geheimhaltung aufseitendes Bundestages. Das Problem stellt die ungerechtfertigteEinstufung von Antworten als Verschlusssachendurch die Bundesregierung dar.Folgendes ist daher klar und deutlich voranzustellen:Die Abgeordneten und die Fraktionen entscheidendarüber, welcher Informationen sie bedürfen. Kontrolleohne Transparenz ist nicht möglich. Die Kontrolleder Regierung durch das Parlament bedarf derTransparenz. Als langjährige Erste ParlamentarischeGeschäftsführerin meiner Fraktion muss ich leiderfeststellen, dass sich die Bundesregierung mitunterjede einzelne Information buchstäblich abtrotzen lässt.Dies widerspricht unserer parlamentarischen Demokratieund dem verbürgten Fragerecht der Abgeordneten.Es ist nicht hinnehmbar, wenn erst das Bundesverfassungsgerichtbemüht werden muss, um derartigeSelbstverständlichkeiten durchzusetzen. Die Bundesregierungerschwert die naturgemäß von der Oppositionund insbesondere der Linken wahrgenommeneKontrolle der Regierung mit immer neuen Ausreden,Ausflüchten und Weigerungen.Im Zusammenhang mit der hier in Rede stehendenGeheimschutzordnung ist festzustellen: Die Bundesregierungverfällt neuerdings auf den Trick, die Antwortenauf Fragen als geheim einzustufen, obwohl siegar nicht geheimhaltungsbedürftig sind. Ziel ist ganzoffensichtlich, zu erreichen, dass die Öffentlichkeit sowenig wie möglich Kenntnis von der mangelhaften Regierungstätigkeiterhält. Ich will hierzu ein Beispiel nennen:Im Falle einer Kleinen Anfrage meiner Fraktionzur „Unterstützung des Bundes für die Münchner Sicherheitskonferenz“,Bundestagsdrucksache 17/8399,hatte das Bundesministerium der Verteidigung die Antwortzunächst als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“eingestuft.Ich hatte für die Linke dagegen – mit Erfolg – protestiert.Die annähernd gleichen Fragen wurden nämlichin den Jahren zuvor selbstverständlich beantwortet.Die Einstufung war also schlicht rechtswidrig. Eskann nicht sein, dass die Bundesregierung die Öffentlichkeitzu umgehen versucht, indem sie die Antwortpflichtin der Geheimkammer erfüllt. Das wird sichmeine Fraktion auch in Zukunft nicht gefallen lassen.Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Dass wir heute alle gemeinsam dieser Änderung derGeschäftsordnung zustimmen, bedurfte zweier erfolgreicherKlagen der Grünen-Bundestagsfraktion vordem Bundesverfassungsgericht, um den fälschlichenMissbrauch der Geheimschutzordnung durch die Bundesregierungzu beenden.Wie eh und je können Verschlusssachen der GeheimhaltungsgradeStreng geheim oder Geheimgrundsätzlich nur in der Geheimschutzstelle eingesehenwerden. Das gilt nach wie vor für alle Abgeordnetensowie für ausdrücklich dafür geprüfte und ermächtigteMitarbeiterinnen und Mitarbeiter.Diese Regelung stellt nun eine Klarstellung dar: Siewahrt die Informationsrechte des Bundestages, die vomBVerfG bekräftigt wurden, und die Geheimhaltungsinteressender Bundesregierung. Die Ausnahmeregelungsoll solchen Abgeordneten und Mitarbeiterinnen undMitarbeitern, die häufig mit Verschlusssachen arbeiten,weiterhin einen problemlosen Arbeitsablauf ermöglichen.Das heißt, wer eine Ausstattung mit entsprechendemSafe hat, kann die Verschlusssache imeigenen Büro einsehen und aufbewahren. Es ändertsich also für Mitglieder und deren Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter von Untersuchungsausschüssen undweiteren geheim tagenden Gremien nichts. Ich verweisehier besonders auf Satz 3 der Neuregelung.In den Beratungen wurde von uns die „kann“-Formulierungin Satz 2 so aufgefasst, dass diese Möglichkeitlediglich eine praktische Einschränkung derTransportierbarkeit oder Aufbewahrung der Unterlagenbetreffen kann.Die ursprüngliche Idee der Koalition und der Bundesregierung,die Mitarbeiter von dem Zugang gänzlichauszuschließen, wurde von uns erfolgreich abgewehrt.Auch in Zukunft wird der Bundestagspräsident imSinne der allgemeinen Ausgestaltungsmöglichkeitendiesen praktischen und praktikablen Zugang zu denUnterlagen ermöglichen.Vizepräsidentin Petra Pau:Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlungdes Ausschusses für Wahlprüfung, Immunitätund Geschäftsordnung auf Drucksache 17/12287.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Werstimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlungist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen,der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:Beratung des Antrags der Fraktion der SPDUN-Menschenrechtsrat nutzen und von SriLanka Rechtsstaatlichkeit, Einhaltung derMenschenrechte und Versöhnungsprozess fordern– Drucksache 17/12466 –Auch hier nehmen wir die Reden zu <strong>Protokoll</strong>.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28107(A)(B)Jürgen Klimke (CDU/CSU):Zum wiederholten Male beschäftigen wir uns imPlenum des Deutschen Bundestages mit der Menschenrechtslagein Sri Lanka. Obwohl ich die menschenrechtlicheSituation in Sri Lanka nicht beschönigenmöchte und dies auch nie getan habe, glaubte ich bisvor kurzem, dass sich das Land insgesamt auf einemguten Weg befindet.Sri Lanka ist ein Staat, der von einem Jahrzehnteandauernden Bürgerkrieg zwischen den tamilischenLiberation Tigers of Tamil Eelam, LTTE, und der singhalesischenRegierung erschüttert wurde und in demerst im Jahr 2009 mit einem Sieg der Regierung wiederRuhe eingekehrt ist. Alle Menschenrechtsverletzungenam Ende des Krieges aber auch in der Zeit unmittelbarnach dem Sieg sind auch vor dem Hintergrund diesesseit 1983 von beiden Seiten grausam geführten Kriegeszu verstehen, wenn auch nicht zu relativieren.Nach 2009 mussten wir uns im Menschenrechtsausschussdes Bundestages vor allem mit der Lage der tamilischenBevölkerung und ganz besonders mit denBinnenvertriebenen beschäftigen, die anfangs in einerZahl von mehreren Hunderttausend Menschen in Lagerninterniert waren und deren humanitäre Situationprekär war.Als ich im Jahr 2011 in Sri Lanka war, wurde vonweiterhin massiven Menschenrechtsverletzungen berichtet.Auf der anderen Seite war aber auch eine positiveEntwicklung festzustellen, ein Willen der Regierung,die unerträglichsten Verletzungen der Menschenrechtein Sri Lanka abzustellen. Letztes augenfälligesIndiz dafür war die Aufhebung der Notstandsgesetzedurch die Regierung Ende August 2011, nachdem diesefür fast 30 Jahre in Kraft waren. Dadurch wurde derPolizei zumindest das Recht entzogen, umfassendeMaßnahmen gegen die Tamilen in Form von Wohnungsdurchsuchungenund willkürlichen Verhaftungenzu vollziehen. Allerdings bestand schon damals bei fastallen Beobachtern Einigkeit, dass die Anstrengungennoch erhöht werden müssen und eine wirkliche politischeIntegration der tamilischen Bevölkerungsminderheitnicht die allerhöchste Priorität genießt.Seit 2011 hat sich gerade im Bereich der Infrastruktur-und Wirtschaftsentwicklung auch in den von Tamilenbewohnten Gebieten einiges getan. Auch die Räumungder Flüchtlingslager und die Rückkehr derTamilen in ihre Heimat ist als positive Entwicklunghervorzuheben und wird ja auch im Antrag der SPDerwähnt. Von einer Verbesserung der menschenrechtlichenSituation können wir jedoch seit 2011 insgesamtnicht sprechen, eher ist das Gegenteil der Fall.Einer der Kritikpunkte an der aktuellen Situationund aus meiner Sicht der Impulsgeber für die Erstellungdes vorliegenden Antrages der SPD ist ein anderer:Es geht um die Entlassung der Obersten RichterinDr. Shirani Bandaranayake aus offenbar politischenGründen. Diese Amtsenthebung durch das Parlamentist als deutliches Zeichen eines Angriffs auf die Unabhängigkeitder Justiz verstanden worden. Das ist eineDeutung, die auch in meiner Fraktion geteilt wird undsomit eine Entwicklung, die auch mir große Sorgenmacht.Es kann nicht im Sinne Deutschlands sein, wennsich Sri Lanka in Richtung eines autoritär regiertenStaates entwickelt, in dem der Präsident und seine Familiedas alleinige Sagen haben und in dem die Justizin keiner Weise mehr unabhängig ist. Es ist aus meinerSicht kein Zufall, dass die Oberste Richterin zuvor einGesetzespaket der Regierung als verfassungswidriggestoppt hat, das die Rechte der Zentralregierung gegenüberden Provinzen gestärkt hatte.Die Amtsenthebung der obersten Repräsentantinder Judikative lässt für die Zukunft Sri Lankas nichtsGutes ahnen. Es kann meines Erachtens nicht angehen,wenn die siegreiche Bürgerkriegspartei den verbreitetenWunsch nach Frieden und Stabilität ausnutzt,um einen autoritären Staat zu schaffen. Ich unterstützedeshalb die Forderungen des Antrags der SPD im Hinblickauf die Untersuchung des Vorgangs der Amtsenthebungvon Frau Bandarayanake im Grundsatz. DieserFall muss durch internationale Organisationenuntersucht werden.Neben der aktuellen Entwicklung der Aushöhlungder Unabhängigkeit der Justiz bestehen die Problemeder Menschenrechtsverletzungen sowie der Aufarbeitungder Verbrechen des Bürgerkrieges bzw. nach seinemEnde weiterhin fort. Wir müssen immer noch teilweisemassive Menschenrechtsverletzungen feststellen.Ein Teil davon wird durch das Anti-Terror-Gesetz, dasdie frühere Notstandsgesetzgebung abgelöst hat, sogarganz offiziell legitimiert. Wir als Menschenrechtspolitikerder Union fordern vehement die Abschaffung diesesGesetzes.Die Forderungen des SPD-Antrags weisen im Bereichder Menschenrechte und der Aufarbeitung derMenschenrechtsverletzungen in die richtige Richtung.Allerdings kann es nicht alleiniges Ziel sein, Sri Lankazur Unterzeichnung und Ratifizierung internationalerAbkommen und Gesetzesänderungen zu bewegen. ImFokus muss vielmehr noch stärker stehen, die konkretemenschenrechtliche Situation zu verbessern. Insofernkann man bei genauerer Betrachtung des Antragsschon konstatieren, dass bestimmte Forderungen derSPD, wie die Ratifikation des Römischen Statuts, inder jetzigen Situation unrealistisch sind. Wenn wir zuviel auf einmal fordern, machen wir uns als Partnerein Stück weit unglaubwürdig.Lassen Sie mich noch auf einen Punkt näher eingehen,nämlich auf die Integration der ehemaligen Kindersoldaten,die im Antrag ebenfalls gefordert wird.Hier hat sich die sri-lankische Regierung erfreulicherweiseselbst engagiert, indem ehemalige Kindersoldatenbetreut und offenbar durch eine Berufsausbildungin die Gesellschaft integriert werden.Sri Lanka ist Partnerland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit,und auch in diesem Bereich, für(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28108 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Jürgen Klimke(A)(B)den ich im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeitund Entwicklung zuständig bin, stellt der SPD-AntragForderungen auf. Lassen Sie mich kurz auf Projekteeingehen, die durch das deutsche Entwicklungsministeriumfinanziert werden:Es werden lokale Friedensinitiativen gefördert, einweiteres Projekt betrifft die Friedenserziehung;Deutschland unterstützt den Verwaltungsaufbau imNorden und Osten Sri Lankas; mit Entwicklungsmittelnstärkt Deutschland außerdem den Mikrofinanzsektor;zwei neu aufgenommene Projekte betreffen denBau einer Geburtsklinik sowie ein Projekt zur beruflichenBildung.Ich denke, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeitmit Friedensförderung, Bildung, Gesundheitund Mikrofinanzen gute Schwerpunkte setzt, dievor allem der Zivilgesellschaft und auch den benachteiligtenBevölkerungsgruppen zugutekommen.Eine Reaktion im Bereich der Entwicklungszusammenarbeitauf die jüngsten Ereignisse im Sinne einerAbschwächung der Kooperation lehne ich zum jetzigenZeitpunkt ab. Hier gilt es zunächst, die weitere Entwicklungabzuwarten. Fakt ist, dass die deutschen Entwicklungsmitteleine gute Möglichkeit bilden, Einflussauf die weitere Entwicklung Sri Lankas zu nehmen undunsere Haltung mit Nachdruck deutlich zu machen.Angesichts der Gesamtentwicklungen in Sri Lankasollten wir uns diese Möglichkeit erhalten.Abschließend möchte ich noch etwas zum Antragder SPD-Fraktion insgesamt sagen: Man muss festhalten,dass wichtige Forderungen der Initiative auf dieaktuellen Ereignisse und die grundlegenden menschenrechtlichenDefizite Sri Lankas eingehen. Allerdingswerden alle wesentlichen Forderungen des Antragsseitens der Bundesregierung, teilweise zusätzlichim Rahmen der EU sowie auf Ebene der Vereinten Nationenbereits umgesetzt. Das betrifft gerade den Einsatzim Rahmen des UN-Menschenrechtsrats; auchhier ist die Bundesregierung bereits aktiv.Insofern muss ich festhalten, dass die Forderungendes Antrags an die Bundesregierung bereits erfülltwerden, sie sind Bestandteil unserer Außenpolitik. Dervorliegende Antrag erweckt durch seinen umfangreichenForderungsteil den Eindruck, dass hier Versäumnisseder Bundesregierung vorliegen. Das ist erwiesenermaßennicht der Fall. Letztlich ist der Antrag somiteigentlich überflüssig.Gleichwohl hätte man sich im Vorfeld der Einbringungdieses Antrags oder auch im Rahmen einer Ausschussbefassungmit den Menschenrechten in SriLanka befassen können, mit dem Ziel hier einen gemeinsamenAntrag oder eine Entschließung herbeizuführenoder dem Thema in der deutschen Öffentlichkeitzumindest mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.Dass diese Ansprache nicht erfolgt ist, eine Ausschussberatungnicht stattfindet und ich als Berichterstatterden Antragstext erst am Tag vor der abschließendenDebatte erhalten habe, spricht dafür, dass es den Antragstellerngar nicht darum ging, gemeinsam mit denRegierungsfraktionen einen Beschluss des Bundestagesherbeizuführen. Das halte ich für sehr bedauerlichund der Lage nicht angemessen.Deshalb lassen Sie mich abschließend festhalten,dass auch meine Fraktion die Lage in Sri Lanka alskritisch ansieht, dass auch wir im Moment eine Verschlechterungder menschenrechtlichen Situation inSri Lanka wahrnehmen. Wir erkennen in diesem Bereichganz ausdrücklich die Arbeit der Bundesregierungan, die in der Frage der Menschenrechtsdefiziteaktiv arbeitet und dabei auch die Forderungen des Antragsder SPD-Fraktion bereits umsetzt.Vor diesem Hintergrund lehnen wir diesen Antragals überflüssig ab.Christoph Strässer (SPD):Ich bin erfreut, dass wir in dieser Woche, da derUN-Menschenrechtsrat seine Sitzung eröffnet hat, dasdort auf der Tagesordnung stehende Thema Sri Lankaebenfalls in den Fokus nehmen.Ich möchte Sie mit einem Zitat von FriedrichSchiller konfrontieren, das die Situation in Sri Lankasehr treffend beschreibt: „Wie unglückbringend, liebeMutter, ist Feindschaft zwischen Brüdern, und wieschwer hält die Versöhnung.“Der jahrzehntelange Bürgerkrieg hat großes Leidund Unglück über das Land und seine Bevölkerung gebracht.Seit Ende des Krieges scheint sich die Situationpositiv zu entwickeln; weisen doch die Fakten wirtschaftlicherEntwicklung seither gute Tendenzen aufund konnten viele ehemalige Binnenflüchtlinge in ihreHeimat zurückkehren und die Flüchtlingslager aufgelöstwerden. Wie so oft zeigt sich bei näherer Betrachtung,dass noch ein weiter Weg vor dem Land und seinerBevölkerung liegt, um die Weiterentwicklung undvor allem die Versöhnung im Lande zu fördern.Mit Sorge erfüllen mich daher die politischen Entwicklungenin den letzten Wochen und Monaten, dieerwarten lassen, dass die nötigen Prozesse nicht mitNachdruck und unter Beteiligung aller Bevölkerungsteilerealisiert werden. So weisen zahlreiche Berichtedarauf hin, dass der Präsident ein System unumschränkterHerrschaft errichtet und mit diesem in allepolitischen und gesellschaftlichen Felder vordringt,ohne vor der Ebene der Exekutive und Legislative Haltzu machen.Die Entlassung der Obersten Richterin, die sich gegendie Entscheidungen von Präsident Rajapaksa gestellthat, ist eine wirkliche Gefahr. Damit verstieß derPräsident gegen jegliches demokratisches Prinzip derGewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Justiz.Zugleich zeigte er, dass er der geltenden Verfassungwenig Bedeutung beimisst, und lässt Befürchtungenaufkommen, diese – wie bereits durch die Aufhebungeiner Amtszeitbeschränkung für den Präsidenten –weiterhin willkürlich umzuformulieren.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28109Christoph Strässer(A)(B)Weiterhin müssen wir eine erhebliche Zensur derfreien Presse zur Kenntnis nehmen – so wurden neueRegulierungen zur Überwachung von Internetseitenerlassen, die die Regierung betreffende Nachrichtenveröffentlicht bzw. Nachrichten, die die Regierung alssolche erachtet – und die Schließung von nahezu allenstaatlichen Universitäten. Auch dies ist besorgniserregend,weist es doch in die Richtung von Kontrolle undSteuerung der Bevölkerung. Zudem wurde das Anti-Terror-Gesetz, das auch zur Kontrolle der Bevölkerunggenutzt werden könnte, auch Jahre nach demEnde des Bürgerkriegs noch nicht abgeschafft. Wirsind der Überzeugung, dass dieses Gesetz, das einemNotstandsgesetz gleicht, abgeschafft werden muss unddamit zu rechtsstaatlichen Prinzipien zurückgekehrtwerden muss.Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass StaatspräsidentRajapaksa, gemeinsam mit seinen Getreuen, denStaat und die Gesellschaft nach seinen Prinzipien umgestaltet– und dies nicht zum Wohle des gesamten Volkesin Sri Lanka. Gleichwohl genießt Rajapaksa großesAnsehen in der Bevölkerung – unter anderem auch,weil er in ihren Augen für die positiven wirtschaftlichenEntwicklungen verantwortlich ist.Diese auf der politischen Ebene verlaufenden Verschlechterungenhaben auch sehr konkrete Auswirkungenin der Gesellschaft. Im hauptsächlich von hinduistischenTamilen bewohnten Norden wurden vermehrtbuddhistische Tempel errichtet. Diese werden oftmalsvon Militärangehörigen genutzt. In meinen Augen istdies in doppelter Hinsicht negativ: Zum einen wird dieLebenswirklichkeit der Menschen nicht anerkannt;zum anderen sehen sich die Tamilen nach Beendigungder militärischen Auseinandersetzungen erneut einertäglichen Begegnung mit dem Militärpersonal ausgesetzt.Einige Kritiker sprechen sogar davon, dass dieandauernde Präsenz militärischer Kräfte im Gebietder Tamilen einer Besatzung gleiche. DerartigeEntwicklungen sind nach meinem Ermessen für einfriedliches Zusammenleben und eine dauerhafte Aussöhnungkontraproduktiv. Zugleich sind die tieferliegendenUrsachen für den vergangenen Konflikt nochimmer nicht behoben; die Tamilen fühlen sich weiterhinpolitisch und sozioökonomisch marginalisiert.Neben der politischen und gesellschaftlichen Aufarbeitungspielt die tatsächliche Herbeiführung vonäquivalenten Lebensverhältnissen eine entscheidendeRolle, um nicht alte Konfliktlinien wieder aufbrechenzu lassen.Bisher wurden auch wenig effektiv Schritte unternommen,um nach Ende des Bürgerkrieges den Versöhnungsprozessvoranzutreiben. Bisher konnten lediglichzahlreiche politische Willensbekundungen undtheoretische Zusagen vernommen werden; echter Willezu einer umfassenden Aufarbeitung und konkreteHandlungen hingegen blieben bisher aus. Vielmehrgab es große politische Rhetorik. In der Lebenswirklichkeitder Menschen sind Wahrheit, Versöhnung undAufarbeitung leider bisher nicht angekommen. Dabeiist von entscheidender Bedeutung, dass es zwischenden ehemaligen Kriegsparteien zu einer echten Aussöhnungkommt. Gerechtigkeit und Rechenschaft sindelementare Bestandteile.Dazu gehört es auch, die derzeit in den Medien kursierendenVorwürfe der Hinrichtung von Gefangenendurch die Armee Sri Lankas, unter denen unter anderemder Sohn des Anführers der Befreiungstiger vonTamil Eelam, LTTE, Balachandran Prabhakaran, betroffensein soll, zu untersuchen und aufzuklären. Ichbin überzeugt, dass derartige Verbrechen – solltendiese Vorwürfe nicht ausgeräumt werden – eine dauerhafteBelastung für den noch fragilen Frieden seinkönnen.Es überraschte, dass der von der Regierung SriLankas veröffentlichte LLRC-Bericht zwar relativ konkreteEmpfehlungen hinsichtlich eines effektiven Aufarbeitungs-und Versöhnungsprozesses enthält, derenUmsetzung aber von der derzeitigen Regierung mitdem Verweis auf eine Gefährdung der angeblich stabilenFriedenslage abgelehnt wurde. Mittlerweile wurdeim Juli des letzten Jahres, auch dank internationalemDruck, ein dem Bericht folgender Aktionsplan veröffentlicht,der Zuständigkeiten und Zeitpläne für dieUmsetzung des Berichtes definiert. Es bleibt abzuwarten,ob mit diesem Aktionsplan das Eis gebrochen werdenkonnte und tatsächliche Veränderungen folgenwerden.Nur auf Basis dieses Prozesses kann der Entwicklungsprozessdes ganzen Landes effektiv vorangetriebenwerden und weitere Schritte unternommen werden,um Fragen der Landverteilung und Sprachenpolitik imInteresse aller dauerhaft zu lösen. Zudem können weiterewichtige Reformvorhaben wie die Dezentralisierungund Unabhängigkeit der Institutionen nachhaltignur gelöst werden, wenn die ausgesöhnten Bevölkerungsgruppengemeinsamen an einer effektiven Lösungarbeiten. Nach unserem Dafürhalten ist mit Blickauf die Vergangenheit die Aussöhnung der letzteSchritt zur Beendigung des Bürgerkriegs; mit Blick aufdie Zukunft ist sie Voraussetzung für alle künftigenEntwicklungsschritte, die die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppengemeinsam zu bewältigen haben.Mit Blick auf das eingangs präsentierte Zitat weisenauch im Falle Sri Lankas alle Zeichen darauf hin, wieschwer die Versöhnung zwischen ehemaligen Feindenist und wie brüchig selbst die Verbindungen zwischenBrüdern sind. Gleichwohl ist dies nicht unmöglich undmuss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln forciertund unterstützt werden.Gemeinsam mit unseren internationalen Partnernsollten wir daher die verfügbaren Wege ausnutzen, umauf die Regierung Sri Lankas einzuwirken und wirkungsvolleAntworten auf die zurückliegenden Entwicklungenzu finden und die Regierung und das Volkin seinen Bemühungen unterstützen, Antworten auf dievielfältigen Fragen der Vergangenheit und Zukunft zufinden. Wie sich am Aktionsplan zum LLRC-Bericht(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28110 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Christoph Strässer(A)zeigt, waren hier internationale Bemühungen von außen– wenngleich sie sich stets in einem Spannungsfeldzwischen Mahnung und Einmischung in innere Angelegenheitenbewegen – erfolgreich.Es wird Geduld erfordern und die Initiative unterschiedlichsterAkteure auf dem internationalen, multilateralenParkett, um Präsident Rajapaksa zu überzeugen,seine autoritären Schritte zu überdenken undseine politischen Handlungen in eine andere Richtungzu lenken. Auch weil er in der Bevölkerung enormesAnsehen genießt, welches gepaart mit seinen vielfältigenVerbindungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaftein großes Gewicht besitzt, ist es relevant, ihnals Adressaten der Veränderung zu respektieren.Wir begrüßen ausdrücklich Initiativen, die eine Folgeresolutionzur Resolution „Promoting reconciliationand accountability in Sri Lanka“ ermöglichen sollen.Es wäre erfreulich und ein wichtiges Monitoring, wenndas Engagement der UN-Hochkommissarin für Menschenrechtedie Entwicklungen im Land weiterhinbegleiten würde. Zeitgleich wollen wir, dass die UN-Sonderberichterstatterinnen und -erstatter offizielleingeladen und durch die sri-lankischen Behörden inihrer Arbeit unterstützt werden, um vor Ort die tatsächlichenVerhältnisse in Augenschein nehmen zukönnen und wichtige menschenrechtsspezifische Themenbereichewie Minderheitenfragen, willkürlicheVerhaftungen, extralegale Hinrichtungen untersuchenzu können. Auch die Wahrung der Meinungs-, Versammlungs-und Vereinigungsfreiheit sowie der Rechtevon Frauen und Menschenrechtsverteidigerinnen und-verteidigern sollte hierbei beleuchtet werden.Auch die Bundesregierung kann auf vielfältigen Wegenauf die Regierung Sri Lankas einwirken, dengegenwärtigen Zustand der Unsicherheit und der ungelöstenProbleme zu bewältigen. Wir haben dies inunserem Antrag formuliert und bitten Sie heute herzlichum Ihre Zustimmung für dieses wichtige politischeAnliegen.stillstand zu vereinbaren, die Versorgung der in derKampfzone eingeschlossenen Menschen zu ermöglichenund eine politische Lösung des ethnischen Konfliktsanzustreben.(C)(B)Pascal Kober (FDP):Diese christlich-liberale Regierungskoalition beobachtetmit Aufmerksamkeit die politischen Entwicklungenin Sri Lanka. Aus diesem Grund ist der Antragder SPD-Fraktion im Grundsatz zu begrüßen. Diemenschenrechtliche Situation in Sri Lanka ist nach wievor schwierig und stellt Sri Lanka vor politische undzivilgesellschaftliche Herausforderungen.Mit Sorge habe ich die Fernsehdokumentation „SriLanka's Killing Fields“ des britischen Senders BBCChannel 4 zur Kenntnis genommen, in der über angeblicheKriegsverbrechen beider Kriegsparteien in denletzten Monaten des sri-lankischen Bürgerkriegs imJahr 2009 berichtet wird.Und dementsprechend hat sich die Bundesrepublikwiederholt besorgt zur Lage in den sri-lankischen Bürgerkriegsgebietengeäußert. Die Bundesregierung hatin der Vergangenheit dazu aufgerufen, einen Waffen-Darüber hinaus hat diese christlich-liberale Regierungskoalitionseit dem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungenmit über 100 000 Toten gemeinsammit der EU wiederholt appelliert, die in den Flüchtlingslagernuntergebrachten Binnenvertriebenen wiederin ihren Städten und Dörfern anzusiedeln. Auch hatDeutschland dazu aufgerufen, internationalen Hilfsorganisationenden Zutritt zu den Lagern zu ermöglichen.Dabei ist es ein klares Bekenntnis Deutschlands,dass eine dauerhafte Friedenslösung nur dannmöglich sein wird, wenn sie unter Einbeziehung allerBevölkerungsgruppen gefunden wird.Zugleich ist es überaus erfreulich zu sehen, dasssich Sri Lanka in den letzten Jahren und nach demEnde des Bürgerkrieges wirtschaftlich überaus erfolgreichentwickelt hat. Wir stehen sowohl dem Aufbau einerTourismusindustrie als auch der Entwicklung desIndustriesektors positiv gegenüber.Ungeachtet dieser Entwicklungen hat diese Regierungskoalitionwiederholt auf diese Defizite im Menschenrechtsbereichreagiert. So ist aufgrund des nochnicht abgeschlossenen Friedens- und Aussöhnungsprozesseskein entwicklungspolitisches Engagement imklassischen Sinne möglich.Vielmehr unterstützt Bundesminister Dirk Niebel einenentwicklungspolitischen Ansatz, der bewusst aufKonflikttransformationsziele fokussiert ist, insbesondereauf die Friedenserziehung.Das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklungund Zusammenarbeit fördert mit Bedacht dieFriedens- und Werterziehung. Dazu zählen unter anderemauch die konfliktsensible Lehrplanentwicklungund Lehrerfortbildung sowie die gezielte Förderungvon konfliktbetroffenen Kindern und Jugendlichen.Mit diesen Aktivitäten unterstützt diese Regierungskoalitionden langfristigen Aussöhnungsprozess derehemals verfeindeten Gruppierungen in Sri Lanka undfördert die schrittweise Verwirklichung der Anerkennungder Menschenrechte durch die sri-lankische Regierung.Katrin Werner (DIE LINKE):Es ist gut, dass wir heute über die aktuelle Situationin Sri Lanka diskutieren und die Kolleginnen und Kollegenvon der SPD hierzu einen Antrag vorgelegt haben.Nach dem militärischen Sieg der sri-lankischenArmee über die tamilischen Rebellen im Frühjahr2009 hat die öffentliche Aufmerksamkeit für das Landmerklich nachgelassen. Die Zentralregierung hat denjahrzehntelangen bewaffneten Konflikt zwar militärischgewonnen, gelöst ist er aber noch längst nicht.Hierfür müssten die Ursachen beseitigt werden.(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28111Katrin Werner(A)(B)Der Grundstein für den Konflikt wurde von der ehemaligenKolonialmacht Großbritannien gelegt, indemdiese die administrative Grenzziehung unter ethno-demografischenGesichtspunkten manipulierte und dietamilische Minderheit gegenüber der singhalesischenBevölkerungsmehrheit ökonomisch privilegierte. Dadurchkonnte nach der Entkolonialisierung Sri Lankasdie tamilische Bevölkerung leicht als vermeintlicheGegnerin der nationalen Unabhängigkeit und staatlichenEinheit stigmatisiert werden. Der sri-lankischenRegierung diente dies als Rechtfertigung für massiveUnterdrückungsmaßnahmen und staatlich gelenktePogrome an der tamilischen Zivilbevölkerung.Als Reaktion hierauf formierte sich in Gestalt derLiberation Tigers of Tamil Eelam, LTTE, ein bewaffnetertamilischer Widerstand, der über eine Massenbasisverfügte, mittels derer dann die militärische De-facto-Abspaltung der Tamilengebiete Sri Lankas erst bewerkstelligtwerden konnte.Die Frage von Ursache und Wirkung lässt sichsomit eindeutig beantworten: Die sri-lankischen Regierungenhaben den im Kern sozio-ökonomischenVerteilungskonflikt gezielt ethnisiert, um einen Kriegzwischen den Bevölkerungsgruppen anzuzetteln. DerBürgerkrieg kam den singhalesischen Eliten gut gelegen,weil er ihnen die Möglichkeit bot, sich mithilfeautoritärer Methoden der Machtausübung nach innenauf Kosten der eigenen Bevölkerung schamlos zu bereichernund hierfür die Tamilen als Sündenböcke zumissbrauchen.Während des jahrzehntelangen Bürgerkriegs wurdenauf beiden Seiten schwere Menschenrechtsverletzungenverübt. In der Schlussphase des Bürgerkriegshaben sich nach Einschätzung der UNO und von internationalenMenschenrechtsorganisationen die Kriegsführungsmethodender beiden militärischen Konfliktparteiennochmals brutalisiert: Die sri-lankischenStreitkräfte haben im Zusammenwirken mit singhalesischenParamilitärs und Todesschwadronen bei ihremVormarsch eine Vielzahl von tamilischen Zivilistinnenund Zivilisten getötet und extralegale Exekutionen vonKriegsgefangenen durchgeführt, Krankenhäuser,Schulen und andere zivile Einrichtungen angegriffenund humanitäre Hilfe für die notleidende und traumatisierteZivilbevölkerung verweigert. Das sind zweifellosschwere Kriegsverbrechen. Die LTTE hat ihrerseitsZivilistinnen und Zivilisten als menschliche Schutzschildemissbraucht, Fluchtversuche der Zivilbevölkerungmit drakonischen Strafen wie Erschießungen aktivunterbunden und trotz aussichtsloser militärischerLage Kindersoldaten zwangsrekrutiert.Wenn wir heute über notwendige Versöhnungsprozessezwischen Singhalesen und Tamilen diskutieren,müssen wir folglich immer bedenken, dass das schrecklicheKriegsgeschehen aufgearbeitet werden muss undsich die politischen und gesellschaftlichen Verhältnissein Sri Lanka grundlegend ändern müssen. Die aktuelleMenschenrechtslage ist dramatisch: Politische Auftragsmordean und das Verschwindenlassen von Regierungskritikerinnenund -kritikern sind an der Tagesordnung.Erst kürzlich wurde sogar die Oberste RichterinSri Lankas, Shirani Bandaranayake, ihres Amtes enthoben,weil sie zwei Gesetzesvorhaben der Regierungwegen Verfassungswidrigkeit suspendiert hatte. DiesesBeispiel zeigt, dass in der Realität die Gewaltenteilungzugunsten der Exekutive aufgehoben ist.Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger,die sich insbesondere auch für dieRechte der tamilischen Bevölkerung einsetzen, werdenmeist pauschal der Unterstützung des Separatismusund der Propaganda für die besiegte frühere RebellenarmeeLTTE bezichtigt. In den tamilischen Siedlungsgebietenwerden von der sri-lankischen Regierung ingroßem Umfang gezielt Familien von singhalesischenMilitärangehörigen angesiedelt, um die ethno-demografischenMehrheitsverhältnisse in naher Zukunftumzukippen. Für die tamilische Bevölkerung sind dagegenkaum Arbeitsmöglichkeiten vorhanden.Besonders schwer haben es alleinstehende Tamilinnen,die während des Krieges ihre Männer und Söhneverloren haben. Sie leiden unter extremer gesellschaftlicherAusgrenzung, da sie oft zur Armutsprostitutiongezwungen sind. Viele von ihnen arbeiten aus schiererNot als Sexsklavinnen für singhalesische Soldaten,weil sie sich davon wenigstens den Zugang zu überlebensnotwendigenGütern wie Nahrungsmitteln erhoffen.Eine öffentliche Aufarbeitung der Kriegsverbrechenhat bisher kaum stattgefunden. Gegen die Einsetzungeiner unabhängigen Untersuchungskommission derUNO hat sich die sri-lankische Regierung vehementgewehrt und stattdessen zu Alibizwecken eine eigeneKommission gebildet, die erwartungsgemäß nur solcheErkenntnisse zutage gefördert hat, nach denenausschließlich die tamilische Seite Verantwortung fürbegangene Menschenrechtsverletzungen zu tragenhabe.Vor diesem Hintergrund ist das bevorstehende Prüfverfahrenvor dem UN-Menschenrechtsrat ein geeignetesInstrument, um auf internationaler Ebene auf diegenannten Missstände hinzuweisen und Verbesserungeneinzufordern. Der Antrag der SPD beschreibt imFeststellungsteil die gegenwärtige Situation zutreffend,und seine Forderungen finden unsere Unterstützung.Da die Linke stets in der Sache entscheidet,stimmt sie dem Antrag zu. Wir wären erfreut gewesen,wenn sich die SPD umgekehrt bei unserem Antrag zuSri Lanka ähnlich konstruktiv verhalten hätte. DasThema Menschenrechtsverletzungen ist viel zu ernst,um damit parteitaktische Spielchen auf dem Rückender Betroffenen auszutragen.Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen dieMenschlichkeit während des Bürgerkrieges in SriLanka 2008/2009 gehören zu den schlimmsten Gräueltatendes vergangenen Jahrzehnts. 40 000 Zivilisten,so schätzen die Vereinten Nationen, sind allein in den(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28112 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Tom Koenigs(A)(B)letzten Monaten des Konflikts ums Leben gekommen.Sowohl die sri-lankische Regierungsarmee als auchdie tamilische Rebellenorganisation LTTE, „Befreiungstigervon Tamil Eelam“, haben Kriegsverbrechenund Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen.In erster Linie hat die Regierung Sri Lankas in ihrerVerantwortung für den Schutz der eigenen Bevölkerungversagt. Doch auch die Vereinten Nationen, VN,und ihre Mitgliedstaaten sind der 2005 beschlossenenSchutzverantwortung, der Responsibility to Protect,RtoP, nicht gerecht geworden. Mit dem RtoP-Konzepthat sich die internationale Gemeinschaft darauf verständigt,bei schwersten Menschenrechtsverletzungennicht mehr wegzusehen, sondern sie zu verhindern, mitzivilen Mitteln, soweit dies irgend geht, und nur im äußerstenNotfall mit militärischen Mitteln, und das nachder VN-Charta. Fast 20 Jahre nach der Tragödie inRuanda hat die internationale Gemeinschaft noch zuwenig aus vergangenen Fehlern gelernt.Das zeigt ein im November 2012 veröffentlichterUntersuchungsbericht, den VN-Generalsekretär BanKi-Moon in Auftrag gegeben hat, „Report of theSecretary-General’s Internal Review Panel on UnitedNations Action in Sri Lanka“. Der Bericht legt Versäumnisseder VN und ihrer Mitgliedstaaten währendder letzten Monate des Bürgerkriegs in Sri Lankaschonungslos offen. Wir sollten ihn nutzen und breitdiskutieren, um aus Fehlern zu lernen und Menschen inähnlichen Situationen künftig wirksamer vor schwerstenMenschenrechtsverletzungen schützen zu können.Vor allem müssen wir besser werden in der Präventionsolcher Verbrechen, damit militärische Eingriffe erstgar nicht nötig werden.Laut dem Bericht hat die internationale Gemeinschaftin vier Bereichen versagt. Erstens sind die VNder Regierung Sri Lankas nicht entschieden genug entgegengetreten,als diese den Zugang zur schutzbedürftigenBevölkerung verwehrt hat. Stattdessen haben dieVN eine Konfrontation vermieden und Menschenrechtsverletzungennicht entschieden kritisiert. Indemauf den Menschenrechtsschutz zugunsten des humanitärenZugangs verzichtet wurde, konnte schließlichbeides nicht erreicht werden.Zweitens waren die Planungsverfahren der VN zulangsam und ihre institutionellen Strukturen veraltet.Verantwortlichkeiten innerhalb der VN-Hauptverwaltungwaren unklar; dem Landesteam fehlte es an menschenrechtlicherExpertise.Drittens war der Informationsaustausch zwischenden VN und ihren Mitgliedstaaten über die Situation inSri Lanka unzureichend. Die VN haben an die Mitgliedstaatenkommuniziert, was diese aus Sicht der VNwissen wollten, nicht das, was sie hätten wissenmüssen. So konnte die Regierung Sri Lankas ihre Menschenrechtsverletzungenweiterhin unter dem Deckmanteleiner letzten Offensive im „Krieg gegen denTerror“ begehen.Viertens haben die Mitgliedstaaten die VN nichtzum Handeln gedrängt. Die Situation in Sri Lankawurde nicht bzw. zu spät auf die Agenda des VN-Sicherheitsrates,des VN-Menschenrechtsrates und derVN-Generalversammlung gesetzt. Durch Nichthandelnmachen wir uns zu Komplizen von Menschenrechtsverbrechen.Der Bericht zeigt, dass wir auf verschiedenen Ebenenmehr tun müssen, um unseren humanitären Schutzauftragzu erfüllen und Einrichtungen und Verfahrender VN und der Mitgliedstaaten tauglicher für die Präventionvon schwersten Menschenrechtsverletzungenzu machen. Er gibt eine Reihe von Handlungsempfehlungen.Gerade im Bereich der Kommunikation undInformationspolitik gibt es Möglichkeiten, die Präventionzu verbessern. So ruft der Bericht die VereintenNationen die Mitgliedstaaten auf, Krisen stärker ausRtoP-Perspektive zu betrachten. Außerdem sollenneue institutionelle und prozessuale Formen der Zusammenarbeitzwischen VN, Mitgliedstaaten und Regionalorganisationengeschaffen und die Kommunikationzwischen Hauptquartier und dem Feld intensiverund transparenter gestaltet werden. In Krisensituationensollte zum richtigen Zeitpunkt Kritik geübt werden.Wichtig erscheinen mir auch Verbesserungen imManagement der VN-Reaktion auf RtoP-Situationen.Eine klare Zuweisung der Verantwortung innerhalbdes VN-Systems könnte zu einer verbesserten Koordination,einem effizienteren Einsatz von Ressourcenund der Vermeidung von Parallelstrukturen und derSchließung von Zuständigkeitslücken führen. Außerdemsollte bei der Auswahl von Mitarbeiterinnen undMitarbeitern der VN menschenrechtliche Expertiseeine größere Rolle spielen.Ich wünsche mir eine aktive konzeptionelle und operativeMitarbeit der Bundesregierung, damit die Empfehlungendes Berichtes wirksam umgesetzt werdenkönnen. Aufgrund unserer historischen Verantwortungfür die Verhütung von Völkermord sollten wir die Erstensein, die zu einem besseren Schutz vor schwerstenMenschenrechtsverletzungen beitragen. Der Berichtdes Generalsekretärs liefert wichtige Hinweise. Jetztist es an uns, sie mit Leben zu füllen.Vizepräsidentin Petra Pau:Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag derFraktion der SPD auf Drucksache 17/12466. Wer stimmtfür diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältsich? – Der Antrag ist durch die Koalitionsfraktionen abgelehnt.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzesim notariellen Beurkundungsverfahren– Drucksache 17/12035 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss (f)(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28113Vizepräsidentin Petra Pau(A)(B)Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAuch hier nehmen wir die Reden zu <strong>Protokoll</strong>.Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU):Wir beraten heute in erster Lesung den Gesetzentwurfdes Bundesrates zur Stärkung des Verbraucherschutzesim notariellen Beurkundungsverfahren. Zieldieses Gesetzes ist die Verhinderung oder Einschränkungvon Umgehungsmöglichkeiten im Beurkundungsrecht,die nicht zuletzt in den Fällen des Verkaufssogenannter Schrottimmobilien offenkundig wurden.Vor diesem Hintergrund bin ich vor allem dem BerlinerJustizsenator Heilmann für seine Initiative dankbar,durch eine Änderung des BeurkundungsgesetzesVerbraucher vor derartigen Geschäftsmodellen besserzu schützen.Um was geht es? Bereits seit Mitte der 90er-Jahresind Fälle bekannt geworden, in denen Verbraucherzur übereilten Beurkundung von Immobilienkaufverträgengedrängt wurden. Oftmals lagen jedoch dieVerkehrswerte dieser Immobilien deutlich unter demverabredeten Kaufpreis. Zuvor wurde mit vollmundigenVersprechen einer lukrativen Geldanlage denKaufinteressenten die Investition angepriesen. Ebenfallswurden die Käufer mit dem Hinweis auf weitereKaufinteressenten zum schnellen Abschluss gedrängt.Später stellte sich für die Verbraucher heraus, dassdie tatsächliche Immobilie nicht den Versprechungenund Erwartungen entsprach, die vom Verkäufer gewecktwurden. Oft handelte es sich bei der beschriebenenSanierung des Objektes nur um eine sogenanntePinselsanierung, bei der nur notdürftig Mängel bearbeitetwurden. So blieben in der Folge auch die erzieltenMieteinnahmen hinter den Erwartungen zurückund reichten nicht wie versprochen aus, um die Kreditratenzu decken. Erforderlich wurde dann ein erheblicherEinsatz eigenen Geldes. Kam es deswegen zu einemvorzeitigen Verkauf der Immobilie, waren diefinanziellen Verluste für den Verbraucher oft existenzbedrohend.Bei der Frage, wie es denn zum notariellenAbschluss derartiger überhasteter Kaufabschlüsseüberhaupt kommen konnte, war zum Beispiel in einemInterview mit dem Präsidenten des Berliner Landgerichts,Bernd Pickel, in der „Berliner Morgenpost“ imFebruar diesen Jahres zu lesen: „Das Beurkundungsgesetzsieht vor, dass der Verbraucher den Vertragsentwurfzwei Wochen vor Unterzeichnung schon vorliegenhaben muss. Wir haben bei den Fällen sehr oftfestgestellt, dass die Vertriebsunternehmen, die dasImmobiliengeschäft einfädeln, die Kunden gebeten haben,den Notar darüber zu belügen. Wenn der Notardann fragt, ob der Vertrag in der Frist schon bekanntwar, haben die Leute Ja gesagt. Das hatte System.“Der viel gescholtene Formzwang des BGB, derbeim Immobilienkaufvertrag das strengste Formerfordernisder notariellen Beurkundung vorsieht, wirdzwar oft genug als zu bürokratisch kritisiert, ist aberdennoch immer wieder – wie auch dieses Beispielzeigt – Umgehungsversuchen ausgesetzt. So haben wirin der Stellungnahme des Deutschen Notarvereins zudiesem Gesetzgebungsvorhaben lesen können, ich zitiere:„Versuche von Beteiligten, das Beurkundungsverfahrenzum eigenen Vorteil auszuhöhlen und dessenSchutzfunktion zu unterlaufen, sind wahrscheinlich soalt wie das Beurkundungsverfahren selbst.“Mit Einführung des § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2 desBeurkundungsgesetzes im Jahr 2002 erkannte derGesetzgeber, dass neben der Beurkundungspflicht fürImmobilienkaufverträge, die den Beteiligten die Tragweiteihres rechtsgeschäftlichen Handelns vor Augenführen sollte, es im Bereich der Verbraucherverträgeaber eines zusätzlichen Schutzes bedurfte. Wegen derKomplexität eines Immobilienkaufvertrages und dem– wodurch auch immer bedingten – hohen Entscheidungsdrucksah der damalige Gesetzgeber die Notwendigkeit,dem Verbraucher ausreichend Gelegenheitzu geben, den Vertragstext aufmerksam zu studierenund die rechtlichen Folgen zu erkennen.Um Verbrauchern so ein Mindestmaß an Bedenkzeitzu ermöglichen, wurde damals der § 17 Abs. 2 a Satz 2Nr. 2 des Beurkundungsgesetzes geschaffen. Hiernachsoll der Notar darauf hinwirken, dass Verbraucher denzu beurkundenden Vertragstext mindestens zweiWochen vor dem Beurkundungstermin ausgehändigtbekommen. Zwei Wochen, um den Vertragstext zu verinnerlichenund sich am Ende über die Wirkung imKlaren zu sein, wenn vor dem Notar die Unterschriftgeleistet wird. Dies ist eine aus Sicht des Verbraucherschutzessinnvolle Regelung, die, wie sich in denFolgejahren aber zeigte, in der Umsetzung nicht zumgewünschten Erfolg führte, denn sie weist eine entscheidendeSchutzlücke auf. So soll der Notar nach derderzeitigen Fassung des Gesetzes zwar darauf hinwirken,dass die Zweiwochenfrist eingehalten wird, jedochkann die Aushändigung des Vertragsentwurfesbislang auch durch den Verkäufer oder sonstige Dritteselbst geschehen.Hieraus ergibt sich ein erhebliches Missbrauchspotenzial;denn ob diese Aushändigung durch einenDritten tatsächlich unter Fristwahrung stattfindet,lässt sich durch den Notar nur schwer überprüfen.Zahlreich sind offenbar die Fälle, in denen zur Ausnutzungdieses Mangels dubiose Verkäufer ihren Kundenerklären, es handele sich bei der Frist um eine reineFormalie und es solle dem Notar bei der Beurkundungeinfach wahrheitswidrig die Einhaltung der Frist bestätigtwerden.Der Vorstoß des Bundesrates, diese Umgehungsmöglichkeitdurch eine Änderung des § 17 Abs. 2 aBeurkG einzuschränken, ist aus meiner Sicht imGrundsatz zu begrüßen. Nicht zuletzt die neuestenMeldungen über die zahlreichen Fälle von Verkäufenvon Schrottimmobilien zum Beispiel in Berlin machendeutlich, dass hier offenkundig Handlungsbedarf besteht.(C)(D)


28114 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Andrea Astrid Voßhoff(A)(B)Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf soll zukünftigder beurkundende Notar nunmehr selbst die Aushändigungdes Vertragsentwurfes mindestens zweiWochen vor dem Termin vornehmen. Zweifellos führtdies zu einer besseren Kontrolle für den Notar und einererhöhten Transparenz und Nachvollziehbarkeitauch durch die Dienstaufsicht. Wird die Frist unterschritten,soll der Notar dies in der Niederschrift angeben.Die Einhaltung der Zweiwochenfrist für Verbraucherwird durch diese Gesetzesänderung deutlich bessergewährleistet. Gleichwohl können sich aus derderzeitigen Fassung des Gesetzentwurfes Nebeneffekteergeben, die es zu vermeiden gilt und die wir währendder parlamentarischen Beratungen näher beleuchtensollten:Zum einen ist das die im Gesetzeswortlaut verwendeteFormulierung hinsichtlich der Kostenfreiheit desVertragsentwurfes. An sich könnte diese Formulierungan dieser Stelle gänzlich entfallen, da sich dies bereitsaus der Kostenordnung ergibt. In der Regel ist ja derVerbraucher nicht der Auftraggeber des Entwurfes.Wenn man denn aber hier eine Klarstellung derKostenfreiheit für den Verbraucher wünscht, dannsollte dies auch eindeutig formuliert werden.In seiner aktuellen Fassung führt der Gesetzentwurfdes Weiteren zu einer Fragestellung, welche Auswirkungendie Gesetzesformulierung hat, wenn die Vertragsparteiennicht am gleichen Ort wohnen. Nehmenwir einmal an, der Verkäufer beauftragt seinen Notarvor Ort mit der Anfertigung des Entwurfes, später abermöchte der Käufer die Beurkundung statt am Ort desVerkäufers an seinem Wohnort bei seinem Notardurchführen lassen. In diesem Fall müsste laut demGesetzestext der Vertragsentwurf ein zweites Mal vom„Käufernotar“ dem Verbraucher fristgerecht zur Verfügunggestellt werden. Diese Vorgehensweise erscheintnicht nur unnötig kompliziert, es stellt sichauch die Frage, wie die Kosten der beiden Notare indieser Konstellation abgerechnet werden sollen. Hiersollte überlegt werden, ob es sinnvoll ist, dass zwingendder „beurkundende“ Notar die Aushändigungdes Vertragsentwurfes vornehmen muss.Der weitere Vorschlag im Gesetzentwurf, die Amtsenthebungsgründefür Notare des § 50 Abs. 1 Nr. 9BNotO um Verstöße gegen § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2BeurkG zu erweitern, ist im Lichte der Tatsache, dassvereinzelt Notare als sogenannte Mitternachtsnotarean der übereilten Beurkundung vorsätzlich mitgewirkthaben, sinnvoll und standesrechtlich geboten.Im Rechtsausschuss werden wir Gelegenheit haben,die Fragen, die sich aus dem Gesetzentwurf noch ergeben,gemeinsam zu erörtern, sodass wir am Ende derBeratungen über einen Vorschlag entscheiden können,der die begrüßenswerte Zielstellung des Gesetzentwurfesauch passgenau umsetzt.Christoph Strässer (SPD):„Der Notar hat das Beurkundungsverfahren so zugestalten, daß eine Überrumpelung der Beteiligtendurch gewerblich tätige Vermittler vermieden wird.Unzulässig ist insbesondere eine Vergabe von Terminen… außerhalb der üblichen Arbeitszeiten, wodurches den Vermittlern ermöglicht wird, Interessenten inunmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit Anwerbegesprächenzur Vornahme einer Beurkundung zuveranlassen.“ OLG München vom 20. April 1994, soauch zitiert in der Stellungnahme der Bundesnotarkammer.Wir beschäftigen uns heute mit der Stärkungder Rechte des Verbrauchers im notariellen Beurkundungsverfahren,vor allem für den Bereich derSchrottimmobilien und Mitternachtsnotare.Insbesondere seit den 90er-Jahren werden unerfahrenenKäufern unter dem Vorwand von Steuervorteilen,totsicheren Wertsteigerungen etc. sogenannteSchrottimmobilien zu völlig überhöhten Preisen angeboten.Unseriöse Strukturvertriebe und Drücker übenwährend der Gespräche Druck auf die Kaufinteressentenaus. Unter dem Vorwand, es gäbe noch weitere Interessenten,werden die Käufer zu unüberlegten überhastetenVertragsabschlüssen gedrängt, meist ohnedass sie den Verkäufer und das Objekt kennen. Oft amWochenende oder zu später Stunde noch werdenNotarverträge unterzeichnet – der „Mitternachtsnotar“kommt zum Einsatz.Der Gesetzgeber reagierte 1998 und 2002 und fügte§ 17 Abs. 2 a Satz 2 und 3 ins BeurkG ein, wonach derVerbraucher ausreichend Gelegenheit erhalten soll,sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen.In der Regel soll er den beabsichtigtenText des Rechtsgeschäfts zwei Wochen vor der Beurkundungzur Verfügung gestellt bekommen.Das war der richtige Ansatz, aber augenscheinlichnicht weitgehend genug. In den letzten Jahren häufensich wieder die Beschwerden von getäuschten und betrogenenVerbrauchern.Wie wird vorgegangen? Ein beliebtes Vorgehen warlange Zeit die Aufspaltung der Beurkundung in Kaufangeboteund Verkäufe. Beim Notartermin mit demüberrumpelten Käufer ist dann der Verkäufer und Bauträgernicht anwesend. Der Käufer kann sich kein Bildvom Verkäufer machen, keine Nachfragen stellen zurBeschaffenheit der Wohnung, die Vermietsituation etc.In Einzelfällen war sich der Interessent gar nicht darüberbewusst, dass sein Angebot schon so verbindlichund ausreichend ist, dass der Verkäufer zu einem späterenZeitpunkt ohne Weiteres annehmen kann und derVertrag zustande kommt. Die Richtlinienempfehlungder Bundesnotarkammer für die Amtspflichten der Notarebesagt aber, dass eine systematische Aufspaltungvon Verträgen in Angebot und Annahme, soweit dieAufspaltung nicht aus besonderen sachlichen Gründengerechtfertigt ist, unzulässig ist.Ein weiteres Problem bleibt die Übereilung. In denproblematischen Fällen wird die Zweiwochenfrist(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28115Christoph Strässer(A)(B)nicht eingehalten. Zwar soll dem Verbraucher der Textdes Rechtsgeschäfts zwei Wochen vor Beurkundungzur Verfügung gestellt werden. Doch das musste bishernicht durch den Notar geschehen. Der Notar musstedarauf vertrauen, dass der Verkäufer oder Vertriebsmitarbeiterden Text weitergeleitet hatte und der Käuferdas wahrheitsgetreu bestätigte. Es ist aber vorgekommen,dass die Verbraucher auf Veranlassung vonVertriebsmitarbeitern den Notaren unrichtige Antwortengegeben haben, um eine sofortige Beurkundungohne Einhaltung der Frist erreichen zu können. Das istsicherlich der Hauptanwendungsfall. Nicht die Notaresind die Urheber der Missstände, sondern unseriöseVertriebsmitarbeiter. Das soll betont werden.In Einzelfällen besteht aber auch die Gefahr, dassMitternachtsnotare mit den Strukturvertrieben in einemzu engen Kontakt stehen und für diese Tag undNacht erreichbar sind. Steht der Notar in einem zu engenKontakt zu den Bauträgern, den Vermittlern undVerkäufern, ist die Unparteilichkeit des Notars gefährdet.Deshalb ist es richtig, wenn diese Regelungslückegeschlossen wird. Ich begrüße daher die Initiative derGroßen Koalition des Landes Berlin. Auf Initiative desLandes Berlin haben die Justizminister der Länder imJuni 2012 Handlungsbedarf für einen verbessertenVerbraucherschutz beim Immobilienerwerb gesehen.Insbesondere sei dafür Sorge zu tragen, dass sogenannteStrukturvertriebe nicht die mangelnde Erfahrungvon Käufern ausnutzen und ihnen dadurch nachhaltigenwirtschaftlichen Schaden zufügen. Nun liegtdem Bundestag der Bundesratsentwurf vor.Ich begrüße es, den Notar noch besser und weitreichenderin den Verbraucherschutz einzubeziehen.Kernpunkt der Neuregelung ist es, dass dem Verbraucherder Text des Rechtsgeschäftes zwei Wochen vorder Beurkundung aus der Sphäre des Notars zugesandtwird. Damit ändert sich an der notariellen Praxis wenig.Im besten Fall und regelmäßig haben die Notaredas bereits so gemacht. Jetzt wird aus einer wünschenswertenPraxis eine gesetzliche Regel.Gerade in den Missbrauchsfällen wird die Änderunges dem Verbraucher erleichtern, sich der Beeinflussungund dem Drängen von Vertriebsmitarbeiterneinfacher entziehen und eine informierte Entscheidungtreffen zu können.Zu den Pflichten des Notars gehören die unparteiischeBetreuung, Belehrungspflichten, Hinweispflichten,die Überwachung von Verträgen. Es ist nichtdie Aufgabe des Notars, zu prüfen, ob eine Immobilieals Kapitalanlage für einen Anleger geeignet ist. Erführt keine steuerrechtliche oder verkehrstechnischePrüfung durch. Der Notar ist aber in der Lage, denVerbraucher dahin gehend zu beraten, wer ein geeigneterAnsprechpartner für die Prüfung der Angelegenheitin wirtschaftlicher Hinsicht sein könnte. Das wirdohne Zeitdruck besser möglich sein.Kritisch wird angemerkt, dass durch die Regelungder Verbraucher gegenüber Unternehmern, die eineImmobilie erwerben wollen, benachteiligt werdenkönnte, da die Verbraucher durch die Zweiwochenfristkeine zeitnahen Entscheidungen treffen könnten.Grundsätzlich ist das richtig. Doch handelt es sich beider Frist nur um eine Regelfrist, von der abgewichenwerden kann, wenn im Einzelfall Eile geboten ist.Derzeit besteht keine Pflicht des Notars, eine Verkürzungder Frist zu begründen. Das soll sich nun ändern.Durch die Einführung einer Dokumentationspflichtfür die Verkürzung der Zweiwochenfrist kanneine spätere Überprüfung des Rechtsgeschäfts, zumBeispiel durch die Dienstaufsichtsbehörde, auf dokumentierterGrundlage erfolgen. Da die DokumentationTeil der Niederschrift und dem Verbraucher bei derBeurkundung verlesen wird, wird dieser auch nocheinmal deutlich auf den Verzicht der schützenden Fristhingewiesen.Der Gesetzentwurf macht deutlich, dass die Versendungder Unterlagen durch den Notar gebührenfrei erfolgt.Der Begriff „kostenfrei“ könnte insofern missverständlichsein, als dass damit nicht gemeint seinsollte, dass der Notar eigene Aufwendungen nicht erstattetbekommen kann, wie zum Beispiel Kopier- undPortokosten.Als unterstützenden Punkt erweitert der Gesetzentwurfdie Bundesnotarordnung um einen weiteren disziplinarrechtlichenSondertatbestand. Als neuer Amtsenthebungsgrundin § 50 Abs. 1 BnotO wird derwiederholte grobe Pflichtverstoß gegen die verbraucherschützendenPflichten aus § 17 Abs. 2 a Satz 2BeurkG aufgenommen.Der Gesetzentwurf stößt auf breite und auch unsereZustimmung. Bundesrat, Bundesregierung, DAV undBNotK begrüßen den Entwurf, wenn auch DAV undBNotK den disziplinarrechtlichen Teil ablehnen. DieFrage ist, warum die Bundesregierung, namentlichVerbraucherministerin Aigner, nicht früher tätig gewordenist. So hoffe ich aber, dass die Bundesratsinitiativeaus Berlin breite Unterstützung findet. ÜberDetails lässt sich sicherlich reden.Mechthild Dyckmans (FDP):Das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzesim notariellen Beurkundungsverfahren hat das Ziel,unlauteren Geschäftspraktiken entgegenzuwirken. Ausgangspunktist, dass seit den 90er-Jahren vermehrtminderwertige Immobilien an Verbraucher als Vermögensanlageoder Altersvorsorge verkauft werden.Diese sogenannten Schrottimmobilien haben einen erheblichgeringeren Verkehrswert als der vom Verbraucherzur Begleichung des Kaufpreises aufgenommeneKredit. Bei einem vorzeitigen Verkauf oder einerZwangsversteigerung der Immobilien können die Verbraucherdaher existenzbedrohende Verluste erleiden.Schon im Jahre 2002 wurde daraufhin das Beurkundungsgesetzergänzt, um Verbraucher besser vor sol-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28116 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Mechthild Dyckmans(A)(B)chen Schrottimmobilienkäufen zu schützen. DerSchutzbedarf des Verbrauchers ergibt sich in diesemFall aus seiner strukturellen Unterlegenheit gegenüberdem Bauträger oder Vertriebsunternehmer. Mitder Einführung des § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2 BeurkGsollte dem Verbraucher ausreichend Zeit – in der Regelzwei Wochen – gegeben werden, um den Inhalt desRechtsgeschäftes prüfen zu können und keine übereilteEntscheidung zu treffen.In der tatsächlichen Praxis ist § 17 Abs. 2 a Satz 2Nr. 2 BeurkG seiner Warn- und Schutzfunktion jedochkaum gerecht geworden. Deshalb sollen mit diesemGesetzentwurf aufgetretene Schutzlücken im Beurkundungsgesetzgeschlossen werden und es der Dienstaufsichtüber die Notarinnen und Notare erleichtert werden,die Einhaltung der Regelung zu kontrollieren.Die Schutzlücken sind dadurch entstanden, dass diederzeitige Regelung nicht ausdrücklich verlangt, dassder Beurkundungstext dem Verbraucher vom Notarselber überlassen wird. Der Text kann auch durch einenUnternehmer – zum Beispiel dem Bauträger –oder einem Vertriebsmitarbeiter dem Verbraucher zurVerfügung gestellt werden.Diese Praxis hat dazu geführt, dass sich der Verbraucherbei Fragen zu dem Beurkundungstext in allerRegel an die Person wendet, von der er den Text erhaltenhat. Da aber der Bauträger oder der Vertriebsmitarbeiterein eigenes Interesse am Zustandekommendes Vertrages hat, wird eine objektive Aufklärung überRisiken und Nachteile für den Verbraucher durch diesePersonen kaum stattfinden. Vielmehr dürften eigeneInteressen des Unternehmers bei einer „Aufklärung“des Verbrauchers im Vordergrund stehen. Der Gedankedes Verbraucherschutzes wird durch dieseHandhabung umgangen.Für den Notar muss die Einhaltung der Frist für denVerbraucher von zwei Wochen nachvollziehbar sein.Bei Überlassung des Beurkundungstextes durch Dritteist die Einhaltung der Zweiwochenfrist für den Notarnicht kontrollierbar. Der Verbraucher kann in vielenFällen die Bedeutung und die Tragweite dieser Zweiwochenfristnicht richtig einschätzen. Er fühlt sich genötigt,sie fälschlicherweise zu bejahen, da er dies alsrein formalistisches Verfahren einschätzt. Der Verbraucherist deshalb nicht vor einem übereilten Handelnausreichend geschützt; er ist sich der Tragweiteseiner Entscheidung nicht bewusst.Genau an diesen derzeitigen Schlupflöchern setztder Gesetzentwurf an. § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2BeurkG soll künftig den Notar oder seinen Sozius verpflichten,den Beurkundungstext dem Verbraucherzwei Wochen vor der Beurkundung selbst zu überlassen.Der Notar soll sowohl die Überlassung des Beurkundungstextes,wie auch – in seltenen Fällen – dieUnterschreitung der Zweiwochenfrist dokumentieren.Damit wird die tatsächliche Ausgestaltung einer notariellenBeurkundung gegenüber dem Verbraucher konkretisiertund die Warn- und Schutzfunktion der notariellenBeurkundung wiederhergestellt.Die zwingende notarielle Begleitung bei einem Immobilienkaufals Schutz für den Verbraucher ist auchAusdruck der besonderen Stellung der Notare. Sie könnennicht nur rechtlich über Gefahren oder Risikeneines Geschäfts aufklären, sondern sind in ihrer Funktionals Rechtspflegeorgan unabhängige und unparteiischeBetreuer der Beteiligten. Notare sind Träger einesöffentlichen Amtes und Teil der vorsorgendenRechtspflege. Daraus ergibt sich bereits eine Aufklärungspflichtfür besonders risikoreiche Geschäfte. Verbrauchersind deshalb bei Notaren in guten Händen.Anders als im Gesetzentwurf des Bundesrates vorgesehen,bedarf es der Feststellung im Gesetzestextzur Kostenlosigkeit der Neuregelung nicht. Zum einenpasst eine kostenrechtliche Regelung von der Systematikher nicht ins Beurkundungsgesetz. Zum anderenfehlt es bereits an einem Gebührentatbestand; dasmacht eine Aussage über die Kostenfreiheit überflüssig.Soweit der Gesetzentwurf vorsieht, bei einer Verletzungder Pflicht des Notars zur Überlassung des Beurkundungstextesoder der Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist ohne Begründung disziplinarische Maßnahmeneinzuleiten, halte ich dies für angemessen. Dievorgeschlagene Änderung der Bundesnotarordnungwird Pflichtverstößen wirksam entgegenwirken. Eineeinschneidende Disziplinarmaßnahme wie die Amtsenthebungmuss jedoch restriktiv gehandhabt werdenund darf nur bei groben beziehungsweise mehrfachenPflichtverletzungen gegen § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2BeurkG zulässig sein.Mit diesem Gesetzentwurf entwickeln wir dieGrundlage eines praxisgerechten Verbraucherschutzesweiter. Denn ob ein Gesetz die gewünschte Wirkungentfaltet, zeigt sich oft erst bei seiner Anwendung.Durch diese Klarstellung im Beurkundungsgesetz wirdder Verbraucher besser und objektiv aufgeklärt. Erstdurch eine qualitative und objektive Aufklärung vonVor- und Nachteilen eines Rechtsgeschäfts ist eine eigenständigeund abwägende Meinungsbildung für denVerbraucher überhaupt möglich.Jens Petermann (DIE LINKE):Mit einer Änderung des Bundesnotargesetzes undder Bundesnotarordnung möchten die Verfasser desGesetzentwurfs aus dem Bundesrat die Verbraucherinnenund Verbraucher besser schützen. Bei einemImmobilienkauf sollen die Notarinnen und Notare zukünftigden Vertragstext zwei Wochen vor Unterzeichnungden Verbraucherinnen und Verbrauchern kostenloszur Verfügung stellen, damit diese ausreichend Zeithaben, sich mit dem Kaufgegenstand auseinanderzusetzen.Mit diesem Verfahren sollen die Verbraucherinnenund Verbraucher vor einem Kauf von Schrottimmobilien,das heißt nicht werthaltigen Immobilienzu überhöhten Preisen, geschützt werden.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28117Jens Petermann(A)Offenkundig dreht sich das Schrottimmobilienkarussellder 90er-Jahre wieder munter weiter. DieMenschen versuchen vermehrt, ihr Geld in Immobilienanzulegen, um es vor einem vermeintlich drohendenEuro-Crash zu retten. Gerade in diesem Bereich hatsich in letzter Zeit die Rechtsprechung zugunsten derVerbraucherinnen und Verbraucher weiterentwickelt.Eine verstärkte Haftung der Banken bei der Finanzierungsolcher Schrottimmobilien erschwert es heutzutage,in derart unseriöser Weise Geschäfte zu machen.Die Linke ist der Ansicht, dass dieser Form der Geschäftemachereiein Riegel vorgeschoben werden muss.Dafür bietet der vorliegende Entwurf gute Ansätze.In der Vergangenheit wurden deutschlandweit systematischminderwertige Immobilien an Verbraucherinnenund Verbraucher veräußert, bei denen derVerkehrswert deutlich unter dem zum Erwerb erforderlichenKreditbetrag lag. Somit war vorprogrammiert,dass die Käuferinnen und Käufer im Falle eines– möglicherweise auch zwangsweisen – Wiederverkaufsauf einem Schuldenberg sitzen blieben, der invielen Fällen direkt in die Privatinsolvenz führte. Beisolchen Geschäften bestand meist eine Zusammenarbeitzwischen unseriösen Maklerinnen und Maklernmit Kreditunternehmen. Eines von vielen Beispielen istdie bekannt gewordene Querverbindung zwischen demDortmunder Immobilienvertrieb Heinen & Biege undder Bausparkasse Badenia. Vor diesem Hintergrundund vor allem mit Hinblick auf die existenzbedrohendenFolgen für die Verbraucherinnen und Verbrauchermüssen die gesetzlichen Schutzlücken in diesem Bereichendlich geschlossen werden.Der vorliegende Entwurf ist noch nicht der „Steinder Weisen“ für einen umfassenden Schutz vor einemKauf einer Schrottimmobilie, aber ein Schritt in dierichtige Richtung.In den meisten dieser Fälle drängen die Verkäuferinnenund Verkäufer, zum Teil unter dem Vorwand desbesonders günstigen Angebotes oder dem Vorhandenseinvon Mitbewerbern, auf eine sehr schnelle Abwicklungdes Kaufs. Das führt dazu, dass für Beurkundungendie Zweiwochenfrist des Beurkundungsgesetzesfast nie eingehalten wird. Dieses wurde 2002 eingeführt,um das bekannte Phänomen zu unterbinden. Gebrachthat diese Norm wenig, weshalb nun nachgebessertwerden muss. Fortan sollen die Notare denbeabsichtigten Text für das Rechtsgeschäft den Verbraucherndirekt zur Verfügung stellen. Die Notare dokumentierendas Datum der Zurverfügungstellung inihren Akten und überwachen somit die Einhaltung derZweiwochenfrist nach § 17 Beurkundungsgesetz. Sosoll die gängige Praxis, dass der Verkäufer den Vertragstextzur Verfügung stellt und der Verbraucher nurvor dem Notar versichert, dass ihm der Text schon zweiWochen lang vorgelegen habe – egal ob das den Tatsachenentsprach oder nicht –, geändert werden. Verbraucherkönnen sich bei rechtlichen Fragen nun direktan die Notarin oder den Notar wenden und werdenfachkundig und neutral beraten. Weitere Kosten sollenden Verbrauchern dadurch nicht entstehen. Notaresind als Organe der Rechtspflege aufgefordert, diesesVerfahren durchzuführen und genau zu überwachen.Sollte dies unterbleiben, drohen ihnen standesrechtlicheSanktionen durch die Dienstaufsichtsbehörde, wiedie Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Bundesnotarordnung.Die vorgeschlagenen Regelungen sind aus Verbrauchersichtein Schritt in die richtige Richtung. Ob dieseRegelungen ausreichend sind, Schrottimmobilienkaufverträgezu verhindern, wird die Praxis zeigen. Ob dasZiel, einen verlässlichen gesetzlichen Verbraucherschutzherzustellen, mit diesem Gesetz erreicht wird,ist deswegen noch offen.(C)(B)Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Zwei neue Begriffe haben vor nicht allzu langer ZeitEingang in unsere Sprache gefunden: die „Schrottimmobilie“und der „Mitternachtsnotar“.Spätestens als 2011 die wahrscheinlich kürzesteAmtszeit eines Senators endete – die zwölftägige Amtszeitdes Berliner CDU-Senators für Justiz und Verbraucherschutz–, ist das Problem, das sich hinter diesenBegriffen verbirgt, deutschlandweit bekannt:Verkäufe minderwertiger Immobilien werden kurzfristigbeurkundet, ohne dass die Verbraucherin oder derVerbraucher genügend Zeit hatte, die Immobilie oderden Vertrag zu überprüfen. Die Beurkundung erfolgthäufig zu ungewöhnlichen Geschäftszeiten. Der Verkehrswertder Schrottimmobilie ist erheblich geringerals der vom Käufer zur Finanzierung der Immobilieaufgenommene Kredit. Das Resultat: Anstelle einerGeldanlage hat die Verbraucherin oder der Verbraucherein lebenslanges Verschuldungsproblem.Ich spreche hier nicht von Einzelfällen. Seit den90er-Jahren wurden Verbraucherinnen und Verbrauchernsystematisch Schrottimmobilen als Vermögensanlageoder Altersvorsorge verkauft. In Deutschlandwurden Hunderttausende Opfer dieser „Erwerbsmodelle“.Es besteht offensichtlich eine Lücke im Verbraucherschutz.Der Gesetzentwurf des Bundesrateszur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellenBeurkundungsverfahren, über den wir heute debattieren,ist daher ein begrüßenswerter Schritt hin zu mehrRechtssicherheit.Verträge über den Kauf von Immobilen müssen notariellbeurkundet werden. Dieser Formzwang verfolgtden Zweck, die Vertragspartner vor übereilten, folgenreichenVerpflichtungen zu schützen sowie eine sachgemäßeBeratung zu gewährleisten. Die vom Bundesratvorgeschlagene Vorschrift konkretisiert diesenSchutzzweck der notariellen Beurkundung: Der Notarsoll dem Verbraucher den Vertragstext über den Immobilienkaufim Regelfall zwei Wochen vor der Beurkundungzur Verfügung stellen. Die Verbraucherinnen undVerbraucher bekommen so ausreichend Zeit, sich mitdem Kauf der Immobile auseinanderzusetzen. Wird die„Bedenkfrist“ von zwei Wochen unterschritten, mussder Notar in der Vertragsniederschrift die Gründe fürdie Unterschreitung angeben.Die Notarin oder der Notar ist als neutraler Funktionsträgerweder verpflichtet noch berechtigt, die(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28118 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Ingrid Hönlinger(A)(B)wirtschaftlichen Grundlagen des Immobilienkaufs aufzuklären.Ihr oder ihm kommt vielmehr die Aufgabe zu,die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften zu wahrenund Rechtsbelehrung zu leisten. Es ist richtig, die Notarinnenund Notare in den Verbraucherschutz miteinzubeziehen. Es geht nicht darum, die Grenzen dernotariellen Tätigkeit zu erweitern. Es geht darum,Verbraucherinnen und Verbraucher vor „schwarzenSchafen“ zu schützen. Betrügerisches Verhalten Einzelnersoll verhindert und angemessen berufsrechtlichsanktioniert werden, bevor strafrechtliche Tatbeständeeinschlägig sind.Ein weiteres Problem, das den systematischen Vertriebvon Schrottimmobilen erleichtert, wird durch dieNeuregelung aber leider nicht gelöst: die Möglichkeitder getrennten Beurkundung von Vertragsangebot undVertragsannahme. Zum Abschluss eines Kaufvertragsbedarf es immer eines Angebots und einer Annahme.Es ist zivilrechtlich zulässig, wenn ein Notar zunächstdas Angebot und mit zeitlichem Abstand die Annahmebeurkundet. Das kann den Vertragsschluss vereinfachen,da die Vertragsparteien nicht zur gleichen Zeitvor dem Notar erscheinen müssen. Aber die getrennteBeurkundung von Angebot und Annahme durch unterschiedlicheNotare birgt Gefahren für die Beteiligten.Der Notar, der die Annahme beurkundet, muss nurüber die rechtliche Bedeutung der Annahme belehren,nicht aber über das Angebot. Im Zweifelsfall kann derdie Annahme beurkundende Notar die rechtliche Betreuungstätigkeitgar nicht ausüben, da er die dem Angebotzugrunde liegenden Tatsachen nicht kennt. Besondereberufsrechtliche Verfahrenspflichten, die demProblem entgegenwirken sollen, bestehen zwar bereits.Im Zusammenhang mit der vom Bundesrat vorgeschlagenenStärkung des Verbraucherschutzes im notariellenBeurkundungsverfahren sollte jedoch überprüftwerden, ob die Schutzfunktion der Belehrung durch berufsrechtlicheRichtlinien ausreichend gewahrt ist.Vizepräsidentin Petra Pau:Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfsauf Drucksache 17/12035 an die in der Tagesordnungaufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Es gibtauch hier keine anderweitigen Vorschläge. Dann ist sobeschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 9 auf:Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflichtvon Bundesbehörden gegenüberder Presse (Presseauskunftsgesetz)– Drucksache 17/12484 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss (f)Ausschuss für Kultur und Medien (f)RechtsausschussHaushaltsausschussFederführung strittigInterfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfsauf Drucksache 17/12484 an die in der Tagesordnungaufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführungist jedoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP wünschen Federführung beim Innenausschuss.Die Fraktion der SPD wünscht Federführungbeim Ausschuss für Kultur und Medien.Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag derFraktion der SPD abstimmen. Wer stimmt für diesenÜberweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Werenthält sich? – Der Überweisungsvorschlag ist mit denStimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmender Oppositionsfraktionen abgelehnt.Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag derFraktionen der CDU/CSU und der FDP abstimmen, alsoFederführung beim Innenausschuss. Wer stimmt für diesenÜberweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Der Überweisungsvorschlag ist mitden Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmender Oppositionsfraktionen angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Familienpflegezeitund zum flexibleren Eintritt inden Ruhestand für Beamtinnen und Beamtedes Bundes– Drucksache 17/12356 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss (f)RechtsausschussAusschuss für Arbeit und SozialesVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAuch hier nehmen wir die Reden zu <strong>Protokoll</strong>.Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU):Die Bundesregierung legt heute einen Gesetzentwurfvor, um die Familienpflegezeit für Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer auch für die Beamtinnen und Beamtendes Bundes zu ermöglichen. Mit der Demografiestrategieder Bundesregierung wollen wir der Vereinbarkeitvon Familie und Beruf noch besser Rechnungtragen und eine familienfreundliche Arbeitsweltschaffen, auch und insbesondere für die eigenen Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter, die Bundesbeamtinnenund -beamten. Wenn wir über Familienfreundlichkeitreden, geht es uns oftmals um berufstätige Eltern, umKitaplätze und Ganztagsschulen. Ich bin froh darüber,dass wir den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatzverankert haben, ich befürworte Maßnahmen wieKitaausbau, Eltern- und Betreuungsgeld. Familienfreundlichkeitist aber mehr als das. In Familien lebennicht nur Eltern und Kinder, sondern auch Seniorenoder andere Angehörige, die Hilfe und Unterstützungbrauchen.(C)(D)Auch hier nehmen wir die Reden zu <strong>Protokoll</strong>. 1)1) Anlage 25


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28119Armin Schuster (Weil am Rhein)(A)(B)Pflegt jemand seine Angehörigen, so ist das einegroße persönliche Leistung, die wir nicht hoch genugeinschätzen können. Wir wollen das Leben und damitauch die Pflege zu Hause, in den eigenen vier Wänden,unterstützen und dabei die Doppelbelastung von Berufund Pflege reduzieren. Deshalb hat MinisterinSchröder folgerichtig das Instrument der Familienpflegezeiteingeführt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerkönnen damit in Vereinbarung mit ihremArbeitgeber ihre Arbeitszeit für einen begrenzten Zeitraumreduzieren. Die finanziellen Einbußen werdenabgemildert, indem sie auf einen längeren Zeitraumverteilt werden. Für Beamtinnen und Beamte wird einspäterer Eintritt in den Ruhestand ermöglicht, um Versorgungseinbußenzu mindern.Wir muten mit der Familienpflegezeit den Arbeitgebernund den anderen Mitarbeitern etwas zu, das dürfenwir nicht vergessen. Ein guter Mitarbeiter, eine fähigeKollegin ist nicht leicht zu ersetzen. Arbeitszeitenund Teamstrukturen sind nicht beliebig änderbar, ohnedass dies Auswirkungen auf die Qualität der Arbeitoder auch die Zufriedenheit der Kolleginnen und Kollegenhat. Ich bitte all jene Kritiker, denen diese Regelungnicht weit genug geht, auch das zu bedenken.Nun sollen auch Beamtinnen und Beamte der Bundesverwaltungdie Möglichkeit bekommen, für diePflege von nahen Angehörigen Familienpflegezeit zubeantragen. Das Verfahren zur Beantragung der Pflegezeitwird unbürokratisch sein: Die Beamtin oder der Beamteweist die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigennach, indem er eine Bescheinigung der Pflegekasseoder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungvorlegt. Stehen dem Antrag keine dienstlichenGründe entgegen, kann die Arbeitszeit wie gewünschtreduziert werden. Im Gesetzentwurf wird zudem dieMöglichkeit eingeräumt, den Eintritt in den Ruhestandum bis zu drei Jahre hinauszuschieben. Damit kann dieBeamtin oder der Beamte Ausfälle in den Versorgungsbezügenausgleichen, die sich aus der Reduzierung derArbeitszeit für die Pflege ergeben.Die Familienpflegezeit ist ein gutes Instrument, umGleichstellung voranzubringen. Wir alle wissen, dassviele Frauen teilzeitbeschäftigt sind, die meisten Männerjedoch Vollzeit arbeiten. Die Familienpflegezeitentfaltet die größte Wirkung bei Vollzeitbeschäftigten,die ihre Arbeitszeit vorübergehend um höchstens50 Prozent reduzieren. Familienbedingte Teilzeitbeschäftigungoder Beurlaubung wird bisher überwiegendvon Beamtinnen in Anspruch genommen, diedadurch – neben Besoldungseinbußen – auch versorgungsrechtlicheEinbußen erleiden. Die Bundesregierungwill an diesem Punkt Anreize schaffen, indemdiese Lücken durch einen späteren Ruhestandseintrittkompensiert werden können. Dadurch trägt der Gesetzentwurfzur Gleichstellung von Männern undFrauen in der Bundesverwaltung bei.Ich weiß, dass es einige Punkte in dem Gesetzentwurfgibt, die kritisch gesehen werden können. Wirwerden im parlamentarischen Verfahren darüber zudiskutieren haben. Ziel dieses Gesetzes muss es meinesErachtens sein, dass der öffentliche Dienst bei derUmsetzung der Familienpflegezeit eine Vorbildwirkungausübt. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten!Wolfgang Gunkel (SPD):Wir beraten heute einen Gesetzentwurf der Bundesregierung,der verschiedene Änderungen im öffentlichenDienst nach sich zieht. Regelungen für die Familienpflegezeitfür Beamtinnen und Beamte sollengestaltet und der Ruhestandseintritt bei Beamtinnenund Beamten flexibler geregelt werden.Beide Maßnahmen sind angesichts des demografischenWandels, in dem sich unsere Gesellschaft befindet,mehr als erforderlich. Fraglich bleibt, ob diekonkrete Ausgestaltung, so wie sie von der Bundesregierungmit dem heute in erster Lesung zu beratendenGesetzentwurf vorgelegt wurde, tatsächlich Lösungenfür diese Probleme anbietet.Insofern bin ich zufrieden, dass der Innenausschussdes Deutschen Bundestages am gestrigen Mittwochbeschlossen hat, zu dem Thema eine Anhörung durchzuführen.Diese kann weitergehende Fragen beantwortenoder auch alternative Lösungsvorschläge hervorbringen.Grundsätzlich ist es durchaus zu begrüßen, dass dieBundesregierung erkennt, dass im Bereich der privatenPflege von Angehörigen dringende Probleme warten,die unbedingt angegangen werden müssen. Ein Großteilpflegebedürftiger Menschen wird von ihren Angehörigenbetreut. Diese Pflege stellt ein extremes Spannungsfeldzwischen Familie und Beruf dar.Großspurig hat die Regierung angekündigt, die Situationdieser Menschen, bei denen es sich nach wie vormeist um Frauen handelt, zu verbessern. Die Realisierungerfolgte mit dem Familienpflegezeitgesetz 2011,welches nun auch für den öffentlichen Dienst mit demhier vorliegenden Gesetzentwurf umgesetzt werdensoll. Das Familienpflegezeitgesetz ist wie so vieles,was die aktuelle Bundesregierung vorlegt, keine Erfolgsgeschichte.Die Familienpflegezeit wird, wie vom Bundesfamilienministeriumfestgestellt, von Angestellten kaum inAnspruch genommen. Und auch der vorliegende Entwurfgeht von gerade einmal 250 Anträgen auf Familienpflegezeitdurch Beamtinnen und Beamte aus. Da kannman schon von einem reinen Nischenangebot sprechen.Und genauso stellt sich die Frage, ob das Familienpflegezeitgesetzund der damit korrespondierendeGesetzentwurf, den wir hier heute diskutieren,die beste Lösung für die drängenden Fragen in derPflegepolitik sind.Verstärkt wird die geringe Inanspruchnahme mitgroßer Sicherheit noch durch die zum Teil engen Voraussetzungen,die hier im Gesetz für die Familienpflegzeitgeschaffen werden. Denn in § 92 a Abs. 1 Bundesbe-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28120 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Wolfgang Gunkel(A)(B)amtengesetz wird die Pflegezeit auf die Pflege naherAngehöriger beschränkt.Es ist sehr wichtig, das drängende Thema derPflege von Angehörigen umfassender zu lösen. Wie bereitsfestgestellt, sind es doch meist Frauen, die sicherst um die Kinder und später um die pflegebedürftigenAngehörigen kümmern. Die Folge sind entsprechendeGehaltseinbußen und ein Karriereknick. Diesspüren auch Beamtinnen.Ich habe bereits ausgeführt, dass es zu dem Entwurfeine Anhörung geben wird. Ich bin sehr gespannt, wiesie an diesem Punkt verläuft.Freiwillige Dienstzeitverlängerungen kann ich nurbegrüßen. Ich betone an dieser Stelle ausdrücklich dieFreiwilligkeit einer solchen Verlängerung. Alles anderefinde ich nicht zielführend.Allerdings frage ich mich schon, ob angesichts derArbeitsbelastung vieler Beamtinnen und Beamten einesolche Regelung überhaupt der Realität entspricht.Aktuell erwarten wir vom Bundesinnenminister im Innenausschusseinen von unserer Fraktion im Rahmender Bundespolizeireform von 2008 geforderten Evaluationsberichtzu ebendieser Reform. Wir alle wissen,dass es bei der Bundespolizei zu viele unbesetzte Stellengibt, dass Abordnungen und Arbeitsverdichtungenzu einer höheren Burn-out-Quote führen. Die Reformvon 2008 hat dazu ihr Übriges getan. Ich bin gespannt,wie sich der Minister zu diesen Fragestellungen äußernwird.Ob flexible Ruhestandszeiten allerdings die Antwortenauf diese drängenden Fragen im Personalstandder Bundespolizei sind, wage ich zu bezweifeln, undebenso, ob eine Inanspruchnahme unter solchen Voraussetzungenüberhaupt in Betracht kommt.Dr. Stefan Ruppert (FDP):„Ein nicht nur langes, sondern sehr langes Lebenist … kein Phänomen der ferneren Zukunft. Es ist bereitsWirklichkeit.“ Dies stellen die Demografieexpertenam Max-Planck-Institut für demografische Forschungin Rostock, Björn Schwentker und der Direktordes Instituts James W. Vaupel, in einem 2011 veröffentlichtenEssay fest. Nach Aussage der Forschung erreichenschon heute immer mehr Senioren ein Alter vonweit über 80 Jahren. Mit zunehmend besserer Gesundheitsvorsorgeist die Tendenz steigend.Mit dem demografischen Wandel sind zweifellosgroße Chancen für eine Umstrukturierung der Gesellschaftverbunden. Anstatt mit dem Begriff „Überalterung“verbundene Ängste in den Mittelpunkt zu stellen,sollten diese Chancen be- und ergriffen werden.Für den öffentlichen Dienst bedeutet dies: Das Dienstrechtmuss die geeigneten Rahmenbedingungen bieten,um nicht nur neue und hochqualifizierte Fachkräfte fürden öffentlichen Dienst zu gewinnen, sondern auch dieArbeitsfähigkeit der Beschäftigten mit zunehmendemAlter zu erhalten und zu steigern.Denn die Menschen werden nicht nur immer älter;sie altern auch gesünder, bleiben länger leistungsfähigund wollen auch über derzeit starre Altersgrenzen hinwegam Arbeitsleben teilnehmen. Dieses Potenzialsollte sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichenDienst genutzt werden. Die FDP-Bundestagsfraktionbefördert deshalb einen flexibleren Übergangin den Ruhestand. Zudem muss aus Sicht derFDP auch im öffentlichen Dienst für die nötige Flexibilitätzur Vereinbarkeit von Beruf und familiären Verpflichtungengesorgt werden.Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Familienpflegezeitund zum flexibleren Ruhestandseintritt fürBundesbeamte setzen wir Reformen um, die konkretauf den demografischen Wandel im öffentlichen Dienstreagieren. Zum einen stärken wir die Vereinbarkeit vonBeruf und häuslicher Pflege von Angehörigen. Dafürwird das Familienpflegezeitgesetz wirkungsgleich aufBundesbeamte übertragen. Es gilt bereits seit Anfang2012 für Angestellte und Tarifbeschäftigte. Künftigkönnen auch Bundesbeamte zur Pflege von Angehörigenfür bis zu zwei Jahre ihre Wochenarbeitszeit aufmindestens 15 Wochenstunden reduzieren, wenn demdienstlich nichts entgegensteht. In dieser Zeit erhaltensie einen Vorschuss auf ihre Besoldung, der erst danachzurückgezahlt wird. Bisher bestand für Beamtelediglich die Möglichkeit, für den Pflegezeitraum inTeilzeit zu arbeiten.Die Flexibilisierung des Ruhestandseintritts ist fürdie FDP-Fraktion eine unverzichtbare Reaktion aufden demografischen Wandel. Der Gesetzentwurf siehthierfür Folgendes vor: Haben Beamte im Laufe ihresBerufslebens Versorgungseinbußen wegen familienbedingterTeilzeit, Beurlaubung oder auch Familienpflegezeiterlitten, so können sie künftig für die gleicheDauer und bis zu maximal drei Jahren ihren Ruhestandhinausschieben. Damit lassen sich die Nachteile wiederausgleichen.Über diese gute Maßnahme hinaus sollten wir inzwei Punkten noch über Verbesserungen am Gesetzentwurfnachdenken. Bisher können Beamte auch ohneihre Zustimmung vom Dienstherrn dazu verpflichtetwerden, bis zu drei Jahre länger zu arbeiten. Aus unsererSicht ist diese Regelung nicht mehr zeitgemäß undsteht den von uns gewünschten Anreizen entgegen. Beamtesollten frei entscheiden können, ob sie – aus welchenGründen auch immer – über ihr gesetzliches Ruhestandsalterhinaus arbeiten möchten. Zudem solltees sich auch für diejenigen lohnen, weiterzuarbeiten,die ihren Höchstruhegehaltsatz nach 40 Dienstjahrenbereits erreicht haben, wenn sie in Pension gehen.Hier kann mit einem Zuschlag der nötige finanzielleAnreiz gesetzt werden.Der vorliegende Gesetzentwurf zeigt, dass die Regierungskoalitiondie Herausforderung annimmt, dafürzu sorgen, dass in einer Zeit des demografischenWandels hin zu einer älteren Gesellschaft der öffentlicheDient funktions- und leistungsfähig bleibt. Dafürsprechen darüber hinaus in dieser Legislaturperiode(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28121Dr. Stefan Ruppert(A)bereits umgesetzte Dienstrechtsreformen wie das Fachkräftegewinnungsgesetzoder demnächst umzusetzendewie die Portabilität, das heißt die Mitnahme von Versorgungsanwartschaftenfür freiwillig aus dem Dienstausscheidende Bundesbeamte.entscheidet. Also ist auch eine Benachteiligung vonFrauen zu erwarten.Einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit bestehtnicht. Auch kann eine Bewilligung aufgrund „dringenderdienstlicher Gründe“ verweigert werden.Mit dem geplanten Gesetz soll Beamten des Bundesdie Pflege von Angehörigen erleichtert werden. DerVorrang der häuslichen Pflege – wie in der (sozialen)Pflegeversicherung angedacht – soll gestärkt werdenund dadurch dauerhafte Einsparungen erhalten bleiben.Pflege soll vornehmlich im privaten Lebensumfeldund von Angehörigen oder Laien geleistet werden,anstatt Pflege und Betreuung alter oder kranker Menschen,die ohne Hilfe die Anforderungen des Alltagsnicht mehr bewältigen können, als gesamtgesellschaftlicheAufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge zu gestalten.Hierfür wäre die von Anfang an unterfinanziertesoziale Pflegeversicherung hin zu einerBürgerinnen- und Bürgerversicherung auszubauenund die Verteilung der Pflege- und Assistenzaufgabenzwischen Staat und Familie zugunsten einer stärkerenöffentlichen Verantwortung zu verschieben.Die Linke setzt auf professionelle Pflege und begleitendeAngebote zur Unterstützung, die die pflegerischeVersorgung von Angehörigen gewährleisten müssen.Wir fordern eine sechswöchige bezahlte Pflegezeit fürErwerbstätige, die der Organisation der Pflege undder ersten pflegerischen Versorgung dient. Darüber hinaussind die Leistungen der sozialen Pflegeversicherunganzuheben.Der vorliegende Gesetzentwurf bringt keine grundlegendeVerbesserung. Bereits heute bestehen Möglichkeitenzur Teilzeitbeschäftigung und zu arbeitsanteiligerBesoldung. Beamte können sich nach demjeweils für sie geltenden Beamtengesetz für maximal15 Jahre ohne Dienstbezüge zur Pflege eines Angehörigenvom Dienst befreien lassen. Außerdem könnensie für die Pflege eines Angehörigen nach ärztlichemGutachten in Teilzeit bis zur Hälfte der regelmäßigenArbeitszeit arbeiten, § 92 BBG.Wir haben die Familienpflegezeit rundweg abgelehntund lehnen auch die Übertragung auf Beamtinnen undBeamte ab.Schon das Zustandekommen des vorliegenden Gesetzentwurfsist reich an Peinlichkeiten. Zwei wesentlichePunkte der Gesetzesvorlage zum flexiblen Ruhestandsind am Tag des Beteiligungsgespräches mit denGewerkschaften zurückgezogen worden. Eine derartigeTorpedierung von Beteiligungsrechten hat es bishernicht gegeben. Erstens wurden die 10 Prozent Zuschlagauf die Besoldung mit dem Hinausschieben derAltersgrenze und bei Erreichen des Versorgungshöchstsatzesgestrichen. Zweitens wurde die versprocheneStreichung des Aufschiebens des Ruhestandseintrittesnicht durchgeführt – und das ohne Zustimmungder Beamten. Die Regierungskoalition verstößt damitgegen die von ihr verkündete Demografiestrategie. ImKapitel „Die Leistungsfähigkeit des öffentlichen(C)(B)Frank Tempel (DIE LINKE):Die bestehenden Regelungen für die Familienpflegezeit,die sich aus dem Gesetz über die Familienpflegezeit– Familienpflegezeitgesetz –, FPfZG, ergebenund für Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes undder gewerblichen Wirtschaft gelten, sollen auf den Beamtenbereichwirkungsgleich übertragen werden.Völlig unverständlich ist, warum Fehler der Familienpflegezeitbei der Übertragung auf Beamte wiederholtwerden. Das Familienpflegezeitgesetz hat seineUntauglichkeit bewiesen, da im Jahr 2012 und 2013zusammengerechnet nur 147 Anträge auf Pflegezeitgestellt wurden. Offensichtlich geht es an den Bedürfnissender Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer völligvorbei und wird deshalb nicht angenommen. Zwarwerden bestimmte Zumutungen, die Tarifbeschäftigtenauferlegt werden, nicht übertragen, wie der Abschlusseiner privaten Ausfallversicherung und die fehlendeMöglichkeit auf Verlängerung der Familienpflegezeit,doch entsteht mit dem Gesetz dadurch eine neue Ungleichbehandlung.Mit Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes sollenBeamte des Bundes auf Antrag die Möglichkeit erhalten,mittels einer besonderen Form der Teilzeitbeschäftigungdie häusliche Pflege von nahen Angehörigenfür bis zu 24 Monate übernehmen zu können. DieArbeitszeit kann in der sogenannten Pflegephase aufmindestens 15 Stunden in der Woche reduziert werden.In der sogenannten Nachpflegephase, welche diegleiche Länge der Pflegephase haben muss – alsoebenfalls maximal 24 Monate betragen darf –, mussdie oder der Beamte mit seiner Arbeitszeit Dienst leisten,die dem Umfang der genommenen Pflegephaseentspricht. Faktisch wird für den Zeitraum der Pflegephasezusätzlich zur Besoldung ein Vorschuss auf dieDienstbezüge, der während der Nachpflegephase zurückzuzahlenist, gewährt. Die Pflegephase muss demnachin der Nachpflegephase abgearbeitet werden.Für Menschen, die schon in Teilzeit arbeiten oderwenig verdienen, kommt eine weitere Reduzierung derArbeitszeit meist aus finanziellen Gründen häufignicht infrage. Es sind überwiegend Frauen, die Angehörigepflegen. Zugleich sind es zu 70 Prozent Frauen,die in prekären Arbeitsverhältnissen oder Teilzeit arbeiten.Eine Freistellung muss Frau sich erst einmalleisten können.Auch im öffentlichen Dienst des Bundes sind in Vollzeitmehr Männer als Frauen beschäftigt. Es ist unterden heutigen Bedingungen unwahrscheinlicher, dasssich ein vollzeitbeschäftigter Mann anstatt seiner teilzeitbeschäftigtenFrau für die Pflege von Angehörigen(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28122 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Frank Tempel(A)(B)Dienstes des Bundes erhalten“ waren die nun gestrichenenPunkte die einzigen konkreten Vorhaben.Es zeigt sich zum wiederholten Male, dass die Regierungskoalitionplanlos und ohne Ideen der demografischenEntwicklung im öffentlichen Dienst gegenübersteht.Ihre Prämisse, dass nur Maßnahmenergriffen werden, die kosten- und stellenneutral sind,wird dazu führen, dass keines der anstehendenProbleme gelöst wird. Wegen der viel zu engen Einstellungskorridoreangesichts einer überaltertenBeamtenschaft wird es mittelfristig zu großen Schwierigkeitenkommen, die Funktionsfähigkeit der Bundesverwaltungzu sichern. Die Grundthese der Demografiestrategieder Bundesregierung für den öffentlichenDienst ist die Notwendigkeit der Verankerung einer„Kultur des längeren Arbeitens“. Nun ist hinlänglichbekannt, dass im Beamtenbereich der reale Ruhestandseintritthäufig vor der Erreichung des Regelaltersstattfindet. Grund dafür sind die aus den übergroßenArbeitsbelastungen entstehenden physischen und psychischenSchädigungen.Doch die Belastungen werden nicht gesenkt. Anstattdie Arbeitsverdichtung zu bekämpfen, die Vereinbarkeitvon Beruf und Familie zu fördern und eine aktiveGesundheitsvorsorge zu unterstützen, wird versucht,zum längeren Arbeiten zu animieren. Doch sollte eineDienstzeitverlängerung nur als Ausnahme praktiziertwerden. Immerhin ist eine Verlängerung der Dienstzeitzur Einarbeitung neuer Beamter nachvollziehbar.Dass ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßiglänger arbeiten sollen, anstatt jüngere Beschäftigteeinzustellen, erklärt sich nur aus haushälterischenGründen und widerspricht einer nachhaltigenPersonalpolitik. Die Linke fordert hingegen eine breiteAusbildungs- und Einstellungsoffensive.Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird weder dieVereinbarkeit von Familie und Beruf befördert nochein Beitrag zur Entschärfung der Pflegeproblematikgeliefert, noch die Attraktivität des öffentlichen Diensteserhöht, noch werden die demografischen Problemedes öffentlichen Dienstes angegangen.Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):Die Gesellschaft altert, und die Zahl der Pflegefällenimmt weiter zu. Zugleich gibt es aber immer wenigerMenschen, die bereit sind, in der Kranken- oder Altenpflegezu arbeiten. Das ist aber nur die eine Seite. DieFrage der Pflege durch Angehörige und in der Familiedagegen beschäftigt uns dagegen bereits seit Jahrzehnten.Es wäre falsch, diese Frage – aus der Sichtvieler auch die des Pflegenotstandes – einseitig mitdem demografischen Wandel in Verbindung zu bringen.Denn sie berührt viel tiefer gehend auch den Wandelund die Ausdifferenzierung des Modells Familie imZuge der gesellschaftlichen Veränderungen.Die einseitige Einordnung ausschließlich beim demografischenWandel nährt den Verdacht, dieschwarz-gelbe Koalition wolle die eigene Unfähigkeit,die Veränderungen in unserer Gesellschaft wahrzunehmenund auf sie zu reagieren, verdecken; Karlsruheund Adoptionsurteil lassen grüßen. Wir sollten diePflege aber auch nicht, wie es Schwarz-Gelb jetzt vormacht,allein unter dem Gesichtspunkt eines leistungsfähigenöffentlichen Dienstes oder gar der Fachkräftedebattebetrachten. Denn damit würde schlichtverkannt, dass es die Ermöglichung der Pflege vonnahestehenden Personen und die Würde der Pflegebedürftigenselbst sind, die uns dazu verpflichten, dieVereinbarkeit von Beruf und Pflege auf möglichst allenEbenen voranzutreiben.Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass es sich beider Pflege um ein zentrales Thema auch der SozialundGesundheitspolitik handelt. Es ist deshalb gut undrichtig, dass hierzu in der kommenden Sitzungswocheeine dann hoffentlich erhellende Sachverständigenanhörungstattfinden wird. Dass wir in dieser Anhörunggleich drei hochkomplexe und völlig unterschiedlicheThemen in einem Aufwasch aufgreifen werden, ist erkennbarunseriös und an der Grenze zu einer bloß symbolischenBeratung dieses Hauses. Diese Planunggeht klar auf das Konto der schwarz-gelben Koalition,die offensichtlich meint, kurz vor ihrem absehbarenEnde mit wenigen ganz schmalspurigen Initiativen inRichtung Beamtenschaft punkten zu können.Was aber bekommen die Bundesbeamten wirklich?Im Falle des uns heute vorgelegten Gesetzes gilt – ichzitiere den Entwurf: „Damit wird das Familienpflegezeitgesetz,das für die Privatwirtschaft und für Tarifbeschäftigteseit dem 1. Januar 2012 in Kraft ist, im Beamtenbereichwirkungsgleich nachvollzogen.“ Nurnachvollzogen, sollte man ergänzen. Das stimmt nachdenklich,nicht nur wegen der Eigenheiten des Dienstverhältnisses.Vielmehr handelt es sich um ein übernommenesKonzept aus dem Hause der Familienministerin.Soweit ich mich erinnern kann, haben wir zuKristina Schröders Familienpflegezeitgesetz nicht nureine turbulente Debatte erlebt, bei der die Oppositioneinhellig Kritik übte, sondern wir haben auch eineSachverständigenanhörung erlebt, bei der die Kritikinsbesondere der in der Praxis erfahrenen Sozialverbändenichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig ließ.Diese Debatte um Schröders Familienpflegezeitgesetzwiederum ist nur im Licht der Auseinandersetzung umdie Reform der Pflegeversicherung selbst zu sehen.Auch hier erlebten wir eine Bundesregierung, derenReformansatz an Mickrigkeit nicht zu überbieten warund die zu keinem Zeitpunkt Zweifel daran aufkommenließ, wie wenig ihr Begriffe wie Gerechtigkeit und Solidaritätbedeuten. Wenn die Rede von der Forderungnach dem Gesamtkonzept also jemals Sinn gemachthat, dann beim Thema Pflege. Davon ist im vorliegendenGesetzentwurf jedoch wahrlich nichts zu erkennen.Ein weiterer Haken, der in unsere ansonsten leidergerne kleinteilig geführten Beamtenrechtsdebatten hi-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28123Dr. Konstantin von Notz(A)(B)neinreicht, ist die im Gesetzentwurf beschworene Formelvon der Kultur des längeren Arbeitens. Hier wirdvom Bundesinnenminister gleich ein noch größeresRad gedreht, nämlich die Debatte um die Verlängerungder Lebensarbeitszeit. Wir teilen im Grundsatzden skeptischen Blick des Deutschen Gewerkschaftsbundes,dass es besser wäre, versorgungsbedingte biografischeLücken von vornherein zu verhindern, anstattsie erst entstehen zu lassen und den Betroffenenanschließend die Verantwortung für die Lückenschließungdurch verlängerte Lebensarbeitszeit aufzubürden.Wer, wie die Bundesregierung, wirkungsgleich dasKonzept für die Tarifbeschäftigten des Bundes auf dieBundesbeamten überträgt, mag sich „wirkungsgleich“auch die Kritik daran anziehen. Man hat sich für einKonzept entschieden, bei dem, neben dem bestehendenreformbedürftigen Pflegesystem, keine weiteren Elementegesellschaftlicher Solidarität geschaffen werdensollen, sprich: Das Risiko Pflege tragen die Angehörigen,aus der Perspektive des Dienstverhältnisses gesehen,ausschließlich selbst. Der Entwurf rühmt sich ja– insofern konsequent, aber zynisch – seiner weitgehendenKostenneutralität. Es wird sich zeigen, obdiese Entscheidung den Verhältnissen eines sich ausweitendenPflegenotstandes tatsächlich Rechnung trägt.Besonders fragwürdig bleibt, dass kein Rechtsanspruchgeschaffen wird. Stattdessen wird ein so weiterErmessensspielraum für die mögliche Ablehnungdurch die Dienstherren geschaffen, dass die Nachfragezur Bittstellung verkommt. Fragwürdig erscheint auch,dass trotz der Vielfalt der zu bedenkenden Konstellationeneine Familienpflegezeit ausschließlich für betroffenenahe Angehörige gewährt wird. Das riecht malwieder nach Festschreibung überholter Familienvorstellungenund schneidet unnötig die Bereitschaft zuverantwortlichem Handeln ab.Entgegen der Zielsetzung der Flexibilisierung wirdmit der Fixierung auf die Höchstdauer der Gewährungvon längstens 24 Monaten die Realität ganzer Krankheitsbilderund typischer Pflegefälle negiert, die sichtatsächlich oft über viele Jahre hinziehen.Keine Anstrengungen unternimmt der Entwurf, sichmit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass nach wievor ganz überwiegend Frauen die Pflege übernehmen.Das ist gleichstellungspolitisch nicht akzeptabel.Nicht dargelegt wird, wie diese Neuregelung mit anderenbestehenden Regelungen zum Thema Pflege zusammengreift.Vorstellungen zum Beispiel von einemeffektiveren und alle Beteiligten schonenderen Pflegemixscheinen daher von vornherein in keinerlei Weisemitbedacht.Ich bin gespannt, was uns die Sachverständigen zuder zu erwartenden Nachfrage nach diesem Gesetz sagenwerden. „Wirkungsgleich“ zu Kristina SchrödersGesetzesinitiative wird womöglich deutlich werden,dass wir es hier mit einer so eng geführten Familienpflegezeitzu tun haben, dass die schwarz-gelbe Koalitionsich hier – auf jeden Fall aber verglichen mit derzu stemmenden Aufgabe Pflege und Pflegenotstand –auf dem Feld der symbolischen Gesetzgebung betätigt,um Aktivitäten vorzugaukeln, in der Sache aber kaumeinen Schritt vorwärts gemacht wird.„Mit dem Gesetzentwurf sollen erste konkreteSchritte unternommen werden.“ So heißt es in dem unsvorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierunggleich auf Seite eins. Wer uns so spät in der Legislaturperiodeein solches Trippelschrittchen vorlegt, weralso so spät anfängt, seine Hausaufgaben zu machen,von dem können wir mit Gewissheit keine weiterenernsthaften Schritte mehr erwarten. Das ist auch gutso; denn im September wird diese schwarz-gelbe Chaoskoalitionabgewählt werden. Dann darf sie den selbstgeschaffenen Stillstand nicht mehr verwalten, unddann wird sie auch in diesem Bereich keinen weiterenüberwiegend durch Unterlassen bewirkten Schadenmehr für unser Land anrichten können.Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beimBundesminister des Innern:Auf Ihrer heutigen Tagesordnung steht der Gesetzentwurfmeines Hauses zur Familienpflegezeit undzum flexibleren Eintritt in den Ruhestand für die Beamtinnenund Beamten des Bundes.Lassen Sie mich den Gesetzentwurf in einen größerenZusammenhang stellen: Der demografische Wandelwird in den kommenden Jahren unsere Republiktiefgreifend verändern. Wir werden immer älter – undimmer weniger Jüngere wachsen heran. Dies wirdauch nicht spurlos an der Beschäftigtenstruktur des öffentlichenDienstes vorbeigehen. Darauf müssen wirbereits heute reagieren und die entsprechenden Weichenfür einen leistungsfähigen öffentlichen Dienststellen. Dies wird dem öffentlichen Dienst nur danngelingen, wenn er seine Verantwortung für ein flexibles,familienorientiertes und gesundes Arbeiten mitBlick auf die Zukunft wahrnimmt und als Arbeitgeberattraktiv bleibt. In diesem Sinne unternehmen wir mitdem vorliegenden Gesetzentwurf erste konkreteSchritte zur Umsetzung der Demografiestrategie derBundesregierung für den Bereich des öffentlichenDienstes des Bundes.Gestatten Sie mir, Ihnen die wesentlichen Eckpunktedieses Gesetzentwurfs vorzustellen: Mit dem Gesetzentwurfermöglichen wir den Beamtinnen und Beamtendes Bundes, zur Pflege ihrer nahen AngehörigenFamilienpflegezeit in Anspruch zu nehmen. Hierzuwollen wir die bereits bestehenden Regelungen für dieTarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes und dieBeschäftigten der gewerblichen Wirtschaft, die bereitsseit dem 1. Januar 2012 diese Möglichkeit nutzen können,wirkungsgleich auf den Beamtenbereich übertragen.Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass dieSorge für die Familie, insbesondere die Pflege vonÄlteren, zukünftig mehr Zeit in Anspruch nehmen wird,müssen Berufsleben und Sorge für die Familie flexiblergehandhabt werden. Wir unterstützen mit dieser Rege-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28124 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner(A)(B)lung unsere pflegenden Beschäftigten und versuchen,die Pflege mit dem Beruf besser in Einklang zu bringen.Wie soll die Familienpflegezeit konkret aussehen?Die für die Beamtinnen und Beamten neue Familienpflegezeitwird in das Bundesbeamtengesetz alseine besondere Form der Teilzeitbeschäftigung in dieSystematik der bereits bestehenden Tatbestände derTeilzeitbeschäftigung eingeführt. Sie gliedert sich inzwei Phasen, die Pflege- und die Nachpflegephase mitunterschiedlichem Umfang der Arbeitszeiten. Beamtinnenund Beamte mit Anspruch auf Besoldung habendie Möglichkeit, auf Antrag für die Dauer von längstens48 Monaten Teilzeitbeschäftigung als Familienpflegezeitzur Pflege von pflegebedürftigen Angehörigenin häuslicher Umgebung zu nehmen. Dabeiwerden sie in der Pflegephase finanziell gefördert. Inder anschließenden Nachpflegephase wird diese Förderungwieder zurückgeführt. Die hierzu notwendigenbesoldungsrechtlichen Aspekte werden im Bundesbesoldungsgesetzsowie einer sich hierauf stützendenVerordnung geregelt werden.Uns ist dabei bewusst: Die Familienpflegezeit istein Angebot, das neben bereits bestehende Möglichkeitenwie Teilzeit- und/oder mobiles Arbeiten oder Freistellungen,wie zum Beispiel Sabbatjahr, tritt und sichim Bewusstsein von Beschäftigten und Dienststellenerst etablieren muss. In den Medien ist im Dezemberletzten Jahres kritisiert worden, dass in der privatenWirtschaft Familienpflegezeit bislang noch wenig genutztwird. Das ist bedauerlich, sollte uns aber nichtdavon abhalten, „Zeitsouveränität“ für Beschäftigteauch im öffentlichen Dienst flexibel und zukunftsfest zugestalten.Ein zweiter Aspekt des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfsist die Einführung eines neuen Anspruchs aufDienstzeitverlängerung. Damit möchten wir die Rechtederjenigen Beamtinnen und Beamten stärken, die Einbußenbei der Versorgung aufgrund familienbedingterTeilzeit- oder Beurlaubungszeiten oder aufgrund der indiesem Gesetz neu eingeführten Familienpflegezeit mitlängerer Lebensarbeitszeit kompensieren wollen. DieserAnspruch ist auf höchstens drei Jahre begrenzt undbesteht auch höchstens für die Dauer der familienbedingtenTeilzeitbeschäftigung, Beurlaubung oderFamilienpflegezeit beim Bund. Hierbei werden selbstverständlichauch familienbedingte Abwesenheitszeitenin einem Beamtenverhältnis zu einem anderenDienstherrn wie zum Beispiel zum Land berücksichtigt.Wir reden hier – das ist immer noch die Realität –hauptsächlich über Frauen, die ihre beruflicheKarriere für die Kindererziehung oder zur Pflege vonAngehörigen ganz oder teilweise unterbrochen haben.Wir setzen hier auf die Anreize durch die längere Besoldungund das Schließen der Versorgungslücken.Die Herausforderungen des demografischen Wandelswerden perspektivisch noch eine Vielzahl verschiedenerHandlungsinstrumente erfordern. Mit demGesetzentwurf haben wir im Bund hierzu einen erstenSchritt unternommen. Wir sind uns bewusst, dass diesemSchritt noch viele weitere folgen müssen. Daranarbeiten wir mit Hochdruck.Vizepräsidentin Petra Pau:Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfsauf Drucksache 17/12356 an die in der Tagesordnungaufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt esdazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.Dann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten PaulSchäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan vanAken, weiterer Abgeordneter und der FraktionDIE LINKEKeine Beschaffung bewaffneter Drohnen fürdie Bundeswehr– Drucksache 17/12437 –Überweisungsvorschlag:VerteidigungsausschussWie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden dieReden zu <strong>Protokoll</strong> genommen.Florian Hahn (CDU/CSU):Um eines gleich zu Beginn klarzustellen: Es stehtmomentan weder eine Beschaffung von unbewaffnetennoch von bewaffneten Drohnen an. Die Diskussion darum,wie wir sie jetzt führen, ist noch gar nicht relevant.Die SPD hätte das Thema zugunsten ihres Wahlkampfesam liebsten sogar ganz ausgeklammert. Nichtzuletzt deshalb halte ich es auch für gut und wichtig,dass wir nun heute darüber debattieren. Gerade fürdie Linke besteht jedoch offensichtlich großer Erklärungsbedarf.Dies erklärt auch, warum sie die Realitätkomplett verkennt und von Killerwaffen spricht, die zukünftigvon den Soldaten vom Sofa aus mal eben gezündetwerden. Ich zitiere Frau Höger: „Zwischendurchwird vielleicht ein Computerspiel gespielt oderdas Baby gewickelt.“ Das ist eine Unverschämtheitunseren Soldaten gegenüber. Lassen Sie uns doch besondersbei diesem sensiblen Thema sachlich und ehrlichbleiben.Die Vorteile des Einsatzes von bewaffneten Drohnenüberwiegen die Argumente der Zweifler und Zukunftsverweigerer.Derzeit haben wir unbewaffnete Drohnenim Einsatz, die der Aufklärung bei den Einsätzen unsererSoldaten dienen. Sie können drohende Gefahrenfrühzeitig erkennen und schützen somit die Truppe imEinsatz.Skizzieren wir nun dieses Szenario ein wenig weiter:Bei einem Einsatz gerät eine Einheit in einen Hinterhaltvon Terroristen. Sie sind eingekesselt und könnennicht mehr entfliehen. Eine Flucht ließe sich nur untergroßer Gefahr bewerkstelligen. Durch die eingesetzteunbewaffnete Drohne können mehrere terroristische(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28125Florian Hahn(A)(B)Gruppen in der Umgebung aufgeklärt werden. Daraufhinwird bemannte und bewaffnete Luftunterstützungangefordert. Dadurch wird erstens ein weiterer Soldatder Gefahr eines Abschusses ausgesetzt. Zweitens vergehenviele wichtige Minuten zwischen dem Start undder Ankunft des Kampfflugzeugs im Einsatzgebiet. Minuten,die über Leben und Tod entscheiden können.Dieses Szenario verdeutlicht den Sinn und Zweckder Anschaffung bewaffneter Drohnen. Sie dienen derSicherheit unserer Soldaten am Boden und in der Luft.Eine Drohne hat viel längere Stehzeiten, als ein Kampfflugzeugjemals haben kann. Somit können auch langfristigeEinsätze durchgängig mit bewaffneter Luftunterstützungabgesichert werden. Durch die optimaleKombination aus Aufklärung und Waffenwirkung erhöhenwir den Schutz unserer Soldaten signifikant.Die Kritik, dass durch den Einsatz von bewaffnetenDrohnen eine zu große emotionale Distanz des Soldatenzum Kampfgeschehen entsteht, halte ich nicht nurfür falsch, sondern für überaus zynisch und verantwortungslos.Für falsch halte ich sie, weil auch der Piloteines Flugzeuges dem Menschen nicht in die Augensieht, bevor er die Rakete abschießt. Bei nahezu jederindirekten Waffe, nicht nur bei einer Drohne, ist einMonitor zwischengeschaltet. Der Marinesoldat, dereinen Torpedo abschießt, der Schütze, der eine Interkontinentalraketeoder eine Patriot-Rakete abfeuert –alle schauen auf einen Monitor. Von daher hat jede indirektemoderne Waffe eine technische Überbrückungsmöglichkeitfür denjenigen, der sie auslöst.Den Vorwurf der emotionalen Distanz nur auf denEinsatz von Drohnen zu beziehen, ist somit sehr eingeschränktund kurzsichtig. Was den Vorwurf aber gänzlichabsurd macht, ist die Tatsache, dass auch bei herkömmlichenFlugzeugen der Pilot ohnehin nicht überden Abschuss einer Rakete entscheidet, sondern derbefehlshabende Einsatzführer am Boden. Der Pilot liefertlediglich die Waffenwirkung, die meist von den Bodentruppenangefordert wird. In Afghanistan muss sogarjeder Schießbefehl vom Hauptquartier freigegebenwerden. So unterscheiden sich unbemannte bewaffneteLuftfahrzeuge in ihrer Wirkung nicht von bemannten.Das soll nun aber nicht heißen, dass die Zurechenbarkeitdes Abschusses nicht möglich ist. Auch diesen Vorwurfhabe ich einige Male gehört, und ich halte ihn fürabstrus. Am Schluss der Befehlskette entscheidet einMensch, eine Rakete abzuschießen, und nicht ein Roboteroder eine Maschine. Es ist nur eben nicht der Pilot.Bis hierhin kann ich die haltlose Kritik der Linkenan der Anschaffung bewaffneter Drohnen noch mit Unwissenheitund mangelndem Interesse an der Materieerklären. Was mich bei dieser Diskussion jedoch sowütend macht, ist der unverhohlene Zynismus und dieVerantwortungslosigkeit gegenüber unseren Soldaten,die bei den Argumenten mitschwingen.Ich möchte Ihnen deshalb die Frage stellen: Wiesosollten wir unsere Soldaten unnötig in Lebensgefahrbringen? Weil es nicht fair ist, dass sie dank unserertechnischen Möglichkeiten ein kleineres Risiko eingehenals ihre terroristischen Gegner? Wollen wir unserenSoldaten vorwerfen, sie würden leichtfertig töten,wenn sie sich nicht direkt im Kampfgeschehen befinden?Sollen wir in Zukunft auf die Panzerung vonFahrzeugen verzichten, weil sie das Risiko für unsereSoldaten zu klein hält?Die Einsätze belasten unsere Soldaten enorm. Es istdoch nicht nachteilig, wenn sie weniger in direkteKampfhandlungen verwickelt werden. Außerdem kannman eine derart essenzielle Entscheidung wie den Abschusseiner Rakete besser und ausgewogener treffen,wenn man sich nicht direkt in der Kampfhandlung befindet.Angst ist nämlich nie ein guter Ratgeber. Wirdürfen außerdem auch nicht vergessen, dass es sichbei unseren Gegnern um Terroristen handelt, derenHemmschwelle ohnehin ungemein niedriger ist als dieunserer Soldaten.Zuletzt möchte ich noch auf den Vorwurf eingehen,mit Drohnen werde gezielt getötet. Ja was denn sonst?In welcher Welt leben sie, meine Damen und Herrenvon den Linken? Wollen Sie mit großflächigen Bombardementsin Afghanistan die Zivilbevölkerung auslöschen,nur damit Sie danach behaupten können, unsereSoldaten würden nicht gezielt töten? Wer nicht will,dass wir Unbeteiligte gefährden, der muss Waffensystemeentwickeln und einsetzen, die nicht flächig, sonderngezielt wirken. Natürlich verlangen wir von unserenSoldaten, dass sie unter Beachtung des Grundsatzesder Verhältnismäßigkeit agieren.Damit sind wir auch schon bei dem weiteren Kritikpunkt,bewaffnete Drohnen seien völkerrechtlich problematisch.Drohnen unterscheiden sich zunächstrechtlich in keiner Weise von anderen fliegenden Plattformen.Ob Sie eine Rakete am Boden oder von einerDrohne aus abfeuern, unterliegt den gleichen Regeln.Natürlich ist es so, das zeigt auch die Realität, dass jedesWaffensystem auch völkerrechtswidrig eingesetztwerden kann, auch eine Drohne. Sie sollten jedochnicht von der Einsatzart und der Einsatzmethode andererStaaten auf das Einsatzmittel selbst schließen. Esist ausschlaggebend, für welchen Zweck und mit welcherLegitimierung wir eine Drohne nutzen. Grundlagefür jeden deutschen Einsatz sind die Einsatzregelnund letztlich unser Grundgesetz. Und daranhalten wir uns.Ich denke, meine Darlegung der Argumente für dieAnschaffung bewaffneter Drohnen haben Sie teilweiseund in anderer Form auch schon von unserem Ministergehört. Ich kann mich da nur wiederholen: Die Zukunftder Fliegerei wird in den nächsten 50 Jahrenauch von der unbemannten Luftfahrt geprägt sein. DerKrieg der Zukunft wird vermehrt durch bewaffneteDrohnen geführt werden. Wir können es uns nicht leisten,als Anlehnungsmacht im europäischen Gefüge aufdie Drohnentechnologie zu verzichten. Deshalb ist esmir ein Anliegen, dass wir unsere deutschen und europäischenKompetenzen für die zukunftsweisende For-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28126 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Florian Hahn(A)schung und Entwicklung in diesem Bereich nutzen. Esliegt an uns, ob wir uns fortschrittspessimistisch undtechnologiefeindlich gegen alles Neue verwehren oderob wir neue Technologien als Chance für unsere Zukunftund für die Sicherheit unseres Landes begreifen.Rainer Arnold (SPD):Den unbemannten Flugzeugen – zivil und militärisch– gehört die Zukunft: Sie sind verhältnismäßigpreiswert, brauchen weder fliegendes Personal nochteuren Eigenschutz. Die Vorteile von Drohnen sind unbestritten,gerade im Bereich der Aufklärung haben sieeinen besonders großen Nutzen. Auf der ILA in Berlinkonnten Besucher unlängst Drohnen verschiedensterGröße und Bauart gleich in zweistelliger Zahl betrachten.Wer hier vonseiten der Industrie nicht mithält, istaus dem Rennen.Das heißt aber nicht, dass die Politik deshalb unterZugzwang steht. Das Vorhaben der Bundesregierung,jetzt bewaffnete Drohnen zu beschaffen, macht politischüberhaupt keinen Sinn. Die Bundeswehr hat wedereine Fähigkeitslücke noch verfügt die Luftwaffeüber ein Konzept, in welchen Szenarien Drohnennotwendig sind und wie sie eingesetzt werden sollen.Es gibt derzeit in Europa nicht einmal Regularien, wieDrohnen in den Luftraum integriert werden können.Deshalb gilt gerade hier der Satz: Eile mit Weile.Bevor über solche Systeme entschieden wird, brauchenwir eine gesellschaftspolitische Debatte darüber,ob, wann und wie wir bewaffnete Drohnen einsetzenwollen. Hier stehen völkerrechtliche und ethische Fragenim Vordergrund. Die illegalen Drohnenangriffeder USA in Jemen und Pakistan verdeutlichen, wie notwendiges ist, solche Einsätze einzugrenzen, ob im Völkerrechtoder durch Instrumente der Rüstungskontrolle.Bewaffnete Drohnen sind eben keine unbemanntenFlugzeuge, sie sind mehr. Sie sind der Einstieg in einevollautomatisierte Kriegsführung. Wir müssen unsdoch fragen, ob Parlamente und Regierungen ohnedas Risiko, die eigenen Soldaten zu gefährden, nichtschneller über Auslandseinsätze entscheiden. Werdenmilitärische Befehlshaber nicht rascher einen tödlichenEinsatz anordnen nach dem Motto „kill beforecapture“, verändert sich nicht auch die Kriegsführungder Militärs?Die Gefahr, dass am Ende dieser technologischenEntwicklung automatisierte Systeme stehen, die vomSchreibtisch aus auf bestimmte Merkmale hin programmiertund eingesetzt werden, sehe ich mit großerBesorgnis. Zu dieser Debatte gehört deshalb eine klarevölkerrechtliche Ächtung von vollautomatisiertenSystemen. Wenn die Bundesregierung glaubt, sichdiese Fragen nicht stellen zu müssen, ermuntert sie unsSozialdemokraten, hier ganz genau draufzuschauen.Sollte sich am Ende dieser Debatte erweisen, dassbewaffnete oder waffenfähige Drohnen einen wichtigenund angemessenen Beitrag zu einer umfassendenSicherheits- und Verteidigungspolitik darstellen, kannimmer noch eine gezielte Entwicklungskooperationzwischen Großbritannien, Frankreich und Deutschlandeingeleitet werden. Ein Kauf von der Stange aufdem amerikanischen Markt würde den Weg für einemögliche europäische Lösung erschweren, wenn nichtgar verbauen. So lange kann die Bundeswehr ohneSchwierigkeiten die bislang geleasten AufklärungssystemeHeron weiterverwenden. Weil Frankreich überdie gleichen Systeme verfügt, ist eine europäischeKooperation zwischen Deutschland und Frankreichbei der Entwicklung von Drohnen auch später immernoch möglich. Das würde auch industriepolitisch Sinnmachen. Was die Fraktion Die Linke allerdings zu diesemThema beiträgt, ist fern aller Wirklichkeit. Wennich den Kopf in den Sand stecke, lösen sich Problemenicht von selbst.(C)(B)Rainer Erdel (FDP):Es ist nicht ganz drei Wochen her, da haben Sie,liebe Kollegen von der Linken, das Thema Ausrüstungder Bundeswehr mit bewaffneten sogenannten Drohnenin einer aktuellen Stunde im Bundestag diskutierenlassen. Alle Fraktionen haben die Möglichkeit genutzt,ihre jeweiligen Positionen auszutauschen. Mehrfachwurde betont, dass die Debatte über den Einsatz vonbewaffneten unbemannten Luftfahrzeugen noch amAnfang steht. Ich bin daher sehr verwundert, dass Siemit Ihrem Antrag die Debatte bereits beenden wollen,bevor wir sie überhaupt richtig angefangen hat. UnserePosition als FDP ist klar: Wir wollen und werdenuns der Debatte nicht verschließen, weil wir davonüberzeugt sind, dass sie im Sinne unserer Parlamentsarmeegenau hier im Bundestag geführt werden muss.Wir sind aber auch der Meinung, dass die Debatteüber die Beschaffung von bewaffneten Drohnen für dieBundeswehr auch auf der richtigen Grundlage geführtwerden sollte. Diese Grundlage kann nur in einerklaren sicherheitspolitischen Begründung des Verteidigungsministeriumszur Beschaffung und Nutzung solcherSysteme bestehen.Fakt ist, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegenvon den Linken: Unbemannte Systeme stellen einenwesentlichen Technologiesprung in der Luftfahrtdar. Dabei ist es unwesentlich, ob es sich um einekleine Drohne oder ein unbemanntes Luftfahrzeug vonder Größe eines A319 handelt. Unabhängig von einemmilitärischen Einsatz sind unbemannte Luftfahrzeugein der Lage, eine langandauernde und großräumigeÜberwachung sicherzustellen und dabei sehr detaillierteInformationen zu liefern. Bereits heute werdenunbemannte Systeme bei großen Menschenansammlungenin Deutschland genutzt, um tragische Ereignissewie etwa bei der Loveparade in Duisburg vermeidenzu helfen. Auch bei der Meereserkundung undspeziell der Verschmutzungskontrolle der Meere werdenunbemannte Systeme bereits genutzt. Die Technologiebietet eben gerade durch den Verzicht auf lebenserhaltendeSysteme im Flugzeug kostengünstige(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28127Rainer Erdel(A)(B)Chancen. Die Bedienung sowie die zeitnahe Auswertungder Daten vom Bodenpersonal ist besser zu gestalten,als dies vom fliegenden Personal zu leisten ist.Aus diesen Erkenntnissen heraus bietet sich einemilitärische Nutzung an. Im Einsatz werden die unterschiedlichenAusführungen von unbemannten Luftfahrzeugenbereits genutzt. Ob Aladin oder Heron 1: AlleSysteme haben ihre Leistungsfähigkeit und ihrenMehrwert für die Bundeswehr bewiesen. Und es stelltsich natürlich die Frage, ob nicht dort, wo heute bemannteFlugzeuge, wie zum Beispiel bei der Unterstützungaus der Luft, künftig unbemannte Systeme zumEinsatz kommen können.Ihren Ansatz, liebe Kolleginnen und Kollegen vonden Linken, vom Drohneneinsatz der US-Streitkräfteals auch des US-Geheimdienstes auf den Einsatz derBundeswehr mit solchen Systemen zu schließen, kannich allerdings nicht nachvollziehen. Sie schreiben zumBeispiel in Ihrem Antrag, dass unbemannte Luftfahrzeugekonzipiert seien, um über neutralem Gebiet eingesetztzu werden. Alleine die Tatsache, dass diese Systemeim Einsatz sind, bedeutet doch nicht, dass sie sichin einem rechtsfreien Raum bewegen. Sie unterliegenden Rules of Engagement.Auch führen Sie das Thema „gezielte Tötungen“ insFeld. Auch hier wird offenbar angenommen, dass sichdie Bundeswehr ebenso wie die US-Streitkräfte verhaltenwürde, wenn sie in den Besitz solcher Systemekäme. Ich frage mich, woher Sie diese Gewissheit nehmen.Bereits heute können präzise Schläge durch dieBundeswehr ausgeführt werden. Dies geschieht immerauf der Basis unseres Grundgesetzes und deshalb sindEinsätze wie Sie sie unterstellen, auch heute durch denBundestag nicht mandatierbar. Ich frage mich daher:Warum fehlt Ihnen das Vertrauen in das Parlament?Ich bin der festen Überzeugung, dass das Themaunbemannte Luftfahrzeuge uns in Zukunft noch stärkerals bisher beschäftigen wird. Gerade auch mit Blickauf die enormen zivilen Nutzungsmöglichkeiten solltenwir nicht den Fehler machen, uns hier Denkverbote zuverordnen.Die bisherigen Erfahrungen mit dem Einsatz unbewaffneterDrohnen in Afghanistan sind darüber hinausüberaus positiv. Sie bieten unseren Soldatinnen undSoldaten letzten Endes ein deutliches Plus an Sicherheit.Gerade bei der militärischen Nutzung muss aberklar sein, was wir mit bewaffneten Systemen im Einsatzmachen wollen. Hier muss eine klare sicherheitspolitischeBegründung stehen, die letztendlich auch mit demhumanitären Völkerrecht im Einklang stehen muss.Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):Um es gleich vorwegzunehmen: Drohnen sind nichtper se Teufelszeug. Das behauptet hier auch keiner.Und natürlich ist in erster Linie der Mensch bzw. dieRegierung verantwortlich, die den Einsatz von bewaffnetenDrohnen befiehlt.Aber tun wir doch auch nicht so, als ob Technologieund insbesondere Waffentechnologie immer nur neutralist. Unsere Auffassung ist, dass bewaffnete Drohnenals neue Waffentechnologie in ähnlicher Weise wieAtomwaffen, Landminen oder Streumunition nur nachteiligeKonsequenzen haben werden. Zudem ändertsich der Blick der politischen und militärischenFührung auf den Waffeneinsatz. Drohnen schaffenneue, vermeintlich attraktive Optionen für den Einsatzvon Gewalt und senken damit die Hemmschwelle. DieBundesregierung sollte deswegen auf die Beschaffungsolcher Waffensysteme verzichten.Nach einem Jahrzehnt Kampfdrohnen im Einsatz– vor allem der US-Drohnen in Afghanistan, Pakistanoder Jemen – sieht man doch ganz klar, wohin dieReise geht: Kampfdrohnen braucht man nicht zur Landesverteidigung,auch nicht zur Grenzsicherung. Nein,bewaffnete Drohnen machen vor allem Sinn für offensiveklandestine Operationen in Drittstaaten, das heißtalso in der Regel unter Verletzung der Souveränitätdes Staates. Wichtiger noch: Bewaffnete Drohnen verleitendie Streitkräfte zu einer Form von Menschenjagd,die immense zivile Opfer in Kauf nimmt und sichoft genug außerhalb des Rechts abspielt.Akkurate Zahlen sind leider nicht bekannt – dieGeheimhaltung macht einen Strich durch die Rechnung.Außerdem machen es sich USA und NATOleicht, indem sie pauschal jede männliche Person imkampffähigen Alter den Terroristen oder Aufständischenzurechnen.Die pakistanische Regierung geht davon aus, dassin den vergangenen vier Jahren 22 al-Qaida-Kommandeureund 800 Zivilisten durch Drohnenangriffe in ihremLand getötet wurden. Das Bureau of InvestigativeJournalism kommt zu dem Ergebnis, dass zwischen2 500 und 3 300 Menschen in Pakistan seit 2004 durchDrohnen getötet worden sind, davon zwischen 470 und880 Zivilisten, inklusive 176 Kinder. Hinzu kommennoch mehr als tausend Verletzte.Jetzt kann man zynisch mit den Schultern zuckenund sagen: So ist das eben im Krieg und bei derBekämpfung des Terrorismus. Damit liegt man aberfalsch: Zum einen herrscht weder in Pakistan, Jemenoder Somalia völkerrechtlich gesehen Krieg. Zumanderen gilt Terrorismus hoffentlich auch noch bei denanderen Fraktionen hier im Bundestag als kriminellerAkt, der vor Gericht zu ahnden ist und nicht per ferngesteuerterRakete.Das Problem liegt doch auf der Hand: „Gelegenheitmacht Diebe“ gilt eben auch für die Militärs. ImKern dominiert bei den USA, aber auch den anderenNATO-Staaten die Einstellung „Wir tun es, weil wir eskönnen“. Aus militärischer Sicht scheint sich eineAutomatisierung der Kriegsführung zu rechnen: DieWaffensysteme kosten weniger, man kann Personaleinsparen, und es ist sicherer für die eigene Armee.Das ist eine Milchmädchenrechnung – und das wissenSie. Diese geht nur auf, solange die Asymmetrie(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28128 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Paul Schäfer (Köln)(A)(B)bestehen bleibt. Hier die USA, die NATO und ihreVerbündeten, die alles können und dürfen, dort dieAufständischen und anderen Streitkräfte, die mit einpaar Raketenwerfern und Gewehren zurückschießen.Es wird ein böses Erwachen geben, wenn andere Staatenanfangen, bewaffnete Drohnen nach dem gleichenMuster einzusetzen wie die USA und die NATO-Staaten.Andere Staaten sind schon dabei, aufzurüsten undmehr in Drohnentechnologie zu investieren. Das führtzu einer gefährlichen Aufrüstungsspirale vor derHaustür. Das mag gut für die Rüstungsindustrie sein;es ist aber schlecht für die Menschen. Und dabei solltenicht vergessen werden, dass Drohnen auch Massenvernichtungswaffentransportieren können.Auf sämtliche dieser Risiken hat im Übrigen auchder Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzungdes Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2011 hingewiesen.Leider haben wohl weder die Regierungsfraktionennoch das BMVg den Bericht gelesen. Das solltenachgeholt werden.Bewaffnete Drohnen stehen für eine unheilvolle Automatisierungder Kriegsführung. Verteidigungsministerde Maiziére kann noch so oft betonen, dass immerein Mensch die Entscheidungen treffen wird: Allein diesteigende Informationsflut und die Leistungsfähigkeitder Computer wird zur Verselbstständigung der Drohnenführen. Im Englischen bereits so griffig als „manin the loop“, „man on the loop“, „man out of the loop“bezeichnet. Am Ende steht der Waffeneinsatz aufgrundeiner automatischen Computerauswertung von Bewegungsprofilen.Klingt bekannt, klingt nach modernerVariante der Selbstschussanlage an der Mauer. Fürmich klingt das erschreckend. Ungeachtet dessen hatVerteidigungsminister de Maiziére klargestellt, dassdie Bundeswehr jetzt auch hier mitspielen will.Deutsche Firmen stehen schon in den Startlöchern.Rheinmetall, Diehl und EADS haben entsprechendeVereinbarungen mit ausländischen Drohnenherstellerngetroffen. Mit Hunderten von Millionen Euro sollmitgerüstet werden, egal ob man für die SicherheitDeutschlands diese Drohnen braucht oder nicht. Dennauch dem Verteidigungsminister sind außer Sicherungvon Geiselbefreiungen oder Patrouillen in besetzenGebieten keine sinnvollen Szenarien eingefallen.Unsere Position als Linke ist klar: Statt mitzurüsten,ist es an der Zeit, über Rüstungskontrolle, Abrüstungund vertrauensbildende Maßnahmen nachzudenken.Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf, jetztein klares Zeichen zu setzen und auf die Beschaffungvon Kampfdrohnen zu verzichten.scheidung gehen soll. Wiederholt hat Minister deMaizière erklärt, dass er bewaffnete Drohnen fürethisch neutral hält und ihr Einsatz nur Vorteilebringe. Über die Risiken, die mit diesem neuen Waffensystemverbunden sind, verliert er kein Wort, ebensowenig wie über die Möglichkeiten und den Bedarf aninternationalen Regeln, obwohl diese dringend gebotenwären. Ein lapidarer Verweis auf bestehendes Völkerrechtentschuldigt diese Ignoranz keinesfalls.Vor der Beschaffung eines neuen bewaffneten Systemsmuss genau geprüft werden, ob dieses wirklicherforderlich ist und welche Folgen sein Besitz undmöglicher Einsatz nach sich ziehen. Die gegenwärtigePraxis zeigt: Der zunehmende Einsatz ferngesteuerterWaffensysteme hat schwerwiegende Auswirkungen aufdie Kriegsführung, fordert zahlreiche zivile Opfer undführt zu einer Entgrenzung der Kriege.Die USA verüben mithilfe bewaffneter Drohnen„gezielte Tötungen“ außerhalb von bewaffneten Konflikten,die – und das muss man doch auch mal klippund klar sagen – völkerrechtswidrig sind! Gleichzeitigfördert der zunehmende Einsatz von Kampfdrohnendie Eskalation bewaffneter Konflikte und treibt die Rekrutierungneuer Kämpfer in terroristischen Netzwerkenvoran.Die von den USA durchgeführten Drohneneinsätzein Pakistan, in Somalia und im Jemen machen deutlich,wie schnell die Hemmschwelle zur Anwendungbewaffneter militärischer Gewalt bei den politischenEntscheidungsträgern sinkt, wenn die eigenen Streitkräftedabei kein Risiko eingehen müssen. Vor dem11. September 2001 erklärte die damalige US-Administrationdie von Israel durchgeführten gezielten Tötungenmit bewaffneten Drohnen noch für illegitim.Heute steigt die Zahl der völkerrechtswidrigen Drohnenangriffeunter US-Präsident Obama rasant an.Deutschland sollte sich für eine Beendigung diesergezielten Tötungen einsetzen. Wo Völkerrecht gebrochenwird, erwarte ich klare Worte und nicht Stillschweigenvon dieser Bundesregierung!Diese höchst bedenkliche und gefährliche Entwicklungin den USA muss uns zum Nachdenken über diegrundsätzliche Frage bewegen, welchen Einfluss dieVerfügbarkeit bestimmter Waffensysteme und Fähigkeitenauch auf die politischen Entscheidungen überden Einsatz militärischer Mittel haben kann. Denn bewaffneteDrohnen werden de facto eben nicht wie gewöhnlicheWaffensysteme eingesetzt, sondern immerwieder wird bei ihrem Einsatz gegen geltendes Völkerrechtverstoßen. Diese Realität kann man nicht ausblenden!(C)(D)Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Bislang nutzt die Bundeswehr Drohnen ausschließlichzu Aufklärungszwecken. Der Verteidigungsministerhat jedoch angekündigt, bald über die Beschaffungwaffenfähiger Drohnen entscheiden zu wollen. Dabeizeichnet sich klar ab, in welche Richtung diese Ent-Dem völkerrechtswidrigen Einsatz von bewaffnetenDrohnen muss endlich entgegengewirkt werden. Dieklaffenden Lücken in der Rüstungskontrolle müssengeschlossen werden. Anstatt sich in eine riskante Spiraledes Wettrüstens zu begeben und schwammige Lippenbekenntnissezur Rüstungskontrollpolitik zu machen,Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28129Agnes Brugger(A)erwarte ich von der Bundesregierung klare Initiativenauf internationaler Ebene.Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden dieReden zu <strong>Protokoll</strong> genommen.(C)(B)So müssen wir auch verbindliche Regeln finden, diedie Gefahr einer Proliferation unbemannter waffenfähigerSysteme an Staaten oder substaatliche Akteureeindämmen. Und wir müssen dem Problem begegnen,dass die technische Entwicklung zu immer komplexerenSystemen führt, bei denen mehr und mehr Entscheidungsprozesseauf Basis von Programmierungenablaufen, in die der Mensch nicht mehr involviert ist.Stimmen aus den USA zeigen, dass die Entwicklungdort genau in diese Richtung gehen soll. Aber damitwird es zunehmend schwieriger, Verantwortlichkeitenbeim Verstoß gegen geltendes humanitäres Völkerrechtzuzurechnen und schließlich auch zu ahnden. Hier tunsich also völlig neue Risiken auf, wie mühsam errungeneRegeln zur Einhegung der Kriegsführung ausgehebeltwerden können. Das kann und darf in niemandesInteresse sein.Deshalb setzten wir uns dafür ein, auf Ebene derVereinten Nationen Regeln und Restriktionen für denEinsatz von bewaffneten unbemannten Systemen zusetzen, um die Aufrüstung einzudämmen und einer Zunahmebewaffneter Gewalt vorzubeugen. Der Einsatzbewaffneter unbemannter Systeme muss internationalso reguliert werden, dass das Gebot des Schutzes derBevölkerung, das Unterscheidungsgebot und das Verhältnismäßigkeitsgebotin vollem Umfang erfüllt sind –das gilt ganz besonders für weitere technologischeEntwicklungen.Diese schwarz-gelbe Bundesregierung hat nur unkritischden eigenen Beschaffungswunsch im Blick undverschließt ihre Augen vor den gravierenden Verletzungenvon wichtigen völkerrechtlichen Normen, dienur durch die neue Technologie von unbemannten bewaffnetenSystemen in diesem Ausmaß möglich gewordensind. Das finde ich unerträglich!Meine Damen und Herren von der Koalition, einesolche Politik, die vor allem von einer Logik des Wettrüstensgetrieben ist und die gravierenden negativenFolgen des Einsatzes bewaffneter Drohnen ausblendet,tragen wir Grüne nicht mit.Vizepräsidentin Petra Pau:Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage aufDrucksache 17/12437 an den Verteidigungsausschussvorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das istder Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Siebten Gesetzes zurÄnderung des Filmförderungsgesetzes– Drucksache 17/12370 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Kultur und Medien (f)RechtsausschussWolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU):Das zukünftige Filmförderungsgesetz ist ein Fortschrittfür das Filmland Deutschland, darüber sindsich die Beteiligten wie Betroffenen einig. Es stärkt dasKino, es gibt dem Kinderfilm wieder eine Perspektive,es verbessert grundlegend die Teilhabe behinderterMenschen, es konzentriert die Förderschwerpunktewie die Absatzstrategie und es sorgt für die Aufnahmeder Digitalisierung des Filmerbes in das Aufgabenspektrumder FFA.Der Verwaltungsrat der FFA, gewissermaßen „dasFilmparlament“ der Bundesrepublik, hat die Novellierungfür gut befunden, weil damit den Filmschaffendenwie dem Kino eine Perspektive gegeben wird. Begrüßtwird von diesem Gremium auch die Aufstockung desDeutschen Filmförderfonds, DFFF, von 60 auf 70 MillionenEuro. Ein Erfolg von KulturstaatsministerBernd Neumann. Seine Absicht den DFFF zu verstetigen,ihm keine zeitliche Befristung mehr zu geben,wird von uns nachdrücklich unterstützt.Dieser Fonds ist ein Erfolgsmodell für den ProduktionsstandortDeutschland geworden. Von 2007 bisEnde 2012 wurden 642 „Zelluloid-Initiativen“ mit fast360 Millionen Euro gefördert; davon etwa zwei Drittelnationale Vorhaben und ein gutes Drittel internationale.Diese Gelder haben Gesamtinvestitionen vonknapp 3 Milliarden Euro ausgelöst. Ein eingezahlterEuro hat sich versechsfacht. Das sind Leistungen fürdie Sicherung von circa 50 000 Arbeitsplätzen, einegute Botschaft für alle Filmbeschäftigten.Erfolge bei der diesjährigen, gerade beendetenOscar-Verleihung in Los Angeles hatte unsere Filmgemeindedagegen nicht. Dafür aber unser NachbarlandÖsterreich, gleich zweimal, mit Haneke undChristoph Waltz. Wir gratulieren herzlich.Vielleicht sollten wir doch ab und zu mehr über denTellerrand sehen: denn unsere Nachbarn, ob im Südenoder Norden mit Dänemark, abgesehen von Frankreichund Polen, warten regelmäßig bei Filmfestivalsmit aufsehenerregenden Produktionen von hoher Qualitätauf.Uns sollte auch beunruhigen, dass der Marktanteildeutscher Filme im vergangen Jahr von rund 22 auf18 Prozent gegenüber 2011 gesunken ist. Im Durchschnittder vergangenen 10 Jahre sind wir bis auf wenigeAusreißer über diesen Anteil nie hinausgekommen.Das ist in Frankreich anders. Dort macht dienationale Filmproduktion mindestens 40 Prozent aus.Das wäre auch für die Bundesrepublik anzustreben.Wir haben großartige Schauspielerinnen undSchauspieler und eine hohe Kompetenz bei allen Filmschaffenden,von den Drehbuchautoren bis hin zu denProduzenten. Wenn wir deren Arbeitsplätze sichernund ausbauen wollen und auch unsere Werte, die wirvertreten, und unsere Filmkultur in die erste Reihe(D)


28130 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Wolfgang Börnsen (Bönstrup)(A)(B)befördern wollen, sind offensichtlich auch bei uns Zielvorgabennotwendig. Allein auf den Markt zu setzen,reicht nicht aus. Hollywoods Macht reicht weiter.Es wäre durchaus angemessen, wenn sich die Filmszeneselbst, von der Filmakademie über das „Filmparlament“bis hin zu den Produzenten, mit der Frageeiner Quote für den deutschen Film befassen würde.Dazu sollte auch der Tatbestand Anlass geben, dass esvon den insgesamt 19 Filmen im Wettbewerb der diesjährigenBerlinale nur einen deutschen Film gegebenhat. In den Vorjahren war das Resultat nicht wesentlichbesser.Die Berlinale entwickelt sich immer mehr zu einemBürgerfest für den Film. 400 000 Besuche und404 Filme aus 70 Ländern beweisen, dass das Kino alsKulturereignis angenommen wird. Für das FilmlandDeutschland ist das Berlinale-Filmfest eine Visitenkarteersten Ranges. Dass erstmals in vielen Städtender Bundesrepublik zeitgleich ein Berlinale-Filmvorgeführt wurde, macht das Filmvergnügen zu einemRepublikereignis. Dieses gilt es weiter auszubauen.4 000 Journalisten haben weltweit von diesem Festivalberichtet. Was Dieter Kosslick mit seinem Team auf dieBeine gestellt hat, wird mit Respekt und Lob von denFilmemachern anerkannt, und auch von uns, derUnion.Trotz allen Lobs bleibt das Hauptstadt-Februar-Event bei Schnee, Frost und Schietwetter ein Wagnisfestival.Kurz vor der Oscar-Verleihung, gleichfalls imFebruar, kommt selten eine wirkliche Filmsensation andie Spree. Viele Produktionen haben bereits wegen desvorgezogenen Starts in anderen Ländern ihre Unschuldverloren. Die gebrauchte Ware nimmt zu, damitauch das Risiko, den Status als ein A-Festival zu verlieren.Es muss ernsthaft eine Verlegung der Berlinalein einen geeigneteren Monat erwogen werden. Dabeigeht es nur vordergründig um das Berlinale-Wetter,sondern um die Zukunft dieses Filmfestivals.Das Kino wird immer stärker zu einem kulturellenFreizeiterlebnis für Millionen unserer Mitbürgerinnenund Mitbürger. Im Durchschnitt besucht jeder Bewohnerunseres Landes viermal im Jahr einen „Filmtempel“.Den größten Anteil hat dabei die Altersgruppevon 20 bis 29 Jahren. Kein Kulturbereich schafftderzeit jährlich durchschnittlich 130 Millionen Besucher– nicht einmal die Fußballbundesliga oder dieMuseen. Die Kinobranche selbst hat gut davon.Erstmals, das gilt für 2012, übersteigt ihr Umsatz1 Milliarde Euro. Die Betreiber der Kinos wissen sehrwohl die Politik, ob auf Bundes- oder Landesebene,auf ihrer Seite – noch.Ob die reduzierte Mehrwertsteuer, die Unterstützungbei der Digitalisierung, allein vom Bund mit20 Millionen Euro, oder auch die staatliche Förderungdes Filmerbes: alle drei Maßnahmen sind Beispieleeiner umsichtigen direkten wie auch indirekten Kulturkinoförderung.Umso unverständlicher ist es, dass seit Jahren einigegroße Kinounternehmen, die ihren Hauptsitz imAusland haben, gegen diese Förderer zu Felde ziehen,Jahr für Jahr die Gerichte auf allen Ebenen mit Klagenkonfrontieren, um sich ihrer Abgaben an die FFAzu entziehen. Fachkritiker sehen darin den Versuch,aus Profitgier die mittelständische Kinostruktur in derBundesrepublik zu zerstören. Damit schadet man unseremKinoland. Gleichzeitig stellt man damit dasSelbsthilfeprinzip der FFA infrage, und schließlichgräbt man der Filmförderung das Wasser ab.Es ist hoch anzuerkennen, dass die anderen Einzahlerin den FFA-Fördertopf, die Videoprogrammanbieter,das öffentlich-rechtliche wie das private Fernsehenan ihrer grundsätzlichen Einstellung, den Film inunserem Land zu stabilisieren, sich durch die Kinofreibeuternicht irritieren lassen.In der Debatte um das neue FFA darf das ThemaRaubkopien nicht unerwähnt bleiben. Eine Geißel füralle Filmschaffenden, für alle Kreativen! Die Internetpiraterieist unverändert eines der Hauptprobleme derFilmwirtschaft. Der Film in Deutschland erleidetdurch Piraterie bittere Einnahmeverluste in Höhe vonmindestens 100 Millionen Euro jährlich, weil„schwarz“ kopiert wird mit hoher krimineller Energie.Vor allem Special-Interest-Filme bzw. Filme mittlererGröße sind davon betroffen. Auf jeden zahlendenKinobesucher kommt nach Erkenntnissen der SPIOmittlerweile ein illegaler Download.Die Kreativen werden dadurch besonders geschädigt.Diese Einschätzung von Manuela Stehr, derVorsitzenden des Verbandes, teilen wir. Wir von derUnion anerkennen das Engagement der SPIO für einmodernes Urheberrecht, das die Leistung der Kreativenwürdigt. Wir erwarten, dass der 3. Korb zur Urheberrechtsreformendlich umgesetzt wird. Die Initiativendazu vonseiten des Staatsministers Neumann wievom Parlamentarischen Staatsekretär Hans JoachimOtto finden unsere volle Unterstützung.Wer auch von der Filmförderung gut hat, neben anderenInstitutionen, ist auch das Flaggschiff der Filmgeschichteunseres Landes, die Deutsche Kinemathek.Sie konnte jetzt ihren 50. Geburtstag feiern. Seit 1963kümmert sie sich um die Archivierung und Vermittlungder deutschen Filmgeschichte. Sie trägt in hervorragenderWeise unter Leitung von Rainer Rother und seinenMitarbeitern zum Erhalt unseres kulturellen Erbesbei. Die Deutsche Kinemathek ist Filmmuseum, Archiv,Verleih und vieles mehr. 2006 eröffnete die Kinemathekdie Ständige Ausstellung zum Fernsehen. Seit1977 erstellt sie die Retrospektive-Reihen derBerlinale. Der Bundestag fördert die Stiftung DeutscheKinemathek mit 8,7 Millionen Euro.Weitere Mittel fließen in den Erhalt und die Digitalisierungdes filmischen Erbes. Dieser Aufgabe widmetsich der Kinematheksverbund, in dem die DeutscheKinemathek zusammen mit dem Bundesarchiv-Filmarchivund dem Deutschen Filminstitut Frankfurt her-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28131Wolfgang Börnsen (Bönstrup)(A)(B)vorragende Arbeit leistet. Auch die FFA beteiligt sichan der Sicherung des Filmerbes. Ihre Kernkompetenzist jedoch die jährliche Filmförderung mit mehr als100 Millionen Euro. Ihr Präsidium wie der Verwaltungsratentscheiden über die Umsetzung der Filmabgabe.Wir halten eine flexiblere Handhabung der Sperrfristenebenso für notwendig wie die Berücksichtigungder Kreativen im Präsidium sowie eine Stärkung desVorstandes. Es muss in Zukunft sichergestellt werden,dass das Präsidium, demokratisch vom Filmparlamentgestützt, bei Konfliktfragen die abschließende Entscheidunghaben muss.Wer will, dass der Film in Deutschland als Kulturwieauch als Wirtschaftsgut eine gute Perspektive bekommensoll, der wird aufgefordert, dem neuen FFGzuzustimmen.Marco Wanderwitz (CDU/CSU):An den deutschen Kinokassen klingelte es 2012 wienie zuvor. Leider trug der deutsche Film anders als2011 weniger dazu bei. Dass aber auch das Filmgeschäftzyklischen Einflüssen unterliegt, beweist derStart ins Jahr 2013, der sehr verheißungsvoll stimmt:Den „Schlussmacher“ wollten in sieben Wochen fastzweieinhalb Millionen Zuschauer sehen. Mit TilSchweigers „Kokowääh II“ steht aktuell ein deutscherFilm auf Platz 1 der Kinocharts.Die internationalen Festivalerfolge deutscherFilme in den vergangenen Jahren, das gestiegene ausländischeInteresse an deutschen Filmen und Serien,vor allem aber das wachsende Engagement von deutschenProduzenten und Schauspielern in internationalenKoproduktionen zeugen grundsätzlich von einemselbstbewussten und erfolgreichen FilmstandortDeutschland. Diese Erfolge sind unmittelbare Folgedes über Jahrzehnte fortentwickelten nationalen Förderungsrahmens,der in Europa seinesgleichen sucht.Er ist gerade in jüngeren Jahren Folge der zusätzlichengezielten Förderung durch die christlich-liberaleBundesregierung.Die Deutsche Filmförderung ist eine langfristige,kontinuierliche Unterstützung, die sich von zyklischenBetrachtungen kurzfristig nicht beeinflussen oder beirrenlässt. Dafür sorgen die verschiedenen Säulen, diesie tragen. Neben dem Deutschen Filmförderfonds undder beachtlichen Länderförderung ist die Filmförderanstalt,eine Organisation der Filmwirtschaft, dasKernelement, weil der wirtschaftliche Garant derFilmförderung. Dank der in wirtschaftlicher wie intechnischer Hinsicht fortschreitenden Dynamik derBranche muss jedoch regelmäßig hier und dort nachjustiertwerden.Wir diskutieren daher heute den Entwurf eines7. Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes,der Rechtsgrundlage für die Einrichtung der FFA. DasFFG nimmt alle beteiligten Branchenbereiche, die dasProdukt „Film“ verwerten, in die Pflicht, einen angemessenenBeitrag zur Erhaltung und Förderung desdeutschen Films zu leisten. Die FFA finanziert sich autarkmittels einer Filmabgabe durch die beteiligtenVerwerter. Das sind die Kinos, Unternehmen der Videowirtschafteinschließlich Onlineanbieter, Fernsehveranstalterund Vermarkter von Pay-TV-Programmen.Diese Abgabe ist nach dem geltenden FFG biszum 31. Dezember 2013 befristet. Mit dem vorliegendenEntwurf wollen wir deren Erhebung fortführen, umhierdurch die Finanzierung der FFA weiterhin zu sichern.Gerne hätten wir die aktuelle Novelle bereits füreine grundsätzliche Überarbeitung des gesamten Abgabensystemsgenutzt, um hier für noch mehr Gerechtigkeitzu sorgen. So war beispielsweise eine Heranziehungauch der Telekommunikationsanbieter, dersogenannten Access Provider, die Filminhalte durchleiten,angedacht, mit den gegenwärtigen Vorgabender Europäischen Kommission jedoch nicht vereinbar.Auch vor dem Hintergrund der ausstehenden Entscheidungdes Bundesverfassungsgerichts zum Abgabensystemsind tief greifende Änderungen mit einem unkalkulierbarenund daher zu vermeidenden Risikoverbunden. Sowohl diese juristisch unsichere Entwicklung,aber auch die zu erwartenden dynamischen wirtschaftlichenund technischen Marktentwicklungen lassenes sinnvoll erscheinen, das ab 2014 geltende FFGzunächst auf nur zweieinhalb Jahre statt bisher fünf zubefristen. Auf diese Weise können wir kurzfristige Ereignisseschneller und sachgerechter aufbereiten unddas System gegebenenfalls flexibler anpassen.Die Dynamik der Marktentwicklung hängt zweifelsohneauch mit der fortschreitenden Digitalisierung imFilmbereich zusammen. Standen in den vergangenenJahren insbesondere die Kinos im Fokus unserer Digitalisierungsoffensive,so nehmen wir mit der heutigenNovelle nun auch die Digitalisierung des Filmerbesexplizit in den Aufgabenkatalog der FFA auf. Bei derWeiterentwicklung der technischen-digitalen Abspielmöglichkeitendürfen wir nicht vergessen, die Klassikerdes deutschen Films so zu formatieren, dass dieseauch in Zukunft noch wirtschaftlich ausgewertet undöffentlich zugänglich gemacht werden können. Hierbesteht seitens des Publikums weiterhin ein großer Bedarf.Damit nehmen wir aber auch die Filmbranche indie Verantwortung, einen substanziellen Beitrag dazuzu leisten, damit das Filmerbe nicht nur in den auf digitalesAbspiel umgerüsteten Kinos, sondern auch aufden weiteren Verwertungsstufen, insbesondere Videound Fernsehen, weiterhin gezeigt werden kann.Mit der Novelle des FFG wird ferner die Teilhabebehinderter Menschen an geförderten Filmen verbessert.Künftig – und dafür hatten wir bereits in einementsprechenden Antrag der Fraktionen der CDU/CSUund FDP geworben – muss von allen FFA-gefördertenFilmen auch eine barrierefreie Fassung mit Audiodeskriptionfür sehbehinderte Menschen und Untertitelnfür hörgeschädigte Menschen hergestellt werden.Trotz Sensibilisierung der relevanten Akteure der(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28132 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Marco Wanderwitz(A)(B)Filmbranche, der Videowirtschaft und der Rundfunkanstaltenfür eine Notwendigkeit der barrierefreienAusstattung von Filmen ist die aktuelle Zahl der entsprechendausgestatteten Filme übersichtlich. Die bestehendenFördermöglichkeiten, unter anderem seitder letzten Novelle des FFG, wurden fast überhauptnicht genutzt. Angesichts des Anteils der mit einer Behinderunglebenden Menschen in Deutschland vonüber zehn Prozent ist dies ein unhaltbarer Zustand. Mitdem neuen Entwurf wird jeder Produzent, der öffentlicheFörderung erhält, verpflichtet, barrierefreie Fassungenseines Films zu erstellen. Die Einführung diesesgesetzlichen Zwangs begrüßen wir ausdrücklich.Ebenso stärkt die FFG-Novelle den Bereich desdeutschen Kinderfilms. Schon heute können Kinderfilmeim Rahmen der allgemeinen Förderung durch dieFFA unterstützt werden. Aber auch hier ist die tatsächlicheInanspruchnahme von Förderungen wenig ausgeprägt.Um künftig ein größeres Augenmerk aufKinderfilmprojekte, die sich der Gegenwart und Lebenswirklichkeitvon Kindern in besonderem Maßewidmen, zu richten, sollen im Rahmen der Projektfilmförderungin angemessenem Umfang auch Kinderfilme,die auf originären Stoffen beruhen, gefördertwerden. Angesichts der großen Qualität des deutschenKinderfilms hatten wir die Forderung nach einergrundsätzlichen Stärkung des Kinderfilms bereits in einemAntrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU undFDP formuliert. Die Verfilmungen bekannter Kinderbücherund Märchen sind auch heute noch an denKinokassen erfolgreich und im Fernsehen zu sehen.Allerdings werden Filme mit zeitgenössischen Stoffenimmer seltener. Die FFA hat in den vergangenen dreiJahren 31 Kinderfilme gefördert. Von diesen hatten jedochnur vier einen originären Stoff zum Thema. DasFFG schafft an dieser Stelle wichtige neue Anreize.Ich freue mich auf das parlamentarische Verfahren.Angelika Krüger-Leißner (SPD):Das Kinojahr in Deutschland hat ausgezeichnetbegonnen. Gerade was den deutschen Film betrifft,können wir sehr zufrieden sein. Es gibt schon zweiBesuchermillionäre und zahlreiche andere deutscheProduktionen mit beeindruckenden Zahlen. DiePalette reicht von gut gemachter Unterhaltung bis zuanspruchsvollem Arthouse-Film. Das ist echte Kinovielfalt.Aber nicht nur der ökonomisch orientierte Blick aufden Kinomarkt stimmt zuversichtlich. Auch auf internationalemParkett hält der Erfolg des deutschenFilms an. Bei der Oscar-Verleihung am vergangenenSonntag hat er wieder einen glänzenden Auftritt hingelegt.Die deutsch-österreichisch-französische Koproduktion„Liebe“ von Regisseur Michael Haneke unterBeteiligung der deutschen X-Filme von Stefan Arndthat den Oscar für den besten nicht englischsprachigenFilm bekommen. Auch von dieser Stelle meinen herzlichenGlückwunsch zu diesem Erfolg!Diese beeindruckende Zwischenbilanz für den deutschenFilm ist aber nicht vom Himmel gefallen. Sie istnatürlich zuallererst der Kreativität, dem Ideenreichtumund auch dem unternehmerischen Mut in derFilmbranche zu verdanken. Aber möglich wurde dasletztlich erst durch unser Filmförderungssystem inDeutschland. Das steht mit den Standortförderungender Länder, dem Deutschen Filmförderungsfonds,DFFF, der BKM-Förderung und der Filmförderungsanstalt,FFA, auf mehreren Beinen. Unbestritten ist,dass die FFA-Förderung dabei ein unverzichtbarerPfeiler in diesem System ist.Es ist kein Geheimnis, dass die Filmförderung inden vergangenen Jahren in unruhige Gewässer geratenist. Immer noch ist das sichere Ufer nicht erreicht;denn wir warten auf das ausstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichtszur Kinoklage. Davon hängtnichts weniger als die Zukunft der FFA ab. Egal wieder Richterspruch ausfällt, dann wird ein Neuanfangnötig sein; denn unübersehbar hat die Solidarität inder Branche durch die jahrelangen Klagen und Vorbehaltegelitten. Viel Unzufriedenheit hat sich aufgestaut.Wenn Karlsruhe gesprochen hat, werden wir dasFFG auf neue Füße stellen müssen. Deshalb ist es besonderswichtig, dass wir mit der siebten FFG-Novellediese Phase der Ungewissheit überbrücken und schonein paar Pflöcke für die Zeit nach dem Urteil einschlagen.Unter dieser Maßgabe kann der Vorschlag derBundesregierung, den wir heute beraten, nicht zufriedenstellen.Da wäre mehr möglich gewesen.Uneingeschränkt zu begrüßen ist es, dass künftigauch Video-on-Demand-Anbieter, die ihren Sitz imAusland haben, zur Abgabe herangezogen werdensollen. Das ist dringend erforderlich, um die Marktverzerrungenzuungunsten der deutschen Anbieterendlich zu korrigieren. Ich kann nur hoffen, dass dieVereinbarkeit mit der EU-Richtlinie über audiovisuelleMediendienste nicht in Zweifel gezogen wird. Dann istdie angedeutete Klagebereitschaft der betroffenen Unternehmengegenstandslos. Denn wir wollen doch demPrinzip, auf dem das FFG beruht, weiterhin Geltungverschaffen, wonach sich jeder an den Abgaben beteiligenmuss, der am deutschen Film verdient.Genau aus diesem Grund bleibt die Novelle in einementscheidenden Punkt hinter dem Erforderlichenzurück. Denn die rasanten technologischen Veränderungender vergangenen Jahre haben dazu geführt,dass sich neue Anbieter auf den Kommunikationsmärktenetabliert haben, national wie international.Dabei profitieren die großen Plattformen, die InternetundKabelzugangsanbieter direkt oder indirekt davon,dass sie deutsche Kinofilme durch ihre Netze leiten unddamit Umsatz machen. Deshalb lautet die Forderungmeiner Fraktion: Auch diese neuen Akteure müssenmit einer Abgabe für die Filmförderung in Deutschlandherangezogen werden.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28133Angelika Krüger-Leißner(A)(B)Frankreich ist da bereits deutlich weiter als wir undhat entsprechende Abgaben vorgesehen. Auch Portugalhat solche Pläne. Mir ist nicht entgangen, dassBrüssel die Notifizierung für Frankreich seit über einemJahr hinauszögert, weil die Wettbewerbskommissionihre schützende Hand über die Access-Providerhält. Dagegen hat die EFAD, die Vereinigung der europäischenFilmförderungseinrichtungen, darunter auchdie FFA, geschlossen Protest bei der Kommission eingelegt.Selbst wenn Brüssel noch kein grünes Licht gibt,halte ich es für erforderlich, dass man mit den ZugangsanbieternGespräche aufnimmt, die zumindesteinen freiwilligen Beitrag an die FFA zum Ziel haben.So haben wir es doch auch mit den Sendern gehalten.Inzwischen sind sie in die gesetzliche Abgabe einbezogen.Mit der letzten, der sogenannten kleinen FFG-Novelle, haben wir das beschlossen.In einem weiteren Punkt nutzt der vorliegende Gesetzentwurfnicht die Gelegenheit zu einer Verbesserung,die mir und meiner Fraktion besonders wichtigist: Immer wieder kommt es bei den Dreharbeiten zuVerstößen gegen soziale und tarifliche Standards. VorgeschriebeneRuhezeiten werden nicht eingehalten,Überstunden bleiben unbezahlt, und immer wiederwerden den Filmschaffenden Dumpinglöhne zugemutet.Wenn das da passiert, wo öffentlich gefördert wird,dann ist es unsere politische Verantwortung, dafür zusorgen, dass das abgestellt wird. Um es ganz klar zusagen: Bei öffentlich geförderten Produktionen müssendie sozialen Standards eingehalten werden.Schon bei der letzten großen FFG-Novelle habe ichmich für eine entsprechende Regelung eingesetzt. Dawaren wir in der Großen Koalition, und herausgekommenist ein Kompromiss, der in der Praxis nicht funktionierthat, wie wir heute wissen. Die Verstöße gab esnicht nur bei Low-Budget-, Nachwuchs- oder Kurzfilmproduktionen,wie immer wieder angenommenwird. Deshalb müssen wir bei der laufenden Novellenachlegen. Beim FFG ist das allerdings gar nicht soeinfach. Hier werden auch deutsche Koproduktionenmit internationaler Beteiligung gefördert. Das EU-Recht – genauer gesagt: die Entsenderichtlinie und diezu erwartende neue Kinomitteilung – verbietet, dassnationale Standards auch für ausländische Produzentenverbindlich gemacht werden. Ich bin in Gesprächen,einen Weg zu finden, bei dem zwar keine Sanktionengreifen, der aber doch für eine große Transparenzsorgen könnte und damit den Druck auf das Einhaltenvon Standards deutlich erhöht. Wir werden einen entsprechendenÄnderungsantrag einbringen.Änderungen halten wir auch im Bereich des Filmerbesfür erforderlich. Das FFG ist ein zentrales Instrument,um auch die Branche stärker für den Erhaltunseres Filmbestandes zu motivieren. Der Gesetzentwurfsieht auch eine Beteiligung der Branche an derDigitalisierung des alten Filmerbes vor; das ist gut,reicht aber nicht aus. Denn ungelöst bleibt weiter dieFrage der Langzeitsicherung der geförderten und zuhinterlegenden Gegenwartsproduktionen. Das mussgemeinsam mit der Branche geleistet werden. Deshalbmuss die Sicherung geförderter Filme in den Förderrichtlinienvon Anfang an mitgedacht werden.Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang:Die nachhaltige Bewahrung der gefördertenFilme setzt voraus, dass nicht nur, wie bisher, eine archivfähigeKopie hinterlegt wird, sondern gesichertwerden muss auch das digitale Master, das alle Datender Produktion ohne Abstriche umfasst; natürlich erstnach einer gewissen Auswertungsfrist.Eine eher technische Änderung am Gesetzentwurfhalten wir für geboten, was die vorgesehene Laufzeitder Novelle betrifft. Nach jetzigem Stand soll das Gesetzstatt der üblichen fünf Jahre nur zweieinhalbJahre gelten; das hängt mit dem ausstehenden Urteildes Bundesverfassungsgerichts zusammen. Das ist fürdie Antragsteller aus der Branche abrechnungstechnischäußerst ungünstig, weil hier mit Jahresabschlüssenoperiert wird. Die Beantragung von Fördermittelnwürde also unnötig kompliziert gemacht. Wir empfehlenalso dringend, die Laufzeit auf zwei oder drei Jahrefestzulegen.Auch mit der Kinoförderung werden wir uns imZusammenhang mit der Novelle noch einmal beschäftigenmüssen. Hintergrund ist das aktuelle Urteil desVerwaltungsgerichts Berlin, das erfreulicherweiseunsere Digitalisierungsförderung für die Kriterienkinosbestätigt hat. Allerdings hat es zugleich dieKinoförderung nach § 56 FFG auch für die digitaleZweitausstattung geöffnet. Das werden wir uns nocheinmal genau anschauen und gegebenenfalls bei derNovellierung mit berücksichtigen.Wir sehen: In der Novelle steckt noch ein ganzesStück Arbeit. Der vorliegende Gesetzentwurf enthältviele sinnvolle Ansätze. Da sind vor allem zu nennen:die Verpflichtung der geförderten Produzenten undVerleiher, barrierefreie Fassungen der gefördertenProduktionen bereitzustellen, also Filme mit Untertitelungenfür hörgeschädigte und mit Audiodeskriptionfür sehbehinderte Mitmenschen zu versehen.Ausdrücklich zu begrüßen ist die verbesserte Förderungvon Kinderfilmen, die auf originären Stoffen beruhen.In anderen Punkten muss allerdings noch nachgelegtwerden; ich habe das oben ausgeführt.Wir werden unseren Beitrag dazu leisten und hoffen,am Ende im Interesse der Filmförderung in Deutschlandwieder zu einer einvernehmlichen Novellierungunseres Filmförderungsgesetzes zu kommen.(C)(D)Dr. Claudia Winterstein (FDP):Die 63. Berlinale war wieder einmal ein überwältigenderErfolg für das Publikumsfestival. Die langenSchlangen vor den Kinokassen belegten erneut, dassdie Internationalen Filmfestspiele Berlin nach wie vordas Publikum begeistern. Mit etwa 300 000 verkauftenEintrittskarten wurde eine neue Rekordmarke aufgestellt;ganz Berlin war zehn Tage regelrecht imZu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28134 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Claudia Winterstein(A)Kinorausch. Das Drama „Child’s Pose“ von CalinPeter Netzer erhielt zu Recht den Goldenen Bären fürden besten Film. Auch der deutsche Film war wiederzahlreich und mit herausragenden Produktionen aufdem Festival vertreten.Wir können insgesamt auf ein erfolgreiches Kinojahr2012 zurückblicken. Die Kinos haben mit über1 Milliarde Euro Umsatz die höchsten Einnahmen ihrerGeschichte erzielt; so die Zahlen der Filmförderungsanstalt,FFA, die kurz vor der Berlinale veröffentlichtwurden. Nach Aussagen der FFA hat die vonBund und Ländern getragene Digitalisierungsförderungder Kriterienkinos zu diesem Erfolg beigetragen.Aktuell hat die FFA 1 000 Anträge auf Digitalisierungsförderungmit einem Gesamtvolumen von 10 MillionenEuro bewilligt.Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurfeines Siebten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzeshat das Ziel, die Leistungsfähigkeit unddie Strukturen der deutschen Filmwirtschaft weiter zuverbessern und das Gesetz den neuesten technischenund wirtschaftlichen Entwicklungen anzupassen. Wirwerden die Erhebung der Filmabgabe zunächst einmalauf zweieinhalb Jahre befristen und nicht wie bei vorhergehendenVerlängerungen auf fünf Jahre. Damittragen wir den sich durch den technischen Wandel abzeichnendenhochdynamischen MarktveränderungenRechnung. Eine zeitnahe Evaluation in eineinhalbJahren wird nötig werden und, sofern die Überprüfungdies ergeben sollte, gegebenenfalls eine Anpassungdes Abgabensystems bei der nächsten Novelle notwendigmachen.Ein ganz wichtiger Punkt im vorliegenden Gesetzentwurfist für die Koalition, aber auch fraktionsübergreifenddie bessere Teilhabe behinderter Menschenan den geförderten Filmen. Circa 1,2 Millionen blindeund sehbehinderte Menschen sowie weitere Millionengehörlose, schwerhörige und ertaubte Menschen inDeutschland können das Filmerlebnis nur eingeschränkterleben, da das Angebot von barrierefreienFilmen in Deutschland bisher leider sehr gering ist.Aus Art. 30 der UN-Behindertenrechtskonventionergibt sich, dass Kunst und Kultur sich ohne Abstricheauch für Menschen mit Behinderungen erschließenlassen müssen. Das schließt den Film mit ein. So ist esnur folgerichtig, dass in den Katalog der zwingendenFördervoraussetzungen durch § 15 Abs. 1 Ziffer 7 dieAnfertigung einer barrierefreien Fassung – Audiodeskriptionund mit deutschen Untertiteln – aufgenommenwurde. Positiv ist auch zu bewerten, dass Kinomodernisierungsmaßnahmen,die der Herstellung vonBarrierefreiheit dienen, zukünftig als Zuschüsse undnicht als Darlehen vergeben werden.Zu begrüßen ist auch, dass der fraktionsübergreifendeWunsch nach der neuen Aufgabenfestschreibungder FFA hinsichtlich des Filmerbes im Gesetzentwurffestgeschrieben ist. Es ist gut, dass Maßnahmen zurDigitalisierung und zur Zugänglichmachung des deutschenFilmerbes als neue Kernaufgabe der FFA in denKatalog aufgenommen wurden, und zwar in § 2 Abs. 1Ziffer 3. Bereits im Jahr 2012 förderte die FFA dieDigitalisierung des Filmerbes mit 1 Million Euro imJahr.Auch die neuen Regelungen zum Kinderfilm in § 32Abs. 1 FFG passen gut zu den Forderungen der Koalitionsfraktionen,wonach im Rahmen der Projektfilmförderungauch Kinderfilmprojekte, die auf Originalstoffenberuhen, in angemessenem Umfang gefördertwerden sollten.Des Weiteren erachten wir eine Flexibilisierung derSperrfristen für die Video-on-Demand-Auswertung,die mit den Sperrfristen für die Verwertung auf DVDgleichgesetzt wurde, als äußerst positiv. Wichtig istaber, dass an der Exklusivität der Kinoauswertungfestgehalten wurde und beide Produkte erst sechsMonate nach der Erstaufführung im Kino herausgebrachtwerden dürfen.Im Ausschuss zu diskutieren ist gegebenenfalls nochüber die angebrachten Kritikpunkte bei einigenGremienänderungen. Zudem sollte, entsprechend demAntrag der Koalition mit dem Titel „Originäre Kinderfilmeaus Deutschland stärker fördern“ auf Drucksache17/12381, eine Verlängerung des Zeitraums zurErreichung von 25 000 Zuschauern von zwei auf dreiJahre in der Referenzfilmförderung in § 23 Abs. 1 FFGgeprüft werden.Wir freuen uns auf die gemeinsame Beratung imAusschuss und nehmen die Kritikpunkte der Kollegenaus den anderen Fraktionen zur Kenntnis. Lassen Sieuns all dies in einer Anhörung erörtern.(C)(B)Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE):Der Entwurf des Siebten Gesetzes zur Änderung desFilmförderungsgesetzes, FFG, wirft einige Fragen auf,die für die Fraktion Die Linke ungeklärt sind. Eshandelt sich dabei durchweg um Punkte, die von derKoalition entweder gar nicht mehr oder in merkwürdiggeringschätzender Weise berücksichtigt werden. Filmförderungheißt ja nicht in erster Linie Marktförderung,sondern ohne Wenn und Aber Kulturförderung,die nun einmal als gesamtgesellschaftliche Maßgabeauch gesamtgesellschaftlichen Erfordernissen entsprechenmuss. Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzentwurfnicht hinreichend durchdacht oder offensichtlichbewusst fahrlässig konzipiert. Konkret geht es unsdabei um Folgendes:In den Aufgaben der Filmförderungsanstalt, FFA,findet sich unter § 2 Abs. 1, 2, 5 und 6 – Förderung,Strukturverbesserung, gesamtwirtschaftliche Belangesowie internationale Zusammenarbeit und Kooperationmit Rundfunkanstalten – keine angemesseneBerücksichtigung der Beschäftigungssituation vonKreativschaffenden in der Filmbranche. Hier bestehtdie Linke, im Übrigen im Einklang mit der VereintenDienstleistungsgewerkschaft Verdi und weiteren Interessenverbändender Beschäftigten, auf zusätzlichen(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28135Kathrin Senger-Schäfer(A)(B)Vereinbarungen im Rahmen des FFG, um eine signifikanteVerbesserung der Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.In der Antwort der Bundesregierung auf die Befragungzur Novellierung des FFG nach dem Kabinettsbeschlussführte der BKM, Staatsminister Neumann,hier im Plenum am 7. November 2012 mir gegenüberaus, dass meine Fraktion dahin gehend auf das falscheGesetz abzielen würde. Das sehen wir definitiv anders.Das FFG als Steuerungsinstrument zur Förderung derFilmkultur in Deutschland kann nicht von denjenigenabsehen, die überhaupt erst mit ihren Ideen, Fähigkeitenund professionellen Fertigkeiten das ProduktFilm erzeugen, das dann der Verwertung zugeführtwird, um für Produzenten und Filmverleiher Gewinneabzuwerfen.Seit Jahren wird in der Öffentlichkeit über dieschlechte Bezahlung der Kreativen im Film- und Fernsehbereichdebattiert. Auch, dass etwas Nachhaltigesfür sie getan werden muss, ist eigentlich Konsens.Wenn dann aber, wie jetzt, die konkrete legislativeUmsetzung ansteht, bleiben die Beschäftigten wiederauf der Strecke. Das ist für die Linke untragbar und bedarfeiner sofortigen Neujustierung im FFG.Das Gleiche gilt für den Wegfall der Förderung derfilmberuflichen Weiterbildung, die in früheren Fassungendes FFG unter § 59 immerhin als strukturelleEinzelregelung erkennbar war. Im Gesetzentwurf derBundesregierung wird lapidar die Aufhebung des Paragrafenverfügt. Der BKM begründete die Streichungbereits am 29. Juni 2012 nach der Vorstellung desReferentenentwurfes damit, „dass die Förderung derWeiterbildung mit Blick auf die Kernaufgaben der FFAvergleichsweise wenig Wirkung zeigt, insbesonderewegen der starken Zersplitterung der für diesen Förderzweckzur Verfügung stehenden Mittel“, vergleicheBegründung BKM-Referentenentwurf FFG 2014,29. Juni 2012, Seite 24. Diese Begründung ist schwereinzusehen. Die Kernaufgaben der FFA bestehen dochnach § 2 FFG unter anderem in der Förderung desdeutschen Films als Kulturgut und in derUnterstützung der gesamtwirtschaftlichen Belange desFilms, wobei unter die gesamtwirtschaftlichen Belangeeben auch im Normalfall die Verpflichtung zumAngebot filmberuflicher Weiterbildungsmaßnahmengefasst werden muss. Wir von der Linken sind jedenfallsdavon überzeugt, dass die Weiterbildung Bestandteilder Filmförderung sein sollte, und halten daher dieersatzlose Streichung von § 59 für ein völlig falschesSignal.Das FFG ist darüber hinaus in Bezug auf dieDigitalisierung des Filmerbes deutlich zu stärken undviel präziser auszurichten. Eine bloße Aufnahme diesesTitels in den Aufgabenkatalog der FFA wird nichtgenügen. Ebenso hat der Koalitionsantrag zum Thema„Originäre Kinderfilme“ aufgezeigt, dass in den§§ 15, 23 und 53 FFG auf diesem Spezialfeld Nachbesserungendurchzuführen sind. Ich habe an andererStelle in Reden zu beiden Themen für meine Fraktiondas Nötige gesagt und weise hier erneut auf unsereplausiblen Finanzierungsvorschläge hin.Letzten Endes wartet der Gesetzentwurf noch mit einererstaunlichen Regelung auf: Der § 75 Abs. 1 legtdas Auslaufen der jetzigen Novellierung des FFG aufden 30. Juni 2016 fest. Das bedeutet eine Verkürzungder Gültigkeitsdauer um die Hälfte von fünf auf zweieinhalbJahre. Zusätzlich dazu soll spätestens bis zum30. Juni 2015 ein Evaluierungsbericht zur Entwicklungdes Abgabeaufkommens erarbeitet und veröffentlichtwerden. Zur Begründung führt die Bundesregierungan, dass die Halbierung der Befristung sichabzeichnenden Marktveränderungen geschuldet ist,die vor allem durch den technischen Wandel bedingtsind und die gegebenenfalls eine Anpassung des Abgabesystemserforderlich machen. Auch die Folgen derneuen Rundfunkgebühr könnten danach Änderungenan den Abgabemaßstäben hervorrufen.Ich finde, dass diese Begründungszusammenhängenicht überzeugend sind. Wenn man die beschriebenenmöglichen Effekte bereits ahnt oder sogar voraussieht,dann hätte sich ihre Berücksichtigung doch im Gesetzentwurfselbst niederschlagen können. Evaluierungensind ja gut und schön, sofern sie mit einer bestimmtenZielvorgabe ausgestattet werden. Hier jedoch wirdhöchst vage auf einen technischen Wandel zurückgegriffen,der sich sowieso abspielt und der für micheher als Ausrede erscheint, damit allein die Verwertungsmodalitätenin einem kürzeren Zeitabschnitt verfeinertwerden können.Verräterisch wirkt der Hinweis auf die Folgen derHaushaltsabgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.Offensichtlich ist sich die Koalition bewusst,dass die Rundfunkgebühr in ihrer derzeitigen Formunter Umständen keine positiven Rückkopplungen aufdie Filmwirtschaft haben wird. Die Verkürzung desGeltungszeitraums ist aber unseres Erachtens auchganz allgemein problematisch, weil Planungsunsicherheitenentstehen und der Novellierungsprozess unverhältnismäßigdie verknappte Geltungsdauer überlagert.Ohne substanzielle Änderungen ist daher der vorgelegteEntwurf des FFG für die Linke nicht zustimmungswürdig.Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):Die Filmförderung des Bundes ist ein unverzichtbaresElement in der deutschen Filmförderlandschaft.Bei allem Reformbedarf im Detail steht diese Filmförderungfür uns Grüne nicht zur Disposition. Und ichmöchte sehr betonen, dass wir hier in engem Schulterschlussmit den anderen Fraktionen des Hauses stehen– und auch mit den Ländern. Wir werden die Filmförderungdes Bundes nicht kaputtmachen lassen, auchvon einer Klagewelle nicht, die von großen Kinokettenlosgetreten wurde. Dazu ist dieses Förderinstrumentzu wichtig: als Faktor in einem Wirtschaftsbereich, dervon besonderen Herausforderungen und Risiken ge-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28136 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Claudia Roth (Augsburg)(A)(B)prägt ist und eine große Bedeutung für die kulturelleIdentitätsbildung und die ästhetische Kommunikationhat.Wir sind für eine starke Filmförderung des Bundesund für eine Novellierung des FFG, die die Stellschraubenin Richtung Qualität und Nachhaltigkeitdreht. Und das heißt vor allem die Weiterentwicklungder eigenen Handschrift – für eine Unterscheidbarkeitdes deutschen und europäischen Kinos in der internationalenFilm- und Kinowelt.Deswegen stellen wir Qualitätsfragen nach vorne.Wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch wollen wirhochwertige Produkte, Filme, die anspruchsvollenMaßstäben genügen. Hier liegt die Zukunft und nichtin einer Nivellierung des Angebots. Hohe künstlerischeund kulturelle Maßstäbe sind eine entscheidendeGrundlage für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolgdes deutschen und europäischen Films.Deswegen halten wir die Absenkung der möglichenReferenzpunkte für Filme, die mit Auszeichnungen versehenwurden, für problematisch. Denn hiermit werden„Exzellenz“-Kriterien abgesenkt, was auch mit Blickauf den zuletzt schweren Stand deutscher Filme beigroßen internationalen Filmfestivals falsche Anreizeschafft.Problematisch ist auch, dass die von uns Grünen zusammenmit vielen Kreativen im Filmbereich geforderteBeteiligung der Kreativen an der Referenzfilmförderungnicht berücksichtigt wird. Eine solcheEinbeziehung wäre wichtig, gerade um erfolgreicheDrehbuchautoren und Regisseure langfristig an denKinofilm zu binden und ihre Abwanderung in Bereiche,die kontinuierlichere Verdienstmöglichkeiten bieten,zu verhindern.Ein Problem sehen wir auch in der Sperrfristverkürzungfür die Fernsehauswertung von gefördertenFilmen von zwölf auf sechs Monate. Damit wird dieAnzahl von sogenannten Amphibienproduktionen nochvergrößert. Mittel aus dem Bereich der Filmförderungwerden noch stärker in den Bereich von Fernsehproduktionenabfließen.Der Wegfall der Förderungshilfen für die Fortentwicklungvon Drehbüchern und auch von Fördermaßnahmenzur Weiterbildung sowie für Forschung, Rationalisierungund Innovation sollte noch einmalüberdacht werden, auch wenn die Nachfrage nach denentsprechenden Förderungen teilweise nicht ausreichendwar. Angesichts der Qualitätsanforderungenund der großen Umbrüche im Filmbereich werden geradediese Bereiche immer wichtiger.Wir sollten darüber nachdenken, wie diese Mittelsinnvoll für die vorgesehenen Zwecke eingesetzt werdenkönnen. Bei der Drehbuchförderung sollten dieKreativen die Möglichkeit erhalten, ihre Projekteselbstständig bei der FFA einzureichen. Auch interneVeränderungen in der FFA sind sinnvoll, etwa verstärkteKompetenzen der Unterkommission „Drehbuch“bei der Drehbuchfortentwicklung.Wir begrüßen, dass die Novelle Maßnahmen zurFörderung der Digitalisierung und der Zugänglichmachungdes Filmerbes beinhaltet. Auch das ist überfällig.Mit dem Antrag „Umfassende Initiative zurDigitalisierung des Filmerbes starten“, Bundestagsdrucksache17/8353, hat die grüne Fraktion ja eindringlichauf die Bedeutung des Themas hingewiesen.Während der Beratungen des Kultur- und Medienausschussesdes Bundestags zum Thema im Dezember 2012,Bundestagsdrucksache 17/11933, zeigte sich, dass dieVorstellungen der Bundesregierung hier immer nochviel zu vage und unkonkret sind.Wir brauchen eine breite Digitalisierungsinitiative,die alle Gruppen und Akteure in die Verantwortungeinbezieht – „Runder Tisch“ –, so wie das etwa in denNiederlanden mit Erfolg geschehen ist. Die FFA musshierzu einen Beitrag leisten. Nötig sind schlüssigeKonzepte und ausreichende Finanzmittel, damit wirrasch vorankommen und nicht weiter hinter Nachbarländerzurückfallen.Wir begrüßen, dass nun auch eine Vertreterin bzw.ein Vertreter der Kreativen Mitglied im Präsidium derFFA sein soll. Auch das ist eine alte Forderung von unsGrünen. Diese positive Entwicklung wird allerdingsdurch die Streichung eines Sitzes der Kreativen in derVergabekommission wieder konterkariert, wobei dieAG „Kurzfilm“ ganz aus der Vergabekommission herausfallensoll. Das kritisieren wir.Auch die Übernahme des Vorsitzes der Vergabekommissiondurch den FFA-Vorstand erscheint unsfragwürdig, weil in dieser Kommission doch eher diefilmpraktischen Kompetenzen im Mittelpunkt stehensollen. Bei der Besetzung des Verwaltungsrates fordernwir eine Berücksichtigung aller Fraktionen desBundestages, was über grundständige Mandate oderzumindest sprechberechtigte Stellvertreterinnen undStellvertreter erreicht werden kann.Wir begrüßen schließlich, dass Audiodeskriptionenfür Menschen mit Sehbehinderungen und Untertitelungenfür Menschen mit Hörschäden nun verpflichtendwerden. Das ist ein großer Erfolg auch für unseregrüne Initiative zum barrierefreien Film, Bundestagsdrucksache17/8355, und die Initiative der filmpolitischenSprecherinnen und Sprecher aller Fraktionen,die in einem gemeinsamen Brief auf das Problem aufmerksamgemacht haben. Ebenso begrüßen wir dieVerbesserungen bei der Herstellung von Barrierefreiheitvon Kinos im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen.Die Ausnahmeregelungen zu den nun vorgesehenenRegelungen dürfen allerdings zu keinerAufweichung bei den angestrebten Verbesserungenführen.Ein Problembereich der Filmförderung sind die„originären“ Kinderfilme, also Filme, die sich auf unsereLebenswirklichkeit beziehen und dabei nicht nurKinoadaptionen von bekannten Kinderbüchern oderMärchenstoffen sind. Nur 4 der über 30 FFA-gefördertenKinderfilme in den letzten drei Jahren waren indieser Weise „originär“. Ein Antrag der Koalition hat(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28137Claudia Roth (Augsburg)(A)(B)gerade auf diesen Missstand hingewiesen, Bundestagsdrucksache17/12381. Die dort vorgeschlagenenProblemlösungen sind jedoch sehr inkonsequent.In der FFG-Novelle könnte für den Kinderfilm einigesgetan werden, wenn zum Beispiel auf die in § 23beabsichtigte Verschlechterung bei den Aufstockungsmöglichkeitenfür Referenzpunkte verzichtet wird.Denn diese Absenkung dürfte sich gerade für originäreKinderfilme negativ auswirken.Besonders wichtig ist es, beim § 15 FFG, den allgemeinenFörderungsvoraussetzungen, anzusetzen. Inder FFG-Novelle der Regierung taucht hier jedochkeine Verbesserung für den Kinderfilm auf. Eine bloßeKlarstellung in § 32, wonach auch „Kinderfilmprojekte,die auf Originalstoffen beruhen“, angemessenim Rahmen der Projektfilmförderung berücksichtigtwerden sollen, ist viel zu unbestimmt.Was uns in der FFG-Novelle ganz fehlt, sind Ansätzezur Ökologisierung der Filmproduktion, „GreenFilm“. Eine klimafreundlichere Filmproduktion mitdeutlich abgesenkten CO 2 -Emmissionen ist möglich.In verschiedenen Staaten haben sich Initiativen zu diesemThema gebildet; Firmen bieten ihre Dienstleistungenan. Auch Landesfilmförderanstalten sind hierschon aktiv, zum Beispiel die FFHSH in Hamburg undSchleswig-Holstein. Die geplante Novelle des FFGversäumt es, Anreize zu schaffen, um die nötige Ökologisierungder Filmproduktion voranzutreiben.Insgesamt sehen wir einige gute Ansätze in derFFG-Novelle, aber auch eine Reihe von Problemen.Ich fände es gut, wenn wir in den parlamentarischenBeratungen gemeinsame Lösungen erarbeiten könnten.Wir Grünen sind jedenfalls bereit, starke gemeinsameSignale für die Filmförderung des Bundes auszusenden.Vizepräsidentin Petra Pau:Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfsauf Drucksache 17/12370 an die in der Tagesordnungaufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Auchdazu gibt es offensichtlich keine anderweitigen Vorschläge.Dann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten BettinaHerlitzius, Daniela Wagner, Oliver Krischer, weitererAbgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENEnergetische Quartierssanierung sozialgerechtvoranbringen– Drucksache 17/11205 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)InnenausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAuch hier nehmen wir die Reden zu <strong>Protokoll</strong>.Daniela Ludwig (CDU/CSU):Energetische Gebäudesanierung, hier auch Quartierssanierunggenannt, ist uns allen ein großes Anliegen.Es ist aber scheinbar nicht groß genug, als dasssich die Länder im Vermittlungsausschuss mit uns hätteneinigen wollen. Dass wir immer noch kein Gesetz zurFörderung der energetischen Gebäudesanierung haben,liegt nicht am Bund, sondern eindeutig an den SPDregiertenLändern, die sich querstellen.Doch das ändert leider nichts an den Tatsachen. DerEnergieverbrauch in unseren Städten ist hoch. Das Einsparpotenzialin unseren Häusern und Wohnungen isthoch; der Sanierungsbedarf und die Kosten sind esebenfalls. Sie fordern von der Bundesregierung, einesozial gerechte energetische Quartierssanierung alsneuen Förderschwerpunkt mit soliden Finanzmitteln fürdie Kommunen, eine verstetigte Städtebauförderung unterstärkerer Berücksichtigung des Klimaschutzes undstärkere Nutzung von EU-Fördermitteln für diesen Bereich.Das sind gute Ideen. Die hatten auch wir. Deshalbmachen wir ja all das auch schon.Fangen wir doch einmal bei einer grundlegenden Sachean: Wie soll man einen Hauseigentümer oder Vermieter,seien es Private oder Kommunen, dazu bewegen,in die energieeffiziente Sanierung ihrer Gebäude zu investieren,also Ausgaben zu tätigen, wenn sie diese nichtbeispielsweise über die Miete wieder „reinholen“ können?Da kann man nicht nur an den guten Willen, diegute Tat für die Umwelt und die Energiewende appellieren.Dazu gehört mehr, und das machen wir auch.Eine steuerliche Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen,zusätzlich zu den Programmen derKfW-Bankengruppe, hätte insbesondere für selbstnutzende Eigentümer und für private Vermieter ein entscheidenderAnreiz sein können, die energetische Sanierungihrer Gebäude in Angriff zu nehmen. Aber derBund konnte, wie eingangs schon gesagt, hier nicht aufdie Mitwirkung der Länder zählen. Eine warmmietenneutraleSanierung wird also schwierig.Insgesamt kommt es nicht nur darauf an, dass hierund da ein Eigentümer ein Haus energetisch saniert.Deshalb stehen wir auch städteplanerisch vor großenHerausforderungen. Es sind die Städte und Kommunengefragt, entsprechende Schritte einzuleiten bzw. erfolgreichbegonnene fortzuführen. Es geht dabei auch nichtnur um Bestandsimmobilien, sondern auch um die künftigesoziale Wohnraumförderung. Erst in dieser Wochehat Minister Ramsauer angekündigt, dass, wenn es nachihm ginge, die Bundesmittel auch 2014 wieder bei518 Millionen Euro festgelegt werden sollten, unter derBedingung, dass die Länder diese Mittel zweckgebundeneinsetzen. Unsere jetzt schon vorhandenen zahlreichenFördermittel dienen ganz klar dazu, genau diese Anreizezu setzen und dabei die Belastungen der Eigentümer,Nutzer und Mieter möglichst gering zu halten.Wir unterstützen die Kommunen dabei, die Quartierssanierungauf eine solide finanzielle und organisatorischeBasis zu stellen. Dazu hat das Bundesministerium(C)(D)


28138 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Daniela Ludwig(A)(B)für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ihnen zahlreicheArbeitshilfen gegeben, zum Beispiel den „Handlungsleitfadenzur Energetischen Stadterneuerung“, der bereitsseit 2011 für die Kommunen eine gute Informationsbasisfür Energieeinsparmaßnahmen auf allenGebieten darstellt und erfolgreich angewandt wird. Esist außerdem bekannt, dass im Rahmen des Forschungsprojekts„Anforderungen an energieeffiziente und klimaneutraleQuartiere“ des Experimentellen WohnungsundStädtebaus die Erkenntnisse aus diesem Leitfadenfür die Quartiersebene stetig verfolgt, ausgewertet undverfeinert werden.Zu den jetzt schon sehr effizienten und erfolgreichenFördermaßnahmen, die vom Bund aufgesetzt wurden,zählen zum Beispiel das bewährte CO 2 -Gebäudesanierungsprogramm,die Vor-Ort-Energieberatung, dasMarktanreizprogramm sowie das KfW-Programm„Energetische Stadtsanierung“. Es ist nämlich nicht nurwichtig, das Haus von außen zu dämmen, was momentanals einfachste Methode des Energieeinsparens angesehenwird. Es gibt ja noch viel mehr.Die Vor-Ort-Energieberatung, gefördert durch dasBundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, zielt aufdie Energieberatung für Wohnimmobilien ab. DemImmobilieneigentümer werden energetische Schwachstellenseines Objektes aufgezeigt, und es werden entsprechendpassgenaue effiziente Modernisierungsmaßnahmenkonzipiert, deren Wirtschaftlichkeit mittelseiner Nutzen-Kosten-Analyse geprüft werden. Der Beratungsberichtder Vor-Ort-Energieberatung wird von derKfW-Bank als Nachweis für die Beantragung eines KfW-Kredits „Energieeffizient sanieren“ akzeptiert, und soführt dann eines zum anderen.Viele der Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag aufzählen,sind also von uns schon in bestehendes Rechtumgesetzt worden bzw. sind Teil des Energiekonzepts derBundesregierung. Wir stehen ja nicht still. Es werdenimmer wieder bestehende Programme überprüft undverbessert, neue Programme ersonnen und neue Wegeermittelt, wie der Bund gemeinsam mit den Ländernoder diese unterstützend die Bezahlbarkeit von Energieund die Bezahlbarkeit von Wohnraum sichern kann.Wir alle können nicht leugnen: Wird energetisch saniert,so profitiert der Vermieter, weil seine Immobilie anWert gewinnt. Gleichzeitig profitiert auch der Mieter:von sinkenden Nebenkosten und von einer Verbesserungder allgemeinen Wohnqualität. Aus diesem Grund hatder Mieter energetische Modernisierungsmaßnahmenauch zu dulden, sofern diese keine unbillige, nicht zurechtfertigende Härte für ihn oder einen Angehörigenseines Haushalts darstellen. Es kann auch nicht immersein, dass es sich überhaupt nicht auf die Mietkostenauswirkt; aber das muss sozialverträglich sein. Dastimme ich Ihnen zu.Wir schützen Mieter weiterhin vor unberechtigtenMieterhöhungen. Dies geschieht dadurch, dass nach§ 559 Abs. 4 BGB-E eine Mieterhöhung ausgeschlossenwird, soweit sie auch unter Berücksichtigung der voraussichtlichenkünftigen Betriebskosten für den Mietereine nicht gerechtfertigte Härte darstellt. Benötigt einMieter dennoch Unterstützung bei der Mietzahlung, sobesteht wie bisher die Möglichkeit, Wohngeld zu beantragen.Diese staatliche Hilfe sowie die Übernahme derKosten der Unterkunft im Rahmen der Grundsicherungfedert im Rahmen der Höchstbeträge bei Menschen mitgeringem Einkommen zum Beispiel Mieterhöhungen ab,die nach Modernisierungen entstehen können und die finanzielleBelastbarkeit des Mieters übersteigen.Bund, Länder und Kommunen wenden erheblicheHaushaltsmittel dafür auf, dass sich einkommensschwacheHaushalte angemessenes Wohnen zu tragbaren Bedingungenleisten können. Da ist der Bund im Jahr mit17 Milliarden Euro in der Pflicht, die soziale Wohnraumförderungder Länder mit 1 Milliarde Euro. Einesdürfen wir bei dieser Diskussion auch nicht vergessen:die Pflichten der Länder. Mit der Änderung des Grundgesetzesim Rahmen der Föderalismusreform I sindZuständigkeiten im Wohnungswesen, etwa die für die sozialeWohnraumförderung, vom Bund auf die Länderübertragen worden. Dies geschah aus dem einfachenGrund, dass angesichts zunehmend differenziertererWohnungsmärkte vor Ort am besten über die sachgerechtenMaßnahmen entschieden werden kann.Der Bund hat daher weder die Möglichkeit, auf dieStärkung der öffentlichen Wohnungswirtschaft durch dieLänder einzuwirken, noch kann er diese zum Erlass vonWohnraumschutzgesetzen veranlassen. Wir können lediglichHilfestellungen geben, die zum Teil gerne angenommenwerden. Die Einflussmöglichkeit des Bundes istauch beim Einsatz der sogenannten EFRE-Mittel fürZwecke der Energieeffizienz im Wohnungsbestand begrenzt.Inwieweit also diese Mittel zulasten von Strukturförderungsmaßnahmenumverteilt werden, liegt alleinbei den Ländern.Ich meine, die Ansätze der Bundesregierung und derRegierungskoalition sind überzeugend, vielseitig und erfolgreich.In diesem Sinne wollen wir fortfahren.Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU):Die christlich-liberale Koalition hat Klimaschutz,Energiewende und Effizienzsteigerung zu zentralenPunkten der politischen Agenda gemacht. Dabeihaben wir stets die wirtschaftlichen und die sozialenAspekte einfließen lassen. Deshalb haben wir dasProgramm „Energetische Stadtsanierung – energieeffizientekommunale Versorgung“ gestartet. Es istverbunden mit dem Programm „IKK – EnergetischeStadtsanierung – Quartiersversorgung“. Wir eröffnendamit die Möglichkeit, gezielt ganze Gebiete energetischzu sanieren. Nicht das Einzelgebäude steht dabeiim Fokus, sondern ein ganzes Quartier.Die Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen forderneinen Energiesparfonds von 3 Milliarden Euro jährlich.Das klingt natürlich gut. Die Kollegen scheinenallerdings vergessen zu haben, dass es bei den Haushaltsverhandlungengroßer Anstrengungen bedurfte,um die Mittel, die wir bereits bereitstellen, auch(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28139Volkmar Vogel (Kleinsaara)(A)(B)weiterhin bereitzustellen. Ich frische aber gerne dieErinnerung weiter auf: Wir haben die energetischeSanierung fortgeschrieben. 1,5 Milliarden Euro stehenjährlich aus dem Energie- und Klimafonds für 2013und 2014 für die CO 2 -Gebäudesanierung zur Verfügung.Hieraus wird auch das bereits erwähnte Programmgespeist.Dieselben Grünen, die jetzt mehr Mittel fordern,waren es doch, die Sonderabschreibungen für dieenergetische Sanierung im Vermittlungsausschuss verhinderthaben. Das wäre ein guter Anreiz für Selbstnutzerund kleine Vermieter gewesen. Stattdessenmussten wir unter größten Mühen über acht Jahre diebestehenden Programme zur CO 2 -Gebäudesanierungum 300 Millionen Euro jährlich aufstocken.In ihrem Antrag wollen die Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen energetische Sanierungen mit sozialen Aspektenverbinden. Das leisten diese Programme bereits.Mit den erwähnten Programmen bezuschusst dieKfW-Bankengruppe die quartiersbezogene Wärmeversorgungsowie Investitionen in energieeffiziente Wasserver-und Abwasserentsorgung. Damit ermöglichenwir ein technologieoffenes Vorgehen. Wir legen nichtbestimmte Formen der Effizienzsteigerung oder derWärmeversorgung fest. Vielmehr soll mit den Akteurenvor Ort abgestimmt werden, was gemacht wird undsinnvoll ist. Somit eröffnen wir die Chance, stärker aufstandortspezifische Gegebenheiten und Bedürfnisseder Anwohner einzugehen, als dies starre Vorgabenleisten können.Dies ist die Aufgabe des Sanierungsmanagers. Dieserwird durch das erstgenannte Programm ebenso wieder Erstellungsprozess des Sanierungskonzepts finanziert.Der Sanierungsmanager soll vor Ort in denQuartieren die unterschiedlichen Akteure zusammenführen.Dabei entwerfen sie gemeinsam das Sanierungskonzept.Er führt hierfür Wohnungsunternehmen,private Vermieter und Selbstnutzer zusammen. Die Herangehensweise,mit der wir nicht nur einzelne Gebäudebetrachten, sondern ganze Quartiere, eröffnetneue Möglichkeiten und entspricht ganzheitlichenGrundsätzen.So sind beispielsweise Anlagen zur Nutzung vonErdwärme zur gebäudeübergreifenden Wärmeversorgungintegrierbar. Solche Zusammenschlüsse und aufeinanderabgestimmte Sanierungen führen zu einembesseren Kosten-Nutzen-Verhältnis.Die soziale Komponente vergessen wir nicht. WohnwirtschaftlicheKonzepte finden nämlich ebenso ihreBerücksichtigung in den jeweiligen Sanierungsplänen.Denn bei ihrer Erstellung sollen bereits vorhandeneQuartierskonzepte oder Milieuschutzgebiete nach§ 172 Baugesetzbuch Berücksichtigung finden. Dadurchsind die spezifischen Probleme einkommensschwacherGebiete bereits beachtet und finden somitEingang in das Sanierungskonzept. Wir wollen durchdie energetische Sanierung keine Verdrängungseffekteerzeugen. Ganz im Gegenteil, wir tun etwas für das sozialeGleichgewicht.Denn energetische Sanierung bedeutet die Erhöhungder Energieeffizienz. Die Erhöhung der Energieeffizienzist gleichzeitig gut für den Geldbeutel, denndie Nebenkosten sinken. Diese sind mittlerweile oftmalsin Größenordnungen einer zweiten Miete angewachsen.Soziale Aspekte sind für uns zentral. Diesäußert sich am eindrucksvollsten im Wirtschaftlichkeitsgebot.Aber das ist den Grünen offenbar nicht sowichtig. Energetische Sanierung geht nur dann sozialgerecht zu, wenn wir sie unter dem Aspekt derWirtschaftlichkeit betrachten. Eine nicht darstellbareWirtschaftlichkeit ist für Vermieter und Mieter gleichermaßenschlecht. Gezielte Anreize zu eigenverantwortlichemHandeln stehen für uns über unwirtschaftlicherZwangsbeglückung.In dem vorliegenden Antrag mahnen die Kollegenvon Bündnis 90/Die Grünen eine Verzahnung vonenergetischer Quartierssanierung mit anderen Bereichenwie altersgerechtem Umbauen an. Auch diespraktizieren wir bereits. Das von mir eben skizzierteProgramm ist nämlich mit anderen Förderungen koppelbar.Die KfW bietet auch in diesem Bereich entsprechendeProgramme.Der Sanierungsmanager führt die unterschiedlichenFaktoren zusammen und bringt sie in das Sanierungskonzeptein. Auch an Barrierefreiheit und Denkmalschutzdenken wir. Diese müssen bei der Erstellungdes Konzeptes einfließen.Sie sehen also, dass die christlich-liberale Koalitiondas Sinnvolle aus dem Forderungskatalog bereits umsetzt.Die vorhandenen Mittel sollen planvoll, gezieltund effizient eingesetzt werden. Dies machen wir. Diesozialen Aspekte werden berücksichtigt. Dies machenwir. Andere Programme und Aufgabenstellungen einervielfältigen Gesellschaft sollen einfließen. Dies machenwir.Der Antrag ist daher überflüssig, und deshalb lehnenwir ihn ab.Michael Groß (SPD):Die energetische Sanierung von Gebäuden ist einwichtiger Baustein zur Erreichung der europäischenund nationalen Energieeffizienzziele. Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben bereits frühzeitig festgestelltund thematisiert, dass neben der Sanierung einzelnerGebäude und Gebäudekomplexe dem ganzheitlichenAnsatz im Quartiersbezug stärker als bei früheren Maßnahmenund Programmen das Augenmerk gelten muss.Im Eckpunktepapier zur energetischen Gebäudesanierungder SPD-Bundestagsfraktion haben wir uns bereitsvor zwei Jahren mit den sozialen Aspekten derMaßnahmen intensiver beschäftigt. Erst jetzt – kurzvor der Wahl – entdeckt die Fraktion Bündnis 90/ DieGrünen die sozialen Aspekte von energetischen Sanierungen.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28140 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Michael Groß(A)(B)Bereits in anderen Plenardebatten habe ich mehrfachdarauf hingewiesen, dass sich die energetischeSanierung in der heutigen Form nicht rechnet – wederfür den Mieter und die Mieterinnen noch für den Vermieteroder die Vermieterinnen. Mit der Mietrechtsnovellehat die schwarz-gelbe Bundesregierung dieSanierungslasten noch einmal eindeutig in Richtungder Mietrinnen und Mieter geschoben. Bei ohnehin bereitsregional sehr hohen Mietbelastungen führt dieszur finanziellen Überforderung nicht nur von Geringverdienern,sondern auch Familien mit mittleren Einkommenkönnen sich qualitativ gute Wohnungen nichtmehr leisten. Die durchschnittlichen Bruttolöhne sindseit 2000 faktisch gesunken. Für die Wohngesamtkostenwerden heute zwischen 30 und 50 Prozent vom Haushaltseinkommenaufgezehrt.Dabei sind lebenswerte und sozial ausgeglicheneStädte die Grundlage für den sozialen Zusammenhaltunserer Gesellschaft. Bezahlbare und gute Wohnungensind ein grundlegendes Bedürfnis. Städte sind mehr alsStein und Beton. Lebenswerte Stadtquartiere zeichnensich durch nachbarschaftliches Miteinander, durch sozialeInfrastruktur, durch angenehmes Wohnumfeld,Angebote von Bildung, Kultur, Sicherheit und Integrationaus. In der jetzigen Politik steht dies nicht imMittelpunkt. Unter der jetzigen Bundesregierung verkümmertedie Stadtentwicklungspolitik; Städtebauförderungbesteht nur noch aus Investitionen und mussteden ressortübergreifenden und sozialen Weg verlassen.Energetische Sanierung wird zum rein investiven Maßnahmenpaket.Dabei gilt es einerseits den steigendenEnergiepreisen entgegenzuwirken, aber andererseitsden Wohnanforderungen unserer heutigen Zeit gerechtzu werden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat daherbeschlossen, die Städtebauförderung zu stärken undverlässlich zu finanzieren. Das Programm „SozialeStadt“ wird zusammen mit den Ländern und Kommunenzum Leitprogramm ausgestaltet. Die positive Wirkungdurch die ressortübergreifende Zusammenarbeitauf allen Ebenen machen den Erfolg der Programmeder sozialen Stadt aus. Die energetische Stadtsanierungmuss aus unserer Sicht in die Städtebauförderungintegriert werden und finanziell verstärkt werden. Esgilt neben dem energetischen Ansatz auch demografischeAspekte, regional extrem unterschiedliche Wohnungsmärkte,Barrierefreiheit sowie soziale Stadt- undQuartiersentwicklung unter einen Schirm zu bringen.Unsere Städte und Gemeinden leben durch und mit denMenschen und werden nicht alleinig durch Dämmdickenbestimmt. Wir als SPD haben fest beschlossen,die Kommunen zu stärken, sie nicht im Stich zu lassen.Dies bedeutet auch, sie bei den unterschiedlichenWegen und Stadtentwicklungskonzepten mit den geeignetstenMaßnahmen zu unterstützen und unter anderemauch die Kommunen in Haushaltsnotlage in dieLage zu versetzen, an den Bund-Länder-Programmender Städtebauförderung mithilfe eines Eigenanteilfondsteilzuhaben.Quartierssanierung wird niemals nur energetischstattfinden. Die energetische Quartierssanierung bleibttrotzdem ein grundlegender Baustein für bezahlbarenWohnraum. Hier gilt es dezentrale Strukturen für Energiegewinnung,-speicherung und -nutzung zu schaffen.Ich möchte hier ausdrücklich auch noch auf die heuteMorgen in der Plenardebatte diskutierten Anträge„Bezahlbare Mieten in Deutschland“ und „BezahlbaresWohnen in der sozialen Stadt“ verweisen.Jeder muss im Quartier motiviert werden, im Rahmenseiner Möglichkeiten einen Beitrag zur Energieeinsparungbeizutragen – wirtschaftlich sinnvoll undsozial gerecht.Petra Müller (Aachen) (FDP):Mit dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen scheintnun ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der quartiersbezogenenBetrachtung von Stadtentwicklungsprozessenauch in der Opposition Nachhall zu finden. Diechristlich-liberale Koalition, insbesondere das liberaleKonzept zur energetisch-dynamischen Stadtentwicklung,verfolgt den breiten Ansatz der Quartiersbetrachtungseit längerem. Denn eine der größtenHerausforderungen für den Klimaschutz und die Umsetzungder Energiewende liegen im Gebäudebestand.Um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen,müssen wir eine Politik der Energieeffizienzsteigerungim Gebäudebestand voranbringen und nichtnur auf das einzelne Gebäude, sondern auch auf quartiersbezogeneLösungen, beispielsweise bei der Wärmeversorgungaus erneuerbaren Energien, setzen.Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt daher die Novellierungdes BauGB und die enthaltene Ergänzungeiner klimagerechten Stadtentwicklung und somit denenergieeffizienten und klimaneutralen Quartiersumbau.Hier finden sich wichtige und inhaltlich abgestimmteSchritte, der Quartiersentwicklung einen gesichertenrechtlichen Rahmen zu geben. Wir schaffen damit einenfunktionierenden Bau- und Wohnungsmarkt, der sichin einem stabilen und verlässlichen gesetzlichen Rahmenentwickelt.Die FDP-Bundestagsfraktion setzt hier aber auf Anreizeund nicht auf Zwang, auf unternehmerische Initiative,nicht auf Staatswirtschaft. Es ist erstaunlich,dass SPD und Grünen nicht mehr einfällt, als wiederund wieder mehr Steuergeld in die Hand zu nehmen,um vermeintlich neue Subventionsprogramme oderFörderprojekte staatlich zu alimentieren. Die Höheder neuerlichen Forderungen in den hier diskutiertenAnträgen beläuft sich locker auf 430 Millionen Euro.Der Energiesparfonds, den Sie fordern, soll allein mit1,8 Milliarden Euro jährlich ausgestattet sein. Fürden, der fordert, liegt es dankbarerweise in der Naturder Sache, über die Quellen, aus denen die Mittel fließensollen, nichts oder wenig sagen zu müssen. Nichtsdestotrotzsollten Forderungen einen Anspruch erfüllen:Sie sollten realistisch sein. Aber das sind diebeantragten Forderungen von Bündnis 90/Die Grünennicht. Aber auch seitens der SPD hört man keinen Widerspruch.Das deutet darauf hin, dass man sich gesamtwirtschaftlichschon längst mit einem Programm(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28141Petra Müller (Aachen)(A)abgefunden zu haben scheint, das im Schuldenmachenseine einzige Kraftquelle sieht.Mit der FDP-Bundestagsfraktion wird eine so verantwortungslosePolitik nicht zu machen sein. Wirwerden weder den Bundeshaushalt noch die Haushaltskonsolidierungaus dem Blick verlieren, auchnicht angesichts noch so wünschenswerter Ziele. Wirdürfen aber auch nicht die Hausbesitzer und Kommunenüberfordern, sondern müssen sie bei der Quartierssanierungunterstützen. Inhaltliche Forderungen,die der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen aufstellt,sind durchaus zu unterstützen. Jedes Quartier muss individuellbetrachtet werden, da es in unterschiedlichenBauphasen entstanden ist und somit unterschiedlicheGebäudestrukturen aufweist. Insoweit sind quartiersbezogeneKonzepte erforderlich, die die unterschiedlichenAnforderungen eines energieeffizienten Quartiersmiteinander verbinden. Auch hat der BundeswirtschaftsministerPeter Altmaier bereits auf die Bedeutungder Energieberatung für Verbraucher hingewiesen.Dies sollte in der Stadtentwicklungspolitikverstärkt auch in den Bereichen Bauen, Sanieren undWohnen in den Fokus genommen werden. Die Änderungenim Mietrecht sollten ebenfalls auf die klimaneutraleQuartierssanierung erweitert werden.Die FDP-Bundestagsfraktion ist zur inhaltlichenund sachbezogenen Zusammenarbeit bereit. Forderungenaber, die ungeachtet der Haushaltslage aufgestelltwerden, müssen als vorgezogene Wahlkampfmanöverzurückgewiesen werden. Wer Systeme nicht in ihrenWirkungszusammenhängen sehen kann oder sehen will,hat in Regierungsverantwortung nichts zu suchen. Daherwird die christlich-liberale Koalition ihre erfolgreichePolitik fortsetzen und weiterentwickeln.hinausgehenden Beitrag die Akteure, die auch nichtnäher bezeichnet werden, leisten sollen.„Sozial gerecht“ heißt für uns nämlich nicht nur,dass mit den Kosten der Energiewende verbundene sozialeHärten abgemildert werden, sondern auch, dassdie sozialen Belange aller betroffenen Menschen vonvornherein Bestandteil des Sanierungskonzepts seinmüssen. Deswegen sind uns solche Formulierungenwie „ohne wesentliche Erhöhung der Warmmiete“oder „Ziel ist, wo immer möglich, die warmmietenneutraleSanierung“ nicht verbindlich genug. Was bedeutet„wesentlich“? Was passiert dort, wo nicht „warmmietenneutral“saniert werden kann?Der Erhalt des Gebietscharakters und der Schutzgewachsener sozialer Strukturen dürfen kein zufälligesNebenprodukt der energetischen Quartierssanierungsein, auf das man gegebenenfalls auch verzichtenkann. Wenn die Antragsteller dafür keine konzeptionelleund finanzierbare Lösung bereithalten, kann dieenergetische Quartierssanierung nicht sozial gerechtgelingen.Wenn „sozial gerecht“ ernst gemeint sein soll undnicht nur als Feigenblatt, dann darf die Sozialverträglichkeitkeinesfalls den energiepolitischen Zielen geopfertwerden. Sie muss genauso konsequent in einemQuartierssanierungskonzept verankert sein. Sie mussals Zielsetzung den gleichen Stellenwert haben wie dieenergetische Sanierung. Wenn es daran nur den geringstenZweifel gibt, verliert die energetische Sanierungan Akzeptanz und ist nicht durchsetzbar. Deshalbist der Anspruch im Antrag richtig, dass das Programmzur Quartierssanierung von einer umfassendenBürgerbeteiligung begleitet werden soll. Das mussaber mehr sein als die bisher übliche formale Akteneinsichtnahmeim Planverfahren, wo sie Anregungenund Bedenken im Verfahren äußern können.In die Erarbeitung eines Quartierssanierungskonzeptsmüssen von Beginn an alle handelnden Akteureund die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohnereinbezogen werden. Zu leisten wäre das nach meinemDafürhalten am ehesten durch eine kommunale Koordinierungsstelleoder einen Quartiersmanager. Die Finanzierungeiner solchen Stelle oder einer solchenFunktion sollte aus dem Energiesparfonds, nicht zulastender Kommunen, erfolgen.Aufgabe dieser Einrichtung wäre zum Beispiel vorBeginn einer Sanierungsmaßnahme die Definition einesSanierungsquartiers, die Bestandsaufnahme undenergetische Bewertung der Gebäude sowie die Aufnahmeder Eigentümer- und Bewohnerstruktur. Darausabgeleitet könnten dann im Weiteren Finanzierungspläne,Bauablaufpläne, Sozialpläne usw. erstelltwerden.Es ist also nichts gewonnen, wenn der Bund einerseitsanspruchsvolle Energiespargesetze erlässt undandererseits unzureichende Fördermittel bereitstellt.Das wäre der erste Anspruch an die Politik: Ziele undMittel in Übereinstimmung zu bringen. Das müssen(C)(B)Heidrun Bluhm (DIE LINKE):Der jetzt vorgelegte Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen soll offenbar die Vielzahl der Anträgezur Energiewende, zur energetischen Sanierungweiter komplettieren und untersetzen. Er steht imKontext zu dem vor kurzem vorgelegten Antrag „Energiewendeim Gebäudebestand sozial gerecht, umweltfreundlich,wirtschaftlich und zukunftsweisend umsetzen“.Diesem Antrag haben wir als Fraktion bereitszugestimmt, weil wir die energiepolitischen Zielsetzungenfür richtig halten. Da der neue Antrag im Wesentlichendie gleichen Ziele wieder aufgreift, werden wiruns hier nicht anders verhalten.Es ist richtig, dass die Energiewende im Gebäudebereichbeschleunigt werden muss. Allerdings sei dieFrage erlaubt, ob die geforderten finanziellen Mittelausreichen, um mit der energetischen Sanierung imGebäudebereich den erforderlichen Beitrag zu den internationalverpflichtenden Klimaschutzzielen zu leisten.Die Antragsteller verzichten leider darauf, darzulegen,was mit den eingeforderten Mitteln von 3 MilliardenEuro jährlich in einem neu zu schaffenden Klimafondserreicht werden soll und welchen darüber(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28142 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Heidrun Bluhm(A)(B)und können nicht allein Bundesmittel sein. Aber wennman, wie in diesem Antrag, einen konkreten finanziellenBetrag einfordert, muss konsequenterweise auchweitergerechnet werden: Was müssen die Länder beisteuern,was die Kommunen, was muss aus der Immobilienwirtschaftselbst beigetragen werden? Was könnendie betroffenen Bürger leisten und wirtschaftlichtragen? Welche Auswirkungen werden die Sanierungskostenauf die Mietenentwicklung haben? Es ist wichtig,das von vornherein zu bedenken und nicht nachdem Motto zu verfahren: Erst mal schießen und danngucken, was der Ball macht.Ebenso wie energetische Quartierssanierung sozialgerecht stattfinden muss, muss auch klar sein, dasseine Sanierungsmaßnahme effektiv, kostensicher undmit dem geplanten Ergebnis zu Ende gebracht werdenkann und nicht auf halbem Wege verebbt. In dieserHinsicht schwächelt der Antrag noch etwas; aber dadie Zielrichtung stimmt, wollen wir gern dazu beitragen,ihn zum Leben zu erwecken.Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Mit der Förderung der Kreditanstalt für Wiederaufbau,KfW, wurden 2011 etwa 200 000 Wohnungen energetischsaniert und der CO 2 -Ausstoß um 540 000 Tonnenreduziert. Die Zahlen belegen die Breitenwirkungund den Erfolg des Programms. Aber wir sind zu langsam.Bei diesem Tempo dauert es 100 Jahre, bis wirunsere Wohnungen zukunftsfähig umgebaut haben. DieSanierungsquote ist noch deutlich zu niedrig, um dieKlimaschutzziele bis 2050 zu erreichen. Eine Verdopplungist notwendig.Es wird jedoch auch deutlich, dass der isolierte Einzelansatzder finanziellen Förderung auf einzelne Gebäudenicht ausreicht; denn die Widerstände sind sehrvielfältig. Denkmalschützer üben harsche Kritik an derDämmung historischer Fassaden. Besonders Gebäude,die erhaltenswert sind, jedoch nicht unter Denkmalschutzstehen, sind gefährdet. Steigende Mieten nachder Sanierung führen zu Kritik durch Mieterinnen undMieter sowie Verbände und teilweise sogar zu einerVerdrängung der Bewohnerinnen und Bewohner. Dashat nun auch die Regierung erkannt. Sie will steigendeMieten als Vorwand nutzen, um die Energiewende zubremsen.Dabei gibt es Konzepte, mit denen Sanierung undMieterschutz zielgenau betrieben werden können. Diefinanziellen Mittel müssen da eingesetzt werden, wosie gebraucht werden. Werden bei der energetischenSanierung nur einzelne Gebäude betrachtet, werdenim schlechtesten Fall Gebäude saniert, für die in wenigenJahren schon kein Bedarf mehr auf dem Wohnungsmarktbesteht.Hier setzt die energetische Quartiers- bzw. Stadtteilsanierungan. Die Mittel werden da eingesetzt, wo siewirklich gebraucht werden. Durch begleitende Planungenkönnen Maßnahmen sozialverträglich umgesetztwerden. Löst man sich von dem jetzigen Ansatzder Energiewende in den Städten – „Mein Haus, meinAuto“ etc. – und denkt an das Viertel, das Quartier, dieKleinstadt als Ganzes, ergeben sich weitere Vorteile:Der Mitteleinsatz im Quartierszusammenhang isteffektiver. Innovative Konzepte entstehen, wenn Maßnahmenauf Stadtteilebene geplant werden und alleAkteure wie Bürgerinnen und Bürger, Hausbesitzerinnenund Hausbesitzer, Wohnungsbaugesellschaften,Energieversorger, Vereine und Fachämter mit dabeisind. Maßnahmen wie Nahwärmenetze, Wärmerückgewinnungim Abwassersystem, die Erzeugung erneuerbarerEnergien und dezentrale Wärmespeicher könnendie Gebäudedämmung sinnvoll ergänzen. Durch gezielteBeratungsangebote erfahren die Bürgerinnenund Bürger, welche Maßnahmen für sie die bestensind. Es findet eine Bündelung von Wissen statt, die beider Einzelsanierung nicht zu leisten wäre. Maßnahmen,die für einen einzelnen Hausbesitzer nicht rentabelsind, rechnen sich für mehrere Häuser; so ergebensich auch im Sanierungsprozess Synergien. Auch dieBaukultur profitiert. Aus einem Mix von energetischenSanierungen, effektiven und effizienten Gebäudetechnikenund dem Einsatz von erneuerbaren Energien entstehenGesamtenergiebilanzen eines Viertels.Profitieren sollen von diesem Ansatz besonders einkommensschwacheMieterinnen und Mieter oder investitionsschwacheEigentümerinnen und Eigentümer.Wir wollen für entsprechende Gebiete aus dem grünenEnergiesparfonds 1,8 Milliarden Euro bereitstellen.Wir fördern Quartiersenergiekonzepte sowie entsprechendeInvestitionen in Wohngebäude, öffentliche Gebäudeund Leitungen wie zum Beispiel Nahwärmenetze,mit dem Ziel, Warmmietensteigerungen nacheiner Sanierung zu vermeiden. Dabei setzen wir aufdie Qualitätsstandards der Städtebauförderung: starkeBürgerbeteiligung, vernetztes strategisches Handeln,Sozialpläne und eine starke Rolle der Kommunen.Eine solche ganzheitliche kommunale Betrachtungdes Wohnungs- und Gebäudebestandes in Bezug aufden Klimaschutz ist bislang eher die Ausnahme. BestehendeAnsätze wie das von der Koalition ins Leben gerufeneProgramm zur energetischen Stadtsanierungsind in ihrer Ausgestaltung unzulänglich. Die gefördertenInvestitionen müssen nicht auf kommunalenKonzepten zur energieeffizienten Stadtsanierung basieren.Bürgerbeteiligung ist freiwillig. Die Förderungerfolgt nach dem Gießkannenprinzip. Sozialpläne sindFehlanzeige. Es profitieren sogar fossile Energien. DieFinanzierungsbasis des Energie- und Klimafonds brichtweg. Wegen des geringen Preises für CO 2 -Zertifikateherrscht ein Förderstopp.Die Energiewende und eine sozialgerechte Stadtentwicklungspolitikdürfen nicht länger gegeneinanderausgespielt werden. Sie müssen zusammengedachtwerden. Ich hoffe, unser Antrag und die anschließendenBeratungen im Ausschuss tragen dazu bei.Vizepräsidentin Petra Pau:Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage aufDrucksache 17/11205 an die in der Tagesordnung aufge-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28143Vizepräsidentin Petra Pau(A)führten Ausschüsse vorgeschlagen. – Sie sind damit einverstanden.Dann ist so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 34 a und b auf:a) Beratung des Antrags der Abgeordneten KathrinVogler, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIE LINKEUnabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungensichern – Korruptives Verhalten effektivbekämpfen– Drucksache 17/12451 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit (f)Rechtsausschussb) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Edgar Franke, Christine Lambrecht, BärbelBas, weiterer Abgeordneter und der Fraktion derSPDBestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesenunter Strafe stellen– Drucksache 17/12213 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit (f)RechtsausschussWie in der Tagesordnung ausgewiesen, nehmen wirdie Reden zu <strong>Protokoll</strong>.wir heute über den Antrag der Fraktionen von SPDund Linken diskutieren.(C)(B)Dietrich Monstadt (CDU/CSU):Wir beschäftigen uns heute zum wiederholten Malmit dem Thema „Korruption im Gesundheitswesen“.Gleichwohl darf ich Ihnen die Ausgangssituationnochmals in Erinnerung rufen. Im Jahr 2012 erregtenmehrere Fälle von Fehlverhalten negatives öffentlichesInteresse: Bei Organtransplantationen wurdenPatientenakten verfälscht, um Wartezeiten zu beeinflussen,eine Studie des GKV-Spitzenverbandes zuFangprämien wurde veröffentlicht, Ärzte nahmen Geldeines bekannten Generikaherstellers für das Verschreibendieser Präparate an, und zahlreiche Gutachtenlassen vermuten, dass in Krankenhäusern medizinischnicht indizierte Operationen vorgenommen werden,um Umsatzquoten zu erfüllen.Besonders das unerwartete BGH-Urteil vom 22. Juni2012, welches definierte, dass freiberufliche Ärztekeine Amtsträger oder Beauftragten der Krankenkassensind, hat einige in der Gesundheitspolitik zu übereifrigenForderungen verführt. Sowohl die Oppositionim Bundestag als auch Politiker einiger Bundesländerhaben im Skandalklima voreilig die Schaffung einesgesonderten Straftatbestandes für freiberufliche Ärzteim Strafgesetzbuch gefordert.Eines haben bei diesen Vorfällen die Opposition, dieRegierungskoalition, die Ärzte- und Zahnärzteschaftund sonstige Leistungserbringer, Krankenkassen unddie Patienten gemeinsam: Sie ärgern sich zu Rechtmassiv über diese Vorfälle von Fehlverhalten. Bei derBewertung und den Schlussfolgerungen kommen dieBeteiligten zu unterschiedlichen Ergebnissen, weshalbAls Conclusio aus dem BGH-Urteil und den Vorfällensofort ein Sondergesetz für Ärzte zu schaffen, ist allerdingsnicht zwangsläufig der richtige Weg. Sowürde die Berufsgruppe der freiberuflichen Ärzte, diesich überwiegend korrekt verhält, zu Unrecht kriminalisiert.Auch ordnungspolitisch halte ich dies für problematisch.Natürlich muss Fehlverhalten konsequent verfolgtund geahndet werden. Wie ich bereits in mehreren Redendeutlich gemacht habe, bedeutet der BGH-Beschlussnicht, das dies nicht möglich war oder in derZukunft sein wird. Zunächst betrifft der Beschluss ausschließlichden strafrechtlichen Bereich, nicht den berufsrechtlichen,nicht den wettbewerbsrechtlichen,nicht den Bereich des Heilmittelwerbegesetzes oderden sozialrechtlichen Bereich.Nach wie vor macht sich der Arzt, der dem Patienteneinen Gesundheitsschaden zufügt, der Körperverletzungstrafbar. Nach wie vor ist ein Verhalten desArztes, das zu einem Vermögensschaden etwa derKrankenkasse führt, als Untreue nach § 266 StGBstrafbar. Der BGH-Beschluss hat daran nichts geändert.Bedeutung entfaltet der BGH-Beschluss nur dort,wo weder ein Gesundheitsschaden noch ein Vermögensschadeneintreten.Der BGH-Beschluss bedeutet ebenfalls nicht, dassrechtsfreie Räume entstehen und etwa ein Pharmaherstellereinem Kassenarzt für die Verschreibung seinerProdukte Vorteile gewähren darf. Vielmehr ist die Faktenlageauch und gerade durch die BGH-Entscheidunggleich geblieben: Fehlverhalten kann bestraft werdenund wird bestraft.So bestimmt etwa die ärztliche Berufsordnung in§ 31 Abs. 1, dass es Ärztinnen und Ärzten nicht gestattetist, Patientenzuweisungen oder Verordnungendurchzuführen und Entgelt oder andere Vorteile zu fordern,sich oder Dritten versprechen oder gewähren zulassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.Die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriftder Berufsordnungen obliegt den Landesärztekammern.Bei Verstößen als Folge berufsunwürdigen Verhaltenskommen Maßnahmen wie Geldbußen bis50 000 Euro oder Entzug der Approbation in Betracht.Sozialrechtlich sind die kassenärztlichen Vereinigungendurch § 81 a SGB V verpflichtet, Stellen zurBekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitsweseneinzurichten. Sie haben dabei mit den Krankenkassenund ihren Verbänden zusammenzuarbeiten. Diese Stelleninformieren die Staatsanwaltschaft, wenn es einenAnfangsverdacht auf strafbare Handlungen gibt.Weiter gibt es die Regelung im Arzneimittelgesetz,die in § 67 Abs. 6 die Anzeige jeder Anwendungsbeobachtungvorschreibt. Sozialrechtliche Sanktionen ergebensich aus § 128 SGB V.(D)


28144 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dietrich Monstadt(A)(B)Kassenärztliche Vereinigungen, Ärztekammern undKassen können auf sinnvolle berufs- und sozialrechtlicheRegelungen zurückgreifen. Die aktuellen Entwicklungenund der BGH-Beschluss geben jedoch Anlass,die bisherigen berufs- und sozialrechtlichen Regelungen,auf die die Kassenärztlichen Vereinigungen, Ärztekammernund Kassen zurückgreifen können, zu überarbeiten.Das Bundesministerium für Gesundheit prüftund erarbeitet derzeit Vorschläge. Auch bei der konsequentenUmsetzung der bereits existierenden berufsundsozialrechtlichen Regeln will und wird die Regierungskoalitionunterstützen.Ich darf nun auf die vorgelegten Anträge eingehen:Zunächst zum Antrag der SPD. Die Kollegen derOpposition haben bereits mit einem Antrag vom November2012 als Konsequenz aus dem BGH-Urteil unteranderem die Schaffung eines Sonderstraftatbestandesgefordert. Der nun vorliegende Antrag beinhaltetkeine neue Erkenntnis oder setzt sich mit diskussionswürdigenVorschlägen für die Änderung im Berufsrechtauseinander. Der SPD-Antrag wiederholt nurstoisch die Forderung an die Bundesregierung, einenGesetzentwurf zur Schaffung eines Straftatbestandesim StGB vorzulegen. Dass dies jedoch vor dem Hintergrunddes Grundsatzes der Freiberuflichkeit und Therapiefreiheitzumindest nicht unproblematisch unddiskussionswürdig ist, lassen die Kollegen außer Acht.Die SPD ist scheinbar nicht gewillt, die Vorschläge desGesundheitsministeriums abzuwarten. Dieser Eindruckverstärkt sich noch, beachtet man, dass zwischen demersten und dem heute vorliegenden Antrag gerade einmalgut drei Monate und ein Jahreswechsel liegen.Auch wenn der Antrag keine konkreten neuen Forderungenenthält, so finden sich doch im Feststellungsteilerwähnenswerte Punkte. Zunächst dokumentiertdie SPD ganz richtig, dass es aktuell einenintensiven Dialog zwischen Bundesregierung, Regierungskoalition,den Ärztekammern, KassenärztlichenVereinigungen und Krankenkassen gibt. Die Ergebnissedieser Auswertung und Aufarbeitung sollte manabwarten.Die SPD formuliert weiter: „Es ist notwendig, inunserer rechtlichen Werteordnung klar zum Ausdruckzu bringen, dass Bestechung und Bestechlichkeit hinterdem Rücken von Patientinnen und Patienten undzulasten des Gesundheitssystems kein Kavaliersdeliktist …“. Damit wird suggeriert, das Gegenteil sei gelebterNormalfall im deutschen Gesundheitssystem.Diesem Gedanken muss ich an dieser Stelle vehementwidersprechen. Das wird der Realität des Arbeitsalltagsder Mehrheit von Ärzten, Zahnärzten und PflegeundSprechstundenpersonal schlicht nicht gerecht. Danützt auch ein Folgesatz, es werde „kein Spezialgesetzgegen Ärzte, wohl aber eine spezielle Regelung, die füralle Leistungserbringer im Gesundheitswesen gilt“,angestrebt, nichts. Im Gegenteil, das offensichtlicheSpezialgesetz, das Sie wünschen, soll noch ausgeweitetwerden. Damit würden dann ein Sondergesetz und einGeneralverdacht auf eine noch größere Personengruppeausgedehnt. Der Angestellte in der Apotheke,im Sanitätsfachgeschäft, der Pflasterhersteller und dieNachtschwester werden sich fragen, weshalb ihre Berufsgruppeein Sondergesetz benötigt.Der Antrag der Fraktion Die Linke erkennt hingegenwenigstens im Titel schon die Problematik. Er lautet„Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung sichern– Korruptives Verhalten effektiv bekämpfen“. Esist richtig, dass die Bundesregierung nur wenig Datenmaterialvon den Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhaltenim Gesundheitswesen hat. Die Forderung, dieBerichtspflichten in §§ 81a und 197 a SGB V zu konkretisieren,ist sinnvoll. Hilfreich wäre selbstverständlichein genauer Vorschlag im Hinblick auf die Formder Konkretisierung gewesen.Darüber hinaus fordert die Linke dann ebenfalls dieSchaffung eines Sonderstraftatbestandes im StGB.Dieser jedoch solle dann ebenfalls für alle Ärzte, alleselbstständigen und angestellten Ärzte gelten. Auchdie Linke holt also zum Generalverdacht gegen alle imGesundheitswesen Tätigen aus. Ebenso wolle manüber den § 130 OWiG die Haftung der Unternehmenfür Fehlverhalten der Mitarbeiter absichern. Spätestensdurch die unpräzise Formulierung, was ein angenommenerVorteil überhaupt sei, ist diese Forderung,juristisch betrachtet, jedoch nur ein zahnloser Tiger.Mehr noch: Die Auslegung im Wortsinn des Punktes1 a würde bedeuten, dass ein Arzt gar keine Vergütungmehr annehmen darf.Wie wird nun weiter vorgegangen? Die Bundesregierungprüft derzeit, welche sinnvollen Möglichkeitenfür den Gesetzgeber bestehen, die aktuellen Rahmenbedingungenzu verbessern. Ich halte es für absolutrichtig, das ärztliche Berufsrecht zu stärken und denKammern mehr Möglichkeiten zu geben, Fehlverhaltenzu verfolgen. Einzelne Harmonisierungen im Berufsrechtder Bundesländer sind nach meiner Auffassungebenfalls eine sinnvolle Möglichkeit. Die bereitsbestehenden weitreichenden Vorgaben wie berufsgerichtlicheMaßnahmen und Verfahren, Befugnisse imberufsrechtlichen Ermittlungsverfahren, Verjährungsvorschriftenoder Rügerechte der Kammern sind derzeitinnerhalb der Länder sehr unterschiedlich.Die Forderung der KBV nach einer öffentlich zugänglichenDatenbank beim BfArM zu Anwendungsbeobachtungenmuss genauer geprüft werden. Allerdingserhält die KBV schon heute umfangreiche Daten zuden Anwendungsbeobachtungen.Den von der Ärztekammer vorgebrachten Vorschlag,die Befugnisse bei den Ermittlungen derStaatsanwaltschaften zu erweitern, ist ordnungspolitischverfehlt und in der Umsetzung abwegig. Es istnicht Aufgabe der Ärztekammern, staatsanwaltlicheoder polizeiliche Ermittlungen durchzuführen. DieÄrztekammern, denen die Ausübung der Berufsaufsichtobliegt, beklagen, dass mitunter viel Zeit vergeht,bis Sachverhalte hinreichend vorliegen oder dieStaatsanwaltschaft ermittelt, um berufsrechtlich vor-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28145Dietrich Monstadt(A)(B)zugehen. Hier sollten allerdings Mechanismen zur Verbesserunggeschaffen werden. Wechselseitige Informationspflichtenkönnen hier ausgebaut werden. DieKammern und KVen sind wie die Krankenkassen aufgefordert,in der Organisation der SelbstverwaltungRegeln und Mechanismen zu entwickeln, die Fehlverhaltenerkennen und im Ergebnis unterbinden können.Diesen Anspruch haben sowohl die Ärzte selbst alsauch Patienten und GKV-Beitragszahler.Innerhalb des gesetzlichen Rahmens kann die Politikhier unterstützen. Man darf die Schaffung einesSonderstraftatbestandes allenfalls als Ultima Ratio inBetracht ziehen, wenn sich alle anderen Möglichkeiten,die eindeutig noch nicht ausgeschöpft wurden, alswirkungslos gezeigt haben. Voraussetzung hierfürwäre allerdings die hinreichende Begründung einestatsächlichen und rechtlichen Bedürfnisses, bestimmteHandlungen der Strafbarkeit zu unterstellen. Diesesehe ich derzeit noch nicht.Zusammenfassend darf ich festhalten, dass beidehier vorliegenden Anträge daran kranken, nachvollziehbare,umsetzbare und verfassungsrechtlicher Prüfungstandhaltende Vorschläge zu liefern. Als Gesundheitspolitikerder Union setze ich mich mit meinenKollegen für den Erhalt und die Weiterentwicklung derfreiberuflichen Selbstverwaltung ein. Mit ihren Rechtenund auch Pflichten ist die eigenverantwortlichefreiberufliche Selbstverwaltung ein wichtiges Merkmalder sozialen Marktwirtschaft. Mit der christlich-liberalenKoalition im Deutschen Bundestag möchte ichrein staatlich organisierte Systeme weiterhin verhindern.Aus der Geschichte haben wir lernen können,dass der Staat berufsständische Mechanismen nochnie besser regulieren konnte.Es ist unumstritten, dass sich die überwiegendeMehrheit der Ärzte in Deutschland korrekt verhält.Der niedergelassene Arzt ist aus gutem Grund Freiberufler;denn er muss unabhängig sein. Aus dieser Unabhängigkeitgeneriert sich das Vertrauen, das die Patientenin Deutschland ihrem Arzt täglich entgegenbringen.Nicht nur die Patienten sind darauf angewiesen,sondern auch die Ärzteschaft ist darauf angewiesen,dass die Basis dieses Vertrauens nicht durch einSpezialgesetz gegen Ärzte zerstört wird. Wir werdendeshalb die Anträge von SPD und Linken ablehnen.Dr. Edgar Franke (SPD):Korruption im Gesundheitswesen beschäftigt seitlangem nicht nur die Fachleute, sondern auch die Gesellschaftinsgesamt – bis hin zum Boulevard. DieGründe sind ganz einfach: Das Gesundheitssystem istein hochkomplexes, ausdifferenziertes und vor allenDingen auch intransparentes System. So rechnen bekanntlichbspw. Ärzte mit der Kassenärztlichen Vereinigungab und kein Patient sieht im Regelfall eine Abrechnung.Dass in einem solchen System, in dem bei Fehlverhaltenkeine erheblichen Sanktionen drohen, demMissbrauch Tür und Tor geöffnet ist, versteht sich vonselbst. Zumindest ist die Hemmschwelle, rechtswidrigGeld zu kassieren, relativ gering. Die weiteren Gründesind auch ganz einfacher Natur:Die Gefahr, entdeckt zu werden, ist klein. Und wederstandes- bzw. berufsrechtliche Sanktionen drohenin der Praxis noch greift das Strafrecht. Im Übrigen:Ein Kassenarzt löst durch sein Tun vom Rezept bis zurKrankenhauseinweisung im Schnitt locker rund fünfmalso hohe Kosten aus, wie er an Honorar bekommt.Die Liste der Abhängigen ist lang: vom orthopädischenSchuhmachermeister über den Augenoptiker biszum Sanitätshaus oder dem Hörgeräteakustiker. Dasshier Geld fließt, ist bekannt und bestreitet zumindesthinter verschlossenen Türen niemand mehr. Und alldas geschieht oft genug ohne jedes Unrechtsbewusstsein.Zuweisungen gegen Entgelt konnte auch dieBussmann-Studie der Uni Halle-Wittenberg vom24. Oktober 2012 nochmals ausdrücklich belegen. Ausall diesen Gründen hat die SPD Bundestagsfraktionschon im Jahr 2010 den Antrag „Korruption im Gesundheitswesenwirksam bekämpfen“ eingebracht. Inunserem Antrag haben wir bereits damals unter anderemeinen speziellen Korruptionstatbestand gefordert.Wir haben vorgebracht, dass durch Korruption undAbrechnungsbetrug jedes Jahr Milliardenverluste beider Versichertengemeinschaft, also letztlich der Solidargemeinschaft,eintreten.Ich habe persönlich 2010 betont, dass eine Regelungslückeim StGB besteht und deshalb Schmiergeldzahlungennicht strafrechtlich sanktioniert werdenkönnen. Zudem folgen weder aus dem Berufsrecht derÄrzte noch aus den Spezialnormen des SGB V tatsächlicheSanktionen; in der Praxis gibt es im Vergleich zuden prognostizierten Schäden nur wenig Verfahren. ImÜbrigen werden so gut wie nie Approbationen durchdie zuständigen Landesbehörden entzogen. Nachdemuns auch hier neuere Daten vorliegen, wissen wir:Auch hier hatten wir recht.Zwar hat die Mehrheit im Bundestag unseren Antragmit den Stimmen der Regierungskoalition sowohlin der 1. als auch in der 2./3. Lesung vor allem mit derBegründung abgelehnt, dass korruptives Verhalteninsbesondere bei Ärzten nur ganz selten auftrete undinsofern der Antrag diesen Berufsstand unter Generalverdachtstelle und damit Ärzte pauschal diffamiere.Das Gegenteil aber ist richtig. Wir haben immer wiederdeutlich gemacht, dass korrupte Ärzte gerade dieehrlich abrechnenden Ärzte schädigen, da es eine Gesamtvergütunggibt.Wir wollen und wir müssen die ehrlich abrechnendenÄrzte vor den schwarzen Schafen schützen. Werdagegen untätig bleibt, riskiert den guten Ruf der Ärzteschaft.Wir brauchen eine Abschreckung, eine Generalpräventiongegenüber denjenigen, die ganz bewusstdas System ausnutzen.Ferner wurde auch insbesondere vonseiten derRechtspolitiker der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28146 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Edgar Franke(A)(B)vorgetragen, ein spezieller Korruptionstatbestand seientbehrlich, da ein Vorlagebeschluss beim GroßenStrafsenat des BGH in Karlsruhe vorläge und dort sicherlicheine Strafwürdigkeit bejaht werden würde.Doch in 2012 kam es dann, wie wir es vorausgesagtund in unserem Antrag bereits zwei Jahre vorher formulierthatten.Der BGH hat im Frühjahr 2012 nicht nur bestätigt,dass es eine Regelungslücke im Strafgesetzbuch gibt. Erhat sogar Bezug genommen auf unseren Antrag von2010 und wie folgt in der Presseerklärung (Nr. 97/2012)formuliert: „… darüber zu befinden, ob Korruption imGesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffungentsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtlicheAhndung ermöglicht werden soll, ist Aufgabedes Gesetzgebers.“ Hieraus kann man eindeutigerkennen, dass auch aus Sicht des BGH gesetzlicherHandlungsbedarf besteht.Eins darf allerdings nicht vergessen werden: Dassdie Ärzte bzw. die Pharmavertreter nicht bestraft werdenkonnten, hatte allein rechtsdogmatische Gründe.Die in Rede stehenden Vorschriften der §§ 299, 331 ff.StGB sind in erster Linie Wettbewerbsvorschriften.Bei Schmiergeldzahlungen an Ärzte zum Beispiel imBereich der Onkologie, also in der Krebsbehandlung,wo es um Leben und Tod geht, muss aber der Patientenschutzan erster Stelle stehen. Auch hier kann einfreiberuflicher Arzt bisher nicht bestraft werden, wenner Schmiergeldzahlungen annimmt. Er kann nicht einmaldann bestraft werden, wenn er aus diesem GrundMedikamente verschreibt, die schlechter wirken undim Vergleich zu Konkurrenzprodukten auch noch teurersind.Patientensicherheit ist ein hohes Gut. Hier geht esgerade auch um das Vertrauensverhältnis behandelnderArzt – Patient. Der Patient muss immer sicher sein,dass allein medizinische und nicht monetäre Gründefür eine Behandlung, Therapie oder Verordnungsentscheidungdes Arztes maßgebend sind.Insofern muss auch ein Spezialstraftatbestand fürdas Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch diesenSchutz gewährleisten. Wir brauchen eine Norm, dienicht nur den Wettbewerb, sondern insbesondere auchden Patienten schützt.Was passiert aber dagegen jetzt? Über Tausend Verfahrenwegen Bestechlichkeit gegen niedergelasseneVertragsärzte und wegen Bestechung gegen Mitarbeitervon Unternehmen der Gesundheitsbranche werdenaufgrund der höchstrichterlichen Entscheidung ausKarlsruhe nunmehr eingestellt. Da kann man nur sagen:Na, bravo! Den Handlungsbedarf hat ja selbstunser Gesundheitsminister erkannt, als er Anfang diesenJahres darauf hingewiesen hat, dass gesetzgeberischeMaßnahmen drohen könnten.Aus all diesen Gründen haben wir unseren Antragvon 2010 noch einmal erneuert und präzisiert. Mit Erstaunenhaben wir zur Kenntnis genommen, dass nunauch die Fraktion der Linken einen Antrag vorgelegthat. Dieser deckt sich aber inhaltlich weitgehend mitunseren beiden Anträgen.Dass Deckungsgleichheit der beiden Anträge besteht,lässt sich schon daran erkennen, dass der Antragder Linken nach dem Spiegelstrich „Korruptives Verhalteneffektiv bekämpfen“ heißt. Unser erster Antraghieß: „Korruptives Verhalten wirksam bekämpfen“.Das hätte zu Guttenberg nicht besser abschreiben können.Also, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken,ihr hättet einfach nur mit uns stimmen sollen.Uns Sozialdemokraten ist wichtig: Wir wollen nichtpauschal alle Ärzte oder andere Berufsgruppen undschon gar nicht die Pharmaindustrie verunglimpfen.Wir wollen alle im Gesundheitssystem ehrlich Abrechnendenvor den schwarzen Schafen des Systems schützen.Und wir wollen Rechtsklarheit. Insofern sollteman dem Original und nicht der Kopie zustimmen.Heinz Lanfermann (FDP):Wir alle im Deutschen Bundestag sind uns einig,dass wir uns entschieden gegen jedes korruptive Verhaltenim Gesundheitswesen stellen und wirksameSanktionsmechanismen brauchen. Wir sollten uns aberauch alle einig sein, dass ein Generalverdacht gegenüberallen Ärzten nicht gerechtfertigt ist. Von den gut450 000 Ärzten in Deutschland arbeitet die ganz großeMehrheit im besten hippokratischen Sinne.Das von Ihnen angesprochene BGH-Urteil hat klargestellt,dass neben den bereits bestehenden Regelungenim SGB V und im Berufsrecht nicht auch noch einVerstoß gegen das Strafgesetzbuch vorliegt, wenn einArzt Zahlungen von Dritten erhält. Das liegt darin begründet,dass niedergelassene Ärzte eben keine Amtsträgerund Beauftragte von Krankenkassen, sondernunabhängige und nur ihren Patienten verpflichteteDienstleister sind. Wer daraus den schnellen Schlusszieht, man müsse nur einen passenden Strafrechtsparagrafenformulieren, läuft ebenso schnell Gefahr,die Freiberuflichkeit der Ärzte und die Therapiefreiheitzu gefährden. Das gilt es auf jeden Fall zu vermeiden.Dieses BGH-Urteil hat natürlich auch eine breiteDiskussion darüber angestoßen, welche Maßnahmenerforderlich sind. Die Standesvertretung der Ärzte hatdie Debatte aufgenommen und unterstützt die Forderungennach besserer Durchsetzbarkeit der vorhandenenRegelungen wie auch ihre Weiterentwicklung. DieKBV setzt sich beispielsweise für eine stärkere Sensibilisierungder niedergelassenen Ärzte ein, um nicht ausreichendesProblembewusstsein zu schärfen.Die von Pharmaunternehmen bzw. -verbänden angekündigtenMaßnahmen und Selbstverpflichtungenwie zum Beispiel Transparenzkodizes sind positiv zuwerten.Der Bundesminister für Gesundheit hat die Prüfungeingeleitet, welche Rechtsänderungen sinnvoll sind,um besser gegen Verfehlungen vorgehen zu können(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28147Heinz Lanfermann(A)bzw. sie zu verhindern. In einem ersten Schritt habenwir im Krebsregistergesetz dafür gesorgt, dass derwichtige Datenfluss zwischen Ärztekammern undkassenärztlichen Vereinigungen möglich wird.Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Sachlage unddie zu bedenkenden Rechtsfragen durchaus kompliziertsind. So gilt es auch zu klären, wie mit den anderenfreien Berufen zu verfahren wäre. Deshalb werdenwir Schnellschüsse vermeiden und lehnen Ihre Anträgeab.Verschreibung eines Medikaments einer bestimmtenFirma ursächlich auf den Umschlag mit Geld zurückzuführenist, den ein Vertreter dieses Unternehmens inder Arztpraxis freundlicherweise liegengelassen hat.Insbesondere wollen wir aber nicht nur die Zuwendungsempfänger,also die Ärztinnen und Ärzte, belangen,sondern vor allem diejenigen, die aktiv bestechenund Vorteile gewähren. Neben den Beauftragten derPharma- und Medizinprodukteindustrie sollen auchdie Unternehmen selbst und deren Management inHaftung genommen werden können.Es geht uns übrigens an dieser Stelle, das möchteich in Richtung der Ärzteschaft sagen, nicht um Stimmungsmacheund Vorverurteilungen. Jeder Arzt undjede Ärztin, die ihren Beruf gewissenhaft im Sinne derPatientinnen und Patienten ausübt, muss doch ein Interessedaran haben, dass Korruption unterbundenwird. Leider glauben noch viel zu viele Medizinerinnenund Mediziner daran, dass die Annahme von Geschenkenund Vergünstigungen ihre therapeutische Unabhängigkeitnicht beeinflusst – darin ähneln sie vielleichtPolitikerinnen und Politikern.Weil die Bundesregierung trotz gelegentlicher Ankündigungenbisher untätig geblieben ist, drängen wirmit unserem Antrag zum Handeln; denn wir wollennoch in dieser Legislaturperiode Fortschritte sehen.Der SPD ist dazu leider nichts anderes eingefallenals die sehr allgemeine Forderung, „Korruption imGesundheitswesen generell unter Strafe stellen.“ Wiedas konkret aussehen soll, bleibt bei Ihnen im Nebel.Der Kollege Lauterbach hat nun in der Presse kritisiert,die Linke wolle die SPD immer überbieten. Ichgebe zu: Es fällt uns schwer, die Substanzlosigkeit IhresAntrags nicht zu überbieten. Das ist ja, als wollteman bei eBay ein Einstiegsgebot von einem Euro mit99 Cent kontern. Im Nachhinein erklärte Lauterbachdann noch, dass bei der SPD privat praktizierendeÄrzte nicht gemeint seien, weil dies juristisch angeblichnicht möglich sei. Diese Behauptung ist natürlichHumbug, und auch Ihr Antrag gibt das nicht her.Die Linke will erreichen, dass alle Ärztinnen undÄrzte genau das verschreiben, was den Patientinnenund Patienten wirklich hilft, dass sie Therapieentscheidungenunabhängig nach dem Stand der medizinischenWissenschaft und im Sinne des Patientenwohlstreffen, statt von gut geschulten Pharmavertretern manipuliertund im Sinne der Industrie geschmiert zuwerden.Ich finde, dass unser Antrag da gute Ansatzpunktebietet, und freue mich auf die weitere Beratung im Ausschuss.(C)(B)Kathrin Vogler (DIE LINKE):Im letzten Jahr hat der Bundesgerichtshof festgestellt,dass Korruption von niedergelassenen Ärztennach derzeitigem Recht nicht bestraft werden kann.Das halte ich für ein fatales Zeichen: Viele Pharmareferentenverstehen dieses Urteil als Freibrief, denÄrzten Geld und Sachwerte zukommen zu lassen, umsie damit zur Verschreibung besonders neuer undteurer Produkte zu motivieren.Die vorhandenen Regelungen im Berufs- und Sozialrechtgegen Bestechlichkeit von Ärzten gleichenzahnlosen Tigern. Deswegen meint Die Linke: Es führtkein Weg an neuen und wirksamen Regelungen vorbei.Warum ist das so wichtig? Zum einen, weil Korruptionim Gesundheitswesen erheblichen finanziellenSchaden anrichtet. Laut einer Studie aus dem letztenJahr gehen in Europa 3 bis 10 Prozent der Gesundheitsbudgetsfür Korruption, Betrug und Falschabrechnungdrauf. In Deutschland wären das pro Jahrallein bei den gesetzlichen Kassen 5 bis 18 MilliardenEuro – Geld, das wir lieber für Prävention oder fürbessere Bezahlung von Pflegekräften einsetzen würden.Aber es geht um mehr. Ein Drittel aller neu zugelassenenMedikamente sind Scheininnovationen. Sie sindteurer, aber auch weniger erprobt und daher möglicherweisefür die Patientinnen und Patienten unsichererals bewährte Mittel. Wenn Ärztinnen und Ärzte vonder Industrie dafür bezahlt werden, vor allem solcheMittel zu verschreiben, kann es sein, dass Patientinnenund Patienten die optimale Therapie vorenthaltenwird. Die möglichen gesundheitlichen Folgen vonKorruption im Gesundheitswesen halten wir für Grundgenug, energisch und wirkungsvoll dagegen vorzugehen.Außerdem ist es schlicht ungerecht, wenn ein angestellterKlinikarzt für dasselbe Vergehen vor den Kadizitiert werden kann, bei dem seine niedergelasseneKollegin vollkommen straffrei davonkommt.Darum fordert die Linke, korruptes Verhalten inPraxen und Kliniken konsequent unter Strafe zu stellen.Weniger schwere Fälle sollen mit einer Geldbußegeahndet werden. Da der juristische Straftatbestand„Bestechung“ oft schwer nachzuweisen ist, fordernwir, dass auch die Annahme und die Gewährung vonVorteilen belangt werden. Dann muss die Staatsanwaltschaftnicht im Einzelfall nachweisen, dass dieMaria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Die Fraktionen von SPD und den Linken legenheute jeweils Anträge zur Bekämpfung von Korruptionim Gesundheitswesen vor. Auch meine Fraktion wirdin Kürze dazu einen Antrag einbringen. Diese Anträge(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28148 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Maria Klein-Schmeink(A)(B)sind notwendig, weil diese Regierungskoalition seit einemhalben Jahr untätig geblieben ist.Kern des politischen Streits ist seit Verkündung desBGH-Urteils im Juni letzten Jahres die Frage, ob derGesetzgeber eine gesetzliche Strafnorm schafft, dieKorruption und Vorteilsnahme von niedergelassenenÄrzten und anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesenauch strafrechtlich ahndet. Denn der BGHhat mit seinem Urteil abschließend dargelegt, dasssich Kassenärzte anders als ihre angestellten Kollegennicht strafbar machen, wenn sie als Gegenleistung fürdie Verordnung von Arzneimitteln von einem PharmaunternehmenVorteile wie Geldzuwendungen oderGeschenke annehmen. Dabei hat das höchste Gerichtausdrücklich darauf verwiesen, dass es Sache des Gesetzgeberssei, entsprechende Straftatbestände zu schaffen,die eine strafrechtliche Ahndung ermöglichen.Minister Bahr hatte anlässlich der Debatten im letztenJahr angekündigt, zu prüfen, ob und welche Maßnahmenzur Korruptionsbekämpfung im Lichte diesesUrteils zu ergreifen sind. Diese Prüfung ist mehr alsein halbes Jahr nach Verkündung des Urteils, wie esscheint, noch immer nicht abgeschlossen. Wahrscheinlicherist jedoch, dass der politische Wille zum Handelnnicht vorhanden ist.Wir erinnern uns an die Diskussion im Dezember:Die Vertreterinnen und Vertreter der Koalition sahenkeinen rechtlichen Handlungsbedarf und warfen derOpposition dagegen einseitige Diffamierung der Ärzteschaftvor. Mit Erstaunen konnten wir dann nur wenigeWochen später nach der Jahreswende einen Sinneswandelinnerhalb der CDU registrieren, als der gesundheitspolitischeSprecher Jens Spahn öffentlichstrengere Regelungen gegen Korruption einforderte.Wir begrüßen diese späte Einsicht; denn es ist Aufgabedes Gesetzgebers, durch geeignete Normen sicherzustellen,dass es bei einer Behandlung ausschließlichum das Wohl des Patienten und nicht um materielleVorteile des Behandlers geht. Aber wir fordern, diesenAnkündigungen vonseiten der CDU noch in dieserWahlperiode auch konkrete gesetzliche Regelungendurch die noch amtierende Regierungskoalition folgenzu lassen. Denn es wäre ein schweres Versäumnis derPolitik, nicht klar und entschlossen Maßnahmen zu ergreifen,die das sensible und für die Heilbehandlung sogrundlegende Vertrauensverhältnis zwischen Arzt odersonstigen medizinischen Leistungserbringern und demPatienten schützen.Wir wissen, dass es Handlungsbedarf gibt. DerBundesgerichtshof hat den Gesetzgeber aufgefordert,die Strafrechtslücke zu schließen. Die Anträge vonseitender SPD und der Linken enthalten beide eine entsprechendeForderung, der wir uns anschließen. DesWeiteren werden wir Vorschläge zur stringenterenHandhabung der berufsrechtlichen Regelungen und zumehr Transparenz über Zuwendungen aller Art zwischenLeistungserbringern, Herstellern und Hilfsmittelerbringernvorlegen. Wir hoffen, dass die Schaffungeiner datenschutzrechtlichen Grundlage zur Übermittlungvon approbationsrechtlich oder berufsrechtlichrelevanten Daten zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungenund den Landesärztekammern im Krebsregistergesetznicht das Einzige bleibt, was diese Koalitionzum Schutz der Patienten, der korrekt handelndenÄrzte und sonstigen Leistungserbringer und der Versichertengelderzuwege bringt.Vizepräsidentin Petra Pau:Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagenauf den Drucksachen 17/12451 und 17/12213 an die inder Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.– Sie sind damit einverstanden. Dann ist so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 35 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Innenausschusses (4. Ausschuss)– zu dem Antrag der Abgeordneten WolfgangGunkel, Heinz-Joachim Barchmann, GabrieleFograscher, weiterer Abgeordneter und derFraktion der SPDÜbermittlung von Fluggastdaten nur nacheuropäischen Grundrechts- und Datenschutzmaßstäbenhier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Artikel 23 Absatz 3 desGrundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 EU-ZBBG zum RichtlinienvorschlagKOM(2011) 32 endg.– zu dem Antrag der AbgeordnetenDr. Konstantin von Notz, Wolfgang Wieland,Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKeine Vorratsspeicherung von Fluggastdaten– Richtlinienvorschlag über die Verwendungvon FluggastdatensätzenKOM(2011) 32 endg.; Ratsdok. 6007/11hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Artikel 23 Absatz 3 desGrundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 EU-ZBBG– Drucksachen 17/6293, 17/5490, 17/12473 –Berichterstattung:Abgeordnete Clemens BinningerWolfgang GunkelGisela PiltzJan KorteDr. Konstantin von NotzWie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden dieReden zu <strong>Protokoll</strong> genommen.Clemens Binninger (CDU/CSU):Ich habe volles Vertrauen in die Bundesregierung,und ich habe volles Vertrauen, dass sich Deutschlandunter Federführung des Bundesinnenministers aufEU-Ebene erfolgreich für eine Fluggastdaten-Richtli-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28149Clemens Binninger(A)(B)nie einsetzt, die praktikabel ist, die unserer Sicherheitdient und die gleichzeitig angemessene Datenschutzstandardsgewährleistet.Die Auswertung von Fluggastdaten ist nämlich unverzichtbar.Terrorismus und organisierte Kriminalitätmachen nicht an Landesgrenzen halt, sondern sind immerstärker international vernetzt. Wenn wir Sicherheitunter diesen sich verändernden Voraussetzungengewährleisten wollen, müssen wir unseren Behördenauch Instrumente an die Hand geben, um angemessenGefahren abwehren und Straftaten verfolgen zu können.Fluggastdaten geben hier Auskunft über Reiseroutenvon Tatverdächtigen und Terrorverdächtigen. Dassind Erkenntnisse, die von enormer Bedeutung sindund die in dieser Form nicht anders in Erfahrung gebrachtwerden können. Die Erkenntnisse aus diesenDaten tragen auch entscheidend dazu bei, Kriminelleoder Terroristen zu identifizieren. Immer mehr Staaten– darunter auch viele unserer Partner – nutzen Fluggastdatenzur Verfolgung und Abwehr von Terrorismusund schweren Straftaten wie etwa Menschenhandeloder Drogenschmuggel. Heute schon profitieren Sicherheitsbehördenin Europa von entsprechendenRückmeldungen. Die EU-Staaten und unsere Partnerländerkönnen auf Erfolge bei der Aufdeckung und Bekämpfungterroristischer und krimineller Netzwerkeverweisen, für die Fluggastdaten von großer Bedeutungwaren. Deshalb ist die Verwendung von Fluggastdatenunverzichtbar. Und deshalb diskutieren wir überdie Fluggastdaten-Richtlinie der EU auch im DeutschenBundestag.Es freut mich, dass SPD und Grüne das genauso sehenund die Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatenin ihren Anträgen nicht grundsätzlich ablehnen.Alles andere wäre auch unglaubwürdig,schließlich waren es SPD und Grüne, die die Fluggastdatennutzungin Deutschland eingeführt haben. 2004hat die damalige rot-grüne Bundesregierung dem erstenPNR-Abkommen mit den USA zugestimmt, das alseine der Grundlagen für den Richtlinienentwurf, denwir heute debattieren, gelten darf. Es handelte sich dabeiallerdings um ein Abkommen, das in keiner Weiseden Datenschutzanforderungen genügt hat, die SPDund Grüne heute in ihren Anträgen fordern. Insoferndokumentieren die vorliegenden Anträge auch einengewissen Lernprozess, was man auch einmal positivfesthalten darf.Alle Verbesserungen im Bereich des Datenschutzes,die es auf diesem Feld seither gab – also im Abkommenmit den USA 2007, im neuen Abkommen mit denUSA, das im letzten Jahr vom Europäischen Parlamentverabschiedet wurde, in den Abkommen mit weiterenStaaten –, wurden von Bundesinnenministern derCDU/CSU auf europäischer Ebene verhandelt. Dasgilt auch für den Richtlinienentwurf, über den wirheute sprechen. Deshalb braucht diese Bundesregierungkeine formale Aufforderung von SPD und Grünenund auch keinen Parlamentsvorbehalt für die Verhandlungen.Daher werden wir die beiden Anträge ablehnen.Die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortungfür Sicherheit und Grundrechtsschutz auch ohne solcheHinweise sehr wohl bewusst. So hat sie sich imZuge der Beratungen neben vielen anderen datenschutzrechtlichenVerbesserungen insbesondere dafüreingesetzt, die erhobenen PNR-Daten so weit wie möglichnur in anonymisierter oder pseudonymisierterForm vorzuhalten und auszuwerten, die Speicherfristendeutlich zu reduzieren und für die sogenannte reaktiveNutzung hohe Eingriffsschwellen vorzusehen.Im Europäischen Parlament liegen noch etliche Änderungsanträgezur PNR-Richtlinie auf dem Tisch, diedebattiert werden müssen und die sich teilweise mitdem decken, was die beiden Anträge fordern. Ichmöchte dabei nur auf drei zentrale Punkte eingehen.Mir stellt sich die Frage, ob die Speicherdauer– 30 Tage offen, dann pseudonymisiert für fünf Jahre –notwendig oder zu lange ist. Hier muss sehr genauüberlegt und begründet werden, ob es wirklich fünfJahre sein sollen. Aus meiner Sicht könnten es auchweniger sein. Ehrlicherweise ist aber auch festzuhalten:Diese Daten werden nicht gespeichert, weil derStaat es will. Diese Daten sind alle schon heute bei denFluggesellschaften vorhanden und werden dort auchheute schon mehrere Jahre gespeichert. Es geht also inerster Linie um die Frage, ob wir unter bestimmten Voraussetzungenden Sicherheitsbehörden diese Datenzur Verfügung stellen, um Anschläge zu verhindern,schwere Straftaten aufzuklären oder Verdächtige zuidentifizieren.Eine weitere Frage: Sollen nur Flüge von außerhalbin die EU erfasst werden oder auch Flüge innerhalbder EU? Letzteres lehnen SPD und Grüne ab.Diese Argumentation ist unlogisch, denn wir müssenuns darüber klar sein, dass die Gefährlichkeit etwavon Terrorverdächtigen nicht geringer wird, weil sievon Barcelona nach Berlin fliegen statt von Beirutnach Berlin. Die Beantwortung dieser Frage muss sichmeiner Einschätzung nach deshalb an der Gefährlichkeitder Personen orientieren. Aus gutem Grund hatdas Vereinigte Königreich – unterstützt von einer ganzenReihe EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich, Spanien,Italien, Tschechien, Irland, Niederlande, Estlandoder Dänemark und Zypern – eine Einbeziehung innereuropäischerFlüge gefordert.Für mich ganz persönlich stellt sich auch eine dritteFrage, bei der ich auch Bedenken, die in den beidenAnträgen angesprochen werden, ein Stück weit aufgreifenmöchte. Das oberste Ziel ist, zu verhindern,dass ein Terrorverdächtiger ein Flugzeug besteigt. Darankann es keinen Zweifel geben. Auch um schwereStraftaten aufzuklären, ist die Verwendung der Datenabsolut berechtigt. Deshalb ist es eine wesentlicheZielrichtung bei der Nutzung von Fluggastdaten, Kriterienzu erkennen, mit denen Verdächtige identifiziertwerden können, was am Ende einer Art Rasterfahn-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28150 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Clemens Binninger(A)(B)dung gleichkommt. Hier hat uns das Bundesverfassungsgerichtganz klar aufgegeben: Die Rasterfahndungist zulässig, sie muss aber an eine konkreteGefahr geknüpft sein. Das heißt, eine pauschale Ermächtigung,diese Daten quasi jede Woche auf irgendwelcheAuffälligkeiten hin zu durchleuchten, ist rechtlichnach unserem Verständnis schwer abzubilden.Deshalb ist es notwendig, dass ein Bezug zu einer konkretenGefahr, dem begründeten Verdacht auf Terrorismusoder schwere Straftaten besteht.Diese und andere Fragen müssen noch auf europäischerEbene gemeinsam geklärt werden. Wir müssendabei auch akzeptieren, dass unsere Partner in Europadabei teilweise unterschiedlicher Ansicht sind. An denGrundzielen der PNR-Richtlinie gibt es aber nichtsmehr zu rütteln. Wir sollten dabei nicht vergessen, dassmit dieser PNR-Richtlinie eine echte Chance verbundenist, weil damit ein einheitlicher Rahmen geschaffenwerden kann, in dem einheitliche Standards definiertwerden. Es gab und gibt zurzeit zwischeneinzelnen Staaten einen Wildwuchs bilateraler Abkommen.Es war in der Vergangenheit und teilweise bisheute völlig unklar, wer wie viele Daten aus welchenEU-Staaten bekommt, wie lange sie gespeichert werden,wie sie genutzt werden und ob sie an Dritte weitergegebenwerden. Insofern ist die Richtlinie, durchdie Einheitlichkeit hergestellt wird, sehr zu begrüßen.Und ich bin sicher, dass wir am Ende auch zu einemguten Ergebnis kommen werden.Wolfgang Gunkel (SPD):Einmal mehr, aber bestimmt nicht zum letzten Maldiskutieren wir die Problematik der Fluggastdaten.Auch der Innenausschuss des Europäischen Parlamentswollte im vergangenen Dezember kurz vor derWeihnachtspause den Vorschlag der EuropäischenKommission für die Fluggastdaten-Richtlinie debattieren.Die Debatte wurde nun auf unbestimmte Zeit verschoben,da diese Richtlinie im Parlament höchst umstrittenist. Es bleibt also zu hoffen, dass die Parlamentariermehr datenschutzrechtlichen Weitblick besitzenals die Regierungsvertreterinnen und -vertreter,die auf dem Rat der Justiz- und Innenminister im April2012 die Richtlinie billigten.Auch wenn die Bundesregierung in dieser Frageähnlich zerstritten ist wie bei der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung,können wir davon ausgehen,dass die Speicherung von Fluggastdaten innerhalb Europaskommen wird. Pauschale Ablehnung nutzt andieser Stelle nicht viel. Vielmehr ist es geboten, die datenschutzrechtlichenBelange so zu stärken, dass dieSpeicherung mit geringstmöglichen Eingriffen erfolgt.Die SPD fordert deshalb die Bundesregierung auf,unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes einigePunkte in den Beratungen zu dem Richtlinienentwurfdringend nachzuverhandeln. In dem heute hier von derSPD-Fraktion eingebrachten Antrag werden diesePunkte konkret aufgeführt.Ich möchte noch einmal betonen, dass für michMaßstab für Art und Umfang der erhobenen Daten dieAPI-Daten sind. § 31 a Bundespolizeigesetz beschreibtvöllig ausreichend, wann welche Daten erhoben werdenund vor allem, wie lange sie gespeichert werden.Es handelt sich dabei um zehn Datensätze, wie persönlicheAngaben, aber auch Abflugsort und -zeit sowieDetails über die Reisedokumente. Gespeichertwerden diese Daten 24 Stunden, außer sie werden fürGrenzkontrollen oder zur Strafverfolgung wegen illegalerEinreise benötigt.Diese Daten können ohne Weiteres auch für die Terrorismusbekämpfungoder Fälle schwerer Kriminalitätanwendbar gemacht werden.Die Europäische Kommission hat nicht ausreichendbegründet, warum dieser Datenbestand ungenügendsein soll. Zwar erlaubten es die API-Daten der KOMzufolge nicht, „,unbekannte‘ Verdächtige so zu identifizierenwie dies mit einer Auswertung von PNR-Datenmöglich ist“ – KOM(2011) 32 endg., S. 5. Diese Aussagewird jedoch nicht näher belegt.Ich dagegen denke nicht, dass der Verwendung derAPI-Daten ein plausibler Grund entgegensteht. So istauch der Bundesrat in seinem Beschluss zum Richtlinienvorschlagvom 18. März 2011 zu dieser Schlussfolgerunggekommen.Die Speicherfrist ist zu lang und sollte aus Gründender Verhältnismäßigkeit verändert werden. Sie beträgtgrundsätzlich 30 Tage und soll dann noch einmal mitVerschlüsselung um fünf Jahre verlängert werden. Tatsächlichkann aber auf diese Daten unter bestimmtenVoraussetzungen im Klartext zugegriffen werden.Die bisher bekannt gewordenen Ergebnisse der aufeuropäischer Ebene erfolgten Evaluierung haben ergeben,dass eine Speicherfrist von sechs Monaten zurStrafverfolgung nicht erforderlich ist. Circa 70 Prozentder Abfragen von Daten erfolgen in den ersten dreiMonaten; der Anteil steigt auf 85 Prozent, wenn dieDaten maximal sechs Monate alt sind. Dieses Ergebnisdeckt sich mit den Erfahrungen auf nationaler Ebene.In den USA, wo die Speicherung der PNR-Datennun schon seit einigen Jahren erfolgt, gab es genau einenFall, in dem die Überprüfung sämtlicher Passagierezu einem Gerichtsverfahren führte. Wenn mandas an den Millionen Daten misst, die seitdem abgespeichertwurden und weiterhin werden, muss man dieSinnhaftigkeit dieses Verfahrens stark bezweifeln.Da in der Richtlinie bisher nicht eindeutig erkennbarist, wie die Übermittlung der Daten erfolgt, stelltunser Antrag klar, dass die Beantwortung individuellerAnfragen der zuständigen Sicherheitsbehörden anhanddes sogenannten Push-Systems zu erfolgen hat.Bei diesem hat die anfragende Behörde keinen direktenZugriff auf die Daten. Vielmehr werden ihr dieseauf Anfrage von der speichernden Behörde übermittelt.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28151Wolfgang Gunkel(A)(B)Ich habe einige Punkte, die der SPD-Bundestagsfraktionwichtig sind, herausgegriffen. Die Fluggastdatenwerden kommen. Fraglich ist, wie sie gestaltetwerden. Eine grundsätzliche Ablehnung, so wie im Antragder Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschrieben,teilen wir nicht. Dieser Antrag ist abzulehnen.Für den Antrag der SPD-Fraktion bitte ich um Zustimmung.Gisela Piltz (FDP):In meiner Rede zur ersten Lesung zum Antrag derSPD-Fraktion habe ich versprochen, dass die FDP-Fraktion hier im Bundestag wie schon bisher auchkünftig gemeinsam mit der Bundesregierung und derliberalen Fraktion im Europaparlament die Entwicklungenin Sachen Fluggastdaten kritisch und genaubetrachten wird und zugleich die Bundesregierung darinunterstützen wird, im Falle einer Mehrheit in Europasich mit aller Kraft für ein hohes Niveau an Datenschutzund Rechtsschutz einzusetzen und sowenigstens das, was nach dem rot-grünen Sündenfallin Sachen PNR noch zu retten ist, auch tatsächlich imSinne unseres Rechtsstaates zu retten.Denn das muss an dieser Stelle noch einmal ausdrücklichbetont werden: Wer hat’s erfunden? Die Antwortist ganz klar und eindeutig: Rot-Grün. Denn zuZeiten der rot-grünen Bundesregierung wurde erstmalsein PNR-Abkommen, damals zwischen EU undUSA, beschlossen. Damit war der Damm gebrochen –und heute stehen wir vor dem Scherbenhaufen undmüssen uns mit dem Vorschlag der Kommission, auchinnereuropäisch auf Vorrat die Daten von Flugpassagierenzu sammeln und zu speichern, auseinandersetzen.Deshalb ist es schon erstaunlich, dass ausgerechnetSPD und Grüne heute so tun, als seien sie besonderskritisch. Sie sind es nicht. Sie haben den Grundsteingelegt für diese verfehlte Politik der EU.Die Bundesregierung hat sich bei der – allerdingsnoch nicht abschließenden – Abstimmung im Rat fürJustiz und Inneres der Stimme enthalten, zum einen,weil es generelle Zweifel an der Verhältnismäßigkeitgibt, zum anderen, weil die Gesamtspeicherdauer vonfünf Jahren zu lang erscheint. Eine Mehrheit für Fluggastdatenspeicherunggab es unter den Mitgliedstaatendennoch. Leider, muss man sagen. Besondersbedauerlich ist, dass sich die Mitgliedstaaten mehrheitlichsogar für ein Weniger an Datenschutz aussprechenals die Kommission. Statt wie von der Kommissionvorgeschlagen für 30 Tage, sollen diePassagierdaten nun für ganze zwei Jahre im Klartextund ohne Anonymisierung oder Pseudonymisierunggespeichert werden. Neu ist zudem, dass die Mitgliedstaatenentscheiden können sollen, ob oder ob sie nichtDaten für innereuropäische Flüge erheben. Der Vorschlagder Kommission hatte innereuropäische Flügeaußen vor gelassen. Beide Mehrheitsvorschläge widersprechendiametral dem Ziel der schwarz-gelbenKoalition, im Falle, dass es überhaupt eine EU-Fluggastdatenspeicherunggibt, wenigstens ein hohes Datenschutzniveauzu verankern. Für die FDP-Fraktionsage ich an dieser Stelle ganz klar: Für Deutschlandlehnen wir eine Speicherung von Daten auch innereuropäischerFlüge strikt ab.Wann der Rat endgültig entscheiden wird, ist nichtabsehbar. Auch ist nicht absehbar, wie es im Europaparlamentweitergeht. Der Ausschuss für bürgerlicheFreiheiten hat noch nicht entschieden und auch nochkeinen abschließenden Zeitplan vorgelegt. Die deutschenLiberalen im Europaparlament – allen vorander deutsche Vizepräsident Alexander Alvaro, dem ichan dieser Stelle nach einem schweren Autounfall diebesten Genesungswünsche übermitteln möchte, ebensowie den anderen, die bei dem schrecklichen Unfall verletztwurden – haben sich kritisch zu den Vorschlägengeäußert. Wie auch die Liberalen im Bundestag sehensie das anlasslose Sammeln von Fluggastdaten alshöchst problematisch an.Ich will auch gar nicht verhehlen, dass wir in vielenPunkten die Kritik in den hier zu beratenden Anträgendurchaus teilen. Wenn es nach der FDP-Fraktionginge, würden wir auf diese neuerliche Vorratsdatenspeicherunginsgesamt gut und gerne verzichten. Wirmüssen nur leider anerkennen, dass die Mehrheiten inder EU anders sind. Daran ändert leider auch dieStimme der Bundesregierung im Rat nichts. Damitmüssen wir umgehen. Und es muss uns mindestens einAnliegen sein, dann das zu retten, was zu retten ist undeine verfehlte Maßnahme mit hohen Datenschutzstandardszu flankieren. Im aktuellen Vorschlag gibt es danoch viel zu tun. Die Speicherfristen sind zu lang. DieWeiterleitung an Drittstaaten muss deutlich restriktivergeregelt werden. Die Einbeziehung innereuropäischerFlüge und erst recht die Schaffung eines Präzedenzfallsfür andere Verkehrsmittel muss unter allenUmständen verhindert werden. Die FDP-Fraktion istdeshalb froh, dass die Bundesregierung im Rat auf einhohes Datenschutzniveau dringt.Aber zugleich muss ich doch feststellen, dass derAntrag, den die SPD hier vorlegt, an Heuchelei kaumzu überbieten ist. Die SPD, die sich für die Vorratsdatenspeicherungeinsetzt, hat auch kein grundsätzlichesProblem mit der Fluggastdatenspeicherung auf Vorrat,und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht,als es das Gesetz der damaligen SPD-JustizministerinZypries für nichtig erklärte, ausführte, dass „die Speicherungder Telekommunikationsverkehrsdaten nichtals Schritt hin zu einer Gesetzgebung verstanden werden“darf, „die auf eine möglichst flächendeckendevorsorgliche Speicherung aller für die Strafverfolgungoder Gefahrenprävention nützlichen Daten zielte“.Wenn die SPD fordert, sich an dem Urteil zu orientieren,dann sollte sie auch konsequent sein.Im Mai 2004 haben die Grünen gegen einen Antragder FDP-Fraktion gestimmt, in dem wir rechtstaatlicheGarantien und Datenschutz bei dem Abkommen zuFluggastdaten, das damals von der rot-grünen Regierungin Brüssel abgenickt worden war, gefordert ha-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28152 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Gisela Piltz(A)(B)ben. Heute erinnern sich die Grünen daran nicht mehrund wollen uns hier Nachhilfe in Bürgerrechten erteilen.Das haben wir nicht nötig. Unsere Bundesjustizministerinhat in Brüssel nicht zugestimmt und wirddies auch nicht tun.Wir haben – auch das haben Sie ohnehin allegeahnt – in Sachen Fluggastdatenspeicherung unterschiedlicheHaltungen zwischen FDP und Union. Daskommt ja durchaus vor, dass auch Wunschkoalitionspartnernicht immer ein und derselben Meinung sind;man sieht ja beispielsweise auch, dass die SPD Fluggastdatenspeicherungennicht grundsätzlich ablehnt,die Grünen aber genau das in ihrem Antrag fordern.Aber in der schwarz-gelben Koalition halten sich alleKoalitionspartner an den Koalitionsvertrag. Und dortheißt es, dass wir im Falle eines EU-Vorschlags für einhohes Datenschutz- und Rechtschutzniveau eintretenwerden. Das ist – vor dem Hintergrund der nicht zuleugnenden Realität in der EU – immerhin richtig.Und da sind wir auch auf dem richtigen Weg, wenn dieBundesregierung im Rat ihre Zustimmung verweigertzu Vorschlägen, die diesem Anspruch nicht gerechtwerden. Mit unserer Justizministerin erreichen wir dasicherlich mehr, als Rot-Grün es in vergleichbarenFällen in der Vergangenheit getan hat.Um zum anfänglichen Versprechen zurückzukommen:Wir haben das eingehalten. Und deshalb kanndie Koalition den Anträgen von SPD und Grünen nichtzustimmen. Viele Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion haben jedoch, wie auch ich, eine persönlicheErklärung abgegeben, in der wir deutlich machen,dass unsere Haltung zu Fluggastdatenspeicherung unverändertablehnend ist.Jan Korte (DIE LINKE):Der Vorschlag für eine Richtlinie über die Verwendungvon Fluggastdaten soll die anlass- und verdachtsunabhängigeErfassung der Daten aus denBuchungssystemen der Fluggesellschaften an einedeutsche Zentralstelle der Sicherheitsbehörden ermöglichen,die dort fünf Jahre gespeichert werden. VorrangigesZiel soll dabei die Identifizierung in terroristischeStraftaten oder schwere Kriminalität verwickelter, bisheraber unerkannter Verdächtiger sein.Das in der Richtlinie gewählte Verfahren führt – wiedie 81. Konferenz der Datenschutzbeauftragten desBundes und der Länder zu Recht und nachdrücklichfestgestellt hat – zu einem systematischen Zusammenspielvon Vorratsdatenspeicherung und Rasterfahndung.Die Datenübermittlung, wie auch die Länge derSpeicherfristen, verstoßen gegen die EU-Grundrechtechartaund das in der Bundesrepublik Deutschlandverfassungsmäßig garantierte Recht auf informationelleSelbstbestimmung. Das ist nicht hinnehmbarund zumindest für meine Fraktion auch schon im Ansatznicht diskussionsfähig. Denn: Die Richtlinie verstößtinsbesondere gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichtsvom 2. März 2010, 1BvR 256/08, zurVorratsdatenspeicherung. Das erklärt nämlich Speicherfristenvon maximal sechs Monaten nur unter bestimmtenBedingungen für zulässig und fordert zudemkategorisch, dass die Bundesregierung sich auf europäischerEbene für die Wahrung der verfassungsrechtlichenIdentität der Bundesrepublik Deutschland undihrer Bürgerinnen und Bürger einzusetzen hat.Ein konkreter Nachweis über die Effektivität und dieNotwendigkeit einer Fluggastdatenvorratsspeicherungbei der Vorsorge und Bekämpfung von Terrorismuswurde bisher nicht erbracht; eine konkrete Evaluierungder existierenden Abkommen mit den USA,Kanada und Australien liegt nicht vor. Eine Evaluierungder Änderungen im Bundespolizeigesetz, wie sieim Dritten Gesetz zur Änderung des Bundespolizeigesetzes,BGBl. Teil I 2007 Nr. 70, 31.Dezember 2007,zur Einführung einer kleinen PNR-Regelung vorgenommenwurden, liegt ebenfalls nicht vor. Eine Ausweitungim Sinne der Richtlinie kann also auch nichtmit möglichen Defiziten dieser Regelungen begründetwerden.In der Antwort auf meine Schriftliche Frage imMärz 2011, Arbeits-Nr. 3/243, wurde bereits eine vielzu passive Rolle der Bundesregierung in der Diskussionzur Ausweitung der PNR-Regelungen auf innereuropäischeFlüge oder gar auf Bahn- und Schiffsverkehrdeutlich, die unverzüglich korrigiert werdenmuss.Den Bedenken, die der Bundesrat für die Länder inseiner Pressemitteilung vom 18. März 2011 zu demRichtlinienvorschlag geäußert hat und mit denen ereine verfassungsrechtliche Überprüfung des Vorschlagseinleuchtend begründete, kann nur sinnvollstattgegeben werden, wenn die Bundesregierung demRichtlinienvorschlag auf keinen Fall zustimmt. Esmüsste hier und heute also darum gehen, dass derDeutsche Bundestag die Bundesregierung auffordert,erstens dem Vorschlag auf Ratsdok.-Nr. 6007/11 vom4. Februar 2011 auf keinen Fall zuzustimmen und dasInkrafttreten zu verhindern und zweitens jeglichenÜberlegungen auf europäischer Ebene nach einerAusweitung von PNR-Verfahren auf innereuropäischeFlüge und auf den Bahn- und Schiffsverkehr aktiv entgegenzutreten.Was bieten uns in dieser Hinsicht die vorgelegtenAnträge von SPD und Grünen? Der Antrag der Grünenfordert die Bundesregierung unter anderem auf,die in der Richtlinie der EU-Kommission zur Fluggastdatenerfassungangelegte Vorratsdatenspeicherung abzulehnen,einen staatlichen Datenpool nicht zuzulassenund die Speicherfristen von anfallenden Datendrastisch zu kürzen.Geltend gemacht werden dazu eine Reihe verfassungsmäßigerBedenken, darunter Verstöße gegen dasvon mir schon erwähnte Urteil des Bundesverfassungsgerichtsin Sachen Vorratsdatenspeicherung sowiegravierende Lücken im zugrunde gelegten Rahmenbeschluss2008/977/JI bei den Datenschutzvorschriften.(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28153Jan Korte(A)(B)Dieser Analyse des Antrags ist wenig hinzuzufügen,und auch der Antragstitels lässt eigentlich hoffen:„Keine Vorratsspeicherung von Fluggastdaten“. Wäredies also tatsächlich im Forderungsteil umgesetzt,könnte man dem ja ohne Wenn und Aber zustimmen.Der Sieben-Punkte-Forderungskatalog des Antragsder Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird dem Titelleider nicht mehr gerecht. Im Gegenteil: Der grüneAntrag ist eine Demonstration des schrittweisen Rückzugsmit vollen Backen. Sehen wir uns Punkt 6 an:Falls ein Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherungnicht durchsetzbar ist, soll deren Ausdehnung auf innereuropäischeFlüge abgelehnt werden. Oder Punkt 7:Falls ein Verzicht einer Vorratsdatenspeicherung beiFlügen nicht durchsetzbar ist, sollen jedenfalls diePassagierdaten, die bei Nutzung anderer Verkehrsmittelanfallen, verschont werden.Hier wird zwar der zu Recht geringe Glaube in denVerhandlungswillen der Bundesregierung deutlich,trotzdem klingt es doch sehr nach der Bestellung derHenkersmahlzeit: Nun auch jeweils schon die nächsteVerhandlungslinie vorzuschlagen, ist im Rahmen einersolchen Stellungnahme nicht besonders sinnvoll.Nun zum Antrag der SPD: Wie die Grünen wendetsich auch die SPD mit ihrer Stellungnahme gegen denRichtlinienvorschlag, da die Richtlinie eine klassischeVorratsdatenspeicherung fordere. Da die dafür vomBundesverfassungsgericht vorgegebenen strengerenVorgaben nicht berücksichtigt sind, fordert die SPDeine datenschutzrechtliche Nachbesserung. Danebenwird zu Recht auch der Umfang der zu speicherndenund zu übermittelnden Daten kritisiert. Des Weiterenwerden Speicherfristen, rasterfahndungsähnliche Abgleichverfahrenund die drohende Einführung einessolchen Verfahrens für innereuropäische Flüge undandere Verkehrsmittel kritisiert.So sinnvoll einzelne Forderungen der SPD in ihremKatalog sind, so problematisch ist ihre Grundannahme,die uns hier wieder einmal begegnet, nämlichdass es eine datenschutz- und grundrechtskonformeVorratsdatenspeicherung überhaupt geben kann. Unddieser naiven Vorstellung schließt sich die nicht belegteAnnahme an, dass die Passagierdatenspeicherungtatsächlich ein wirkungsvolles Mittel im Kampfgegen den Terrorismus oder andere schwere Kriminalitätsei.Wenn alle hier im SPD-Antrag vorgelegten Verbesserungsvorschlägein der Richtlinie aufgenommenwerden würden, würde sich überhaupt nichts daranändern, dass jeder und jede, der und die in ein Flugzeugsteigt, einem Generalverdacht ausgesetzt und datenschutzrechtlichdiskriminiert wird. Sie ändern reingar nichts an der Tatsache, dass hier eine anlassloseVorratsdatenspeicherung stattfindet, deren Nutzensachlich nicht nachgewiesen ist.Wir werden weder einer Vorratsdatenspeicherunglight zustimmen, noch der sicherlich nett gemeintenVerhandlungsstrategie der Grünen für die Bundesregierung,die aber wenigstens verstanden zu habenscheinen, dass die Vorratsdatenspeicherung ein Problemist. Den Antrag der SPD-Fraktion lehnen wir ab.Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):Die Vorratsspeicherung von Fluggastdaten, ihreVerwendung zu Zwecken der Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfungin ganz Europa und ihre Weiterleitungin die USA und Australien haben uns hierschon mehrfach beschäftigt. Heute diskutieren wir zumzweiten Mal über den grünen Antrag zum EU-Richtlinienentwurfzur Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten.Mit diesem Antrag fordern wir die Bundesregierungschlicht auf, ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht nachzukommen,bei den Verhandlungen in Brüssel eine verfassungskonformePosition zu vertreten. Die einzigverfassungskonforme Position zu diesem Richtlinienentwurfist seine Ablehnung, da der Richtlinienentwurfden EU-Grundrechten widerspricht und weil er auchnicht verfassungskonform umsetzbar ist. Denn es sindkeine behebbaren Kleinigkeiten, die im Richtlinienentwurffalsch liegen; es ist das Gesamtkonzept des Vorhabens,das völlig konträr zu deutschen und europäischenGrundrechten liegt.Noch nicht einmal die Erforderlichkeit der Fluggastdatenspeicherungfür die Verhütung und Bekämpfungdes Terrorismus und der schweren Kriminalitätist nachgewiesen, geschweige denn, dass die enormhohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtsan Vorratsdatenspeicherungen und präventive Rasterungvon Daten auch nur annähernd erfüllt wären. Siefinden eine eingehende rechtliche Argumentation zurEU-Grundrechtswidrigkeit und zur Verfassungswidrigkeitdieses Richtlinienentwurfs in unserem Antrag.Wir haben diese übrigens auch gegenüber Vertreternder Bundesregierung in den Ausschüssen des Bundestagesmehrfach vorgetragen.Ich spare mir die Mühe, diese Argumente hier allenoch einmal vorzutragen; denn sie sind ja, auch beiCDU/CSU und FDP, durchaus bekannt. Wir haben esschon seit zwei Jahren schwarz auf weiß, dass ein Teilder Bundesregierung beim Richtlinienentwurf ebenfallsmassive verfassungsrechtliche Bedenken hat.Ich spare mir auch die Mühe der weiteren verfassungsrechtlichenArgumentation, weil ich zu dem Schlussgekommen bin, dass diese schwarz-gelbe Merkel-Regierunggar kein Interesse daran hat, den Schutz derGrund- und Bürgerrechte des Grundgesetzes als Maßstabder EU-Politik durchzusetzen. Die Argumentemüssten ja sonst langsam zu allen durchgedrungensein. Nicht nur der Bundesbeauftragte für den Datenschutz,sondern auch die europäischen Datenschutzbeauftragtenund die EU-Grundrechteagentur, selbst derjuristische Dienst des Rates der EU – ja, genau des Organesder EU, in dem die Regierungen der Mitgliedstaatenvertreten sind – halten den Richtlinienentwurffür grundrechtswidrig. Auch der Bundesrat ist, im We-(C)(D)Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden


28154 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013Dr. Konstantin von Notz(A)(B)sentlichen wegen datenschutzrechtlicher Bedenken,dagegen.Dennoch: Schwarz-Gelb mit Merkel an der Spitzesetzt offenbar lieber auf den Grundrechteabbau durchdie europäische Hintertür. Man glaubt es kaum: Dawird in Brüssel eine Richtlinie verhandelt, die allemwiderspricht, was das Bundesverfassungsgericht unszum Datenschutz aufgegeben hat. Und was macht dieschwarz-gelbe Merkel-Regierung im Wissen um dieseverfassungsrechtlichen Probleme? Wie immer: Sie sitztaus, sie schweigt, sie enthält sich – das haben wir dankeiner Kleinen Anfrage der Linken nun öffentlich undschriftlich – in der entscheidenden Frage der Stimme.Es geht hier nicht um ein Detail oder eine kleine Besonderheitdes deutschen Datenschutzrechts, die es zuschützen gilt. Es geht um den elementaren, in der Menschenwürdebegründeten Schutz der Bürgerinnen undBürger vor Rundumüberwachung. Es geht um eine anlassloseÜberwachung und Rasterung von Daten, diehöchst anfällig ist für unzulässig diskriminierendePraktiken der Sicherheitsbehörden. Berührt sind hierdie Grundfesten unseres Verfassungsstaates. Das Bundesverfassungsgerichthat zu Recht deutlich gemacht,dass weitere Vorratsdatenspeicherungen gegen daszentrale Gebot des Grundgesetzes verstoßen – ich zitiere–: „Die Freiheitswahrnehmung der Bürger darfnicht total erfasst und registriert“ werden. Da das Gerichtdie unsichere Haltung der Bundesregierung inderartigen Fragen kennt, hat es versucht, ihr die Folgenganz deutlich zu machen: Für die Wahrung diesesGrundsatzes hat sich – Zitat – „die Bundesrepublik ineuropäischen und internationalen Zusammenhängeneinzusetzen“. Die Stimmenthaltung in Brüssel ist alsonicht nur politisch ein verheerendes Signal, sondernsie ist auch verfassungswidrig.Leider müssen wir auch bei der laufenden Diskussionüber die Harmonisierung des EU-Datenschutzesberücksichtigen, dass die Bundesregierung sich nichtfür den Datenschutz einsetzt und die Schaffung starkerDatenschutzstandards eher blockiert, als sie zu befördern.Es gibt also in Wirklichkeit auch keine Abstufungdes Handelns dieser Bundesregierung in Sachen Datenschutzder Wirtschaft und Datenschutz der öffentlichenVerwaltung. In beiden Fällen versucht sie, zugunstender Bürgerinnen und Bürger bestehenderechtliche Bindungen aufzuweichen. Dabei geht es ihrwechselweise um die öffentliche Sicherheit oder die Interessender Unternehmen. Das Allgemeinwohl oderdie Grundrechte werden stets nachrangig eingestuft.Dass die Bundesregierung die Verhandlungen überdie Vorratsspeicherung von Fluggastdaten so geschehenlässt, erzeugt ein politisches Klima, das es der EU-Kommission ermöglicht, schon vor Verabschiedungder Fluggastdatenrichtlinie eine Ausschreibung inHöhe von 50 Millionen Euro zu veröffentlichen, um dieSchaffung der staatlichen Fluggastpools, die die Richtlinievorschreibt, zu fördern. In diesem politischenKlima hat die International Air Transport Association,die IATA, nun auch ein Konzept für eine New DistributionCapability, NDC, entwickelt. Hinter diesem Projektverbirgt sich eine private Vorratsspeicherung vonFluggastdaten, die dazu dienen soll, maßgeschneidertePreisangebote je nach Geldbeutel des Kunden zumachen. Die Pläne der IATA widersprechen dem geltendeneuropäischen Datenschutzrecht. Aber wen störtdas, wenn die Mitgliedstaaten im Rat seelenruhig übergrundrechtswidrige Richtlinien beraten?Die Enthaltung der Bundesregierung bei der Fluggastdatenrichtliniezeigt ihre Handlungsunfähigkeitund ihre mangelnde Sensibilität für Grund- und Bürgerrechte.Sie zeigt aber vor allem auch eine erschreckendeeuropapolitische Blindheit. Müsste das Bundesverfassungsgerichtüber ein Gesetz zur Umsetzungder Fluggastdatenrichtlinie entscheiden, könnte dasmassive Folgen für den rechtlichen Zusammenhalt inder Europäischen Union haben. Denn das Bundesverfassungsgerichtstünde dann vor der Wahl, entwedererstmals das Europarecht direkt anzugreifen, weil eskeinen angemessenen Grundrechtsschutz gewährleistet,oder aber sich in Widerspruch zu seiner eigenenjüngsten Rechtsprechung zur Vorratsdatenspeicherungund zur präventiven Rasterfahndung zu setzen. ErsparenSie sich und uns diese Niederlage für die Grundrechtedes Grundgesetzes und die europäische Harmonisierung!Für die Verhütung und Bekämpfung des Terrorismusund der schweren Kriminalität brauchen wir sie nicht,diese Speicherung von 19 Datenkategorien von mehrals 1 Milliarde Flugpassagieren in der EU in einemstaatlichen Datenpool. Wir brauchen auch nicht denZugriff unzähliger Sicherheitsbehörden aus allen27 EU-Staaten auf deutsche Datenpools, schon garnicht, solange es für diese keine adäquaten EU-Datenschutzstandardsgibt. Wir brauchen ihn nicht, diesenpräventiven Abgleich mit anderen Datenbeständen.Und wir wollen sie nicht, diese zusätzliche anlassloseÜberwachung zulasten des Datenschutzes und um denPreis der Diskriminierung.Noch ist die Richtlinie zur Vorratsspeicherung vonFluggastdaten nicht verabschiedet. Deswegen heutenoch einmal mein Appell an die schwarz-gelbeMerkel-Regierung: Tragen Sie die Maßstäbe desGrundrechts auf informationelle Selbstbestimmungaus dem Grundgesetz nach Europa, statt den politischenGrundrechteabbau durch die europäische Hintertürzu betreiben! Positionieren Sie sich klar gegendiesen Richtlinienentwurf, und setzen Sie Ihre Verhandlungsmachtein. Hinter Ihnen steht nicht nur dasBundesverfassungsgericht, sondern hinter Ihnen stehenauch die Verfassungsgerichte anderer EU-Mitgliedstaaten,zum Beispiel von Österreich und Rumänien.Vizepräsidentin Petra Pau:Mir liegt eine Vielzahl von Erklärungen zur Abstimmungnach § 31 der Geschäftsordnung vor. 1) Wir1) Anlage 17(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28155Vizepräsidentin Petra Pau(A)nehmen all diese zu <strong>Protokoll</strong> und kommen zur Abstimmungüber die Beschlussempfehlung des Innenausschussesauf Drucksache 17/12473. Der Ausschuss empfiehltunter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung dieAblehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache17/6293.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Werstimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlungist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen,der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis90/Die Grünen gegen die Stimmen der SPD-Fraktionangenommen.Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnungdes Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünenauf Drucksache 17/5490. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung?– Wer stimmt dagegen? – Werenthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit denStimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktiongegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünenbei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.Ich danke Ihnen für die gute Zusammenarbeit bei unseremRitt durch nahezu alle Politikbereiche am Endeunserer Sitzung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestagesauf morgen, Freitag, den 1. März 2013, 9 Uhr,ein.Die Sitzung ist geschlossen.(Schluss: 22.41 Uhr)(C)(B)(D)


AnlagenDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28157(A)Anlagen zum Stenografischen Bericht(C)Anlage 1Liste der entschuldigten AbgeordnetenAbgeordnete(r)entschuldigt biseinschließlichAbgeordnete(r)entschuldigt biseinschließlichDr. Bartels, Hans-Peter SPD 28.02.2013Behrens, Herbert DIE LINKE 28.02.2013Brunkhorst, Angelika FDP 28.02.2013Burchardt, Ulla SPD 28.02.2013Canel, Sylvia FDP 28.02.2013Dr. von der Leyen,UrsulaCDU/CSU 28.02.2013Liebich, Stefan DIE LINKE 28.02.2013Dr. Lotter, Erwin FDP 28.02.2013Dr. h. c. Michelbach,HansCDU/CSU 28.02.2013Dağdelen, Sevim DIE LINKE 28.02.2013Möhring, Cornelia DIE LINKE 28.02.2013Gabriel, Sigmar SPD 28.02.2013Möller, Kornelia DIE LINKE 28.02.2013(B)Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 28.02.2013Gottschalck, Ulrike SPD 28.02.2013Gruß, Miriam FDP 28.02.2013Hardt, Jürgen CDU/CSU 28.02.2013Hinz (Herborn), Priska BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENHofmann (Volkach),Frank28.02.2013SPD 28.02.2013Müller (Aachen),PetraFDP 28.02.2013Nahles, Andrea SPD 28.02.2013Neumann (Bremen),BerndCDU/CSU 28.02.2013Ploetz, Yvonne DIE LINKE 28.02.2013Rawert, Mechthild SPD 28.02.2013Remmers, Ingrid DIE LINKE 28.02.2013(D)Keul, Katja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN28.02.2013Roth (Augsburg),ClaudiaBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN28.02.2013Kilic, Memet BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN28.02.2013Schmidt (Eisleben),SilviaSPD 28.02.2013Klamt, Ewa CDU/CSU 28.02.2013Korte, Jan DIE LINKE 28.02.2013Krestel, Holger FDP 28.02.2013Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN28.02.2013Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN28.02.2013Schreiner, Ottmar SPD 28.02.2013Schulz, Jimmy FDP 28.02.2013Staffeldt, Torsten FDP 28.02.2013Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN28.02.2013Wagenknecht,SahraDIE LINKE 28.02.2013Lange (Backnang),ChristianSPD 28.02.2013Wieczorek-Zeul,HeidemarieSPD 28.02.2013Leutheusser-Schnarrenberger,SabineFDP 28.02.2013Zimmermann,SabineDIE LINKE 28.02.2013


28158 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)Anlage 2Namensverzeichnisder Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiumsteilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 6)(C)(B)CDU/CSUIlse AignerPeter AltmaierPeter AumerDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannErnst-Reinhard Beck(Reutlingen)Manfred Behrens (Börde)Veronika BellmannDr. Christoph BergnerPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang Börnsen(Bönstrup)Wolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr. Reinhard BrandlHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeDr. Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexander DobrindtThomas DörflingerMarie-Luise DöttDr. Thomas FeistEnak FerlemannIngrid FischbachDirk Fischer (Hamburg)Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich(Hof)Michael FrieserErich G. FritzHans-Joachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr. Peter GauweilerDr. Thomas GebhartNorbert GeisAlois GerigEberhard GiengerMichael GlosJosef GöppelPeter GötzUte GranoldReinhard GrindelHermann GröheMarkus GrübelManfred GrundMonika GrüttersOlav GuttingFlorian HahnDr. Stephan HarbarthGerda HasselfeldtDr. Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilUrsula Heinen-EsserFrank HeinrichRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingErnst HinskenPeter HintzeChristian HirteRobert HochbaumKarl HolmeierFranz-Josef HolzenkampJoachim HörsterAnette HübingerHubert HüppeThomas JarzombekDieter JasperDr. Franz Josef JungAndreas Jung (Konstanz)Dr. Egon JüttnerBartholomäus KalbHans-Werner KammerSteffen KampeterAlois KarlBernhard KasterVolker KauderSiegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)Dr. Stefan KaufmannRoderich KiesewetterEckart von KlaedenEwa KlamtVolkmar KleinJürgen KlimkeAxel KnoerigJens KoeppenManfred KolbeDr. Rolf KoschorrekHartmut KoschykThomas KossendeyMichael KretschmerGunther KrichbaumDr. Günter KringsRüdiger KruseBettina KudlaDr. Hermann KuesGünter LachDr. Karl A. Lamers(Heidelberg)Andreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangeDr. Max LehmerPaul LehriederIngbert LiebingMatthias LietzDr. Carsten LinnemannPatricia LipsDr. Jan-Marco LuczakDaniela LudwigDr. Michael LutherKarin MaagDr. Thomas de MaizièreHans-Georg von der MarwitzAndreas MattfeldtStephan Mayer (Altötting)Dr. Michael MeisterDr. Angela MerkelMaria MichalkDr. Mathias MiddelbergPhilipp MißfelderDietrich MonstadtMarlene MortlerDr. Gerd MüllerStefan Müller (Erlangen)Dr. Philipp MurmannMichaela NollFranz ObermeierEduard OswaldHenning OtteDr. Michael PaulRita PawelskiUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferBeatrix PhilippRonald PofallaChristoph PolandRuprecht PolenzEckhard PolsThomas RachelDr. Peter RamsauerEckhardt RehbergKatherina Reiche (Potsdam)Lothar RiebsamenJosef RiefKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberJohannes RöringDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckErwin RüddelAlbert Rupprecht (Weiden)Anita Schäfer (Saalstadt)Dr. Wolfgang SchäubleDr. Annette SchavanDr. Andreas ScheuerKarl SchiewerlingNorbert SchindlerTankred SchipanskiGeorg SchirmbeckChristian Schmidt (Fürth)Patrick SchniederDr. Andreas SchockenhoffNadine Schön (St. Wendel)Dr. Kristina Schröder(Wiesbaden)Dr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerArmin Schuster (Weil amRhein)Detlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr. Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnCarola StaucheDr. Frank SteffelErika SteinbachChristian Freiherr von StettenDieter StierGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerKarin StrenzThomas Strobl (Heilbronn)Lena StrothmannMichael StübgenDr. Peter TauberAntje TillmannDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzVolkmar Vogel (Kleinsaara)Stefanie VogelsangAndrea Astrid VoßhoffDr. Johann WadephulMarco WanderwitzKai WegnerMarcus Weinberg (Hamburg)Peter Weiß (Emmendingen)Sabine Weiss (Wesel I)Ingo WellenreutherKarl-Georg WellmannPeter WichtelAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschElisabeth Winkelmeier-BeckerDagmar G. WöhrlDr. Matthias ZimmerWolfgang ZöllerWilli ZylajewSPDIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHeinz-Joachim BarchmannDoris BarnettKlaus BarthelSören Bartol(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28159(A)(B)Bärbel BasSabine Bätzing-LichtenthälerDirk BeckerLothar Binding (Heidelberg)Gerd BollmannKlaus BrandnerBernhard Brinkmann(Hildesheim)Edelgard BulmahnMarco BülowMartin BurkertPetra CroneMartin DörmannElvira Drobinski-WeißSebastian EdathyIngo EgloffSiegmund EhrmannDr. h. c. Gernot ErlerPetra ErnstbergerElke FernerGabriele FograscherDr. Edgar FrankeDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeGünter GloserAngelika Graf (Rosenheim)Kerstin GrieseGabriele GronebergWolfgang GunkelHans-Joachim HackerBettina HagedornKlaus HagemannMichael Hartmann(Wackernheim)Hubertus Heil (Peine)Wolfgang HellmichRolf HempelmannDr. Barbara HendricksGustav HerzogGabriele Hiller-OhmPetra Hinz (Essen)Dr. Eva HöglChristel HummeJosip JuratovicOliver KaczmarekJohannes KahrsDr. h. c. Susanne KastnerUlrich KelberLars KlingbeilHans-Ulrich KloseDr. Bärbel KoflerDaniela Kolbe (Leipzig)Fritz Rudolf KörperAnette KrammeAngelika Krüger-LeißnerUte KumpfChristine LambrechtDr. Karl LauterbachSteffen-Claudio LemmeGabriele Lösekrug-MöllerKirsten LühmannCaren MarksKatja MastHilde MattheisPetra Merkel (Berlin)Ullrich MeßmerDr. Matthias MierschFranz MünteferingDr. Rolf MützenichDietmar NietanManfred NinkThomas OppermannHolger OrtelAydan ÖzoğuzHeinz PaulaJohannes PflugJoachim PoßDr. Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDr. Sascha RaabeStefan RebmannGerold ReichenbachDr. Carola ReimannSönke RixRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannKarin Roth (Esslingen)Michael Roth (Heringen)Annette SawadeAnton SchaafAxel Schäfer (Bochum)Bernd ScheelenMarianne Schieder(Schwandorf)Werner Schieder (Weiden)Ulla Schmidt (Aachen)Carsten Schneider (Erfurt)Swen Schulz (Spandau)Ewald SchurerFrank SchwabeDr. Martin SchwanholzRolf SchwanitzStefan SchwartzeRita Schwarzelühr-SutterSonja SteffenPeer SteinbrückDr. Frank-Walter SteinmeierChristoph SträsserKerstin TackDr. h. c. Wolfgang ThierseFranz ThönnesWolfgang TiefenseeRüdiger VeitUte VogtDr. Marlies VolkmerAndrea WickleinDr. Dieter WiefelspützWaltraud Wolff(Wolmirstedt)Uta ZapfDagmar ZieglerManfred ZöllmerBrigitte ZypriesFDPJens AckermannChristine Aschenberg-DugnusDaniel Bahr (Münster)Florian BernschneiderSebastian BlumenthalClaudia BögelNicole Bracht-BendtKlaus BreilRainer BrüderleErnst BurgbacherMarco BuschmannHelga DaubReiner DeutschmannBijan Djir-SaraiPatrick DöringMechthild DyckmansHans-Werner EhrenbergRainer ErdelJörg van EssenUlrike FlachOtto FrickeDr. Edmund Peter GeisenDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannHeinz GolombeckJoachim Günther (Plauen)Dr. Christel Happach-KasanHeinz-Peter HausteinManuel HöferlinElke HoffBirgit HomburgerHeiner KampMichael KauchDr. Lutz KnopekPascal KoberDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppDr. h. c. Jürgen KoppelinSebastian KörberPatrick Kurth (Kyffhäuser)Heinz LanfermannSibylle LaurischkHarald LeibrechtLars LindemannDr. Martin Lindner (Berlin)Michael Link (Heilbronn)Oliver LuksicHorst MeierhoferPatrick MeinhardtGabriele MolitorJan MückeBurkhardt Müller-SönksenDr. Martin Neumann(Lausitz)Dirk NiebelHans-Joachim Otto(Frankfurt)Cornelia PieperGisela PiltzJörg von PolheimDr. Christiane Ratjen-DamerauDr. Birgit ReinemundHagen ReinholdDr. Peter RöhlingerDr. Stefan RuppertBjörn SängerFrank SchäfflerChristoph SchnurrMarina SchusterDr. Erik SchweickertWerner SimmlingJudith SkudelnyDr. Hermann Otto SolmsJoachim SpatzDr. Max StadlerTorsten StaffeldtDr. Rainer StinnerStephan ThomaeManfred TodtenhausenDr. Florian ToncarSerkan TörenJohannes Vogel(Lüdenscheid)Dr. Daniel VolkDr. Guido WesterwelleDr. Claudia WintersteinDr. Volker WissingHartfrid Wolff (Rems-Murr)DIE LINKEJan van AkenAgnes AlpersDr. Dietmar BartschKarin BinderMatthias W. BirkwaldHeidrun BluhmSteffen BockhahnChristine BuchholzEva Bulling-SchröterDr. Martina BungeSevim DağdelenDr. Diether DehmHeidrun DittrichWerner DreibusDr. Dagmar EnkelmannKlaus ErnstWolfgang GehrckeNicole GohlkeDiana GolzeAnnette GrothDr. Gregor GysiHeike HänselDr. Rosemarie HeinInge HögerDr. Barbara HöllAndrej HunkoUlla JelpkeDr. Lukrezia JochimsenKatja KippingHarald KochJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertCaren LaySabine LeidigRalph LenkertUlla LötzerDr. Gesine LötzschThomas LutzeDorothée MenznerNiema MovassatThomas NordPetra PauJens PetermannPaul Schäfer (Köln)Michael SchlechtDr. Ilja SeifertKathrin Senger-SchäferRaju SharmaDr. Petra SitteKersten SteinkeSabine StüberAlexander Süßmair(C)(D)


28160 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)Dr. Kirsten TackmannFrank TempelDr. Axel TroostAlexander UlrichKathrin VoglerJohanna VoßHalina WawzyniakHarald WeinbergKatrin WernerJörn WunderlichBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKerstin AndreaeMarieluise Beck (Bremen)Volker Beck (Köln)Cornelia BehmBirgitt BenderAgnes BruggerViola von Cramon-TaubadelEkin DeligözKatja DörnerHarald EbnerHans-Josef FellDr. Thomas GambkeKai GehringKatrin Göring-EckardtBritta HaßelmannBettina HerlitziusPriska Hinz (Herborn)Dr. Anton HofreiterBärbel HöhnIngrid HönlingerThilo HoppeUwe KekeritzSusanne KieckbuschSven-Christian KindlerMaria Klein-SchmeinkUte KoczyTom KoenigsSylvia Kotting-UhlOliver KrischerRenate KünastMarkus KurthUndine Kurth (Quedlinburg)Monika LazarDr. Tobias LindnerNicole MaischJerzy MontagKerstin Müller (Köln)Beate Müller-GemmekeDr. Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffDr. Hermann E. OttBrigitte PothmerTabea RößnerKrista SagerManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergDr. Gerhard SchickUlrich SchneiderDorothea SteinerDr. Wolfgang Strengmann-KuhnHans-Christian StröbeleDr. Harald TerpeMarkus TresselJürgen TrittinArfst Wagner (Schleswig)Daniela WagnerBeate Walter-RosenheimerWolfgang WielandDr. Valerie WilmsJosef Philip WinklerfraktionsloserAbgeordneterWolfgang Nešković(C)Anlage 3Erklärungdes Abgeordneten Dr. Michael Meister (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusseszum Gesetz zur Begleitungder Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zur Festlegungder technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungenfür Überweisungen undLastschriften in Euro und zur Änderung derVerordnung (EG) Nr. 924/2009 (SEPA-Begleitgesetz)(Zusatztagesordnungspunkt 4 b)Als Berichterstatter des Bundestages zu den abschließendenVerhandlungen des Vermittlungsausschusses am26. Februar 2013 mache ich darauf aufmerksam, dass dieBundesregierung eine <strong>Protokoll</strong>erklärung abgegebenhat. Diese gebe ich nachfolgend zur Kenntnis:<strong>Protokoll</strong>erklärung der Bundesregierung zum SEPA-BegleitgesetzDie Bundesregierung wird weiter das Ziel verfolgen,die Risikotragfähigkeit und Stabilität der Lebensversichererzu erhalten und weiter zu stärken, damit die Verpflichtungengegenüber den Versicherten dauerhaft erfüllbarbleiben.Die anhaltend niedrigen Zinsen haben auf Dauer erheblicheAuswirkungen auf Lebensversicherungsunternehmen,die langlaufende Garantien abgeben. Die Lebensversicherermüssen verstärkt Vorsorge betreiben,um Zinsgarantien auch künftig bedienen zu können. DieBundesregierung hält es für geboten, die aufsichtsrechtlichenRahmenbedingungen der Versicherer an diebesonderen Bedingungen eines Niedrigzinsumfelds anzupassen.Sie wird daher die gesetzgeberischen Handlungsmöglichkeitenauf nationaler und europäischerEbene im Zusammenhang umfassend prüfen und unterBerücksichtigung bereits laufender Initiativen wie demVorhaben Solvency II der Europäischen KommissionVorschläge unterbreiten.Anlage 4Erklärungdes Abgeordneten Dr. Michael Meister (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusseszum Gesetz zur Umsetzungdes EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in derRechtssache C-284/09 (Zusatztagesordnungspunkt4 c)Als Berichterstatter des Bundestages zu den abschließendenVerhandlungen des Vermittlungsausschusses am26. Februar 2013 mache ich darauf aufmerksam, dass dieBundesregierung eine <strong>Protokoll</strong>erklärung abgegebenhat. Diese gebe ich nachfolgend zur Kenntnis:<strong>Protokoll</strong>erklärung der Bundesregierung zu einerkünftigen Besteuerung von Veräußerungsgewinnen ausStreubesitz(B)Der Vermittlungsausschuss schlägt in seiner Beschlussempfehlungdie künftige Besteuerung des Streubesitzesvor. Der Vorschlag sieht zunächst nur eine Besteuerungvon Dividendenerträgen und keine Besteuerung von Veräußerungsgewinnenvor. Durch die Erstattung der einbehaltenenKapitalertragsteuer für die Vergangenheit unddie Besteuerung von Streubesitzdividenden für die Zukunftwird als Reaktion auf das EuGH-Urteil vom20.10.2011 in der Rs. C-284/09 ein unionsrechtskonformerZustand hergestellt. Dabei sieht der Vermittlungsausschuss,dass mit der unterschiedlichen Besteuerungvon Dividendenerträgen und Veräußerungsgewinnen diebisherige Systematik der Besteuerung von Beteiligungserträgenverlassen wird. Die Folgen sollten daher imHinblick auf das Gestaltungspotenzial sorgfältig beobachtetwerden. Die Bundesregierung wird im Zusammenhangmit der grundlegenden Reform der Investmentbesteuerungdie künftige steuerliche Behandlung vonVeräußerungsgewinnen aus Streubesitz erneut ergebnisoffenaufgreifen und die notwendigen Folgerungen ziehen.Dabei soll vor allem für den Bereich der BusinessAngels und Start-ups nach Lösungen für besondere Be-(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28161(A)lastungseffekte für den Fall gesucht werden, dass sichder Investor von seinem Engagement trennt.ten Nationen sowie der europäischen Partnerschaftstimme ich den Anträgen zu.(C)Anlage 5ErklärungDennoch bleibe ich bei meiner Auffassung, dass nurpolitische Verhandlungen und diplomatische Lösungenund keine Militäreinsätze zu einer anhaltenden Befriedungführen.(B)der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIELINKE) zur namentlichen Abstimmung überdie Beschlussempfehlung: Entsendung bewaffneterdeutscher Streitkräfte zur Beteiligung ander EU-geführten militärischen AusbildungsmissionEUTM Mali auf Grundlage des Ersuchensder Regierung von Mali sowie der Beschlüsse2013/34/GASP des Rates derEuropäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mitden Resolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012)des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen(Tagesordnungspunkt 5 a)Ich habe versehentlich mit Ja gestimmt.Mein Votum lautet Nein.Anlage 6Erklärungen nach § 31 GOzu den namentlichen Abstimmungen:– Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entsendungbewaffneter deutscher Streitkräftezur Beteiligung an der EU-geführten militärischenAusbildungsmission EUTM Mali aufGrundlage des Ersuchens der Regierungvon Mali sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP des Rates der Europäischen Union(EU) vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar2013 in Verbindung mit den Resolutionen2071 (2012) und 2085 (2012) des Sicherheitsratesder Vereinten Nationen– Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entsendungbewaffneter deutscher Streitkräftezur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmissionin Mali unter afrikanischerFührung (AFISMA) auf Grundlageder Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsratesder Vereinten Nationen(Tagesordnungspunkte 5 a und b)Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Denoben genannten Anträgen der Bundesregierung stimmeich, trotz meiner grundsätzlich ablehnenden Position denAuslandseinsatz deutscher Soldatinnen und Soldatenbetreffend, zu. Meine Zustimmung zu den Anträgen istdaran gebunden, dass ein Kampfeinsatz deutscher Soldatinnenund Soldaten im Kriegsgebiet Mali ausgeschlossenist und bleibt. Unter den Prämissen der Versorgungshilfestellungohne Kampfeinsatz und des Ausbildungscharaktersim Rahmen der Partnerschaft innerhalb der Verein-Frank Schäffler (FDP): Ich verstehe diejenigen, diesich aus ehrenwerten Motiven für ein internationales militärischesEingreifen in Mali ausgesprochen haben. Ichverstehe die Verzweiflung vieler Menschen in der Regionangesichts der Entwicklungen in Mali in der letztenZeit. Doch der Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräftestimme ich nicht zu. Meine Ablehnung beziehtsich sowohl auf die Unterstützung der InternationalenUnterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung,AFISMA, als auch auf die Beteiligung an der EUgeführtenmilitärischen Ausbildungsmission EuropeanTraining Mission Mali, EUTM MALI. Ich habe es mirnicht leicht gemacht. Ich weiß, dass es niemandemleichtfällt, sich hierüber eine Meinung zu bilden. Aberfür mich ist klar: In der Abwägung der Argumente binich zu dem Ergebnis gekommen, dass wir uns mit deutschenSoldaten an einem solchen Kampfeinsatz in Malinicht beteiligen sollten.Der Konflikt in Mali ist nicht neu. Sein erneutes Aufflammendeutet auf die tiefer liegenden historischenUrsachen hin. Diese Ursachen können nicht durch einezweifellos gut gemeinte militärische Intervention beseitigtwerden. Im Gegenteil hat die jüngste militärischeIntervention in Libyen das Gewaltpotenzial der Regionerneut entzündet. Es ist an der Zeit, die Interventionsspiraleder Gewalt zu durchbrechen.Seine Wurzeln hat der Konflikt in der StaatsentstehungMalis. Mali ist – mit Zwischenstationen – ausFranzösisch-Sudan entstanden. Als Mali seine Unabhängigkeiterlangte, übernahm es überwiegend seine amReißbrett gezogenen Außengrenzen aus der Kolonialzeit.Frankreich hatte die Verwaltung seiner Kolonialgebietemehrfach neu aufgeteilt. Seit 1920 hatte Französisch-Sudandie Grenzen des heutigen Mali. Frankreichrichtete sich bei der Grenzziehung nach militärischenund verwaltungspraktischen Überlegungen und nahmkeine Rücksicht auf die gewachsenen ethnischen Strukturendes malischen Gebiets. Mali ist daher heute einVielvölkerstaat 30 verschiedener Ethnien, darunter auchdas Nomadenvolk der Tuareg. Deren Siedlungs- undStammesgebiet umfasst Teile von Mali, Niger, Algerien,Libyen und Burkina Faso. Die Tuareg leisteten bereitsim 19. Jahrhundert Widerstand gegen die Expansion derKolonialmacht Frankreich. Sie revoltierten auch von1990 bis 1995 gegen Unterdrückung und Ausgrenzungdurch die jeweiligen Regierungen. Die eigenen Autonomie-und Unabhängigkeitsbestrebungen kulminierten inder Proklamation dreier Regionen im Nordteil Malis alsunabhängigem Staat Azawad am 6. April 2012. Die Missionin Mali dient – unter anderem – dazu, die „Regierung[Malis] zur effektiven Kontrolle über das gesamteLand zu befähigen“, „die effektive Kontrolle des StaatesMali über sein gesamtes Hoheitsgebiet wiederherzustel-(D)


28162 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)len“ und „die Einheit und territoriale Unversehrtheit Maliszu wahren“. Diese Ziele kann ich vor dem Hintergrundder Natur und historischen Tiefe des Konfliktsnicht teilen. In erster Linie haben wir es hier mit einemBürgerkrieg zu tun. Es ist nicht richtig, sich auf die eineSeite der Konfliktparteien zu stellen und dieser militärischbeizustehen, um dann „die malische Regierung beider Aufnahme eines Dialogs mit den Bevölkerungsgruppendes Nordens [zu] unterstützen.“ Wie ausgewogenkann ein politischer Dialog sein, wenn man dem einenDialogpartner zuvor zu einem militärischen Sieg verholfenhat?Ich verkenne nicht die furchtbare humanitäre Lage inMali, die Menschenrechtsverletzungen und Gewalthandlungengegen Zivilpersonen. Krieg ist eine schrecklicheund leidvolle Angelegenheit, ein Bürgerkrieg nicht weniger.Beendet wird ein Bürgerkrieg jedoch nicht, indemman den früheren Zustand militärisch wiederherstellt,sondern indem man die Anliegen beider Parteien ernstnimmt. Besser wäre es, erst Abstimmungen im nördlichenTeil „Azawad“ herbeizuführen, um herauszufinden,ob die Bevölkerung mehrheitlich Teil Malis bleibenmöchte. Denn „wenn die Bewohner eines Gebietes, seies eines einzelnen Dorfes, eines Landstriches oder einerReihe von zusammenhängenden Landstrichen, durch unbeeinflusstvorgenommene Abstimmungen zu erkennengegeben haben, dass sie nicht in dem Verband jenesStaates zu bleiben wünschen, dem sie augenblicklich angehören,sondern einen selbständigen Staat bilden wollenoder einem anderen Staate zugehören wollen, so istdiesem Wunsche Rechnung zu tragen. Nur dies alleinkann Bürgerkriege, Revolutionen und Kriege zwischenden Staaten wirksam verhindern […] Wenn es irgendmöglich wäre, jedem einzelnen Menschen dieses Selbstbestimmungsrechteinzuräumen, so müßte es geschehen.“(Ludwig von Mises, Liberalismus, Jena 1927,S. 96).Eine militärische Intervention zur Wahrung des Statusquo hätte darüber hinaus Folgen, die wir heute nicht absehenkönnen. Ich muss deswegen darum bitten und darfdaran erinnern, dass wir die Lehren aus der jüngeren Geschichte,auch aus jüngeren Militäreinsätzen, immer mitberücksichtigenmüssen, wenn wir heute vor Entscheidungenstehen. Auslöser des aktuellen Konflikts war diemilitärische Intervention in Libyen. Ungewollter Nebeneffektdieser Intervention der Staatengemeinschaft – ander Deutschland aus guten Gründen und mit Recht nichtteilgenommen hat – war die Bewaffnung derjenigen, diesich heute gegen die malische Zentralregierung auflehnen.Der Norden Malis wurde eingenommen durch erfahreneKämpfer, die mit schweren Waffen aus Gaddafisumfangreichem Waffenlager ausgerüstet waren. Zusätzlichsind Teile der malischen Armee desertiert, die schonfrüher von amerikanischen Ausbildern trainiert wordenwaren. Sie haben ihre Ausrüstung und Fähigkeiten mitgenommenund kämpfen nun auf der anderen Seite. Unterdiesen Ausgebildeten befinden sich sogar Tuareg-Generäle.Absehbar waren diese Folgen nicht. Wenn wirnun in Mali erneut Truppen trainieren und militärisch intervenieren,um den Nachwehen der vorigen Interventionzu begegnen, so muss man sich schon heute fragen,welche Konsequenzen dieser erneute Eingriff habenwird. Werden wir nächstes Jahr erneut Beschlüsse übereine militärische Intervention fassen müssen, mit denenwir versuchen, die Folgen unseres heutigen Tuns zu beherrschen?Alles, was wir erreichen werden, ist, dass wiruns neue Feinde schaffen. Endlich bewerkstelligen wirden Abzug aus Afghanistan, wo unsinnigerweise„Deutschland am Hindukusch verteidigt“ wurde. AngeblicheBrutstätten für Terroristen hat die Staatengemeinschaftseit Afghanistan im Jemen, in Somalia und anderswobekämpft. Einen Erfolg dieser militärischenInterventionspolitik kann ich nicht erkennen. Ich erwarteauch keinen Erfolg, wenn wir Deutschland nun in Timbuktuverteidigen.Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Den Antrag der Bundesregierung, Bundeswehrsoldatenzur Ausbildung und Beratung der dortigenArmee nach Mali zu entsenden, lehne ich ab und stimmemit Nein.Es ist nicht zu verantworten, einer Armee Ausbildungshilfezu leisten, die gegen ihre legitime Regierunggemeutert, den Regierungschef durch einen Putsch gestürztund verjagt hatte. Bis vor kurzer Zeit war das auchdie Auffassung der Bundesregierung und ebenso derinternationalen Gemeinschaft. Auch Deutschland hatteim März 2012 die langjährige Ausbildung der malischenArmee abgebrochen, weil Soldaten gegen PräsidentTouré geputscht hatten. Hilfen für die Regierung Maliswurden ebenfalls eingestellt.Jetzt, ein knappes Jahr später, soll dieselbe Armee mitden Putschisten unter Hauptmann Sanago ausgebildetwerden, obwohl inzwischen noch viel mehr gegen dieseUnterstützung spricht. Das malische Militär ist mehr Teildes Problems als Teil der Lösung. Noch vor wenigen Tagenhaben sich Soldaten dieser malischen Armee in einemLager in der Nähe von Bamako gegenseitig beschossen.Malische Soldaten sollen außerdem im Januaran mehreren Dutzend Hinrichtungen und Racheakten ander Zivilbevölkerung im Norden beteiligt gewesen sein,wie die Internationale Vereinigung für Menschenrechteberichtete. Vorher waren Soldaten dieser Armee zu Tausendenzu den zunächst erfolgreichen Islamisten im Nordenübergelaufen. Die Elitesoldaten, die letzte Wocheoffenbar Anhänger der gestürzten Regierung in der Armeeangegriffen haben, werden den Putschisten zugerechnet.Sie haben weiterhin viel Einfluss innerhalb derÜbergangsregierung und des Sicherheitsapparats. IhrHauptmann Sanago war angeblich Koordinator der aufzubauendenArmee und könnte es wieder werden.Diese desolate und in sich verfeindete Armee soll nunvon der Bundeswehr ausgebildet werden. Diese ist es,der beigebracht werden soll – so Minister de Maizière imBundestag –, „was rechtsstaatlich geführte Streitkräfteleisten können“. Er sagt nicht, warum derselben Armeein der jahrelangen Ausbildung durch die Bundeswehrzuvor nicht das alles schon beigebracht worden ist. Eswird auch nicht gesagt, was diesmal anders und bessergemacht werden kann, ja nicht einmal, welche Streitkräfteund welche Teile der Armee überhaupt ausgebil-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28163(A)det werden sollen; Teile der „alten“ Armee oder erst neuzu rekrutierende Soldaten. In dieser unübersichtlichenLage und mit diesem ungeklärten Auftrag kann mandoch nicht einfach Soldaten der Bundeswehr schon inzwei Wochen nach Mali schicken.Hinzu kommt, dass die schwache und beinahe handlungsunfähigeÜbergangsregierung es bisher nicht geschaffthat, Verhandlungen mit den verschiedenen Akteurenim Norden oder einen politischen Prozess wirklichvoranzutreiben,Einer Ausbildungsmission, bei der vorab nicht eindeutiggeklärt ist, wer ausgebildet wird und ob damitnicht Verantwortliche für Gewalttaten und Übergriffeunterstützt werden, kann ich nicht zustimmen.Auch den Antrag der Bundesregierung zur Entsendungbewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützungder Internationalen Unterstützungsmission in Maliunter afrikanischer Führung – AFISMA – halte ich nichtfür zustimmungsfähig. Ich stimme mit Enthaltung.Unterstützung der ECOWAS-Truppen halte ichgrundsätzlich für richtig. Die Probleme in Afrika solltenmöglichst von Afrikanern und der afrikanischen Staatengemeinschaftgelöst werden. Dabei können wir helfen.Aber das Mandat für die Bundeswehr sieht auch denEinsatz von Transport- und Tankflugzeugen zur Unterstützungder französischen Interventionstruppen vor. DieBundeswehr soll durch Betankung in der Luft also insbesondereauch Bombardierungen durch französische Militärflugzeugedirekt unterstützen.Bis heute ist nicht bekannt, welche Ziele die französischeLuftwaffe in den letzten Wochen bombardiert hatund wie groß die Zahl der Opfer dieser Einsätze geradeauch in der Zivilbevölkerung war. Ebenso unbekanntsind die Ziele der Bombardierungen in Zukunft. DieBundesregierung hat dazu auf mehrfache Fragen von mirimmer wieder und noch gestern erklärt, das wisse sieauch nicht. Diese Kriegführung sei allein Sache der französischenStreitkräfte.Nach Meldungen der Gesellschaft für bedrohte Völkersollen im Januar mehrere Zehntausend Zivilpersonenaus dem Volk der Tuareg aus der Stadt Kidal im Nordengeflüchtet sein aus Angst vor Luftangriffen der Franzosen.Mitte Februar sollen circa 6000 Tuareg-Zivilistenaus dem Bergmassiv Adrar des Ifoghas im Nordostengeflohen sein und an der Grenze zu Algerien festsitzen.Vorausgegangen seien Dutzende Luftangriffe auf dasBergmassiv.Solange wir nicht wissen, wie die französische ArmeeKrieg führt und welche Ziele bombardiert werden, müssenwir befürchten, dass mit deutscher Hilfe Bomben geworfenwerden, die Zivilisten treffen und in die Fluchttreiben. Eine direkte Unterstützung der französischenKriegsführung ist daher nicht verantwortbar.Die beiden von der Bundesregierung vorgelegtenMandate sind zur Lösung des Konflikts so nicht geeignetund nicht ausreichend geklärt.Auch ich bin dafür, dass Deutschland in Mali hilft,vor allem der malischen Bevölkerung, den vielen Flüchtlingenund Hungerleidenden. Dabei sollte sich die Bundesregierungneben humanitärer Hilfe auf die Unterstützungdes politischen Prozesses konzentrieren. Ich binauch dafür, eine neue und vor allem legitime Regierungund den Aufbau neuer Sicherheitskräfte zu unterstützen.Die Durchführung von fairen und freien Wahlen, an deralle, auch die Menschen im Norden und die in die Nachbarländergeflüchteten Malier, teilnehmen können, kanndie Voraussetzung dafür schaffen.Aber diesen Mandaten stimme ich nicht zu.(C)(B)Anlage 7Erklärung nach § 31 GOder Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl undBeate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung überdie Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entsendungbewaffneter deutscher Streitkräfte zurUnterstützung der Internationalen Unterstützungsmissionin Mali unter afrikanischer Führung(AFISMA) auf Grundlage der Resolution2085 (2012) des Sicherheitsrates der VereintenNationen (Tagesordnungspunkt 5 b)Wir zitieren aus einem Antrag meiner Fraktion vomSeptember 2012:Die Sahel-Region ist eines der ärmsten Gebiete derWelt. Seit Jahren kommt es in den Ländern dieserRegion durch Dürren und Misswirtschaft zu Lebensmittelkrisen.Ernteausfälle, politische Umbrüchein den Staaten Nordafrikas, die Rückkehrbewaffneter Söldner aus Libyen und der Elfenbeinküste,organisierte Kriminalität, islamistischer Terrorismussowie Kampfhandlungen im NordenMalis haben die Ernährungskrise und fragile Sicherheitslagein der Sahel-Region dramatisch verschärft...Auch im Norden Malis hatten in den letzten Jahrenislamistische Gruppen im Umfeld der AQiM verstärktZulauf ... Mit dem Sturz des Regimes vonMuammar al-Gaddafi konnten diese Gruppierungenihre Schlagkraft verstärken: Zum einen durchSöldner, die zuvor im Dienste … Gaddafis standen.Zum anderen durch schwere Waffen, die seit derEndphase der Kämpfe in Libyen bis heute über dienahezu unkontrollierten Wüstengrenzen geschmuggeltwerden.Die Erfolge der Aufständischen in Nord-Mali führtenam 22. März zu einem Staatsstreich putschenderOffiziere ... Die Staatsgewalt in Mali ist seit demStaatsstreich geschwächt, auch wenn am 22. August2012 eine Regierung der nationalen Einheit gebildetwerden konnte...Humanitäre Hilfe, Übergangshilfe und vor allemlangfristige Ernährungssicherung sind wichtigeElemente zur Stabilisierung der Region. Sie reichenalleine aber nicht aus, um strukturelle Probleme wieschwache staatliche Institutionen, Rechtsstaats-,(D)


28164 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Demokratie- und Sicherheitsdefizite, Korruptionund organisierte Kriminalität wirksam anzugehen.Der VN-Sicherheitsrat hat den VN-Generalsekretärvor diesem Hintergrund aufgefordert, eine umfassendeSahel-Strategie vorzulegen, die die BereicheSicherheit, humanitäre Hilfe, Entwicklung undMenschenrechte umfasst (S/Res/2056 (2012)).(Antrag Bündnis 90/Die Grünen vom 26.9.2012, „Sahel-Regionstabilisieren – Humanitäre Katastrophe eindämmen“,Drucksache 17/10792)Der Antrag unserer Fraktion vom Herbst letzten Jahresbeschreibt die Situation in der Sahel-Region und inMali und fordert die Bundesregierung auf, endlich zuhandeln. Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert,auf Konfliktlösung innerhalb der Region hinzuwirken,Staaten der Sahel-Region langfristig beimnachhaltigen Aufbau von Rechtsstaatlichkeit und Demokratiezu unterstützen, in der Sahel-Region tätige internationaleOrganisationen zu unterstützen, unterstützendan einer politischen Lösung des Konflikts mit den Tuareg-Rebellen und Islamisten im Norden Malis zu arbeiten,Flüchtlingen zu helfen, Nothilfe zu leisten, EZ-Gelder zuerhöhen – zusammengefasst: zivile Konfliktlösungshilfezu bieten. Zusätzlich wird eine Friedensmission zur Ausbildungund Reorganisation malischer Streitkräfte imRahmen eines VN-Mandates gefordert, die von Deutschlandfinanziell und logistisch unterstützt wird.Der Antrag wurde von der Koalition abgelehnt.Der Umgang mit Konflikten in fragilen Staaten istfast immer derselbe: Die westliche Staatengemeinschaft,auch die Bundesregierung, bietet keine oder unzureichendeHilfestellung an, um den Konflikt zu entschärfen.Erst wenn die Situation so eskaliert, dass nur nochmilitärisches Eingreifen zu helfen scheint, dann findetsich die Bereitschaft zu einer finanziell und personell angemessengroßzügigen Unterstützung. Die Bundesregierungist jetzt bereit, neben der logistischen Unterstützungbis zu 150 deutsche Soldatinnen und Soldaten zurUnterstützung von AFISMA einzusetzen, bis zu 180 fürdie Ausbildungsmission EUTM Mali.Die Ausbildungsmission hätte bereits mindestens voreinem halben Jahr beschlossen werden können und hättezusammen mit anderen Hilfsmaßnahmen die Eskalationder letzten Monate eventuell verhindern oder zumindestverringern können. Diesem – verspäteten – Mandat stimmenwir heute zu.Auch das Mandat zur Unterstützung von AFISMAkritisieren wir nicht im Grundsatz. Die Entsendung derSoldaten erfolgt auf der Grundlage der Resolution 2085(2012) der Vereinten Nationen unter Berufung auf KapitelVII der Charta der UN. Wenn wir diesem Mandatheute trotzdem nicht zustimmen, so wollen wir damit einerKritik Ausdruck geben, die sich auf den grundsätzlichenUmgang mit solcherart Konflikten bezieht. UnsereFraktion hatte gute Vorschläge zur zivilen Konfliktbearbeitungin Mali vorgelegt. Die Bundesregierung hat sieabgelehnt, abgewartet und will heute unsere Zustimmungzur Entsendung von Soldaten mit dem unvermeidbarenGefahrenpotential für die Soldaten selbst, aberauch für weitere Eskalation des Konflikts. Dem stimmenwir, weil wir jeglichen Willen zum präventiven Handelnder Bundesregierung vermissen, nicht zu.Anlage 8Erklärung nach § 31 GOdes Abgeordneten Marco Bülow (SPD) zur namentlichenAbstimmung über die Beschlussempfehlungzu dem Antrag: Entsendung bewaffneterdeutscher Streitkräfte zurUnterstützung der Internationalen Unterstützungsmissionin Mali unter afrikanischer Führung(AFISMA) auf Grundlage der Resolution2085 (2012) des Sicherheitsrates der VereintenNationen (Tagesordnungspunkt 5 b)Zu meinem Abstimmungsverhalten zum heutigenTage erkläre ich Folgendes:Der Bundestag berät am Donnerstag, den 28. Februar2013 abschließend über die Entsendung von Bundeswehrsoldatennach Mali.Das Mandat umfasst zum einen die Unterstützungfranzösischer Streitkräfte durch Lufttransport und Luftbetankungbei ihrer Unterstützungsoperation. Die Mandatsobergrenzebeträgt 150 Bundeswehrsoldatinnen und-soldaten. Das Mandat ist auf zwölf Monate begrenzt.Die völkerrechtliche Grundlage ist durch eine Resolutiondes UN-Sicherheitsrats gegeben. Zum anderen umfasstdas Mandat die Entsendung von circa 40 Pionierausbilderinnenund -ausbildern und eine etwa gleichgroße Zahl an Sanitätskräften. Die Mandatsobergrenzebeträgt hier 180 Soldatinnen und Soldaten. Das Mandatsoll im April 2013 beginnen und ist ebenfalls auf zwölfMonate begrenzt. Insgesamt werden von EU-Mitgliedstaatencirca 450 Ausbilder und Kräfte entsandt.Ziel der Mission soll es sein, die militärischen Fähigkeitender malischen Armee zu verbessern und die malischeRegierung bei der Stabilisierung des Landes zu unterstützen.Ich unterstütze die Position der SPD, die Bundesregierungaufzufordern, sich mit Nachdruck für eine politischeLösung des Konflikts einzusetzen. Auch der Einsatzfür mehr humanitäre Hilfe und die Wiederaufnahmeder Entwicklungszusammenarbeit sind ebenfalls von besondererWichtigkeit.Ich sehe jedoch bestimmte Punkte an diesem Einsatzkritisch, die erst umfassend diskutiert werden müssten,bevor ich solch einem eventuell folgenschweren Einsatzzustimmen könnte. Diese möchte ich nachfolgend stichpunktartigauflisten:Ich halte es für gefährlich, wenn deutsche Soldatinnenund Soldaten erneut in Kriegseinsätze hineingezogenwerden. Das Betanken der alliierten Flugzeuge ist bereitsTeil des militärischen Eingreifens.Selbst der Deutsche Bundeswehr Verband hat dieSorge, dass die Bundeswehr „wieder einmal unüberlegt(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28165(A)(B)und verantwortungslos in einen Einsatz entsendet wird,der Teil einer nur lückenhaften politischen Konzeptionist“. „Der Begriff ‚Ausbildung‘ verschleiert das, was aufdie Bundeswehr auch in Mali zukommen kann, nämlicheine direkte Verwicklung in kriegerische Auseinandersetzungen“,so der Deutsche Bundeswehrverband weiter.Die deutschen Soldatinnen und Soldaten sind nichtgenügend für solche Einsätze ausgebildet und ausgerüstet.Es gibt kein klares Ziel und auch keine Exit-Strategiebei diesem Einsatz.Durch den militärischen Eingriff wird die Region destabilisiert.Das kann zu einer Eskalation führen.Es ist nicht transparent, welche ökonomischen undpolitischen Interessen die USA und auch die Bundesregierungbei diesem Einsatz verfolgen. Welche Rollespielen zum Beispiel Rüstungsverkäufe und Bodenschätze?Die Informationspolitik der Bundesregierung warmangelhaft. Eine differenzierte Diskussion über diesenEinsatz gab es leider nicht.Wir müssen alles dafür tun, damit dieser Konflikt aufdiplomatischem Weg gelöst wird.Insgesamt liegen mir viel zu wenige Informationenvor. Zudem gab es keine ausreichende Debatte über dieSituation, sodass ich nicht guten Gewissens zu einer eindeutigenEntscheidung kommen kann.Ich werde mich deshalb bei der Entscheidung enthalten.Die notwendige Debatte und Diskussion muss dringendnachgeholt werden.den Fall die Schwere des Falles abwägen und werden inminderschweren Fällen allenfalls Geldstrafen verhängen.Den Befürchtungen der Waldbesitzer vor Strafe fürden Fall, dass sie versehentlich einen falschen Baumoder einen Baum zu viel einschlagen, wäre ausreichendRechnung getragen worden, wenn allein die Strafbarkeitder Fahrlässigkeit aus dem Gesetz gestrichen wordenwäre, wobei zu bedenken ist, dass auch dies die Wirkungdes Gesetzes deutlich abschwächt.Denn die Herausforderung bei der Strafverfolgungdes illegalen Holzhandels wird sein, den Nachweis zuführen. Dieser Nachweis wird durch die zusätzliche Einschränkungauf schwere Fälle und auf Wiederholungsfälleerheblich erschwert. Wenn man jedoch selbst fürden Fall des Vorsatzes mit Straffreiheit rechnen kann,dann wird die Wirkung des eingeführten Import- undHandelsverbots für illegales Holz in der Praxis starkleiden.Nach erneuter Abwägung des Gesamtgesetzes mit dervorgenommenen Änderung im Vorfeld der heutigenAbstimmung haben wir uns daher entschlossen, demGesetz heute die Zustimmung zu verweigern und uns zuenthalten. Ansonsten entstünde der falsche Eindruck, wirwürden diese erhebliche Einschränkung der Wirkungdes Gesetzes billigen.Anlage 10Erklärung nach § 31 GOder Abgeordneten Rainer Erdel und HorstMeierhofer (beide FDP):(C)(D)– zu den namentlichen Abstimmungen:Anlage 9Erklärung nach § 31 GOder Abgeordneten Cornelia Behm (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung überden Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderungdes Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes(Zusatztagesordnungspunkt 6)Die Umsetzung der EU-Holzhandelsverordnungdurch das Erste Gesetz zur Änderung des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes ist notwendig und bringt einenFortschritt für den internationalen Waldschutz. Als Bundestagsfraktionvon Bündnis 90/Die Grünen hatten wirdem Gesetz aus diesen Gründen nach einer kurzfristigvorzunehmenden Gesamtwertung des Gesetzes in derletzten Sitzungswoche zugestimmt.Allerdings hatte ich bereits in der letzten Sitzungswochedarauf hingewiesen, dass wir es sehr kritisch sehen,dass die Koalition per Änderungsantrag die Strafbarkeitauf Fälle beschränkt hat, in denen großeVermögensvorteile erzielt wurden oder beharrliche Wiederholungenerfolgten. Wenn Vorsatz vorliegt, dannsollte der Import von illegalem Holz aus unserer Sichtauf jeden Fall strafbewehrt sein. Gerichte müssen auf je-– Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Antrag zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtlinie desEuropäischen Parlaments und des Ratesüber die Konzessionsvergabe (KOM(2011)897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestagesgemäß Art. 23 Absatz 3 desGrundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzesüber die Zusammenarbeit von Bundesregierungund Deutschem Bundestag inAngelegenheiten der Europäischen Union –Wasser ist Menschenrecht – Privatisierungverhindern– zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Art. 23 Absatz 3 desGrundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – Formale Ausschrei-


28166 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)bungspflicht bei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für den Bereich Wasserablehnen(Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt7)Die Anträge der Opposition zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates über die Konzessionsvergabehalten wir hinsichtlich der Forderung einerBereichsausnahme zur Trinkwasserversorgung für richtig.Die Wasserversorgung in Deutschland ist ausgezeichnet.Deshalb soll sie in kommunaler Hand bleiben, wenndie Kommunen dies wünschen. Die Wasserversorgungin Deutschland ist auf einem sehr hohen Niveau. DasPreis-Leistungs-Verhältnis ist unübertroffen. Das zeigenalle Studien. Die ursprünglich von der EU vorgesehenesystemfremde Überregulierung hätte Qualitätskriterieneher behindert als geschaffen.Nach mehreren Gesprächen, die auch von FDP-Seitemit ihm geführt worden sind, hat EU-Kommissar Barnierbei diesen Fragen jetzt sein Einlenken signalisiert.Dies ist zu begrüßen.Daher sind wir sicher, dass es bei den bald beginnendenTrilog-Verhandlungen zu einer endgültigen Lösungkommen wird, mit der unser Interesse an der Beibehaltungder bewährten kommunalen Trinkwasserversorgungerfüllt wird.Auch zukünftig würde dann keine Kommune zurPrivatisierung der Wasserversorgung gezwungen. Nochvor kurzem sah die Richtlinie allerdings eine andereRegelung vor. Sofern Stadtwerke im Verbund zu großenTeilen auch noch andere Versorgungsfunktionen übernommenhätten, hätten sich diese bei der Neuvergabeder Konzession auf ein bürokratisches, europäischesAusschreibungsverfahren einlassen müssen. Zudem ließendie Vorgaben keinen Raum für die Besonderheitender deutschen Wasserversorgung. Die Wasserversorgungist Kernbestandteil der Daseinsvorsorge.Die Oppositionsanträge gehen über die Fragen zurWasserversorgung allerdings hinaus. So wird von derSPD eine Rekommunalisierung in allen Bereichen angestrebt,von Grünen und Linken wird des Weiteren gefordert,die Dienstleistungsrichtlinie generell abzulehnen.Diese Forderungen halten wir für falsch. TransparenteVerfahrensregeln können überall dort helfen, wo wettbewerblicheStrukturen Preis- und Leistungsvorteile mitsich bringen. Wegen der besonderen Strukturen derWasserversorgung und der Einordnung als natürlichesMonopol sehen wir diese Nutzen dort aber gerade nicht.Da wir die Forderungen der Oppositionsparteien nacheinem Bereichsausschluss der Wasserversorgung fürrichtig halten, aber die darüber hinausgehenden Forderungennicht teilen, werden wir uns zu den Anträgen enthalten.Anlage 11Erklärung nach § 31 GOder Abgeordneten Dr. Max Stadler, StephanThomae und Marina Schuster (alle FDP):– zu den namentlichen Abstimmungen:– Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Antrag zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtlinie desEuropäischen Parlaments und des Ratesüber die Konzessionsvergabe (KOM(2011)897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestagesgemäß Art. 23 Absatz 3 desGrundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzesüber die Zusammenarbeit von Bundesregierungund Deutschem Bundestag inAngelegenheiten der Europäischen Union –Wasser ist Menschenrecht – Privatisierungverhindern– zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Art. 23 Absatz 3 desGrundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – Formale Ausschreibungspflichtbei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für den Bereich Wasserablehnen(Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt7)Die Anträge der Opposition zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates über die Konzessionsvergabesind überflüssig.Die Wasserversorgung in Deutschland ist ausgezeichnet.Deshalb soll sie in kommunaler Hand bleiben, wenndie Kommunen dies wünschen. Dies ist durch die Konzessionsrichtlinienicht infrage gestellt. Auch zukünftigwird keine Kommune zur Privatisierung der Wasserversorgunggezwungen.Wenn eine Kommune aus eigenem Antrieb privatisierenwill, muss sie allerdings ausschreiben. Das führt zumehr Transparenz und ist daher wünschenswert.Genau dies ist der Kerninhalt der Konzessionsrichtlinie.Allerdings gab es bis vor kurzem Detailprobleme. Esstellte sich die Frage, wie bei der interkommunalenZusammenarbeit vorzugehen ist. Ferner bestand dieGefahr, dass Mehrsparten-Stadtwerke die Wasserversorgungin eine eigene Gesellschaft auslagern müssten, waszu unnötigen Bürokratiekosten geführt hätte. Dagegenhabe ich mich stets gewandt.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28167(A)(B)Nach mehreren Gesprächen, die auch von FDP-Seitemit ihm geführt worden sind, hat EU-KommissarBarnier bei diesen Fragen nunmehr die Position derKommunen in vollem Umfang übernommen. DiesesEinlenken ist zu begrüßen.Daher sind wir sicher, dass es bei den bald beginnendenTrilog-Verhandlungen zu einer endgültigen Lösungkommen wird, mit der unser Interesse an der Beibehaltungder bewährten kommunalen Trinkwasserversorgungerfüllt wird.Der Anträge der Opposition bedarf es hierzu nicht;wir lehnen die Anträge daher ab.Anlage 12Erklärung nach § 31 GOder Abgeordneten Ingrid Fischbach, CajusCaesar und Dr. Norbert Röttgen (alle CDU/CSU):– zu den namentlichen Abstimmungen:– Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Antrag zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtlinie desEuropäischen Parlaments und des Ratesüber die Konzessionsvergabe (KOM(2011)897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestagesgemäß Art. 23 Absatz 3 desGrundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzesüber die Zusammenarbeit von Bundesregierungund Deutschem Bundestag inAngelegenheiten der Europäischen Union –Wasser ist Menschenrecht – Privatisierungverhindern– zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Art. 23 Absatz 3 desGrundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – Formale Ausschreibungspflichtbei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für den Bereich Wasserablehnen(Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt7)Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungender Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabevon Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum.Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergabenunter Einhaltung der Grundsätze derGleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenzzu erfolgen haben. Das stellt auch der EuropäischeGerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommissionfür eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweiteAusschreibungsverpflichtung würde nicht nurzu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräumeder kommunalen Selbstverwaltung führen, sondernauch de facto zu einer Liberalisierung insbesondereder Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür.Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstörtwerden. Dies ist im Interesse der Menschen inDeutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hatihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlagsklar überschritten. Ein Verstoß gegen das imVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Unionin Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist ausunserer Sicht evident.Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hatsich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholtdafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eineKonzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zuverschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass dersensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchenRegelung ausgenommen bleibt.Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplanteAusschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgungfallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt.EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenenWoche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigenKommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt.In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des EuropäischenParlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissarerklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflichtbei einem Mehrsparten-Stadtwerk dieWasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten– zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung– betrachtet werden kann. Die Wasserversorgungmüsste dann nur noch in solchen Fällen ausgeschriebenwerden, in denen das kommunale Unternehmenweniger als 80 Prozent seinerWasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt.(C)(D)Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen derFraktionen von Bündnis90/Die Grünen, Die Linke undSPD können wir in der vorliegenden Form nicht zustimmen.Unsere Position in der Sache erklären wir wiefolgt:Wir sprechen uns ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs-oder Ausschreibungspflicht für die öffentlicheWasserversorgung aus.Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletztErgebnis der beharrlichen Bemühungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweiteAusschreibungspflicht bei der öffentlichenWasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturenin Deutschland dürfen nicht zerschlagenund die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darfnicht gefährdet werden.Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist einSchritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiterenVerhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wir


28168 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)zählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten derinterkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigtwerden. Jetzt steht die Bundesregierung inden anstehenden Trilog-Verhandlungen in besondererVerantwortungAnlage 13Erklärung nach § 31 GOder Abgeordneten Norbert Barthle, Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), VeronikaBellmann, Klaus Brähmig, Helmut Brandt,Heike Brehmer, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Dr. Maria Flachsbarth, Alexander Funk,Dr. Thomas Gebhart, Peter Götz, ReinhardGrindel, Michael Grosse-Brömer, AnetteHübinger, Andreas Jung (Konstanz), Hans-Werner Kammer, Steffen Kampeter, BernhardKaster, Volkmar Klein, Jens Koeppen, RüdigerKruse, Maria Michalk, Michaela Noll, RitaPawelski, Ulrich Petzold, Sibylle Pfeiffer,Beatrix Philipp, Anita Schäfer (Saalstadt),Nadine Schön (St. Wendel), Karl Schiewerling,Patrick Schnieder, Bernhard Schulte-Drüggelte,Carola Stauche, Erika Steinbach, Volkmar Vogel(Kleinsaara) und Sabine Weiss (Wesel I) (alleCDU/CSU)– zu den namentlichen Abstimmungen:– Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Antrag zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtlinie desEuropäischen Parlaments und des Ratesüber die Konzessionsvergabe (KOM(2011)897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestagesgemäß Art. 23 Absatz 3 desGrundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzesüber die Zusammenarbeit von Bundesregierungund Deutschem Bundestag inAngelegenheiten der Europäischen Union –Wasser ist Menschenrecht – Privatisierungverhindern– zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Art. 23 Absatz 3 desGrundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – Formale Ausschreibungspflichtbei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für den Bereich Wasserablehnen(Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt7)Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen derFraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke undSPD können wir in der vorliegenden Form nicht zustimmen.Unsere Position in der Sache erklären wir wiefolgt:Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestagund wir persönlich sprechen uns ausdrücklich gegen jeglichePrivatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für dieöffentliche Wasserversorgung aus.Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungender Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabevon Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum.Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergabenunter Einhaltung der Grundsätze derGleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenzzu erfolgen haben. Das stellt auch der EuropäischeGerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommissionfür eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweiteAusschreibungsverpflichtung würde nicht nurzu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräumeder kommunalen Selbstverwaltung führen, sondernauch de facto zu einer Liberalisierung insbesondereder Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür.Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstörtwerden. Dies ist im Interesse der Menschen inDeutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hatihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlagsklar überschritten. Ein Verstoß gegen das imVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Unionin Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist ausunserer Sicht evident.Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hatsich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholtdafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eineKonzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zuverschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass dersensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchenRegelung ausgenommen bleibt.Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplanteAusschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgungfallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt.EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenenWoche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigenKommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt.In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des EuropäischenParlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissarerklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflichtbei einem Mehrspartenstadtwerk dieWasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten– zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung– betrachtet werden kann. Die Wasserversorgungmüsste dann nur noch in solchen Fällenausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmenweniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungenfür die Gebietskörperschaft erbringt.Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletztErgebnis der beharrlichen Bemühungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweiteAusschreibungspflicht bei der öffentlichenWasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versor-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28169(A)(B)gungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagenund die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darfnicht gefährdet werden.Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist einSchritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiterenVerhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wirzählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten derinterkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigtwerden, Jetzt steht die Bundesregierung inden anstehenden Trilog-Verhandlungen in besondererVerantwortung.Anlage 14Erklärung nach § 31 GOder Abgeordneten Dr. Reinhard Brandl,Herbert Frankenhauser, Dr. Hans-PeterFriedrich (Hof), Michael Frieser, Florian Hahn.Gerda Hasselfeldt, Karl Holmeier, Alois Karl,Hartmut Koschyk, Ulrich Lange, PaulLehrieder, Stephan Mayer (Altötting), StefanMüller (Erlangen), Franz Obermeier, EduardOswald, Albert Rupprecht (Weiden),Dr. Andreas Scheuer, Johannes Singhammer,Stephan Stracke, Dr. Hans-Peter Uhl, DagmarG. Wöhrl und Wolfgang Zöller (alle CDU/CSU)– zu den namentlichen Abstimmungen:– Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Antrag zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtlinie desEuropäischen Parlaments und des Ratesüber die Konzessionsvergabe (KOM(2011)897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestagesgemäß Art. 23 Absatz 3 desGrundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzesüber die Zusammenarbeit von Bundesregierungund Deutschem Bundestag inAngelegenheiten der Europäischen Union –Wasser ist Menschenrecht – Privatisierungverhindern– zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Art. 23 Absatz 3 desGrundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – Formale Ausschreibungspflichtbei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für den Bereich Wasserablehnen(Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt7)Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen derFraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke undSPD können wir in der vorliegenden Form nicht zustimmen.Unsere Position in der Sache erklären wir wiefolgt:Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag undwir persönlich sprechen uns ausdrücklich gegen jeglichePrivatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentlicheWasserversorgung aus.Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungender Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabevon Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreierRaum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass dieKonzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätzeder Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und derTransparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der EuropäischeGerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommissionfür eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweiteAusschreibungsverpflichtung würde nicht nurzu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräumeder kommunalen Selbstverwaltung führen, sondernauch de facto zu einer Liberalisierung insbesondereder Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür.Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstörtwerden. Dies ist im Interesse der Menschen inDeutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hatihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlagsklar überschritten. Ein Verstoß gegen das imVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Unionin Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist ausunserer Sicht evident.Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hatsich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholtdafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eineKonzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zuverschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass dersensible Bereich der Wasserversorgung von einer solchenRegelung ausgenommen bleibt.Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplanteAusschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgungfallenzulassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt.EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenenWoche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigenKommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt.In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des EuropäischenParlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissarerklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflichtbei einem Mehrsparten-Stadtwerk dieWasserversorgung zukünftig getrennt von anderenSparten – zum Beispiel der Stromversorgung oder derAbfallentsorgung – betrachtet werden kann. Die Wasserversorgungmüsste dann nur noch in solchen Fällenausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmenweniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungenfür die Gebietskörperschaft erbringt.Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletztErgebnis der beharrlichen Bemühungen der CSU-Landesgruppe. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweiteAusschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgungzu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturenin Deutschland dürfen nicht zerschlagen und(C)(D)


28170 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darfnicht gefährdet werden.Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist einSchritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiterenVerhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wirzählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten derinterkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigtwerden. Jetzt steht die Bundesregierung inden anstehenden Trilog-Verhandlungen in besondererVerantwortung.Anlage 15Erklärungen nach § 31 GO– zu den namentlichen Abstimmungen:– Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgungdurch die Hintertür– Antrag zu dem Vorschlag der EuropäischenKommission für eine Richtlinie desEuropäischen Parlaments und des Ratesüber die Konzessionsvergabe (KOM(2011)897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestagesgemäß Art. 23 Absatz 3 desGrundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzesüber die Zusammenarbeit von Bundesregierungund Deutschem Bundestag inAngelegenheiten der Europäischen Union –Wasser ist Menschenrecht – Privatisierungverhindern– zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag füreine Richtlinie des Europäischen Parlamentsund des Rates über die Konzessionsvergabe(KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11)hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierunggemäß Art. 23 Absatz 3 desGrundgesetzes – Kommunale Versorgungsunternehmenstärken – Formale Ausschreibungspflichtbei Dienstleistungskonzessioneninsbesondere für den Bereich Wasserablehnen(Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt7)Gitta Connemann (CDU/CSU): Den heute zur Beratungvorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und SPD kann ich in dervorliegenden Form nicht zustimmen. Meine Position inder Sache erkläre ich wie folgt:Ich persönlich spreche mich ausdrücklich gegen einePrivatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentlicheWasserversorgung aus.Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungender Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabevon Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreierRaum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass dieKonzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätzeder Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und derTransparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der EuropäischeGerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommissionfür eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweiteAusschreibungsverpflichtung würde nicht nurzu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräumeder kommunalen Selbstverwaltung führen, sondernauch de facto zu einer Liberalisierung insbesondereder Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür.Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstörtwerden. Dies ist im Interesse der Menschen inDeutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hatihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlagsklar überschritten. Ein Verstoß gegen das imVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Unionin Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist ausmeiner Sicht evident.Teile der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und ich habensich deshalb auch gegenüber der Bundesregierungwiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen aufEU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eineKonzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zuverschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass dersensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchenRegelung ausgenommen bleibt.Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplanteAusschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgungfallenzulassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt.EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenenWoche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigenKommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt.In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des EuropäischenParlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissarerklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflichtbei einem Mehrsparten-Stadtwerk dieWasserversorgung zukünftig getrennt von anderenSparten – zum Beispiel der Stromversorgung oder derAbfallentsorgung – betrachtet werden kann. Die Wasserversorgungmüsste dann nur noch in solchen Fällenausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmenweniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungenfür die Gebietskörperschaft erbringt. Damit sindaus meiner Sicht die Anträge obsolet.Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletztErgebnis der beharrlichen Bemühungen der Bundeskanzlern.Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweiteAusschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgungzu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturenin Deutschland dürfen nicht zerschlagen und dieerstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nichtgefährdet werden.Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist einSchritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiterenVerhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Ichzähle auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten derinterkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigtwerden. Jetzt steht die Bundesregierung inden anstehenden Trilog-Verhandlungen in besondererVerantwortung.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28171(A)Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Zu den heute zurBeratung vorliegenden Anträgen erkläre ich Folgendes:Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag undich persönlich sprechen sich ausdrücklich gegen jeglichePrivatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentlicheWasserversorgung aus.Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungender Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabevon Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum.Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergabenunter Einhaltung der Grundsätze derGleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenzzu erfolgen haben. Das stellt auch der EuropäischeGerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommissionfür eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweiteAusschreibungsverpflichtung würde nicht nurzu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräumeder kommunalen Selbstverwaltung führen, sondernauch de facto zu einer Liberalisierung insbesondereder Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür.Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstörtwerden. Dies ist im Interesse der Menschen inDeutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hatihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlagsklar überschritten. Ein Verstoß gegen das imVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Unionin Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist ausmeiner Sicht evident.Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hatsich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholtdafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eineKonzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zuverschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass dersensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchenRegelung ausgenommen bleibt.Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplanteAusschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgungfallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt.EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenenWoche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigenKommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt.In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des EuropäischenParlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissarerklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflichtbei einem Mehrsparten-Stadtwerk dieWasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten– zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung– betrachtet werden kann. Die Wasserversorgungmüsste dann nur noch in solchen Fällen ausgeschriebenwerden, in denen das kommunale Unternehmen wenigerals 80 Pro-zent seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschafterbringt.Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletztErgebnis der beharrlichen Bemühungen der CSU-Landesgruppe.Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweiteAusschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgungzu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturenin Deutschland dürfen nicht zerschlagen und dieerstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nichtgefährdet werden.(C)(B)Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist einSchritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiterenVerhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wirzählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten derinterkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigtwerden. Jetzt steht die Bundesregierung inden anstehenden Trilog-Verhandlungen in besondererVerantwortung.Ingbert Liebing (CDU/CSU): Den heute zur Beratungvorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und SPD kann ich in dervorliegenden Form nicht zustimmen. Meine Position inder Sache erkläre ich wie folgt:Ich spreche mich persönlich ausdrücklich gegen jeglichePrivatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für dieöffentliche Wasserversorgung aus.Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungender Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabevon Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreierRaum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass dieKonzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätzeder Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und derTransparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der EuropäischeGerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommissionfür eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweiteAusschreibungsverpflichtung würde nicht nurzu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräumeder kommunalen Selbstverwaltung führen, sondernauch de facto zu einer Liberalisierung insbesondereder Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür.Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstörtwerden. Dies ist im Interesse der Menschen inDeutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hatihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlagsklar überschritten. Ein Verstoß gegen das imVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Unionin Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist ausmeiner Sicht evident.Die CDU im Deutschen Bundestag hat sich daherauch gegenüber der Bundesregierung wiederholt dafüreingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene demVorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtliniekeine Abstimmungsmehrheit zu verschaffenoder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensibleBereich der Wasserversorgung aus einer solchen Regelungausgenommen bleibt.Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplanteAusschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgungfallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt.EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenenWoche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigenKommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt.In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des EuropäischenParlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissarerklärt, dass bei der Entscheidung über die Aus-(D)


28172 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)schreibungspflicht bei einem Mehrsparten-Stadtwerk dieWasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten– zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung– betrachtet werden kann. Die Wasserversorgungmüsste dann nur noch in solchen Fällenausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmenweniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungenfür die Gebietskörperschaft erbringt.Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletztErgebnis der beharrlichen Bemühungen der CDU imDeutschen Bundestag. Nach wie vor gilt aber, dass eineeuropaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichenWasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturenin Deutschland dürfen nicht zerschlagenund die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darfnicht gefährdet werden.Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist einSchritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiterenVerhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wirzählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten derinterkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigtwerden. Jetzt steht die Bundesregierung inden anstehenden Trilog-Verhandlungen in besondererVerantwortung.Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eineKonzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zuverschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass dersensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchenRegelung ausgenommen bleibt.Zwischenzeitlich hat EU-Kommissar Barnier einegrundlegende Überarbeitung des bisherigen Entwurfsder Konzessionsrichtlinie zur Wasserversorgung angekündigt.Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweiteAusschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgungin vollem Umfang zu verhindern ist. BewährteVersorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nichtzerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgungdarf nicht gefährdet werden. Der Barnier-Vorschlag ist daher nach wie vor ungenügend.An einer vollständigen Herausnahme der Wasserversorgungaus dem Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinieführt meines Erachtens kein Weg vorbei.Dr. Gerd Müller (CDU/CSU): Den heute zur Beratungvorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und SPD kann ich in dervorliegenden Form nicht zustimmen.Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt:Ich persönlich spreche mich ausdrücklich gegen jeglichePrivatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für dieöffentliche Wasserversorgung aus.Als Abgeordneter spreche ich mich entschieden gegeneine Einschränkung der Handlungsspielräume derKommunen aus.Eine Liberalisierung der Wasserversorgung in Deutschlandwürde bewährte gewachsene Strukturen zerstören.Dies ist im Interesse der Bürger in Deutschland nicht akzeptabel.(C)(B)Daniela Ludwig (CDU/CSU): Zu den heute zur Beratungvorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und SPD erkläre ich Folgendes:Ich spreche mich ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs-oder Ausschreibungspflicht für die öffentlicheWasserversorgung aus. Wasser ist das LebensmittelNummer eins. In Deutschland bestehen höchste Maßstäbean die Sauberkeit und Sicherheit unseres Trinkwassers,die wir auf keinen Fall gefährden dürfen. Niemandanders kann die Gewährleistung dieser Maßstäbebesser garantieren als die Wasserversorgung in öffentlicherHand. Diese bewährte öffentliche Wasserversorgungin Deutschland muss uneingeschränkt bestehenbleiben und gegen faktische Privatisierungs- und Liberalisierungsvorhabengeschützt werden.Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommissionfür eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweiteAusschreibungsverpflichtung würde nicht nur zueiner erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräumeder kommunalen Selbstverwaltung führen, sondernauch de facto zu einer Liberalisierung insbesondereder Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür.Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstörtwerden. Dies ist im Interesse der Menschen inDeutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hatihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlagsklar überschritten. Ein Verstoß gegen das imVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Unionin Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist ausmeiner Sicht evident.Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hatsich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholtdafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): Den heutezur Beratung vorliegenden Anträgen der Fraktionen vonBündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD kann ich inder vorliegenden Form nicht zustimmen, wenngleich ichdie inhaltliche Grundausrichtung teile. Meine Position inder Sache erkläre ich wie folgt:Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag undich persönlich sprechen sich ausdrücklich gegen jeglichePrivatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentlicheWasserversorgung aus.Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungender Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabevon Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum.Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergabenunter Einhaltung der Grundsätze derGleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenzzu erfolgen haben. Das stellt auch der EuropäischeGerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommissionfür eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweiteAusschreibungsverpflichtung würde nicht nurzu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräumeder kommunalen Selbstverwaltung führen, son-(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28173(A)dern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondereder Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür.Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstörtwerden. Dies ist im Interesse der Menschen inDeutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hatihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlagsklar überschritten. Ein Verstoß gegen das imVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Unionin Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist ausmeiner Sicht evident.Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hatsich daher wiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungenauf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommissionfür eine Konzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheitzu verschaffen oder zumindest daraufhinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgungaus einer solchen Regelung ausgenommenbleibt.Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplanteAusschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgungfallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt.EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenenWoche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigenKommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt.In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des EuropäischenParlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissarerklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflichtbei einem Mehrsparten-Stadtwerk dieWasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten– zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung– betrachtet werden kann. Die Wasserversorgungmüsste dann nur noch in solchen Fällen ausgeschriebenwerden, in denen das kommunale Unternehmenweniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungenfür die Gebietskörperschaft erbringt.Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletztErgebnis der beharrlichen Bemühungen der CSU-Landesgruppe.Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweiteAusschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgungzu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturenin Deutschland dürfen nicht zerschlagen und dieerstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nichtgefährdet werden.Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist einSchritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiterenVerhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss.ausgenommen werden und Stadtwerke die Möglichkeiterhalten, durch Abspaltung der Wassersparte eine europaweiteAusschreibungspflicht zu vermeiden. Der zuständigeKommissar Michel Barnier hat zwischenzeitlichein weiteres Entgegenkommen in Aussicht gestellt,das eine Abspaltung der Wassersparte in Stadtwerkenentbehrlich machen kann. Danach kann bei Stadtwerkendie Wasserversorgung getrennt von anderen Spartenbetrachtet werden, wenn das kommunale Versorgungsunternehmenmindestens 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungenfür die Gebietskörperschaft erbringt.Jede Kommune muss es weiterhin in der Hand haben,die Trinkwasserversorgung auch künftig selbst zu erbringen.Der beste Weg dahin ist es, die kommunale Wasserversorgungganz vom Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinieauszunehmen. Die Bundesregierungbleibt aufgefordert, in den Verhandlungen auf EU-Ebenedarauf hinzuwirken.(C)(B)Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Der Vorschlagder Europäischen Kommission für eine Konzessionsrichtlinie,der eine EU-weite Ausschreibungspflicht fürdie öffentliche Wasserversorgung vorsieht, stößt zuRecht auf breiten Widerstand. Das Trinkwasser ist unserwertvollstes Lebensmittel. Die Trinkwasserversorgungist nach meiner Überzeugung nirgendwo so gut aufgehobenwie bei unseren Städten und Gemeinden. Sie bürgenfür höchste Qualität und bezahlbare Preise.Im EU-Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlamentskonnte bislang erreicht werden, dass kommunaleZweckverbände und kommunale Eigenbetriebe vonder Ausschreibungspflicht der TrinkwasserversorgungAnlage 16Erklärung nach § 31 GOdes Abgeordneten Dr. Michael Paul (CDU/CSU)zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzeszur Beschleunigung der Rückholung radioaktiverAbfälle und der Stilllegung der SchachtanlageAsse II (Tagesordnungspunkt 8)Zur Abstimmung des unter Tagesordnungspunkt 8 derheutigen Plenardebatte aufgerufenen Gesetzes zur Beschleunigungder Rückholung radioaktiver Abfälle undder Stilllegung der Schachtanlage Asse II in der Fassungder Drucksache 17/11822 erkläre ich:Im ehemaligen Salzbergwerk Asse lagern seit den1970er-Jahren circa 126 000 Fässer und andere Gebindemit radioaktiven Abfällen. Mit dem überfraktionell vonCDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegtenGesetz, über das heute, am 28. Februar 2013,im Deutschen Bundestag in zweiter und dritter Lesungabgestimmt wird, soll ein rechtlicher Rahmen dafür gesetztwerden, dass diese Abfälle schneller als nach geltendemRecht aus dem Bergwerk wieder herausgeholtwerden können.Wie auch die Sachverständigenanhörung im Umweltausschussam 20. Februar 2013 ergeben hat, wird dieRückholung frühestens 2024 beginnen können, da einzusätzlicher Schacht errichtet werden muss. Unter optimalenBedingungen dauert die Rückholung mindestens25 Jahre, sodass sie frühestens 2049 abgeschlossen seinkann. Zugleich machte die Anhörung deutlich, dass imBergwerk Asse erhebliche Probleme bestehen, die sogenannte„Gebrauchstauglichkeit“ des Bergwerks, alsoletztlich seine Stabilität, aufrechtzuerhalten. Für die Zukunftdroht, dass die Grube durch unkontrollierten Wassereinbruch„absäuft“. Diese Gefahr wird größer, jemehr Zeit vergeht.(D)Deshalb müssen schon heute Vorsorge- und Notfallmaßnahmenvorbereitet werden, um die Grube zu stabilisierenund im Fall eines unmittelbar bevorstehendenEinsturzes noch handlungsfähig zu sein. Zum Beispiel


28174 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)müssen Hohlräume wie Stollen und Schächte verfülltwerden, damit die Grube länger gebrauchstauglich ist.Solche Maßnahmen können zu der Absicht im Zielkonfliktstehen, zügig alle Abfälle aus dem Bergwerk zu holen.Deshalb ist aus meiner Sicht notwendig, trotz desZiels der Rückholung in das Gesetz die Klarstellung aufzunehmen,dass Vorsorgemaßnahmen und Vorbereitungenvon Notfallmaßnahmen vorrangig durchzuführensind. Erstens, um langwierige Diskussionen über dieAuslegung des Gesetzes zu vermeiden, also letztlich umzu beschleunigen. Und zweitens, um den handelndenPersonen vor Ort eine sichere Entscheidungsgrundlagezu geben.In den Verhandlungen mit den anderen Fraktionenkonnte mein Vorschlag nicht durchgesetzt werden. Teileder Opposition weigerten sich, diese Ergänzung aufzunehmen.Meine Fraktion hat – gegen meine Stimme –entschieden, den Gesetzentwurf ohne die Ergänzung zubeschließen. Damit droht aus meiner Sicht die dringendeGefahr, dass für die Sicherheit des Bergwerks notwendigeMaßnahmen unterlassen oder verzögert werden.Das könnte im schlimmsten Fall bedeuten, dass im Falleeines unkontrollierten Wasserzutritts die radioaktivenAbfälle nicht mehr beherrschbar, eine Gefahr fürMensch und Umwelt nicht auszuschließen und derSchutz von Leben und Gesundheit der dort Beschäftigtennicht mehr gewährleistet wäre.Da ich dies nicht verantworten kann, stimme ich demGesetzentwurf – anders als meine Fraktion – nicht zu.Anlage 17Erklärung nach § 31 GOder Abgeordneten Gisela Piltz, ChristineAschenberg-Dugnus, Florian Bernschneider,Sebastian Blumenthal, Nicole Bracht-Bendt,Ernst Burgbacher, Marco Buschmann, BijanDjir-Sarai, Rainer Erdel, Hans-MichaelGoldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, ManuelHöferlin, Michael Kauch, Sebastian Körber,Sibylle Laurischk, Oliver Luksic, HorstMeinerhofer, Patrick Meinhardt, Petra Müller,Burkhard Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Jörgvon Polheim, Dr. Birgit Reinemund, Dr. PeterRöhlinger, Björn Sänger, Christoph Schnurr,Jimmy Schulz, Marina Schuster, Dr. Hermann-Otto Solms, Joachim Spatz, ManfredTodtenhausen, Serkan Tören, Johannes Vogel(Lüdenscheid), Dr. Claudia Winterstein (alleFDP) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlungzu dem Antrag: Keine Vorratsdatenspeicherungvon Fluggastdaten – Richtlinienvorschlagüber die Verwendung vonFluggastdatensätzen (KOM(2011) 32 endg.;Ratsdok. 6007/11) – hier: Stellungnahme gegenüberder Bundesregierung gemäß Art. 23 Absatz3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4EUZBBG (Tagesordnungspunkt 35)Wir lehnen den Aufbau eines europäischen Systemszur Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten mitaller Entschiedenheit ab. Die staatlich veranlasste anlassloseSpeicherung von Daten auf Vorrat ist für unsnicht nur im Bereich der Telekommunikation, sondernauch im Passagierverkehr nicht akzeptabel. Daher habenwir die Vorratsdatenspeicherung im Bereich der Telekommunikationabgelehnt und auch die Abkommen derEU mit anderen Staaten zur Übermittlung von Fluggastdatenstets kritisch begleitet. Auch wenn die Datenschutzstandardsgegenüber dem ersten Abkommen mitden USA spürbar gestiegen sind, sind wir der festenÜberzeugung, dass die weitreichenden Eingriffe in dasRecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht imVerhältnis zu dem angestrebten Nutzen der Datensammlungstehen und mithin nicht gerechtfertigt sind. Dies istnicht nur unsere Position, sondern auch die Position derFDP-Fraktion im Deutschen Bundestag. Die FDP-Bundestagsfraktionhat sich bereits gegen das erste Abkommender EU mit den USA, das unter rot-grüner Regierungszeitgeschlossen wurde und über keinenennenswerten Datenschutzvorkehrungen verfügte, gewandt– Drucksache 15/3120.Der Richtlinienvorschlag der Kommission über dieVerwendung von Fluggastdatensätzen – KOM(2011) 32 –sieht sich großer Kritik ausgesetzt. Es bestehen erheblicheZweifel, ob die darin vorgeschlagenen Regelungenmit dem europäischen Grundrecht auf Datenschutz– Art. 8 Grundrechtecharta – vereinbar sind. Eine deutscheUmsetzung der Richtlinie müsste sich an den Vorgabendes Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherungmessen lassen. Insbesondere im Hinblick auf die inder Richtlinie geforderte zentrale Speicherung der Datenin den Mitgliedstaaten, die lange Speicherdauer von insgesamtfünf Jahren und den vom Bundesverfassungsgerichtgeforderten Ausnahmecharakter einer Vorratsdatenspeicherungbestehen erhebliche Zweifel an derVereinbarkeit mit dem Grundrecht auf informationelleSelbstbestimmung.Wir müssen jedoch leider erkennen, dass in der EuropäischenUnion sowohl in der Kommission als auch imRat mehrheitlich eine Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdatenbegrüßt wird. Wir begrüßen, dass sich dieBundesjustizministerin gegen den Richtlinienvorschlagder Kommission gewandt hat und dass auch der Bundesrateinen kritischen Beschluss gefasst hat. Wir erinnerndaran, dass die FDP in der Koalitionsvereinbarung eingebrachthat, dass im Falle eines solchen Vorschlags eineAusweitung auf innereuropäische Flüge abgelehnt wird,und wir begrüßen, dass der Bundesinnenminister demauf europäischer Ebene bereits gefolgt ist. Den Bundesinnenministerfordern wir auf, bei den Verhandlungenüber den Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommissionim Rat auf eine breite Ablehnung des Richtlinienvorschlagshinzuwirken und, für den Fall, dass einemehrheitliche Ablehnung nicht erreichbar ist, sich fürhöchste Datenschutzstandards, besonders im Hinblickauf die Speicherdauer, die zentrale Datenspeicherung,die Zugriffsmöglichkeiten auf die Fluggastdaten sowiedie Beschränkung auf den Luftverkehr, einzusetzen.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28175(A)(B)Da es in der Koalition keine wechselnden Mehrheitengeben soll, können wir dem Antrag von Bündnis 90/DieGrünen am heutigen Tage nicht zustimmen.Anlage 18Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Redenzur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes überdie Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungenan Religionsgesellschaften (Staatsleistungsablösegesetz– StAblG) (Tagesordnungspunkt 7)Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Es geht umKompensation – nicht um Subvention. Wir sprechen hiernicht über Geschenke oder über eine „Bevorzugung derKirchen“, wie Sie es formulieren, sondern es geht umEntschädigungen: um einen finanziellen Ausgleich fürdie Enteignungen von Kirchengütern durch den Staat imRahmen der Säkularisation, die teils während der Reformation,vor allem aber infolge des Reichsdeputationshauptschlussesvon 1803 erfolgt sind.In diesem Zusammenhang über Gleichbehandlungder Religionen zu sprechen, die Sie hier vermeintlich gefährdetsehen, ist einfach historisch falsch, weil eben nurdie beiden großen christlichen Kirchen betroffen waren.Außerdem weise ich in aller Deutlichkeit Ihre Behauptungzurück, dass mit den Staatsleistungen gegen dieTrennung von Staat und Kirche verstoßen würde: Wir lebenin einem säkularen Staat, unsere Verfassung siehtaus gutem Grund vor, dass Staat und Kirche getrenntsind. Doch zugleich ist richtig, dass das deutsche Staatsmodellnicht laizistisch ist, sondern vielmehr ein Verhältnisder „wohlwollenden Neutralität“ ist, wie es derehemalige Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio formuliert.Der weltanschaulich-neutrale Staat muss den Religionsgemeinschaftengegenüber nicht indifferent sein;die Kooperation in bestimmten Bereichen ist durch dasGrundgesetz dezidiert erwünscht. Davon sind auchfinanzielle „Belange“ nicht grundsätzlich ausgeschlossen,wie es beispielsweise beim Religionsunterricht derFall ist. Dafür gibt es staatliche Zuschüsse. Ich erinnereaber auch daran, dass eben auch der Humanistische Verbandfür die Erteilung des Lebenskundeunterrichts beispielsweisein Brandenburg staatliche Zuschüsse fürPersonal- und Sachkosten erhält. Vielleicht ist es abervielfach nicht bekannt, dass der Humanistische VerbandBerlin-Brandenburg im vorigen Jahr seine Finanzierungsvereinbarungmit dem Land Berlin aus dem Jahr2002 gekündigt hat, weil diese vorsahen, dass das LandBerlin „nur“ 90 Prozent der Personalkosten für diesenUnterricht übernimmt.Im Übrigen ist es wichtiger Bestandteil der Religionsfreiheit,dass der Staat Rahmenbedingungen gewährleistet,innerhalb derer seine Bürgerinnen und Bürger ihreReligion auch ausüben können. Gegen die weltanschaulicheNeutralität würde der Staat umgekehrt genau dannverstoßen, wenn er sich einseitig auf die Seite jenerschlagen würde, welche die Religionen aus dem öffentlichenBereich herausnehmen wollen. Das wäre nämlicheine einseitige Bevorzugung der atheistischen Weltanschauung.Dies widerspräche im Übrigen auch denInteressen der großen Mehrheit der Bürgerinnen undBürger dieses Landes, die sich zu einer Religionsgemeinschaftbekennen.Darüber hinaus erinnere ich auch Sie daran, dass jeneSubventionen, die Sie in ihrem Entwurf zwar aktuellnicht regeln wollen, aber doch als „sogenannte Privilegierung“der Kirchen bezeichnen, selbstverständlich verfassungskonformsind: Die Kirchen erhalten bei denLeistungen, die sie im Rahmen der Subsidiarität für denStaat erledigen, Zuschüsse, wie jeder andere Trägerauch, wenn er dieselben Leistungen bereithält, beispielsweisebei Kindergärten oder Krankenhäusern.Lassen Sie mich aber zurückkommen auf die Staatsleistungenim engeren Sinne, die auf den Enteignungender Säkularisation beruhen. Anders als Sie stehen wirChristdemokraten ausdrücklich zu unseren historischenVerpflichtungen in Rechtsnachfolge der Staaten aufdeutschem Boden genauso wie zu den völkerrechtlichenVerpflichtungen aus dem Konkordat mit dem HeiligenStuhl, das ausdrücklich vorsieht, dass die Grundsätze füreine Ablösung der „auf Gesetz, Vertrag oder besonderenRechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die katholischeKirche“ rechtzeitig im freundschaftlichen Einvernehmenmit dem Heiligen Stuhl herbeizuführen sind.Gesprächen, die eine solche Ablösung im freundschaftlichenEinvernehmen intendieren würden, würden wir unsnicht entziehen – nur ist mir nicht bekannt, dass insbesonderedie Länder mit einer Bitte nach einem Grundsätzegesetzfür die Ablösung an den Bund herangetretenwären.Eher umgekehrt werte ich das Vorgehen der Länder,die den Spielraum, den die geltende Rechtslage ihnenbietet, ja aktiv nutzen, gerade als Signal, dass sie mit dengeltenden Regelungen einverstanden sind: Sie wissen,dass beispielsweise Bayern erst jüngst Änderungen beider Besoldung der Bischöfe und Geistlichen auf Landesebenevorgenommen oder auch Hessen Kirchenbaulastenabgelöst hat.Ich meine auch, dass Föderalismus falsch verstandenwäre, wenn der Bundesgesetzgeber nun per Gesetz denLändern fixe Zahlungen vorschreiben und möglicherweiseden Spielraum nehmen würde, die Landesgesetzgebung,die dann die Ablösung gegenüber den jeweiligenDiözesen oder Landeskirchen regeln müsste, denörtlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten anzupassen.Deshalb sage ich Ihnen: Mit der Union wird es eineeinseitige Ablösung ohne solide Rechnungsbasis, ohneEinbeziehung der Länder und der Kirchen, die damit inWahrheit ein zweites Mal enteignet würden, nicht geben.Wenn es eine Ablösung gibt, müsste sie in dem Sinne erfolgen,wie die Staatsleistungen gedacht sind: Als faireEntschädigung für enteignete Kirchengüter, die ja diewirtschaftliche Grundlage der Kirchen gesichert haben,aus denen sie also ihren Unterhalt bestreiten können. Icherinnere gern daran, dass der Staat ein genuines Interessehat, dass die Kirchen finanziell so stabil sind, ihre Ange-(C)(D)


28176 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)bote – für übrigens alle Menschen in unserer Gesellschaft,und nicht nur für Kirchenmitglieder – aufrechterhaltenzu können, denn der Staat könnte ihre vielfältigenprofessionellen, vor allem aber ehrenamtlichen Angebotekaum schultern.Wir brauchen dazu starke Kirchen und Religionsgemeinschaften,mit entsprechender personeller und materiellerAusstattung, deren Werte wesentliche Motivationsind für das ehrenamtliche Engagement, das sehr vieleMenschen in unserem Land leisten, das unsere Gesellschafterst lebenswert macht. Die christliche Nächstenliebeund Barmherzigkeit sind dafür ganz sicher nichtdie einzige, aber eine starke Quelle.So möchte ich quasi den Spieß unserer heutigen Debatteumdrehen und zum Ende meiner Rede den Kirchenausdrücklich für diesen Dienst an unserer Gesellschaftdanken.Norbert Geis (CDU/CSU): Wir leben in einem säkularisiertenVerfassungsstaat, und niemand von unsmöchte in einem anderen Staat leben. Es war, wie wir ausder Geschichte wissen, ein langer Weg dorthin. Zwar gabes schon sehr früh nach dem Investiturstreit (1067/1122)die Trennung von Staat und Kirche, aber erst in der Zeitder Aufklärung kam es auch zur Trennung von Staat undReligion. In erster Linie war dies eine Folge der Religionskriege.Der Staat musste Neutralität bewahren, umden Frieden zu sichern. Dem Verfassungsstaat ist es verwehrt,in der Auseinandersetzung um die letzte WahrheitPartei zu ergreifen. Nur so kann er „Heimstatt“ allerBürger werden, wie das Verfassungsgericht in einemsehr frühen Urteil ausgeführt hat.Das heißt aber nicht, dass der Staat die Religion alsgeistige Kraft des gesellschaftlichen Lebens ignorierenmuss. Religiöse Neutralität bedeutet nicht eine stureTrennung von Staat und Religion, wie es die laizistischeIdeologie fordert. Das Christentum hat unsere deutscheGeschichte und die Geschichte des europäischen Kontinentsnachhaltig geprägt. Das kann niemand leugnen.Wir können nicht einfach aus unserer zweitausendjährigenGeschichte des Abendlandes aussteigen. Diechristliche Religion bleibt eine wichtige Voraussetzungunseres freiheitlichen Gemeinwesens. Auf diesen vomChristentum gelegten kulturellen und ethischen Grundlagenruht der Staat.Unter diesem Blickwinkel sind die Staatsleistungen,die Weimar von dem vorkonstitutionellen Staat übernommenund die auch in der Bonner Verfassung ihrenNiederschlag gefunden haben, zu sehen. Mit den Staatsleistungendecken die Kirchen einen großen Teil ihresAufwandes. Sie sind auf diese Leistungen angewiesen.Diese Leistungen sind keine Subventionen, sondern Ersatzdafür, dass der Staat sich in der Säkularisation dieKirchengüter angeeignet und damit den Kirchen dieExistenzgrundlage entzogen hat.Die laizistische Forderung, dass für die beiden großenchristlichen Kirchen keine staatlichen Mittel aufgewendetwerden sollen, hat sich weder in der Weimarer Nationalversammlungnoch in der Bonner Republik durchgesetzt.Sowohl Weimar als auch Bonn und jetzt Berlinwollen nicht die gewaltsame Trennung, sondern wollendie Kooperation zwischen Staat und Kirche. Darin sindsich die großen Parteien einig.Dieses kooperative Verhältnis zwischen Staat undKirche war wohl ein Grund dafür, dass die Staatsleistungenbis heute noch nicht abgelöst wurden. Das heißt abernicht, dass dieser Verfassungsauftrag inzwischen erloschenist. Die Kirchen können sich nicht darauf berufen,dass diese Staatsleistungen jetzt schon so lange gezahltwerden. Es gibt in dieser Frage kein Gewohnheitsrecht.Die Ablösung ist nach wie vor möglich. Allerdings mussder Staat bei einer eventuellen Ablösung wissen, dass erdurch die Staatsleistungen die Autonomie der Kirchenzu gewährleisten hat. Die Staatsleistungen bewirken,dass die Kirchen nicht als Bittsteller vom Staat abhängigwerden, sondern dass sie selbstständig und frei von weltlichenZwängen ihren Auftrag erfüllen können. Die Aufforderungdes Papstes zur Entweltlichung hat viele Aspekte.Sie hat vor allem aber auch den Aspekt, dass eskeine Abhängigkeit der Kirche vom Staat geben darf.Die Staatsleistungen dienen der Unabhängigkeit der Kirchenvon der Welt.Voraussetzung für die Ablösung der Staatsleistungenist deshalb, dass die Kirchen auch künftig im gleichenMaße wie bisher ihren Aufwand finanzieren können.Eine solche Ablösung hat in der Atmosphäre der Freundschaftzu erfolgen. Dazu sind Verhandlungen notwendigmit dem Ziel, eine einvernehmliche Regelung zu finden.Der vorliegende Entwurf entspricht diesen Voraussetzungennicht, sondern er stellt ein einseitiges Diktat dar.Dies widerspricht dem Grundsatz der Kooperation zwischenStaat und Kirche. Wir werden deshalb den Entwurfablehnen.Beatrix Philipp (CDU/CSU): Es sieht so aus, als obdie Linke beabsichtigt, einen Beitrag zur Aufarbeitungvon Geschichte zu leisten in einem für sie ungewohntenBereich. Sie legt heute ein Gesetz über die Grundsätzezur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaftenvor und bezieht sich darin auf einen Verfassungsauftragvon 1919, der wiederum sich auf „Vorgänge“von 1803 bezieht. Dass dieser vorgelegteEntwurf aber kein Beitrag zur Aufarbeitung ist, stellenwir fest, wenn wir uns vor Augen führen, um was es tatsächlichgeht.Bund, Länder und Kommunen leisten finanzielle Unterstützungan die Kirchen in verschiedenster Form. EineBesonderheit der Unterstützungsleistung stellen die sogenanntenStaatsleistungen dar, und um die geht esheute. Staatsleistungen haben ihren historischen Ursprungin der Zeit der Säkularisierung, geregelt imReichsdeputationshauptschluss im Jahre 1803. Im Rahmendieser Säkularisierung wurden zahlreiche kirchlicheGüter enteignet; insofern versteht die Linke etwas davon.Diese Güter sind meistenteils noch heute in staatlichemEigentum; „meistenteils“ daher, weil es in den vergangenenJahren immer wieder einmal auf LandesebeneVerhandlungen mit dem Abschluss von Ablösevereinbarungengegeben hat. 1803 übernahmen die damaligen(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28177(A)(B)Landesherren die Verpflichtung, im Gegenzug die Besoldungund Versorgung der Pfarrer sicherzustellen. Eshandelte sich also ursprünglich um eine Art Pachtersatzleistung.Staatsleistungen stellen auch heute noch keineFörderung der Kirchen durch den Staat dar. Vielmehrhandelt es sich immer noch um die Wiedergutmachungfür erlittene Rechtsverluste infolge der säkularisationsbedingtenVermögensverluste der Kirchen.Wie bereits angedeutet, sind diese Staatsleistungendurch Art. 140 Grundgesetz mit dem dadurch geltendenArt. 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung verfassungsrechtlichverbürgt. Gleichzeitig gibt es einen Auflösungsauftragfür die vor dem Inkrafttreten der WeimarerReichsverfassung im Jahre 1919 begründetenStaatsleistungen. Danach sollen die regelmäßigen Zahlungengegen eine angemessene Entschädigung aufgehobenwerden.Ich zitiere Art. 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung:Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstitelnberuhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaftenwerden durch die Landesgesetzgebungabgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reichauf.In Art. 18 Satz 3 des Staatskirchenvertrags vom20. Juli 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und demDeutschen Reich, dem sogenannten Reichskonkordat,heißt es ausdrücklich:Die Ablösung muss den Ablösungsberechtigten einenangemessenen Ausgleich für den Wegfall derbisherigen staatlichen Leistungen gewähren.Unbestritten ist also, dass es einen Auftrag gibt.Aber der Teufel steckt im Detail. Was ist „angemessen“?Wer kann „angemessen“ definieren? Seit Jahrenwird diese Problematik immer wieder thematisiert. Dabeiverschließen sich die Vertreter der Kirchen auchnicht möglichen Lösungsvorschlägen. Doch wie könntendiese Lösungsvorschläge aussehen?Die Linken rechnen in ihrem Antrag hin und her, umdie Wertigkeit der abschließenden Staatsleistungen aufdas 10-Fache des zeitlichen Jahreswertes zu beziffern.Dies scheint mir aus der Luft gegriffen. Andere Meinungengehen von einem 25-Fachen des zeitlichen Jahreswertesaus. Wieder andere halten es für angemessen, dieZahlungen komplett einzustellen, da in den vergangenenJahren umfangreiche Zahlungen bereits erfolgt seien.Zurzeit belaufen sich die jährlichen Zahlungen auf circa460 Millionen Euro. Das bedeutet, das Spektrum der imZweifelsfall erforderlichen Mittel reicht von 0 über4,6 Milliarden bis hin zu 115 Milliarden Euro. Als besonderesSchmankerl: Wir bestellten hier die Musik, unddie Länder müssten zahlen. Die Freude dort wäre übergroß,wie sich denken lässt. Ich bin zwar keine Verfassungsrechtlerin,aber Ihre Forderungen lassen doch erheblichan der Verfassungsmäßigkeit des vorgestelltenGesetzestextes zweifeln. Darauf geht aber sicher HerrGeis noch besonders ein.Ein weiterer Aspekt: Zur Ablösung dieser Staatsleistungenist ein Grundsätzegesetz erforderlich; das heißt,ein Gesetz, das die Grundsätze zwischen den Religionsgemeinschaftenund den Ländern neu regelt. Dabei sollseitens des Bundes ein Rahmen für die Ablösung vorgegebenwerden, den die Länder ausfüllen. Die Linken hingegenmachen in ihrem Entwurf den Ländern bereitskonkrete Vorgaben. Welcher Spielraum bei der Ausgestaltungverbliebe den Ländern dann noch? Denn von einerverbleibenden Regelungsautonomie der Länder kannbei den Vorgaben in diesem Gesetzentwurf nicht mehrdie Rede sein. Gerade im Hinblick auf die unterschiedlichenEntwicklungen im Verhältnis Länder und Religionsgemeinschaftin den zurückliegenden Jahren – sogarJahrhunderten – ist es wichtig, dass den Ländernentsprechende Gestaltungsspielräume für eine eventuelleAblösung überlassen werden.Auch bleibt anzumerken: Unabhängig von der Verpflichtungaus Art. 138 Weimarer Reichsverfassung habenbereits zahlreiche Bundesländer vertragliche Regelungengegenüber den Religionsgemeinschaften für eineAblösung der Staatsleistungen getroffen. So hat zumBeispiel Bayern ehemals kirchliche Liegenschaften wieKirchen und andere kirchliche Gebäude bereits an dieKirche zurückübereignet, was zur Folge hatte, dass staatlicheUnterhaltsleistungen weggefallen sind. Gleichzeitighat Bayern mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzesüber die Bezüge der Erzbischöfe, Bischöfe undMitglieder der Domkapitel sowie über die Zuschüssezum Personalaufwand des Landeskirchenrates Ende2012 die Leistungen an Geistliche beider Konfessionenneu geregelt.Ein Eingreifen des Bundes, wie Sie es wollen, würdedie Länder vor erhebliche finanzielle Probleme stellen.Wir wollen den Ländern im Hinblick auf ihre spezifischeSituation bzw. Interessenslagen und ihre finanziellenGestaltungsspielräume nicht vorschreiben, ob und biswann sie die Staatsleistungen ablösen, sondern verweisengerne auf Bayern und die dort gefundenen Lösungen.Und noch einmal: Wie Sie auf den 10-fachen Jahresbeitragkommen, bleibt Ihr Geheimnis. Jedenfalls entbehrtes jeder Seriosität, etwa einer Berechnung anhandnachvollziehbarer Kriterien, mal so einfach den 10-fachenJahresbeitrag zu fordern. Sie nennen dies zwarKompromisslösung zwischen Allgemeininteresse in Bezugauf eine Schonung des Haushaltes und den Vermögenswahrungsinteressender betroffenen Kirchen. Aberauch das trifft nicht den Kern. Ich verweise auf Art. 18Satz 1 des Reichskonkordates. Dort heißt es:Falls die auf Gesetz. Vertrag oder besonderenRechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die katholischeKirche abgelöst werden sollten, wird vorder Ausarbeitung der für die Ablösung aufzustellendenGrundsätze rechtzeitig zwischen dem HeiligenStuhl und dem Reich ein freundschaftlichesEinvernehmen herbeigeführt werden.Zitat Ende. So pfleglich ging man damals jedenfalls miteinanderum. Ihr 10-facher Jahresbeitrag, auf den Siesich wohl untereinander geeinigt haben, scheint mir weitweg von einem „freundschaftlichen Einvernehmen“ zusein.(C)(D)


28178 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Schließlich widerspreche ich mit Nachdruck, wenn esim vorliegenden Gesetzentwurf heißt, dass die gewährtenStaatsleistungen zu einer Bevorzugung der Kirchengegenüber anderen Bekenntnisgemeinden führten. Icherinnere an dieser Stelle nur daran, dass wir im Märzvergangenen Jahres das Gesetz zum Vertrag zwischender Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat derJuden in Deutschland gelesen und verabschiedet haben.Kaum jemand – außer Ihnen – empfindet das als „Bevorzugung“.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erkennt das Prinzipder Trennung von Staat und Kirche an. Eine Veränderungder rechtlichen Stellung der Kirchen hätte weitreichendeverfassungsrechtliche Auswirkungen. Unddeshalb bleibt nur noch festzustellen, dass der Gesetzentwurfnicht im Ansatz hält, was der Titel verspricht. DerÜberweisung in den Innenausschuss stimmen wir zu.Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Wie meistens, wenn wir uns hier im Hohen Hausmit dem Verhältnis von Kirche und Staat beschäftigen,wird es historisch. Der Anlass unserer heutigen Debatteist der Ablösungsauftrag für die sogenannten Staatsleistungen,der bereits seit 1919 in der Verfassung steht. DieLinksfraktion hat dazu den vorliegenden Gesetzentwurfeingebracht, der aus unserer Sicht – das sage ich gleich vorweg– reichlich unausgegoren ist, denn der Teufel, fallsdiese Bemerkung erlaubt ist, steckt wie so oft im Detail.Im Gesetzentwurf wird die Notwendigkeit einer Ablösungdamit begründet, dass dadurch eine stärkere Entflechtungdes Staat-Kirche-Verhältnisses vorangetriebenwerde. Diese stärkere Entflechtung ist aus Sicht meinerFraktion auch durchaus wünschenswert. Die höchsteHürde ist hierbei allerdings, dass die allermeisten Juristenden kompletten Wertersatz der Staatsleistungen alsAblösung veranschlagen, also in etwa die 25-facheSumme des von den Ländern jeweils gezahlten Jahresbetrags.In Anbetracht dessen wirkt die zehnfache Summeals einmalige Abfindung, wie er im Gesetzentwurf derLinken steht, doch ziemlich willkürlich gewählt und istauch nicht nachvollziehbar begründet.Und dann leuchtet da noch etwas nicht so recht ein:Warum haben Sie es eigentlich so eilig, die Länder zurGesetzgebung zu drängen? Sie wollen, dass die Länderinnerhalb eines Jahres nach Erlass des bundesrechtlichenAblösungsgesetzes tätig werden müssen; so steht es imEntwurf. Dies aber halte ich für äußerst knapp bemessen,wenn wir daran denken, dass einem solchen Landesgesetzumfangreiche Verhandlungen mit den Kirchen vorausgehenmüssten – von der Zeit, die die parlamentarischeBefassung inklusive der möglicherweise notwendigwerdenden Haushalts- bzw. Nachtragshaushaltsberatungendann noch in Anspruch nimmt, mal ganz abgesehen.Die Frage, ob die Länder das überhaupt wollen, ist dabeivollends aus dem Blick geraten. Denn in der Staatslehreherrscht Dissens über die Frage, ob ohne ein bundesrechtlichesAblösungsgesetz die Länder überhaupt Ablösungenvornehmen dürfen. Egal, wie man die Frage beantwortet,so steht doch fest, dass die Länder nur dannabzulösen brauchen, wenn sie dies für richtig halten, alsoentweder unabhängig vom Bundesgesetz oder aber erstnach dessen Erlass. Aber – und das ist in diesem Zusammenhangder springende Punkt – sie können durch diesesGesetz nicht zur Ablösung gezwungen werden, wieSie dies verlangen. Das ist das eine.Zum anderen habe ich den Eindruck, Sie haben einefalsche Vorstellung vom Charakter dieses „Grundsätze-Gesetzes“, wie es laut Weimarer Reichsverfassung heißt.Es heißt nämlich deshalb so, weil es die Grundsätze aufstellensoll, denen die Länder dann zu folgen haben. Sieaber stellen im Gesetz nicht die Grundsätze auf, sondernregeln detailliert, was im Einzelnen zu geschehen hat.Da stellt sich doch die Frage, wo da der Spielraum derLänder ist. Wozu braucht es ein Landesgesetz, wenn diebundesrechtlichen Vorgaben so präzise sind?Zum Schluss noch drei Anmerkungen zu Ihrer Begründung,der heute aus dem Amt scheidende Papst habedies selbst so gewollt. Erstens ist selbst innerhalb der katholischenKirche umstritten, wie die Freiburger RedeBenedikts von der „Entweltlichung“ der Kirche zu verstehenist. Zweitens werden sich die genauso von demGesetz betroffenen evangelischen Landeskirchen fragen,warum sie von Ihnen von der Linkspartei in ökumenischeMithaftung für Äußerungen des Papstes genommenwerden. Und drittens ist im Gesetzentwurf viel die Rededavon, dass die Trennung von Staat und Kirche endlichvollständig durchgesetzt werden müsse. Unabhängigvon der Frage, was das konkret bedeutet, stellt die Exegesevon Papstworten diesen Grundsatz auf den Kopf.Denn zur Trennung von Staat und Kirche gehört auch,dass der Staat eben nicht bewerten kann und darf, waskircheninterne Äußerungen bedeuten sollen und wasnicht. Insofern fehlt dem Vorstoß die notwendige argumentativeKonsistenz.Wir sollten die Auseinandersetzung über Sinn undZweck der Staatsleistungen und die rechtlichen Möglichkeitenihrer Ablösung führen, da bin ich ganz bei Ihnen.Die von Ihnen vorgeschlagene Lösung indes sagtmehr aus über Ihr Verständnis bzw. Mißverständnis desReligiösen als über die Problematik selbst. Mit IhremAntrag bürden Sie den Ländern eine praktisch nicht zuleistende Gesetzgebungslast auf und demonstrieren eineklatantes Desinteresse an den rechtlichen Detailproblemender Ablösung. Sie sind nicht an einer sinnvollenLösung interessiert, sondern nur an der Konfrontation.Genau deshalb können wir Ihren Antrag nicht mittragen.Anlage 19Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Redenzur Beratung der Beschlussempfehlung und desBerichts zu den Anträgen:– Neue Flusspolitik – Ein „Nationales Rahmenkonzeptfür naturnahe Flusslandschaften“– Umfassendes Elbekonzept erstellen(Tagesordnungspunkt 15)Ingbert Liebing (CDU/CSU): Der Schutz der Umweltsteht sowohl bei der Bundesregierung als auch beider CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf der politischen(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28179(A)Agenda ganz weit oben. Ein wichtiger Aspekt ist in diesemZusammenhang auch die Wasserpolitik.Da wir uns dessen Bedeutung bewusst sind, verfügtDeutschland hier über ein im internationalen Vergleichvorbildliches Umweltschutzniveau. Dies gilt auch fürviele andere Bereiche. Deutschland hatte von Anfang anein vorrangiges Interesse an der Wasserrahmenrichtlinie.Deshalb war die Beteiligung der Bundesrepublik aufeuropäischer Ebene im Vorfeld auch so intensiv und erfolgreich.Wir haben die Herausforderungen ernst genommenund gehören deshalb zu den wenigen Staaten,die fristgerecht Ende 2009 die notwendigen Bewirtschaftungsplänefür die Flussgebietseinheiten mit deutschemAnteil vorgelegt haben.Wir haben viel gelernt bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie,und wir verfolgen damit sehr ehrgeizigeZiele, die nicht ohne erheblichen finanziellen Aufwandzu erreichen sind. Darüber hinaus arbeiten wir engmit unseren europäischen Nachbarn zusammen.Die Linken behaupten in ihrem Antrag, dass die EuropäischeKommission ein umfassendes Vertragsverletzungsverfahrenwegen fehlerhafter Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinieeingeleitet hat. Hier geht es um eineunterschiedliche Interpretation von Rechtsbegriffen derEuropäischen Kommission, die sich im Bereich des Kostendeckungsprinzipsvon den verschiedenen EU-Mitgliedstaatenunterscheidet. Konkret geht es hier um dieDefinition des Begriffs der Wasserdienstleistungen unddie Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen derWasserrichtlinie.Alle Fristen wurden von der Bundesregierung eingehalten,und die Klage wurde zum 31. Januar 2013 gegenüberdem Europäischen Gerichtshof erwidert. Das Verfahrenist damit offen. Lassen Sie uns abwarten, wie derEuropäische Gerichtshof entscheiden wird. Die restriktiveinhaltliche Auslegung der Bestimmungen wird übrigensvon rund elf weiteren Mitgliedstaaten geteilt. Siesehen also, Deutschland steht hier nicht alleine, und dieKlage gegen uns wird als Musterprozess der EuropäischenKommission für ähnlich gelagerte Fälle gesehen. Undwir alle wissen ja: „Vor Gericht und auf hoher See sindwir in Gottes Hand“.Der Antrag der Linken fordert, neben der Wasserrahmenrichtlinieein nationales Rahmenkonzept für naturnaheFlusslandschaften als zweites Instrument zu schaffen.Aber das brauchen wir nicht. Offensichtlich kennenSie die grundgesetzliche Zuständigkeitsverteilung zwischendem Bund und seinen Ländern immer noch nicht:Der Bund ist nicht für die Bewirtschaftungsplanung oderMaßnahmenprogramme zuständig; dafür sind die Bundesländerzuständig. Die Realisierung der Programmeerfolgt durch die Bundesländer. Diese Phase wurde bisEnde 2012 erfolgreich abgeschlossen.Nach der Wasserrahmenrichtlinie werden die Bewirtschaftungspläneund Maßnahmenprogramme alle sechsJahre überprüft und nötigenfalls angepasst sowie aktualisiert.Also findet hier eine Evaluierung statt. Eine Verkürzungder Überprüfungsphasen macht wegen dermeist langsamen Reaktionen der Gewässer auf erfolgteMaßnahmen keinen Sinn, wie es der Antrag der Linkensuggeriert.(C)(B)Die Bewirtschaftungspläne sind wesentlicheElemente zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie.Deshalb ist die Einrichtung einer interministeriellen Arbeitsgruppeauf Bundesebene nicht notwendig. Die zuständigenMinisterien auf Bundes- und Länderebene befindensich in engem Austausch. Darüber hinaus wurdenVertreter interessierter Kreise frühzeitig in die Umsetzungder Wasserrahmenrichtlinie eingebunden.Die Wasserrahmenrichtlinie – wie übrigens auch dieim Antrag zitierte Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie– verlangen bereits heute nach einer intensivenKooperation aller beteiligten Akteure und einer aktivenBeteiligung der Öffentlichkeit. Dem ist die Bundesregierungselbstverständlich umfassend nachgekommen.Dabei hat sie zugunsten einer möglichst breiten Einbindungder Öffentlichkeit zum Teil innovative Wegebeschritten, gerade auch im Sinne einer aktiven Beteiligung.Besonders der gerade angelaufene Ideenwettbewerbdes Deutschen Naturschutzpreises ist hier ein gutesBeispiel. Für das Jahr 2013 steht er unter dem Thema„Lebensraum Wasser – Vielfalt entdecken, erleben, erhalten“.Bürgerinnen und Bürger sind dazu aufgerufen,Ideen einzureichen, die die biologische Vielfalt hervorhebensowie die Lebensräume in, an und auf Seen, Bächenund Flüssen erlebbar machen.Gerade die Zusammenarbeit von verschiedenen Interessengruppenbietet hier eine hervorragende Möglichkeit,um nicht nur das Naturerlebnis, sondern auch Naturbildungund -schutz nachhaltig zu unterstützen. Durchdieses und ähnliche Projekte ist die Öffentlichkeitsbeteiligungbei der Erarbeitung der Wasserrahmenrichtlinieberücksichtigt und auch umgesetzt worden. Aber auchweitere Forderungen des Antrages zeigen die Unkenntnisder Linken von der föderalen Kompetenzverteilungdeutlich: Die Forderung, räumlich zusammenhängendeGewässerrandstreifen mittelfristig auf 15 Meter festzulegen,muss ich zurückweisen.Die Diskussion hatten wir schon vor Jahren mit denBundesländern, als es um den Hochwasserschutz ging.Nach dem Wasserhaushaltsgesetz 2010 muss der Gewässerrandstreifenim Außenbereich bereits 5 Meter breitsein. Aber Länder und Behörden können durchaus abweichendeRegelungen treffen und flexibel handeln.Eine bundeseinheitliche Vorgabe ist daher auf Dauernicht möglich und auch nicht gewollt.Darüber hinaus fördert das BMU im Rahmen der Förderrichtliniefür Naturgroßprojekte zahlreiche Gewässerrandstreifenprojekte.Dann möchte ich auch noch daraufhinweisen, dass nach § 38 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzesdie Umwandlung von Grünland inAckerland verboten ist. Des Weiteren sind Überschwemmungsgebieteals Rückhalteflächen zu erhalten. Auchsollen frühere Überschwemmungsgebiete, soweit möglich,wiederhergestellt werden. All dies fällt in die Länderzuständigkeit,worüber wir ausgiebigst in den entsprechendenGremien diskutiert haben.(D)


28180 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Zur Forderung der Linken, die Gewährleistung eineröffentlichen Finanzierung, die vorrangig auf Synergienzwischen dem Hochwasserschutz und dem Erhalt bzw.der Entwicklung frei fließender Flüsse mit naturnahenAuen ausgerichtet ist, kann ich nur sagen: Die geltendenfinanzverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen sagen,dass auch hier die Länder die finanzielle Verantwortunghaben. Trotzdem engagiert sich die Bundesregierungim Hochwasserschutz. Auch auf EU-Ebene setztsie sich dafür ein, dass der Hochwasserschutz in den einschlägigeneuropäischen Förderprogrammen berücksichtigtwird. Eine Kooperation zum Gewässerschutz in deninternationalen Flussgebieten bzw. an Grenzflüssen findetschon lange statt. Dazu wurden internationale Flussgebietskommissionenund Grenzgewässerkommissionengegründet, die mit ihren Arbeitsstrukturen sämtlicheThemen des Gewässerschutzes abdecken, wie Hochwasserschutz,chemische und ökologische Aspekte des Gewässerschutzes,Warnung bei Unfällen, inzwischen auchFragen der Biodiversität und des Klimaschutzes. DieseGremien dienen als Koordinationsplattformen zur internationalenAbstimmung der Umsetzung europäischerGewässerschutzrichtlinien.Auch im Bereich der Forschung ist die Bundesregierungengagiert. So sind Vorhaben regelmäßig im Rahmendes Umweltforschungsplans des Bundesumweltministeriumsgefördert worden.Zusammenfassend stelle ich fest: Die Bundesregierungsetzt sich aktiv ein für die Harmonisierung des Gewässerschutzesund die Verbesserung des Zustands derGewässer innerhalb der EU. Dazu dient als zentrales Instrumentdie Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie innationaler Verantwortung. Das Herzstück der EU-weitverbindlichen Richtlinie ist es, bis 2015 einen guten ökologischenund chemischen Zustand bei oberirdischenGewässern und einen guten quantitativen und chemischenZustand beim Grundwasser herzustellen. ZurRealisierung dieses ambitionierten Ziels werden wir alsCDU/CSU-Bundestagsfraktion nach Kräften beitragen.Den uns vorliegenden Antrag der Linken lehnen wirab. Dieser Antrag strotzt vor Unkenntnis, fordert Dinge,die längst erledigt oder auf den Weg gebracht sind, under verfolgt ein falsches Ziel: Anstatt über die Erstellungneuer theoretischer Rahmenkonzepte nachzudenken, setzenwir uns lieber ganz praktisch für eine optimale Umsetzungbereits beschlossener Konzepte ein.Wir verzetteln uns nicht; wir handeln.So leisten wir einen aktiven Beitrag zum Schutz derUmwelt und unterstützen die Bundesregierung auf nationalerund europäischer Ebene bei der Umsetzung derWasserrahmenrichtlinie.Ulrich Petzold (CDU/CSU): Auch wenn ich michstärker auf den Elbe-Antrag konzentrieren möchte, dochzunächst einige Worte zum Flusspolitikantrag: Bei derUmsetzung der Wasserrahmenrichtlinie hängt es nicht,wie Sie es in Ihrem Antrag zu suggerieren versuchen, anirgendeiner Gewässerverunreinigung, dass ein Verfahrenbeim EuGH anhängig ist, sondern es dreht sich einzigund allein um die juristische Fragestellung und Definitiondes juristisch unbestimmten Begriffes der „Wasserdienstleistungen“.Die Klärung einer solchen Rechtsfrageüber ein juristisches Verfahren ist ein ganznormaler Vorgang. Die Differenzen, die es hier zwischenBund und EU gibt, entzünden sich an der Frage, ob zumBeispiel die Nutzung von Wasser durch eine Wasserkraftanlageeine Wasserdienstleistung ist und damit kostenpflichtiggemacht werden kann. Diese Problematiksprechen Sie in Ihrem Antrag jedoch nicht einmal imEntferntesten an. Den Bund hier einseitig zu kritisieren,geht deswegen vollständig fehl.Doch nun zu dem Elbe-Antrag, den Sie uns trotz langerDebatten darüber in der Vergangenheit heute erneutunverändert vorlegen: Welch eine wunderschöne Vorstellung– der frei fließende Fluss in einer natürlichenLandschaft. Wirklich wunderschön?Wenn man die beiden Anträge, die wir heute beraten,in Verbindung miteinander liest, könnte man sich an demIdealbild begeistern. Doch leider ist Natur nicht ideal,und das Schäferidyll des Barock ist keine reale Welt imHier und Jetzt. Deshalb wird es Zeit, liebe Kollegen vonder Linken, endlich in der Wirklichkeit anzukommen.Die fruchtbaren Elbniederungen, in denen wir heuteleben und die wir als wunderschöne Naturlandschaft erleben,sind Kulturlandschaft und in jahrhundertelangenKämpfen von unseren Vorfahren der Natur abgetrotztworden. Nur als Beispiel: Bis zum 11. Jahrhundert stelltesich die Elbe als weit verzweigtes Gewässersystem darund floss zum Beispiel im Raum Stendal zeitweise fast30 Kilometer östlich vom heutigen Verlauf. Nach vielenFlutkatastrophen sicherten unsere Vorfahren das Siedlungsgebietzwischen Havel und Elbe, und es wäre wohlunvorstellbar, die über Jahrhunderte entstandenen Flussbauwerkeund damit die Kulturlandschaft und Siedlungenaufzugeben. Der frei fließende Fluss ist eine Illusionund für viele Anwohner nicht einmal eine schöne Illusion.Damit werden viele der Forderungen in den beidenAnträgen von vornherein Makulatur.Auf der anderen Seite ist der in den Anträgen kritisierteEintrag von Chemie und Nährstoffen auch an derElbe in einem ungemein bemerkenswerten Umfang zurückgegangen.So wurde in der Elbe die Jahresfracht vonSchwermetallen um bis zu 90 Prozent verringert. Gleichzeitighat sich die Sauerstoffkonzentration jetzt im Mittelvon 8 Prozent eingepegelt und hat seit 1993 die zu DDR-Zeiten übliche Sauerstoffkonzentration von 3 Prozentnie wieder unterschritten.Aquatische Lebensgemeinschaften, die nicht mehrexistierten, konnten wieder angesiedelt werden. 36 von41 potenziellen Fischarten leben wieder in der Elbe.Lachs, Meeresforelle und Wels sind wieder anzutreffen.1980 waren es noch ganze 26 Fischarten. Die Behauptungeines zunehmenden Artenrückgangs und eines zunehmendenEintrags von Nähr- und Schadstoffen istdemzufolge politischer Unsinn und sollte gerade von denLinken unterlassen werden. Denn gerade ihre Vorgängerparteiträgt an dem ökologischen Desaster der DDRwesentliche Verantwortung.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28181(A)(B)Die positive Entwicklung bei den aquatischen Lebensgemeinschaftenist aber auch solchen Flussbauwerkenwie Buhnenfeldern oder Leitwerken zuzurechnen.Dadurch sind Stillgewässer entstanden, in denen sichFischbrut gut entwickeln kann. Regulierungsbauwerkekönnen sich bei richtiger Gestaltung also durchaus ökologischpositiv auswirken. Wer aber jede Veränderung anFlussbauwerken gleich und von vornherein als Ausbaumaßnahmenverteufelt, verhindert auch ökologische Verbesserungen.Das Gleiche trifft auch auf die Sohlenstabilisierungzu. Alle wissen, dass sich die Elbe seit Jahrhunderten imBereich Wörlitz/Coswig eingräbt und dadurch dieAuwälder dieser Region trockenzufallen drohen. Selbstdas Biosphärenreservat Elbe hat vorgeschlagen, durchSohlschwellen das Eingraben der Elbe zu stoppen.Durch die Kampfbegriffe „Kanalisierung“ und „Steinigungder Elbe“ ist eine vernünftige Debatte über dieseRettungsmaßnahmen bisher unterblieben. Wenn dieLinke in ihrem Antrag einen Schwerpunkt Sohlstabilisierungfordert, wäre es schon spannend, wie sie sich inder Praxis dazu stellt. Hier im Bundestag die eine Forderungzu stellen und in den Ländern oder vor Ort entgegengesetzteForderungen aufzumachen, geht einfachnicht.Auch in einem Antrag einen einheitlichen Gewässerrandstreifenvon 15 Metern einzufordern und beimHochwasserschutzgesetz mehr Landeskompetenzen indieser Angelegenheit zu verlangen, passt nicht zusammen.Es ist ja durchaus nachvollziehbar, dass Gewässerrandstreifenbei Gewässern erster Ordnung anders gehandhabtwerden als bei Gewässern dritter Ordnung oderdass bei den Festlegungen zu Gewässerrandstreifen dieGeländeneigung mitberücksichtigt werden muss. Deswegenwar eine einheitliche Festlegung des Gewässerrandstreifensschon in der Vergangenheit falsch und wirdes auch in Zukunft sein.Gerade im Hochwasserschutz wird von den Länderndie Subsidiarität hochgehalten. Es ist zwar richtig, dassder Bund die Länder bei solchen Maßnahmen wie derDeichrückverlegung unterstützt, aber es macht Sinn, denHochwasserschutz in der Kompetenz der Länder undKommunen zu lassen. Wie wollte auch der Bund einenHochwasserschutz zum Beispiel an Gewässern dritterOrdnung organisieren? Das können Länder und Kommunenvor Ort viel besser; denn gerade hier liegen oftWissen und Erfahrung der Menschen vor Ort vor. Nichtgroße Forschungsprogramme sind vonnöten, sondernUmsetzung von Erfahrungen. Wenn ich mir da den Umgangdes Landes Brandenburg mit den Erfahrungen mitdem Hochwasserschutz an der Elbe im Bereich Mühlbergansehe, kann ich Ihnen nur sagen: Nicht viel Papierbeschreiben mit noch mehr Forderungen, sondern aufdie Erfahrungen der Menschen in Mühlberg eingehenund etwas für den Hochwasserschutz in der Praxis tun!Damit ist die Forderung nach Übertragung von Kompetenzen,die zurzeit bei den Landesämtern liegen, an dieWasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes geradezugrotesk. Ich kann es mir jedenfalls nicht vorstellen,dass Sie das in Brandenburg durchsetzen.Mit der bevorstehenden Flussgebietskonferenz inMagdeburg am 5. März werden wir sachgerechte Antwortenauf viele Fragen zur weiteren Entwicklung an derElbe geben. Diese Flusskonferenz ist ein Teil unseresGesamtkonzeptes Elbe. Das Gesamtkonzept Elbe sollnach dem Willen des Runden Tisches von Bund, Ländernund Institutionen aus dem Umweltbereich bis spätestens2015 das derzeitige Unterhaltungskonzept an der Elbeablösen. Dabei handelt es sich um einen ergebnisoffenenProzess, bei dem auf die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungeneinerseits sowie den sich veränderndenWasserabfluss andererseits reagiert werden soll. Ebensosoll eine Lösung gefunden werden für die bisher ungelöstenProbleme an den Reststrecken. Im Vordergrundstehen die aktuellen Rahmenbedingungen, die das Umweltrechtvorgibt, aber auch das mit den Ländern entwickelteSohlenstabilisierungskonzept für die Erosionsstreckevon Mühlberg bis zur Saalemündung bei Barby.Schließlich geht es um die in Niedersachsen gelegeneReststrecke bei Dömitz/Hitzacker. Sowohl aus naturschutzfachlichenGründen als auch zur Umsetzung desHochwasserschutzes werden dabei Maßnahmen erforderlich,die die Grenzen der Unterhaltung erreichen.Ohne diese Maßnahmen lässt sich jedoch die Erosionsstreckenicht wirkungsvoll sanieren und kein verlässlicherHochwasserschutz herstellen, die Schifffahrtsverhältnisselassen sich nicht nachhaltig konsolidieren. Dasderzeitige Geschiebemanagement ist kostenintensiv undmit ständigen Eingriffen in die Natur verbunden. So istes nur sinnvoll, dass durch Maßnahmen im Uferbereichund Rückbau sowie Veränderungen an Buhnen die Fließgeschwindigkeitder Elbe verringert wird. Diese Maßnahmensind jedoch derzeitig bei den Umweltverbändennicht durchsetzbar, weil sie als Ausbaumaßnahmen gelten.Genauso ist der Schiffstransport auf der Elbe ideologischbelastet, doch: Insgesamt wird die Elbe von rund150 verladenden oder transportierenden Unternehmengenutzt. Sowohl Containerverkehre als auch Projektladungs-und Schwerlastverkehre gewinnen hier zunehmendan Bedeutung. Dabei handelt es sich oftmals umTransporte mit einer wesentlich höheren lokalen Wertschöpfung,als dies bei den früher dominierenden Massen-und Schüttguttransporten der Fall war.Siemens produziert am Standort Görlitz Industrieturbinen.Das sind zum Beispiel Dampfgeneratoren, dieheute in einer Länge von 12 bis 13 Metern hergestelltwerden und 230 bis 250 Tonnen schwer sind. Dienächste Generation wird eine Länge von 14 bis 15 Meternaufweisen und bis zu 500 Tonnen wiegen. Ein andererTransport als über die Elbe ist nicht denkbar.Ähnlich sieht es bei der Schuler AG in Erfurt aus.BMW-Werke in ganz Deutschland und darüber hinauswerden mit den in Erfurt hergestellten Pressen ausgerüstet.Das Kopfteil einer Presse wiegt allein über 158 Tonnen.So ein Schwerlasttransport kann nicht allein überdie Straße erfolgen. Der Weg von Erfurt ins BMW-Werknach Regensburg beträgt auf der Straße 326 Kilometer.Das Kopfteil der Presse war aber gut 1 600 Kilometerunterwegs, 1 000 Kilometer davon in elf Tagen auf dem(C)(D)


28182 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Binnenschiff. Die Verladung erfolgte im Elbhafen inAken in Sachsen-Anhalt.Sowohl Siemens in Görlitz als auch die Schuler AGin Erfurt sind Beispiele für Betriebsstätten von Unternehmen,für die der Wegfall des Transports auf der Wasserstraßederen Existenz infrage stellen würde.Ein weiteres Thema sind Windkraftanlagen. Rotorenvon Schwachwindanlagen erreichen heute einen Durchmesservon über 120 Metern. Rotoren dieser Größenordnungkönnen nur mit sehr großem Aufwand und meistintermodal unter anderem auf der Wasserstraße transportiertwerden. Rotoren für Windkraftanlagen von Enerconwerden von Magdeburg aus in Richtung Westen bisRotterdam und in Richtung Süden bis nach Wien transportiert.In Mühlberg an der Elbe ist es der HerstellerVestas, für den die neue Kaianlage gebaut worden ist.Es ist also eine durchaus positive Entwicklung, die eshier zu begleiten gilt. Nicht überkritische Anträge, sonderndie sachlichen Gespräche auf unserer Elbe-Konferenzführen zu Fortschritten, und es wäre dramatisch,wenn sich die neue niedersächsische Regierung diesenGesprächen verschließen würde.Unsere Antworten bieten einen guten Ansatz für dieweitere Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie bei einergleichzeitig guten Entwicklung für unsere Flusslandschaften.Horst Meierhofer (FDP): Ihr erster Antrag zurFlusspolitik hat zwar ein paar gute Ansätze. Insgesamtist er trotzdem an einigen Stellen falsch in der Sache undtrifft eine Reihe von merkwürdigen Aussagen.Sie behaupten zum Beispiel, dass seit dem 19. Jahrhundertder Zustand der Flüsse immer schlechter gewordensein soll. Ich bitte Sie. Gerade die Linke müsstedoch wissen, dass sich an Elbe und Saale seit der Wiedervereinigungder Zustand doch ganz wesentlich verbesserthat.Und dass die Elbe und andere Flüsse vor allem vonSchifffahrt und Industrie geprägt sein sollen, halte ichfür eine maßlose Übertreibung. Setzen Sie sich doch einmalein paar Stunden in Dessau an die Elbe! Wenn SieGlück haben, erwischen Sie vielleicht einmal ein Schiff.Das sieht im Hamburger Hafen natürlich anders aus.Oder auch, dass man im Rhein wieder baden kann.Das ist ein Riesenerfolg, der in den 70ern und 80ern nieund nimmer denkbar gewesen wäre.Dann bringen Sie 27 Forderungspunkte voll vonSelbstverständlichkeiten, aber auch verqueren Ansichten:Es ist zwar richtig, ein Hochwasserwarnsystem mitbundeseinheitlich verbindlichen Standards zu fordern.Flüsse machen nun einmal nicht an den Ländergrenzenhalt. Dabei übersehen Sie aber, dass genau die von Ihnengeforderten Standards in Form von Hochwasserrisikokartenund Hochwassermanagementplänen schon längstin der Bearbeitung sind. Ein Blick in die Unterlagen derBund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser aus dem Jahr2010 wirkt Wunder.Sie fordern auch die Entwicklung neuer Beteiligungsverfahren.Dass beispielsweise an der Donau eine unabhängigeMonitoringgruppe aus Wissenschaft, Gesellschaft,Umwelt- und Wirtschaftsvertretern bereits imVorfeld des Donauausbaus eingesetzt wurde, müsste Ihneneigentlich bekannt sein. Und vielleicht haben Sieauch vom Ergebnis schon einmal gehört: An der Donauwird es einen sanften ökologischen Ausbau ohne Staustufengeben. Gerade wir als FDP haben hier dafür gesorgt,dass vor allem der bayerische Koalitionspartnerzur Vernunft gekommen ist.Ein anderer Punkt: Ihre Vorstellungen eines Rahmenkonzeptsder Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sindnicht durchdacht. Die 13 000 Angestellten der WasserundSchifffahrtsverwaltung wollen Sie komplett erhalten.Die Angestellten sollen sich aber nicht mehr umSchiffe kümmern, sondern Bäume pflanzen, Vögelschützen und ähnlich schöne Dinge machen. Gleichzeitigsoll die WSV dabei nicht nur für Bundeswasserstraßen,sondern für alle Flüsse zuständig sein. Von der Verfassungswidrigkeitder Mischverwaltung abgesehenschaffen Sie damit eine Monsterbehörde voller „Umwelt-Ranger“,ohne in irgendeiner Form die Aufgabenverteilungweiter zu konkretisieren.Der erste Antrag geht an zu vielen Punkten in der Sachevorbei. Deshalb lehnen wir ihn ab.Ihr zweiter Antrag befasst sich mit der Erstellung einesElbekonzepts. Beim Lesen Ihres Antrages entstehtder Eindruck, dass die Koalition eine Flusspolitik aufKosten der Ökologie betreibt und anstrebt. Das ist sachlichfalsch. Ich kann nur empfehlen, sich anhand der vonUmwelt- und Verkehrsministerium beschlossenen Eckpunktedes Gesamtkonzepts Elbe ein Bild über die geplantenMaßnahmen zu machen. Das Konzept betrachtetneben den erforderlichen Maßnahmen zur Aufrechterhaltungder schifffahrtlichen Nutzung gleichrangig dieAnforderungen an den Gewässer-, Auen- und Naturschutz.Hierzu gehört zum Beispiel auch die zu erwartendeAuswirkung des Klimawandels auf die Elbe.Aufrechterhaltung der schifffahrtlichen Nutzung meintdabei gerade nicht die Durchführung eines verkehrsbedingtenAusbaus oder ähnlicher Schwersteingriffe in denFluss. Damit sind Sohlstabilisierungskonzepte oder ähnlicheMaßnahmen gemeint, die nicht nur Vorteile für dieUmwelt, sondern auch für den Verkehr mit sich bringen.Schließlich ist das Binnenschiff als solches auch einesder umweltfreundlichsten Transportmittel. Darum sollteman nicht nur Schlauch- und Luftkissenboote im Blickhaben, wenn es um die Belange der Elbe geht. Das Elbehochwasservon 2002 hat auch den Schiffsverkehr erschwert,so dass nicht nur die ökologischen Schäden,sondern auch die dadurch verkehrsbedingten Problemeauf umweltverträgliche Lösungen warten.Deshalb war die von der Koalition ergriffene Initiativeeines Gesamtkonzeptes zur Elbe seit langem überfällig.Man muss sich aber auch darüber klar werden,dass die Ziele, die wir im Gesamtkonzept verfolgen,nicht von einem auf den anderen Tag erreicht werdenkönnen. Durchgängigkeit, Auenschutz, Naturschutz,Sohlstabilisierung und die Nutzung der Unterhaltungs-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28183(A)(B)möglichkeiten zur Verbesserung der ökonomischen,ökologischen und verkehrlichen Belange sind großeAufgaben. Die dafür erforderliche Koordinierung zwischenBundes- und Landesbehörden und anderen Beteiligtenist anspruchsvoll genug. Insofern geht mir IhrAnsatz, in diese Koordinierung gleichzeitig die Nachbarstaateneinzubinden, zu weit.Gerade wenn man sich die tschechischen Pläne mitder von der FDP abgelehnten Staustufe in Decin betrachtet,wird klar, dass zwischen Deutschland und Tschechiengroße Differenzen über die Prioritäten in derFlusspolitik bestehen. Diese Differenzen kann man nichtauch noch im Gesamtkonzept lösen. Hier ist ein separaterDialog notwendig. Ich halte deshalb den Vorschlagder Linken an dieser Stelle nicht für sachgerecht.Auch die von Ihnen angestrebte Förderung von flussangepasstenSchiffstypen ist nicht Aufgabe der Politik.Diese Fortentwicklung im Interesse der Schiffbaubrancheist zwar sinnvoll und richtig, aber verdient dennochkeine staatliche Förderung. Solide Haushaltspolitik kannman nicht verfolgen, wenn man immer wieder versucht,jede erdenkliche Branche mit Subventionen aufzupäppeln.Aus welchem Grund die Schifffahrt das nicht selbstleisten soll, verstehe ich nicht. Wir verschleudern im Gegensatzzu Ihnen gerade nicht mit geöffnetem FüllhornStaatsmittel. Wohin die bekannten Haushaltslöcher imSaarland oder in Berlin führen, wo marode Verwaltungennicht einmal mehr Mittel für die notwendigstenstaatlichen Aufgaben haben, müssten Sie eigentlich wissen.Es freut mich, dass Sie es als gutes Zeichen anerkennen,dass in unserem Gesamtkonzept die Elbe ab Lauenburgnicht weiter ausgebaut werden soll. Dass Sie dennochjegliche Flussbettvertiefung auch im Bereich desHamburger Hafens ablehnen, halten wir für nicht sachgerecht.Es handelt sich hier um einen globalen Wirtschafts-und Verkehrsknotenpunkt, wo zwar jede Ausbaumaßnahmegenauestens abgewogen werden muss;Totalablehnung führt allerdings zu einer merklichenSchwächung des Wirtschaftsstandorts. Es ist aber natürlichleichter, gegen jedes größere Infrastrukturprojektpopulistisch zu hetzen. Ihre Masche ist uns leider nur zugut bekannt.Wir sind mit dem Gesamtkonzept Elbe auf einem sehrguten Weg. Ihr Antrag teilt die Welt in Gut und Böse undwird der Realität nicht gerecht. Deshalb lehnen wir auchdiesen Antrag ab.Anlage 20Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Redenzur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes überden Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäterssowie zur Änderung weiterer Vorschriften(Tagesordnungspunkt 16)nen qualifizierten Rettungsdienst noch am Ort desGeschehens und beim Transport kompetent versorgtwird. Es käme jede Hilfe zu spät.Um genau dies zu vermeiden, verfügt unser Gesundheitssystemüber eine Notfallversorgung, die verlässlichist und getragen wird von gut ausgebildeten Notärztenund bisher Rettungsassistenten, künftig Notfallsanitätern.Trotzdem war es nötig, dieses System weiterzuentwickeln,vor allem die nichtärztlichen Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter noch besser auszubilden.Es ist an der Tagesordnung und liegt in der Natur derSache, dass der nichtärztliche Rettungsdienst oft voreinem Notarzt an Ort und Stelle ist, so ein Notarztüberhaupt angefordert wurde. Die Verlängerung derAusbildungsdauer von zwei auf drei Jahre mit erheblichweiter gesteckten Ausbildungszielen ist deshalb die logischeKonsequenz. Die nun formulierten Ausbildungszielespiegeln die vielfältige und anspruchsvolle Aufgabenstellungauch des nichtärztlichen Personals wider.Der entscheidende Punkt ist deshalb die Kompetenz,die ein Notfallsanitäter mitbringen muss, wenn er aufsich alleine gestellt ist. Insbesondere in ländlichen Gebietenkann es dauern, bis ein Notarzt vor Ort ist. DieRettungsassistenten waren in der Vergangenheit mit demDilemma konfrontiert, helfen zu müssen, ohne hierfürausreichend ausgebildet und damit auch abgesichert zusein.In § 4 Abs. 2 Nr. 1 ist genau beschrieben, zu welchenMaßnahmen die Notfallsanitäter befähigt werden. § 4Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe C beschreibt außerdem, für welcheEinsatzsituationen die Notfallsanitäter zu qualifizierensind und welche invasiven Maßnahmen sie ausführendürfen.Es geht um die Situation bis zum Eintreffen des Arztesoder dem Beginn weiterer ärztlicher Versorgung.Hier kommt es entscheidend und damit oft lebensrettenddarauf an, Atemwege bzw. Beatmung sicherzustellen,den Kreislauf zu stabilisieren, Schmerzen zu bekämpfen.Bei der praktischen Ausbildung wird sichergestellt,dass die Schülerinnen und Schüler Zug um Zug an dieÜbernahme von Verantwortung herangeführt werden.Bei entsprechendem Ausbildungsstand gehört hierzuauch der Einsatz als zweites Besatzungsmitglied.Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes habeneinen gesetzlichen Anspruch auf eine qualifizierte,bedarfsgerechte, hilfsfristorientierte, flächendeckendenotfallmedizinische Versorgung auf dem aktuellen Standder Technik auch in der Zukunft. Die Kompetenz desBundes erstreckt sich auf die Zulassung des Notfallsanitäterszum Heilberuf. Der Notfallsanitäter soll dazubeitragen, die Versorgung angesichts der demografischenEntwicklung sicherzustellen. Es geht um Anforderungendes Rettungsdienstes auch in einer älter werdendenGesellschaft.(C)(D)Lothar Riebsamen (CDU/CSU): Was nützt diebeste stationäre Versorgung nach einem Notfall, obUnfall oder Herzinfarkt, wenn der Patient nicht durch ei-Es geht darum, den Beruf des Rettungsassistenten inKonkurrenz zu einer Vielzahl anderer Ausbildungsberufe– auch im Gesundheitswesen – attraktiv zu gestal-


28184 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)ten. Die dreijährige Ausbildung im dualen System miteiner Ausbildungsvergütung trägt dazu erheblich bei.schwerster Luftnot oder stärksten Schmerzen durchführen,ohne sich im „rechtlichen Graubereich“ zu befinden.Weiterhin wurde zweitens auf dringend gebotene bundeseinheitlicheRegelungen der immer noch regionalstark unterschiedlichen rettungsdienstlichen Versorgungund drittens auf die Unklarheiten in der Finanzierungverwiesen.Dass wesentliche Änderungen am Regierungsentwurfdieses Berufszulassungsgesetzes notwendig sind, habenauch meine CDU/CSU- und FDP-Kolleginnen undKollegen erkannt. Folglich haben sie gestern im Gesundheitsausschussacht Änderungsanträge zur Nachbesserungdes Regierungsentwurfs eingebracht. Wir Sozialdemokratinnenund Sozialdemokraten arbeitensachorientiert. Da alle acht Änderungsanträge in dierichtige Richtung gingen und damit Bestandteil desheute zu beschließenden Gesetzes sind, haben wir diesenNachbesserungen zugestimmt. Alle Änderungsanträgegreifen angemahnte Änderungsbedarfe aus der Anhörungauf, beispielsweise beim praxisorientierten Einsatzder Auszubildenden auf den Rettungsfahrzeugen, bei derBerücksichtigung der besonderen Belange von Beamtenanwärterinnenund -anwärtern, bei den notwendigerweisezu verlängernden Fristen für den Übergang vomRettungsassistentengesetz zum Notfallsanitätergesetz.Folglich ist heute ein guter Tag für das Rettungswesen– er hätte allerdings noch wesentlich besser werdenkönnen, wenn Schwarz-Gelb die Änderungsanträgeder sozialdemokratischen Gesundheitspolitikerinnen undGesundheitspolitiker nicht abgelehnt, sondern ihnenzugestimmt hätte. Hier hat Schwarz-Gelb wesentlicheVerbesserungen und Chancen im Interesse der Tätigenim Rettungswesen, der neuen Auszubildenden und derPatientinnen und Patienten ausgeschlagen.Unsere Kritikpunkte sind vor allem erstens, dieWiderrufung der Erlaubnis des Führens der BerufsbezeichnungNotfallsanitäterin oder Notfallsanitäter ausgesundheitlichen Gründen.Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokratenist nicht hinnehmbar, dass die BerufsbezeichnungNotfallsanitäterin/Notfallsanitäter, das heißt die Berufszulassung,beim zwischenzeitlichen Wegfall der gesundheitlichenEignung aberkannt werden soll. Das ist einNovum. Diese Regelung stößt nicht nur auf unsere Gegenwehr,sondern auch auf die der Gewerkschaften. Wirsind der Meinung, dass erworbene und ausgeübteKompetenzen und Qualifikationen durch gesundheitlicheBeeinträchtigungen nicht verloren gehen. Die vorhandenenund anerkannten Qualifikationen sind schließlichGrundlage für einen anderweitigen Einsatz imRettungswesen oder für eine anderweitige beruflicheNeuorientierung. Mit dieser Regelung wird Durchlässigkeitzwischen Gesundheitsberufen verhindert, und denBetroffenen werden weitreichende arbeits- und sozialrechtlicheKonsequenzen aufgebürdet.(C)(B)Mechthild Rawert (SPD): Mit dem „Gesetz überden Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters“sowie zur Änderung des Hebammengesetzes erfolgtein richtiger Schritt zur Professionalisierung vonGesundheitsfachberufen. Das Notfallsanitätergesetz istein Baustein auf dem langen Weg zur notwendigenModernisierung der Zusammenarbeit der Professionenim Gesundheitswesen, ein weiterer Schritt hin zur stärkereninterdisziplinären und kooperativen Zusammenarbeitder Gesundheitsfachberufe und der Medizinerinnenund Mediziner „auf Augenhöhe“.Geschaffen wird ein neues Berufsbild, von dem alleprofitieren: sowohl die im Rettungswesen Tätigen alsauch die neuen Auszubildenden und vor allem die Patientinnenund Patienten. Mit dem Mehr an Wissen undKenntnissen, mit dem Mehr an Kompetenzen für diekünftigen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter erfolgteine Attraktivitätssteigerung und gesellschaftlicheAufwertung dieses Berufes. Das ist ein wichtiger Schrittzur künftigen flächendeckenden Sicherstellung unseresRettungswesens, unserer Gesundheitsversorgung undPatientinnen- und Patientensicherheit. Wir Sozialdemokratinnenund Sozialdemokraten begrüßen dieses.Im Vergleich zum Rettungsassistentengesetz von1989 gibt es deutliche Verbesserungen, unter anderemhinsichtlich der Ausbildungsfinanzierung, der nun eingeführtenAusbildungsvergütung, der Anhebung von einerzweijährigen auf eine dreijährige Ausbildungsdauer– womit auch eine stärkere Durchlässigkeit zu anderenGesundheitsfachberufen verbunden ist –, der Neuformulierungdes Ausbildungszieles entsprechend dem allgemeinenStand rettungsdienstlicher und medizinischerKenntnisse, des neuen Ausbildungsansatzes und derAusbildungsstruktur, die nun auch verstärkt geeigneteKrankenhäuser einbezieht.In der öffentlichen Anhörung des Ausschusses fürGesundheit am 30. Januar zum Notfallsanitätergesetzhaben die Sachverständigen dennoch auf viele Schwachpunktedes Gesetzentwurfes der Bundesregierung hingewiesen.Erstens wurde beispielsweise sehr deutlich verwiesenauf die nach wie vor bestehende unklare Rechtslage auchder neuen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter vorOrt, wenn (noch) kein Notarzt und keine Notärztin anwesendist. Während die Vertreterinnen und Vertreterdes ärztliches Standes eine „viel zu weitgehende Freigabe“ärztlicher Maßnahmen befürchteten – Äußerungen,die im Kontext der Professionalisierung und Aufwertungvon Gesundheitsfachberufen immer wieder zuhören sind und wohl dazu dienen, grundsätzliche „roteLinien“ hinsichtlich Delegation und Substitution ärztlicherTätigkeiten zu ziehen –, verwiesen andere Sachverständigeauf die im Rettungsdienst längst gegebeneEinsatzpraxis. Es müsse ermöglicht werden, dassNotfallsanitäterinnen und -sanitäter Maßnahmen zurVerbesserung des Patientenzustandes beispielsweise beiZweitens, Klarheit bei der bundeseinheitlichen Befugniszur Ausübung von Heilkunde. Wir wollen– ebenso wie die Bundesländer es im Bundesrat beschlossenhaben – bundeseinheitlich ausgeübte Stan-(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28185(A)(B)dards für das eigenständige Durchführen von heilkundlichenMaßnahmen ermöglichen und damit eine in ihrenGrundlagen gleichwertige Versorgung aller Notfallpatientinnenund -patienten gewährleisten. Die Durchführungheilkundlicher Maßnahmen soll an die in der Ausbildungerworbenen Qualifikationen gebunden sein.Das den Bundesländern obliegende Rettungswesen istschließlich nicht nur zwischen den Bundesländern, sondernauch zwischen einzelnen Regionen und Kommunenverschieden ausgestaltet. Eine über diesen Standardhinausgehende weitergehende Kompetenzzuweisungliegt dann im Ermessen des/der Ärztlichen Leiters/LeiterinRettungsdienst oder der entsprechend verantwortlichenÄrztinnen und Ärzte.Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sindder Meinung, dass es einer klaren gesetzlichen Regelungbedarf, die die zukünftige Notfallsanitäterin bzw. den zukünftigenNotfallsanitäter ausdrücklich berechtigt, dieerlernten und beherrschten Ausbildungsziele bis zumEintreffen einer Notärztin oder eines Notarztes auch tatsächlichauszuüben. Wir wollen Klarheit. Wir wollennicht nur mehr Kompetenzen durch eine bessere Ausbildung,sondern auch Rechtssicherheit bei der Berufsausübung.In der Einsatzpraxis hat sich gezeigt, dass dieserBeruf wesentlich – und in Zukunft angesichts des demografischenWandels noch weitaus mehr – von Einsätzengeprägt ist, in denen im Rahmen der Feststellung,Heilung oder Linderung von Krankheiten Maßnahmender Akutversorgung durchzuführen sind. Für diese nichtlebensbedrohlichen, das Patientenwohl aber sehr starkbeeinträchtigenden Situationen bedarf es im Interesse allerRechtssicherheit.Drittens. Übergangsvorschriften für die Kosten derweiteren Ausbildung von Rettungsassistentinnen und -assistentenzu Notfallsanitäterinnen und -sanitätern undweitere Mehrkosten der Ausbildung zur Notfallsanitäterinbzw. zum Notfallsanitäter.Bisherige Rettungsassistentinnen und Rettungsassistentenmüssen für die Erlaubnis, die neue BerufsbezeichnungNotfallsanitäterin bzw. Notfallsanitäter führen zudürfen, an einer entsprechenden Anpassungsqualifizierungsmaßnahmeteilnehmen. Das finden wir auch richtig,umfasst das neue Berufsbild doch sowohl mehr alsauch vertiefte Kompetenzen. Es stellt sich aber die Fragenach der Übernahme der weiteren Ausbildungskosten.Keinesfalls sind diese von den Auszubildenden selber zubezahlen. Hohe und bundeseinheitliche Kompetenzenim Rettungsdienst sind keine Privatsache. Wir wollen,dass diese Kosten der weiteren Ausbildung von denKostenträgern, der gesetzlichen Krankenversicherung,zu einem kleineren Teil auch von den privaten Krankenversicherungsunternehmenbzw. der Beihilfe, übernommenwerden. Wir wollen eine Ungleichbehandlung derbeiden Berufsabschlüsse nach Inkrafttreten des Notfallsanitätergesetzesvermeiden.Niemand ist augenblicklich in der Lage, eine seriöseabschließende Schätzung der Mehrkosten vorzunehmen.Fakt ist aber, dass die Verbesserungen im Rettungsdienstwesentlich zur Verbesserung unseres Gesundheitswesensbeitragen. Die Mehrkosten für die weitereAusbildung der Rettungsassistentinnen und Rettungsassistentenwie auch für die grundständige Ausbildung vonNotfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern fließen alsPersonalkosten in die Transportkosten ein. Wie hochdiese jeweils sind, obliegt den Bundesländern, da diesedie Höhe der Transportkosten als Gebühren oder Entgeltefestlegen und verhandeln.Zum Schluss noch einige Anmerkungen: Leider hatdie Bundesregierung in allen beschriebenen Punktendie Vorschläge der SPD-Bundestagsfraktion abgelehnt.Daher wird die SPD-Bundestagsfraktion bei der Schlussabstimmungfür Enthaltung stimmen.Nun bin ich gespannt auf die noch zu entwickelndeAusbildungs- und Prüfungsverordnung. Ich erhoffe mirhier noch einige Verbesserungen und Klarstellungen.Ich würde es auch sehr begrüßen, wenn die Versorgungvon Notfallpatientinnen und Notfallpatienten Bestandteilder Gesundheitsberichterstattung des StatistischenBundesamtes wird. Das ist einem für die Zukunftbundesweit geregelten Ausbildungsberuf und der daraufbasierenden Berufsausübung angemessen. Das hilft unsauch sicherlich in der Bewertung und Evaluation desRettungswesen und der Notfallmedizin.Empört haben mich Äußerungen der Bundesregierung,wonach eine Kompetenzerweiterung für Notfallsanitäterinnenund Notfallsanitäter dazu führen könnte,dass diese Notfallärzte und Notfallärztinnen erst späterzum Notfallpatienten rufen würden.Für mich spricht daraus ein grundsätzliches Misstrauengegenüber nichtärztlichen Gesundheitsfach berufen.Dieses Denken muss im Interesse der vielen Beschäftigtenin den Gesundheitsberufen, ganz konkret imRettungswesens, abgestellt werden. Es ist unangebrachtund unangemessen. Sorgen wir gemeinsam für mehr Patientinnen-und Patientensicherheit – jede und jeder anentsprechender Stelle.Bedanken möchte ich mich im Namen der SPD-Bundestagsfraktion bei den vielen Lebensretterinnenund Lebensrettern, bei den vielen Beschäftigten im Rettungswesenfür ihre Tag für Tag und Nacht für Nachtverantwortungsvoll ausgeübte Tätigkeit.Und als Letztes: Ich appelliere an die jungen Menschen:Ausbildungen im Gesundheitswesen sind spannendund abwechslungsreich. Wir Sozialdemokratinnenund Sozialdemokraten arbeiten mit hohem Engagementdaran, dass sich die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungenverbessern, dass „Gute Arbeit“ und auch eine höhereEntlohnung möglich wird. Ich ermutige dazu, eine Ausbildungzum neuen Berufsbild Notfallsanitäterin/Notfallsanitäterzu beginnen.Jens Ackermann (FDP): Ich freue mich persönlichsehr, dass wir heute endlich das Notfallsanitätergesetzzum Abschluss bringen können. Wer profitiert eigentlichvon den neuen Regelungen, die wir für die Ausbildungim Rettungsdienst schaffen? In erster Linie sind das dieBürgerinnen und Bürger, die im Falle eines Notfallskünftig bis zum Eintreffen des Notarztes von besser aus-(C)(D)


28186 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)gebildeten Notfallsanitätern versorgt werden. Andererseitsprofitiert auch der Rettungsdienst selbst, da das Berufsbildaufgewertet wird. Dies ist auch zwingenderforderlich, um auch in Zukunft genügend Fachkräftefür den Rettungsdienst gewinnen zu können.2007 hatte die FDP-Bundestagsfraktion in einemAntrag die Einrichtung einer Expertengruppe gefordert;diese sollte sich mit der Neuausrichtung der Ausbildungim Rettungsdienstwesen beschäftigten. In einer damalsdurchgeführten Anhörung wurden die eklatanten Mängeldes seit 1989 gültigen Rettungsassistentengesetzes sehrdeutlich. Es war und ist reformbedürftig.Das Ausbildungsgesetz wurde den aktuellen Anforderungen,die an einen modernen und zukunftsfähigenRettungsdienst gestellt werden, einfach nicht mehr gerecht.Das kann ich Ihnen aus persönlicher Erfahrung soauch bestätigen. Der medizinische Sektor ist ein hochinnovativerBereich mit stetigen Verbesserungen für dieMenschen. Nun legen wir endlich auch im scheinbar inVergessenheit geratenen Bereich der Notfallversorgungnach.Mittlerweile sind sechs Jahre vergangen – eine sehr,sehr lange Zeit. Doch ich bin froh, dass wir heute ein ausmeiner Sicht sehr gutes Gesetz für die Bürgerinnen undBürger und die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäterbeschließen können.Ein großer Dank gilt allen Beteiligten, die diesesGesetz in den vergangen Jahren in Gesprächsrunden,Diskussionen, Expertenrunden und Stellungnahmen gemeinsamgestaltet haben. Die Bundesregierung mit BundesgesundheitsministerDaniel Bahr legte im Oktoberletzten Jahres einen guten Gesetzentwurf vor, den manim Vergleich zum aktuellen, noch gültigen Rettungsassistentengesetzals Quantensprung bezeichnen muss.Mein Dank gilt auch der Parlamentarischen StaatssekretärinAnnette Widmann-Mauz und dem Ministerialrat imBMG Ralf Suhr.Das Gesetz bietet für die künftige Ausbildung derNotfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter drei zentraleKernpunkte: so wird die Ausbildungszeit von zwei aufdrei Jahre verlängert. Das entspricht der Ausbildungsdauerin vergleichbaren Gesundheitsfachberufen. Zudemwerden die Auszubildenden in Zukunft eine Ausbildungsvergütungerhalten. Außerdem wird die Notfallkompetenzin eine Regelkompetenz umgewandelt. Andieser Stelle wird den heute schon alltäglichen Gegebenheitenim Rettungsdienst ein rechtlicher Rahmen gegeben.Wir beseitigen damit eine Grauzone in der Notfallversorgung.Hiervon werden vor allem die Patientinnen undPatienten profitieren. Die Notfallsanitäterinnen undNotfallsanitäter erhalten endlich Rechtssicherheit undkönnen so die Patientinnen und Patienten bis zum Eintreffendes Notarztes besser versorgen.Diesem Anspruch wird das vorliegende Gesetz auchgerecht. Die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätersind wichtige Partner von Notärzten.Wir halten fest am Notarztsystem. Das ist wichtig undrichtig. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklichbetonen, da in der Diskussion in den vergangenenWochen, Monaten und Jahren häufig argumentiertwurde, dass der Notfallsanitäter den Notarzt ersetzenkönnte. Das wird es nicht geben.Deshalb erhalten die Notfallsanitäterinnen undNotfallsanitäter auch keine volle Heilkundeerlaubnis.Denn so würde die Gefahr steigen, den Notarzt längerfernzuhalten. Auch wenn ich mich jetzt wiederhole: Daswollen wir nicht, und das wird es nicht geben!Ich möchte auch noch einmal klarstellen, dass derBund nach Art. 74 Abs. 1 GG zwar die Möglichkeit hat,die Ausbildung von Heilberufen zu regeln, nicht aber dieKompetenzen, die den einzelnen Heilberufen zustehen.Auch das sollte man bei der Betrachtung und Beurteilungdes Gesetzes im Hinterkopf behalten.Die christlich-liberale Koalition sah nach der Anhörungmit den betroffenen Verbänden und den Anregungenaus den Bundesländern noch Potenzial für ein paarfeine Korrekturen am Entwurf, die heute auch zurAbstimmung vorliegen.Wir haben deutlich gemacht, welche invasivenMaßnahmen von den Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäternin entsprechenden Einsatzsituationen erwartetwerden. Das gibt den Notfallsanitäterinnen und NotfallsanitäternSicherheit bei der Ausübung ihres Berufes undnimmt den Patientinnen und Patienten die Angst vor„möglichen Hilfsärzten ohne Approbation“.Damit die Ausbildung ab einem bestimmten Zeitpunktmehr praktische Teile beinhaltet, haben wir dieMöglichkeit der Mitnahme eines Auszubildenden alszweiten Mann oder Frau im Gesetz verankert. Jedochmuss dieser über einen entsprechenden nachgewiesenenAusbildungsstand verfügen.Außerdem haben die Koalitionsfraktionen Vorschlägefür eine bessere Übergangsphase gemacht. Hier gab esim Vorfeld Kritik, die Fristen seien sehr kurz gehalten.Für die Schulen schlagen wir deshalb die Verlängerungder Frist für die Sicherstellung von genügend qualifiziertemLehrpersonal von fünf auf zehn Jahre. Das ist ausunserer Sicht ein realistischer Wert, der nun umzusetzenist.Zudem soll die Möglichkeit der Ausbildung nach demRettungsassistentengesetz um ein Jahr bis zum 31. Dezember2014 verlängert werden, um genügend Absolventenfür die Sicherstellung von Fachkräften für denRettungsdienst zu gewährleisten.Was lange währt, wird endlich gut.Nun liegt der Ball bei den Ländern und im Bundesrat.Ich hoffe sehr, dass sie die Chance im Interesse der Notfallsanitäterinnenund Notfallsanitäter wahrnehmen unddas Gesetz beschließen. Ich appelliere auch an die Oppositionsfraktionen,die das Gesetz in den Arbeitsgremienund auf Veranstaltungen begrüßt haben, sich bei ihrenLänderkollegen für die Zustimmung im Bundesrat einzusetzen.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28187(A)(B)Wir sollten uns noch einmal vergegenwärtigen: Esgeht um eine bessere medizinische Versorgung der Bevölkerungin Notfällen und um eine Stärkung der Einsatzkräftevor Ort.Kathrin Vogler (DIE LINKE): Die Linke begrüßtausdrücklich, dass das Rettungsassistentengesetz von1989 endlich überarbeitet wird. Schade nur, dass amEnde so viele gute und notwendige Forderungen vonGewerkschaften und von Rettungskräften keinen Eingangin dieses Gesetz gefunden haben. Die Defizite desbisherigen Gesetzes werden schon seit langem von allenBeteiligten beklagt; eine Lösung der Probleme ist überfällig.Die Linke unterstützt die Verlängerung der Ausbildungauf drei Jahre, die Erweiterung der Kompetenzenfür die Sanitäterinnen und Sanitäter und vor allemauch die Streichung des Schulgelds. Wir hätten abergerne noch mehr Gutes für die professionellen Lebensrettergetan.Zur Abschaffung des Schulgelds: Es ist richtig, dassdiejenigen, die sich für diesen schwierigen und anstrengendenBeruf ausbilden lassen, nicht auch noch die Kostender Ausbildung tragen müssen. Schade nur, dassSchwarz-Gelb im Gesetzentwurf lediglich festgehaltenhat, dass Vereinbarungen zu Schulgeldzahlungen nichtigseien. Ein ausdrückliches Verbot von Schulgeld würdeden Auszubildenden mehr Schutz bieten.Zu den erweiterten Kompetenzen: Hier macht die Koalitionzwei Schritte nach vorne und gleich wieder zweiSchritte rückwärts. Einerseits möchte sie wohl, dass dieneuen Rettungskräfte am Unfallort gleich mehr für dieVerletzten tun können, statt erst einmal auf den Notarztzu warten. Andererseits scheint sie wieder einmal vorder mächtigen Ärztelobby zu buckeln. Anders lässt sichnicht erklären, warum die Koalition zum Thema „Übertragungärztlicher Tätigkeiten“ und zur selbstständigenAusübung heilkundlicher Tätigkeit derart ungenaue Formulierungenin den Gesetzentwurf geschrieben hat.So werden die Rechtsunsicherheit für die Rettungskräfteund das föderale Kuddelmuddel weiter bestehen.So wird ein Notfallsanitäter im münsterländischen Hopstenin seiner Ausbildung möglicherweise nach anderenVorgaben Kompetenzen zu bestimmten notfallmedizinischenSituationen erwerben als seine Kollegin direkt nebenanim niedersächsischen Spelle. Das ist nicht nur unbefriedigendfür die Rettungskräfte, sondern vor allemauch für die Patientinnen und Patienten.Für Die Linke gibt es noch weitere kritische Punkte:So soll das Recht zum Führen der Berufsbezeichnungnachträglich entzogen werden können, wenn gesundheitlicheBeeinträchtigungen die Ausübung des Berufs unmöglichmachen. Dies darf so nicht umgesetzt werden;stattdessen muss für andere Einsatzmöglichkeiten gesorgtwerden.Auch die Übergangsregelungen insbesondere fürRettungsassistentinnen und Rettungsassistenten mitlangjähriger Berufserfahrung werden diesen erfahrenenMenschen nicht gerecht.Es fehlt auch eine vernünftige Regelung für die Beamtinnenund Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes.Ohne diese könnte dieser wichtige Zweig derAusbildung für Rettungskräfte wegbrechen. Hier hat dieKoalition per Änderungsantrag nachzubessern versucht,doch leider nicht alle wunden Punkte für die Feuerwehrleutegeheilt.Um die Beantwortung der noch offenen Frage, welchenTeil der Ausbildung die Kassen und welchen dieLänder bezahlen sollen, hat sich die Bundesregierungleider gedrückt. Wir meinen: Die Kosten für die neuedreijährige Ausbildung sollten sich Krankenkassen unddie Bundesländer teilen, da der Rettungsdienst sowohlder Gesundheitsversorgung als auch der öffentlichen Gefahrenabwehrzugerechnet werden kann. Es handelt sichwohlgemerkt nicht um unerschwingliche Summen: Miteinem einzigen Promille der Kassenüberschüsse und imDurchschnitt 1 Million Euro pro Bundesland können diecirca 40 Millionen Euro aufgebracht werden. Das neueWahlrecht mit dem Ausgleich der Überhangmandatekommt die öffentliche Hand wahrscheinlich deutlichteurer.Die Linke wird sich bei diesem Gesetzentwurf enthalten;denn wir wollen trotz aller Kritik die darin enthaltenenVerbesserungen nicht blockieren. Deswegen möchteich zum Schluss noch an alle Beteiligten appellieren,dass sie bei der Klärung der Finanzierungsfragen imBlick haben, wie wichtig die Arbeit der hauptberuflichenLebensretter überall im Land für die Menschen ist. EinAufhalten im Bundesrat oder durch die Krankenversicherungenwäre ein Schlag ins Gesicht dieser Menschen.Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vor nahezu zwanzig Jahren, 1996, wurde das ReisensburgerMemorandum verabschiedet. Dort wurden erstmalsdie Probleme des bis heute geltenden Rettungsassistentengesetzesbenannt.Die Ausbildungsinhalte bilden die gestiegenen Anforderungenan die Rettungsassistentinnen und -assistentenam Unfallort weder in rechtlicher noch in fachlicherHinsicht ab. Überhaupt ist es fraglich, ob die Ausbildungder Rettungsassistenten mit zwei Jahren nicht viel zukurz bemessen ist.Es gibt bis heute keine bundeseinheitlichen Mindeststandardsfür die Ausbildung. Und die Kosten der Ausbildungmüssen von den künftigen Rettungsassistentenbislang selbst getragen werden. Schon in meinem erstenJahr im Deutschen Bundestag, das war 2006, hat michdiese unzulängliche Situation bei den Rettungsassistentenbeschäftigt. Auch die damalige Regierung, die großeKoalition, hatte in Gestalt des damaligen StaatssekretärsRolf Schwanitz fast im Jahresrhythmus gesetzliche NeuregelungenangekündigtEs freut mich daher, dass wir nach so vielen Jahrennun endlich über einen Gesetzentwurf abstimmen, derzumindest von der Intention her die vorhandenen Problemeangeht, die Tätigkeit des Rettungsassistenten zueinem eigenständigen Gesundheitsberuf aufwertet, dieAusbildungsinhalte deutlich erweitert und auch die Aus-(C)(D)


28188 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)bildungsvergütung besser regelt. Vor diesem Hintergrundunterstützen wir diesen Gesetzentwurf grundsätzlich.Aber wo Licht ist, da ist häufig auch Schatten.Auch wenn die Koalition noch auf den letzten Drückerein paar sinnvolle Änderungsvorschläge des Bundesratesaufgegriffen hat, sind doch Defizite geblieben.Erstens sind die heilkundlichen Maßnahmen, die Notfallsanitätereigenständig übernehmen sollen, sehr unklardefiniert. Es kann nicht angehen, dass dies somitvon Rettungsstelle zu Rettungsstelle unterschiedlich gehandhabtwird. Das schafft gerade nicht die nötigeRechtssicherheit für die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter.Das betrifft im Übrigen auch die nach wievor unglücklich formulierte Regelung zu den medizinischenMaßnahmen der Erstversorgung. Hier hoffe ichdarauf, dass es im Zuge der Beratungen mit dem Bundesratnoch zu Änderungen kommen wird.Zweitens ist dieser Gesetzentwurf auch in einigen Detailsimmer noch verbesserungswürdig. So ist es zumBeispiel nicht einzusehen, warum Notfallsanitäterinnenund Notfallsanitäter das Recht verlieren sollen, ihre Berufsbezeichnungzu führen, wenn sie gesundheitlichnicht mehr geeignet sind. Das gibt es in anderen Berufennicht. Die Koalition hatte da zwar mit einem Änderungsantragnochmal nachgebessert. Das Problem bleibt dennochbestehen. Auch hier hoffe ich auf den Bundesrat.Auch die Schwächen des Gesetzentwurfs bei der Finanzierungder Aus- und Weiterbildung von bereits berufstätigenRettungsassistenten sowie bei den Übergangsregelungenfür Rettungsassistenten bzw. zur Fortgeltungdes Rettungsassistentengesetzes sind leider biszum Ende der Beratungen im Ausschuss nicht vernünftigangepackt worden.Insgesamt ist das nun zur Abstimmung stehende Notfallsanitätergesetzzwar ein erheblicher Fortschritt. Wegender vorhandenen Probleme vor allem im Hinblickauf die Kompetenzen der künftigen Notfallsanitäterinnenund Notfallsanitäter können wir dem Gesetzentwurfallerdings nicht zustimmen und enthalten uns deswegen.Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärinbeim Bundesminister für Gesundheit: Uns alle kannjederzeit und überall ein Unfall oder eine plötzlicheErkrankung treffen. Wie selbstverständlich rufen wirdann den Rettungsdienst und erwarten schnell sachgerechteHilfe und Versorgung. Dabei steht uns in der Regeleine notärztliche Versorgung zur Verfügung – wennwir dies benötigen. Es kann aber auch zu Situationenkommen, in denen die Notärztin oder der Notarzt nichtsofort greifbar ist, zum Beispiel, wenn diese bei einemanderen Einsatz sind. Auch dann darf sich die Situationeiner Patientin oder eines Patienten nicht dramatisch verschlechtern,auch wenn das nächste Krankenhaus weitentfernt ist.Das Beispiel zeigt, dass wir neben den Notärztinnenund Notärzten einen medizinischen Fachberuf brauchen,der im „Notfall“ kompetent agieren und den unterschiedlichensituativen Anforderungen auf aktuellem Stand gerechtwerden kann.Das geltende Rettungsassistentengesetz stammt ausdem Jahr 1989. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dassdie darin vorgesehene Ausbildung diesen Anforderungennicht mehr in vollem Umfang genügt. Deswegen benötigenwir eine neue Ausbildung, deswegen benötigenwir das Notfallsanitätergesetz.Sein Kernpunkt ist das Ausbildungsziel. Es beschreibteinen modernen Gesundheits- und Heilberuf, der in derLage ist, seine Arbeit selbst zu organisieren und sie anden Aufgaben auszurichten, die anstehen. Es beinhalteteine angemessene Arbeitsaufteilung zwischen der Ärzteschaftund den Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäternam Ort des Geschehens.Das Ausbildungsziel, das in der Ärzteschaft – meinesErachtens zu Unrecht – zu Kritik geführt hat, weist aus,über welche Kenntnisse und Fähigkeiten die Notfallsanitäterinnenund Notfallsanitäter verfügen müssen, umauch kritischen Einsatzsituationen gerecht zu werden.Dabei sage ich ausdrücklich: Wir wollen das bewährteSystem des notarztgeleiteten Rettungsdienstes erhalten,aber auch weiterentwickeln.Und darum wollen wir, dass die Notfallsanitäterinnenund Notfallsanitäter in Situationen, in denen kein Notarztzur Verfügung steht, von ihren erweiterten Kenntnissenund Fähigkeiten auch Gebrauch machen. Sie sollenLeben retten oder Patientinnen und Patienten helfen,wenn diese unter unerträglichen Schmerzen leiden. Hierfürwerden wir die Berufsangehörigen durch die neueAusbildung qualifizieren.Außerdem führen wir eine Ausbildungsvergütung ein.Schon in der Ausbildung sollen die Schülerinnen undSchüler eine angemessene Wertschätzung ihrer Arbeiterfahren. Das haben sie verdient. Zudem wird dieAusbildung durch ihre Vergütung attraktiver. Denn wirkonkurrieren im Gesundheitswesen mit anderen Berufen,die um qualifizierten Nachwuchs kämpfen.Auch die Feuerwehr, die ein wesentlicher Akteur imRahmen des Rettungsdienstes ist, haben wir berücksichtigt.So haben wir die Forderung, die im Beamtenverhältnisstehenden Schülerinnen und Schüler zuberücksichtigen, aufgegriffen. Fragen nach Anrechnungsmöglichkeitender Feuerwehrausbildung über dieallgemeine Anrechnungsregelung hinaus werden wir imRahmen der Abstimmung der Ausbildungs- und Prüfungsverordnungerörtern.Daneben sieht das Gesetz eine Änderung der Hebammenausbildungvor. Sie bildet die veränderte Tätigkeitder Hebammen und Entbindungspfleger ab, denn dasWochenbett verlagert sich zunehmend aus demKrankenhaus in das häusliche Umfeld. Die Wochenbettbetreuunggehört zu den vorbehaltenen Aufgaben derHebammen. Deshalb sollen sie dort qualifiziert werdenkönnen, wo sie am meisten lernen.Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf modernisierenwir einen wichtigen Beruf im Gesundheitswesen undleisten einen Beitrag zur Sicherstellung der guten medizinischenVersorgung der Menschen in Deutschland.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28189(A)(B)„Der Worte sind genug gewechselt, lass mich endlichTaten sehen!“ Mit diesen Gedanken von Goethe verfolgendie vielen Beteiligten am Rettungswesen Deutschlandsheute unsere Debatte. Sie wollen sehen, dass ihreeinhelligen Forderungen nach einer Novellierung derRettungsassistentenausbildung endlich umgesetztwerden.Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung zu dem Gesetz.Anlage 21Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Redenzur Beratung des Antrags: Zusammenarbeitmit China intensivieren – China-Kompetenzenin Deutschland ausbauen (Tagesordnungspunkt17)Manfred Grund (CDU/CSU): Der Aufstieg Chinasverlangt uns Veränderungen ab. Die wirtschaftlichen undpolitischen Beziehungen zwischen Deutschland undChina haben sich kontinuierlich vertieft. Zugleich aberist die Wahrnehmung Chinas in Deutschland wie in derübrigen EU noch immer oft von Stereotypen geprägt.Deutschland und seine Eliten werden sich intensiver alsbisher mit China auseinandersetzen müssen. Wir werdensonst weder die Chancen nutzen können, die sich aus derZusammenarbeit mit China ergeben, noch werden wirden strategischen Herausforderungen gewachsen sein,die sich aus einem Aufstieg Chinas ergeben.Der vorliegende Antrag geht auf eine Reihe dieserChancen und Herausforderungen ein. Er würde damitdurchaus Ansatzpunkte für eine konstruktive Diskussionbieten. Nur nutzt er das Thema oft als Anlass für eineunsachgemäße Kritik an der Bundesregierung.Napoleon wird gelegentlich – möglicherweise zuUnrecht – der Ausspruch zu geschrieben, mit demErwachen Chinas würde die Welt erzittern. Heute istChina erwacht; doch stellt sich die Frage, ob Europa dieKonsequenzen ausreichend wahrnimmt. Die GroßeMauer ist heute nicht mehr Symbol eines Landes, dassich von der Außenwelt abschließt. Im Gegenteil: Europaist heute eher Teil des chinesischen Gesichtskreises,als China umgekehrt Teil des europäischen Horizonts ist.Für zu viele Deutsche ist China auch im übertragenenSinn noch immer ein fernes Land.Es ist richtig: Chinesische Gesprächspartner sind oftbesser über die Verhältnisse in Europa informiert als ihreeuropäischen Kollegen über die Verhältnisse in China.Das hat weniger damit zu tun, dass unsere Gesellschaftenoffener sind als die chinesische. Chinesische Elitenstudieren Europa in der Regel intensiver als europäischeEliten China.In den europäischen Institutionen kommt hinzu, dassdie Komplexität der Entscheidungsprozesse Zeit undEnergie absorbiert. Wir sind auch in der GemeinsamenAußen- und Sicherheitspolitik oft so sehr mit uns selbstbeschäftigt, dass die Wahrnehmung der Außenwelt darunterleidet, von konkretem Handeln oder Strategie garnicht zu reden.Das heißt, wir brauchen mehr Kohärenz und Strategiein Brüssel. Wir werden aber auch auf der nationalenEbene mehr tun müssen. Wir sollten die China-Kompetenzin Deutschland deutlich ausbauen. An unserenSchulen und Universitäten müssen wir Kenntnisse überChina stärker vermitteln. Das gilt auch und vor allem fürSprachkenntnisse. Wir werden in unserer Außenpolitikkünftig sehr viel mehr auf eine gute Expertise überChina angewiesen sein. Auch die deutsche Wirtschaftwird diese Expertise dringend brauchen. Hier sind abervor allem die Bundesländer gefordert, mehr zu tun.Der Aufstieg Chinas zur Weltmacht stellt die grundlegendstemachtpolitische Umwälzung nicht nur unsererZeit dar. Sie markiert das abschließende Ende von mehrerenJahrhunderten europäisch-westlicher Dominanz inder Weltpolitik. Unser eigenes Gewicht wird deutlichsinken. Wir sollten daher auch unsere eigenen Einflussmöglichkeitennicht überschätzen.Doch stellt der Aufstieg Chinas für uns keinen Anlassfür vordergründige Ängste dar. Um die Folgen konstruktivmitgestalten zu können, brauchen wir vielmehr einrealistisches Verständnis für die komplexen Strukturenund Interessen der chinesischen Politik, Wirtschaft undGesellschaft.Dabei sind die gemeinsamen Handlungsfelder auchheute schon erheblich. Das gilt sicherlich auch für denBereich der Klima- und Energiepolitik. Mit Rechtverweist der Antrag auf die großen AnstrengungenChinas um den Ausbau erneuerbarer Energien und eineReduzierung von Treibhausgasen. Diese Anstrengungenwerden oft weit weniger gesehen als die Auseinandersetzungenum die Festlegung verbindlicher Klimazieleoder Handelsstreitigkeiten wie die Anti-Dumping-Verfahren der EU gegen die chinesische Solarindustrie.Dabei ist die Subventionierung erneuerbarer Energienallerdings auch nicht auf China begrenzt. Wir habendurchaus selbst Anlass, die Nachhaltigkeit unserer Politikin dieser Hinsicht zu hinterfragen.Richtig ist aber, dass wir die Zusammenarbeit in derEntwicklungspolitik fortsetzen und ausbauen sollten. Ichselbst war dafür, auch die traditionelle Entwicklungszusammenarbeitmit China fortzusetzen, und zwar nichtdeshalb, weil China nicht über die Mittel verfügenwürde, solche Projekte selbst zu finanzieren, sondernweil die Entwicklungszusammenarbeit auch für uns einewichtige Quelle unseres Verständnisses für Entwicklungsprozessein Chinas und ein wichtiges Instrumentzum Erfahrungsaustausch ist. Jetzt geht es aber darum,die Kooperation in der Entwicklungszusammenarbeitgegenüber Drittländern auszubauen. Das BMZ hat mitseinen chinesischen Partnern einen strategischen Dialogzur Entwicklungszusammenarbeit eröffnet, den es konsequentzu vertiefen gilt.Das ist ein Beispiel dafür, dass Intentionen des Antragsbereits Bestandteil der Politik dieser Bundesregierungsind. Es gibt hier zwar auch strittige Akzentsetzungenund Bewertungen. In vielen Punkten markiert der(C)(D)


28190 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Antrag aber keine Differenzen zwischen Koalitions- undOppositionsfraktionen. Er beschreibt vielmehr eineganze Reihe von Anliegen und Herausforderungen, diewir sehen und bereits verfolgen.Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Der rasante AufstiegAsiens hat sich in den vergangenen Jahren unverändertfortgesetzt. Motor ist dabei insbesondere dieEntwicklung in der Volksrepublik China. Rekordwachstumsratenin zweistelliger Höhe und gesellschaftlicheUmbrüche stellen nicht nur China selbst und seine Bevölkerungvor gewaltige Herausforderungen. Vielmehrhaben die Entwicklungen in China in unserer globalisiertenWelt auch direkte Auswirkungen auf die EuropäischeUnion und Deutschland.China hat sich zu einem der wichtigsten HandelspartnerDeutschlands außerhalb der Europäischen Unionentwickelt. Deutsches Know-how und deutsche Wertarbeitgenießen in China den besten Ruf und werden entsprechendnachgefragt. Der Export nach China hat mitdazu beigetragen, dass deutsche Unternehmen die Wirtschaftskrisein den Jahren 2008 und 2009 weitaus besserbewältigen konnten, als dies in vielen unserer europäischenNachbarstaaten der Fall war.Der wirtschaftliche Erfolg Chinas hat allerdings auchseine Schattenseiten. Der immense Rohstoffhunger deschinesischen Wachstums hat direkten Einfluss aufunsere Märkte und Preise. Die Klimaschutzziele zur Reduzierungder weltweiten CO 2 -Emmissionen sind ohneMitwirkung Chinas nicht realisierbar. Es ist daher unerlässlich,den Dialog und die Zusammenarbeit mit Chinazu suchen und zu intensivieren.Sowohl auf der politischen als auch auf der wirtschaftlichen,kulturellen und zivilgesellschaftlichenEbene findet ein reger Austausch statt. Die politischenKontakte setzen bei den Regierungen an und ziehen sichdurch alle Ebenen bis hin zu kommunalen Partnerschaftsprogrammen.Bilaterale Kabinettssitzungen verdeutlichenden besonderen Stellenwert der deutschchinesischenBeziehungen. Flankiert wird dies durchweitere regelmäßige bilaterale Kontakte wie dendeutsch-chinesischen Rechtsstaats- und Menschenrechtsdialog.Unser Leitbild von universellen Menschenrechtenund einer stabilen internationalen Ordnung istdabei stets Gesprächsgrundlage.Im Rahmen der Dialogprogramme leisten wir einenBeitrag, um rechtsstaatliches Denken und Handeln zufördern. Dabei gilt es, Diskussionen mit erhobenem Zeigefingerzu vermeiden. Aber zum Diskurs auf Augenhöhegehört es schon auch, Missstände in Menschenrechtsfragenoffen anzusprechen. Die Bundeskanzlerinhat dies in ihren Gesprächen mit der chinesischen Staatsführungstets getan. Dafür gebührt ihr unser Respekt.Wir werden uns auch weiterhin auf allen Ebenen dafüreinsetzen, dass in China die universellen Menschenrechtefür alle Menschen gewährleistet werden.Bildung und Forschung spielen eine wichtige Rolle,um ein gesellschaftliches Bewusstsein für Rechtsstaatlichkeitund den Schutz der Menschenrechte zu schaffen.Deshalb wurden in die laufenden Programme konkreteVorhaben zur Hochschulzusammenarbeit mit aufgenommen.Neben der Fortführung und Intensivierung derZusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen Einrichtungender Bundesrepublik Deutschland und der VolksrepublikChina gehören dazu auch Stipendien- und Austauschprogramme.Erfreulich ist, dass in Deutschlanddas Interesse an Asienwissenschaften und Sinologie stetigwächst. So sind in den vergangenen zehn Jahren klaransteigende Studierendenzahlen in diesen Bereichen zuverzeichnen. Den Weg des gegenseitigen Austauschssollten wir auch in den kommenden Jahren weitergehenund intensivieren.Abschließend darf ich noch eine Thematik zur Sprachebringen, bei der von einem – jedenfalls einvernehmlichen– gegenseitigen Austausch keine Rede sein kann.Die Berichterstattung der vergangenen Tage hat wiedereinmal vor Augen geführt, wie akut Hackerangriffe unsereNetzinfrastrukturen von Politik, Verwaltung undUnternehmen gefährden. Es ist kein Geheimnis, dass dieAngriffe auf unsere Informationssysteme allzu oft vonServern ausgehen, die in der Volksrepublik China stehen.Neben der eigenen Aufklärung und Abwehr solcherAngriffe im Cyberraum müssen wir im Rahmen derKooperation mit China sicherstellen, dass diese Attackenauch im Herkunftsland mit allem Nachdruck verfolgtund unterbunden werden. Die chinesische Führunghat hier bereits Zugeständnisse gemacht. So hat Chinamit der Europäischen Union vereinbart, eine Cyber TaskForce ins Leben zu rufen. Es liegt nun an der chinesischenRegierung, die Schlagkräftigkeit ihrer Bemühungenunter Beweis zu stellen.Johannes Pflug (SPD): Im letzten Jahr feierten wirvierzig Jahre diplomatische Beziehungen zwischenDeutschland und China. „China und Deutschland sindideale Partner…“, so bezeichnete AltbundeskanzlerGerd Schröder bereits im Jahr 2010 die deutsch-chinesischenBeziehungen. Dem kann ich nur zustimmen: DieBeziehungen zwischen Deutschland und China sindfreundschaftlich, vertrauensvoll und erstrecken sich aufalle Politikfelder. Innerhalb der Staaten der EuropäischenUnion spielt Deutschland im Verhältnis zu Chinaeine herausragende Rolle.Auf fast allen politischen Feldern gibt es eine enge– institutionalisierte – Zusammenarbeit: Seit 1999 existiertder deutsch-chinesische Menschenrechtsdialog undim deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialog tauschensich die Juristen beider Länder aus. Aber auch Kunst undKultur spielt in den deutsch-chinesischen Beziehungeneine wichtige Rolle. So fand letztes Jahr das chinesischeKulturjahr in Deutschland anlässlich des 40. Jahrestagesder Aufnahme diplomatischer Beziehungen statt. Besonderswichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang dasgemeinsame Kommuniqué zur umfassenden Förderungder Strategischen Partnerschaft, das im Jahr 2010 verfasstwurde; diese Partnerschaft dient vor allem dazu, dieMillenniumsziele zu erreichen. All solche Verbindungen(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28191(A)(B)helfen, sich gegenseitig kennenzulernen, Vertrauen zuschaffen und Verständnis füreinander zu entwickeln.Jedoch erweisen sich vor allem die deutsch-chinesischenWirtschaftsbeziehungen als eine große Erfolgsgeschichte:Im Jahre 1972 exportierten deutsche UnternehmenWaren für gerade mal 270 Millionen Dollar nachChina – im Jahr 2011 hatten die deutschen Ausfuhrennach China einen Warenwert von 64,8 Milliarden Euro;die Einfuhren aus China hatten einen Wert von 79,2 MilliardenEuro. Seit 2002 ist China nach den USA undnoch vor Japan der zweitwichtigste deutsche Exportmarktaußerhalb Europas: Deutschland ist mit AbstandChinas größter Handelspartner in Europa und steht in derRangfolge der weltweiten Handelspartner Chinas aufPlatz fünf. Eine beachtliche Entwicklung in vierzig Jahren!Zudem ist China das größte Lieferland Deutschlands.Deutschland importiert vor allem elektrotechnischeErzeugnisse, Spielwaren, Textilien, Bekleidungsowie Maschinen und Anlagen.Trotz dieser beeindruckenden Zahlen gibt es innerhalbder Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder auchProbleme und Unstimmigkeiten: Deutsche Unternehmenkämpfen in China mit langwierigen Zertifizierungsverfahrenfür ihre Zulassung und für ihre Produkte, immerwieder haben sie es mit Technologienklau von chinesischerSeite zu tun. Auch müssen sich deutsche Firmenmit Zugangsbeschränkungen für den chinesischen Marktauseinandersetzen, dies gilt insbesondere bei Ausschreibungenfür Aufträge der öffentlichen Hand. Es gilt dieBeschränkung bei Kapitalbeteiligungen deutscher Unternehmenvon mehr als 50 Prozent.Jedoch kämpft auch die chinesische Seite mit Misstrauenaus Deutschland, bei deutschen Firmen geht dieSorge vor chinesischen Kapitalbeteiligungen und Mehrheitsanteilseigentumum. Sie sehen, hier gibt es noch erheblichenKlärungsbedarf.Bei aller Freude über die deutsch-chinesischen Beziehungen,die auf politischer und wirtschaftlicher Ebenetrotz aller eben geschilderten Schwierigkeiten ausgezeichnetsind, möchte ich ein Problem benennen: Diedeutsche (politische) Sonderrolle, nämlich dass Deutschlandvon China als der europäische Ansprechpartner angesehenwird, kann als schwierig angesehen werden.Dringend notwendig wäre eine gemeinsame europäischeAußen- und Sicherheitspolitik gegenüber beziehungsweisemit China – leider mangelt es der EU an einer solchengemeinsamen Politik.Auch wären regelmäßige institutionalisierte Gesprächezwischen der NATO und China erforderlich, um mäßigendauf die sich verschärfenden Konflikte im GelbenMeer, aber auch auf die zunehmende Konkurrenz undRivalität zwischen den USA und der Volksrepublik zuwirken. Damit hier kein Missverständnis aufkommt: DieNATO hat als transatlantisches Verteidigungsbündnisnichts im asiatisch-pazifischen Raum zu suchen. Jedochsind die USA führendes NATO-Mitglied und das Bündniskann auch der Konfliktprävention dienen.Bei der Betrachtung der deutsch-chinesischen Beziehungenim Besonderen, aber auch des Landes China imAllgemeinen, muss man erkennen, dass sich China ineiner Phase des Umbruchs befindet, vor allem im innenpolitischenBereich. Hier hat China mit großenSchwierigkeiten und Disparitäten zu kämpfen: Eine aufstrebendeMittelschicht verlangt nach mehr demokratischenMitspracherechten, die Unterschiede zwischenArm und Reich sowie die Unterschiede in der Infrastrukturzwischen den Küstenstädten, ländlichen Regionenund Provinzen werden immer größer. Es bestehen immenseUmwelt- und Klimaprobleme, Ressourcenverschwendungund Unterschiede in den Lebensverhältnissen.Die sozialen Sicherungssysteme sind kaumentwickelt und in den meisten Behörden herrscht Korruption.Deutschland kann hier als Partner und „ehrlicherMakler“ wichtige Hilfestellungen geben, diese Problemezu lösen.Da hierfür eine gute, vertrauensvolle Beziehung dasFundament bildet, plädiere ich im Sinne des Antrags: Esist unerlässlich, die Kontakte zwischen Deutschland undChina auf allen Ebenen und allen Bereichen zu intensivierenund zu verfestigen. Hierzu zählen Kontakte zwischenzivilgesellschaftlichen Einrichtungen, der Jugendaustausch,Sport-, Kultur- und Wissenschaftsaustauschsowie persönliche Freundschaften; insbesondere aberauch institutionalisierte Kooperation von Institutionen,wie zum Beispiel dem Goethe- oder Konfuzius-Institutzum gegenseitigen Sprachenlernen und Stiftungskooperationen.In diesem Geiste besteht die sehr gute Chance, die bilateralenBeziehungen zwischen Deutschland und Chinain den nächsten vierzig Jahren noch weiter zu entwickelnund krisenfest und freundschaftlicher zu machen.Dr. Rainer Stinner (FDP): Ich kann mir lebhaft vorstellen,wie der vorliegende Antrag entstanden ist. Dahat irgendjemand in der grünen Fraktion gesagt: Wirmüssen mal was zu China machen – und dann haben Sieangefangen, alles, was Ihnen einfällt, mal zusammenzuschreiben.Dann muss natürlich irgendwo auch der Bundesregierungans Bein gepinkelt werden. Dann habenSie aber vergessen, die Dinge etwas zu ordnen. Und sohaben wir hier ein Dokument wie Kraut und Rüben. DerChinese würde vielleicht „hong he feng“ sagen, wenn erdas deutsche Wortspiel verstünde.In dem Feststellungsteil benennen Sie die KomplexitätChinas, handeln dann Entwicklungspolitik und LowCarbon ab. Dann wird die angebliche Wirtschaftslastigkeitder deutschen China-Politik beklagt, bevor überKlima geredet wird. Dann wird betont, dass man gegenüberChina strategisch richtig aufgestellt sein muss. ZumSchluss wird auf die mangelnde China-Kompetenz inDeutschland verwiesen. Den Buhmann der Bundesregierungmuss Minister Niebel spielen. Er wird kritisiert,dass er die längst überfällige Reorientierung der Entwicklungszusammenarbeitvorgenommen hat. In diesemZusammenhang interessiert die Grünen-Fraktion vielleicht,dass über 200 Mitarbeiter der GIZ heute in Chinaan sinnvollen und von China bezahlten Projekten arbeiten.Ein Fortschritt, der Lob statt Tadel verdient hätte.(C)(D)


28192 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Bemerkenswert ist auch, was in dem Antrag nicht erwähntist. Nicht erwähnt ist die sehr umfangreiche Regierungskooperation,bei der zum Beispiel 13 chinesischeMinister nach Deutschland gekommen sind. Nichterwähnt wird, dass China mit keinem anderen Land derWelt eine solche enge und intensive Kooperation überviele Fachfragen eingegangen ist.Nicht erwähnt wird die Bedeutung der engen wirtschaftlichenBeziehungen für Beschäftigung und Wohlstandin Deutschland. Vielmehr werden diese wirtschaftlichenBeziehungen eher abschätzig als zu dominantbeschrieben. Nicht erwähnt und gewürdigt wird der sehrintensive Rechtsstaatsdialog mit China, der zu vielenganz konkreten Projekten der Zusammenarbeit geführthat. Nicht erwähnt wird der Menschenrechtsdialog, derzwar manchmal zäh verläuft, der aber immer noch aufrechterhaltenund der mit großem Engagement vomMenschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung betriebenwird. Nicht erwähnt werden die umfangreichenBildungskontakte mit circa 30 000 chinesischen Studentenin Deutschland und die vielfältigen kulturellen Beziehungenwie zum Beispiel die spektakuläre Ausstellungüber die Aufklärung in Peking.Nicht erwähnt in dem Antrag werden die Notwendigkeitund die Anstrengungen, mit China auf dem Gebietder Außenpolitik zusammenzuarbeiten. Das betrifft dieUNO, die Iran-Gespräche 3 plus 3, die Bemühungen zuSyrien usw. usw.Der bunte Strauß der Beliebigkeit und des Zufallssetzt sich im Forderungsteil nahtlos fort. Als Erstes stelltdie Grünenfraktion die heroische Forderung auf, „einenklaren, kohärenten und langfristig orientierten strategischenGesamtansatz gegenüber China zu entwickeln unddiesen in Form eines Strategiepapiers zu veröffentlichen“.Gut gebrüllt, eine solche Forderung macht sichimmer gut. Dann folgt ein Sammelsurium von Forderungen,zum Teil mit Kosten verbunden, denen es gerade an„einem strategischen Gesamtansatz“ gebricht. Es werdenweitere neue Stellen gefordert, es sollen Mittel verstärktfür asienbezogene Forschung ausgegeben werden,ohne zu sagen, wo sie denn gestrichen werden sollen. InAfrika etwa? Es sollen die strategischen Partnerschaftender EU gestärkt werden. Welche? Wozu? Wie? KeineAussage.Es wird unter 10 a gefordert, einen Neustart der Entwicklungszusammenarbeitvorzunehmen. Offensichtlichist den Verfassern die Projektvielfalt der Arbeit derGIZ nicht bekannt. Dieses Informationsdefizit wäreschnell zu beheben, wenn man denn wollte.Auch in dem Forderungsteil kommt die Außenpolitiknicht vor. Offensichtlich haben die Außenpolitiker, obwohlim Rubrum vorne stehend, nicht an dem Antrag federführendmitgearbeitet. Oder sie sehen die außenpolitischenDimensionen der Kooperationsmöglichkeitenund -notwendigkeiten nicht als so wichtig an. Ich weißnicht, welche Variante für die Grünenfraktion schmeichelhafterist.Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünenfraktion,dieser Antrag wird der Bedeutung der deutschchinesischenBeziehungen nicht gerecht. Wir lehnen ihnab.Stefan Liebich (DIE LINKE): Bündnis 90/Die Grünenhaben mit ihrem Antrag den für Deutschland sowichtigen Beziehungen zu China nach langer Zeit malwieder die Möglichkeit verschafft, im Parlament eineRolle zu spielen. Dafür gebührt ihnen ein Dank.Der Antrag benennt eine Kritik, die ich unterstütze:Eine kohärente Strategie für die Beziehungen zu Chinahaben weder die Bundesregierung noch die EuropäischeUnion. Wenn wir uns das Agieren der Bundesregierungin den letzten Jahren anschauen, aber auch die Arbeit derEU, dann kann man nur sagen: Mit einer gemeinsamenPolitik hat das nichts zu tun, hier macht lieber jederseins.Da wächst am Pazifik eine neue Supermacht heran,die ernsthaft mit den Herausforderungen des 21. Jahrhundertsringt, und das Einzige, was der Bundesregierungeinfällt, ist: Kauft euch mal mit euren Devisenreservenbeim Euro ein und kauft mehr deutsche Autos,die wir auch gleich billig bei euch produzieren! – Das istarmselig.Beim zweiten Blick auf die Politik der Bundesregierungund der EU wird deutlich: Die VR China wird nochimmer als Gegenüber verstanden und nicht als ernsthafterPartner. Die Situation der Menschenrechte wird gernals Indiz herangezogen. Es ist nur wenig glaubwürdig,wenn unser Land gleichzeitig Waffen nach Saudi-Arabienund andere „Demokratien“ des Nahen Ostens exportiert.Und auch die Stimme der Bundeskanzlerin gegenüberChina ist in dieser Frage leiser geworden.Offenbar sind die wirtschaftlichen Interessen wichtiger.Der wirtschaftliche Aufschwung Chinas ist in der Tatatemberaubend, und – auch wenn hierüber wenig gesprochenwird – es gibt bei etlichen in der chinesischenFührung Sorgen über die zunehmende soziale Spaltungdes Landes. Nicht nur das, sie versuchen auch, gegenzusteuern.Gut so. Das Ziel von Deng Xiaoping war: „EinigenMenschen soll es früher als anderen möglich sein,reich zu werden. Die KP Chinas wird eine Polarisierungder Gesellschaft jedoch nicht zulassen.“ Reich gewordensind mittlerweile manche. Nun muss auch der zweiteTeil noch energischer in Angriff genommen werden.Zugenommen haben aber auch Probleme, die eine rasantewirtschaftliche Entwicklung mit sich bringt: Umweltschädenzum Beispiel. Andererseits ist China, undder grüne Antrag verweist darauf, ein Land, das sich damitnicht nur konfrontiert sieht, sondern auch versucht,gegenzusteuern. Hier, aber auch bei sozialen Standardshaben Deutschland und China gemeinsame Interessen.Doch wo ist die entschlossene Kooperation? WiederFehlanzeige!Chinas Engagement in der Welt nimmt zu. Im eigenenNamen, aber auch in der internationalen Gemeinschaft.Und wieder schaut Europa, schaut Deutschland einfachnur zu. Kritik an den USA, die eine offensivere Strategiegegenüber China verfolgen, zum Beispiel durch Truppenverlagerungen,hört man nur sehr leise. Warum eigent-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28193(A)lich? Wir erleben im pazifischen Raum ein beispiellosesWettrüsten. China investiert in seine Flotte, auch als Reaktionauf die Verlagerung größerer amerikanischer Flottenverbändein den Pazifik. Und China entwickelt, wenwundert es, nun auch eigene Drohnen und eigene Transportflugzeuge,um seine strategischen Fähigkeiten auszubauen.Ist das in unserem Interesse? Ich meine, nein.Wir brauchen, da legt der Antrag von Bündnis 90/DieGrünen den Finger in die Wunde, eine konsistente Strategiefür unsere Beziehungen zu China, nicht nur alsBundesrepublik Deutschland, sondern auch als EuropäischeUnion.Wir müssen China nicht nur als Billigproduzentenund Absatzmarkt begreifen, sondern in der Tat als ebenbürtigenPartner in einer sich dramatisch veränderndenWelt. Klimawandel und die Folgen der Globalisierungbetreffen uns gleichermaßen und können nur gemeinsambeantwortet werden. Dazu ist Sensibilität und die Fähigkeitzum Zuhören von unschätzbarer Bedeutung.Viele Ansätze im Antrag der Grünen sind aus meinerSicht zu begrüßen. Austausch, Ausbau des Verständnissesund der interkulturellen Kompetenz durch Sprache,Kultur und Geschichte sind gut und wichtig. Zusammenarbeitder Menschen in der Zivilgesellschaft ist zu fördern.Herausforderungen, wie gesellschaftlicher Wandel, Wertewandelund Klimawandel, zu beantworten. In Wortenund besser noch in Taten.Diese Debatte sollten wir hier im Parlament beginnen,weil die Bundesregierung die Zeichen der Zeit verschläft.lenken. Nur wenige Menschen in Deutschland lernenChinesisch; im Geschichts- oder Politikunterricht spieltChina keine Rolle, und nur wenige Privilegierte habendie Möglichkeit, an einem Schüleraustausch mit Chinateilzunehmen.Das macht es einigen Journalisten leicht, mit einerbilligen Titelgeschichte Ängste zu schüren, anstatt dasKind beim Namen zu nennen: Wir werden die globalenanstehenden Probleme ohne China kaum lösen und könnenuns diese Nichtbeachtung auf Dauer schlicht nichtmehr leisten. Im Klimaschutz, bei der Armutsbekämpfungund der Wirtschaft wird ohne China kein nachhaltigerWandel möglich sein. Dies mag uns gefallen odernicht, aber es handelt sich um einen Fakt.Entgegen der populären Meinung ist China sicher vieles– aber kein monolithischer Block. Wie wollen wirdiese politische Herausforderung angehen? Wir sagen:Nur mit kompetenten Personen und dem nötigen Fachwissenkönnen wir dieser systematisch begegnen.Nur, wie sieht die Realität bei uns aus? Unser Außenministerbegrüßte den neuen chinesischen Botschaftermit den Worten „wo ai ni“ was so viel heißt wie „Ichliebe dich“, und versucht damit seine China-Kompetenzunter Beweis zu stellen. Wie bitte ist das denn zu verstehen?Nicht nur hier wäre eine kompetente Beratung desAußenministers wertvoll gewesen, um den anwesendenChina-Kennern nicht die Schamesröte in die Gesichterzu treiben. Dagegen parieren der chinesische Botschafterund seine Mitarbeiter jede Gesprächssituation im nahezuakzentfreien Deutsch.Wir setzen uns mit unserem Antrag für die Stärkungvon Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeitein. Noch immer werden gewaltfreie Regimekritikerinnenund Regimekritiker und Menschenrechtsverteidigerinnenund -verteidiger verhaftet und schikaniert.Konkrete menschenrechtspolitische Ankündigungen derchinesischen Führung müssen auch Taten folgen.Wirtschaftsinteressen dürfen kein Grund sein, darauf zuverzichten.Doch die Bundesregierung hat leichtfertig Instrumenteder Zusammenarbeit aus der Hand gegeben. Sogab es im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zukunftsweisendeKonzepte. Minister Niebel hat esgeschafft, mit seinem abrupten Abbruch gut installierterProjekte in China unter Beweis zu stellen, wie wenig ervon einer funktionieren Zusammenarbeit mit derVolksrepublik China auf wichtigen Feldern wie dem internationalenKlimaschutz, der Verkehrspolitik, derRechtsstaatsentwicklung oder der Finanzsektorberatunghält: leider gar nichts. Er zeigte sich beratungsresistent.Zwei konkrete Beispiele also für unseren dringendenNachholbedarf in Sachen China-Kompetenz.(C)(B)(D)Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Der Focus hat diese Woche verdeutlicht,welches Niveau Debatten zu China bei uns häufig haben:In der Hoffnung, seine Verkaufszahlen nach oben zutreiben, zeigt er einen hungrigen Drachen auf der Frontseiteund titelt „China macht Angst“ – es sollte heißen„Unwissenheit macht Angst“.Fakt ist: China wird für uns sowohl wirtschaftlich alsauch geopolitisch bald einen ähnlichen Stellenwert wiedie USA einnehmen. Es gibt eine erhebliche Verschiebungder Machtverhältnisse, und dennoch ignoriert esdie Bundesregierung gekonnt und trägt damit zu vorurteilsbehaftetenDiskussionen bei.Mit 711 Milliarden US-Dollar pro Jahr für ihre Militärausgabenliegen die USA noch weit vor der Volksrepublikmit 148 Milliarden US-Dollar – warum alsohaben wir Angst vor China, nicht aber vor den USA? Ichwage eine Vermutung: weil wir deutlich besser mit denpolitischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in denUSA vertraut sind – zu wenig aber immer noch über dieheranwachsende Weltmacht im Osten wissen. Auch derBundestag bildet da keine Ausnahme.Der vom Focus betitelte „Unheimliche Partner“ istdeshalb so unheimlich, weil wir uns dem Land immernoch aus der Ferne nähern. Wir wissen gar nicht in dergesamten Breite, was dort im Einzelnen passiert, welcheDebatten geführt werden oder welche Akteure das LandSomit ist eines klar: Wir werden auch in Zukunft vonChina an vielen Stellen nicht unbedingt pfleglich behandeltwerden. Der an politischem Einfluss wachsendePartner lässt sich immer weniger gern kritisieren, straftPartner ab, die das dennoch tun, und tritt im wirtschaftli-


28194 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)chen Wettbewerb zunehmend selbstbewusst auf. So leidetetwa die Solarindustrie in Deutschland unter demharten direkten Wettbewerb mit China. Die Antwortmuss hier Kooperation statt Marktabschottung lauten.Und gerade deswegen ist es uns Grünen wichtig –weil wir trotz unserer kritischen Haltung gegenüberChina die Zusammenarbeit intensiver wollen. Ziel musses sein, das Land und seine Menschen und vor allem diepolitisch Handelnden besser zu verstehen.„China-Versteher“ darf kein Schimpfwort mehr sein.Es geht nicht um kritikloses Abnicken, sondern um eineernst gemeinte Auseinandersetzung mit der politischenSituation in China.Das wird nur mit soliden China-Kompetenzen inDeutschland funktionieren. Unsere Fraktion will deshalbvorangehen, um diese Lücke zu schließen.Wir fordern deshalb nicht nur einen kohärenten Gesamtansatz,sondern eine echte „China-Offensive“ –ohne dabei unkritisch im Umgang mit der Regierung zusein. Aber um auf Augenhöhe in Zukunft mit Chinazusammenzuarbeiten, fordern wir neben mehr China-Kompetenz in Ministerien und Behörden auch einenKoordinator für deutsch-chinesische Beziehungen imAuswärtigen Amt, wie es ihn für die transatlantischenBeziehungen bereits lange gibt.Ohne eine kohärente Gesamtstrategie in Deutschlandwerden wir uns weiterhin mit der erfolglosen Symbolpolitikder Bundesregierung abgeben müssen. Dabei isteine konsequente, kohärente Politik für Menschenrechteund Nachhaltigkeit unabdingbar, um substanzielle Veränderungenzu erreichen.schaffen, die gemeinsam ihren Dienst in der Bundeswehrtun.Diese Grundlage liegt nun vor, und wir sind als CDU/CSU froh, dass wir dieses Gesetz gemeinsam mit demKoalitionspartner und auch der Volkspartei SPD beschließenkönnen. Dass die Grünen ein noch immernicht komplikationsfreies Verhältnis zur Parlamentsarmeehaben und die Linke eine fast schon feindlich-negativeEinstellung – um einmal einen SED-Jargon zu benutzen– tut der Tatsache keinen Abbruch, dass wir alsDeutscher Bundestag diese gesetzliche Grundlage miteiner Mehrheit größer als die Verfassungsmehrheit, alsovon über zwei Dritteln der im Parlament vertretenenMandate, verabschieden können.Dieses Signal ist wichtig für die Parlamentsarmee, derwir uns – nahezu alle hier im Hohen Hause – in besondererWeise verpflichtet fühlen. Wir sind den Soldatinnenund Soldaten, den kurz Dienenden, den länger Dienendenund den Berufssoldaten, für ihren Dienst am Vaterlandin schwieriger und gefährlicher Mission sehr dankbar.Ich möchte sehr persönlich, auch aus eigener Erfahrungmit den Risiken des Einsatzes, hinzufügen: „Ehre,wem Ehre gebührt“ – und denen, die sich für den Friedenund für die Freiheit unter Einsatz ihres Lebens einsetzen,Frauen und Männern, gebührt die Ehre, auch diesesParlaments.Die gesetzliche Regelung, die wir heute beraten, enthältim Kern keine Neuregelungen. Insofern kann allendenjenigen Entwarnung gemeldet werden, die wegen derUmstellung die Ungewissheit hatten, was denn nunNeues auf sie zukommt.(C)(D)Anlage 22zur Beratung:Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Reden– Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU undFDP eines Fünfzehntes Gesetz zur Änderungdes Soldatengesetzes– Entwurf der Bundesregierung eines FünfzehntesGesetz zur Änderung des Soldatengesetzes(Tagesordnungspunkt 18)Mit dem neuen, angepassten Soldatengesetz schaffenwir nun ein einheitliches Dienstrecht für alle Soldatinnenund Soldaten der Bundeswehr. Darum geht es, um nichtmehr und nicht weniger.Es ist gut, dass wir diese einheitliche Regelung gefundenhaben. Es ist gut, dass wir dies hier mit sehr breiterMehrheit beschließen. Und es ist gut, dass wir die Bundeswehrals Parlamentsarmee haben. Für meine Fraktionder CDU/CSU danke ich dem Ministerium für die Zuarbeitund versichere den Soldatinnen und Soldaten, dasswir als CDU/CSU auch in Zukunft an ihrer Seite stehenund unserer Verantwortung für die Bundeswehr gerechtwerden.Michael Brand (CDU/CSU): Vorab können wir mitGenugtuung feststellen: Die große Gemeinsamkeit zwischenden großen Volksparteien beim Thema Bundeswehrist bewahrt und hat sich einmal mehr bewährt.Nach den tiefgreifenden strukturellen Umstellungenfür die Bundeswehr und dem damit verbundenen Aussetzender Wehrpflicht haben wir uns schon damals vorgenommen,die entsprechenden rechtlichen Anpassungenvorzunehmen, um vom Wehrpflichtgesetz überzuleitenund die nach der Aussetzung der Wehrpflicht geboteneeinheitliche Rechtsgrundlage für alle diejenigen zuMarkus Grübel (CDU/CSU): Vor fast genau zweiJahren – am 24. Februar 2011 – stand ich vor diesem HohenHause und habe zu zwei Gesetzestexten gesprochen,die vor allem für junge Menschen in unserem Land undihrem Verhältnis zur Gesellschaft eine ganz neue Chanceeröffnet haben. Gemeint sind das Wehrrechtsänderungsgesetz2011 und das Gesetz zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes.Mit beiden Gesetzen wurde freiwilligesEngagement in unserer Gesellschaft auf einvollkommen neues Fundament gestellt und der Grundsteinfür eine neue Freiwilligenkultur gelegt.


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28195(A)(B)Vor dem Hintergrund einer veränderten sicherheitspolitischenund demografischen Lage haben wir uns mitdem Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 für die Aussetzungder Wehrpflicht, die über Jahrzehnte ein Sicherheitsgarantder Bundesrepublik Deutschland war, entschiedenund einen neuen freiwilligen Wehrdiensteingeführt. Diese Entscheidung fiel vielen von uns, zudenen ich mich auch zähle, sehr schwer. Aber: Politikbeginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit, wie meinKollege Volker Kauder einmal treffend formulierte. Unddie sicherheitspolitische Wirklichkeit hat sich seit demEnde des Kalten Krieges gewandelt. Die Aufrechterhaltungder Wehrpflicht war angesichts eines verändertenAufgabenspektrums für unsere Streitkräfte nur schwerbegründbar. Neben der Veränderung der sicherheitspolitischenLage war auch aus Gerechtigkeitsgründen dieimmer geringer werdende Zahl an eingezogenen Männernnur schwer zu rechtfertigen. Zuletzt betrug dieDauer des Wehrdienstes außerdem nur noch 6 Monate.Fraglich ist, ob sowohl die Bundeswehr als auch derWehrpflichtige von einem derart kurzen Zeitraum profitierenkonnten.Wir haben daher die Wehrpflicht durch einen freiwilligenWehrdienst ersetzt, den Männer und Frauen bis zu23 Monaten absolvieren können. Mit diesem Dienstermöglichen wir jungen Menschen, staatsbürgerlicheVerantwortung zu übernehmen und ihrem Land in besonderemMaße zu dienen – getreu dem Motto „Wir.Dienen.Deutschland“.Das Pendant zur Wehrpflicht war über viele Jahrhinweg der Zivildienst als Wehrersatzdienst. Mit derAussetzung der Wehrpflicht wurde dieser Dienst vomBundesfreiwilligendienst abgelöst, den wir von starrenAltersgrenzen gelöst und als generationen- und geschlechterübergreifendenFreiwilligendienst etabliert haben.Schon heute hat sich der Bundesfreiwilligendienstals Erfolgsgeschichte erwiesen. Wir haben den Bundesfreiwilligendienstals Nachfolge für den Zivildienst neukonzipiert. Und wir haben die Jugendfreiwilligendiensteauf eine neue Grundlage gestellt. Von einem Teil derVerbände wurden diese Vorhaben kritisch begleitet. Aberes ist ein großer Erfolg geworden. Die Nachfrage übersteigtinzwischen die Zahl der Plätze. Über 100 000 Freiwilligesind derzeit in Deutschland tätig. 50 000 jungeMenschen machen ein FSJ zum Beispiel in der Altenpflege,der Krankenpflege und der Behindertenarbeit.35 000 Menschen leisten den Bundesfreiwilligendienst,der nun auch für über 27-Jährige geöffnet ist. 7 000 Bufdissind über 27. 5 000 junge Menschen machen einenFreiwilligendienst im Ausland. Und knapp 10 000 leisteneinen freiwilligen Wehrdienst neuer Art.Die große Zahl der Freiwilligen ist ein gutes Zeichenfür die Einstellung der jungen und auch älteren Menschenin Deutschland. Die große Zahl der Freiwilligenzeigt, dass wir die Freiwilligendienste richtig konzipierthaben.Lassen Sie mich nun zum freiwilligen Wehrdienstkommen. Mittlerweile sind knapp eineinhalb Jahre vergangen.Wenn wir einen Blick auf das vergangene Jahrwerfen, können wir zweifellos eine positive Bilanz ziehen:Vom 1. Januar 2012 bis zum 1. Januar 2013 wurdenrund 11 000 Männer und Frauen für einen freiwilligenWehrdienst gewonnen. 5 000 junge Frauen und Männerhaben am 1. Januar 2013 einen freiwilligen Wehrdienstangetreten. An dieser Stelle möchte ich kurz anmerken,dass allein aus Baden-Württemberg 236 Freiwillige kamen.Unsere Zielmarke haben wir insofern erreicht. DerMinister hatte folgende Formel vorgegeben: 5000 plus X,das heißt 5 000 freiwillig Wehrdienstleistende werdenfest eingeplant. Für weitere bis zu 10 000 freiwilligWehrdienstleistende pro Jahr werden Platz und Ausbildungangeboten. Mit rund 11 000 freiwillig Wehrdienstleistendenim Jahr 2012 liegt die Bundeswehr sogarmehr als im Soll. Damit wir viele junge Männer undFrauen für einen freiwilligen Wehrdienst gewinnen können,müssen wir uns aber auch weiterhin um attraktiveRahmenbedingungen bemühen und für den Dienst werben.Änderung des Soldatengesetzes: Mit den vorliegendenvon den Fraktionen CDU/CSU und FDP sowie derBundesregierung eingebrachten wortgleichen Entwürfeneines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzesgehen wir nun einen letzten wichtigen Schritt:Wir übertragen den freiwilligen Wehrdienst in das Soldatengesetzund verankern ihn somit im richtigen Gesetz.Mit der Gesetzesänderung schaffen wir eine einheitlicheRechtsgrundlage für den Dienst in den Streitkräften. Derfreiwillige Wehrdienst wird aber abgegrenzt von demDienst der Berufssoldatinnen und -soldaten sowie denSoldatinnen und Soldaten auf Zeit. Er bildet insofern eineigenständiges, wesentliches Element innerhalb der Bundeswehr.Die geplante Gesetzesänderung sieht konkretvor, die bisher im Wehrpflichtgesetz enthaltenen Regelungenzum freiwilligen Wehrdienst inhaltsgleich in dieSystematik des Soldatengesetzes zu integrieren. DieseÄnderung führt vor allem zu einer Rechtsvereinfachung.Darüber hinaus wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurfder freiwillige Wehrdienst als besonderes staatsbürgerlichesEngagement im Soldatengesetz normiert.Ich lade alle Fraktionen dieses Hauses ein, dem vorliegendenGesetzentwurf zuzustimmen und dem freiwilligenEngagement in unseren Streitkräften die Anerkennungzu verleihen, die es verdient.Lars Klingbeil (SPD): Das Soldatengesetz wirdheute um einige Punkte ergänzt. Um den freiwilligenWehrdienst und um die im Wehrrechtsänderungsgesetz2011 hierzu beschlossenen Änderungen.Auch wenn es sich bei der heutigen Gesetzesänderungmehr um eine Formalität handelt, ist es mir wichtig,nochmal auf das Gesamtkonstrukt Bundeswehrreformaufmerksam zu machen. Erst war die Schuldenbremseder Hauptantrieb dieser Reform. Ziel war es, möglichstviel zu sparen. Die eigentlich selbstverständliche undzwingend notwendige sicherheitspolitische Debatte imVorfeld wurde nicht geführt. Mit dem Wechsel im Ministeramtwurde dann der Anspruch an die Reform heruntergeschraubt.Unter zu Guttenberg wurde noch von dertiefgreifendsten Reform in der Geschichte der Bundes-(C)(D)


28196 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)wehr gesprochen. Mittlerweile bekommt man jedochden Eindruck, dass möglichst wenig verändert und dabeimöglichst viel gespart werden soll. Das an sich halte ichschon für sehr problematisch.Hinzu kommt aber, dass Sie bei dieser Reform vonAnfang an kaum die Interessen der Soldatinnen, Soldatenund Zivilbeschäftigten berücksichtigt haben. Die vielenAnkündigungen, möglichst breite Diskussionen zuführen und möglichst viele Meinungen einzuholen, wurdennicht erfüllt. Im Mittelpunkt einer jeden Reform derBundeswehr stehen die Menschen. Sie haben es abernicht geschafft, diese Menschen mitzunehmen und zu informieren.Sie haben sie im Unklaren gelassen. Nochimmer wissen viele der Soldatinnen, Soldaten und Zivilbeschäftigtennicht, wie ihre Zukunft bei der Bundeswehraussieht, ob sie überhaupt eine haben, und wenn ja,wo diese an welchem Standort sein wird.Die Art und Weise wie Sie die Wehrpflicht ausgesetzthaben, zeigt, wie undurchdacht und unstrategisch dieseReform umgesetzt wurde und wird. Ich begrüße, dassSie die Wehrpflicht ausgesetzt haben. Aber Sie hättensich zuerst Gedanken machen sollen, was dadurch eigentlichpassiert. Es gab im vorhinein kein Konzept, wieman auf den Wegfall des stetigen Pools der Wehrpflichtigenreagiert. Es gab kein Konzept, wie man die jungenMenschen in diesem Land richtig anspricht, wie man sieüber die Bundeswehr angemessen informiert und wieman sie für den Dienst interessiert. All das hätte vor derAussetzung der Wehrpflicht passieren können und müssen.So hatten wir quasi ab dem Tag der Aussetzung einRekrutenproblem.Die hohen Abbrecherquoten bei den freiwillig Wehrdienstleistendensind erschreckend. 30,4 Prozent beendenvorzeitig ihren Dienst. Das ist deutlich höher als beiden sozialen Diensten. Wenn fast ein Drittel den Dienstfrühzeitig abbricht, müssen bei uns doch die Alarmglockenschrillen. Irgendwas kann dann nicht stimmen. Habendie jungen Menschen die falsche Vorstellung vomDienst bei der Bundeswehr? Inwieweit werden ihre Vorstellungenüberhaupt erfüllt? Und vor allem: Wie werdendie Rekruten im Vorfeld informiert? Das sind allesFragen der Konzeptionierung und der Kommunikation.Nach über zwei Jahren Reform ist es endlich an der Zeit,dass Sie diese Zahlen analysieren, die Nachwuchsgewinnunggrundlegend evaluieren und dann ganz schnellnachbessern.Durch die doppelten Abi-Jahrgänge der letzten Jahrewird dieses Problem bisher noch überlagert. Nur durchdie zusätzlichen Schulabgänger haben wir eine Zahl von11 150 Freiwilligen erreicht. Wenn wir so weiter machen,werden wir jedoch langfristig ein Problem haben.Wir brauchen dringend ein wettbewerbsfähiges Konzeptfür die Nachwuchsgewinnung. Wir müssen jetzt auf dieVeränderungen bei der Bundeswehr und in der Gesellschaftreagieren, damit wir die Bundeswehr aufstellenkönnen, die wir in Zukunft benötigen.Deswegen haben wir als SPD auch gefordert, dasssich die Anhebung der Planstellenanteile für Unteroffizierein der Besoldungsgruppe A9 an den Vorgaben fürden mittleren Polizeidienst orientieren soll. Dann könntenUnteroffiziere endlich leistungsgerecht befördertwerden. Aber auch der Dienst als Soldat auf Zeit mussattraktiver ausgestaltet werden, SaZ8 und SaZ12+ werdendurch die Veränderungen der Berufsförderung undder Dienstzeitversorgung benachteiligt. Deswegen fordernwir, dass die wegfallenden Freistellungsphasendurch eine Erhöhung der Übergangsbeihilfen ausgeglichenwerden müssen.Darüber hinaus müssen Sie zwingend beim Personalmodellnachsteuern. Das aktuelle Konzept löst wederden Beförderungs- noch den Verwendungsstau auf. Wirbrauchen bei der Bundeswehr schnellstmöglich eintransparentes und nachvollziehbares Personalmanagement.Bei meinen Gesprächen mit den Soldatinnen, Soldatenund Zivilbeschäftigen spielt ein Thema immer wiedereine zentrale Rolle: die Vereinbarkeit von Familieund Dienst. Mittlerweile ist das Thema auch in allenSonntagsreden angekommen. Aber es tut sich viel zuwenig bei der Bundeswehr. Soldatinnen und Soldatenbeschweren sich nicht, sie wissen, dass sie einen anspruchsvollenJob voller Herausforderungen ausüben.Was sie sich jedoch wünschen, ist ein Arbeitgeber, dersie auch bei der Bewältigung der Herausforderungen imprivaten Bereich unterstützt. Oft sind die Ehepartnerauch berufstätig, viele Soldatinnen und Soldaten habenKinder, Familie und Beruf sind nicht immer einfach untereinen Hut zu bringen. Wir brauchen daher endlichumfassende Angebote der Kinderbetreuung bei der Bundeswehr.Es kann nicht sein, dass immer nur etwas passiert,wenn sich die Bediensteten vor Ort einsetzen. Wirbrauchen auch bei den Streitkräften, die Möglichkeit derTeilzeitbeschäftigung und der Telearbeit. Die vielenPendler sind ein fester Bestandteil unserer heutigen Bundeswehr.Akzeptieren Sie diese Realität und stellen Siedeswegen ausreichend Pendlerwohnungen zur Verfügungund halten Sie die Wahlmöglichkeit zwischenTrennungsgeld und Umzugskostenvergütung aufrecht.Ich werbe dringend dafür, dass wir uns Gedanken machendarüber, welche Bundeswehr wir wirklich wollen.Dass finanzielle Zwänge bestehen, ist haushaltspolitischeRealität. Dies sollte aber trotzdem nicht dazu führen,dass wir eine Bundeswehr zusammenbauen, die denAnforderungen der Zukunft nicht genügt. Was wir jetztnicht nachhaltig auf den Weg bringen, können wir in derZukunft nur schwer wieder ändern. Grundvoraussetzungfür die Bundeswehr der Zukunft ist es, dass wir die bestenHände und Köpfe gewinnen. Und dies geht nur,wenn die Bundeswehr die attraktive Anlaufstelle ist, diewir uns alle vorstellen. Die SPD hat hierzu mehrfachVorschläge gemacht. Lassen Sie uns gemeinsam dafürsorgen, dass die Bundeswehr auch in Zukunft ein attraktiverund interessanter Arbeitgeber bleibt.Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Mit der Aussetzungder Wehrpflicht ist der Bundestag im Jahr 2011 einenmutigen und historischen Schritt gegangen. DieWehrpflicht war sicherheitspolitisch nicht mehr begründbarund auch durch die immer geringer werdende(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28197(A)(B)Zahl an eingezogenen jungen Männern mit Blick auf dieWehrgerechtigkeit nicht mehr haltbar.Mit der Unterschreitung der Zwölfmonatsgrenze imJahr 1996 gehörte der Grundwehrdienst auch hinsichtlichseiner militärischen Sinnhaftigkeit bereits schon vielfrüher auf den Prüfstand.Die Wehrpflicht prägte nicht nur über viele Jahrzehnteunsere Streitkräfte, sondern im gleichen Maßeauch die Biografie jedes jungen Mannes in unseremLand. Mit der persönlichen Entscheidung zwischenWehr- oder Zivildienst war, wenn auch nur für einen kurzenMoment, die Bundeswehr als mögliche beruflicheZukunft für jeden Einzelnen präsent.Wir sind mit der Aussetzung der Wehrpflicht bewusstden Schritt weg vom Zwang und hin zur Freiwilligkeitgegangen. An dieser Stelle möchte ich hier all denjenigenKollegen im Hause danken, von denen ich weiß, wieaußerordentlich schwer ihnen dieser Schritt gefallen ist.Nun mit zwei Jahren Abstand dürfen wir alle gemeinsamsagen: Die Aussetzung der Wehrpflicht hat sich gelohnt.Aber – und das dürfen wir nicht aus dem Blickverlieren –: Die Bundeswehr erlebt aktuell einen doppeltenUmbruch. Nicht nur die Aussetzung der Wehrpflicht,sondern vor allem die tief greifende Reform ruft bei vielenSoldatinnen und Soldaten Unsicherheit hervor.Wir Parlamentarier sollten offen dazu stehen, dass dieBundeswehrreform den Soldatinnen und Soldaten undihren Familien viel zumutet. Manche Entscheidungenwaren – leider – intransparent und wurden nicht optimalkommuniziert. Für viele Angehörige der Bundeswehrgab und gibt es noch immer viele Unklarheiten, was ihreberufliche und persönliche Zukunft angeht. Dabei denkeich nicht nur an die einzelne Soldatin oder den einzelnenSoldat, sondern auch an den Lebenspartner und Kinder,also das ganze familiäre und soziale Umfeld.Ich kann dem Wehrbeauftragten nur zustimmen, dasshier in diesem Jahr dringend nachgebessert werden muss.Manches Vertrauen, welches verspielt wurde, muss nundurch klares und transparentes Handeln zurückgewonnenwerden.Die Bundeswehr wird nicht zu einem attraktiven Arbeitgeberdurch Hochglanzplakate und YouTube-Spots,sondern in erster Linie durch unsere Soldatinnen undSoldaten, die aktiv nach außen mit Stolz in ihrem persönlichenUmfeld für eine Tätigkeit bei den Streitkräftenwerben.Wir Liberalen stehen seit vielen Jahren für das Prinzipder Freiwilligkeit und für positive Motivation durch Anreize.Auch das Vertrauen in die Bereitschaft unsererBürgerinnen und Bürger, sich für die Gemeinschaft ohnestaatlichen Zwang zu engagieren, gehört zu den Grundüberzeugungenunseres liberalen Denkansatzes. UnserVertrauen in die Bürgerinnen und Bürger wurde nichtenttäuscht. Im Gegenteil hat sich unsere Entscheidungals mehr als gerechtfertigt erwiesen.Ohne Frage würde ich mir einen größeren Ansturmauf eine Tätigkeit bei der Bundeswehr wünschen, so wiewir es eindrucksvoll beim Bundesfreiwilligendienst erlebendürfen. Aber: Die Zeichen deuten in die richtigeRichtung und sollten uns motivieren, weiter gemeinsamdaran zu arbeiten, dass die Bundeswehr attraktiver wird.Die Vereinbarkeit von Dienst und Familie, klar kommunizierteAufstiegschancen und eine Ausbildung, dieder zivilen Wirtschaft mindestens ebenbürtig ist, sind fürmich der Schlüssel für unsere Bundeswehr der Zukunft.Die Aussetzung der Wehrpflicht markiert für mich dahernicht den Endpunkt, sondern viel mehr den Beginneines Paradigmenwechsels in der Gestaltung des Berufsbildesunserer Soldatinnen und Soldaten.Harald Koch (DIE LINKE): Im Jahr 2011 wurde dieWehrpflicht ausgesetzt. Dies hat die Linke stets als einenSchritt in die richtige Richtung begrüßt, auch wenn wirgern den Schönheitsfehler „Aussetzung der Wehrpflicht“durch eine endgültige Abschaffung ausmerzen würden.Den mit dem neuen Wehrrechtsänderungsgesetz eingeführtenfreiwilligen Wehrdienst lehnen wir hingegenstrikt ab. Daher müsste man, wenn es nach uns ginge,auch gar nicht über diesen nun vorliegenden Gesetzentwurfreden; denn damit wird lediglich der freiwilligeWehrdienst im Soldatengesetz zementiert. Und das findenwir grundlegend falsch.Der freiwillige Wehrdienst wurde nur eingeführt, weilSie nach dem Wegfall der Wehrpflicht von der Angst getriebenwurden, dass sich nicht mehr genügend jungeMenschen für einen Dienst bei der Bundeswehr finden.Sie haben alles der Einsatzeffizienz und dem Umbau derBundeswehr zu einer schlagkräftigen, weltweit einsetzbarenInterventionsarmee untergeordnet. Dies wollen diejungen Leute aber nicht, da ihnen klar ist, dass sie jedenEinsatz im Ernstfall auch mit ihrem eigenen Leben bezahlenkönnten.Also musste die Bundeswehr ein Konstrukt schaffen,mit dem sie die jungen Leute ködern kann. Dies ist derfreiwillige Wehrdienst, welcher fälschlicherweise imGesetzentwurf als „besonderes staatsbürgerliches Engagement“deklariert wird. Im Gegensatz zu jeder wirklichenForm des staatsbürgerlichen Engagements oderFreiwilligendienstes wird er auch noch unverhältnismäßighoch vergolten. Ein freiwillig Wehrdienstleistenderbekommt im Schnitt das Dreifache des Geldes, was zumBeispiel ein Jugendlicher als Taschengeld erhält, der einFreiwilliges Soziales Jahr absolviert. Das ist nicht nurungerecht, sondern inakzeptabel. Der freiwillige Wehrdiensthat in meinen Augen absolut nichts mit Gemeinnützigkeitoder staatsbürgerlichem Engagement zu tun.Er dient einzig und allein der Rekrutierung junger Menschenfür die Bundeswehr.Was aber ein wirklicher Skandal in diesem Gesetzentwurfist, ist der § 58 c. Damit sichert sich die Bundeswehrweiterhin den Zugang zu allen Jugendlichen, diekurz vor der Volljährigkeit stehen, indem die Meldebehördenverpflichtet werden, automatisch die personenbezogenenDaten der Jugendlichen an die Bundeswehrweiterzuleiten. Die Bundeswehr nutzt die Daten dann fürWerbe- und Rekrutierungszwecke. Das ist nicht nur einnicht legitimer Eingriff in die Grundrechte der Jugendli-(C)(D)


28198 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)chen, es verschafft der Bundeswehr auch noch erheblicheVorteile gegenüber Trägern von Freiwilligendiensten, zivilgesellschaftlichenOrganisationen und Unternehmen.Denn diese können beim Finden geeigneter Jugendlichernicht auf das Privileg der Mithilfe der Meldebehördenbauen.Bundeswehr und die Beziehung zwischen Gesellschaftund Bundeswehr sprechen. Als ein rein rechtliches undstrukturelles Gerüst wird diese Reform nicht gelingen.Aus aktuellem Anlass will ich mein Augenmerk heutebesonders auf die Beziehung zwischen Gesellschaft undBundeswehr richten.(C)(B)Aus diesen Gründen fordern wir, dass diese Praxis sofortabgeschafft wird. Wenn die Bundeswehr – wie siedas vorgibt – ein ganz normaler Arbeitgeber sein will,dann darf sie gegenüber Mitkonkurrenten auch nicht bevorteiltwerden. Und bis dahin raten wir jedem Jugendlichen,rechtzeitig von seinem Widerspruchsrecht gegendiese Praxis Gebrauch zu machen.Zusammenfassend kann ich nur sagen: Schaffen Sieden unsinnigen freiwilligen Wehrdienst wieder ab! Dennes hat sich in den vergangenen Monaten gezeigt, dass ertrotz aller Anstrengungen und Privilegien weder als Instrumentder Nachwuchswerbung geeignet ist noch vonden Jugendlichen angenommen wird. Lediglich die doppeltenAbiturjahrgänge im letzten Jahr haben Sie vor desaströsenVerpflichtungszahlen bewahrt. Hinzu kommenimmense Abbrecherquoten von mehr als30 Prozent. Aus dem freiwillen Wehrdienst ergeben sichso gut wie keine Weiterverpflichtungen, und er ist mithohen Kosten und einem unwahrscheinlichen Bürokratieaufwandverbunden. Das ganze Konstrukt des freiwilligenWehrdienstes war von Anfang an schlecht durchdachtund ist gescheitert. Ziehen Sie daraus endlich dieKonsequenzen!Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Dieses Gesetz schafft rechtliche Klarheit für den Statusdes freiwilligen Wehrdienstes. Der Abschied von derWehrpflicht wird damit weiter vollzogen, und dafür wares allerhöchste Zeit. Es bleibt dabei: Mit dem Ende desKalten Krieges war die allgemeine Wehrpflicht nichtmehr verfassungsgemäß zu rechtfertigen, für die Abschaffunghaben wir Grüne uns daher schon lange eingesetzt.Andere, und gerade Sie, meine Damen und Herrenin der Union, haben für diese Einsicht ziemlich lange gebraucht.Aber besser spät als nie. Es handelt sich heutealso um ein wichtiges Gesetz. Dennoch ist die Abstimmungkeine reine Formsache. Das Gesetz enthält eineRegelung, der wir heute nicht zustimmen wollen: dieWeitergabe der Meldedaten Siebzehnjähriger an dasAmt für Personalmanagement der Bundeswehr zumZwecke der Nachwuchswerbung. Dieser Eingriff in dieGrundrechte der Jugendlichen ist nicht gerechtfertigt;darum werden wir uns bei diesem Gesetz enthalten – derEntscheidung zur Aussetzung der Wehrpflicht haben wirGrüne ja bereits an anderer Stelle zugestimmt, geradeweil es eine jahrelange grüne Forderung war.Grundsätzlich schaffen wir mit Rechtsakten wie diesennur das rechtliche Gerüst für den Umbau der Bundeswehr.Dieser Umbau verlangt aber viel mehr als nureinen ordentlichen rechtlichen Rahmen. Er ist weder mitdieser Gesetzgebung getan noch mit der Gestaltung derStationierung, der Struktur des Ministeriums und derTeilstreitkräfte und der Verteilung der Zuständigkeiten.So müssen wir auch über die künftigen Aufgaben derGegen die Aussetzung der Wehrpflicht wurde immerwieder die Sorge um die gesellschaftliche Anbindungder Bundeswehr angeführt. Das war natürlich Quatsch.Die Wehrpflicht war nicht der letzte Anker, der die Bundeswehrin der Gesellschaft gehalten hat. Jede Soldatinund jeder Soldat ist auch Teil der Gesellschaft.Die Öffentlichkeit schaut vor allem dann genau aufdie Bundeswehr, wenn einerseits – wie in dieser Wocheauf dem Schnellboot Hermelin – massive Verfehlungenbekannt geworden sind, und andererseits, wenn es imEinsatz zu einem tödlichen Ereignis kam. Das ist beidesauch richtig, aber nicht genug. Wie ist es um die alltäglicheBeziehung zwischen Bundeswehr und ziviler Gesellschaftbestellt?Geht es nach dem Verteidigungsminister, erwartet dieBundeswehr derzeit zu viel von der Gesellschaft. Herrde Maizière hat diese These von der Gier der Soldatinnenund Soldaten nach Anerkennung in den Raum gestellt.Wenig glückliche Worte hat er für seine Kritikgewählt, und ich glaube, er hat das Bedürfnis der Soldatinnenund Soldaten auch nicht richtig verstanden.Die grüne Bundestagsfraktion hat in der vergangenenWoche mit Vertreterinnen und Vertretern ziviler und militärischerOrganisationen über ihre Erfahrungen und dieFrage der Anerkennung nach durchaus auch gefährlichenEinsätzen im Ausland diskutiert. Bei dieser gut besuchtenVeranstaltung ist etwas sehr deutlich geworden:Wenn von Anerkennung die Rede ist, geht es nicht umschillernde Symbole wie Gedenktage oder Medaillenund ganz sicher auch nicht um unkritischen Jubel. ReineSymbolpolitik gerät ohnehin schnell zu hohlen Floskeln.Angemessene Absicherung und Fürsorge sind dagegenwichtige und entscheidende Elemente, aber allein treffensie auch noch nicht den Kern.Der Begriff, den viele – Zivile wie Militärs – in unseremFachgespräch genannt haben, lautet „Wahrnehmung“.Die Menschen, die in Auslandseinsätze gehen,machen besondere Erfahrungen, die unserer Gesellschafthier völlig fremd sind. Diese Erfahrungen sind oft persönlichkeitsprägend,und die Einsatzkräfte bringen siemit zurück. Wenn von Anerkennung die Rede ist, geht eserst mal darum, das überhaupt wahrzunehmen. Leidergibt es in der Tat Beispiele dafür, dass das nicht hinreichendstattfindet. Im Falle der Bundeswehrangehörigenbekomme ich zum Beispiel immer wieder erzählt, dassdie Bundeswehrführung ihre Kenntnisse und Erfahrungenaus dem Einsatz aus ihrer Sicht gar nicht nutzenwill. Und wie lang hat es gedauert, bis die Bundesregierungbereit war, anzuerkennen, dass der Einsatz auchpsychische Folgen bis hin zum Ausbilden einer posttraumatischenBelastungsstörung nach sich ziehen kann! Davonwollten viele in der Bundeswehrführung erst garnichts hören.(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28199(A)(B)Wenn der Umbau der Bundeswehr zu einer kleinerenFreiwilligenarmee gelingen soll, wenn wir die Bundeswehrin der Mitte der Gesellschaft halten wollen, müssenwir auch an der Beziehung zwischen Bundeswehr undziviler Gesellschaft arbeiten. Eine solche Auseinandersetzungkann sicher nicht ersetzt werden durch leereSymbolpolitik, vielmehr geht es um einen ehrlichen, offenenund kritischen Diskurs. Wir brauchen eine breiteund kritische Auseinandersetzung über die Einsätze, diekünftigen Aufgaben der Bundeswehr und die Grenzendes Militärischen – auf der Grundlage von gegenseitigemRespekt und nicht irgendwelchen Beleidigungen.Anlage 23Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Redenzur Beratung der Beschlussempfehlung und desBerichts zu dem Antrag: Rechte indigener Völkerstärken – ILO-Konvention 169 ratifizieren(Tagesordnungspunkt 20)Anette Hübinger (CDU/CSU): Denkt man an indigeneVölker, kommen einem direkt Bilder des Amazonas-Regenwaldesund der dort lebenden Indianervölkeroder Bilder der Aborigines in den Weiten Australiens inden Sinn. Das sind schöne Bilder, doch die Wirklichkeitsieht oft anders aus. Die Gesellschaft für bedrohte Völkerweiß zum Beispiel zu berichten: In Zentralafrikawerden die Pygmäen wie „Untermenschen“ behandelt.In Borneo gefährdet der Raubbau am Regenwald die Lebensgrundlageethnischer Minderheiten, und die Diskriminierungvon Minderheiten in Vietnam hält weiter an.Gerade Indigene waren und sind weltweit der Gefahrvon Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt. Siekämpfen darum, ihre eigene Lebensweise und ihre Sichtder Welt gegenüber äußeren Zwängen und Einflüssen zuerhalten.In den meisten Fällen gelang und gelingt es ihnenaber nicht, sich in ihrem Heimatland den notwendigenRespekt und Freiraum für ihre Lebensweise zu verschaffen.Deshalb hat sich die internationale Gemeinschaftden Schutz ihrer Rechte, ihrer Kultur und ihres Lebensraumszur Aufgabe gemacht.So hat die Generalversammlung der Vereinten Nationenim September 2007 mit großer Mehrheit eine Erklärungüber die Rechte indigener Völker verabschiedet.Nur vier Staaten haben dagegen gestimmt. Elf waren derAbstimmung ferngeblieben.Die Erklärung hat verbindliche Standards im Umgangmit Indigenen festgelegt und damit nationalem Handelneinen Rahmen vorgegeben. Art. 46 beinhaltet einen umfassendenKatalog an Schutzrechten. Vor dem Hintergrundder überwältigenden Akzeptanz durch die internationaleGemeinschaft ist die Erklärung als Erfolg für dieKodifizierung der Rechte indigener Bevölkerungsgruppenzu sehen. Die Bundesregierung hat bei den Verhandlungeneine aktive Rolle eingenommen.Um diesem völkerrechtlichen Text Nachdruck zu verleihen,wurde das „Permanente Forum für indigene Angelegenheiten“gegründet. In diesem Gremium arbeiten16 Experten – unter ihnen auch viele Indigene – daran,den Anliegen der Indigenen innerhalb der VN-StrukturenGehör und Durchschlagskraft zu verschaffen. Innerhalbdes Mandats des Menschenrechtsrats könnenMitglieder des Forums die Situation Indigener in bestimmtenLändern untersuchen, über Probleme berichtenund die nationalen Regierungen und Akteure mit ihremunabhängigen Bericht konfrontieren. Auch diese Arbeitwird von Deutschland genauso unterstützt wie die Aktivitätenweiterer pro-indigener Foren innerhalb der VereintenNationen.Neben den Vereinten Nationen war es die InternationaleArbeitsorganisation, die bereits 1989 ein Übereinkommenzum Schutz indigener Völker verabschiedete.Sinn und Zweck dieser Resolution Nummer 169, derenRatifizierung durch Deutschland wir heute diskutieren,ist es, den Indigenen die gleichen Rechte zu sichern wieder Mehrheitsbevölkerung des jeweiligen Staates.Kurzum: Es geht um Gleichbehandlung und die Wahrungder sozialen und kulturellen Identität, um Bräucheund Überlieferungen der Indigenen.Wesentlich für unsere Debatte im Bundestag ist dieZielrichtung dieser Resolution, der sogenannten ILO 169.Sie richtet sich an Staaten, auf deren Gebiet indigeneund sich in Stämmen organisierende Bevölkerungsgruppenleben. Auf Deutschland trifft dies aber nicht zu,meine lieben Kolleginnen und Kollegen von SPD undBündnis 90/Die Grünen.Wir haben auf unserem Staatsgebiet nun einmal keineethnische Gruppe im Sinne der ILO 169. Das ist einerder wichtigsten Gründe, weshalb der Gesetzgeber bislangdavon abgesehen hat, das Übereinkommen zu ratifizieren.Mit dieser Haltung steht Deutschland keineswegs alleine.Denn von 183 Mitgliedstaaten der InternationalenArbeitsorganisation haben nur 20 die ILO 169 ratifiziert.Soll man jetzt etwa daraus folgern, dass 163 Staatennicht bereit wären, sich für die Rechte Indigener einzusetzen?Doch wohl kaum. Denn im Umkehrschluss sindes ja gerade die Staaten mit einem hohen Anteil Indigener,die fast allesamt zu den Unterzeichnern gehören –die Regierungen Lateinamerikas an vorderster Front. InEuropa hingegen sind es mit Norwegen, Dänemark, Spanienund den Niederlanden gerade einmal vier Staaten,die sich aufgrund ihrer speziellen Geschichte für die Ratifizierungdes Abkommens entschlossen haben.Bleibt die Frage: Ist die Ratifizierung der ILO 169zum Schutz der Indigenen eine zwingende Voraussetzungfür die deutsche Entwicklungszusammenarbeitoder für unsere Politik überhaupt? Die deutsche Entwicklungspolitikist entlang menschenrechtlicher Standardsso ausgerichtet, dass die Stärkung und UnterstützungIndigener nicht aus dem Blickfeld geraten kann.Konzeptionell verankert ist dieses Anliegen unter anderemim Grundsatzpapier „Entwicklungszusammenarbeitmit indigenen Völkern in Lateinamerika und der Karibik“.Die Grundsätze der ILO-Konvention 169 sind hier(C)(D)


28200 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)wesentlicher Bestandteil und schlagen sich in den einzelnenProjekten nieder. Das Portfolio an Projekten ist thematischund geografisch natürlich sehr breit gefächert.So fördert das BMZ finanziell die Aktivitäten indigenerVereinigungen und unterstützt das Engagement derOrganisation Amerikanischer Staaten, OAS, zur Förderungder Rechte indigener Bevölkerungsgruppen. Unterdem Stichwort „Gute Regierungsführung“ setzt sich dasBMZ darüber hinaus dafür ein, dass sich Indigene ihrerRechte bewusst werden und sie auch vor Ort innerhalbdes bestehenden politischen und rechtlichen Systemswahrnehmen können.Sehr häufig sind Indigene auch indirekt von Projektenbetroffen, etwa beim Schutz natürlicher Ressourcen undsomit auch in ihrem traditionellen Lebensraum. Ich erinnerehier an das umfangreiche deutsche Engagement fürYasuni in Ecuador.An anderer Stelle nehmen Indigene an Ausbildungsprogrammenzu Management- und Governance-Fragenteil. Ihnen wird unter anderem vermittelt, wie sie sichpolitisch organisieren, um mit einer möglichst einheitlichenund starken Stimme zu sprechen. Das ist essenziellin ihrem Verhältnis zu den Regierungen der Länder, indenen sie leben.Denn leider muss man feststellen, dass das bisweilenproblematische Agieren einiger Staaten die Frage aufwirft,wie ernst es ihnen mit der Einhaltung der ILO 169wirklich ist, beispielsweise in Bolivien und Brasilien, wogroße Bauvorhaben in den Lebensraum von Indigeneneingreifen. Laut ILO 169 ist hier zwingend eine Beteiligungder Indigenen am Genehmigungsverfahren zu beachten.Das bedeutet, der Staat ist verpflichtet, dieRechte der Indigenen zu achten und ein ordnungsgemäßesVerfahren durchzuführen. Darauf müssen sich nichtnur, aber ganz besonders ausländische Unternehmen, vorallem kleine und mittelständische Unternehmen, dienicht die Kapazitäten haben, das ganze Verfahren nochmalsjuristisch zu überprüfen, verlassen können, wennsie in Staaten, die die ILO 169 ratifiziert haben, investierenwollen.Diesen Grundsatz der Rechtssicherheit stellen Sienach Ansicht der christlich-liberalen Koalition mit IhremAntrag infrage. Denn unserer Einschätzung nach beinhaltetdas Papier eine Haftungs- und Risikoverlagerung.Diese könnte dazu führen, dass Unternehmen fürVersäumnisse des Staates haftbar gemacht würden. Mitdieser Unsicherheit konfrontiert, steht zu befürchten,dass Unternehmen von einer möglichen Investition abgeschrecktwerden. Das schadet dem Unternehmen, aberin erster Linie dem Zielland. Dabei ist es doch gerade erklärtesZiel deutscher EZ, auch privates Unternehmertumzu fördern. Auch beim EU-CELAC-Gipfel vor nichteinem Monat wurde die Wichtigkeit von Direktinvestitionenfür die Entwicklung der lateinamerikanischenLänder betont. Eine Annahme dieses Antrags würde diesemZiel aber wohl eher zuwiderlaufen als es zu befördern.Liest man den Forderungskatalog Ihres Antrages,kann man den Eindruck gewinnen, die Bundesregierungsetze sich nicht für die Belange der Indigenen ein. DieBerücksichtigung der Interessen indigener Bevölkerungsgruppenist aber seit Jahren eben nicht nur festerBestandteil deutscher Entwicklungspolitik, sondern auchfester Bestandteil der Außen- und Wirtschaftspolitik.Ich denke zum Beispiel an die OECD-Umweltleitlinienfür öffentlich unterstützte Exportkredite, die seit2004 in Kraft ist. Demnach kann ein Kredit nur gegebenwerden, wenn die von der Weltbankgruppe aufgestelltenSafeguard Policies eingehalten werden. Bei Entscheidungenüber größere Exportvorhaben spielen demnachnicht zuletzt die Rechte Indigener eine Rolle.(C)(B)Deutschlands außenpolitisches Engagement im Rahmender Vereinten Nationen hatte ich bereits erwähnt.Und natürlich wird bei Regierungskonsultationen undweiteren diplomatischen Vorgängen auf die schwierigeSituation der Indigenen hingewiesen. In persönlichenGesprächen weisen auch wir Abgeordnete darauf hin,Verbesserungen durchzuführen und die verbrieftenRechte zu achten.Ich denke, es ist deutlich geworden, dass der SchutzIndigener bereits fester Bestandteil der deutschen EZ istund weiter sein wird. Gerade auch im Hinblick auf dieVerhandlungen des Post-MDG-Prozesses wird sichDeutschland verstärkt dafür einsetzen, dass die Rechteder Indigenen ihren berechtigten Platz finden. Die Ratifizierungder ILO 169 durch Deutschland ist dazu allerdingsnicht notwendig.Der Schutz indigener Bevölkerungsgruppen berührtaber noch einen viel größeren Themenkomplex, nämlichdie Frage nach guter Regierungsführung vor Ort. Es bestehtkein Zweifel darin, dass auswärtige Akteure aufmenschenrechtliche Probleme in anderen Ländern hinweisenund auf ihre Verbesserung hinwirken sollen. Mittel-und langfristig aber sind die Lösungen bestehenderKonflikte die Angelegenheit lokaler Akteure. Sie müssenletztendlich den Weg zu einem Ausgleich der Interessenbeschreiten und sich auf eine Lösung einigen, dieauch Bestand hat. Sicher, auch hier können wir unterstützendtätig werden. Die Programme zur guten Regierungsführungsind Ausdruck dieses Bestrebens. Jedochsollten wir im Dialog als Partner auftreten und nicht alsdie ewig Besserwissenden.Ein gutes Beispiel dieser Politik ist ein Vorstoß Chilesvom Januar diesen Jahres: Präsident Piñera will Medienberichtenzufolge die Rechte der Indigenen in der Verfassungverankern. Ein neu einzusetzender Rat der Indigenensoll ihnen in der nationalen Politik eine stärkereStimme verleihen. Vorausgegangen waren nicht immerfriedliche Konsultationen zwischen Regierungsvertreternund Gemeinden der Mapuche-Indianer. Dochscheint es, als habe man sich auf Entschädigungen undeinen geordneten politischen Prozess verständigen können.Ob es bei diesen Verhandlungen eine Rolle gespielthat, ob Deutschland die ILO 169 ratifiziert hat odernicht, das darf ich doch sehr bezweifeln. Aus diesem undden genannten anderen Gründen lehnen wir von CDU/CSU den Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünenab.(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28201(A)Karin Roth (Esslingen) (SPD): Weltweit leben fast400 Millionen Menschen in über 70 Ländern in rund5 000 indigenen Völkern. Das sind 6 Prozent der Weltbevölkerungund mehr Menschen als die Einwohnerzahlder USA.Es ist ein Skandal, dass diesen Menschen in zahlreichenLändern die elementarsten gesellschaftlichen undpolitischen Teilhaberechte ganz oder teilweise verwehrtwerden. Mehr noch: Sie werden zum Teil offen diskriminiertund gesellschaftlich ausgegrenzt.Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigenindigener Volksgruppen sind an der Tagesordnung. Ichnenne hier zwei ganz konkrete Beispiele.Allerdings haben bis heute erst 22 Länder diese Konventionratifiziert. Es ist allerhöchste Zeit, dass sich hieretwas ändert.Allein Amnesty listet 18 Länder auf, in denen Angehörigeindigener Völker diskriminiert und ausgegrenztwerden, darunter Länder wie Argentinien, Australien,Brasilien, Chile, Indien, Kolumbien, Peru, Philippinen –aber auch Neuseeland, Kanada und die USA. Dies zeigtdeutlich, dass die Rechte indigener Völker nicht nur einThema für Schwellen- und Entwicklungsländer sind. ImGegenteil: Es ist – und es muss noch viel stärker sein alsbisher – ein Thema für alle Staaten, – ganz besondersauch für die entwickelten Industriestaaten, und somitauch für uns.Denn eines ist klar: Die wirtschaftlichen Aktivitätendeutscher Unternehmen und die Außen-, Wirtschafts-,Handels-, Umwelt- und Entwicklungspolitik der Bundesregierunghaben konkreten Einfluss auf die Lebensverhältnisseindigener Völker. So sind deutsche Firmenan Großbauprojekten in Ländern mit indigenerBevölkerung beteiligt, ebenso wie die staatlichen Durchführungsorganisationenin der Entwicklungszusammenarbeit:Die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit,GIZ, und die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW.In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen,dass gerade indigene Völker einen großen Beitragzu Klimaschutz und Biodiversität leisten. Ein konkretesBeispiel dafür ist die Initiative zur Rettung des Regenwaldesim Yasuni-Nationalpark in Ecuador, bei derenUmsetzung die dort lebenden indigenen Völker einewichtige Rolle spielen.Dies macht klar: Der Schutz der Rechte indigenerVölker ist schon längst nicht mehr ein innerstaatliches,nationales Anliegen. Die Globalisierung hat Industrienationen,Schwellen- und Entwicklungsländer und somitauch die dort lebenden indigenen Völker näher denn jezusammengebracht.Dennoch weigert sich die Bundesregierung weiterhin,dem Deutschen Bundestag die ILO-Konvention 169 zurRatifizierung vorzulegen. Als Begründung werden fadenscheinigeArgumente vorgebracht. Vor allem das Argument,dass angeblich deutsche Unternehmen durcheine Ratifizierung Nachteile zu befürchten hätten, ist erschreckendund zynisch zugleich.Hier wird eine internationale Konvention bewusstnicht umgesetzt; den Angehörigen indigener Völkerwerden minimale Standards verweigert, und offensichtlichwird dem Profit Vorrang vor den Menschenrechteneingeräumt. Der sogenannte Aktionsplan Menschenrechteder Bundesregierung ist das Papier nicht wert, aufdem er steht.An dieser Stelle könnte die Bundesregierung zeigen,dass es ihr ernst ist mit den Menschenrechten. Deshalbfordern wir die Bundesregierung mit unserem Antragauf, die ILO-Konvention 169 endlich dem DeutschenBundestag zur Ratifizierung vorzulegen.(C)(B)Erstens Mexiko: Einem Bericht von Amnesty Internationalzufolge haben Angehörige indigener Gemeinschaftenkeinen gleichberechtigten Zugang zu Justiz,Gesundheit, Bildung und anderen öffentlichen Dienstleistungen.Das führt beispielsweise dazu, dass die unzureichendemedizinische Versorgung zu einer überproportionalhohen Müttersterblichkeit unter indigenen Frauenim Süden Mexikos beiträgt.Zweitens Bangladesch: Uns wird berichtet, dass dieRegierung nach wie vor nicht in der Lage oder nicht willensist, die Sicherheit der in den Chittagong Hill Tractslebenden indigenen Bevölkerungsgruppe der Jumma zugewährleisten. Angriffe bengalischer Siedler, die ihrLand in Besitz nehmen, und sexualisierte Gewalt an indigenenFrauen sind keine Seltenheit. Auf demonstrierendeJumma, die gewaltlos Schutz einfordern, wird seitensder Armee geschossen. Menschen sterben. Einestrafrechtliche Verfolgung erfolgt nicht.Im August 2011 hat die Regierung Bangladeschs zudementschieden, indigene Völker nicht mehr anzuerkennen.Jetzt wird argumentiert: Da indigene Völker inBangladesch offiziell ja nicht existieren, könne es auchkeine Gräueltaten gegen indigene Völker in Bangladeschgeben.Dies zeigt den internationalen Handlungsbedarf. Dievölkerrechtlichen Grundlagen sind vorhanden.Mit der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation,ILO, aus dem Jahr 1989 werden die Rechteder indigenen Völker international verbindlich verankert.Damit werden spezifische Mindestrechte mit demZiel der uneingeschränkten Teilnahme am gesellschaftlichenLeben anerkannt. Die Menschen erhalten dasRecht auf traditionelles Land und Territorien sowie dieGewährleistung der örtlichen Kontrolle über natürlicheRessourcen.Entscheidend ist auch das Recht auf kulturell selbstbestimmteEntwicklung. Dazu gehören der Anspruch aufSelbstverwaltung, Partizipation und Demokratisierung.Und schließlich: Das Recht auf die Aufrechterhaltungder politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systemeindigener Völker. Dazu gehören Arbeitnehmerrechte, dieFörderung lokaler Produktionen, eine angemessene sozialeAbsicherung und der Zugang zu Ausbildung sowiezum Gesundheitswesen.Damit würde die Bundesregierung endlich internationalverbindlich handeln und Verantwortung überneh-(D)


28202 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)men. Dies wäre auch ein wichtiges Signal an die internationaleStaatengemeinschaft.Ende letzten Jahres wurde Deutschland wieder in denMenschenrechtsrat der Vereinten Nationen gewählt. DerAußenminister interpretiert dies – wörtlich – als „Vertrauensbeweisfür Deutschland und eine Bestätigung(einer) konsequenten Menschenrechtspolitik weltweit“.Dazu gehört übrigens auch, dass die BundesrepublikDeutschland internationale Abkommen und Vereinbarungenauf nationaler Ebene umsetzt.Anfang dieser Woche sprach Bundespräsident JoachimGauck im Menschenrechtsrat in Genf. Zu Beginn seinerRede zitierte er den ehemaligen UN-GeneralsekretärKofi Annan mit den Worten: „Der wirkliche Test für dieGlaubwürdigkeit des Menschenrechtsrates wird der Gebrauchsein, den die Mitgliedstaaten davon machen.“Und er erinnerte daran, dass Menschenrechte universellgelten und unterteilbar sind. Schließlich appellierteJoachim Gauck an die Mitglieder des Menschenrechtsrates,immer die Menschen vor Augen zu haben, die unterMenschenrechtsverletzungen zu leiden haben.Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen,enttäuschen Sie nicht erneut internationalesVertrauen, nehmen Sie endlich Ihre internationale Verantwortungwahr, machen Sie sich zu Anwältinnen undAnwälten der Menschenrechte und verstecken Sie sichnicht hinter den Interessen der Wirtschaftslobby!Der vorliegende Antrag von SPD und Bündnis 90/DieGrünen ist dafür eine ausgezeichnete Grundlage. Daherfordere ich Sie auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu,und machen Sie den Weg frei für eine Ratifizierung derILO-Konvention 169!Pascal Kober (FDP): Der Antrag der Opposition hatzum Ziel, das Bewusstsein für die Bedürfnisse und Belangeindigener Völker zu schärfen. Gegen dieses Zielist zunächst einmal nichts einzuwenden. Im Gegenteil,diese christlich-liberale Koalition setzt sich seit Beginnihrer Regierungszeit nachhaltig und erfolgreich dafürein, dass die Rechte der indigenen Völker gestärkt werden.Und daher begrüße ich in dieser Hinsicht ausdrücklichauch das Anliegen der Fraktionen von SPD undBündnis 90/Die Grünen.Es ist jedoch überaus fraglich, ob die Ratifizierungder ILO-Konvention 169 durch die BundesrepublikDeutschland auch die Situation der indigenen Völkerverbessern würde.Auch ist es wichtig, auf den Wortlaut dieser Konventionzu achten. Denn dann wird deutlich, dass sich Inhaltund Schutzzweck dieser Konvention an Staaten richten,auf deren Gebiet in der Folge von Kolonisation indigeneBevölkerungsgruppen leben. Unter Berücksichtigungdieser besonderen historisch gewachsenen Verantwortungzielt diese Konvention darauf ab, indigenen Bevölkerungsgruppenspezifische Beteiligungsrechte zuzusprechen,die ihre soziale und kulturelle Identität, ihreBräuche und Überlieferungen sowie ihre Einrichtungenwahren sollen.Dementsprechend sind unter den 22 Staaten, die bislangdie Konvention ratifiziert haben, viele südamerikanischeStaaten mit einem nicht unerheblichen Bevölkerungsanteilindigener Herkunft. Außerdem gehörenunter anderem Dänemark und Norwegen zu den Ratifizierern,auf deren Staatsgebiet ebenfalls ein beachtlicherBevölkerungsanteil indigener Herkunft lebt. Deutschlandaber gehört nicht zu den Staaten, auf deren Staatsgebietin der Folge von Kolonisation Bevölkerungsgruppenindigener Herkunft leben.Dessen ungeachtet ist mit Bezug auf Deutschland jedochwichtig, festzuhalten, dass aufgrund des Wortlautsder Konvention zumindest nicht ausgeschlossen werdenkann, dass diese Konvention auch auf Deutschland Anwendungfinden könnte, und zwar auf in Deutschland lebendeBevölkerungsgruppen wie etwa die Sinti undRoma, die Wenden und Sorben, die Dänen und Friesen.Die ILO-Konvention 169 verfolgt einen segregierendenAnsatz und verfolgt das Ziel, die indigenen Bevölkerungsgruppenunter anderem mit der Errichtung vonReservaten zu schützen. Dahingegen verfolgt die Bundesrepublikim Innern seit Jahrzehnten einen stark integrativenAnsatz, sodass diese Konvention der deutschenMinderheitspolitik widerspricht.Lassen Sie mich aber nun zu der deutschen Entwicklungspolitikkommen. Diese christlich-liberale Regierungskoalitionsieht keinen Grund, warum eine Ratifizierungder ILO-Konvention 169 notwendig ist, umweiterhin wirksam und nachhaltig Entwicklungspolitikzu betreiben. Bundesminister Dirk Niebel setzt sich imRahmen der deutschen Entwicklungspolitik für die Menschenrechteweltweit ein und unterstützt die Lösung derProbleme der indigenen Bevölkerungsgruppen. Dabeisieht die Bundesregierung das Prinzip aktiver Partizipationals unabdingbar für die Verwirklichung der Anerkennungder Menschenrechte an. In diesem Zusammenhangmacht sich diese christlich-liberale Koalition auchfür die Errichtung eines permanenten Forums für indigeneAngelegenheiten bei den Vereinten Nationen stark.Überdies berücksichtigt das Bundesministerium fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in seinemKonzept zur Zusammenarbeit mit indigenen Völkernin Südamerika und den karibischen Staaten explizitdie ILO-Konvention 169. So ist Südamerika gerade aufgrunddes hohen Anteils der indigenen Bevölkerung ander Gesamtbevölkerung – geschätzt auf etwa 10 Prozent –ein regionaler Schwerpunkt der bilateralen entwicklungspolitischenZusammenarbeit zur Stärkung derRechte indigener Bevölkerungsgruppen.Letztlich möchte ich darauf verweisen, dass der Bundestagschon einmal zu diesem Thema diskutiert hat.Damals wurde der Antrag von der damals herrschendenrot-grünen Mehrheit im Bundestag beschlossen und anschließendvon einer rot-grünen Regierung mit Rechtnicht ratifiziert.Niema Movassat (DIE LINKE): Bei der KonventionNr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation, die wirheute diskutieren, handelt es sich um das „Übereinkom-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28203(A)(B)men über eingeborene und in Stämmen lebende Völkerin unabhängigen Ländern“. Sie stammt aus dem Jahr1989 und ist somit heute fast ein Vierteljahrhundert alt.Die Konvention soll indigenen Völkern grundlegendekulturelle, wirtschaftliche und partizipative Rechte garantieren.Sie ist bis heute das einzige rechtsverbindliche Dokumentder Vereinten Nationen zum Schutz und zur Förderungindigener Gemeinschaften. Und dabei handelt essich bei weitem nicht um ein Nischenthema: Laut denVereinten Nationen zählen rund 400 Millionen Menschenin über 70 Ländern zu den indigenen Völkern. Bisheute sind sie überdurchschnittlich oft von Menschenrechtsverletzungenbetroffen; meist gehören sie zu denpolitisch, wirtschaftlich und sozial am meisten benachteiligtenBevölkerungsgruppen.Deutschland hat diese für Millionen Menschen aufder Welt so wichtige Konvention bis heute nicht unterzeichnet,obwohl auch das Europaparlament die Mitgliedstaatender Europäischen Union mehrfach dazu aufgerufenhat.Die Linke begrüßt selbstverständlich den vorliegendenAntrag von SPD und Grünen, der die Bundesregierungdazu aufruft, endlich die Konvention zu unterzeichnen.Wir werden ihm zustimmen.Jedoch müssen die Antragsteller auch die Frage beantworten,warum sie während ihrer immerhin siebenjährigenRegierungszeit diesbezüglich nicht selbst aktivgeworden sind. Leider liegt die Vermutung nahe, dassauch Rot-Grün damals den Interessen der deutschenWirtschaft einen größeren Stellenwert eingeräumt hat alsden Anliegen der indigenen Völker. Denn deutsche Unternehmensind in zahlreichen Ländern an Verstößen gegendie Rechte von Indigenen aktiv beteiligt – etwa anVertreibungen. In meiner ersten Rede zum vorliegendenAntrag habe ich die zwei Beispiele bereits näher ausgeführt:Den Bau des Belo-Monte-Staudamms in Brasilienund die Kohleabbauprojekte in Kolumbien. In beidenFällen kam und kommt es zu massiven Verletzungen derRechte indigener Völker, und in beiden Fällen sind deutscheUnternehmen mitverantwortlich. Keine Bundesregierungseit 1989 hat die rechtlichen Rahmenbedingungendafür geschaffen, dass diese Firmen in Deutschlanddafür zur Verantwortung gezogen werden können. Ichfinde, das ist ein Armutszeugnis für alle im Bundestagvertretenen Parteien, die bereits an einer Regierung beteiligtwaren. Denn Deutschland hat auch extraterritorialePflichten. Solange aber die Politik deutsche Unternehmenauch bei ihren Aktivitäten im Ausland nichtmithilfe verbindlicher Regeln in die Pflicht nimmt, werdendiese sich auch weiterhin an Menschenrechtsverletzungenund Umweltzerstörung beteiligen, wenn es derSteigerung ihres Profits dient.Bis heute kommen die Rechte der indigenen Gemeinschaftenvor Ort bei der Ausbeutung von natürlichenRessourcen sowie bei der Vergabe von Landrechten zukurz. Die Bundesregierung schielt mithilfe von „Rohstoffpartnerschaften“jedoch weiter nur auf die Bereitstellungausreichender Rohstoffe für die deutsche Wirtschaft.Eine Unterzeichnung der ILO-Konvention 169durch Deutschland wäre hingegen ein überfälliges Signalauch an andere Industrieländer, dass die Rechte derIndigenen uns ein ernsthaftes Anliegen sind. Spanienetwa hat kürzlich diesen Weg eingeschlagen, obwohl eswie Deutschland auf seinem Staatsgebiet keine indigenenGemeinschaften im klassischen Sinne beherbergt.Die Bundesregierung sollte endlich aufhören, dies weiterals Scheinargument zu missbrauchen.In immer mehr Ländern des globalen Südens organisierenindigene Gemeinschaften sich und treten für ihreRechte ein. Die Linke unterstützt ihre Kämpfe um gesellschaftlicheTeilhabe. Das Bundesentwicklungsministeriumunter Dirk Niebel hingegen legt zwar schöneHochglanzbroschüren vor, die den hohen Stellenwert derZusammenarbeit mit indigenen Gruppen etwa in Lateinamerikabekräftigen. In der Realität aber verweigert dasMinisterium jede konstruktive und gleichberechtigte Zusammenarbeitmit der indigenen Regierung in Bolivienaus ideologischen Gründen.Und die Bundesregierung wird auch diesmal wiederdie für Millionen von benachteiligten Menschen sowichtige Konvention dem Parlament nicht zur Ratifizierungvorlegen. Konkret bedeutet dies, dass Deutschlandauch im 21. Jahrhundert den indigenen Völkern der Weltdie nötige Unterstützung und Anerkennung ihrer Rechteverweigert, obwohl gerade die europäischen Staaten aufgrundihrer kolonialen Vergangenheit eine besonderehistorische Verpflichtung haben. Ehrlich gesagt: Mankann dies nur als Schande bezeichnen.Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): UnserAntrag auf Ratifizierung der ILO-Konvention 169 ist bereitsder vierte derartige Vorstoß, den ich in meiner Zeitals Abgeordneter aktiv vorantreibe. Wäre die vorgezogeneBundestagswahl 2005 den damaligen großenBremsern und Bedenkenträgern – Wolfgang Clementund Otto Schily – nicht in letzter Minute zu Hilfe gekommen,dann hätte es noch unter Rot-Grün geklappt,diese wichtige Konvention zu ratifizieren. Unter derKanzlerschaft von Angela Merkel gab es dann leiderkeine Chance mehr.Obwohl die Gefahr droht, dass auch dieser Antrag anden Koalitionsfraktionen – CDU/CSU und FDP – scheitert,markiert er doch einen Meilenstein: Denn zum erstenMal macht auch die SPD-Fraktion geschlossen mit.Bei den letzten beiden Anläufen hatten nur wir Grüneund die Linke die Ratifizierung der ILO-Konvention 169unterstützt. Jetzt ist es die gesamte Opposition, die sichmit Nachdruck für die Stärkung der Rechte der indigenenVölker einsetzt. Und sollte unser Antrag diesmalnicht durchkommen, dann holen wir ihn nach der nächstenBundestagswahl gleich wieder aus der Schubladeund werden ihn eben dann – bei hoffentlich anderenMehrheitsverhältnissen – zum Erfolg führen.In unserem aktuellen Antrag haben wir gemeinsammit der SPD erneut deutlich gemacht, wie Indigene sowohlin ihren Grundrechten, aber auch in ihren kulturellenRechten in vielen Regionen der Welt bedroht sindund welchen wichtigen Beitrag die ILO-Konvention zuihrem Schutz leisten kann.(C)(D)


28204 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Ich erlebe in den Debatten aber immer die gleichenvorgeschobenen Argumente, die gegen eine Ratifikationins Feld geführt werden. Die ILO-Konvention würdesich gar nicht an Deutschland richten, weil es selbstkeine indigene Bevölkerung hätte. Es sei deshalb alleindie Verpflichtung von Ländern mit indigener Bevölkerung,die Konvention umzusetzen und für Rechtssicherheitzu sorgen.Hinter dieser Argumentation stehen natürlich handfesteWirtschaftsinteressen, nämlich nach größtmöglicherInvestitionssicherheit deutscher Firmen im Ausland. Inder Debatte über unseren Antrag im Entwicklungsausschusshat eine Kollegin der Union sogar unverhohlenzugegeben, dass man eine Ratifizierung der ILO-Konventionablehne, weil sie die Aktivitäten von deutschenInvestoren in Gebieten mit indigener Bevölkerung einschränkenkönnte.Oft sind es aber gerade die Interessen ausländischerKonzerne, zum Beispiel an den Bodenschätzen unter denStammesgebieten indigener Gruppen, die die Lebensweltder dort lebenden Menschen bedrohen. Auch dasInteresse privater Akteure an CO 2 -Zertifikaten kann denLebensraum Indigener gefährden. So ist nach Berichtenaus Asien, Afrika und Lateinamerika die Einbeziehungdes Waldes in den Emissionshandel durch REDD+ einAnreiz für Firmen, Waldgebiete zu erwerben und inmanchen Fällen, wie beispielsweise in Indonesien, die inihm lebende Bevölkerung zu vertreiben. Noch ist diePartizipation der Waldbewohnerinnen und Waldbewohnerbei der Umsetzung von REDD+ unzureichend, undes fehlen die Governance-Strukturen, inklusive Sanktions-und Beschwerdemechanismen, die in der Lagewären, Vertreibung Einhalt zu gebieten. Auch Landnutzungskonkurrenzenim Agrarbereich führen zu Verstößengegen die Rechte Indigener beispielsweise aufgrunddes ausgeweiteten Anbaus von Ölpalmen, Zuckerrohr,Bioethanol oder Soja für die Biodieselproduktion.Ein prominentes Beispiel dafür, wie Großprojekte, dieunter anderem durch ausländisches Kapital finanziertwerden, indigene Lebensräume zerstören und wie dieseüber Jahre und bis an den Rand ihrer Möglichkeitendagegen kämpfen, ist das Ringen um das Belo-Monte-Projekt am Xingu-Fluss im brasilianischen Amazonas-Becken. Hier soll der drittgrößte Staudamm der Erde gebautwerden. Die in Brasilien gegen das Staudammprojektkämpfenden Kayapó-, Assurini- und Juruna-Indigenenwarnen seit Jahren vor der Zerstörung vonSchutzgebieten und Regenwaldflächen und davor, dassdie Lebensweise und -grundlage indigener Völker bedrohtsind. Zu befürchten ist, dass die Bevölkerung nichtprofitiert, sondern die Schäden den Nutzen bei weitemübersteigen. Beim Bau sind deutsche und europäischeFirmen beteiligt, wie beispielsweise Voith Hydro, einJoint Venture von Voith und Siemens, der französischeAlstom-Konzern, Österreichs Andritz, die Daimler AGund die Münchener Rückversicherung.Zwar haben viele Länder mit indigener Bevölkerung,vor allem in Zentral- und Südamerika, die ILO-Konventionbereits ratifiziert. Zwischen der Ratifizierung einerKonvention und ihrer tatsächlichen Umsetzung klafftaber gerade in ärmeren Ländern eine Lücke, die sichausländische Unternehmen nicht selten zunutze machen,um ihre wirtschaftlichen Interessen gegen Indigenenrechtedurchzusetzen.Deshalb ist es so wichtig, dass auch andere Länder dieILO-Konvention 169 ratifizieren. Hätte Deutschland siebereits ratifiziert, wären auch Geschäfte wie das derWestdeutschen Landesbank, die Finanzierung einer Öl-Pipeline in Ecuador mit gravierenden Auswirkungen aufdie Lebensbedingungen indigener Gruppen, sicher erschwertworden.In der Diskussion im Entwicklungsausschuss kamvonseiten der Koalition auch das Argument, dass manüber die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ja bereitsviel für den Schutz indigener Völker täte und eineRatifizierung der Konvention schon aus diesem Grundüberflüssig sei. Ich finde, wir Entwicklungspolitikerinnenund Entwicklungspolitiker sollten die Wirkung unseresPolitikfeldes nicht überschätzen. Solche punktuellenWillensbekundungen zum Schutz indigener Gruppenim Menschenrechtskonzept des Entwicklungsministeriumssind zwar gut und wichtig – internationale Verpflichtungen,die dann für die gesamte deutsche Außenpolitikhandlungsleitend wären, also auch für dieAußenwirtschaftsförderung und die deutsche Handelspolitik,sind besser.Die Niederlande und Spanien, Länder in unserer unmittelbarenNachbarschaft, in denen es auch keine indigenenGruppen gibt, haben es uns vorgemacht und dieILO-Konvention längst ratifiziert.Seit Januar 2013 ist Deutschland für die kommendendrei Jahre Mitglied des UN-Menschenrechtsrates unddamit zur Einhaltung und Umsetzung höchster Menschenrechtsstandardsverpflichtet. Es stünde uns in dieserwichtigen Funktion gut zu Gesicht, wenn wir diesewichtige Menschenrechtskonvention durch eine Ratifizierungim deutschen Bundestag unterstützen würden.Anlage 24Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Redenzur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zurVerbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligungund Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren(PlVereinhG) (Zusatztagesordnungspunkt8)Helmut Brandt (CDU/CSU): Ich freue mich, dasswir das Gesetz, über das wir augenblicklich sprechen,heute – jedenfalls auf Bundestagsseite – zum Abschlussbringen.Deutschland ist als Industriestandort und Exportnationauf eine moderne, leistungsfähige Infrastrukturangewiesen. Die dafür notwendigen Großvorhaben könnennur gelingen, wenn sie auf eine breite Akzeptanz inder Bevölkerung stoßen und von einem Planungsrechtbegleitet werden, das eine möglichst zügige Umsetzungder Vorhaben ermöglicht.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28205(A)(B)Spätestens die Ereignisse rund um Stuttgart 21 habendie Frage aufgeworfen, ob das geltende deutschePlanungsrecht noch zeitgemäß ist und ob es die Anforderungenerfüllt, die an ein Verfahren zur Planung vonGroßvorhaben berechtigterweise gestellt werden. Trotzlangwieriger Planungsverfahren, die den gesetzlichenVorgaben entsprochen haben, und trotz zahlreicherBehörden und Institutionen, die sich mit dem Vorhabenbeschäftigt haben, bildete sich eine Protestbewegung,die von breiten – und keineswegs nur unmittelbar betroffenen– Teilen der Bevölkerung getragen wurde.Über eines sind wir uns sicherlich alle einig: Insbesonderedie Art, wie und wann die Öffentlichkeit an demVerfahren beteiligt wird, ist nach der derzeit geltendenRechtslage nicht ausreichend. Diese sieht zwar eineÖffentlichkeitsbeteiligung als wichtiges Verfahrensinstrumentbereits bei vielen Vorhaben vor. Allerdings werdendie Bürgerinnen und Bürger oft erst im förmlichenVerwaltungsverfahren beteiligt, also erst dann, wenn derVorhabenträger den bereits fertigen Plan bei der Behördeeingereicht hat, die Planung des Vorhabens folglichschon in wesentlichen Teilen abgeschlossen ist. Darüberhinaus sind die bisherigen Beteiligungsformen vor allemdarauf ausgerichtet, die unmittelbar Betroffenen vorvermeidbaren Rechtsbeeinträchtigungen zu bewahren.Aspekte außerhalb dieser unmittelbaren Rechtsbetroffenheitspielen dagegen kaum eine Rolle.Vor allem bei Großvorhaben, die sich nicht nur aufihre unmittelbare Umgebung auswirken und die oft Bedeutungüber ihren Standort hinaus haben, werden diebestehenden Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung imGenehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren verständlicherweiseals nicht mehr ausreichend empfunden.Hier ist ein zunehmendes Interesse der Bürgerinnen undBürger an frühzeitiger Beteiligung und Mitsprache festzustellen.Diesem Bedürfnis tragen wir mit dem vorliegendenEntwurf eines Gesetzes zur Verbesserung derÖffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung vonPlanfeststellungsverfahren Rechnung.Die neue „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ wirdkünftig bereits vor dem eigentlichen Verwaltungsverfahrenstattfinden und einem möglichst großen Personenkreisoffenstehen. Das jeweilige Vorhaben wird durchdiese neue Form der Beteiligung frühzeitig öffentlichbekannt gemacht, um einen Dialog zu ermöglichen. DerVorhabenträger kann so bereits in einem frühenPlanungsstadium auf mögliche Bedenken und Anregungenaufmerksam gemacht werden. Er wird in die Lageversetzt, seine Planung bei Bedarf und nach Möglichkeitrechtzeitig zu modifizieren, um Konflikte zu vermeidenoder zu beseitigen. Durch die vorgesehene Mitteilungdes Ergebnisses der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung andie zuständige Behörde und an die Bürger können wichtigeErkenntnisse in das anschließende formelle Verfahreneinfließen und dort Berücksichtigung finden. Dasnachfolgende Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahrensoll dadurch entlastet und die gerichtlicheAnfechtung von Behördenentscheidungen reduziert werden.Selbstverständlich wird eine so frühe Öffentlichkeitsbeteiligungnicht alle Konflikte lösen können. DieChance, es bei einem Großvorhaben allen Beteiligtenund Betroffenen recht zu machen, tendiert gegen null.Jemand, der grundsätzlich gegen ein Projekt eingestelltist, wird aller Wahrscheinlichkeit auch nach dem Verfahrennicht restlos von dem Projekt überzeugt sein. Einefrühzeitige Auseinandersetzung mit möglichen Einwändenbietet aber in jedem Fall bessere Chancen, dass dieseEinwände noch Berücksichtigung finden und ausgeräumtwerden können als zu einem späteren Zeitpunkt,wenn die Planungen bereits abgeschlossen sind.Deshalb vermag mich auch die Besorgnis, das Vorverfahrenkönne zu einer Verfahrensverlängerung vonmehreren Monaten führen, nicht zu überzeugen. Im Gegenteil:Ich bin überzeugt davon, dass die Unternehmendurch die frühe Auseinandersetzung mit Einwänden Zeitsparen, Rechtsmittelverfahren mit entsprechend langerZeitverzögerung verhindert werden können und damitdie Gesamtverfahrensdauer abgekürzt wird.Mir ist bewusst – dies ist auch in der Anhörung am18. Februar dieses Jahres noch einmal deutlich geworden–, dass vielen meiner Kolleginnen und Kollegen inder Opposition die Freiwilligkeit einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligungdurch Behörden und private Unternehmennicht weit genug geht. Nach der vorgesehenenRegelung muss die zuständige Behörde beim Vorhabenträgerauf eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung hinwirken.Eine Verpflichtung des Vorhabenträgers zur Durchführungeiner frühen Öffentlichkeitsbeteiligung wollenwir jedoch nicht einführen. Deshalb lehnen wir auch denÄnderungsantrag der SPD ab. Die Kritik verkennt, dasseine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung im wohlverstandenenInteresse des Vorhabenträgers selbst liegt.Und ich bin überzeugt, dass gerade Träger von Großvorhabeneine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung als Chancebegreifen und die Öffentlichkeit in ihrem eigenen Interessebereits in einem frühen Stadium in ihre Planungenmit einbinden werden, und zwar gerade, um die Akzeptanzihres Vorhabens zu sichern.Zum anderen geht es in diesem Gesetzentwurf auchdarum, einen Kompromiss zwischen dem berechtigtenInteresse der Öffentlichkeit an einer möglichst frühenBeteiligung einerseits und dem Interesse des Vorhabenträgersnach Planungs- und Rechtssicherheit andererseitsherzustellen. Denn eines ist doch auch klar: Je mehrVerpflichtungen und Zwänge wir Behörden und Unternehmenauferlegen, desto mehr öffnen wir Tür und Torfür Verfahrensfehler und damit die Gefahr langwierigerProzessverfahren. Bei allem Verständnis für das berechtigteInteresse der Öffentlichkeit nach möglichst vielTransparenz: Wir müssen auch Behörden und privatenUnternehmen Planungs- und Rechtssicherheit geben undsie davor schützen, womöglich noch Jahre später mitEinwendungen und Klagen überhäuft zu werden. Denndann wird es hier keine großen Infrastrukturprojektemehr geben. Das kann nicht im Interesse des IndustriestandortesDeutschland sein.Auch den Einwand der Opposition, die Bevölkerungwürde nicht aktiv informiert, lasse ich nicht gelten. DieMedien berichten über Großvorhaben nicht nur einmal,(C)(D)


28206 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)sondern oft über Monate hinweg. Ich bin sicher, dassjeder interessierte Bürger, der hierüber von einem Vorhabenerfährt, gegen das er Bedenken hat, sich erkundigenwird, wo und bis wann er diese Bedenken vorbringenkann. So viel Mündigkeit traue ich unseren Bürgern zu.Überdies hat die Koalition sich ja zwischenzeitlichdarauf verständigt, dass als weitere Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligungdie öffentliche Bekanntmachungvon Planunterlagen im Internet vorgesehen ist. Wann immereine öffentliche Bekanntmachung vorgeschriebenist, soll dann die Unterrichtung auch zusätzlich über dasInternet einschließlich der zur Einsicht auszulegendenPläne erfolgen und ohne Gang zum Amt erreichbar sein.In der Sachverständigenanhörung wurde gerade dieserÄnderungsantrag von CDU/CSU und FDP begrüßt. Dabeimuss selbstverständlich darauf geachtet werden, dasskeine Betriebsgeheimnisse der Vorhabenträger offengelegtwerden müssen. Die „Soll-Regelung“ trägt demUmstand Rechnung, dass noch nicht alle Behörden überdie erforderliche Technik verfügen und nicht alle Unterlagenin brauchbarer Form im Internet dargestellt werdenkönnen.In der Anhörung kam zum Ausdruck, der vorgelegteGesetzentwurf sei nicht sensationell. Das mag richtigsein. Allerdings weiß ich nicht, ob das unbedingtnotwendig ist. Sensationelle Gesetze haben häufig dasProblem, dass sie nicht praxistauglich sind. Ziel diesesGesetzentwurfs ist es, Bürgerinnen und Bürgern die notwenigenInformationen zu vermitteln, und zwar so, dasssie sich ein eigenes Urteil bilden können und mitredenkönnen. Die Betroffenen sollen in die Lage versetztwerden, noch etwas bewegen zu können, bevor bereitsalle Entscheidungen getroffen wurden. Zugleich soll derGesetzentwurf der Rechtsvereinheitlichung und Verfahrensbeschleunigungdienen. Diesen Zielen wird der vonuns vorgelegte Gesetzentwurf gerecht.Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir einenKompromiss gefunden, um rechtssicher und trotzdembeschleunigt zu einer Entscheidung aufseiten der Behördenund Träger der Vorhaben zu kommen. Wir haben dieVoraussetzungen dafür geschaffen, dass Großvorhabenmit noch größerer Akzeptanz bei unseren Bürgerinnenund Bürgern und zugleich zügig realisiert werden können.Um dieses wichtige Anliegen umzusetzen, bitte ichSie um Ihre Unterstützung.Kirsten Lühmann (SPD): Kennen Sie Analogkäse?Der vorliegende Gesetzentwurf erinnert mich ein bisschendaran: Sieht aus wie Käse, ist aber keiner.Der Titel des Gesetzentwurfs, den wir hier beraten,verspricht uns eine Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligungund eine Vereinheitlichung des Rechts bei BauundInfrastrukturprojekten. Schön wär’s! Wenn wir diePackung aufmachen, müssen wir aber leider feststellen,dass das ein Etikettenschwindel ist.Dabei trickst die Bundesregierung wie manche Herstelleraus der Lebensmittelindustrie: So wie in vielenKäse-Imitat-Produkten eine Minimenge Käse drin ist,damit auf der Verpackung der Begriff verwendet werdenkann, ist auch in diesem Gesetzentwurf eine Miniportionder beworbenen Zutaten drin.Schauen wir uns die fraglichen Inhalte einmal an: ImGesetzentwurf finden wir eine laue Empfehlung, die Öffentlichkeitfrühzeitig zu beteiligen – keine Pflicht, keineSanktionen. Ob die zuständige Behörde die Bürger undBürgerinnen frühzeitigt beteiligt oder nicht – egal; es hatkeine rechtlichen Folgen. Das Urteil von Sachverständigenin der Expertenanhörung, dass diese Regel „zahnlos“und „enttäuschend“ ist, wundert mich daher überhauptnicht.Verwunderlich finde ich nur, wie wenig die Bundesregierungaus den Erfahrungen mit Großkonflikten wie beiStuttgart 21 gelernt hat.Wir brauchen eine frühe Beteiligung der Öffentlichkeit,um Konflikte frühzeitig lösen zu können und so denBau zum Beispiel von wichtigen Infrastrukturprojektenzu beschleunigen. Wir brauchen größere Transparenzschon vor Beginn des eigentlichen Planverfahrens.Hier setzt die wahre Bürgerbeteiligung an, weil nämlichdie Menschen an der Entscheidungsfindung beteiligtwerden. Die Bürger und Bürgerinnen sollten auch darüberinformiert werden, wo sie Einfluss auf die Planungnehmen können. Das geht nicht, wenn der eigentlichePlan schon steht und eine Erörterung nur noch stattfindet,um Widersprüche abzuschmettern.Deshalb, das haben wir in unserem Änderungsantraggefordert, sollte die frühe Beteiligung der Öffentlichkeitzur Pflicht werden – es nutzt allen Beteiligten.Und es steht nicht zu befürchten, dass dann lautersinnvolle und notwendige Projekte unnötig verzögertwerden. In Hannover zum Beispiel hat man ganz andereErfahrungen gemacht. Dort gibt es ein Bürgerpanel, dasder neue niedersächsische Ministerpräsident StephanWeil noch als Oberbürgermeister eingeführt hat. Es bestehtaus mehreren Tausend repräsentativ ausgewähltenBürgern und Bürgerinnen, die von der Stadtverwaltungonline befragt werden. Dabei können die Bürger undBürgerinnen ihre Wünsche äußern, die in konkrete Planungeneinfließen.Die erste Umfrage zum „Masterplan Mobilität 2025“zeigte: Das Urteil der Teilnehmenden war nicht nur vonpersönlichen Interessen geleitet, also nach dem Sankt-Florians-Prinzip, sondern hatte durchaus das Allgemeinwohlim Auge. So urteilten Fahrradfahrer positiv überVerbesserungen für Autofahrer usw.Wir sehen in der Öffentlichkeitsbeteiligung ein bedeutsamesInstrument, für Infrastrukturprojekte einengrößtmöglichen Konsens herzustellen. In diesem Zusammenhangein Wort zum Antrag der Kollegen undKolleginnen von den Grünen: Der Antrag enthält eineganze Reihe von Forderungen, denen wir voll und ganzzustimmen und die sich mit unseren Forderungen decken.Auch wir wollen direktdemokratische Elementeauf Bundesebene zulassen. Diese können natürlich auchfür Bauvorhaben gelten. Aber so etwas sollte nicht imPlanfeststellungsverfahren verankert werden. Aus diesemGrund werden wir uns bei Ihrem Antrag enthalten.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28207(A)(B)Einig sind wir uns aber darin, dass die Beteiligung derÖffentlichkeit gestärkt werden muss und nicht geschwächt.Die Bundesregierung sieht das offenbar anders.Denn der vorliegende Gesetzentwurf bewirkt – wennSie, meine Herren und Damen von CDU/CSU und FDP,ihn heute so absegnen –, dass in Zukunft mehr Verfahrendurchgeführt werden können, bei denen weniger Öffentlichkeitsbeteiligungstattfindet. Anstatt die Beteiligungzu verbessern, wie der Titel des Gesetzentwurfs verspricht,verschlechtern Sie also die Einspruchsmöglichkeitenfür die Bürger und Bürgerinnen.Hier wird nämlich der Anwendungsbereich des Plangenehmigungsverfahrensausgedehnt. Das ist ein vereinfachtesVerfahren, das nicht mehr, sondern wenigerÖffentlichkeitsbeteiligung vorsieht als das reguläre Planfeststellungsverfahren.Das ist ein klarer Widerspruch zu dem Anspruch, denSie formulieren, liebe Kollegen und Kolleginnen vonUnion und FDP. Wir halten das nicht für sinnvoll und habendeshalb gefordert, diese Ausweitung zu streichen.Leider haben Sie das durch die Bank abgelehnt.Auch bei dem Versuch, das Genehmigungsverfahrenzu vereinheitlichen, also die vielen widersprüchlichenVorgaben in den unterschiedlichen Fachgesetzen aufeine Linie zu bringen, hält der Gesetzentwurf nicht, wassein Titel verspricht.So gilt zum Beispiel laut Verwaltungsverfahrensgesetzein Planfeststellungsbeschluss fünf Jahre lang. Aufder Seite der Fachgesetze dagegen – da haben wir unteranderem das Bundesfernstraßengesetz, das Eisenbahngesetz,das Luftverkehrsgesetz und vieles mehr – gilt soein Beschluss zehn Jahre. Und dann kann er auch nocheinmal um fünf Jahre verlängert werden. 15 Jahre zwischenBeschluss und Realisierung – in einem so langenZeitraum können sich die Verhältnisse und der Kreis derBetroffenen gravierend geändert haben. Da sind Auseinandersetzungenvorprogrammiert.Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll gewesen, die Geltungsdauereinheitlich festzulegen. Die Verlängerungsmöglichkeitvon 10 auf 15 Jahre lehnen wir ab.Dass der vorliegende Gesetzentwurf unzureichend ist,liebe Kollegen und Kolleginnen von Union und FDP, habenSie selbst eingesehen. Mit Ihrem Änderungsantraggehen Sie einen ersten zaghaften Schritt in die richtigeRichtung.Mit unseren Verbesserungsvorschlägen hätte aus demAnalogkäse ein gut gereifter Bergkäse werden können.Die Beratungen in den Fachausschüssen legen denSchluss nahe, dass Sie dies nicht wollen.Daher bleibt es bei einer Mogelpackung, und die werdenwir ablehnen. Denn dieser Gesetzentwurf ist immernoch geprägt von einem paternalistischen Staatsverständnis,nach dem die Bürger und Bürgerinnen ein Projektvor die Nase gesetzt bekommen und bei eventuellenEinwänden eines Besseren belehrt werden müssen. Dasist nicht geeignet, die anstehenden Herausforderungen inder Infrastruktur sowohl bei der Energiewende als auchbeim integrierten Verkehrskonzept anzugehen.Manuel Höferlin (FDP): Ich freue mich sehr, dasswir heute das Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligungin Planfeststellungsverfahren verabschiedenkönnen.Das Gesetz bringt eine Reihe von Verbesserungen fürBürgerinnen und Bürger, die wir bereits in der Anhörungim Innenausschuss vergangene Woche diskutiert haben.Lassen Sie mich die wichtigsten Änderungen noch einmalkurz zusammenfassen.Wir schaffen mit dem Planungsverfahrenvereinheitlichungsgesetzdie frühe Öffentlichkeitsbeteiligung – einzeitgemäßes und geeignetes Instrument. Warum? Ganzeinfach: Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung ist so konzipiert,dass sie möglichst schon vor der Antragstellungund dem Start eines Planfeststellungsverfahrens durchgeführtwerden soll. So können viele Aspekte in die Debatteeingebracht werden, die sonst erst deutlich späteraufgetaucht wären und die nun schon erörtert werdenkönnen, bevor mit einem Planfeststellungsverfahrenvollendete Tatsachen geschaffen werden.Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung ist außerdem sokonzipiert, dass sie sehr flexibel eingesetzt werden kann.Je nachdem, welches Projekt ein Vorhabenträger durchführt,ist er in der Lage, die frühe Öffentlichkeitsbeteiligungmit verschiedenen Maßnahmen durchzuführen undzu begleiten. Er ist also frei in Art, Form und Umfangder Öffentlichkeitsbeteiligung. Es gibt eben keine Festlegungenim Gesetz. Und dass genau diese Vorgehensweiserichtig ist, wurde uns auch in der Anhörungvergangene Woche bestätigt. Kommunikation auf Augenhöhewird dadurch wesentlich besser dargestellt alsbei starren, bürokratischen Maßnahmen.Wir haben uns bewusst dafür entschieden, den zusätzlichenbürokratischen Aufwand niedrig zu halten. Einkomplexes und übertrieben formalisiertes Verfahren, wiees sich zum Beispiel die Grünen in ihrem Entschließungsantragwünschen, halte ich nicht für hilfreich. Eserhöht den Verwaltungsaufwand. Es sorgt für enormezusätzliche Risiken hinsichtlich möglicher Verfahrensfehlerund macht damit das gesamte Planungsverfahrenund die vorgelagerte frühe Öffentlichkeitsbeteiligungunsicher. Genau das haben wir mit unserem Antrag vermieden.Das Planungsvereinheitlichungsgesetz ist eineVereinfachung – für Vorhabenträger und für Bürgerinnenund Bürger. Sie von den Grünen scheinen überhauptnicht zu wissen, was Sie wollen. Man soll bereits imVorverfahren prüfen, ob eine Mediation – gemeinhin einunbürokratisches Verfahren – eingeführt werden soll.Doch als wäre es damit nicht genug, verlangen Sie außerdem,dass das Mediationsverfahren dann auch nochformalisiert wird. Ich frage mich dann, liebe Grüne: Warumnicht gleich vor Gericht gehen? So läuft das nicht.Darum haben wir im Entwurf des Planungsverfahrenvereinheitlichungsgesetzesfestgelegt, dass die Bürokratieweder dem zügigen Abschluss eines Planungsverfahrensnoch einer effektiven Bürgerbeteiligung im Wege steht.(C)(D)


28208 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Wir verbessern die Transparenz von Planfeststellungsverfahren.Die christlich-liberale Koalition hat mitihrem Änderungsantrag klargestellt, dass Transparenzsowohl im Rahmen der frühen Öffentlichkeitsbeteiligungals auch im Planungsverfahren selbst klar verbessertwird.Die Ergebnisse der frühen Öffentlichkeitsbeteiligungsoll der Vorhabenträger unserem Wunsch gemäß nichtnur gegenüber der Behörde, sondern auch gegenüber derÖffentlichkeit bekannt machen.Aber das ist noch nicht alles, was wir erreicht haben:Zukünftig sollen die Unterlagen, die in Planfeststellungsverfahrenohnehin schon vor Ort ausgelegt werden,auch im Internet veröffentlicht werden. Für mich alsNetzpolitiker bedeutet das ein Mehr an Transparenz undein Mehr an Open Government, und ich freue mich, dasssogar Teile der Opposition uns an dieser Stelle im Innenausschussbeigepflichtet haben. Aber auch hier habenSie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, IhreHausaufgaben wieder schlecht gemacht. Sie fordern dieumfassende Veröffentlichung aller „planungsrelevantenDaten und Dokumente“. Und natürlich vermeiden Sie esdabei, auf die Frage einzugehen, was eigentlich relevantist.Unser Antrag stellt klar, dass alle Informationen, diezu veröffentlichen sind, nicht nur in den Verwaltungsstubenausgelegt werden, sondern auch im Internet veröffentlichtwerden. Persönliche Daten sowie Betriebs- undGeschäftsgeheimnisse werden durch diese Regelung geschützt,so wie dies durch die bestehende Rechtslage in§ 30 des Verwaltungsverfahrensgesetzes bereits festgelegtist, und das finde ich auch in Ordnung so. Die Behördemuss ihre Arbeit im Kontext dieser Regelungensehen: Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind auchzukünftig zu schützen. Insgesamt haben Bürgerinnenund Bürger einen leichteren Zugang zu einer Vielzahlvon Informationen und so die Möglichkeit, sich umfassendüber die Vorhaben und deren Auswirkungen fürihre Belange zu informieren. Denn darum geht es, wennman die Transparenz verbessern möchte.Wie Sie sehen können, haben wir mit dem Entwurfdes Planungsverfahrenvereinheitlichungsgesetzes dieschwierige Aufgabe gemeistert, mehr Transparenz undmehr Beteiligung mit weniger Bürokratie zu verbinden.Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.Thomas Lutze (DIE LINKE): Stuttgart 21 hatDeutschland verändert. Die von Großprojekten betroffenenBürgerinnen und Bürger nehmen es nicht mehr hin,dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Das stelltPolitik vor große Herausforderungen. Wir brauchen neueFormen der Beteiligung, die sich nicht darin erschöpfen,alle vier oder fünf Jahre ein Parlament zu wählen. DieBetroffenen fordern zu Recht, dass ihre Bedenken ernstgenommen werden, man ihre Kenntnisse und Erfahrungenvor Ort wahrnimmt und nutzt, sie wollen auf Augenhöheeingebunden werden. Darin sollten wir eineChance für die Demokratie sehen: Denn wo die Bürgerbeteiligungfunktioniert und Transparenz herrscht, steigtdie Akzeptanz für geplante Projekte. Darin liegt weiterdie Chance, dass zukünftig nicht mehr an den Bedürfnissender Bürgerinnen und Bürger vorbeigeplant wird, UnsinnigeGroßprojekte wie Stuttgart 21 würden uns erspartbleiben.Eine Reform des Planungsrechts, die diesen Ansprüchengerecht wird, muss die Bürgerinnen und Bürgervon der Bedarfsprüfung bis zur Umsetzung einbindenDer vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierungleistet dies nicht. Er macht die Einbindung der Öffentlichkeitweder obligatorisch, noch schafft er direktdemokratischeEntscheidungsmöglichkeiten innerhalb desVerfahrens. Ebenso Fehlanzeige bei der Transparenz. Im21. Jahrhundert sollten die wichtigen Dokumente stehenund nicht unter Hinweis auf Betriebsgeheimnisse einerbeteiligten Firma willkürlich verweigert werden können.Wieder einmal hat die Bundesregierung die Zeichender Zeit verkannt und eine Chance vergeben. Die Linkelehnt den Gesetzentwurf deshalb ab.Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Dieses Gesetz war eine besonders schwere Geburt.Wenn man einerseits überlegt, wie lange dieses Gesetzschon diskutiert wird, wie oft die Zeitpläne für diesesGesetz über den Haufen geworfen wurden und welcheAbstimmungen erforderlich waren, dann ist der Aufwandenorm. Und wenn man andererseits betrachtet,welche Inhalte in dem Gesetz Platz gefunden haben,dann ist die Enttäuschung groß. Also in der Nutzen-Kosten-Betrachtung müsste dieses Gesetz der Bundesregierungglatt durchfallen.Was steht in diesem Gesetz? Der Ansatz, verwaltungsrechtlicheFestsetzungen aus den Fachgesetzenauszulagern und im Verwaltungsverfahrensgesetz zentralzu regeln, ist vernünftig. Die Bundesregierung setztallerdings darauf, dass auch die Verwaltungsverfahrensgesetzeder Bundesländer entsprechend geändert werdensollen. Stellt sich die Frage, ob die Länder überhauptmitziehen.Das Gesetz wurde unter anderem mit der Begründungauf den Weg gebracht, Verfahren zu verkürzen. Ich sehenur einen einzigen Punkt, der tatsächlich dieses Ziel verfolgt.Es handelt sich um die Regelung, dass Erörterungstermineinnerhalb von drei Monaten abgeschlossensein sollen. Diese Frist ist jedoch weltfremd; bei größerenVerfahren und einer großen Zahl von Einwendernwird diese Frist regelmäßig überschritten werden müssen.Ganz abgesehen davon, sieht der Gesetzentwurfkeine Strafen oder andere Konsequenzen für eine Überschreitungder Frist vor. Das heißt, diese Regelung istnicht nur sinn-, sondern auch zahnlos.Das Gesetz wurde – so lautet der Name des Gesetzes –zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung geschaffen.Ich bezweifle jedoch, dass sich die Öffentlichkeitsbeteiligungdurch dieses Gesetz verbessert. Einerseitsbleibt die lange diskutierte Fakultativstellung desErörterungstermins weiter erhalten. Das heißt, dass dieBehörde von dem Termin absehen kann. Davon hat sieim Verkehrssektor bereits häufig Gebrauch gemacht.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28209(A)(B)Neu ist die Vorerörterung vor dem eigentlichen Verfahren.Die ist jedoch ebenfalls fakultativ. Wenn eineAnhörungs- oder Planfeststellungsbehörde nicht auf Augenhöhemit Betroffenen reden will, braucht sie dasnicht. Außerdem sind die Ergebnisse der Vorerörterungunverbindlich und haben dadurch allenfalls Informationscharakter.Die Bundesregierung vergibt eine große Chance, dieÖffentlichkeitsbeteiligung an Planfeststellungsverfahrenvom Kopf auf die Füße zu stellen. Beflügelt von denöffentlichen und Fachdiskussionen wäre ein großerWurf möglich gewesen. Die Bundestagsfraktion vonBündnis 90/Die Grünen hat ein umfassendes Konzeptfür eine zukunftsfähige Öffentlichkeitsbeteiligung erstelltund wesentliche Inhalte in einem Entschließungsantragzusammengefasst. Das Konzept beinhaltet einefrühzeitige, verbindliche Öffentlichkeitsbeteiligung inPlanungsverfahren. Dabei denken wir insbesondere aneine Beteiligung am Scopingtermin bzw. der Antragskonferenzin Raumordnungsverfahren. Wir forderntransparente verfahrensführende Behörden, sodass InteressierteZugriff auf sämtliche Planungsunterlagen haben.Wir wollen das Raumordnungsverfahren stärken. Essoll nicht mehr nur empfehlenden Charakter haben, sondernverbindlich sein. Wir wollen alternative Konfliktlösungsverfahrenbei größeren Interessengegensätzen indie Planungsverfahren einbeziehen. Und nicht zuletztfordern wir verbesserte rechtliche Überprüfungsmöglichkeiten,da dadurch ein Mindestmaß an Planungsqualitätgesichert werden kann. Abschaffen wollen wirdie mögliche Gültigkeit von Planfeststellungsbeschlüssenvon bis zu 15 Jahren. Diese derzeitige Regelungermöglicht, dass weiter Planungen auf Halde produziertwerden, die nicht mehr den aktuellen Verkehrsbedingungenund räumlichen Situation entsprechen. Vielmehrwollen wir beim Rechtsschutz eine Revisionsinstanz füralle Verfahren sichern. Dadurch wird ein Verfahrensstauvor dem Bundesverwaltungsgericht vermieden.In dieser Legislaturperiode ist wohl nicht mehr miteinem Gesetz zu rechnen, das ernsthaft die Öffentlichkeitsbeteiligungstärkt. Auch wenn die öffentliche medialeDiskussion um Partizipation leicht nachgelassen hat,sehe ich einen sehr großen Bedarf an verbesserter Teilhabean Planungsentscheidungen. Und daher setze ichauf einen Politikwechsel zum Ende dieses Jahres.Anlage 25Zu <strong>Protokoll</strong> gegebene Redenzur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zurAuskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüberder Presse (Presseauskunftsgesetz) (Zusatztagesordnungspunkt9)Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): DasBundesverwaltungsgericht spricht ein Urteil. Die schriftlicheUrteilsbegründung liegt noch gar nicht vor. Nureine Woche später legen die Sozialdemokraten einen Gesetzentwurfvor. Schnell gearbeitet, werte Kollegen!Aber heißt „schnell“ auch „gut“?Worum ging es in dem Verfahren?Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Fragebefasst, ob Bundesbehörden auf Grundlage der Landespressegesetzezur Erteilung von Auskünften verpflichtetwerden können. Es hat in einem Verfahren wegen presserechtlicherAuskunft am 20. Februar 2013 entschieden,dass die Pressegesetze der Länder auf den BND alsBundesbehörde nicht anwendbar sind, weil die Regelungder Auskunftspflicht von Bundesbehörden in die Gesetzgebungskompetenzdes Bundes fällt. Geklagt hatte einJournalist des Verlags Axel Springer, der jedoch unterlegenist. Die Auskunft wurde ihm mit der Begründungverweigert, es handele sich nicht um aktuell verfügbareInformationen, sondern diese müssten erst beschafftwerden.Die Medien haben in der Demokratie eine wichtigeKontrollfunktion: Sie genießen einen grundrechtlichenStatus und schaffen die für unsere demokratische Gesellschaftunverzichtbare Transparenz, die staatliches Handelnund die diesem vorausgehenden Entscheidungsprozessefür den Bürger nachvollziehbar macht. Damit sindsie ein wichtiger Mittler im Dialog zwischen Bürger undStaat. Nicht umsonst nennt man sie auch die ‚Vierte Gewalt‘.Eine Demokratie lebt von der investigativenRecherche von Journalisten und einer kritischen Berichterstattungder Presse und des Rundfunks. Einschränkungender Arbeit von Journalisten sind auch ein Angriff aufdie Demokratie. Wie es um die Pressefreiheit in einemLand bestellt ist, zeigt, wie es dort um die Demokratiesteht.Die Vielfalt und Qualität der freien Presse und Medienin Deutschland ist international vorbildlich. Dieshaben auch die jüngsten Debatten zum sogenannten Zeitungsterbenwieder gezeigt. Eine solche Qualität wäreaber nicht möglich ohne die entsprechenden rechtlichenRahmenbedingungen. Würden diese die freie Presse behindern,könnte diese gar nicht in einem so hervorragendenZustand sein, wie ihr auch von den Sozialdemokraten,die über die Medienholding DDVG selbst an einerReihe von Zeitungen beteiligt sind, immer wieder attestiertwird. Schlecht kann es also um die rechtlichen Rahmenbedingungenfür die Pressefreiheit nicht bestelltsein, es ist vielmehr gut um sie bestellt. In der weltweitenRangliste der Pressefreiheit der Organisation „Reporterohne Grenzen“ liegt Deutschland 2013 aufPlatz 17 (von 179 Ländern).Sieht das Bundesverwaltungsgericht nunmehr die Gefahreiner Beschränkung oder gar Aushöhlung unsererPressefreiheit? Nein! Das Gericht hat vielmehr festgestellt,dass angesichts des Fehlens einer bundesgesetzlichenRegelung Auskunftsansprüche unmittelbar auf dasGrundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2GG gestützt werden können. Das Grundgesetz erkennesomit einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Erteilungeiner bestimmten Information zu, soweit ihm nicht berechtigteschutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicherStellen an der Vertraulichkeit von Informationenentgegenstehen, wie sie beispielhaft in den Landespres-(C)(D)


28210 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)segesetzen aufgeführt sind, so das Gericht. Das Rechtder Presse auf Auskunft hat das BVerwG direkt aus demGrundgesetz abgeleitet. Für mich ist das eine Stärkungder Pressefreiheit, keine Schwächung. Hinzu kommennoch die Rechte von Journalisten aus dem Informationsfreiheitsgesetz.Damit hat das BVerwG den Rahmen abgesteckt, denBundesbehörden bei Auskunftsbegehren von Journalistenzu beachten haben. Dies wird in dem vorliegendenGesetzentwurf der SPD-Fraktion als „Minimalstandard“angesehen. Ich glaube nicht, dass man damit den weitgehendenund vielfältigen Rechten, die das Grundrecht derPressefreiheit Medienschaffenden einräumt, gerechtwird.In dem jetzigen Verfahren vor dem BVerwG ging esnicht um eine Beschränkung der Pressefreiheit, sondernum die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bundund Ländern. Das sieht die SPD-Fraktion offenbar anders.Wenn in dem Gesetzentwurf zu lesen ist, dass „dergegenwärtige Rechtszustand keinesfalls weiter hingenommenwerden kann“, klingt dies, als sei die Pressebisher vollkommen rechtlos.Die Presse ist natürlich weder vor noch nach dem Urteildes BVerwG rechtlos. Doch das Gericht hat deutlichgemacht, dass sich der Auskunftsanspruch nur auf Informationenbezieht, die bei der auskunftspflichtigen Behördeaktuell vorhanden sind. Das Auskunftsrecht vonJournalisten kann nicht zu einer Informationsbeschaffungspflichtder Behörde führen.Auch nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtsüberlässt das Grundgesetz denGesetzgebern von Bund und Ländern, in Abwägung derbetroffenen privaten und öffentlichen Interessen zu regeln,ob und unter welchen Voraussetzungen derartigeAnsprüche bestehen. Weder die Pressefreiheit noch dieInformationsfreiheit geben einen Anspruch auf Eröffnungeiner Informationsquelle. Diese Aspekte etwa lässtder Gesetzentwurf der SPD völlig außer Acht.Auch bisher werden Presseanfragen von Bundesbehördenbeantwortet, obwohl die Pressegesetze der Ländernur die jeweiligen Landesbehörden verpflichten. Esist auch nicht zu erwarten, dass die Praxis von Bundesbehördenzu Presseanfragen sich nach der Entscheidungdes BVerwG ändert. Das hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich nach dem Gerichtsurteil noch einmal bestätigt.Es besteht also keinerlei Notwendigkeit, mit einemübereilten Schnellschuss wie dem vorliegenden Gesetzentwurfder SPD-Fraktion, allzu offenkundig alleinWahlkampfzwecken geschuldet, auf die Entscheidungdes BVerwG zu reagieren.Zunächst einmal muss die schriftliche Entscheidungdes BVerwG abgewartet und sorgfältig auswertet werden.Das werden wir tun. Anschließend werden wir darüberentscheiden, ob und in welcher Art und Weise sichdaraus Handlungsbedarf für den Gesetzgeber ergibt.Es fragt sich, ob die Kollegen der SPD in diesem sensiblenBereich ganz korrekt vorgehen. Sie haben ihrenGesetzentwurf federführend beim Beauftragten der Bundesregierungfür Kultur und Medien eingereicht, wohlwissend, dass für die allgemeinen Fragen des Verwaltungsverfahrensvon Bundesbehörden und den Zugangzu Informationen der Behörden, namentlich auch des Informationsfreiheitsgesetzes,das BMI zuständig ist. DasBMI ist über das Informationsfreiheitsgesetz hinausauch federführend für die Gemeinsame Geschäftsordnungder Behörden, in dessen §§ 14 Abs. 3, 4 und § 25Abs. 4 sich Regeln zu Auskünften von Bundesministeriengegenüber der Presse finden. Warum gehen die Sozialdemokratendaher diesen Weg? Hofft man, mit dieserZuschreibung der Federführung auf eine ‚pressefreundlichere‘Behandlung des Themas, die gleichzeitig die berechtigtenSicherheitsinteressen unseres Staatswesenstangiert? Möchte man die unterschiedlichen Ministeriengegeneinander ausspielen?Die christlich-liberale Bundesregierung hat in dieserWahlperiode die Arbeitsbedingungen von Journalistinnenund Journalisten bereits einmal verbessert. 2012 hatsie das Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit verabschiedet.Damit hat sie den Informations- und Quellenschutzgestärkt. Medienangehörige machen sich nichtmehr strafbar wegen Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnissesund Geheimhaltungspflichten.Ob sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtsweiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt,werden wir sorgsam und in Ruhe prüfen. Wir rufendie Journalistenverbände und Gewerkschaften auf, Vorschlägein unsere Fraktion einzureichen, wie mit demBVerwG-Urteil umzugehen ist. Der direkte Dialog mitden Betroffenen ist uns sehr wichtig. Wir könnten unsgut vorstellen, dass der zuständige Bundesminister alleBeteiligten zu einem Expertengespräch einlädt, um überKonsequenzen aus der entstandenen Lage zu beraten.Wir halten es für ein Bürgerrecht aller, an der Sicherungder Pressefreiheit aktiv mitzuwirken. In einen Wettbewerb,wer schneller schießt, werden wir hingegen nichteintreten.Martin Dörmann (SPD): Wir beraten heute in ersterLesung den von der Fraktion der SPD eingebrachtenEntwurf eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehördengegenüber der Presse. Hiermit wollen wirsicherstellen, dass Presseorgane ihr grundgesetzlich geschütztesAuskunftsrecht nicht nur gegenüber Landesbehörden,sondern auch gegenüber Bundesbehörden wahrnehmenkönnen.Der Gesetzentwurf ist aufgrund eines kürzlich ergangenenUrteils des Bundesverwaltungsgerichts notwendiggeworden. Dieses hatte festgestellt, dass die LandespressegesetzeBundesbehörden kompetenzrechtlich nichtverpflichten können, obwohl es jahrelang gängige Praxiswar, dass sich auch Bundesbehörden an ihrem jeweiligenSitz entsprechend den einschlägigen Landespressegesetzenbehandeln lassen. Zugleich hat das Gericht aber betont,dass der Presse auf Grundlage von Art. 5 desGrundgesetzes Auskunftsrechte garantiert sind. Allerdingsist es so, dass es ohne eine konkrete bundesgesetzlicheRegelung unklar bleibt, wie weit dieser Anspruchgeht. Die Presse wäre somit lediglich auf einen minimalenGrundstandard verwiesen und müsste ihre Rechte in(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28211(A)(B)langwierigen Gerichtsverfahren erstreiten. Diese Unsicherheitwollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurfschnell beseitigen.Leider hat sich die Bundesregierung sowohl im Verfahrenvor dem Bundesverwaltungsgericht als auch danachnicht als Verfechterin der Pressefreiheit erwiesen.Zwar behaupten der Bundesinnenminister und die Bundesregierungzwischenzeitlich, sie hätten nie die Absichtgehabt, das Auskunftsrecht von Bundesbehörden gegenüberJournalistinnen und Journalisten zu beschränkenund die Pressefreiheit einzuschränken, obwohl esgerade die Stellungnahme des Vertreters des Bundesinteressesbeim Bundesverwaltungsgericht, VBI, gewesenist, aus der – von der Bundesregierung unwidersprochen –eine sehr restriktive Haltung deutlich wurde und die diePosition vertreten hat, dass Bundesbehörden weder aufGrundlage der Landespressegesetze noch aus Art. 5Abs. 1 GG zur Erteilung von Auskünften verpflichtetwerden können.Noch in der Woche vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichteshat die Bundesregierung auf dieparlamentarische Frage meines Kollegen Lars Klingbeilgeantwortet, dass – ich zitiere – „rechtliche Ansprücheauf Auskunft von Bundesbehörden für Journalisten diesennach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes“zustehen und dass auf der Grundlage von Art. 5 desGrundgesetzes „in gewissem Umfang auch Auskunftspflichtender Behörden gegenüber der Presse anerkannt“seien, über „deren Umfang und Modalitäten die staatlichenStellen eigenverantwortlich bestimmen“ könnten.Es darf aber nicht vom Gutdünken der Behörden abhängen,ob und welche Informationen der Presse gegebenwerden. Und das Jedermannsrecht des Informationsfreiheitsgesetzeswird der besonderen Stellung der Presseund ihrer öffentlichen Aufgabe nicht ansatzweise gerecht.Nun hat das Bundesverwaltungsgericht am vergangenenMittwoch entschieden, dass die Pressegesetze derLänder auf Bundesbehörden nicht anwendbar seien. Zugleichhat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt,dass „mangels einer bundesgesetzlichen Regelung despresserechtlichen Auskunftsanspruchs dieser aber unmittelbarauf das Grundrecht der Pressefreiheit ausArt. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gestützt werden kann“. Dies isteine enorme Stärkung der Pressefreiheit in Deutschland;denn bislang haben das Bundesverwaltungsgericht wiedas Bundesinnenministerium diese Frage eher verneint.Das Gericht hat damit einen verfassungsunmittelbargarantierten „Minimalstandard an Auskunftspflichten“festgeschrieben und festgestellt, dass es damit einenklagbaren Rechtsanspruch auf Erteilung einer bestimmtenInformation gebe, soweit nicht besondere Geheimhaltungstatbeständeentgegenstehen, wie sie etwa in denLandespressegesetzen aufgeführt sind.Eine bundesgesetzliche Regelung ist nun dringendgeboten, um schnell Rechtssicherheit für Journalistinnenund Journalisten zu schaffen. In der gestrigen Fragestundehaben wir die Bundesregierung befragt, welcheSchlussfolgerungen sie aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtszum grundgesetzlich garantiertenAuskunftsrecht für Medienvertreter gegenüber Bundesbehördenziehen wird und ob sie die Einschätzungteilt, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, umden verfassungsrechtlich geschützten öffentlichen Auftragder Presse sicherzustellen. Die Bundesregierung hatin ihrer Antwort erwartungsgemäß erklärt, dass sie dieseFrage sorgfältig prüfen wird. Diese Antwort bekommtdie Opposition ja immer dann, wenn sich die Bundesregierungnicht auf eine gemeinsame Linie verständigenkann. Zudem haben sich die Verfassungsorgane, Behördenund Einrichtungen des Bundes in ihrer bisherigenAuskunftspraxis gegenüber Medienvertretern in der Sachean den Pressegesetzen der Länder orientiert, sodass inder Praxis keine Änderungen zu erwarten seien.Das Ergebnis wird aber vielmehr sein, dass sich Pressevertreternach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichteszwar unmittelbar auf das Grundrecht der Pressefreiheitaus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen können. Siewerden sich aber angesichts der zweifelhaften „Auskunftsfreudigkeit“der Bundesregierung ihre konkretenRechte – etwa zur Reichweite des Auskunftsanspruchs,zu den Fristen oder Kosten – in langwierigen Rechtsstreitigkeitenvor Gericht erstreiten müssen.Eine solche Rechtsunsicherheit ist aus unserer Sichtmit dem öffentlichen Auftrag der Presse und der Rechtsprechungdes Bundesverfassungsgerichtes nicht vereinbar,das den Staat schon mit der Spiegel-Entscheidungverpflichtet hat, Auskunftspflichten der öffentlichen Behördenals prinzipielle Folgerungen aus Art. 5 zu schaffen.Es ist daher zwingend geboten, schnell eine bundesgesetzlicheRegelung zu schaffen, die denJournalistinnen und Journalisten die gleichen Auskunftsrechtegegenüber dem Bund einräumt wie gegenüber denLändern aufgrund der Landespressegesetze. Dies sollmit dem Gesetzentwurf zur Auskunftspflicht von Bundesbehördengewährleistet werden.Es ist bedauerlich, dass der Beauftragte für Kulturund Medien offensichtlich kein Interesse an diesem sozentralen Thema hat. So wie er die Beantwortung der anihn adressierten Fragen, wie er die Erfüllung des öffentlichenAuftrages der Presse und die Wahrung der Pressefreiheitsicherstellen wolle, dem Bundesinnenministeriumüberlassen hat, so soll auch jetzt die Federführungan den Innenausschuss gehen, worüber wir heute strittigabstimmen werden. Wir hätten es der grundsätzlichenBedeutung für angemessen gehalten, wenn das ThemaPressefreiheit federführend auch bei dem zuständigenBeauftragten für Kultur und Medien und dem Bundestagsausschussfür Kultur und Medien behandelt würde.Offensichtlich möchte der Bundesinnenminister seinerestriktive und presseunfreundliche Position auch im Innenausschussdurchsetzen. Sie sollten sich aber keineHoffnung machen, dass die Verhandlung dieser Positionin den Verhandlungen mit den Innenpolitikern der SPDim Innenausschuss einfacher oder erfolgversprechenderwäre als mit den Medienpolitikern im Ausschuss fürKultur und Medien. Wir sind natürlich jederzeit bereit,über weitere Verbesserungen der Auskunftsverpflichtungenzu reden. Was es aber mit den Innen-, Rechts- undMedienpolitikern der SPD nicht geben wird, ist eine Be-(C)(D)


28212 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)schränkung der Auskunftsverpflichtungen, wie dies zumindestin Teilen der Bundesregierung vertreten wird.Pressefreiheit, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegenaus CDU/CSU und FDP?Journalistinnen und Journalisten müssen selbstverständlichAuskünfte von Bundesbehörden verlangenkönnen. Die Bundesregierung kann sich nicht im Hinterzimmereinschließen, sondern ist der Öffentlichkeit Rechenschaftschuldig. Wir haben deshalb umgehend einenGesetzentwurf vorgelegt: Er garantiert Journalistinnenund Journalisten die gleichen Rechte gegenüber Bundesbehörden,wie sie es in den Ländern gegenüber Landesbehördenhaben. Unser Gesetzentwurf stellt den Rechtszustandwieder her, der seit Jahrzehnten guteStaatspraxis war. Der Deutsche Journalisten-Verband,DJV, und die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion,dju, haben unseren Entwurf bereits begrüßt.Jetzt muss der Bundestag zeigen, dass es uns ernst istmit Transparenz und Pressefreiheit.(C)(B)Ich freue mich, dass die beiden JournalistenverbändeDJV und dju unsere Initiative unterstützen und die Abgeordnetendes Deutschen Bundestages gestern aufgeforderthaben, diesem Entwurf zuzustimmen. Ich möchtedaher bei allen Fraktionen um Zustimmung zu unseremEntwurf für ein Presseauskunftsgesetz werben. Für unssteht fest: Wir brauchen eine schnelle Regelung für dieAuskunftsverpflichtungen von Bundesbehörden. DieBundesregierung darf sich nicht im Hinterzimmer einschließen;sie ist der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig.Die Koalition hat die Chance, sich mit uns für diePressefreiheit zu entscheiden. Wir sind gespannt auf dieparlamentarischen Beratungen.Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Nacheinem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von vergangenerWoche sind die Pressegesetze der Länder aufBundesbehörden nicht anwendbar. Deshalb haben Journalistinnenund Journalisten jetzt keinen einfachgesetzlichen,klar bestimmten Auskunftsanspruch gegen Bundesbehörden.Das kann nicht sein. Eine funktionierendeBerichterstattung in der Presse über das Regierungshandelnist ein konstitutives Moment einer freiheitlichenDemokratie. Über welches Regierungshandeln eine freiePresse berichten kann, steht nicht im freien Ermessender Bundesregierung, wie das BundesinnenministerFriedrich zu glauben scheint.In der sogenannten Spiegel-Entscheidung hat dasBundesverfassungsgericht am 5. August 1966 das Fundamentfür unser heutiges Verständnis von Pressefreiheitgelegt. Damals ging es um die Abwehr von Übergriffendes Staates, namentlich des CSU-Politikers Franz JosefStrauß. Das Bundesverfassungsgericht hat damals Pflöckeeingeschlagen: „Der Staat ist – unabhängig von subjektivenBerechtigungen Einzelner – verpflichtet, in seinerRechtsordnung überall, wo der Geltungsbereicheiner Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer FreiheitRechnung zu tragen.“ Bereits damals hatten dieRichter erkannt, dass die Pressefreiheit nicht nur ein Abwehrrechtist, sondern den Staat auch aktiv verpflichtet,dazu beizutragen, dass die Berichterstattung der Presseüber die Vorgänge im Staat funktioniert. Deshalb sind– so das Bundesverfassungsgericht – auch „Auskunftspflichtender öffentlichen Behörden … prinzipielle Folgerungen“aus der grundgesetzlich garantierten Freiheitder Presse.Das Bundesverwaltungsgericht hat anerkannt, dassdie Auskunftspflichten der Behörden aus der Pressefreiheitdes Grundgesetzes notfalls direkt eingeklagt werdenkönnen. Das ist begrüßenswert. Aber es ist nicht genug.Denn aus dem Grundgesetz ist nur ein Minimalstandardableitbar, der zudem unbestimmt ist. Deshalb enthaltendie Pressegesetze der Länder selbstverständlich Auskunftsansprücheder Presse gegen Landesbehörden. Nurim Bund soll man das nicht brauchen? BundesinnenministerFriedrich braucht offensichtlich Nachhilfe inSachen Pressefreiheit. Ist das auch Ihr Verständnis vonBurkhardt Müller-Sönksen (FDP): Die heutigeDebatte erweckt fälschlicherweise den Eindruck, diePressefreiheit sei in Gefahr, weil investigativ tätigenJournalisten die Auskunft verweigert werden könnte.Das Gegenteil ist der Fall: Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtswird die Pressefreiheit gestärkt. Ichmöchte dies gleich zu Beginn betonen, weil die SPD-Fraktion mit dem vorliegenden Gesetzentwurf den Eindruckerweckt, der gegenwärtige Rechtszustand könnekeinesfalls weiter hingenommen werden. Liebe Kolleginnenund Kollegen der SPD-Fraktion, vielleicht hättenSie die Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichtsabwarten sollen, bevor Sie derartige Schreckgespensteran die Wand malen und in hektischen Aktionismusverfallen. So schüren Sie nur Misstrauen gegenüberden Behörden und Gerichten, was sich in der Praxissogar als Bärendienst an der Pressefreiheit erweisenkönnte.Als FDP-Fraktion begrüßen wir das Urteil ausdrücklich.Erstmals hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt,dass Journalisten einen eigenen, unmittelbarenAuskunftsanspruch gegen Bundesbehörden haben. Dasssich dieser Anspruch nicht aus Landesrecht ergebenkann, erscheint auf den ersten Blick schlüssig, und so hatdas Gericht überzeugend einen Anspruch unmittelbaraus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz bejaht. Hierdurch wirdauch zusätzliche Rechtssicherheit geschaffen, weil diebisherige Auskunftspraxis der Bundesbehörden nun aufeiner sicheren, höchstrichterlich bestätigten Basis steht.Journalisten dürfen sich durch dieses Urteil also ermutigtfühlen, ihren Auskunftsanspruch einzufordern. Dass dasUrteil in der Sache abweisend war, ändert nichts an seinerBedeutung. Im Streitfall muss eine Einzelfallbetrachtungvorgenommen werden, die einen Ausgleich derwiderstreitenden Interessen schaffen muss. Im vorliegendenSachverhalt trat das Auskunftsinteresse angesichtsdes erheblichen Ermittlungsaufwands und der bereitseingesetzten Historikerkommission zurück.Ohne der Urteilsbegründung vorgreifen zu wollen, sehenwir als FDP-Fraktion deshalb keinen gesetzgeberischenHandlungsbedarf. Sollte sich diese Situation aberverändern – zum Beispiel weil die Urteilsbegründung(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28213(A)(B)Raum für zukünftige Unsicherheiten lässt, – werden wirumgehend von unserem Initiativrecht Gebrauch machen.Für uns Liberale ist die Freiheit Leitmotiv. Unter denGrundfreiheiten ist die Pressefreiheit unentbehrliche Voraussetzungder freien Meinungsbildung und damit – inden Worten des Bundesverfassungsgerichts – ein „unentbehrlichesWesenselement des freiheitlichen Staates undfür die Demokratie“. Der Schutz und die Gewährleistungder Pressefreiheit sind deshalb unsere vorrangigen Ziele.Jimmy Schulz (FDP): Die Presse ist eine der wichtigstenSäulen eines jeden demokratischen Staats. Sie erfülltmannigfaltige Aufgaben und wird nicht nur deswegenauch „die vierte Gewalt“ genannt. Sie hat auf dereinen Seite die Aufgabe, die Bevölkerung umfassendund objektiv über alles zu informieren. Sie wirkt damitan der Meinungsbildung der Bürger mit und schafft fürjeden Einzelnen die Grundlage, nicht nur am politischenGeschehen, sondern auch am täglichen Leben teilzunehmen.Sie hat aber auch eine wichtige Kritik- und Kontrollfunktiongegenüber der Politik. Wo sonst ist es möglich,dass immer alle Seiten gleichzeitig zu einem Themagehört werden? Die Verantwortungsträger müssen sichhier nicht nur alle paar Jahre in Wahlen verantworten,sondern jeden Tag, und das ist auch gut so.Wie wichtig eine wirklich freie Presse ist, zeigt sichvor allem in den Ländern, in denen es eben keine freiePresse gibt. Und deswegen bin ich froh, dass wir in derBundesrepublik Deutschland die Pressefreiheit hochhalten.Ein wichtiger Teil der Arbeit von Journalisten ist dieRecherche. Hierfür müssen Journalisten alle Möglichkeitenhaben, um die eben genannten Funktionen vollauszufüllen. Dazu gehört selbstverständlich auch, dassdie Behörden und Verwaltungen auf den unterschiedlichenStufen der Presse gegenüber Auskünfte erteilen,soweit dem keine wichtigen Gründe entgegenstehen.Nun hat das Bundesverwaltungsgericht in der letztenWoche ein Urteil vorgelegt, das sich mit der Rechtsgrundlagesolcher Auskunftsansprüche beschäftigt. Demnachkönnen sich Journalisten nicht länger auf die Landespressegesetzeund die darin normierten Auskunftsansprücheberufen, wenn sie Informationen von Bundesbehördenerhalten wollen. Der Auskunftsanspruch ergibtsich in diesem Fall aus der verfassungsrechtlich normiertenPressefreiheit in Art. 5 Abs. 1 unseres Grundgesetzes.Eine bundesgesetzliche Regelung muss also her.Schön, dass die Fraktion der SPD nun so schnell einenmit heißer Nadel gestrickten Gesetzentwurf dazuvorlegen konnte. Hier geht es offenkundig nicht um dieSache an sich, sondern darum, als Erster durchs Ziel zulaufen. Die erste Beratung des von der Fraktion der SPDeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflichtvon Bundesbehörden gegenüber der Presse (Presseauskunftsgesetz)muss jedoch aufpassen, an dieserStelle nicht der Hase zu sein, während der Igel schon imZiel wartet.Schon die Tatsache, dass sich offenbar noch nicht einmaldie Mühe gemacht wurde, einen geeigneten Ort fürdie zu schaffende Anspruchsgrundlage zu suchen, undnur ein neues Gesetz mit substanziell einem Paragrafengeschaffen werden soll, zeigt, dass auch die SPD-Fraktionmit ihrem Antrag vor allem Aktionismus vortäuschenwill und an einer ernsthaften Regelung nicht interessiertist. Falscher Aktionismus ist auch deswegen fehlam Platz, da noch nicht einmal die Urteilsgründe vorliegen,ohne die eine seriöse Bewertung überhaupt nichtmöglich ist. Bevor eine neue Regelung geschaffen werdenkann, müssen viele Punkte erst einmal geklärt werden.In dem Gesetzentwurf möchte die SPD den Auskunftsanspruchfür die Presse „zur Erfüllung ihrer öffentlichenAufgaben“. Hier sieht man schon den erstenhandwerklichen Fehler, der nur passieren kann, wennblind Texte kopiert werden. Die Legaldefinition für die„öffentlichen Aufgaben der Presse“ findet sich nur inden jeweiligen Landesgesetzen. Soll das von der SPD-Fraktion gewünschte Bundesgesetz dann etwa auf dieLandesgesetze verweisen?Auch das Verhältnis zu anderen Informationszugangsansprüchenwird kurz mit einem Satz abgetan; nähereGedanken zur Systematik wurden sich hier offensichtlichnicht gemacht. Warum wurde denn nicht einStandort im Informationsfreiheitsgesetz, IFG, gesucht?Hier hätten wir den Vorteil, dass wir bestimmte Regelungenschon vorfinden, die im vorliegenden Entwurf komplettfehlen. Dazu zählen mögliche Versagungsgründebeim Schutz von besonderen öffentlichen Belangen unddie Klarstellung des Schutzes personenbezogener Daten.Aber auch eine Einfügung in das Verwaltungsverfahrensgesetz,VwVG, wäre denkbar gewesen.Warum ist das alles in dem Antrag nicht drin? Weilhier schnell irgendetwas vorgelegt werden sollte und fürNachdenken offensichtlich keine Zeit war. Ohne das Abwartender Begründung durch das Gericht ist das Schaffenvon neuen Gesetzen ein Blindflug. Aber das schnelleBeschließen von Gesetzentwürfen, die dann vom Verfassungsgerichtkassiert werden müssen, haben Sie ja schonpraktiziert, als Sie noch selber auf der Regierungsbanksaßen. Wir werden diese Hektik jedenfalls nicht an denTag legen. Manchmal macht einen das Abwarten undvernünftige Abwägen dann zum Igel.Liebe Kollegen von der SPD-Fraktion, da Sie sich anschicken,ab September in diesem Haus das Zepter übernehmenzu wollen, sollten Sie doch lieber in den nächstenMonaten zumindest versuchen, glaubhaft zu machen,dass Sie dazu in der Lage sind, anstatt sich mit Schnellschüssenin die Nesseln zu setzen. Aber offensichtlich istja nicht nur Ihr Kanzlerkandidat für unsubstantiierteSchnellschüsse gut.Ich kann deswegen nur für die Ablehnung des Antragsplädieren.Jan Korte (DIE LINKE): Eine Voraussetzung füreine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichteist der freie Zugang zu historisch und politischrelevanten Informationen: für die Presse, die Öffentlichkeitund für die Wissenschaft. Jeder Versuch, die(C)(D)


28214 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)(B)Überprüfbarkeit des historischen und aktuellen Regierungshandelnseinzuschränken, stellt auch eine nichthinzunehmende Einschränkung der Grundlagen der Demokratiedar. Der Anlass für die hier vorliegende Gesetzesinitiative,auf den wir noch ausführlicher zu sprechenkommen werden, nämlich der Versuch der Bundesregierungin der letzten Woche, das Presserecht auszuhebeln,hat viele in diesem Land zu Recht maßlos geärgert. Undtrotzdem muss ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegenvon der SPD, zunächst einmal Folgendes sagen: Dasist mal wieder ein Schnellschuss, den ich in die EckeWahlkampfpopulismus einordne und der der Bedeutungder Sache nicht wirklich gerecht wird.Schon das Prozedere, auf eine Entscheidung einesGerichtes zu reagieren ohne Kenntnis der schriftlichenUrteilsbegründung – die liegt nämlich noch nicht vor –,aus der sich wichtige Erkenntnisse, Umfang und Grenzeneines solchen Anspruches ableiten ließen, ist wenigseriös. Hier wäre stattdessen in intensiver Auseinandersetzungund sorgfältiger Arbeit die Chance zu ergreifen,der vierten Gewalt ernstzunehmende Instrumentarien andie Hand zu geben. Aber das kann ja und wird hoffentlichauch in den nächsten Wochen noch kommen.Nun aber zum ärgerlichen Anlass des Ganzen. Nachdemsich die Bundesregierung wieder einmal geweigerthatte, einem Journalisten darüber Auskunft zu erteilen,wie viele hauptamtliche sowie inoffizielle Mitarbeiterder Bundesnachrichtendienst, BND, zwischen 1956 und1980 hatte und wie viele davon zuvor Mitglied derNSDAP, der SA, der SS, der Gestapo oder der Abteilung„Fremde Heere Ost“ waren, mussten am 20. Februar dieRichter des Bundesverwaltungsgerichts über das Auskunftsrechtder Presse entscheiden. Und das Mauern hatbei Ihnen ja eine unendlich lange und schlechte Tradition.Anstatt endlich, fast 68 Jahre nach der Befreiungvom Nationalsozialismus, die Akten über die alten Nazis,die überall in der jungen Bundesrepublik wieder inAmt und Würden kamen, zu öffnen, rücken Sie immernur das an Information heraus, wozu Gerichte Sie verdonnern,oder wenn der öffentliche Druck zu groß wird.An diesem Punkt muss ich Ihnen, liebe Kolleginnenund Kollegen der SPD, auch noch einmal vorhalten, dassSie, zumindest was das Auskunftsrecht bei allen Aktenmit NS-Bezug angeht, schon längst für Transparenz undFreiheit hätten sorgen können. Dafür hätten Sie einfachnur unsere Initiativen zur Freigabe unterstützen und sichnicht im trauten Bunde mit der Koalition weiter der Geheimniskrämereiverschreiben müssen. Dann wären wiran diesem Punkt schon einen wichtigen Schritt vorangekommen.Aber okay, auch das kann sich ja noch ändern.Ich baue da weiter auf die Kraft der Vernunft.Nun aber zurück zum eigentlichen Problem. Leiderhaben die Richter in Leipzig diesmal die Bundesregierungnur sehr zurückhaltend in die Schranken gewiesen.Ihrer skandalösen Rechtsauffassung, Bundesbehördenwären nicht verpflichtet, Journalisten Auskunft zu erteilen,da sie nicht den Pressegesetzen der Länder unterlägen,hat das Bundesverwaltungsgericht die im Grundgesetzverbriefte Pressefreiheit, Art. 5 Absatz 1 Satz 2,entgegengehalten: „Mit der Gewährleistung der Pressefreiheitträgt das Grundgesetz der besonderen Bedeutungder Presse in einem freiheitlichen demokratischen StaatswesenRechnung. Hieraus folgt die Pflicht des Staateszur Erteilung von Auskünften.“Doch dann machten die Richter eine Einschränkung,mit der sie zu begründen versuchen, warum der Journalistund damit die Öffentlichkeit, trotz seines Grundrechts,doch keinen Anspruch darauf haben, zu wissen,wie viele Mitarbeiter eine Bundesbehörde wie der BNDhatte. Ich zitiere: „Der Auskunftsanspruch bezieht sichnur auf Informationen, die bei der auskunftspflichtigenBehörde aktuell vorhanden sind. Das Auskunftsrechtführt nicht zu einer Informationsbeschaffungspflicht derBehörde. Bezogen auf den Anteil früherer Beschäftigtermit NS-Vergangenheit, stehen dem Bundesnachrichtendienstgegenwärtig keine auskunftsfähigen Informationenzur Verfügung.“Nun ja. Dieser Teil des Urteils ist für jeden, der sichetwas mit dem Thema auskennt, nur schwer nachzuvollziehen.Vor über zwei Jahren wurde eine UnabhängigeHistorikerkommission beim BND damit beauftragt, unteranderem genau dieser Frage nachzugehen. Laut Angabender Bundesregierung in der Antwort auf die GroßeAnfrage meiner Fraktion zum „Umgang mit der NS-Vergangenheit“,Drucksache 17/8134, verfügt der BNDüber Personaldatensätze von über 5 900 ehemaligen Mitarbeiternder für eine „NS-Belastung“ infrage kommendenGeburtsjahrgänge 1879 bis 1928. Für den Verantwortungsbereichdes BND ist aus öffentlich zugänglichenUnterlagen der Central Intelligence Agency, CIA, vonAnfang 1954 bekannt, dass damals mindestens 50 Mitarbeiterder Organisation „Gehlen“ zuvor der Waffen-SS,der Allgemeinen SS oder dem SD der SS angehört haben.Außerdem ist inzwischen bekannt, dass der BND sich infolgeder Ermittlungen einer auf Anordnung des damaligenBND-Präsidenten Reinhard Gehlen im Herbst 1963eingerichteten internen Ermittlungsgruppe, der sogenanntenDienststelle 85, von 71 Mitarbeitern wegen derBeteiligung an NS-Verbrechen getrennt haben soll. Dieinterne Ermittlungsgruppe des BND überprüfte damalsrund 200 hauptamtliche Mitarbeiter im Hinblick auf ihreNS-Vergangenheit. Unter den befragten Mitarbeiternwaren 146 in der NSDAP, der SS, im Reichssicherheitshauptamtoder in der Geheimen Feldpolizei gewesen.Seit langem besitzt darüber hinaus der BND die Information,dass 1960 2 450 Mitarbeiter bei ihm beschäftigtwaren, von denen etwa 200 zuvor im Reichssicherheitshauptamtgearbeitet hatten.Warum die Bundesregierung sich nach eigenen Angabenaber „gegenwärtig“ nicht für „auskunftsfähig“ hält,versteht kein Mensch. Die Angaben sind, trotz Ihrer regelmäßigenSchredderei, offensichtlich vorhanden, manmüsste sich also nur die Mühe machen, sie zusammenzuschreiben.Erklären Sie doch einmal, warum Sie unddie seit zwei Jahren mit vier Professoren und etlichenMitarbeitern tätige Kommission nicht längst herausgefundenhat, wie viele Mitarbeiter der BND zu welcherZeit hatte und welche davon im NS-Vernichtungsapparattätig waren?(C)(D)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28215(A)Da das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat,dass der verfassungsunmittelbare Anspruch auf Informationlediglich einen „Minimalstandard“ gewährleistet,besteht selbstverständlich dringender Handlungsbedarf.Die jetzige Situation, in der die Presse, wenn sie von einerBundesbehörde Auskunft verlangt, sich jedes Malauf das Grundgesetz berufen und gegebenenfalls einenVerfassungsrechtler einschalten muss, ist eines demokratischenRechtsstaats nicht würdig und muss schnell, abereben auch parlamentarisch sauber und sorgfältig beendetwerden.Dass die Entscheidung deshalb, wie die FAZ am25. Februar zu berichten wusste, angeblich nun im Justizministeriumgeprüft wird und selbst dem Innenministerdas Ganze etwas unangenehm ist, beweist doch eins:Ihre Verschlusshaltepolitik ist gescheitert und mussschnellstens beendet werden.Nun aber noch einmal zum vorliegenden SPD-Entwurf.Es ist ja zutreffend, dass bisher die weitgehendeinhellige Meinung in Schrifttum und Rechtsprechungdavon ausgegangen ist, dass gegenüber Bundesbehördenein Auskunftsanspruch aus Landespressegesetzen resultiert.Dem hat das Bundesverwaltungsgericht, BVerwG,soweit aus der Pressemitteilung erkennbar, jetzt aber einenRiegel vorgeschoben. Da das BVerwG nun offenbareinen Auskunftsanspruch unmittelbar aus dem Grundgesetzableiten will, liegt jetzt, im Gegensatz zum allgemeinenAuskunftsanspruch, ein Verfassungsauftrag an den Gesetzgebervor, für die Presse einen Zugang zu eröffnen.Die Gründe hat das OVG Berlin 1995 – 8 B 16/94 –schon wunderbar prägnant ausgeführt:Damit die Medien andere informieren können, was jaihr Daseinszweck in einer Demokratie ist, müssen sieselbst informiert sein. Um diesen Zustand zu erreichen,müssen sie sich – so das OVG Berlin – „Einblick auch innicht allgemein zugängliche Quellen verschaffen können,also auch in das Innere der Verwaltung und die dortigenVorgänge.“ Oder in Kurzform: kein Einblick, keineInformationsmöglichkeit, keine informierten Bürgerinnenund Bürger gleich keine richtige Demokratie.Nimmt man diese klare Aussage des OVG, kombiniertsie mit dem vom Bundesverwaltungsgericht erkanntenMinimalauskunftsanspruch als Rechtslage undvergisst für einen Augenblick die Vorlagengeschwindigkeitund das Wahlkampfgedöns als Qualitätsnachweis,ergibt sich: Der Entwurf der SPD liefert substanziellnicht mehr als das, was wir haben, plus die Demonstrationdes Willens, einen Verfassungsauftrag, wo immer esgeht, in einem Gesetz zu regeln. Das alleine macht abernoch kein gutes Gesetz.Um nicht zu sehr auf Details einzugehen, möchte ichhier exemplarisch nur ein den Verfassern ganz wichtigesZiel nennen: die Rechtssicherheit. Gerade das für diePraxis ja enorm wichtige Auskunftsverweigerungsrechtist im Abs. 2 des Gesetzentwurfs so unbestimmt formuliert,dass selbst das viel allgemeinere Informationsfreiheitsgesetz,IFG, dagegen ein Ausbund an Klarheit ist.Damit verfehlt der Gesetzentwurf aber genau denPunkt, der für seine Geburt sozusagen Erzeuger war:„Es ist von besonderer Bedeutung“ – heißt es im Entwurf–, „Rechtssicherheit für die Presse hinsichtlich desUmfangs des verfassungsrechtlich verbürgten Auskunftsanspruchsund insbesondere bezüglich der Ausnahmenzu schaffen. Es ist mit dem verfassungsrechtlich geschütztenöffentlichen Auftrag der Presse nicht vereinbar,dass das Spektrum vermeintlicher Ausnahmen erstim Wege langwieriger Rechtsstreitigkeiten erkennbarwird.“Genau diese Auseinandersetzungen verhindert derEntwurf mit seiner Scheinklarheit gerade nicht. Er kodifiziertden jetzt vom BVerwG zum allgemeinen Statusquo erklärten Minimalzustand. Die Begründung zu demEntwurf erschöpft sich in Floskeln allgemeiner Art, alswären sie aus der Zeitung abgeschrieben. Da gibt dasweitaus allgemeinere IFG mehr Rechtssicherheit.(C)(B)Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): DiePressefreiheit ist ein sehr hohes Gut. Diesen Satz würdenvermutlich fast jeder und jede meiner Kolleginnen undKollegen unterschreiben. Wer würde diese Feststellungschon bestreiten? Aber in der Praxis zeigt sich dann, weres ernst meint mit der Pressefreiheit und wer sie lediglichin Sonntagsreden hochhält. Der Bundesnachrichtendiensthat den Begriff auf jeden Fall sehr eng – ichmeine, zu eng – ausgelegt und bei der Herausgabe vonInformationen an einen Journalisten gemauert. Damitwurde mit einem doch meist gepflegten Brauch der Auskunftvon Bundesbehörden an Journalisten gebrochen.Vergangene Woche wurde deshalb vor Gericht um diePressefreiheit in Deutschland gerungen. Das Bundesverwaltungsgerichtin Leipzig hatte die Klage eines Journalistenabgewiesen, der etwas über die NS-Vergangenheitdes Bundesnachrichtendienstes wissen wollte. Der Vertreterdes Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgerichtvertrat bei der Verhandlung die Auffassung, dassBundesbehörden Journalistinnen und Journalisten solcheAuskünfte nicht geben müssen. Denn zur Herausgabesolcher Daten verpflichten lediglich die Landespressegesetze,die aber nicht für Bundesbehörden gelten, so seinArgument. Das Gericht hat dazu ein zweischneidigesUrteil gefällt. Das Bundesverwaltungsgericht hat demVersuch des Bundes, der Presse keine Auskünfte mehrerteilen zu müssen, einen Riegel vorgeschoben und aufdie Verfassung verwiesen. Ich bin erleichtert, dass dasGericht für die Medien einen verfassungsrechtlich gedecktenAnspruch auf ein Auskunftsrecht festgestellthat. Wie genau dieser aber ausgestaltet sein soll, da hatsich Leipzig jedoch vornehm zurückgehalten.Das Gericht hat jedoch auch festgestellt, dass die Landespressegesetzenicht für Bundesbehörden gelten, undes deshalb auf Bundesebene eine Regelungslücke gibt.Mit dem Urteil hat sich also faktisch wenig geändert.Die Behörden dürfen Informationen zurückhalten, solangenicht dagegen geklagt wird. Das Presserecht darfaber nicht zum stumpfen Schwert verkommen. Es ist absurd,wenn Journalisten in Bundesbehörden etwas verweigertwird, was ihnen in Landesbehörden zusteht. Undmit den Regelungen in den Landespressegesetzen ist für(D)


28216 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013(A)die Bundesbehörden ganz offensichtlich kein Zugriff gegeben.So wird Journalistinnen und Journalisten aber die Arbeitsgrundlagegegenüber Bundesbehörden entzogen.Denn es ist richtig und wichtig, dass Journalisten Faktenfinden und offenlegen können, die für Bundesbehördenmanchmal unbequem sind. Es ist für Journalisten nichtausreichend, nur auf eine Minimalauskunft zurückgreifenzu können. Akten dürfen Journalisten deshalb nichtgrundsätzlich vorenthalten werden. Ein vages Auskunftsrechtist meines Erachtens ungenügend. Journalistendürfen nicht auf das Wohlwollen oder den Fleiß derBehördenmitarbeiter und -mitarbeiterinnen angewiesensein.Ich gehe davon aus, dass wir deshalb eine Alternativeauf Bundesebene benötigen, damit diese Rechtsunsicherheitgeklärt wird. Die Journalistinnen und Journalistenbrauchen jetzt Klarheit, ihre Informationsansprüchemüssen klar geregelt werden.Die SPD hat deshalb ein Presseauskunftsgesetz vorlegt.Das ist ein gutes Signal – wenn auch etwas schnell.Wir werden diesen Gesetzesvorschlag wohlwollendprüfen. Wir möchten uns aber die Zeit nehmen, um sicherzu sein, ob der Vorschlag kompetenzrechtlich belastbarist oder ob eine Regelung auf anderer Ebeneschlagkräftiger ist. Dazu braucht es auch das Urteil desBundesverwaltungsgerichts im Volltext. Zudem mussentschieden werden, ob der Vorschlag der SPD ausreichendist oder noch ausgeweitet werden muss. Wir sehen,dass Handlungsbedarf gegeben ist, wollen aber einesolide Lösung, die den Journalistinnen und JournalistenRechtssicherheit gibt.(C)(B)(D)Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.deVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.deISSN 0722-7980

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