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Physikalische Chemie I - Prof. Dr. Bernhard Dick

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<strong>Physikalische</strong> <strong>Chemie</strong> IFür Studenten des Lehramtes,der Biologie undder Biochemie2 SWSt Vorlesung und 1 SWSt ÜbungenErstellt unter Verwendung des Vorlesungsmanuskripts von <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H. KohlerDa das Manuskript sicher noch viele Fehler enthält, bin ich für jeden Hinweis dankbar.G. Schmeer1


Vorbemerkungen zur 1. Auflage (<strong>Prof</strong>. Kohler)Das Manuskript trägt dem studentischen Wunsch Rechnung, vom Mitschreiben in der VorlesungPC1 befreit zu sein. Zugleich stellt es die in der Vorlesung mündlich vorgetragenenErläuterungen in ausführlicher und weniger flüchtiger Form zur Verfügung.Die Existenz des Manuskriptes hat aber zur Folge, dass der zuvor übliche Tafelmitschriebweitgehend durch den Gebrauch von Kopien des Manuskripttextes abgelöst wird. Aufgrund derTextkonserve kann der Hörer leider nicht mehr direkt miterleben, wie ein Gedankengebäudekontinuierlich an der Tafel entsteht. Ich bemühe mich daher um einen Mittelweg.Gedankengänge, die besonders interessant und wichtig sind, werden nach wie vor an der Tafelentwickelt. Dies geschieht in enger Anlehnung an das Manuskript, womit keine Notwendigkeitbesteht, doch wieder mitzuschreiben. So wird das Manuskript - hoffentlich - dazu führen, dass inder Vorlesung gedanklich intensiver mitgearbeitet und zugleich die Nacharbeit "im stillenKämmerlein" erleichtert wird. Das Manuskript wird hoffentlich nicht dazu beitragen, dass derstressgeplagte Student angesichts "vorrangiger" Aktivitäten anderer Art erst denVorlesungsbesuch und dann die eigene Auseinandersetzung mit dem Stoff ganz bleiben lässt.Selbstverständlich soll das Manuskript nicht Seite für Seite oder Formel für Formel gebüffeltwerden. Es kommt darauf an, die grundlegenden Zusammenhänge zu erarbeiten und dieEinzelergebnisse als Illustrationen solcher Zusammenhänge zu begreifen. Machen Sie es sich zurRegel, physikalisch-chemische Zusammenhänge auf dem Wege der Plausibilitätsbetrachtung mitden eigenen anschaulichen Mitteln zu deuten und in den Bestand vorhandenerAlltagserfahrungen und Kenntnisse einzuarbeiten. Nutzen Sie die Gelegenheit, Grundkenntnisseder verschiedensten Art - insbesondere solche chemischer, physikalischer undmathematischer Natur - aufzufrischen. Hier stellen Schulbücher und sonstige Unterlagen ausder Schulzeit eine wichtige Hilfe dar. Um den Einstieg in die mathematische Behandlung zuerleichtern, sind in Anhang 1 einige für die Vorlesung wichtige mathematische Sachverhaltezusammengefasst.Für die laufende Beschäftigung mit dem Stoff ist mindestens eine volle Zeitstunde proVorlesungsstunde zu veranschlagen (zusätzlich zur Vorlesungszeit)! Ziel sollte es sein, einHandwerkszeug (besser Kopfwerkzeug) für die physikalisch-chemische Analyse der vielfältigenWelt der Erscheinungen zu erwerben. Dazu muss man eigenständig üben. Also:Übungsaufgaben selbstständig lösen! Sie können hinterher immer noch in der (auf dem Netzzugänglichen) Musterlösung nachschauen.Um die Anwendung der theoretischen Verfahren an zusätzlichen Beispielen zu illustrieren, wirdan verschiedenen Stellen des Manuskripts auf durchgearbeitete Beispiele verwiesen, die inAnhang 2 zusammengefasst sind.Viel Erfolg bei der Beschäftigung mit der physikalischen <strong>Chemie</strong>,H.-H. Kohler (Wintersemester 2004/2005)Diesen Vorbemerkungen möchte ich nur noch hinzufügen, dass eine aktive Mitarbeit sich auchdadurch zeigt, dass Sie, wenn Sie etwas nicht verstanden haben, nachfragen und um eine für Sieverständlichere Erläuterung bitten. Trauen Sie sich deshalb, Fragen zu stellen.G. Schmeer (Wintersemester 2006/2007)3


AGrundlagen der Chemischen ReaktionskinetikA.1. AllgemeinesDie chemische Reaktionskinetik ist ein Teilgebiet der physikalischen <strong>Chemie</strong> und befasst sichmit der Untersuchung des Zeitverhaltens chemischer Reaktionen und physikalischer Prozesse inMolekülen und Atomen. Die chemischen Reaktionen sind stets mit einer Änderung der Struktur(Konfiguration und Konformation) von Teilchen verknüpft, wobei diese Strukturänderungenprimär eine Energieaufnahme erfordern, durch die die Reaktionspartner in einen reaktivenZustand gebracht werden, von dem aus dann die eigentliche Reaktion erst ablaufen kann. Diegesamte Reaktion selbst kann stark exotherm sein. Die Energieübertragung kann über Elektronen,Atome, Moleküle aber auch über Phononen oder Photonen erfolgen.Die Dynamik solcher Prozesse ist außerordentlich groß; nimmt man als Zeitmaß die Halbwertszeitτ bei der eine Reaktion zur Hälfte abgelaufen ist, so umfasst die Gesamtheit aller bekannten−chemischen Prozesse den Zeitbereich von 10 14 ≤τ≤10 12 s .Zeitskala chemischer ReaktionenRelaxationESRNMRMessmethodenElektrochemie-12 -9 -6 -3 0 3 6 9 12Festkörperreaktionen- +OH + H+Be + SO2-4Diffusion- 3-OH + HATPReaktionenSO 2 + H2O+ 2-Ni + SO4-CH3CO2C2H 5 + OH- 2-I+ SO 2 8PolymerisationenGeologischeProzesselog( t)Prozess Geschwindigkeit DauerGeologische Prozesse sehr langsam d bis kaReaktionen der organischenund anorganischen <strong>Chemie</strong>mittel ms bis hReaktionen zwischen Ionen sehr schnell ns bis sEnzymreaktionen sehr schnell μsInnermolekulare Prozessesehr schnell bisextrem schnellfs bis nsDie Untersuchungsmethoden müssen natürlich jeweils den experimentellen Anforderungen entsprechen,wie in einer Übersicht in Abbildung 1 zu sehen ist, in der auch charakteristische Reaktionenzu den einzelnen Zeitbereichen angeben sind.Die direkten Ergebnisse der reaktionskinetischen Beobachtungen gelten für das gesamte reagierendeSystem im makroskopischen Maßstab. Zu ihrer exakten Registrierung und ihrer Interpretationmüssen geeignete Strategien entwickelt werden:• Es werden makroskopisch gültige Zeitgesetze gesucht, die den Reaktionsablauf exaktbeschreiben. Diese Zeitgesetze beschreiben entweder die Reaktionsgeschwindigkeit (Diffe-4


A.2.Die ReaktionsgeschwindigkeitIn den einleitenden Betrachtungen wurde der Begriff "Reaktionsgeschwindigkeit" verwendet,ohne sich über seine Bedeutung Rechenschaft abzulegen.Im einfachsten Falle ist bei Reaktionen in homogener PhaseA+ B → C + D(2.1)eine erste Definition der Reaktionsgeschwindigkeit durch die zeitliche Änderung der Mengender an der Reaktion beteiligten Komponenten gegeben:dndnAv =− noder vdt= Cn(2.2)dtDa die Menge an A während der Reaktion abnimmt, muss der Differentialquotient mit -1 multipliziertwerden, um eine positive Reaktionsgeschwindigkeit zu erhalten. Da in homogener Phasedas Volumen während der Reaktion konstant bleibt, kann die oben definierte Reaktionsgeschwindigkeitdurch das Volumen dividiert werden. Darüber hinaus muss auch noch die Stöchiometrieder Reaktionsgleichung berücksichtigt werden,ν A+ ν B⎯⎯→ ν C+ν D (2.3)A B C Dso dass eine endgültige Definition der Reaktionsgeschwindigkeit in flüssiger, homogener Phasegegeben ist mit1 d 1 d 1 d 1v =− c c cA B Cν dt =− ν dt = ν dt= dc Dν dt . (2.4)AB C DAls Beispiel sei die folgende Reaktion angegeben:2NO + Br → 2NOBr1 dcdcNOBr 12NOBr- = - = d c2 dtdt2 dtEs existiert danach für alle Reaktionspartner nur eine Reaktionsgeschwindigkeit.In der Gasphase verwendet man den Partialdruck als Konzentrationsmaß:p = cRTi2Bei Reaktionen in oder mit festen Phasen stößt die Festlegung der Reaktionsgeschwindigkeit alsÄnderung der Teilchenzahl in der Zeiteinheit auf Schwierigkeiten. Hier sind andere Definitionengünstiger, wie z.B. Massenänderungen, Oberflächenänderungen oder Volumenänderungen.Schließlich ist es – vor allem in der technischen Anwendung – üblich, physikalische Variable alsKonzentrationsmaß zur Festlegung der Reaktionsgeschwindigkeit zu wählen.i(2.5)(2.6)6


A.3.Die Zeitgesetze der chemischen KinetikA.3.1.Die Ordnung einer ReaktionAus der beobachteten Variation der Konzentrationen der Reaktionspartner lässt sich ein funktionalerZusammenhang zwischen der Reaktionsgeschwindigkeit und den Konzentrationen derReaktionspartner zu einem gegebenen Zeitpunkt bestimmen. Diese Funktion - das differentielleZeitgesetz - hat immer die Form einer oder eines Systems gewöhnlicher Differentialgleichung,wobei nun eine Klassifizierung der Reaktion nach ihrer Ordnung möglich ist, wenn als Ordnungder Reaktion die Summe aller Exponenten der im differentiellen Zeitgesetz auftretenden Konzentrationendefiniert wird:dcAα β γ− = k ⋅cA ⋅cB ⋅cC(3.1)dtDie Ordnung n dieser allgemeinen Reaktion ist:n = α + β + γ +… (3.2)Die Größen α, β, γ, usw. sind Teilordnungen bezüglich der Komponenten A, B, C usw. In derRegel ist die Ordnung eine ganze Zahl, die kleiner als 4 ist. Die folgenden Gleichungen gebendie am häufigsten vorkommenden differentiellen Zeitgesetzte irreversibler Reaktionen an.dcA− = k ⋅cAdtReaktion 1. OrdnungdcA− = k ⋅c cA BdtReaktion 2. Ordnung(3.3)dcA− = k ⋅c c cA B CdtReaktion 3. Ordnungwenn alle Reaktionspartner verschiedene Konzentrationen besitzen.Die Konzentrationsabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit ergibt sich aber nicht immer ausder Reaktionsgleichung:• Brutto-Reaktionsgleichung = Summe vieler nacheinander und parallel ablaufenderTeilreaktionen• In der Regel wird nur die langsamste Teilreaktion beobachtetA.3.2. Die GeschwindigkeitskonstanteAls wesentliche Größe tritt in diesen Differentialgleichungen die Konstante k als Proportionalitätsfaktorauf, die als Geschwindigkeitskonstante der Reaktion die spezifische Reaktionsgeschwindigkeitfür c = 1 ist. Sie ist die zentrale Größe einer jeden reaktionskinetischen Untersuchung.7


A.3.3.Reaktionen 1. OrdnungA.3.3.1. Radioaktiver Zerfall von Atomen.Einfachster Fall einer Umwandlungsreaktion. Kein chemischer Prozess239 Pu ⎯→ 235 U + 4 He 2.44⋅10 4 a3 H ⎯→ 3 He + e - 12,46 a14C ⎯→ 14 N + e - 5730 aA → B+CdcA− = k⋅cAdtZeitgesetz stimmt mit Umsatzreaktion überein. Angegeben sind die Halbwertszeiten des Zerfalls(Siehe später!).A.3.3.2. Intramolekulare HydridverschiebungdcA− = k⋅cdtEinfache chemische Reaktion.Zeitgesetz stimmt mit Umsatzreaktion übereinA→BAA.3.3.3. Saure Esterhydrolyse8


A+ B → C+ D+BdcA− = k⋅cAdtKatalytische Wirkung des Hydronium-Ions (B).Zeitgesetz stimmt nicht mit Umsatzreaktion überein. Katalysator verändert die Reaktionsgeschwindigkeit,erscheint aber nicht im Zeitgesetz.A.3.3.4. Landoldt-ReaktionSO + 2I → 2SO + I2− − 2−2 8 4 2undI + 2S O → 2I + S O2− − 2−2 2 3 4 6dc2−SO 2 8− = k⋅c2−⋅cSO 2 8dtKomplizierte Radikalreaktion. Zeitgesetz stimmt nicht mit Umsatzreaktion überein−IA.3.4.Reaktionen 2. OrdnungA.3.4.1. Basische EsterhydrolyseA+ B→ C+DdcA− = k⋅cA⋅cdtZeitgesetz stimmt mit Umsatzreaktion überein.A.3.4.2. Bildung von Jodwasserstoff in der GasphaseH2 + I2→2HIA+ B→2CdcA− = k⋅cA⋅cBdtDiese Reaktion wurde lange Zeit als typische Reaktion 2.Ordnung in der Gasphase angesehen,wobei sich erst später herausstellte, dass die Reaktion nur zufällig im Rahmen der Messgenauigkeitmit dem postulierten Zeitgesetz übereinstimmt.B9


A.3.4.3. Bildung von Bromwasserstoff in der GasphaseH2 + Br2→2HBrA + B→2 Cdck⋅c cHBr=d t m+c / cH2 Br2komplizierter Radikalmechanismus. Zeitgesetz stimmt überhaupt nicht mit Umsatzreaktion überein.HBrBr2A.3.5.Komplizierte ReaktionenA.3.5.1. Assoziatbildung von IonenMe + SO ⎯⎯⎯→ MeSO2+ 2- HO 24 4Assoziation von Metallkationen an Sulfationen in Wasser mit mehreren Assoziationsschritten,Abspaltung von Wasser aus Hydrathülle. Hier beobachtet man 6 Prozesse 1.Ordnung, die deneinzelnen Schritten der Ionenpaarbildung aus den hydratisierten Ionen entsprechen.A.3.5.2. PolymerisationInitiierung ⇒ Polymerisationsstart ⇒ Folge von vielen KettenwachstumsschrittenRadikalische Polymerisation, ionische Polymerisation, Polyaddition, PolykondensationA.3.5.3. Gekoppelte Reaktionen in der AtmosphäreOzon-Abbau durch Chlorhaltige SubstanzenR−Cl → R⋅ + Cl⋅Cl ⋅ + O3 → ClO⋅ + O2ClO⋅ + O → Cl ⋅ + O3 210


A.3.5.4. Vielstufige Biochemische ReaktionenSehprozess:Biologisch aktive Substanz ist Rhodopsin:Schiff-Base aus Retinal und Opsin (Protein)Lichtempfindliche Isomerisierungsreaktionh⋅ν11-cis-Retinalall-trans- RetinalAbsorptionsmaximum: 500 nm, Halbwertszeit: ca 5psΔG(11-cis-Retinal) > ΔG(all-trans-Retinal)• Isomerisierung vergrößert das Dipolmoment der Betainstruktur ⇒ Konformationsänderungendes Proteins und der Zell-Membranstruktur des Zäpfchens.• Anschließend komplizierte Folge von biochemischen Dunkelreaktionen bis zur Nervenreizungund Signalübertragung• Durch Energie des Stoffwechsels geförderte Rückbildung des 11-cis-Rhodopsins über vieleStufen innerhalb von 5 minEnzymreaktion:Proteinspaltung mit Proteasen (Hydrolyse von Amiden)Proteasen enthalten die über Wasserstoffbrücken gekoppelte Triade Serin (Ser 195), Histidin(His 57) und Asparaginsäure (Asp 102), die gemeinsam Peptide (Proteine) bzw. Ester spaltenkönnen.Die Bruttoreaktion der Amidhydrolyse lautetOR C N R'H+ H O HOR C O H + H N R'HDiese Reaktion ist in Wasser ohne Katalysator extrem langsam.11


Die Enzym-katalysierte Reaktion verläuft in mindestens 5 Schritten1. Schritt: Nukleophiler Angriff des Serins und Bildung eines Zwischenproduktes⇒2. Schritt: Spaltung der N-C-Bindung und Bindung des Amins an Histidin über H-Brücke3. Schritt: Eliminierung des Amins durch Wasser4. Schritt: Nukleophile Anlagerung von Wasser an Carbonylkohlenstoff5. Schritt: Abspaltung der Carboxylgruppe⇒12


Durch die konzertierte Aktion von Serin und Histidin wird die Carbonamidmesomerie im Amidaufgehoben. Das tetraedrische Zwischenprodukt passt exakt in die reaktive Tasche der ProteaseDie durch Proteasen katalysierte Proteinspaltung läuft um den Faktor 10 10 schneller als dieunkatalysierte Reaktion ab.Farbige Zeichnungen: D.Voet, J.G.Voet, Biochemie, VCH, Weinheim, 199213


A.3.5.5. Populationsdynamik, Ausbreitung von KrankheitenDie Populationsdynamik ist ein Prozess, bei dem selbstverstärkende (autokatalytische) undhemmende Prozesse zusammenspielen. Hier kann es zum Verschwinden von Populationen, zumstationären Zustand in Populationsdichten oder auch zu Oszillationen in der Populationsdichteführen. Ähnliche komplizierte Prozesse sind auch in der <strong>Chemie</strong> beobachtbar (Belousov-Shabotinsky –Reaktion)A.3.5.6. ZusammenfassungEs gibt also keine allgemeingültige Regel zur Aufstellung der Zeitgesetze von den Umsatzgleichungenher, so dass die Aufstellung des Zeitgesetzes das Ergebnis und nicht der Anfang derUntersuchung einer chemischen Reaktion ist.• Aus den kinetischen Messungen können in der Regel verschiedene Zeitgesetze formuliertwerden, die mit allen Beobachtungen der Kinetik und der notwendigen Zuatzmessungenin Einklang gebracht werden müssen. Dann sollte das einfachste System von Zeitgesetzenverendet werden.• Es ist immer davon auszugehen, dass eine beobachtete Reaktion aus mehreren Teilschrittenbestehen kann.• Die so erhaltenen Zeitgesetze beschreiben die makroskopische Zeitabhängigkeit der Konzentrationender Reaktionspartner und sind damit von makroskopischen Parametern desgesamten Systems abhängig (<strong>Dr</strong>uck, Temperatur, elektrische Spannung, Konzentrationenweiterer Komponenten u.a.).• Es ist notwendig, für eine Reaktion je nach Reaktionsbedingungen verschiedene Zeitgesetzezu formulieren.• Das wesentliche Ergebnis eines kinetischen Experimentes ist die Bestimmung derGeschwindigkeitskonstante k und deren Abhängigkeit von systemspezifischen Parametern(T, p, pH, Katalysatorkonzentrationen u.a.)14


A.4.A.4.1.Reaktionen 1. OrdnungIrreversible Reaktionen 1. OrdnungkA ⎯⎯→ B (4.1)Die differentiellen Zeitgesetze lauten:dcAdcB= −k⋅ cA= k⋅ cA(4.2)dtdtEs ist zu beachten, dass die Reaktionsgeschwindigkeit eines jeden Reaktionsschrittes - auch beikomplizierten Reaktionen - nur von der Konzentration der Edukte abhängt. Die Geschwindigkeitskonstantek der Reaktion 1. Ordnung hat die Dimension s -1 .Die Summe der beiden Zeitgesetze liefert:dcAdcBte 0+ = 0 ⇒ cA+ cB= c = c A(4.3)dtdtDie Gesamtheit der unabhängigen Zeitgesetze einer jeden Reaktion muss das Gesetz der Mengenerhaltungergeben. Hiermit lässt sich eine Umsatzvariable x (auch Skrabal-Variable genannt)formulieren:0 dxdcBdcAx = c − AcA;dt= dt=− d tEs resultiert nur noch eine einzige Differentialgleichung für die irreversible Reaktion 1.Ordnung:dx0= k⋅(cA− x)(4.4)dtDiese homogene, gewöhnliche lineare Differentialgleichung erster Ordnung lässt sich nachTrennung der Variablendxd0( c − x )= k t(4.5)Aintegrieren. Die Integration beider Seiten ergibt die allgemeine Gleichung mit der IntegrationskonstantenC− c − x = kt+ C, (4.6)0ln(A)die sich aus den Anfangswertbedingungen, die das Experiment festlegt, ergibt:t 0: x 0 lncA0= = ⇒ − =CHiermit ergeben sich die Integralen Zeitgesetze für beide Reaktionspartner:0cA− x cln ln0 =A0 = − ktcAcA0 0 −ktcA = cA − x = cA⋅e(4.8)0 0 −ktcB = x = cA − cA = cA(1 −e )Die Funktion c A (t), das integrale Zeitgesetz, ist eine monoton fallende Kurve. Die Konzentrationan B ist das Komplement zu A.(4.7)15


cc 0AIrreversible Reaktion 1. OrdnungA BcBcAτtDie Zeitkonstante τ einer Reaktion 1. Ordnung ist der Kehrwert der Geschwindigkeitskonstanteτ = 1/k.Der Schnittpunkt beider Kurven entspricht dem halben Umsatz an A und B. Die zugehörige Zeitist die Halbwertszeit Δ t12, die in definierter Weise mit der Geschwindigkeitskonstante zusammenhängt.c A = c B = c 0 A /2c −x c −c/2ln = − ⇒ =−kΔt0 0 0A A Akt ln0 0cAcA12ln 2ln 2 = kΔ t12k = (4.9)Δ tDie Halbwertszeit ist damit unabhängig von der Anfangskonzentration, so dass die Zeit bis zum3/4-Umsatz doppelt so groß wie die Halbwertszeit ist usw. Es ist also möglich, aus dem Abstandder jeweiligen Halbwertszeiten der entsprechenden Umsatzkurve festzustellen, ob eine Reaktionerster Ordnung ist, wenn diese Abstände konstant sind. Weiterhin lässt sich aus der so bestimmtenHalbwertszeit ein erster Wert für die noch unbekannte Geschwindigkeitskonstante bestimmen.Die exakte Ermittlung der Geschwindigkeitskonstante sollte aus dem gesamten, möglichstlange gemessenen Kurvenverlauf erfolgen, wobei mindestens vier Halbwertzeiten gemessenwerden sollte, was einem Umsatz von 92.75% entspricht. Abweichungen von einem postuliertenZeitgesetz machen sich nämlich immer erst bei hohen Umsätzen bemerkbar. Für den Zusammenhangzwischen n Halbwertzeit und dem Verbrauch V gilt folgendes:VncA nΔt1/2−nkΔt n1/2 −kΔt⎛ ⎞1/2= = e = ( e ) = ⎜ ⎟cA( ) 1 1n(0) ⎝2 ⎠ = 212Tabellarische Darstellung dieses Sachverhalts:n 1 2 10 20 30c0c 0,5 0,25 ≈ 10 -3 ≈ 10 -6 ≈ 10 -9AADemnach ist die Konzentration nach 10 Halbwertszeiten auf ca. 1/1000 des Anfangswertes abgesunken.Man betrachtet eine Reaktion daher in der Praxis häufig nach 10 Halbwertszeiten alsbeendet.Falls an einer Reaktion weiter Reaktionspartner P beteiligt sind,16


Ak+ P ⎯⎯→ B(4.10)deren Konzentration c P sehr viel größer als die der Edukte A ist, oder deren Konzentration währendder Reaktion durch Hilfsgleichgewichte konstant bleibt, geht deren Konzentration nicht indas differentielle Zeitgesetz ein. So ist bei vielen Reaktionen in Wasser das Wasser selbst beteiligt,die Konzentration von Wasser (c Wasser = 55,5 mol dm -3 ) aber um viele Zehnerpotenzen größerals die der Reaktanden, so dass die Wasserkonzentration als konstant angesehen wird.A.4.1.1. Bestimmung der Geschwindigkeitskonstante kDas Ziel einer kinetischen Messung ist primär die Bestimmung der Geschwindigkeitskonstantek. Hierzu existieren mehrere Möglichkeiten:• Bestimmung aus der Halbwertszeit:• Nach01 c lnAk =t c xi0A− iln 2k =τlässt sich aus jedem Wertepaar (t i ,c A,i ) ein Wert für k berechnen.• Der Mittelwert über alle k aus vielen Wertepaaren ist die gesuchte Größe.• In der linearen Auftragung0 0ccAAln = kt bzw. ln = kt0iic − x cAiA,iist die Geschwindigkeitskonstante die Steigung der Geraden. Die Form der Auftragunggibt Aufschluss über die Güte der Messung und die Entscheidung, ob die Reaktion exakterster Ordnung ist. In allen anderen Fällen weichen die gemessenen Punkte am Ende derAuftragung von der Geraden ab.0ln c c AA0m = - k+ + + + + + + + ++++t• Lineare Optimierung des integralen Zeitgesetzes. Die lineare Optimierung ist mit dengängigen Taschenrechnern durchführbar. Sie liefert die Steigung, den Achsabschnitt undden Korrelationskoeffizienten.A.4.1.2. KonzentrationsbestimmungDie Messgrößen der chemischen Reaktionskinetik sind einerseits die Zeit t und andererseits alleoder zumindest eine der Konzentrationen der an der Reaktion beteiligten Komponenten, c i . DieBestimmung der zeitabhängigen Konzentrationen erfordert besondere Aufmerksamkeit, da deranalytische Vorgang wesentlich schneller als die chemische Reaktion ablaufen muss.17


A.4.1.3. Konzentrationsbestimmung durch TitrationBei sehr langsamen Reaktionen bereitet dies keine Schwierigkeiten.Bei schnelleren Reaktionen aber muss man entweder die chemische Reaktion in der Titrationslösungunterdrücken – entweder durch Zugabe eines Überschusses an Titrator und Rücktitrationoder durch sehr starkes Abkühlen.A.4.1.4. Konzentrationsbestimmung über physikalische MessgrößenDie Konzentrationen können durch zu ihnen proportionale Messgrößen bestimmt werden.si = ci ⋅ Ai oder si = ni ⋅Ais= ∑si(4.11)In der folgenden Tabelle sind einige häufig gebrauchte Meßmethoden angegeben.MethodeFunktionOptische Extinktionsmessung bei lichtabsorbierendenSubstanzenEi = εi⋅ci⋅ l ; E Ei=∑Konduktometrie in elektrolythaltigenκi = λi⋅0,001 ⋅ ci; κ =∑κiLösungenMessung der optischen <strong>Dr</strong>ehung optischαi= [ α] ⋅ ci;α = αi iaktiver Substanzen∑<strong>Dr</strong>uckmessung in Gasgemischen p n R T / V;p pi=i⋅ ⋅ =∑ iWärmemessung (Reaktionswärmen) Hi = ni⋅ Hi; H = HiTemperaturmessung (Reaktionswärme) Δ T = ( Δ H / Cp)EMK oder pHRT cRedEi= E0− lnnF cVolumenmessung, Dilatometrie Vi = ni⋅ Vi; V = ViDie physikalischen Messgrößen haben gegenüber der direkten Konzentrationsbestimmung dengroßen Vorteil, dass sie beliebig schnell und direkt in der Reaktionslösung bestimmt werdenkönnen und dann als elektrisches Messsignal in beliebig großer Wiederholung vorliegen, währendin einer Reaktionslösung höchstens 20 einzelne Titrationen durchgeführt werden können.Ein Nachteil der physikalischen Messgrößen ist aber, dass sie stets eine Eigenschaft der gesamtenReaktionslösung bestimmen, aus der durch zusätzliche Messungen vor und nach der chemischenReaktion die eigentlich zu den Konzentrationen proportionalen Größen bestimmt werdenkönnen.Zu Beginn der Reaktion (t = 0) beobachtet man den Wert s 0 , während der Reaktion den Wert s(t)und am Ende den Wert s ∞ . Mit diesen drei Größen gilt:0s = s + A c0Ox∑g A Ag0und mitA A B B A A Bg0( )A B A B A0g B As = s + A c + A c c = c + cs = s + A − A c + A cs = s + A c∞Hieraus lassen sich die folgenden Differenzen bilden:∑(4.12)18


s − s0 0 0 ∞s − s ( )0 ∞= A −A c ⇒ c =A B A AA − AAs − s0 0s − s = ( A −A ) c −( A − A ) c = ( A −A ) c ⇒ c =0A B A A B A A B B BA − AA Bs − s∞s− s∞= ( A −A ) c ⇒ c =A B A AA − AABB(4.13)Aus diesen Formeln ist ersichtlich, dass eine physikalische Messung nur dann sinnvoll ist, wenndie Proportionalitätskoeffizienten der beiden Komponenten unterschiedlich sind, da sonst keineÄnderung der Messgröße während der Reaktion auftritt; es sollte sogar nur unter solchen Bedingungengearbeitet werden, bei denen die Differenz ( A − A maximal ist. Nach Einsetzen indas integrale Zeitgesetz ergibt sich:c s −s∞ln = lnc s − s= − kt(4.14)A0A0Zur quantitativen Auswertung ist die Kenntnis von s ∞ notwendig - nicht aber unbedingt s 0 , dadieser Ausdruck nur in einer Konstanten erscheint. Die Bestimmung von s ∞ nach möglichst langerZeit in der Reaktionslösung - mehr als 8 Halbwertszeiten - kann Probleme bereiten, wennFolgereaktionen auftreten, oder wenn die Reaktionsmischung nicht genügend thermostatisiert ist.Wenn s ∞ nahezu Null ist, vereinfacht sich Gleichung (4.14) zucAsln = ln =−kt(4.15)0cAs0so dass hier das Mess-Signal direkt anstelle der Konzentration verwendet werden kann. In denanderen Fällen müssen kompliziertere Auswertemethoden verwendet werden, die bei den entsprechendenPraktikumsversuchen erläutert werden.∞AB )A.4.1.5. Zusammenfassung der irreversiblen Reaktionen 1. Ordnung• Eine (Verbrauchs-)Reaktion 1. Ordnung liegt vor, wenn Teilchen eines Stoffes A einzelnund unter gleich bleibenden Bedingungen zu anderen Teilchen reagieren.• Bei der Reaktion 1. Ordnung ist die zeitliche Änderung zur momentanen Konzentration proportional.Für das integrale Zeitverhalten ergibt sich eine abfallende Exponentialfunktion.• In gleichen Zeiten nimmt die Konzentration (bei gegebener Geschwindigkeitskonstante)immer auf denselben Bruchteil ab.• Die reziproke Geschwindigkeitskonstante ist eine Zeit, die als Zeitkonstante (τ) bezeichnetwird. Sie ist zugleich die mittlere Lebensdauer eines Teilchens. Innerhalb der Zeit τ fällt die1Konzentration auf den Bruchteil e − ≈ 0,37des Ausgangswertes ab.• Für die Halbwertszeit gilt Δ t1/2 = ln 2⋅τ ≈ 0,69τ.19


A.4.2.Irreversible Parallelreaktionen 1. Ordnungk1BAk2CDie differentiellen Zeitgesetze lauten:dcA=−kc 1 A− kc2 A=− ( k1 + k2)c⎫⎪AdtdcB= kc ⎪1 A⎬ dcA+ dcB+ dcC= 0 (4.16)dtdcC= kc2 A⎪dt⎪⎭Und da B und C simultan gebildet werden:∞dcBk1cBk= ⇒ = 1 (4.17)∞dc k c kC2 C 2Die Lösung des differentiellen Zeitgesetzes für A liefert das integrale ZeitgesetzDie entsprechende Auswertungcln ( )0Ak1 k2t kc = + = t (4.18)Alnc Am = -( k1+ k2)ergibt nur die Summe beider Geschwindigkeitskonstanten. Zusammen mit dem Konzentrationsverhältnisder beiden Reaktionsprodukte erst sind beide Geschwindigkeitskonstanten zugänglich.Hier tritt zum ersten Mal das Problem auf, dass die kinetische Messung allein nicht genügendInformation zur vollständigen Auswertung des Experimentes liefert.Für die Halbwertszeit Δ t1/ 2 der Parallelreaktion 1.Ordnung gilt auch k = ln2/ Δ t1/2. Damit folgt1=1+1(4.19)Δt1/2 ( Δt1/2) 1 ( Δt1/2)2Bei Parallelreaktionen 1. Ordnung addieren sich die Halbwertszeiten der Teilreaktionen in reziprokerWeise zur Gesamthalbwertszeit auf.t20


Beispiel: 131 I im Körper ( β-, γ-Strahler)131 I(im Körper)k1k2Zerfall ( 131 Xe )Ausscheidungphysikalische Halbwertszeit: ( Δt1/2) 1 ≈ 8 dbiologische Halbwertszeit: ( Δt1/2) 2 ≈140dFür die Gesamthalbwertszeit ("effektive Halbwertszeit") der Abnahme der Jodkonzentrationergibt sichΔt 1/2 ≈ 7,6 d .Die Ausscheidung hat wegen ihrer vergleichsweise großen Halbwertszeit also nur geringen Einflussauf die effektive Halbwertszeit ( Δt1/2 ≈( Δ t1/2 ) 1).21


A.4.3.Reversible Reaktionen 1. OrdnungAkk1221Die differentiellen Zeitgesetze lauten:dcA⎫⎪=− k c + k c12 A 21 B ⎪dt⎬ dc+ dc= 0 (4.20)A BdcB= k c −k c⎪12 A 21 Bdt⎪⎭Die Reaktion läuft so lange, bis sich das Gleichgewicht eingestellt hatdcA= 0 =− k c + k c(4.21)12 A 21 BdtDies entspricht dem Massenwirkungsgesetzk c12 BK = = (4.22)k cMit folgenden Bedingungent = 0 : co= c , c = c210A A B Bt : c = c − x,c = c + xBAo0A A B Bo0t =∞: cA ⇒ cA = cA −x,cB ⇒ cB = cB+ xdcAdcBdx− = =dt dt dtlässt sich das Differentialgleichungssystem schreiben alsdxo0k12( cAx) k21(cBxdt = − − + ) (4.23)Im Gleichgewicht gilt:o00 = k ( c −x) − k ( c + x) (4.24)12 A21Die Subtraktion der Gleichungen (4.23) von (4.24) liefert:dxk12( x x) k21( x x) ( k12 k21)(x xdt = − + − = + − ) (4.25)Dies ist wieder eine homogene Differentialgleichung 1. Ordnung die sich leicht lösen lässt, wennim Gleichgewicht die Konzentration x vorhanden ist.xln ( k12 k21)x − x = + t (4.26)Auch hier liefert die entsprechende kinetische Auftragung nur die Summe der beiden Geschwindigkeitskonstanten.Erst nach der Bestimmung der Konstanten K sind beide Werte k 12 und k 21erhältlich.B22


A.4.4.Konsekutivreaktionen 1. OrdnungHäufig sind chemische Reaktionen aus mehreren Teilreaktionen kombiniert. So kommt es häufigvor, dass ein Ausgangsprodukt A in einer reversiblen Reaktion das Zwischenprodukt B bildet,das selbst zu C weiterreagiert.k1k2A←⎯⎯⎯⎯→ B⎯⎯→CDie differentiellen Zeitgesetze lauten hier:dcA=− kc1 A+ k−1cBdtdcB= kc1 A−k−1cB−kc2 BdtdcC= kc2 BdtDie Mengenerhaltung ergibt:dc + dc + dc = 0 c + c + c = const =k−1A B C A B C0c A(4.27)Dieses Gleichungssystem macht Schwierigkeiten beim Lösen. Allgemein ist zu beobachten, dassA (blau) exponentiell abnimmt, B (rot) zuerst zunimmt und nach einem Maximum wieder verschwindet,und dass C (schwarz) zuerst langsamer als B und nach einem Wendepunkt exponentiellbis zum maximalen Wert ansteigtFalls aber die Bildung von B aus A langsam erfolgt, und B selbst dann schnell entweder wiederzu A zurückfällt oder zu C weiterreagiert (k -1 , k 2 >> k 1 ), ist der zeitliche Konzentrationsverlaufder folgende (blau: A, rot: B, schwarz: C)23


Die Konzentration an B steigt in der Induktionsperiode zuerst an und fällt dann wieder ab undbleibt auf einem sehr kleinen Niveau gegenüber den anderen Konzentrationen. Deshalb kann fürB ein quasistationärer Zustand angenommen werden.dcB= kc1 A−k−1cB − kc2 B= 0(4.28)dtDamit kann die Konzentration an B direkt angegeben werden:k1cB= cA(4.29)k + k−1 2Einsetzen in Gleichung (4.27) liefert:dcAkk1 −1 k1k2=− kc1 A+ cA=− cAdt k−1 + k2 k−1+ k2(4.30)dcCkk1 2= cAdt k−1 + k2kk1 2Mit der Konstanten k = wir daraus eine einfache Reaktion erster Ordnungk−1 + k2kA ⎯⎯→ Cmit dem integralen Zeitgesetzcln A kt0c = − (4.31)AEinerseits zeigt dieses Ergebnis, dass eine einfache Reaktion 1. Ordnung auch eine Folge vonReaktionen sein kann, wobei nur der langsamste Reaktionsschritt für die Gesamtreaktion maßgeblichist. Falls nämlich k 2 > k -1 ist, ergibt sich für die Geschwindigkeitskonstante k: k = k 1 .Dieser Ansatz des reaktiven Zwischenproduktes im quasistationären Zustand wird für alle Radikalreaktionenund auch bei Enzymreaktionen für den Enzym-Substrat-Komplex angenommen.24


A.4.5.Autokatalytische (oder Wachstums-)Reaktion 1. OrdnungKinetischer Ansatz und integrale Zeitabhängigkeit:Bisher wurde stillschweigend vorausgesetzt, dass jeder Soff nur auf einer Seite des Reaktionsgeschehens,nicht aber auf der beiden Seiten erscheint. Jetzt aber nehmen wir auch an, dass für einauf der Eduktseite verbrauchtes Teilchen von A auf der Produktseite zeitgleich ν Teilchen Aentstehen. Daher ergibt sich statt Gl. (4.10)A + sonstige Edukte → ν ⋅ A + sonstige Produkte(4.32)konst. Konz.Jeder Reaktionsakt führt netto somit zur Bildung von ν -1 Teilchen von A. Bei ν>1 bewirkt dieReaktion eine Zunahme der Teilchenzahl von A. In der Terminologie der klassischen chemischenKinetik handelt es sich dann um eine autokatalytische Reaktion von A, in der Terminologieder Populationsdynamik um eine Wachstumsreaktion1 . Bei einer Wachstumsreaktionkann A beispielsweise eine biologische Spezies oder eine Zelle sein 2 , zu den sonstigen Eduktengehören dann die Nahrungsstoffe.Hinsichtlich der Zahl N der Reaktionsakte (Vermehrungsakte) kann man ähnlich wie bei derirreversiblen Reaktion argumentieren. Für die Zahl dN/V der Reaktionsakte während der Zeit dterhält man mit der Proportionalitätskonstanten k’ den Ausdruck dNV= kc ′ dt. Da ein Reaktionsaktzur Bildung von ν -1 Teilchen von A führt, ist die Änderung der Teilchenzahl von Agegeben durch d c = ( ν − 1)dN V bzw. 3Ad c = k′( ν − 1) c dt(4.33)AWenn man voraussetzt, dass jetzt ν >1 ist, ist der Vorfaktor k = k ′( ν − 1)positiv. Mitd c ( 1)Adt A= k′ν − c erhält man:dcmit 0d A = kcAk> (4.34)tDies ist bis auf das Minuszeichen formal mit Gl.(4.2) identisch. Man kann daher alle Beziehungendes Abschnitts B.3.6.1, die von Gl.(4.2) zur integralen Zeitabhängigkeit der Gl.(4.8) geführthaben, direkt übernehmen, indem man k durch -k ersetzt. Gl.(4.34) ist das differentielle Zeitgesetzder Wachstumsreaktion 1. Ordnung. Kennzeichnend ist, dass der zeitliche Zuwachs proportionalzum Vorhandenen istStatt Gl. (4.8) gilt nun das integrale Zeitgesetz der Wachstumsreaktion 1. Ordnung mit exponentiellerZunahmecln A kt0c = (4.35)AMan spricht hier von exponentiellem oder unbeschränktem Wachstum. Wieder ist die Zeitkonstanteoder charakteristische Zeit τ definiert durchτ =1(4.36)kwomit Gl.(4.35) umgeschrieben werden kann inAA1Ein Katalysator ist eine Substanz, die eine Reaktion ermöglicht oder beschleunigt, aus ihraber unverändert hervorgeht. Autokatalyse liegt vor, wenn diese Substanz durch die Reaktion selbstvermehrt gebildet wird.2 Natürlich stellt die Annahme gleichartiger Teilchen bzw. Individuen eine Idealisierung dar.3 Wie es sein muss, führt = 0 wieder auf Gl.(4.2), d.h. auf die Verbrauchsreaktion 1. Ordnung.ν25


ccA /e t τ= (4.37)0AAnstelle der Halbwertszeit Δt 1/2 definiert man in diesem Fall die Verdoppelungszeit: Δt 2 , diedefiniert ist durchcA( t1+ Δt2)= 2(4.38)c ( t )A 1Aus Gl.(4.38) folgt in formaler Analogie zur Halbwertszeit nach Gl.(4.9):ln 2Δ t2= = ln 2 ⋅τ≈ 0,69τkBeim n-fachen der Verdoppelungszeit gilt gemäß Gl.(4.38):cA( nΔt2)= 2 n(4.39)0cTabellarische Darstellung dieses Sachverhalts:n 1 2 10 20 30c0c 2 4 ≈ 10 3 ≈ 10 6 ≈ 10 9AAATypische Verdoppelungszeiten in der Phase des exponentiellen Wachstums: Bakterien:Δt 24≥20 min , Pilzzellen: Δt2 ≥6 h .Die Tabelle zeigt, dass der Zuwachs bei großen Werten von n durch die fortlaufende Verdoppelungdramatische Formen annimmt. Wegen immer vorhandener Beschränkungen ist unbeschränktesWachstum in der Realität daher nur für eine gewisse Zeit möglich ("Grenzen desWachstums").Gl.(4.34) bleibt formal erhalten, wenn ein Vermehrungsprozess (Geschwindigkeitskonstante k W )und ein Sterbeprozess (Geschwindigkeitskonstante k S ), beide von 1. Ordnung, parallel nebeneinanderstattfinden. Dann ergibt sichdcA= kWcA− kScA= kcA(4.40)dtalso wieder eine Kinetik erster Ordnung mit der effektiven Geschwindigkeitskonstanten k = k W –k S . Ist k positiv, handelt es sich resultierend um einen Wachstumsprozess (ansteigende Exponentialfunktion),ist es negativ, um einen Absterbeprozess. Letzterer wird wie eine Verbrauchskinetikdurch eine abfallende Exponentialfunktion beschrieben.4 Angenommen, eine bakterielle Infektion hat eine Latenzzeit von 24 h bei Δt 2 = 20 min. In dieser Zeitwerden aus einem Bakterium bei unbeschränktem Wachstum24⋅60 min /(20 min) 72 212 = 2 ≈5⋅10Individuen. Aus einer Pilzzelle entstehen in der gleichen Zeit aber auch unter günstigsten Bedingungen(Δt 2 = 6 h) nur ca. 2 4 = 16 Zellen! Daher ist die Latenzzeit von Pilzinfektionen viel größer als diebakterieller Infektionen.26


A.5. Reaktionen 2. OrdnungWir betrachten den Fall, dass ein Teilchen von A mit einem Teilchen von B reagiert und dieReaktion eines solchen Paares (unbeeinflusst von anderen Teilchen von A und B) unter praktischgleich bleibenden Bedingungen stattfindet. Ansonsten sollen analoge Bedingungen wie im vorigenAbschnitt bei der Verbrauchsreaktion 1. Ordnung gelten.A.5.1.Irreversible Reaktionen 2. OrdnungWeder A noch B sollen als Produkte auftreten. Wir betrachten jetzt die irreversible Reaktion, diesimultan von beiden Konzentrationen abhängt.A + Bk⎯⎯→ C + D (5.1)A.5.1.1. Differentielle ZeitgesetzeDie differentiellen Zeitgesetze lauten:dcAdtdcBdtdcCdt=−k ⋅c⋅cAA=−k ⋅c⋅cA= k ⋅c⋅cFür beide Reaktionspartner A und B gilt die Mengenerhaltung:dc + dc = 0 ⇒ ( c + c ) = cACdc + dc = 0 ⇒ ( c + c ) = cB C B CDamit ist die zeitliche Änderung beider Konzentrationen gleich:dc0A dxc = c −c ≡a −x⇒ =−A A Cdtdtdc0B dxc = c −c ≡b−x⇒ =−B B CdtdtdcCdxc≡ x ⇒ =Cdtdthiermit ergibt sich ein einziges differentielles Zeitgesetz:dxk ( a x) ( b xdt = ⋅ − ⋅ − )A.5.1.2. Integrale ZeitgesetzeDie Integration dieser Differentialgleichung erfolgt nach Trennung der Variablendxk dt( a −x) ⋅( b−x )= ⋅über Partialbruchzerlegung:ABBBC0A1A B= +( a−x) ⋅( b−x) ( a−x) ( b− x)0B(5.2)(5.3)(5.4)(5.5)(5.6)27


Hiermit wird:A⋅( b− x) + B ⋅( a− x) = 1−x ⋅ ( A+ B) = 0 ⇒ A =−BA⋅ b + B ⋅ a = 1 ⇒1 1B = A =−a−b a−b(5.7)Das differentielle Zeitgesetz lautet nun:Integration ist jetzt leicht möglich:Die Anfangswertbedingungen lauten:und mitals endgültige Lösung:1 dx 1 dx−kdta−b b−x a−b a− x= (5.8)1 ⎡ 1 1 ⎤− dx = k dta −b∫⎢( b−x) ( a −x)⎥ ∫⎣⎦1[ ln( a −x) −ln( b− x)] = k ⋅ t + Ca −bt = 0: x = 01[ lna − lnb]= Ca−b1 ( a −x)⋅blna −b ( b−x ) ⋅ate= k ⋅tte(5.9)(5.10)Diese Gleichung gilt in dieser Form nur, wenn die beiden Anfangskonzentrationen a und bungleich sind. Die graphische Darstellung der integralen Zeitgesetzte ergibt:ccA0 0c BIrreversible Reaktion 2. OrdnungA + BCc CcAcBtEine Halbwertszeit ist hier natürlich nur für die Komponente mit der kleineren Konzentrationdefiniert:28


t = τ c = b− x = b/2c = x = b/21 ( a−b/2)⋅blna−b ( b /2) ⋅aBC= k ⋅τ1τ = ln(2 −b/ a)k ⋅ ( a − b)(5.11)Hier ist deutlich zu erkennen, dass die Halbwertszeit konzentrationsabhängig ist, und dass sie mitsteigendem Umsatz zunimmt.Für die Geschwindigkeitskonstante 2. Ordnung gilt dim(k) = dim(Zeit -1 Konzentration -1 ). In SI-3 −1−1Grundeinheiten hat man entsprechend [ k] = m mol s .Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten zweiter Ordnung sind nach oben durch die Geschwindigkeitbegrenzt, mit der die reagierenden Teilchen aufgrund thermischer Bewegung (Diffusion)aufeinander treffen. Sind die Teilchen z.B. in Wasser gelöst und von vergleichbarer Größe,9 −1−1errechnet man für k bei Raumtemperatur einen Maximalwert von ca. 710 ⋅ l mol s , der durchdie Temperatur T und die Viskosität η des Lösungsmittels festgelegt ist.A.5.2. Reaktionen 2. Ordnung mit gleichen AnfangskonzentrationenFür den Fall, dass die beiden Anfangskonzentrationen gleich groß sind, kann das differentielleZeitgesetz mit gleichen Anfangskonzentrationen an A und B geschrieben werden:dcA2=−k ⋅cA ⋅ cB =−k ⋅cA(5.12)dtTrennung der Variablen:dcA=−k⋅ dt(5.13)2cIntegration liefert:A1 te− = −k ⋅ t + C(5.14)cADie Anfangswertbedingungen sindt = 00 1 te: cA= cA⇒ − = Cc(5.15)Als integrales Zeitgesetz ergibt sich damit:0A01 1 cA−cA − = k ⋅ t =(5.16)c c c ⋅c00A A A A29


Der Verlauf der Konzentrationen sieht so aus:cc 0AReaktion 2. Ordnunggleiche Anfangskonzentrationenc CcA=cBtA.5.3.DimerisierungenEin analoges Zeitgesetz gilt auch, wenn eine Komponente in einer Reaktion 2.Ordnung mit sichselbst reagiert (Dimerisierung):2 A → B1 dcA2− = k ⋅ c(5.17)A2 dtBis auf den stöchiometrischen Faktor 2 erhält man ein identisches Ergebnis:c − c = k ⋅ tc0A A20⋅cA A(5.18)A.5.4.Reaktionen pseudo-1. OrdnungFalls es möglich ist, durch spezielle Prozessführung eine der beiden Konzentrationen großgegenüber der anderen zu machen (mindestens um den Faktor 20) oder sogar konstant zu halten(Pufferlösungen, Komponentenrückführung in schneller Folgereaktion), lässt sich im allgemeinendifferentiellen Zeitgesetz 2.Ordnung die konstante Konzentration mit der Geschwindigkeitskonstantezu einer Geschwindigkeitskonstante pseudo-1.Ordnung zusammenfassen. So folgt ausGl.(5.2) mit c B >> c A oder c B = konstant:dcA=−( k ⋅ c ) =− ′BcA k ⋅cAdtdcB= 0(5.19)dtdcC= k′⋅cAdtHiermit wird die Reaktion zweiter Ordnung zu einer Reaktion pseudo-1. Ordnung, die mit denGesetzmäßigkeiten der Reaktionen 1. Ordnung ausgewertet werden kann. Als Ergebnis erhältman die Geschwindigkeitskonstante k’, aus der nach30


k′k = (5.20)cdie Geschwindigkeitskonstante 2. Ordnung erhalten wird. Man kann auch die Experimente mitverschiedenen Konzentrationen an B durchführen und aus einer graphischen Auftragung k’ =f(c B ) die Geschwindigkeitskonstante k aus der Steigung der linearen Funktion durch lineare Regressionbestimmen.In der Regel wird dieses Verfahren in wässriger Lösung angewendet, wenn ein ReaktionspartnerH + oder OH - ist, dessen Konzentration leicht durch Puffer konstant gehalten werden kann.BA.5.5.Folgereaktionen 2. OrdnungBei Folgereaktionen 2. Ordnung, die entsprechend der Reaktionsgleichung teilweise reversibelsindA + Bk1⎯⎯→k − 1k←⎯⎯ C ⎯⎯→ 2D (5.21)lauten die differentiellen Zeitgesetze:dcAdcB= =−k1 ⋅cA ⋅ cB + k−1⋅cCdtdtdcC= k1 ⋅cA ⋅cB −k−1⋅cC −k2 ⋅cCdt(5.22)dcC= k2⋅cCdtWenn k 2 sehr viel größer als k 1 ist, ist es auch hier möglich, die Komponente C als reaktive Zwischenstufezu definieren, deren Konzentration sehr klein ist und sich nach der Induktionsperiodewährend der Reaktion nicht mehr merklich ändert.dcC≈ 0 ⇒k1 ⋅cA ⋅cB −k−1 ⋅cC −k2⋅ cCdt= 0 (5.23)Hiermit ergibt sich für die Konzentration von C:k1cC = cA ⋅cBk + k(5.24)−1 2Eingesetzt in Gleichung (5.22) ergibt sich:dcAk−1 ⋅k1 k1 ⋅k2=−k1⋅c ⋅ c + c ⋅ c =−c ⋅ cdt k−1 + k2 k−1 + k2=−k ⋅c ⋅cdcDk2 ⋅k1=−k2⋅ cC = cA ⋅ cB = k ⋅cA ⋅cBdt k + kA B A B A B A B−1 2(5.25)Auch hier erkennt man, dass die Edukte mit einer globalen Geschwindigkeitskonstante k über einreaktives Zwischenprodukt C zu den stabilen Reaktionsprodukten (D) reagieren.A.5.6.Reversible Reaktionen 2. OrdnungDie differentiellen Zeitgesetze lauten:k12←⎯⎯ ⎯⎯→k21A+ B C+Dk12⎯⎯→k21A+ B←⎯⎯C31(5.26)


zw.dcdtdcdtACdcdtdcdtNach Einstellung des Gleichgewichtes gilt:dcB= =−k ⋅ + ⋅⎫⎪12cA cB k21cC cDdt⎪⎬ dcdcD= = k ⋅ − ⋅ 12cA cB k21cC cD⎪dt⎭ACdcB= =−k ⋅ +⎫⎪12cA cB k21cCdt⎪⎬ dcdcD= = k ⋅ − 12cA cB k21cC⎪dt⎭dcAdcB= = 0 =−k12c ⋅ c + k21c ⋅cdtdtbzw.dcdtDies entspricht dem MassenwirkungsgesetzAdcB= = 0 =−k12c ⋅ c + k21cdtk12cC⋅cK = = k c ⋅cbzw.21AA+ dc= 0 (5.27)C+ dc= 0 (5.28)CA B C DA B C(5.29)(5.30)k12cCK = = k c ⋅c21Mit Bezug auf das Gleichgewicht lassen sich die Konzentrationen durch die Umsatzvariable xfolgendermaßen darstellen:AADBBc = c + x, c = c + x, c = c − x,c = c −x (5.31)A A B B C C D DAußerdem giltdcA dcB dcC dcDdx= =− =− =dt dt dt dt dtHiermit lässt sich das Differentialgleichungssystem schreiben alsdx=− k12( cA + x)( cB + x) + k21( cC −x)(cD−x)dtbzw.dxdt=− k ( c + x)( c + x) + k ( c −x)12 A B 21 CDie Subtraktion der Gleichungen (5.29) von (5.33) liefern jeweilsdx2=− xk [ 12( cA + cB) + k21( cC + cD)] + x ( k12 + k21)dtbzw.dxdt=− xk [ ( c + c)+ k ] + kx12 A B 21 122(5.32)(5.33)(5.34)32


Mitp = [ k ( c + c ) + k ( c + c )] ; p = ( k + k )1 12 A B 21 C D2 12 21bzw.p = [ k ( c + c ) + k ] ; p = k1 12 A B 21 2 12(5.35)lässt sich diese Differentialgleichungdxdt2=−p ⋅x −p ⋅ x =− [ p + p ⋅x] ⋅x(5.36)1 2 1 2nach Trennung der Variablen durch Partialbruchzerlegung lösenDas Ergebnis istdx A B A⋅ p + A⋅p ⋅ x + B⋅x1 2=−dt⇒ + =⎡p + p ⋅x⎤⋅ x x ⎡p + p ⋅ x⎤ ⎡p + p ⋅x⎤⋅x⎣ 1 2 ⎦ ⎣ 1 2 ⎦ ⎣ 1 2 ⎦A⋅ p + A⋅p ⋅ x + B⋅ x = 1⇒ A= 1/ p ; B =−p / pMit der Anfangswertbedingungerhält man das Endergebnis1 2 1 2 11⎡1 p ⎤2dxdtp −x⎥ =−p p x1 ⎢⎣1 2ln x − ln p + p ⋅ x =−p ⋅ t + C( + ⋅ ) ⎥⎦( )1 2 1t = 0 ⇒ x = c − c = xlnAuflösen nach x liefert den Ausdruckxx ⋅p ⋅ex0( p + p ⋅x)01 20 0A A= C0⋅ ( + ⋅1 2)0( p + p ⋅x ) ⋅xln x p p x = p ⋅t1 20 −p ⋅t11=0 p t 1p1 + p2⋅ x (1 −− ⋅e )0 −p ⋅t0−p ⋅t11x ⋅p ⋅ec ⋅ p + x ⋅⎡c p1 2( c p p2 1)e ⎤1A ⎢ ⋅ − ⋅ − ⋅A A⎥= + = + =⎣⎦A A A0 −p ⋅t0 −p ⋅t1 1p + p ⋅x (1 − e ) p + p ⋅x (1 −e)1 2 1 2c c x cte1te(5.37)(5.38)(5.39)(5.40)Falls die Entfernung vom Gleichgewicht nicht sehr groß ist, lässt sich der quadratische Termvernachlässigen. Dies wird in Gl. (5.41) dadurch erzeugt, dass der Koeffizient p 2 gleich Nullgesetzt wird. Damit vereinfachen sich Gl. (5.41) zu einem Zeitgesetz 1.Ordnung:p2⇒ 00 −p ⋅t1x = x ⋅e0 −p ⋅t1c = c + x ⋅eA A(5.41)(5.42)33


Bei kleiner Auslenkung aus dem Gleichgewicht verläuft also auch eine reversible Reaktion2.Ordnung nach einem Geschwindigkeitsgesetz 1.Ordnung.Die beiden Geschwindigkeitskonstanten lassen sich mit Hilfe der Gleichgewichtskonstanten Kund geeigneten Variationen der Gleichgewichtskonzentrationen aus einer entsprechenden Auftragungbestimmen.p = k ⋅ ( c + c ) + k ⋅ ( c + c )1 12 A B 21 C Dp ( c + )⎛( + )1 AcB pc1Ac ⎞B= k ⋅ + ⇒ = 12k21f( c + c ) ( c + c ) ( c + c )⎜⎝( c + c ) ⎠⎟C D C D C D C D(5.43)Aus der Steigung ergibt sich k 12 , der Achsenabschnitt ist k 21 .Die Bestimmung der zeitabhängigen Konzentrationen ist hier natürlich genauso über physikalischeMessgrößen möglich wie bei Reaktionen 1.Ordnung.A.5.7.Zusammenfassung (Reaktion 2. Ordnung)• Eine (Verbrauchs-)Reaktion 2. Ordnung liegt vor, wenn Teilchenpaare von A und B (unbeeinflusstvon anderen Teilchen von A und B) unter gleich bleibenden Bedingungen zu anderenTeilchen reagieren.• Das differentielle Zeitverhalten der Konzentration c A ist dadurch gekennzeichnet, dass diezeitliche Änderung zum Produkt c A ⋅c BB proportional ist).• Die Geschwindigkeitskonstante hat die Dimension 1/(Zeit⋅Konzentration). Die Halbwertszeitentsteht daher - bis auf einen Zahlenfaktor - aus dem reziproken Produkt von Zeitkonstanteund Ausgangskonzentration. Die Halbwertszeit ist über den zeitlichen Verlauf der Konzentrationhinweg in der Regel nicht konstant, sondern nimmt mit der Zeit zu (1. Halbwertszeit


A.6. Temperaturabhängigkeit der GeschwindigkeitskonstantenDie Geschwindigkeit chemischer Reaktionen ist für gewöhnlich stark von der Temperaturabhängig. Für die Temperaturabhängigkeit einer Geschwindigkeitskonstanten k setzt man nachArrhenius an:( ) ( 1 − )−E/( ) ne a RTk = A c−1−1R ist die allgemeine Gaskonstante ( R = 8,31 J mol K ) und T die absolute Temperatur. A undE a sind reaktionsspezifische konstante Parameter. Die Größe E a wird als molare Aktivierungsenergieder Reaktion bezeichnet. In der Regel ist E a positiv. Dann ist A (auch Frequenzfaktorgenannt) gleich der maximalen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten, die bei hohen Temperaturen( RT Ea) erreicht wird. Durch die Größe (c ) 1-n erhält der Frequenzfaktor für jede Reaktionder Ordnung n die Dimension s -1 .Durch Logarithmieren wird aus Gl.(6.1) mit dem (willkürlich wählbaren) Bezugswert k (z.B1k = 1s −):k A( ) ( )(6.1)Ealn lnk= k− RT(6.2)Demnach liefert die Auftragung von ln ( k/ k ) gegen 1/T eine Gerade mit der Steigung (-E a /R)und dem Ordinatenabschnitt ln ( Ak / ) . Wählt man also für die bei verschiedenen Temperaturenermittelten experimentellen Werte von k diese Form der Auftragung, liefern Steigung und Ordinatenabschnittder Ausgleichsgeraden Näherungswerte für E a und A.In der Physiologie wird die Temperaturabhängigkeit von k häufig durch den so genannten Q 10 -Wert beschrieben. Dieser ist definiert als der Quotient aus den Geschwindigkeitskonstanten bei303K (30°C) und 293K (20°C):Q10k(303K)= (6.3)k(293K)Der Index 10 rührt daher, dass die Temperaturen um 10 K auseinander liegen. Typische Q 10 -Werte liegen zwischen 2 und 4, die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion nimmt bei einerTemperaturerhöhung von 10 Kelvin typischerweise um den Faktor 2 bis 4 zu. Diese Temperaturabhängigkeitist der Grund, warum in den vorstehenden Kapiteln generell Temperaturkonstanzvorausgesetzt wurde. Nur so kann die Geschwindigkeitskonstante wirklich als konstant betrachtetwerden! 1Setzt man Gl.(6.1) in Gl.(6.3) ein, ergibt sich nach kurzer Zwischenrechnung:Ea−1= lnQ10⋅ 73,8 kJ mol(6.4)−1−1Q 10 = 2 ergibt E a≈ 50 kJ mol , Q10 = 4 ergibt E a≈ 100 kJ mol . Man merke sich daher, dassdie Aktivierungsenergie einer chemischen Reaktion typischerweise Werte zwischen 50 und100 kJ mol −1besitzt!1 Um einen gleich bleibenden Ablauf der Stoffwechselreaktionen sicher zu stellen, ist auch die Natur beihöher entwickelten Tieren zu konstanter Körpertemperatur übergegangen.35


A.7. AdsorptionIm engeren Sinn spricht man von Adsorption, wenn sich ein Teilchen an eine Ober- oder eineGrenzfläche anlagert, im weiteren Sinn versteht man darunter die Anlagerung (Bindung) einesTeilchens an einen Platz. Dieser kann sich auf einer Ober- oder Grenzfläche befinden, kann aberbeispielsweise auch ein basisches Molekül in Lösung sein (an das sich ein Proton anlagert) oderein Enzym- bzw. Rezeptormolekül (an das sich ein Substratteilchen anlagert), usw. Im Folgendengebrauchen wir den Begriff Adsorption im weiteren Sinn.Es wird hier vorausgesetzt, dass die Plätze energetisch gleichwertig und voneinander unabhängigsind. Für den Platz und die adsorbierende Spezies verwenden wir die Begriffe Rezeptor undSubstrat. Rezeptor R und Substrat S reagieren reversibel zum Rezeptor-Substrat-Komplex RS:k+R + S ←⎯⎯ ⎯⎯→ R S(7.1)Dabei sei die Hinreaktion k + von 2., die Rückreaktion k - von 1. Ordnung. Im materiell geschlossenenSystem gilt für die Rezeptorgesamtkonzentration0:0c c ck−c RR=R+RS= const.Der differentielle Ansatz für die zeitliche Änderung der Rezeptor-Substrat-Konzentration lautetbei den gegebenen Reaktionsordnungen von Hin- und Rückreaktion:dcdWenn man sich auf den stationären Fall mitGl.(7.2):RSt+ S R − RSRS(7.2)= v = k c c − k c(7.3)d cRS/dt = 0 beschränkt, folgt aus Gl. (7.3) mit0cRcS ( cR − cRS)cS= = KD(7.4)c cRSwobeiKDk= (7.5)k − +Gl.(7.5) ist das Massenwirkungsgesetz der Dissoziation des Rezeptor-Substrat-Komplexes(Gl.(7.1) von rechts nach links gelesen!). K D ist die zugehörige Dissoziationskonstante.0Löst man die rechte Identität der Gl.(7.4) nach dem Besetzungsgrad x = c c auf, erhält mancx = =c cRS0RDas ist die Langmuir-Adsorptionsisotherme (siehe untenstehende Skizze). Die BezeichnungIsotherme rührt daher, dass konstante Temperatur vorausgesetzt ist. Bei großen Substratkonzentrationennähert sich c RS gemäß Gl.(7.6) immer mehr dem Grenzwert c R0und x dem Wert 1, d.h.die Besetzung der Plätze geht in die Sättigung. Der Besetzungsgrad nimmt gemäß Gl. (7.6) bei c S= K D den Wert 0,5 an. Darum wird K D auch als Halbsättigungskonzentration bezeichnet.ScS+ KDRSR(7.6)36


Graphische Darstellung der Langmuir-Adsorptionsisothermec RS0cĉ R Rcˆ20RK Dc SDie Langmuir-Adsorptionsisotherme ist für alle Adsorptionserscheinungen von grundlegenderBedeutung. Auch da, wo die Plätze nicht als gleichartig betrachtet werden können oder Wechselwirkungenzwischen den Plätzen auftreten, dient sie häufig als Ausgangspunkt für eine detailliertereModellierung. Die Langmuir-Adsorption an Oberflächen setzt voraus, dass die Oberfläche(Rezeptor) nur von einer Schicht Moleküle (Substrat) belegt werden kann. Dies ist aber häufignicht der Fall, so dass mehrere Substratschichten auf Oberflächen gebildet werden können.Der folgende Abschnitt wird zeigen, dass die Langmuir-Adsorptionsisotherme auch für dieEnzymkinetik von grundlegender Bedeutung ist.37


A.8. EnzymreaktionenA.8.1.Katalysatoren und EnzymeKatalysatoren sind Moleküle, die die Geschwindigkeit einer Reaktion erhöhen, aus der Reaktionaber unverändert hervorgehen. Enzyme sind biologische (extra- oder intrazelluläre) Katalysatorenauf Proteinbasis. Sie spielen bei der Steuerung des Stoffwechselgeschehens eine wichtigeRolle.A.8.2. Michaelis-Menten-KinetikSehr häufig liegt der enzymkatalysierten Reaktion eines Substrates S zum Produkt P folgendesReaktionsschema zugrunde:S + E k+1ES k p←⎯⎯ ⎯⎯→ ⎯⎯→ P + E(8.1)k−1Dabei ist E das freie Enzym und ES der Enzym-Substratkomplex. Die Enzym-Gesamtkonzentration0cE = cE + cES(8.2)0setzen wir als konstant voraus. Außerdem gelte cES


Setzt man Gl. (8.8) in Gl. (8.4) ein, folgt für die Geschwindigkeit v P der Produktbildung:dcv k c k cdtP0P= =P ES=P EcScS+ KM(8.9)Der Besetzungsgradx = c / c des Enzyms ist gegeben durch.ES0E0c cSx = =c c + KES0 0E SM(8.10)Bei enzymkinetischen Experimenten arbeitet man in der Regel nicht mit integralen Zeitgesetzen,sondern mit den differentiellen. Die Reaktionsgeschwindigkeit der Produktbildung v P muss somitaus dem kinetischen Experiment bestimmt werden. Da Enzymreaktionen bei hohen Umsätzenhäufig durch Folge- und Parallelreaktionen beeinflusst werden, verwendet man für die Bestimmungder Reaktionsgeschwindigkeit nur den Anfang der kinetischen Messung. v P ergibt sichdann aus der Steigung der kinetischen Messung am Startpunkt der Reaktion.v⎛dclimdtP ⎞P= ⎜t=0 ⎟ (8.11)⎝ ⎠Unter Verwendung des nicht experimentell bestimmbaren Maximalwertes der ProduktbildungsgeschwindigkeitV m0= k c(8.12)Vmwird daraus schließlich die Michaelis-Menten-Kinetik:0v V x V cS= = c + KPEP m m 0SM(8.13)Die Michaelis-Menten-Kinetik ist die grundlegende Beziehung der Enzymkinetik. Da bei c S =K M der Besetzungsgrad den Wert 0,5 hat, und die Produktbildungsgeschwindigkeit halb so großist wie ihr Maximalwert V m ist, wird K M als Halbsättigungskonzentration oder als Konzentrationfür halbmaximalen Umsatz bezeichnet.Graphische Darstellung der Michaelis-Menten-KinetikvP= xVmVmVm2K M0cSFormal hängt der Besetzungsgrad gemäß Gl. (8.10) in gleicher Weise von der Konzentration abwie bei der Langmuir-Adsorption. Tatsächlich wird die Besetzung des Enzyms bei k P = 0 zurreinen Langmuir-Adsorption, wobei K M in die Dissoziationskonstante des Enzym-Substrat-39


Komplexes übergeht. So besehen, kann man die Michaelis-Menten-Kinetik als eine durch Produktbildunggestörte Langmuir-Adsorption betrachten.0Die Geschwindigkeitskonstante kP = Vm/ cEwird auch Wechselrate oder „Turn-Over-Rate“ desEnzyms genannt. Sie gibt an, wie viele Substratmoleküle von einem substratgesättigten Enzymmolekülpro Zeit umgesetzt werden. In der nachfolgenden Tabelle sind einige typische Wertevon KM und k P angegeben:Enzym Substrat1/(mol l )K Mk /s P− −1Urease Harnstoff 4⋅10 -3 3⋅10 4Carboanhydrase-HCO 3 9⋅10 -3 6⋅10 5Katalase H 2 O 2 3⋅10 -3 4⋅10 7Wie die Tabelle zeigt, sind die Werte von K M relativ klein. Damit erreichen Enzyme schon beigeringen Substratkonzentrationen hohe Besetzungsgrade.Aus Gl. (8.7) erhält man überkkk= −1P1K+ +MK(8.14)Mdie allgemeine Ungleichung: k +1 ≥ k P /K M . Die angegebenen Katalase-Werte liefern damit für k +1einen Mindestwert von 1,3⋅10 10 l mol -1 s -1 . Angesichts des in Kapitel A.5 für eine Geschwindig-9 −1−keitskonstante 2. Ordnung angegebenen Maximalwertes von 710 ⋅ l mol s1ist dieser Werterstaunlich groß. In der Tat markiert der kP -Wert der Katalase die obere Grenze der bei Enzymenauftretenden Wechselraten. Die Katalase ist für den Abbau des physiologisch sehr giftigenH 2 O 2 -Moleküls zuständig und katalysiert die Reaktion 2HO2 2→ 2HO2+ O2.Um Messwerte von v P auf Verträglichkeit mit der Michaelis-Menten-Kinetik zu überprüfen undgleichzeitig K M und v zu bestimmen, formt man Gl. (8.13) oft in einen linearen Zusammenhang0Pum, so dass sich in der graphischen Auftragung eine Gerade ergibt. Diese Umformung ergibt dieLineweaver-Burk-Gleichung1 K 1= + 1 (8.15)v V c VPM0m S m0Dies ist ein linearer Zusammenhang zwischen 1/v P und 1 c S(doppelt-reziproke Auftragung).Man kann demnach auf eine Michaelis-Menten-Kinetik schließen, wenn die experimentellerhaltenen Wertepaare0−1−1(( cS) , vP)befriedigend durch eine Ausgleichsgerade angenähertwerden können. Wie in der Skizze gezeigt ist, kann man den Achsenabschnitten die Werte für V mund K M entnehmen.1vAuftragung nach Lineweaver-Burk−1K MP1V mKVMm10c S40


Der Reaktionsmechanismus nach Michaelis-Menten ist grundlegend für die meisten Enzymreaktionen,bei denen häufig noch ein Coenzym beteiligt ist, das bei der Reaktion in eine andereForm übergeht (Strukturänderung, Änderung der Oxidationsstufe u.a.). Das Coenzym selbst wirdin unabhängigen Reaktionen wieder in den reaktiven Ausgangszustand zurückgebildet.Bezüglich komplizierter Mechanismen von Enzymreaktionen und weiterer Auswertemethodensei auf die entsprechende Literatur der Biochemie verwiesen.A.8.3. Inhibierung von EnzymreaktionenEine reaktionshemmende Substanz (Inhibitor I) kann sowohl mit dem Enzym als auch mit demEnzym-Substrat-Komplex reagieren, wobei einerseits zwei verschiedene Inhibitoren, andererseitsaber auch das Substrat in höherer Konzentration oder das Reaktionsprodukt aktiv werdenkönnen:k 1 k 2E + A EA E + P+I k -1 +I k -2k 3k -3k 4k -4EI + AEIADie Stationaritätsbedingungen liefern mit den Dissoziationskonstanten der Inhibitorkomplexek +K = k ; K = k ; K = k(8.16)−1 2 −3 −4M I, c I,uk1 k3k4die Reaktionsgeschwindigkeit v P0Vm⋅ cSvP =00KM + cS + cI ( KM KI, c+ cS KI,u)(8.17)Ausgehend von diesem allgemeinen Inhibitorsystem existieren zwei wichtige Grenzfälle.41


A.8.3.1. Kompetitive Hemmung, wenn 1/K I,u = 0In diesem Fall konkurriert der Inhibitor mit dem Substrat A um das Enzym.k 1 k 2E + A EA+I k -1k -2k 3E + Pk -3( ) ( )EI + AvPk ⋅c ⋅c V ⋅c= =c K c K c K c K0 0 02 S E m S0 0S+M1+ I I, c S+M1+I I,c(8.18)V m bleibt bei kompetitiver Hemmung von der Inhibitorkonzentration unbeeinflusst, wie auseinem Linewaever-Burk-Plot zu erkennen ist. Die Inhibitorkonzentration c I fungiert hierbei alsParameter.1 1 K ⎛ c ⎞ 1= + 1 +v V V K cMI⎜⎟ 0P m m ⎝ I,c ⎠ S(8.19)1/v 01/V m-1/( K M(1+ cI/ KI,c))c I1/c S0Kompetitive Hemmung, Lineweaver-Burk-PlotA.8.3.2. Unkompetitive Hemmung, wenn 1/K I,c = 0Hier verhindert der Inhibitor die Bildung des Reaktionsproduktes und die Freisetzung desEnzyms.k 1 k 2E + A EA E + Pk -1 +I k -2k 4k -4EIA42


vP=V⋅ c0m A0M A I I( 1, )K + c + c Ku(8.20)1 K 1 ⎛Mc ⎞= +0 1 + IvP Vm ⋅ cA V ⎜mK ⎟⎝ I,u ⎠(8.21)Der Lineweaver-Burk-Plot zeigt hier von der Inhibitorkonzentration abhängige Geraden mitkonstanter Steigung.1/v 0m Im = KM/ V-1/( K M(1 +c I/K I,u))m1 /( V (1+c/ K I,u ))1/c S0Unkompetitive Hemmung, Lineweaver-Burk-PlotA.8.3.3. SubstrathemmungBei vielen Enzymreaktionen wird der ES-Komplex durch hohe Substratkonzentration selbstinaktiviert, wobei auch hier alle Formen der Hemmung auftreten können. Die Gleichungen(8.17), (8.18) und (8.20) sind dadurch zu modifizieren, dass die Inhibitorkonzentration c I durch0die Substratkonzentration zu ersetzen ist.vPc SV ⋅c V ⋅c= =K c c K K c K K c K K c KBei kompetitiver Hemmung gilt:vP0 0m S m S0 0 0 0 0M+S+S M I c+S I u M+S+M I c+S I u( , , ) ( 1,, )( )( 1, )( )0 00Vm ⋅cS m M I c S Vm ⋅cS0 00M+S1+ M I, c M1+ KM I,c+ ′S M+ cS(8.22)V + K K ⋅ c ′= == (8.23)K c K K K K K cDie Kurve entspricht einem normalen Michealis-Menten-Mechanismus, aber mit kleinererGrenzgeschwindigkeit V’ m . Eine Auftragung entsprechend Lineweaver-Burk1 1 K′M1= + ⋅(8.24)0vP V′ mV′mc Sliefert die modifizierten Konstanten V’ m und K’ M . Aus einer analogen Auftragung bei kleinenSubstratkonzentrationen können die unmodifizierten Parameter und mit diesen dann die InhibitorkonstanteK I,c bestimmt werden.Bei unkompetitiver Hemmung dagegen ergibt sich eine Funktion mit quadratischem Polynomim Nenner:43


vPV ⋅c V ⋅c= =K + c + c K K + c + c Ku0 0m S m SM0 0 0 0S S I, u M S S I,2( 1 ) ( )(8.25)Hier kann das Substrat die enzymatisch katalysierte Reaktion bis zum Stillstand verlangsamen.0Die Umkehrung der Gleichung (8.25) entsprechend Lineweaver-Burk ergibt die in c SrationaleFunktion:( ) 21 K + c + c K K 1v V c V c V V K0 0M S S I, u M1 1 0= = ⋅ + + c0 0SP m⋅S m S m m⋅I,u(8.26)Mit Hilfe des least-square-Verfahrens lassen sich hieraus alle drei wesentlichen Konstantenbestimmen. Die folgende Abbildung zeigt die entsprechenden Fälle:A.8.4.Kurvenverläufe für Michaelis-Menten (rot), kompetitive Substrat-Hemmung (grün) und unkompetitive Substrat-Hemmung (blau)Zusammenfassung (Michaelis-Menten-Kinetik)• Die Michaelis-Menten-Kinetik ist die grundlegende Beziehung der Enzymkinetik. Sie ergibtsich mit Hilfe der Quasistationaritätsnäherung für den Enzym-Substrat-Komplex.• Die Produktbildungsgeschwindigkeit ist gleich der maximalen ProduktbildungsgeschwindigkeitVmmultipliziert mit dem Besetzungsgrad x des Enzyms.• Der Besetzungsgrad wird formal durch eine Langmuir-Isotherme beschrieben, in der dieDissoziationskonstante K D durch die Michaeliskonstante K M ersetzt ist. Die Michaeliskonstantewird zur Dissoziationskonstanten, wenn die Geschwindigkeitskonstante k P sehr kleinist.• Die maximale Produktbildungsgeschwindigkeit Vmund die Michaeliskonstante KM lassensich aus einer Auftragung nach Lineweaver-Burk bestimmen.• Enzymreaktionen können durch Inhibitoren gebremst werden. Bei der kompetitiven Inhibierungkonkurriert der Inhibitor mit dem Substrat um das Enzym. Bei der unkompetitivenHemmung deaktiviert der Inhibitor den Enzym-Substrat-Komplex.• Das Substrat kann selbst als Inhibitor auftreten.44


A.9. PopulationsdynamikDie Populationsdynamik geht der Frage nach, wie sich der Bestand einer biologischen Spezies(Organismus, Zelle) mit der Zeit verändert. Aus der Sicht der chemischen Kinetik sind populationsdynamischeFragestellungen primär durch die Mitwirkung autokatalytischer Prozesse (inForm von Vermehrungsreaktionen) charakterisiert. In Abschnitt B.4.5 ist mit der Wachstumsreaktion1. Ordnung einer der grundlegenden Ansätze der Populationsdynamik besprochen worden.Wie gezeigt, führt er zum exponentiellen oder unbeschränkten Wachstum. Hier werdenzwei weitere viel gebrauchte Ansätze (Modelle) der Populationsdynamik vorgestellt.Wie früher schon ausgeführt, ist unbeschränktes Wachstum nur über beschränkte Zeit möglich.Eine langfristige Begrenzung der Populationsdichte erhält man, wenn die Wachstumsreaktion 1.Ordnung mit einem parallel ablaufenden dichteabhängigen Sterbeprozess 2. Ordnung kombiniertwird. In Erweiterung von Gl.(4.34) führt das auf:dcdtA= kc − kc(9.1)21 A 2 ADieser Ansatz heißt Verhulst-Ansatz oder Ansatz des logistischen Wachstums. Der Sterbeprozess2. Ordnung kann durch die Konkurrenz der Individuen untereinander (z.B. durch räumlicheDichte), durch Konkurrenz um gemeinsame Nahrungs- oder Energievorräte (z.B. um das Lichtbei Pflanzen), durch die (mit hoher Populationsdichte zunehmende) Ausbreitung von Krankheitenund dergl. bedingt sein. Üblicherweise schreibt man Gl.(9.1) in der Form:dcdtA= kc (1 −αcA)Awobei α = k / k 2 1und k = k 1. Das integrale Zeitverhalten, das aus diesem Ansatz folgt, ist rechtkompliziert und soll hier nicht behandelt werden. Interessierte können die Lösung des Problemsin der Vorlesung von <strong>Prof</strong>. Kohler in Anhang 2, Beispiel A3 nachlesen.Oft wächst eine Spezies in der Anlaufphase des Wachstumsprozesses noch stärker als exponentiellan. Eins solches über-exponentielles Wachstum deutet auf positive Rückkopplungen innerhalbdes Systems hin (positive Kooperativität). Beispielsweise stellt die Zunahme der Erdbevölkerung,über die Jahrhunderte gesehen, einen überexponentiellen Wachstumsprozess dar. Dereinfachste Fall überexponentiellen Wachstums ist das so genannte hyperbolische Wachstum, dassich aus einer Wachstumskinetik 2. Ordnung ergibt:(9.2)dcdtA= kc(9.3)Die auf diesem differentiellen Ansatz des hyperbolischen Wachstums beruhende modellmäßigeBeschreibung des Anwachsens der Erdbevölkerung während der letzten 250 Jahre wird behandeltin Anhang 2, Beispiel A4 der Vorlesung von <strong>Prof</strong>. Kohler.Alle bisher betrachteten Wachstumsmodelle sind primitive Modelle, in denen die Populationsdichtedie einzige abhängige Variable ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Modellekeine detaillierte Beschreibung eines populationsdynamischen Vorgangs liefern. Hierfür müssenweitere zeitveränderliche Größen (Variablen) heran gezogen werden. Dabei sind nicht nuräußere Einflussfaktoren zu berücksichtigen, sondern auch Differenzierungen innerhalb einer Population.Zudem spielen Konkurrenz-, Symbiose- oder Räuber-Beute-Beziehungen zwischenverschiedenen Spezies eine große Rolle.2A45


A.10. SpektrometrieBei der Wechselwirkung von Materie mit elektromagnetischer Strahlung kann die Materie Energieabsorbieren, wobei entweder Elektronen in höhere Orbitale angehoben werden (UV-VIS-Spektroskopie), oder Molekül-Schwingungen und/oder Rotationen (IR- und RAMAN-Spektroskopie)angeregt werden. Die Energie der Strahlung ist der Wellenlänge λ umgekehrt proportio-hcnal ( E = hν = ). Bei Energieabsorption wird die Intensität der Strahlung an der spezifischenλWellenlänge geschwächt.A.10.1. Das Lambert-Beersche GesetzWenn das Licht in eine Küvette der Länge s mit absorbierender Substanz (Lösung) einfällt, wirdes in der Schicht mit der <strong>Dick</strong>e dx entsprechendgeschwächt.⎛dI⎞I2 = I1− ⎜ ⎟ d⎝dx⎠ x (10.1)II 0 I 1 I 2 I s0dxsxDie Änderung der Intensität in dieser Schicht ist der aktuellen Intensität und der Konzentrationder absorbierenden Substanz proportional.dI= −κ⋅c⋅ I(10.2)dxκ ist der substanzspezifische Extinktionskoeffizient. Die Umformung von Gl.(10.2) liefert:dI= −κ⋅c⋅ dx(10.3)IDies ist eine lineare, homogene Differentialgleichung, die analog wie bei einer Reaktion 1. Ordnunggelöst werden kann.ln I = −κ⋅c ⋅ x + konst.(10.4)Die Anfangsbedingung lautet:Die allgemeine Lösung lautet dann:x = 0: I = I ⇒ ln I = konst.00 0Die Intensität wird an der Stelle s gemessen: (I(s) ≡ I)( )ln I x = −κ⋅c⋅ x(10.5)II(s) Iln = ln =−κ⋅c ⋅ s(10.6)I I0 0Der Quotient I/I 0 wird Durchlässigkeit (Transmission) genannt. Man erkennt also, dass die Intensitätexponentiell mit der Schichtdicke abnimmt. Wird anstelle des natürlichen der dekadische46


Logarithmus verwendet, wird der Extinktionskoeffizient κ durch den dekadischen Extinktionskoeffizientenε ersetzt.( )E = lg I I = ε ⋅c⋅ s(10.7)0E ist die Extinktion (Absorbance) der absorbierenden Substanz. Falls keine Strahlung absorbiertist, ist E gleich 0; falls die Intensität auf 10% fällt, ist E = 1. Gl.(10.7) ist als Lambert-BeerschesGesetz bekannt.Da, wie schon erwähnt, die Absorption energieabhängig ist, zeigt das Spektrum einer farbigenSubstanz (E = f(λ)) typische Absorptionsmaxima und Minima.E0.50400 500 600 λ /nmAus den Absorptionsmaxima kann man bei bekannter Schichtdicke und bekannter Konzentrationden Extinktionskoeffizienten bestimmen. Umgekehrt kann man aber auch bei bekanntem ε dieKonzentration einer Substanz aus einer Extinktionsmessung berechnen.A.10.2. Das SpektrometerEin typisches Einstrahl-Spektrometer hat folgenden AufbauGitterLampeLinseFilterSpaltKüvettenDetektorDas Licht einer geeigneten Lampe wird auf einem drehbaren Gitter, das als Monochromator fungiert,abgebildet. Das vom Gitter frequenzaufgelöste Licht wird durch ein Filter auf einen Spaltreflektiert. Der Spalt ist variabel einstellbar, um einerseits die Wellenlängenreinheit festzulegenund andererseits die Strahlungsleistung variabel zu machen, die durch die Küvette mit der farbigenSubstanz auf den Detektor trifft.47


A.10.2.1. Der MonochromatorBei der Reflexion am Stufengitterϕdtritt Interferenz entsprechend folgender Gleichung auf:n⋅ λ = d⋅sinϕ(10.8)n = 1, 2, 3, ⋅⋅⋅Die höheren Ordnungen (n > 1) werden mit Filtern eliminiert. Durch <strong>Dr</strong>ehen des Gitters wird derWinkel ϕ geändert, so dass Licht einer anderen Wellenlänge in die gleiche Richtung reflektiertwird.A.10.2.2. Der DetektorDie Detektoren (SekundärElektronenVervielfacher, PhotoMultiplier, PhotoDiode) haben einewellenlängen-abhängige Empfindlichkeit.i300 400 500λ / nmDer gemessene Strom i ist von der Intensität abhängig:wobei der Faktor k wellenlängenabhängig ist.( λ )i = k ⋅ I(10.9)48


A.10.2.3. Die LichtquelleWeiterhin haben auch die Lampen eine frequenzabhängige Strahlungsintensität: N = f(λ). DasStrahlungsspektrum einer Wolframlampe sieht etwa so aus:N300 400 500 λ / nmWegen der Wellenlängenabhängigkeit aller Größen in Lampe und Detektor muss für jede Wellenlängedie Referenzintensität I 0 auf den gleichen konstanten Wert gebracht werden. Hierzuwird eine Küvette mit dem reinen Lösungsmittel in den Strahlengang geschoben und die DurchlässigkeitD 0 bei der gewünschten Wellenlänge mit Hilfe des variablen Spaltes auf 100% eingestellt.Dann kann die Durchlässigkeit und die Extinktion der farbigen Substanz bei dieser Wellenlängegemessen werden. Bei jeder Wellenlänge muss die gleiche Prozedur wiederholt werden.Bei Zweistrahlgeräten wird der Lichtstrahl mit Hilfe rotierender Spiegel einmal durch eine Referenzküvetteund dann durch die Messküvette geleitet. Die Spalteinstellung und die Berechnungenerfolgen dann automatisch im Gerät.A.10.3. Anwendungen der SpektrometrieDie Spektrometrie kann neben vielen anderen Anwendungen zur Messung von Dissoziationskonstantenfarbiger Säuren und auch zur Konzentrationsbestimmung in reaktionskinetischenUntersuchungen eingesetzt werden.A.10.3.1. Spektrometrie farbiger Säuren.Eine Säure dissoziiert nach+ −HA ←⎯⎯→ ⎯ H + A(10.10)Die Mengenbilanz der Säure lautet:0c = c + c −(10.11)HA HA ADissoziationsgleichgewicht:c + ⋅ c −c −H AAKD = ⇒ ln KD = ln c + + ln(10.12)HcHAIn der Regel wird die Protonenkonzentration durch ein Puffergleichgewicht konstant gehalten,wenn die Dissoziationskonstante, dargestellt als pK D , zwischen 3 und 10 liegt.c− log K log log HAD= − c + + (10.13)Hcoder−AcHA49


c⇒ pK= pH+ log HA(10.14)DcA−Für die Extinktion der Lösung giltEinsetzen von Gl.(10.11) liefert−A HA− −A A( ε εH)E = E + E = s⋅ ⋅ c +A⋅c(10.15)HA0 0( ε − − εHA ( HA −A A A)) εHA HA −A( ε − εA HA )( )E = s⋅ ⋅ c + ⋅ c − c = s⋅ ⋅ c + c ⋅ − (10.16)Bei pH = 1 gilt:cHA≈ c0HA . Dies entspricht einer Lösung der undissoziierten SäureESpektrum der reinen Säure0.50400 500 600 λ / nmDie Säure absorbiert in der Regel bei kürzerer Wellenlänge. Für die Extinktion gilt hier:0 E0E0 = s⋅εHA ⋅cHA ⇒ εHA= (10.17)0s ⋅ cHABei pH = 13 gilt:cHA≈0cA−0≈ c HA. Das ist die Lösung der vollständig dissoziierten Säure.E0.5Spektrum der reinen Base0400 500 600 λ / nmDas Anion A - der schwachen Säure absorbiert stärker und nach Rot (größere Wellenlänge)verschoben gegenüber der undissoziierten Säure.E s ε cεEs c= ⋅ ⋅ 0⇒ = ∞ −A HA−A⋅∞0HA(10.18)50


Das Spektrum der Mischung hängt vom pH-Wert ab:pH = 13A -EE0.5pH = 1HApH = 70.500400 500 600 λ / nm400 500 600 λ / nmIm linken Bild sind die einzelnen Spektren hintereinander dargestellt. Wenn man sieübereinander darstellt, erkannt man den isobestischen Punkt, durch den alle Spektrenhindurchgehen. Für die Extinktion bei einer beliebigen Säurekonzentration gilt:⎛ E0 0 ⎛ E E0⎞⎞c −∞AE = s⋅⎜⋅ c0 HA+ c − ⋅ E0 0 0 0( E0)A ⎜ − ⎟⎟= + ⋅∞− E (10.19)⎝s⋅cHA ⎝s⋅cHA s⋅cHA ⎠⎠cHAHiermit kann die Konzentration des Anions A - geschrieben werden als:E − E00c − = ⋅ cAHA(10.20)E − EAnalog gilt für die Konzentration der undissoziierten Säure HA:∞0cHAE∞− E= ⋅E − E∞00c HA(10.21)Die Messung der Extinktionen E, E 0 , E ∞ muss bei einer Wellenlänge erfolgen, an der die Differenz(E ∞ - E 0 ) möglichst groß ist.Hiermit kann Gl.(10.14) geschrieben werden als:E∞− E 0⋅ cHAE∞− E0E∞− E⇒ pKD= pH + log = pH + logE − E0 0E − E⋅ c0HAE − E∞0(10.22)Am isosbestischen Punkt ist εHA= εA− =ε = konstant. Wenn das Spektrum einen isosbestischenPunkt hat, stehen zwei Komponenten miteinander im Gleichgewicht.Da die Extinktionskoeffizienten oft sehr groß sind, können die Konzentrationen der Komponentenklein sein.So gilt z.B. Für eine Schichtdicke von 1 cm, einen dekadischen Extinktionskoeffizienten ε = 10 7cm 2 mol -1 und eine Extinktion E ≤ 1 sollte die Konzentration nicht größer als 10 -4 mol dm -3 sein.51


A.10.3.2. Spektrometrische Messung chemischer ReaktionenFür eine chemische Reaktion,Aderen Komponenten im Sichtbaren Licht absorbieren, gilt für die Extinktion zu einem beliebigen0Zeitpunkt unter Verwendung von c = c − c A:BAk⎯⎯→ B(10.23)() ( ) ( ) ⎡( )0 0E t = s εA cA + εB cB = s εAcA + εB cA − εB cA = s⎣ εA − εB cA + εB cA⎤⎦ (10.24)Zu Beginn der Reaktion misst man den Wert E 0 :E = sεc(10.25)00 A ANach möglichst vollständigem Ablauf der Reaktion (ca. 10 Halbwertszeiten) ergibt sich der WertE ∞Aus der Differenz E 0 - E ∞ ergibt sich:Und mitE sεc∞ =B0A( ε ε ) 00 ∞ A B A(10.26)E − E = s − c(10.27)( ) ( ε ε )E t − E = s − c(10.28)∞A B A0Somit ergibt sich für den Quotienten cAcAc E( tA) − E∞=(10.29)0cAE0− E∞Dieser Ausdruck kann zur Bestimmung der Geschwindigkeitskonstante verwendet werden.52


A.11. Elektrische Leitfähigkeit von ElektrolytlösungenDie allgemeine Formulierung eines Elektrolyten Y lautet:Y ⎯⎯→ +↔z+ z−←⎯⎯ ν+ M ν−A(11.1)Der Elektrolyt dissoziiert in Lösung – meistens wässrige Lösung – in ν + Kationen M mit derLadung z + und in ν - Anionen A mit der Ladung z - . Die Elektroneutralität verlangt:ν+z+ ν− z− ne= = (11.2)n e ist hierbei die elektrochemische Wertigkeit des Elektrolyten. Häufig ist ν + gleich ν - , was danneinem symmetrischen Elektrolyten entspricht.Wird eine Elektrolytlösung in eine elektrochemische Zelle gefüllt, und an die Elektroden eineSpannung angelegt, dann kann einerseits an den Elektroden eine elektrochemische Redoxreaktionablaufen, was man aber durch Wahl einer sehr kleinen Spannung oder durch Wechselspannunggenügend hoher Frequenz verhindern kann. Andererseits aber erfahren die Ionen in derLösung eine Kraft, die die Kationen zur negativen und die Anionen zur positiven Elektrodetreibt.A.11.1. Grundlagen der IonenwanderungDie Ionen wandern im elektrischen Feld E zwischen den beiden Elektroden.- +E+v + v -0+ ++A++Im Bild sind die Elektroden eben mit der identischen Fläche A. Die elektrische Kraftgegeben durch K = zeEeliK elist(11.3)Da sich die Ionen aber in einem dichten Medium bewegen, führt die Kraft nicht zu einer permanentenBeschleunigung entsprechend den Gesetzen der Mechanik, sondern es baut sich eine ReibungskraftK Rauf, die der Geschwindigkeit v ider Ionen proportional ist: K = vR(11.4)R i iDie Größe R i ist der Reibungskoeffizient, der von der Viskosität η des Lösungsmittels und derGröße der Ionen – hier gegeben durch dien Ionenradius r i – nach der Stokesschen Formelabhängt.R = πηr(11.5),6iNach sehr kurzer Zeit stellt sich Kräftegleichgewicht ein, K = K ⇒ ze E = v πηrR el i 0 i6iso dass die Ionen bei konstantem elektrischen Feld mit konstanter Geschwindigkeit wandern:(11.6)53


vizeEi 0=6πηri(11.7)Die sich bewegenden Ionen transportieren Ladungen, was einem elektrischen Strom I entspricht: I = eA Nzv + Nzv(11.8)0( )+ + + − − −e 0 ist die Elementarladung und N + , N - sind die Teilchendichten der Kationen und der Anionen.Sie hängen mit der molaren Konzentration c Y des Elektrolyten über folgende GleichungNi cYνiN Azusammen. N A ist die Avogadrozahl.Einsetzen von Gl.(11.9) in Gl. (11.8) liefert: I = eAcνN zv + cνN zv= (11.9)( )0 Y + A + + Y − A − −Gl.(11.10) lässt sich umformen zu I = I = e N Ac ν z v + ν z v = FAc ν z v + ν z v( ) ( )0 A Y + + + − − − Y + + + − − −(11.10)(11.11)mit der Faraday-Konstante F.Für Elektrolytlösungen gilt auch das Ohmsche Gesetz:UI = (11.12)RDer Widerstand R der Elektrolytlösung mit der Dimension [Ω] ist von der Länge l und demQuerschnitt A des Elektrolytleiters abhängig, wobei ρ der von der Geometrie des Leiters unabhängigespezifische Widerstand ist.lR = ρ(11.13)ADie Dimension des spezifischen Widerstandes ist [Ωm]. Da die an den Elektroden anliegendeSpannung U durch U = E l gegeben ist, gilt für den Strom entsprechend Gl.(11.12) E E I = l = lA= κ E AR ρl(11.14)κ ist als Kehrwert des spezifischen Widerstandes die spezifische Leitfähigkeit. Sie hängt nurnoch von der Menge der Ladungsträger in der Lösung ab. Kombination von Gl.(11.11) mitGl.(11.14) liefert: κ E A = FAc ν z v + ν z v(11.15)Y( + + + − − − )Da die Ionenwanderungsgeschwindigkeit dem angelegten Feld proportional ist, wird die vom Feld unabhängige Ionenbeweglichkeit u i definiert als ui = viEHiermit ergibt sich für die spezifische Leitfähigkeit eines Elektrolyten mit Hilfe der elektrochemischenWertigkeit n e :κ = FnecY ( u+ + u− ) = cYne( λ+ + λ−)= cYneΛκ(11.16)Λ =cnY eWährend die Ionenbeweglichkeit u i eine auf ein Teilchen bezogene Größe ist, ist die Leitfähigkeitλ i eine molare Größe.54


A.11.2. Die molare LeitfähigkeitDie Summe Λ = λ++ λ −der Leitfähigkeiten von Anionen und Kationen ist die molare Leitfähigkeitdes Elektrolyten Y. Die SI-Dimension der molaren Leitfähigkeit ist [m2 Ω -1 mol -1 ]. Diemolare Leitfähigkeit Λ eines Elektrolyten Y, die nur noch Beiträge der Leitfähigkeit der amLadungstransport beteiligten Ionen enthält, sollte für gegebene Temperatur in einem gegebenenLösungsmittel konstant sein. Da die hier vorgestellte Herleitung aber die Ladungs-Ladungs-Wechselwirkungen in der Lösung nicht berücksichtigt, kann gezeigt werden, dass Die LeitfähigkeitΛ in komplizierter Weise von der Elektrolytkonzentration abhängt, und die Herleitung exaktnur für verschwindende Elektrolytkonzentration gilt. Für kleine Elektrolytkonzentrationen gilteine von Kohlrausch experimentell gefundene und später von Onsager theoretisch fundierteAbhängigkeit Λ = f(c Y ), die lautet:Λ = Λ − S c(11.17)0 YΛ 0 ist der Grenzwert der Leitfähigkeit bei verschwindender Elektrolytkonzentration (unendlicheVerdünnung: Λ 0 ≡ Λ ∞ ). Sie ist eine elektrolytspezifische Größe in einem gegebenen Lösungsmittel.Bei sehr kleinen Konzentrationen kann die gemessene molare Leitfähigkeit anstelle derLeitfähigkeit bei unendlicher Verdünnung verwendet werden. Da die molaren Ionenleitfähigkeitenλ i unabhängig voneinander sind, kann mit Hilfe der bekannten molaren Leitfähigkeiten dreierElektrolyte (AB, DC, DB) die unbekannte eines vierten (AC) bestimmt werden:ΛAC = ΛAB + ΛDC − ΛDB=(11.18)λ + λ + λ + λ −λ − λ = λ + λ CA B D C D B AA.11.3. Bestimmung von DissoziationskonstantenMit Hilfe von Leitfähigkeitsmessungen lassen sich Dissoziationskonstanten schwacher (ionogener),unvollständig dissoziierter Elektrolyte bestimmen:+ −AB ←⎯⎯→ ⎯ A + B(11.19)Die Dissoziationskonstante K D lautet:cA⋅cBKD= (11.20)cDa bei der Dissoziation gleiche Mengen an Kationen und Anionen entstehen, gilt mit dem Dissoziationsgradα:cA = α ⋅ c ; cB = α⋅ c cAB= (1 −α ) ⋅c(11.21)Hiermit kann die Dissoziationskonstante geschrieben werden als:2( αc)( αc) αKD= = c(11.22)(1 −α) ⋅c(1 −α)Die Äquivalentleitfähigkeit des Elektrolyten lässt sich auf zwei Arten formulieren:• Leitfähigkeit Λ der Elektrolytlösung mit analytischer Konzentration c,• Leitfähigkeit Λ 0 des dissoziierten Elektrolyten mit der Konzentration α⋅cFür die spezifische Leitfähigkeit κ des Elektrolyten kann dann geschrieben werden:ABκ ΛcΛ0αcΛ αΛ 0= = ⇒ = (11.23)55


Hiermit gilt für des Dissoziationsgrad α:Λα = (11.24)ΛHiermit gilt für die Dissoziationskonstante das Ostwaldsches Verdünnungsgesetz:KD02( ΛΛ2) Λc0 0( 1−) ( − )= =Λ Λ Λ Λ ΛDie Größe Λ 0 wird aus den Beiträgen vollständig dissoziierter Elektrolyte bestimmt.00 c(11.25)Gl.(11.25) gilt in dieser einfachen Form nur für sehr stark verdünnte Lösungen. Wegen der starkenund weitreichenden Ion-Ion-Wechselwirkungen sollten Aktivitätskoeffizienten berücksichtigtwerden.A.11.4. Konduktometrische Messung chemischer ReaktionenSind bei einer chemischen Reaktion Ionen beteiligtAgilt für die spezifische Leitfähigkeit der Elektrolytlösung() ( )k⎯⎯→ B , (11.26)κ t = λ 0 0AcA + λB cB = λA cA + λB cA − λB cA = λA − λB cA + λBcA(11.27)Zu Beginn der Reaktion misst man den Wert κ 0 :κ = λ c(11.28)00 A ANach möglichst vollständigem Ablauf der Reaktion (ca. 10 Halbwertszeiten) ergibt sich der Wertκ ∞Aus der Differenz κ 0 - κ ∞ ergibt sichund mitκ∞ =λ cB0A( ) c00 ∞ A B A(11.29)κ − κ = λ − λ(11.30)( t) ( )−∞=A−B Aκ κ λ λc (11.31)Hiermit sieht man, dass sich die molaren Leitfähigkeiten der Ionen A und B unterscheiden müssen.Somit ergibt sich für den Quotienten cAc0Ac κ ( tA) − κ∞=(11.32)0cAκ0− κ∞Dieser Ausdruck kann zur Bestimmung der Geschwindigkeitskonstante verwendet werden. DieGleichungen (11.30) und (11.31) gelten ebenfalls für Reaktionen, an denen auch ungeladeneReaktionspartner beteiligt sind.56


A.11.5. Die Messung von LeitfähigkeitenIn der Regel wird für die Messung von Leitfähigkeiten die Kohlrauschbrücke verwendet:UR AGR BR xR DDie Wechselspannung U liegt an den beiden Zweigen der Brücke an. Der Widerstand R D ist einvariabler Dekaden-Widerstand, der in vier Dekaden jeweils zwischen 0 und 9 verändert werdenkann. Der Widerstand R x stellt den Widerstand der Leitfähigkeitszelle dar. Die Widerstände R Aund R BB sind bekannte Widerstände im Referenzzweig der Brücke. Wenn an dem GalvanometerG zwischen den beiden Brückenpunkten durch Variation von RD kein Strom fließt, giltRxRA= (11.33)R RUnd hiermitRDRBAx= RD(11.34)RBFalls R A = R BB ist, ist der gesuchte Widerstand Rx gleich dem Dekadenwiderstand R D . Die spezifischeLeitfähigkeit der Elektrolytlösung ist dann:κ = 1 lR A(11.35)Da die Zellkonstante K Z = l/A der Messzelle aus ihrer Geometrie nicht genau bestimmbar ist,verwendet man zur Kalibrierung der Messzelle eine KCl-Elektrolytlösung, für die die spezifischeLeitfähigkeit bei gegebener Konzentration exakt bekannt ist.lK = Z KCl KClA= κ R (11.36)Damit kann dann die spezifische Leitfähigkeit jeder beliebigen Elektrolytlösung bestimmt werden:1κ = KZ(11.37)Rxx57


B Einführung in die ThermodynamikAus der Kinetik haben wir erfahren, dass reversible Reaktionen (z.B.Ak12←⎯⎯ ⎯⎯→k21BA+ B←⎯⎯⎯⎯→ C+Dk12k21oder kompliziertere Reaktionen) von einer beliebigen Seite des Reaktionssystems aus so langeablaufen, bis sich das entsprechende Gleichgewicht eingestellt hat.cBk12K = =c kAcC⋅ cDk12K = =cA⋅cBk21K ist die aus dem kinetischen Experiment erhaltene Gleichgewichtskonstante und die überstrichenenKonzentrationen sind die Gleichgewichtskonzentrationen. Chemische Reaktionen könnenwährend ihres Ablaufs arbeitsfähige Energie erzeugen (<strong>Dr</strong>uck-Volumenarbeit im Verbrennungsmotor,elektrische Energie in einer Batterie, Energie in biologischen Systemen) solange sienicht im Gleichgewicht sind. Hier aber wird die nutzbare Energie Null.In der Regel wird eine Reaktion bei konstanter Temperatur (isotherm) und bei konstantem<strong>Dr</strong>uck (isobar) in einem offenen Gefäß durchgeführt, in das zu Beginn des Experimentsbekannte und definierte Mengen bzw. Massen der Reaktionspartner, des Lösungsmittels undweiterer Komponenten eingefüllt werden. Das bedeutet, dass wir bei jedem Experiment dieTemperatur, den <strong>Dr</strong>uck und die Ausgangsmengen verändern können, um die Reaktion bei anderenBedingungen zu beobachten. Zugleich soll aber darauf geachtet werden, dass während desExperiments keine Materie (Reaktionskomponenten oder Lösungsmittel) aus dem Reaktionsgefäßheraus oder in dieses hineingebracht wird. Das Reaktionsgefäß ist somit materiell geschlossen.Das Volumen des Reaktionssystems kann bei konstanten <strong>Dr</strong>uck und Temperatur durch denExperimentator nicht beeinflusst werden, da es selbst durch die Reaktion verändert werden kann.Somit sind die Größen, insbesondere Energien, die wir aus dem kinetischen Experiment gewinnenkönnen, von <strong>Dr</strong>uck und Temperatur, nicht aber vom Volumen abhängen. Würde die Reaktionin einem geschlossenen, thermostatisierbaren Gefäß durchgeführt, könnte man Temperaturund Volumen, nicht aber den <strong>Dr</strong>uck beeinflussen, so dass in diesem Fall die Energien mit anderenWerten von den entsprechenden Variablen abhingen.Deshalb kennt man in Thermodynamik und Technik verschiedene Energieformen, die den verschiedenenProzessführungen der Experimente entsprechen.21B.1 Thermodynamische GrundbegriffeUm das Reaktionssystem von der energetischen Seite aus zu betrachten, benötigt man nocheinige Informationen und Definitionen.B.1.1SystemeEin System ist ein abgegrenzter Teil der gesamten Welt, in dem die interessierenden Prozesseablaufen. So kann das System sein• eine Küvette, die sich einem Spektrometer befindet und in der die zu untersuchende Reaktionabläuft,58


• Elektrische Batterie,• Becherglas gefüllt mit Salzsäurelösung,• Lebende Zelle mit Zellmembran, Zellkern, Mitochondrien und Zelllösung,• Zylinder mit Kolben eines Verbrennungsmotors,• Titrationskolben mit zu untersuchender Lösung.Das System ist makroskopisch, d.h. aus vielen Teilchen (Molekülen) aufgebaut (N ∼ 10 15 –10 25 ). Sein Verhalten wird von Wärmeaustauschvorgängen und/oder von Arbeitsbeiträgen(mechanische, elektrische, magnetische u.a.) beeinflusst. In der Regel können die Eigenschaftender einzelnen Teilchen (Atome, Moleküle) nicht sondern nur die des gesamten Systems beobachtetwerden. Somit sind die Werte von Messgrößen immer Mittelwerte, die über die Beiträgealler Teilchen gemittelt sind.• Wir hatten bei der Herleitung der kinetischen Gleichungen immer angenommen, dass währendder Reaktion keine Komponenten von außen zu oder nach außen abgeführt werden. DieGesamtmenge aller Komponenten im Reaktionsgefäß blieb konstant. Auch die Temperatursollte konstant bleiben. Da aber eine chemische Reaktion, solange sie nicht im Gleichgewichtist, Wärme oder Arbeit erzeugen oder verbrauchen kann, musste das System zur Einhaltungder Temperaturkonstanz wärmedurchlässig bzw. nicht isoliert sein.• In der Regel wurde in offenen Gefäßen experimentiert, so dass der konstante Außendruckauch immer über dem untersuchten System herrschte. Dadurch musste man aber in Kaufnehmen, dass sich das Volumen der Reaktionslösung ändern konnte. Ist diese Volumenänderunggroß, kann eine Reaktion auch mechanische Arbeit leisten (Verbrennungsmotor,Dampfmaschine). Bei Reaktionen in flüssiger Phase hingegen ist diese Volumenänderungmeistens zu vernachlässigen.• Man erkennt, dass das eigentliche experimentelle System von der Umgebung umgeben istund mit dieser Materie, Wärme oder mechanische Arbeit austauschen kann. Die Umgebungwird dabei so groß angenommen, dass sie diesen Austausch verkraften kann, ohne ihrenZustand messbar zu ändern.• Wenn ein System mit der Umgebung Materie, Wärme und Arbeit austauschen kann, ist einoffenes System.• Nur Austausch von Wärme und Arbeit ergibt ein materiell geschlossenes System.• Findet überhaupt kein Austausch mit der Umgebung statt, ist es ein abgeschlossenes System.• Es ist immer möglich, ein System in Teilsysteme aufzuspalten, oder Teilsysteme zu einemgrößeren System zusammen zu fassen.• Unter diesen Bedingungen ist ein System, das aus der Umgebung und den von ihrumschlossenen Teilsystemen besteht, immer ein abgeschlossenes System.B.1.2Der erste Hauptsatz der ThermodynamikEin abgeschlossenes System hat einen konstanten Energieinhalt (Innere Energie U). Wenn sichdie innere Energie eines materiell geschlossenen Systems ändert, kann dies nur durch Austauschvon Wärme (Q) oder Arbeit (W) mit der Umgebung geschehen.B.1.3Thermodynamische VariableDie Variablen, die an einem System gemessen werden können, sind:• Zeit t : s• <strong>Dr</strong>uck p : bar, Pa• Temperatur T : °C, K59


• Menge n bzw. Konzentration c der Komponenten: mol, mol/dm 3 u.a.• Energieno E/ J : Allgemeine Formulierung der Energie des Systemso U/ J : Innere Energie des Systemso A/ J : Helmholtz-Energie des Systems (von Temperatur und Volumen abhängig)o G/ J : Gibbs-Energie des Systems (von Temperatur und <strong>Dr</strong>uck abhängig)• Wärme Q (allgemein), H (von <strong>Dr</strong>uck abhängig) : J, (cal)• Arbeit W (mechanisch, elektrisch, magnetisch) : J• Volumen eines chemischen Systems V : m 3 , l, dm 3 , ml• Oberfläche einer Flüssigkeit O : m 2 , cm 2 . u.a.In der Thermodynamik spielt die Zeit in der Regel keine Rolle.Aus kinetischen Experimenten haben wir erfahren, dass die Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanteunabhängig davon ist, in welcher Menge die Reaktionspartner eingesetzt wurden. Estraten also nur Größen, insbesondere Temperatur, <strong>Dr</strong>uck, Konzentrationen auf, die mengenunabhängigsind.• Solche Größen oder Variable nennt man intensive Variable. Sie zeichnen sich dadurch aus,dass sie in einem homogenen System überall den gleichen Wert haben. Teilt man ein Volumeneiner Säurelösung in zwei Teile, ist die Konznetration in beiden Teilvolumina gleichgroß und auch gleich der im Anfangsvolumen.• Im Gegensatz dazu nennt man Größen oder Variable, die von der Menge der Komponentenabhängig sind (Volumen, Energie, Arbeit) extensive Variable.• Wichtig ist hierbei aber festzustellen, dass die extensiven Variablen den Mengen bzw. Massendirekt proportional sind. 2 kg Wasser haben bei gleichen Werten von <strong>Dr</strong>uck und Temperaturdas doppelte Volumen wie 1 kg.Zu jeder extensiven Variable gibt es eine molare Variable, die auf ein Mol bezogen ist. z.B.:molare Energie J/mol, molares Volumen dm 3 /mol. Zur Unterscheidung schreibt man die molarenGrößen mit dem entsprechenden Kleinbuchstaben. So gilt z.B.G gn = (1.1)Falls die Variable auf eine bestimmte Masse (1 kg) bezogen ist, spricht man von spezifischenGrößen. In der Regel sind die Werte solcher molarer oder spezifischer Größen in Tabellen zufinden.B.1.4ProzesseEin Prozess ist eine makroskopische Zustandsänderung des Systems, wobei mindestens eine derVariablen geändert wird. Betrachtet wird er als Unterschied zwischen dem Zustand am Ende unddem zu Beginn des Prozesses. Wie lange ein solcher Prozess dauert, ist für die Bilanz thermodynamischerVariablen unerheblich. Aus experimentellen Beobachtungen konnte man erkennen,dass die Änderungen mancher thermodynamischer Variablen in einem Prozess von einemAnfangszustand zu einem Endzustand unabhängig davon ist, wie und auf welchem Wege dieseZustandsänderung erreicht wurde. Solche Variable, zu denen alle Energien, <strong>Dr</strong>uck, Temperatur,Volumen und die Oberfläche gehören, nennt man Zustandsvariable bzw. Zustandsfunktionen.Hingegen sind die technisch bedeutsamen Größen Wärme und Arbeit in ihren Änderungen inder Regel von der Prozessführung abhängig und damit keine Zustandsfunktionen.B.1.5Thermodynamische ZuständeEin thermodynamischer Zustand ist die momentane makroskopische Beschaffenheit des Systems.Ein offenes System kann dabei mit der Umgebung Materie und Energie (Wärme bzw.Arbeit) austauschen. Man nennt die Differenz zwischen zufließender und abfließender Materie60


zw. Energie den Nettofluss des Systems. Materiell abgeschlossene Systeme können nur Energieaustauschen.• Ein stationärer Zustand ist der Endzustand, den ein offenes System im interessierendenZeitmaßstab bei zeitlich konstanten Randbedingungen erreicht. Im stationären Zustand sinddie Werte aller Zustandsvariablen und die Nettoflüsse zeitlich konstant. Beispiele sind:ooReaktor, in den mit konstanter Geschwindigkeit die Reaktionspartner einfließen und dieReaktionsprodukte abfließen.Lebende Organismen, die einen ständigen Zufluss von energiereicher Materie benötigen,die im Stoffwechsel in Energie, Wärme, lebensnotwendige Substanzen und energieärmereStoffwechselprodukte, die ausgeschieden werden müssen, umgesetzt wird.• Der Gleichgewichtszustand ist der stationäre Zustand eines Systems, bei dem iminteressierenden Zeitmaßstab alle beobachtbaren Zustandsvariablen konstant und dieNettoflüsse (zu ihnen zählen auch die Reaktionsgeschwindigkeiten) Null sind. Entsprechendkann ein System im Gleichgewicht keine Arbeit und keine nutzbare Energie liefern.Somit sind auch alle (Netto-) Triebkräfte Null.Ein Gleichgewichtszustand heißtoooB.1.6(thermodynamisch oder absolut) stabil, wenn er unter dem Einfluss von Störungenauf Dauer beständig ist,metastabil, wenn er unter dem Einfluss dieser Störungen nur vorübergehend beständigist,instabil, wenn er unter dem Einfluss der Störungen ohne Zeitverzug verlassen wird.Meist wird beim Gebrauch des Begriffes Gleichgewicht unterstellt, dass der Zustand thermodynamischstabil ist.Die Energien thermodynamischer SystemeDa Energien nicht absolut gemessen werden können, interessieren nur Energieänderungen.Diese Energieänderungen können als Gesamtänderung ΔE in einem Prozess gemessen werdenΔ E = E −EEndeAnfang. (1.2)Sie können aber auch als beliebig kleine, und vom augenblicklichen Zustand des Systemsabhängige Größen dE auftreten (E sei hierbei das allgemeine Symbol für die Energie; spezielleEnergieformen haben dann eigene Symbole). Man nennt eine solch kleine Änderung eine differentielleEnergieänderung oder ein Energiedifferential.• Die arbeitsfähige Energie, die materiell geschlossene und offene Systeme bei einem Prozessumsetzen, ist von <strong>Dr</strong>uck p, Temperatur T und den Mengen n i der Komponenten i, diedas System aufbauen, abhängig. Sie heißt Gibbssche Energie G. Somit ändert sich dieGibbssche Energie bei einer chemischen Reaktion von der Energie der Ausgangsverbindungenbis zum Wert Null im Gleichgewicht, da das System dann keine Arbeit mehr leistenkann. Hierbei müssen p und T konstant gehalten werden.• Falls ein System Energie, Wärme oder Arbeit abgibt bzw. leistet, wird diese Energie für dasSystem als negative Energie gezählt. Arbeits- oder Energieaufnahme ist für das Systempositiv. Energieabgabe verringert den Energieinhalt des Systems.• Falls ein System aus mehreren Komponenten besteht, hat jede Komponente i eine molareGibbssche Energie, die das chemische Potential μ i der Komponente i genannt wird61


μ0( ) μ ( )ipT , =ipT , + R⋅T⋅ln( a i)(1.3)Da, wie schon erwähnt, nur Energiedifferenzen maßgeblich sind, ist μ 0( pT , )idas chemischePotential der Komponenten i bei dem Bezugszustand 0. R ist die molare Gaskonstante,T die Temperatur (K) und a i die Aktivität der Komponente i. Sie ist das Produkt der Konzentrationmit einem geeigneten Aktivitätskoeffizienten.Ein häufiges Konzentrationsmaß ist der Molenbruch x i :xnii= (1.4)∑ njjDer Molenbruch ist ein dimensionsloses Konzentrationsmaß, das zwischen den Grenzen 0(Komponente i nicht vorhanden) und 1 (Komponente i rein vorhanden) definiert ist. Derzugehörige Aktivitätskoeffizient ist f i , und der Bezugszustand ist die reine Komponente(Index ∗). Hiermit gilt für das chemische Potential:μ( ) μ ∗( )pT , = pT , + R⋅T⋅ ln( x⋅ f)(1.5)i i iAnstelle des Molenbruchs wird für Lösungen als häufigste Konzentration die molare Konzentrationc / mol⋅dm -3 verwendet. Hierfür lautet das chemische Potential:∞,c⎛ ciμi( p, T) = μi( p, T)+ RT ln⎜ y ⎞ i⎝ c ⎟ (1.6)⎠y i ist der Aktivitätskoeffizent für die molare Konzentration c i mit der Referenzkonzentrationc = 1 mol⋅dm -3 .Die folgende Tabelle enthält die Zusammenhänge für verschiedene Konzentrationsmaße:iKonzentrationBezugskonzentrationReferenzpotentialAktivitätskoeffizientReferenz fürAktivitäskoeff.x i (flüssig) x i = 1*μi f i x →1lim f = 1iiy i (gas) p i = p * μ *, pi ϕ ilim ϕ 1* i=c i /mol⋅dm -3 c ∅ = 1 mol⋅dmm i /mol⋅kg -1 m ∅ = 1 mol⋅kg-3 ,cipi→piμ ∞ y ilim yi= 1c →0μ ∞ γ ilim γi= 1m →0-1 ,miiiAlle Bezugszustände sind für den Standardzustand (T = 298,15 K und p = 1,013 bar)festgelegt.Die Aktivität kann häufig näherungsweise gleich der Konzentration der Komponente gesetztwerden. Die Fälle, in denen diese Gleichsetzung nicht gilt, sollen später behandelt werden.62


B.2 Energetik chemischer ReaktionenB.2.1Rationale Schreibweise für chemische ReaktionenChemische Reaktionen (R) zwischen Komponenten S i( R) ν ′ A+ ν B+ ν′ C+ ν′ X+ ν′ Y+ ν′Z+ (2.1)A B C X Y Zwerden in der Regel als Überlagerung von Hin- und Rückreaktion formuliert, wobei das Ausmaßder Hin- oder Rückreaktion bei verschiedenen Reaktionen außerordentlich unterschiedlich seinkann. Als Beispiel sei die Ammoniaksynthese formuliert:( R) 3H2+ N2 2NH3Eine für die Berechnungen bequemere Schreibweise ergibt sich, wenn man die Edukte wie beieiner algebraischer Gleichung nach rechts bringt, wobei die stöchiometrischen Koeffizienten neudefiniert werden müssen:( R) 0ν A+ ν B+ ν C+ + ν X+ ν Y+ ν Z+A B C X Y ZBeispiel der Ammoniaksynthese:( R) 0 →←( − 3) H2+ ( − 1) N2+ 2 NH↑ ↑ ↑ν ν νH2 N2Die stöchiometrischen Koeffizienten der Edukte werden negativ und die der Produkte positivgezählt. Damit gilt für die Reaktion (R) zwischen den Komponenten S i :( R) = ∑νiSiiNH3νi< 0: Eduktν > 0: Produktν i = vorzeichenbehafteter stöchiometrischer Koeffizient.Führt man eine chemische Reaktion ausgehend von den Edukten durch, werden der stöchiometrischenReaktionsgleichung entsprechende Mengen umgesetzt.B.2.2 Die Gibbssche ReaktionsenergieWird die chemische Reaktion bei konstanten T und p durchgeführt, gilt für die differentielleÄnderung der Gibbbs-Energie:dG = ∑ μ dn(2.4)iDer Umsatz kann zwischen Null und dem der Stöchiometrie entsprechenden vollständigen Wertν i variieren. Wie man aus dem Zusammenhang der differentiellen Zeitgesetze der Reaktion weiß,sind die Umsätze der einzelnen Komponenten nicht unabhängig voneinander. Mit der Definitionder Größe λ als Reaktionslaufzahl kann man schreibeniii3(2.2)(2.3)Hiermit ergibt sich aus Gl.(2.4)dni= ν dλ(2.5)⎛ ⎞dG = μνi idλ = ⎜ μνi i ⎟ dλi ⎝ i ⎠i∑ ∑ (2.6)Division durch dλ liefert die Größe Δ R g63


⎛ ∂ G ⎞⎜ ⎟ = ⎛ ⎜∑ μν⎞⎟ = Δ g(2.7)i i R⎝ ∂λ⎠pT, ⎝ i ⎠als molare Gibbs-Reaktionsenergie. Wie noch später gezeigt wird, muss für eine spontan ablaufendeReaktion gelten: dG ≤ 0. Im Gleichgewicht ist dG = 0.Gleichgewicht: ΔRg= 0ΔRg< 0 : dann dλ> 0Δ g > 0 : dann dλ< 0RReaktion verläuft inpositiver RichtungReaktion verläuft innegativer RichtungDer Zusammenhang zwischen der Gibbsschen Energie G einer Reaktion und der Reaktionslaufzahlλ kann folgendermaßen dargestellt werden:Wie Gl.(2.7) zeigt, ist Δ R g jeweils die Steigung an die Kurve G = f(λ) bei <strong>Dr</strong>uck und Temperaturkonstant. Im Gleichgewicht geht G durch ein Minimum, an dem Δ R g Null ist. Die Reaktionkann deshalb links vom Gleichgewicht nur von den Edukten und rechts davon nur von den Produktenaus spontan zum Gleichgewicht ablaufen. ΔG ist die Differenz der Gibbsschen Energienvon Produkten und Edukten.0Mit μ = μ + RT ln a , kann man formulieren:wobeii i i∑0ΔRg= νiμi + RT νiln ai0ΔRg( T, p)∑∑0 00ΔRg = ΔRg ( T, p)= νiμiDer Bezugszustand mit dem Index 0 steht jeweils für den für die Reaktionskomponente sinnvollenBezugszustand (* für Mischungen und Lösungsmittel, ∞ für gelöste Komponenten). Derzweite Term auf der rechten Seite von Gl.(2.8) lässt sich folgendermaßen schreiben:1 2 3( 1 2 3 )(2.8)ν iiiln ai ln ai ln a ν a ν a ν.... ln aν∑ν= ∑ = ⋅ ⋅ = Πi(2.9)Π ist das Produktsymbol, das die Aktivitäten multiplikativ verknüpft. Hieraus kann man denReaktions-Quotienten (Massenwirkungsbruch) Q R festlegen:64QiR= ∏ (2.10)ia iνi


Damit ergibt sich aus Gl.(2.8):0Δ g = Δ g + RT lnRRQ R(2.11)Im Gleichgewicht (eq) ist Δ R g = 0, so dass gilt0 00=Δ g + RT ln ( Q ) ⇒Δ g =−RT ln ( Q )R R eq RReq(2.12)B.2.3Die GleichgewichtskonstanteWir definieren damit die Gleichgewichtskonstante K R (Massenwirkungskonstante) derReaktion durch:Somit kann man auch schreiben:KR ( T, p) = ( QR)= ⎛ a ν ⎞i=e−Δeq ⎜ ⎟⎝ i ⎠ΔRg = − RT ln KR+ RT ln QR0i R g ( RT )∏ (2.13)(2.14)Bei der Aufstellung von Reaktionsgleichungen und bei der Angabe von Gleichgewichtskonstantenist folgendes zu beachten:• Zu einer Gleichgewichtskonstanten ist immer die Reaktionsgleichung anzugeben, da dieGleichgewichtskonstante der Rückreaktion gleich dem Kehrwert der der Vorwärtsreaktionist.• Zur genauen Kennzeichnung müssen in den Reaktionsgleichungen der Aggregatzustand undweitere spezifizierende Bezeichnungen der Komponenten angegeben werden. Um beigleichzeitiger Verwendung verschiedener Standards Verwechslungen zu vermeiden, müssendie verschiedenen Massenwirkungsbrüche und -konstanten bei Bedarf geeignet indiziertwerden!• Die Gleichgewichtskonstante ebenso wie der Reaktions-Quotient sind dimensionslose Größen.• Es ist ohne Probleme möglich, bei Reaktionen zwischen Komponenten, die in verschiedenenAggregatzuständen eingesetzt werden, die Bezugszustände und die Konzentrationsmaße entsprechendden Komponenten geeignet zu wählen.• Sind bei einer Reaktion feste Stoffe beteiligt, dann wird deren Aktivität für die reine festePhase gleich 1 gesetzt.• Zur Vereinfachung werden bei der Berechnung von Gleichgewichtskonstanten anstelle derAktivitäten meist nur die entsprechenden Konzentrationen verwendet.• Für die Berechnung von Gleichgewichtskonstanten von Reaktionen in flüssiger Phase ist einweiterer Referenzzustand für den Aktivitätskoeffizient sinnvoll:Für eine Reaktion von links nach rechts gilt: ΔRg = RT ln ( QR/ K R) < 0 . Es folgt: Q R < K R .Wenn eine Reaktion also in positiver Richtung verläuft, ist der Massenwirkungsbruch kleiner alsK R : die Produktkonzentrationen sind noch zu klein, die Eduktkonzentrationen zu groß. BeiΔ > 0 ist es umgekehrt.R gB.2.4Der Standard-BezugszustandFür den Standardzustand ergibt sich unter Verwendung des chemischen Standardpotentials 0 μi = μi ( T , p ) der reinen Substanz i der Standardwert der Gleichgewichtskonstanten:K = exp( −Δ g ( RT )) = exp( − ν μ ( RT))∑R R i iDer Standardzustand ist durch T = 298,15 K und p = 1,013 bar festgelegt.65


B.2.5Die ReaktionsenthalpieNeben der Gibbsschen Reaktionsenergie, die bei konstanten <strong>Dr</strong>uck und Temperatur die maximalmögliche Nutzarbeit des Reaktionssystems darstellt und mit ihrem Vorzeichen angibt, ob dieReaktion spontan oder nicht spontan abläuft, sind die meisten Reaktionen auch mit einer Änderungdes Wärmeinhaltes verbunden, die in Wärmekraftmaschinen genutzt werden kann. Die beieiner Reaktion bei konstantem <strong>Dr</strong>uck umgesetzte Wärme ist die Enthalpie H. Somit ist demchemischen Standardpotential μ idie molare Standardenthalpie h izugeordnet.Da Energien nicht absolut bestimmt werden können, müssen alle Energiebeiträge einer chemischenReaktion auf die gleiche Referenz bezogen werden. Da die Bildungsenthalpie einesMoleküls die Differenz des Energieinhaltes des Moleküls gegenüber denen der das Molekül aufbauendenElemente ist, ist es sinnvoll, die Bildungsenthalpien der Elemente in deren stabilenModifikationen bei Standardbedingungen gleich Null zu setzen.h (Elemente in stabiler Modifikation) = 0 Jmol -1 bei T = 298,15 K und p = 1,013 bar.iDie μ isind neben den Werten der molaren Standard(bildungs-)enthalpien h iin der Literaturin umfangreichen Tabellen niedergelegt, z.B. in Atkins „Lehrbuch der <strong>Physikalische</strong>n <strong>Chemie</strong>“im Anhang unter der Bezeichnung Δ Gf. Diese Tabellen sind für die praktische Berechnungvon Gibbsschen Reaktionsenergien ungemein nützlich!B.2.6B.2.6.1Werte:Beispiele von GleichgewichtsreaktionenWasserdissoziationHO2+ -H(aq) + OH(aq)H 2 O (l) H + (aq) OH - (aq)μ / kJ⋅mol -1 - 237 0 (def) - 157h / kJ⋅mol -1 - 286 0 (def) - 230Standard: c 0 = 1 mol⋅dm -3Somit:Δ = −157 −( − 237) = + 80 kJ ⋅molR g−1Δ = −230 −( − 286) = + 56 kJ ⋅molR hbzw.−1K R≈1,0⋅10−14Daher gemäß Gl.(2.13):( c + /M) ( c - /M) ⎛ ⋅HOH⎞KR= ⎜ x ⎟⎝H2O⎠Da die Gibbssche Standard-Reaktionsenergie stark positiv ist, ist die Dissoziationskonstante sehrklein, so dass man setzen kann: x ≈Damit giltc+H-OHH 2 O 1c ⋅ c = K ⋅ M = K = 10+ -H OHRM2 −14 2W⋅ c wird als Ionenprodukt des Wassers und K W als Ionenproduktkonstante bezeichnet.Der pH-Wert ist definiert als:66⎛a⎞HpH =−log⎜ ⎟ (2.15)⎝ ⎠c +


Bei der Dissoziation von Wasser-H2O →+← H + OHwerden gleich viele Anionen wie Kationen erzeugt, so dass gilt c = und c = 1 mol⋅dm -3+ -= 1 M:c+H= K = 10 mol ⋅ dmW−7 −3HcO HB.2.6.2hier:Na SOLösen eines Salzes⋅10 H O2 4 2(Glaubersalz = GS)Daher mit K R = K R (T,p) und M = mol⋅l -1 :Da x GS = 1 undxHO=12GS(s) →+← 2 Na (aq) + SO (aq) + 10 H O(l)KRergibt sich:Sättigungskonzentration c s von GS:2-4 2( c / M) ⋅( c / M) ⋅( x )=x2 10Na SO 4 H 2OGSc ⋅ c = K R= L(2.16)Na23Na SOM4c = 2c und c = c , daher: L=4c3s SO 4 s sbzw. 3 L3cs= . z.B. bei 0°C: L ≈0,115M ,sodass c .4s≈0,31M2Gleichgewicht ohne Bodenkörper: cNa⋅ cSO 4< L!Ionenprodukt Ionenprodukt- oder LöslichkeitskonstanteB.2.6.3NO-Bildung aus den Elementen in der GasphaseFür die Gleichgewichtskonstante ergibt sich:N + O 2NO2 2KRN 2 O20Δ R −GRT2xNO= = e(2.17)x xa) T = 298 K, p = 1 barΔ g =Δ g = 173,1 kJ/mol, so dass K = 4,4 ⋅100 −31R R RΔ h = Δ h = 180,5 kJ/mol > 0RRAlso bei x = 0,8 und x = 0,2 gemäß Gl. (2.17)N2 O2x NO= 2,7 ⋅ 10−16b) T = 2000 K, p = 1 bar67


Hier ist K R(2000 K) ≈4 ⋅10für x und x )N2 O2− 4, so dass bei dieser Temperatur (unter Verwendung obiger Werte3 3xNO≈ 0,008 = 8 dm / m !Also: Großer Gleichgewichtsanteil von NO bei hohen (Verbrennungs-)Temperaturen (hohemWirkungsgrad η), unter Abkühlung wegen kinetischer Hemmung normalerweise keine Rückkehrins Gleichgewicht. (Abhilfe z.B. beim Kfz: Katalysator)(unterhalb 150°C: NO +1O2→ NO2, MAK-Wert von NO 2 : 5 ppm = 5 ml/m 3 !)2B.2.6.4Bildung von CO im Boudouard-GleichgewichtFür die Gleichgewichtskonstante gilt damit:wenn der feste Kohlenstoff rein vorliegt.C(s) + CO (g) 2CO( g)C CO2 CO222 2xCOxCO= = KR= ex ⋅ x x0Δ R −GRTΔ g =Δ g = 120 kJ/mol, so daß K = 9,0 ⋅100 − 22R R RΔ h = 173 kJ/mol > 0RDaher ist im Gleichgewicht bei Umgebungsbedingungen praktisch kein CO zu finden. Aber mitwachsenden (Verbrennungs-)Temperaturen ergibt sich ein starker Anstieg der CO-Bildung (s.anorganische <strong>Chemie</strong>: Boudouard-Gleichgewicht und Ellingham-Diagramm) wie bei NO. Bei2000 K erhält man (auf die in den vorangehenden Beispielen gezeigte Weise) mit4KR(2000 K) ≈ 6⋅10für die Gleichgewichtskonstante einen Wert, der sogar weit über 1 liegt.Wieder gilt: Unter Abkühlung wegen kinetischer Hemmung normalerweise keine Rückkehr insGleichgewicht. Nur wegen dieser Hemmung kann CO im Alltag zum Problem werden. (Auchhier technisch Abhilfe durch Katalysatoren)B.2.6.5Technische AmmoniaksyntheseDas Gleichgewicht vonN ( g) + 3H ( g) 2NH ( g)2 2 3−1liegt unter Standardbedingungen wegen Δ g R= −34 kJ mol auf der Seite des Ammoniaks.Allerdings besteht eine sehr starke Reaktionshemmung, die auch bei Verwendung technisch verfügbarerKatalysatoren (Eisen-Alkalihydroxid-Tonerde) erst durch Temperaturerhöhung auf über1450°C wirksam beseitigt werden kann. Da die Reaktion mit Δ H R= −92 kJ mol−(Reaktionswärme)exotherm ist, wird ihr Gleichgewicht durch eine so starke Temperaturerhöhung aber weitauf die Seite der Edukte verschoben, so dass die Ammoniakausbeute sehr klein wird. Man machtsich daher bei der technischen Ammoniaksynthese zunutze, dass sich die Menge an Gas verringertund somit Δ v Rnegativ ist, und wirkt der unerwünschten Verschiebung des Gleichgewichtsdurch eine starke Erhöhung des <strong>Dr</strong>ucks entgegen.Bei 500°C und 250 bar werden so im technischen Verfahren (Haber-Bosch-Verfahren) Ausbeutenvon etwa 15% erzielt. Weitergehenden Umsatz erreicht man, indem man das gebildete Am-68


moniakgas durch Tiefkühlen (Verflüssigen des Ammoniaks) oder durch Auswaschen aus demGasgemisch entfernt.69


B.2.7Redoxreaktionen und Nernstsche GleichungViele chemische Reaktionen in flüssiger Phase laufen unter Ladungsübertragung von einemReaktionspartner auf einen anderen ab. Die Abgabe eines oder mehrerer Elektronen ist eine Oxidation,die Aufnahme eine Reduktion.Red + Ox1 2 Ox1+ Red2(2.18)Pro Formelumsatz werden z Elektronen ausgetauscht (z > 0). Falls eine solche Reaktion inhomogener Phase abläuft, kann nach Einstellen des ungehemmten Gleichgewichtes die Gleichgewichtskonstanteaus den Aktivitäten der Reaktionspartner bestimmt werden. Mess- und nutzbarsind hier nur die Reaktionsenthalpie und die Volumenarbeit (Verbrennungsmotor, Raketenantrieb,thermische Heizungen mit Gas, Holz oder Öl). Die Elektronen werden direkt zwischenden Reaktionspartnern ausgetauscht.Es ist aber auch möglich, Redoxreaktionen einem elektrochemischen Gleichgewicht zu unterwerfen,wobei der Ladungsfluss über einen äußeren metallischen Leiter geführt und gesteuertwerden kann.Damit die Reaktionspartner nicht direkt in Kontakt kommen (siehe oben), müssen sie in dieserGalvanischen Zelle (Galvanische Kette, galvanisches Element, Batterie, Akkumulator) räumlichdurch eine für sie undurchlässige Membran getrennt werden. Die Membran (Elektrolytbrücke)selbst muss für das Lösungsmittel und für Ionen, die nicht an der Reaktion beteiligt sind, permeabelsein.Zur Herleitung der notwendigen Gleichungen gelte weiterhin T, p = const.Für die beiden Teilreaktionen gilt dann:links: Red Ox +1 1−2ze 2rechts: Ox + RedDie Elektronen werden durch die Metallelektroden (Platindraht) ab- und/oder zugeführt.ze−(2.19)Eϕ 1ϕ 2IlimUI →0el= EPlatindrahtdq elRed1/Ox1Red2/ Ox2ElektrolytbrückeWerden die beiden Elektroden kurzgeschlossen, ist das System ungehemmt und es fließt einStrom I solange, bis sich zwischen den Redoxpartnern das Gleichgewicht eingestellt hat.Werden hingegen die Elektroden getrennt oder über einen beliebig hohen Widerstand miteinanderverbunden, kann man an den Elektroden bei verschwindend kleinem Strom das Potential E –die elektromotorische Kraft EMK – bestimmenE ϕ2ϕ1= − . (2.20)An dem Widerstand R eines Verbraucher liegt die Spannung U el = E - R⋅I an.70


Aufgrund der Redoxgleichung (2.19) spielt sich bei positivem Umsatz an der linken Elektrodedie Oxidation ab, dem System fließen über die rechte Elektrode also Elektronen (negativeLadungen) zu, so dass hier die entsprechende Reduktion stattfindet.Dabei gilt für die umgesetzte Ladung Δq el Ladung ElektronΔ qel= z( −qo) ⋅ NL= −zF(2.21)Hier ist F die Faraday-Konstante. Sie ist gegeben durch:wobeiLadung eines (+1)-wertigen StoffesF =≈96, 485⋅10 As molStoffmengeF = N q q = ≈ ⋅L3 −1−190mit0Elementarladung 1,6022 10 AsDie elektrische Arbeit Δw el pro Mol Formelumsatz ist identisch mit der molaren GibbsschenReaktionsenergiepro Formelumsatzausgetauschte LadungΔ g R. Damit ergibt sich unter Verwendung von Gl. (2.21): (2.22)Für E folgt:elwRg zΔ = Δ = − FEZusammen mit Gl.(2.11) ergibt sich die Nernstsche Gleichung:E = −1ΔRg(2.23)zF1 0E =− ΔRg −RTln QRTR= ln KRTR− ln QR(2.24)zF zF zF zFE wird elektromotorische Kraft oder EMK oder auch Redoxpotential der Reaktion genannt.Wie die Herleitung zeigt, handelt es sich um eine Gleichgewichtsspannung. Gemäß Gl.(2.24)ist sie genau dann von Null verschieden, wenn das Massenwirkungsgesetz nicht erfüllt ist, wennalso K R ≠ Q R ist. Das Massenwirkungsgesetz beschreibt das ungehemmte Reaktionsgleichgewicht(oder Massenwirkungsgleichgewicht), bei dem die Reaktion unter Erschöpfung ihrerTriebkraft zu Ende geht (E = 0). Dagegen liegt bei E ≠ 0 ein elektrochemisches Gleichgewichtvor. Die Reaktion wird durch Eingriff von außen, nämlich durch die räumliche Trennung derRedoxpaare und die Unterbrechung des äußeren Stromzweigs daran gehindert, bis zum Erreichendes Massenwirkungsgleichgewichtes (Δ R g = 0) weiterzulaufen.Meist schreibt man die Nernst'sche Gleichung abgekürzt in der Form:ERTzF0= E − ln Q R(2.25)E 0 ist die Standard-EMK oder das Standard-Redoxpotential der Reaktion. Mit Gl.(2.24) gilt:E= RT 0RzF= − zFΔ g0ln K1R(2.26)71


Also genügt es, eine der Größen E 0 , K R oder Δ R g 0 zu kennen, um die beiden anderen berechnenzu können. Das gilt natürlich auch für die auf (T , p ) bezogenen Werte E , K R und Δ R g .Jede galvanische Zelle besteht aus zwei Teilzellen, in denen sich jeweils ein Redoxsystem befindet.In einer Telzelle findet die Oxidation, in der anderen die Reduktion statt. Um allgemeingültigeBerechnungen an galvanischen Zellen durchzuführen, gilt für diese die Stockholmer Konvention:• Jede Teilreaktion wird als Reduktion formuliert:Ox + ze − Red• Für jede Teilreaktion wird eine Nernstsche Gleichung angesetzt.Eii0a= E RTi− lnzF a• Die EMK der gesamten galvanischen Zelle ist dann die Differenz zwischen der Zelle, in derdie Reduktion stattfindet, und der der Oxidation.Red iOx iE = E (Reduktion) −E(Oxidation)i0 RT aRed ⎛ ai 0E = Ei− ln − E RTjlnzF a ⎜ −OxzF ai ⎝• Ist die galvanische Zelle (Kette) entsprechend dieser Konvention aufgebaut, ist das PotentialE positiv und die zugehörige Gibbssche Reaktionsenergie negativ.• Oxidationsmittel werden reduziert, Reduktionsmittel oxidiert.Da man ebenso wie bei der Gibbsschen Energie nur Energiedifferenzen bestimmen kann, sindauch die EMK-Werte nur als Spannungsdifferenzen zwischen der rechten und der linken Redoxreaktionbestimmbar. Um auch für Teilreaktionen EMK-Werte angeben zu können, hat man sichauf die Konvention geeinigt, dass das Standardnormalpontential E der Reaktionin wässriger Lösung gleich Null gesetzt wird.+ −2H (aq) + 2e H (g) +E ( H , H ) = 0,000V.2Mit dieser Konvention sind für viele Redoxreaktionen E -Werte tabelliert (Spannungsreihe).Ein gängiges Beispiel für eine galvanische Kette ist das Kupfer-Zink-Element (Daniell-Element)mit der Reaktionjdef2iRed jOx j⎞⎟⎠2+2+Cu + Zn(s) → Cu(s) + Zn Ox 2 Red1 Red 2Ox1(2.27)Ihre EMK wird gemäß Gl.(2.25) bei T , p mit z = 2 beschrieben durch25,7 mV 25,7 mVlnc a lnc⋅E = E − E2 c= −⋅ a2 cda die Aktivitäten der beiden reinen Metalle gleich 1 sind.Aus Tabellen kann man erhalten: E = 1,11 V.Daraus ergibt sich mit Gl.(2.26):Wert vonK R2+ Cu2Zn+ZnCu 2+ ZnCu 2+Δ = −214 kJ molR g−1undK ≈310⋅R,37. Der sehr großezeigt, dass die Redoxreaktion der Gl.(2.27) praktisch vollständig auf der rechten72


Seite liegt. Gemäß Massenwirkungsgesetz ist das Gleichgewichtsverhältnis der Kupfer- zurZinkionenkonzentration gleich dem Kehrwert von K −37R, also c Cu 2+ / cZn2+≈0,3⋅10. AusreichendenVorrat an metallischem Zink vorausgesetzt, kann man also ausschließen, dass nach Ablaufder Reaktion in der Lösung noch irgendein Kupferion anzutreffen sein wird!Die folgende Skizze zeigt den Ablauf des Reaktionsgeschehens in einer galvanischen Kette beiStromfluss. Dabei ist angenommen: QR< KR, d.h. E > 0 und Uel= ϕ2− ϕ1< E (womit I >0):ϕ 1ϕ 2 IOx1e - Ox2e -Red1Red2IWegen aller weiteren Details siehe Versuch "Elektromotorische Kraft galvanischer Ketten" desGrundlagenpraktikums, wo galvanische Ketten, Redoxreaktionen und Nernst'sche Gleichungausführlicher behandelt werden.73


B.2.8Gekoppelte ReaktionenB.2.8.1Energetik gekoppelter ReaktionenBeispiel: physiologische Phosphorylierung von Glucose (Glu).Wir betrachten die Reaktion(R1)Glu + P → Glu-6-Phig0 −1ΔR 1= 25 kJ mol > 0"inorganic phosphate"Glucose-6-Phosphat -aktivierte GlucoseDa die Reaktion endergon (Δ r g 0 > 0) ist, kann sie nicht merklich von links nach rechts ablaufen.(Genauer: das Gleichgewicht liegt weit auf der linken Seite.) Als weitere Reaktion ziehen wirhinzu:(R2)ATP → ADP + Pg0 −1iΔR 2=− 41 kJ mol < 0 !!(R1) + (R2) ergibt die Gesamtreaktion:(R) Glu + ATP → Glu-6-Ph + ADP0 0 0 1wobei g g g −ΔR=ΔR 1+ΔR 2=− 15kJ mol < 0 !!Das bedeutet:Wenn man die Aktivierung der Glucose so ablaufen lässt, dass das Phosphat nicht dem Lösungsvorratan freiem anorganischem Phosphat, sondern direkt dem "energiereichen" ATP entnommenwird (wenn man die Reaktionen R1 und R2 also in entsprechender enzymatischer Reaktion miteinanderkoppelt), entsteht eine exergone Gesamtreaktion, deren Gleichgewicht auf der Seite deraktivierten Glucose liegt.Veranschaulichung:UngekoppeltGekoppeltGlu + P i(R1)Glu-6-Ph (R1)Glu + P i Glu-6-PhATP ADP + P i (R2)(R2)ATPADP + P iIn einer Folgereaktion wird ADP wieder in ATP zurückgeführt. Eine solche Reaktionsfolge isttypisch für alle biochemischen Reaktionen, die in lebenden Organismen ablaufen.74


B.2.9Säure-Base-Gleichgewichte und pH-BerechnungenDer pH-Wert einer wässrigen Lösung ist folgendermaßen definiert:⎛a+ ⎞HpH =−log ⎜ ⎝ c⎟ (2.28)⎠Etwas weniger genau schreibt man in der Regel: pH = − log c H +Die Berechnung des pH-Wertes ist ein gängiges Problem physikalisch-chemischer Praxis undinsbesondere in der Biologie/Biochemie von Bedeutung. Eine Vielzahl physiologischer Reaktionenhängt von Protonenübertragungen ab und reagiert deshalb sehr empfindlich auf Änderungendes pH-Wertes (Protein- und Enzymchemie, Redoxreaktionen, Photosynthese, protonenabhängigerTransport, Puffersysteme). Lösungen einprotoniger Säuren und Basen werden an verschiedenenStellen des Grundlagenpraktikums behandelt (Versuche "pH-Bestimmung mit der Glaselektrode","Leitfähigkeit von Elektrolytlösungen"). An dieser Stelle sollen, abseits von Näherungen,allgemeine Beziehungen dargestellt werden, die auch in komplizierteren Fällen eine (relativ)einfache Bestimmung des pH-Wertes einer Lösung erlauben. Vereinfachend werden idealeLösungen vorausgesetzt (Alle Aktivitätskoeffizienten sind gleich 1).Zur Berechung des pH-Wertes einer wässrigen Lösung von Säuren und Basen gilt folgendes:• Es sind die Mengenbilanzen aller Säuren und/oder Basen aufzustellen: z.B.000c = c + c − , c = c + c − + c 2−, c = c + c + , c = c + + c0HA HA AH2A H2A HA AB B HB• Es sind alle Gleichgewichtskonstanten der beteiligten Säuren und Basen zu formulieren:Kcc+ −H Aa= ,cHAKa,1cc+ −H HA= undcH2AKcc+ 2−H Aa,2= ,c −HAund stets KW = c cH +OH −• Es gilt die Elektroneutralität der Lösung:∑ cz + ∑ cz = 0 .+ + − −KcMOHMMOH+BHb=M OH, Kb=c + cH B cMOH• c i sind die Konzentrationen der Ionen i und z i deren Ladungen.• Es bestehen dann ebenso viele Gleichungen wie gesuchte Konzentrationen, die zur Bestimmungder H + -Konzentration kombiniert werden.• Die resultierende Gleichung ist mindestens 2. Grades in der H + -Konzentration. Dieser Graderhöht sich linear mit jedem Säure-Base-Gleichgewicht. Von den n Lösungen, die die Gleichungn. Grades liefert, ist nur eine Lösung für die H + -Konzentration chemisch sinnvoll, undges.zwar: 0 < c < c+HSäurecc+ −B.2.9.1pH-Wert einer Lösung einer starken SäureDie starke Säure HCl sei mit der Konzentration c 0 in Wasser gelöst. Sie ist in Wasser vollständigdissoziiert.Damit gilt:c c0undCl − = KW = c cH +OH − .Die Elektroneutralität liefert:c = c + c(2.29)+ − −H OH Cl75


Damit ergibt sich:Kc = + c ⇒c − c c = KW2+H 0 +H 0 +Hc +H2 1 2 1 2 1 1c + − c0c + + cH H 0= KW+ c0 ⇒ c + = cH 0± KW+ c4 4 2 4W20(2.30)Von den beiden mathematisch möglichen Lösungen ist nur die mit dem positiven Vorzeichenchemisch sinnvoll, da die Protonenkonzentration positiv sein muss.Fallscc+H1 ⎛ 4K= c 1+ 1+2 ⎝W0 ⎜2c0⎟⎞⎠(2.31)>> K kann der zweite Term der Wurzel in Gl. (2.31) gegenüber 1 vernachlässigt204 Wwerde, so dass c c . Im umgekehrten Fall sorgt K W dafür, dass die H + + =-Konzentration nichtH0unter 10 -7 mol dm -3 fallen kann.Fügt man zu einem bestimmten Volumen einer Säure mit bekannter Anfangskonzentration c0 HClkontinuierlich definierte Mengen an Base zu, lassen sich für jeden Punkt die Konzentrationen derReaktionspartner berechnen und als Konzentrations- bzw. pH-Diagramm darstellen. Der Punkt,an dem die Menge an zugesetzter Säure gleich der an zugesetzter Base ist, ist der Äquivalenzpunktder Titration. Er ist bei Säure-Base-Titrationen immer durch eine starke Änderung der H + -Konzentration ausgezeichnet.0.01c Cl-c0.005c H+c Na+c OH-KonzentrationsdiagrammTitration einer 0.01 N HClmit 0.01N NaOHcNaOHUmsatz ξ =0cHCl0.00 0.5 1.0 1.5 2.0ξ14pH121086gelborangepH-DiagrammTitration einer 0.01 N HCl mit0.01 N NaOHIndikator: Methylrot pK S = 5.32rot760 1 2ξ


B.2.9.2pH-Wert einer schwachen SäureDie schwache Säure HA sei mit der Konzentration c 0 in Wasser gelöst. Sie ist in Wasser nurteilweise dissoziiert. Damit gilt:Die Elektroneutralität liefert:a ⋅ ac = c + c K = und KW = c cH +OH −(2.32)+ −H A0 HA − ;A DaHAc = c + c(2.33)+ − −H OH ADer Ersatz von c HA durch (c 0 – c A -) und der Übergang zu Konzentrationen liefert:Damit ergibt sich für die Elektroneutralität:Kc ⋅ c KDc − c c + K+ −H AD= ⇒ c − =A0 − +AHc+HK KDc c + KW= ++ +H H( )c + c K = K c + K + c K c ⇒3 2+H+H D W +H D +H D 0D( )3 2+H+H D +H W D 0 W0Dc0c (2.34)c + c K − c K + K c = K K(2.35)DDies ist eine Gleichung 3. Grades in c H + , die mit Hilfe von Mathematikprogrammen leicht2gelöst werden kann. Falls c0 > KWund KDc0>> KW, kann K W gleich Null gesetzt werden, sodass sich Gl.(2.35) vereinfacht zu:c + c K − K c = (2.36)2 0+ +H HDD00Diese Gleichung gibt wieder eine sinnvolle Lösung (die zweite ist negativ):c+HK ⎛D4c= + −2 ⎜⎝KD01 1⎞⎟⎠0.01c Ac-c0.005c Na +c OH-KonzentrationsdiagrammTitration einer 0.01 NEssigsäure (HOAc) mit0.01N NaOHc H+0.00 0.5 1.0 1.5ξ 2.077


14pH1210862farblosrotpH-DiagrammTitration einer 0,01 N HOAc mit 0,01N NaOHHier nur Indikatoren mit größerempK S verwendbar: pK S = 9.Im pH-Bereich 4-5 befindet sich einPuffergebiet, das dem pK S - Bereichder Essigsäure entspricht.0 1 2ξB.2.9.3pH-Wert einer zweiprotonigen (zweibasischen) SäureAls Beispiel wird eine zweiprotonige (bzw. zweibasige) Säure H 2 A, z.B. Oxalsäure oder Schwefelsäurebetrachtet. Es ist hier ohne prinzipielle Bedeutung, ob das Säuremolekül neutral odergeladen ist. Die Dissoziationsgleichungen der 1. und 2. Stufe lauten:K2K1- + - 2-HAHA+H ; HA A + H2+(2.37)Die K i sind die Dissoziationskonstanten (Massenwirkungskonstanten der Dissoziationsreaktion).Man beachte, dass der Dissoziation der einprotonigen Form die Dissoziationskonstante K 2 zugeordnetist und der zweiprotonigen Form entsprechend die Dissoziationskonstante K 1 .Die Reaktionen der Gl.(2.37) sind über H + und AH - gekoppelt, wobei Letzteres sowohl als Base(Protonenakzeptor) als auch als Säure (Protonendonator) auftritt. Die Massenwirkungsgesetzeder beiden Reaktionen sind:ccc- +HA HH2A= K(2.38)2c cc2- +A H-HA= K(2.39)Wenn H 2 A, HA - und der deprotonierte Säurerest A 2- mit den Anfangskonzentrationen c 0,1 , c 0,2und c 0,3 in der Lösung vorgegeben werden (vorgelegte oder Ausgangskonzentrationen), so ist dieGesamtkonzentration der Säurec = c + c + c,30 0,1 0,2 0AHA - und A 2- sind als Salze MHA und M 2 A zugegeben, so dass für die Kationenbilanz giltDie Elektroneutralität lautet jetzt:c = c + 2c0 0,2 0,3M0+H M−OH−HA2A1(2.40)c + c = c + c + 2c− (2.41)78


Aus den Gleichungen (2.38),(2.39) und (2.40) ergibt sich:c2-A= 10A1 + c / K + c /( K K )c (2.42)2+H 1 +H 2 1c-HAc10=cA(2.43)K 1 c / K c /( K K )+H21 + + 1++HH 2 1cH2Ac0=cA(2.44)KK 1 c / K c /( K K )2+H11 22+ + 1++HH 2 1Diese Ausdrücke kann man mit KW = c cH +OH − in Gleichung (2.41) einsetzen:K c1 1c + + c = + c + 2cHc K 1 c / K c /( K K ) 1 c / K c /( K K )0 +W H0M2 A2+ 1+ + 1+ + 2 1+ + 1++HH H H H 210A(2.45)Auflösen nach cH + liefert:W1 2( ) ⎡ ( ) ⎤ ⎡2 M 2 1 M A W + 2 1( M2A)4 3 0 2 0 0 0 0c + c K + c + c K K c c K c K K c c KH + H + H+⎣+ − −⎦+ ⋅H ⎣− − ⎤ W⎦ (2.46)= K K KGleichung (2.46) ist 4. Grades in c H + . Sie kann entweder numerisch gelöst oder unterentsprechenden Bedingungen vereinfacht werden.Wird zu einer Säurelösung schrittweise eine starke Base BOH mit den jeweiligen Konzentrationenc B0zugegeben, dann lässt sich die Protonenkonzentration als Funktion der Zugabe an BOHberechnen. So wird aus Gl. (2.45):K c1 1c + + c + c = + c + 2cHc K 1 c / K c /( K K ) 1 c / K c /( K K )0 0 +W H0M B2 A2+ 1+ + 1+ + 2 1+ + 1++HH H H H 2Dies führt zu den Titrationskurven, die für verschiedene Säuren typische Form haben.10A(2.47)In nachfolgender Abbildung zeigt Kurve die idealisierte Titrationskurve einer Oxalsäurelösung.Aufgetragen ist der pH-Wert gegen die vorgelegte Hydroxidkonzentration. Die Anfangskonzentrationder Säure beträgt c A0 −1= 0,5 mol l . Die Dissoziationskonstanten sind−5 −1−2−1K 1= 6,5⋅10 mol l und K 2= 5,9 ⋅ 10 mol l , so dass pK 1 = 4,19 und pK 2 = 1,23.Zum Vergleich zeigt Kurve die idealisierte Titrationskurve einer starken einprotonigen Säure1mit der Anfangskonzentration 1,0 mol l − und79


14pH121086420321-20,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2c OH - /mol l -1Kurve entsprechend die Titrationskurve einer einprotonigen schwachen Säure mit der DissoziationskonstantenK 1 .80


B.3 Heterogene PhasengleichgewichteIn Kapitel B.2 haben Sie Gleichgewichte chemischer Reaktionen kennen gelernt, bei denenKomponenten mit einander unter Bildung neuer Substanzen umgesetzt wurden. Diese Reaktionenfanden meistens in einem System statt, das einen einheitlichen Aggregatzustand hatte. EinSystem kann aber auch Bereiche mit unterschiedlichen Aggregatzuständen haben, in denen sichKomponenten aufhalten und miteinander reagieren können. Zur Untersuchung solcher heterogenerSysteme ist es notwendig, die Phase zu definieren:Eine Phase ist ein homogenes Teilsystem des heterogenen Gesamtsystems mit einem definiertenAggregatzustand, in dem die intensiven Zustandsgrößen überall den gleichen Wert haben.Z.B. Gasphase, flüssige Phase, feste Phase.B.3.1 Phasendiagramme von EinkomponentensystemenAus der Erfahrung weiß man, dass chemische Substanzen in der Regel in mindestens drei verschiedenenAggregatzuständen (fest, flüssig, gasförmig) unter jeweils verschiedenen äußerenBedingungen (<strong>Dr</strong>uck und Temperatur) auftreten können. Füllt man eine reine Substanz in einenZylinder mit einem (reibungsfrei) beweglichen Deckel, so dass keine Fremdsubstanz (Luft o.ä.)vorhanden ist, kann man durch Wärmezufuhr(-abfuhr) Q und Kraftanwendung auf den DeckelTemperatur und/oder <strong>Dr</strong>uck p sowohl von außen einstellen als auch messen.Eine Messreihe über einen großen Temperatur- und <strong>Dr</strong>uckbereich ergibt dann z.B. das folgendeallgemeine Phasendiagramm (Zustandsdiagramm, p-T-Diagramm) eines einfachen Einkomponentensystems,wenn man noch gleichzeitig die auftretenden Phasen beobachten kann:p(p T )2 2Schmelzenkritischer Punkt(p T )1 1dpslVerdampfendTp1T 1TripelpunktSublimationgT81


Die feste Phase (s) ist bei hohen <strong>Dr</strong>ucken und niedrigen Temperaturen, die Gasphase (g) beihohen Temperaturen und niedrigen <strong>Dr</strong>ucken zu finden. Die flüssige Phase (l) befindet sich zwischenbeiden Phasen. Die Phasen selbst sind gegeneinander durch Trennlinien abgesetzt, andenen sich ein Phasengleichgewicht einstellen kann. An diesen Trennlinien sind beide benachbartenPhasen koexistent.• Trennlinie fest-flüssig: Schmelzkurve• Trennlinie fest-gasförmig: Sublimationskurve• Trennlinie flüssig-gasförmig: VerdampfungskurveJeder Punkt auf einer Trennlinie entspricht einem Gleichgewicht zwischen zwei Phasen, wobeidie Grenze zwischen beiden Phasen (Oberfläche des flüssigen Wassers in Kontakt mit der Gasphase,Oberfläche eines Kristalls in Kontakt mit der flüssigen Komponente u.s.w.) materie- undwärmedurchlässig und deformierbar sein muss.In der Regel existiert mindestens ein Punkt – Tripelpunkt –, an dem drei Phasen gleichzeitigkoexistent sind. Die Verdampfungskurve endet im kritischen Punkt, an dem die Unterschiedezwischen Gasphase und flüssiger Phase verschwinden.B.3.2 Die Gibbssche PhasenregelBei der Beobachtung des Experimentes erkennt man, dass in einigen Bereichen <strong>Dr</strong>uck und Temperaturgleichzeitig geändert werden können, ohne dass eine Änderung an den Phaseneigenschaftenzu beobachten ist. Falls aber zwei Phasen gleichzeitig auftreten, ist es nicht mehr möglichbeide Zustandsgrößen unabhängig zu verändern. Im Phasengleichgewicht kann nur nocheine der beiden von außen beeinflusst werden, während sich die zweite von selbst einstellt. ImTripelpunkt kann keine Zustandsgröße mehr verändert werden, ohne dass das Tripelpunkts-Gleichgewicht verlassen wird. Die quantitative Beschreibung dieses Sachverhaltes erfolgt mitder Gibbsschen Phasenregel, die hier für ein System mit mehr als einer Komponente formuliertwird, aber natürlich auch für ein Einkomponentensystem gilt.• Die Zahl der Komponenten sei K• Die Zahl der Phasen sei P• Die Zahl der frei einstellbaren Variablen, d.h. die Zahl der Freiheitsgrade sei F.• Da jede Komponente i in jeder Phase j mit einem Molenbruch x j i auftreten kann, müssen inder Regel zur Beschreibung aller Komponenten in allen Phasen K⋅P Angaben gemacht werden;Hinzu kommen noch die 2 Variablen p und T. Somit sind primär zur Beschreibung desheterogenen Mehrkomponentensystems K⋅P + 2 Angaben nötig.• Da aber Beziehung zwischen den Komponenten und den Phasen bestehen, müssen diese inder Zahl der Variablen berücksichtigt werden.• Da die Summe aller Molenbrüche in einer Phase gleich 1 ist, verringert sich die Zahl allerKonzentrationsangaben um P ⇒ K⋅P + 2 – P• Da jede Komponente i sich in jeder Phase j aufhalten kann, bedeutet das im Gleichgewicht,dass die Konzentration einer Komponente i in einer Phase durch die Konzentrationenin allen anderen Phasen festgelegt ist. Da das für alle Komponenten gilt, existierendann K⋅(P – 1) Gleichgewichtseinschränkungen, die auch noch die Anzahl frei wählbarerZustandsvariablen verringern.• Als Endergebnis ergibt sich für die Zahl frei wählbarer Zustandsvariablen (Freiheitsgrade)82


( )F = K ⋅ P+ 2−P−K⋅ P−1= K ⋅ P+ 2 −P−K ⋅ P+K(1.1)= K + 2 −PFür ein Einphasengebiet (P = 1) des Einkomponentensystems (K = 1) gilt: F = 1 + 2 – 1 = 2Für eine Gleichgewichtskurve (P = 2, K = 1) gilt: F = 1 – 2 + 2 = 1Im Tripelpunkt sind 3 Phasen vorhanden, so dass kein Freiheitsgrad mehr übrig bleibt.Im kritischen Punkt kommt noch eine weitere Einschränkung (Nebenbedingung) hinzu. Hierwerden die Eigenschaften beider Phasen gleich, was einer Einschränkung um einen Freiheitsgradentspricht, so dass auch im kritischen Punkt die Zahl der Freiheitsgrade Null ist.Die Definition der Komponente ist noch durch das Auftreten chemischer Gleichgewichte präzisiert.• Die Anzahl der bei einer chemischen Reaktion auftretenden Stoffe wird jeweils um dieAnzahl der vorhandenen chemischen Gleichgewichte zur Bestimmung der Komponentenzahlreduziert.• Entstehen bei einer Reaktion zwei oder mehr Reaktionsprodukte in einer gemeinsamenPhase, sind deren Konzentrationen nicht mehr unabhängig voneinander wählbar, was ebenfallsdie Anzahl der Komponenten verringert. Beispiele:• Die Reaktion NH4Cl ( s) ←⎯⎯→ ⎯ NH3( g) + HCl ( g ) enthält 3 Stoffe; es besteht ein Gleichgewichtund Ammoniak und Salzsäure entstehen zu gleichen Teilen in der Gasphase. Somit istdie Zahl der Komponenten dieses Systems gleich 1.• Bei der Reaktion CaCO3( s) ←⎯⎯→ ⎯ CO2( g) + CaO ( s)entsteht aus Kalk festes Calciumoxidund gasförmiges Kohlendioxid, die zwar in äquivalenten Mengen, aber in verschiedenenPhasen entstehen. Somit ist hier die Zahl der Komponenten gleich 2.B.3.3 Phasengleichgewichte in EinkomponentensystemenFür das Gleichgewicht einer Komponente A zwischen zwei Phasen α und β giltDie Gleichung 2.8 in KapitelA( α ) A0ΔRg = ΔRg + RT νiln ailässt sich dann folgendermaßen formulierenΔRg p,T = ∑ν iμi +Produkte ∑νiμ i( β ) ( α= μ ( , )) ApT − μA( pT , )∗( β ) ∗( α= μ ( pT , ) − μ) ( pT , )β∑( ) ( ) ( )ADa bei reinen Komponente die Zusammensetzung in den Phasen festliegt, können nur dieZustandsvariablen p und T so lange variiert werden, bis sich Gleichgewicht eingestellt hat. Danngiltμ*( α ) *( β( p,T)μ )( p )A A,AEdukte(1.2)= T (1.3)Da die Phasengrenze wärmedurchlässig und deformierbar ist, stellen sich eine einheitliche Temperaturund ein einheitlicher <strong>Dr</strong>uck in beiden Phasen ein.83


T( α) ( β)p= T( α) ( β)=p(1.4)B.3.4 Die Abhängigkeit des chemischen Potentials von <strong>Dr</strong>uck und TemperaturDa auf der Gleichgewichtslinie viele Gleichgewichtspunkte beliebig dicht beieinander liegen,kann, ausgehend von einem Punkt mit den Koordinaten (p 1 ,T 1 ), ein neuer Punkt mit den Koordinaten(p 2 ,T 2 ) durch kleine Änderungen dp und dT erreicht werden. Hierdurch ändert sich daschemische Potential in beiden Phasen um einen gleichen Beitrag dμ*( α ) *( β( , ) = μ )( ,T)dμp T d pAUm Gl.(1.5) auswerten zu können, ist es notwendig, die Temperatur- und <strong>Dr</strong>uckabhängigkeit zukennen.A(1.5)B.3.4.1 Energie, Arbeit, Wärme und EntropieDas chemische Potential bzw. die molare Gibbssche Energie setzt sich zusammen aus Beiträgender Wärme und der mechanischen Energie. Jede Energieform lässt sich darstellen als das Produkteiner extensiven und einer dazugehörenden (konjugierten) intensiven Zustandsgröße. So giltfür die• Mech. Volumenarbeit: W mech = V⋅p (V = Volumen, p = <strong>Dr</strong>uck)• Oberflächenarbeit: W Oberfl = A⋅γ (A = Oberfläche, γ = Oberflächenspannung)• elektrische Arbeit: W elektr = q⋅U (q = Ladung, U = el. Spannung)• kinetische Energie: E kin = 1/2 p⋅v (p = Impuls, v = Geschwindigkeit)• Reversible Wärme: Q = S⋅T (S = Entropie, T = Temperatur)Die nicht direkt messbare Entropie S (extensive Zustandsfunktion) wurde hier als eine neueZustandsvariable eingeführt, um eine analoge Formulierung für die Wärme zu erhalten. Sie stellteine fundamentale Größe in der statistischen Thermodynamik dar und ist auch von grundlegenderBedeutung für die Behandlung von reversiblen und irreversiblen und spontanen bzw. nichtspontanen Prozessen.Die Entropieänderung spontaner Prozesse ist immer positiv: dS > 0.Für die molare Gibbssche Energie G, die In diesem Fall mit dem chemischen Potential der reinenKomponente ist, ergibt sich damitdg = vdp − sdT(1.6)wobei v das molare Volumen und s die molare Entropie ist. Beide Größen können selbst von<strong>Dr</strong>uck und Temperatur abhängig sein.Da die Gibbssche Energie eine Funktion beider Variablen p und T ist, gilt für das Differential dg:⎛∂g⎞⎛ ∂g⎞dg = ⎜ dp dT vdp sdTp⎟ + ⎜ ⎟ = −⎝∂⎠ ⎝∂T⎠pHiermit gilt für die beiden Differentialquotienten:T(1.7)84


⎛∂g⎞⎜∂p⎟⎝ ⎠T⎛ ∂g⎞⎜ ⎟⎝∂T⎠p= v= −sWird z.B. die Gibbssche Energie bei konstantem <strong>Dr</strong>uck als Funktion der Temperatur bestimmt,ist die Entropie bei einer bestimmten Temperatur die negative Steigung dieser Funktion an diesemPunkt.Umgekehrt kann man die Gln.(1.8) verwenden, um die Gibbssche Energie von einem bekanntenBezugspunkt bei anderem <strong>Dr</strong>uck oder anderer Temperatur zu berechnen:T2 T2⎛ ∂g⎞g( T , p) = g( T, p) + ⎜ ⎟ dT = g( T,p)− sdT2 1 1T ⎝∂T⎠p1 T1(1.8)∫ ∫ (1.9)p2 p2⎛∂g⎞g( T, p ) = g( T, p ) + ⎜ ⎟ dp = g( T,p ) + vdp∫ ∫ (1.10)2 1 1p ⎝∂p⎠1 Tp1B.3.4.2 Die Temperaturabhängigkeit des DampfdruckesEinsetzen von Gl.(1.6) in Gl.(1.5), wobei der Index A weggelassen wurde, da die Gleichungenallgemein für eine reine Komponente gilt:( α) ( α) ( β) ( β)* * * *v dp s dT v dp s dT− = − (1.11)Umformung ergibt:*( β) *( α)*( β) *( α)( − ) = −( β) ( α)( )s s dT v v dp* *dp s − s Δ=*( β) *( α)=dT v − v Δs*α→β*α→βv(1.12)Δ →s ist die Änderung der Entropie bei dem Phasenübergang α → β. Analoges gilt für die*α βVolumenänderung.Mit dem Phasenwechsel ist eine Änderung des Wärmeinhaltes der reinen Substanz verbunden.So muss beim Schmelzen die Schmelzwärme, beim Verdampfen die Verdampfungswärme aufgebrachtwerden. Da diese Wärmen bei konstantem <strong>Dr</strong>uck und konstanter Temperatur aufgebrachtwerden, sind sie gleich der Enthalpieänderungreversibel, so dass auch gilt:DQ dHdS = = ⇒T T*Δ h* α→βΔα→βs=TEinsetzen in Gl.(1.12) liefert:*α→β*α→β*Δ h α → β. Der Phasenübergang ist streng(1.13)dp Δ h= (1.14)dT T Δ vDas Vorzeichen der Steigung dp/dT wird durch die Volumenänderung bei dem Phasenübergangfestgelegt. Im Falle der Verdampfung und der Sublimation ist die Volumenänderung immerpositiv, so dass auch die Steigung positiv ist, da die Verdampfungs- und die Sublimationsenthal-85


pie positiv sind. Bei dem Schmelzvorgang ist die Volumenänderung fast aller Stoffe positiv miteinigen wenigen Ausnahmen: Wasser, Gallium Quarz (Tridymit).Falls eine der Phasen die Gasphase ist, lässt sich Gl.(1.14) mit zwei Näherungen vereinfachen.1. Näherung:Da das molare Volumen der Gasphase weit entfernt vom kritischen Punkt wesentlich größer istals das der kondensierten Phase, kann geschrieben werden:* * *( g ) *( l) *( g)Δ v v v v vα→β ≡ Δl→g= − ≈Diese Näherung gilt nicht mehr in der Nähe des kritischen Punktes.2. Näherung: Die Gasphase möge sich ideal verhalten*( g ) RTv =pDamit wird aus Gl.(1.14) für den Verdampfungsvorgang:dpdTNach Trennung der Variablen p und T wird daraus*Δ h vap= p(1.15)2RT*dp Δ h vap dT= (1.16)2p R TDiese Gleichung lässt sich unter der einschränkenden Bedingung leicht integrieren, wenn manannimmt, dass die Verdampfungsenthalpie temperaturunabhängig ist. Wenn man sich zusätzlichnoch auf die Standardbedingungen (T 0 , p 0 ) bezieht, muss die Verdampfungsenthalpie auch fürdiesen Zustand (der auch als Grundlage in Tabellenwerken dient) angegeben werden:* *Δ h ≡ Δ hvapvap0Die Integration beider Seiten liefert:Δ hΔ h ⎛ ⎞= ⇒ = − ⎜ ⎝ ⎠p* T*dp vap 0 dT p vap 0 1 1ln2p R T pp0 T00R T T0∫ ∫ − ⎟ (1.17)Diese Gleichung liefert den Zusammenhang zwischen dem Gleichgewichtsdampfdruck derKomponente und der Siedetemperatur*⎡ Δvap 0 1 1p p0exph ⎛ ⎞⎤= ⋅ ⎢− ⎜ − ⎥⎣ R ⎝T T0⎠ ⎟⎦(1.18)bezogen auf die Standard-Normalbedingungen.Durch eine Messung der Siedetemperatur bei verschiedenen <strong>Dr</strong>ücken lässt sich aus Gl.(1.17) dieVerdampfungswärme einer reinen Komponente bestimmen.ln p++++++++m = - Δ vapH 0/R+++++++861/T


Die gemessenen Punkte liegen auf einer schwach gekrümmten Kurve. Die Tangente an dieseKurve ergibt die Verdampfungsenthalpie bei den Bedingungen p, T.Für sehr hohe Temperaturen 1/T → 1/T c ~ 0 wird die Krümmung sehr stark:1. Näherungen in der Herleitung gelten nicht mehr,2. Verdampfungsenthalpie verschwindet am kritischen PunktDie Dampfdruckgleichung kann zur Bestimmung von Siedetemperaturen bei verschiedenen <strong>Dr</strong>uckenverwendet werden, wenn die Verdampfungsenthalpie und der Siedepunkt T 1 bei einem<strong>Dr</strong>uck p 1 bekannt sind.p Δ1 vaph0⎛ 1 1 ⎞Δvaph0 ⋅T1ln = ⎜ − ⎟⇒ T2=p p2R ⎝T2 T1⎠ Δvaph0 − RT1lnp12(1.19)Die Destillation einer Substanz muss unter vermindertem <strong>Dr</strong>uck erfolgen, falls Siedepunkt beiNormaldruck so hoch, dass Substanz durch die hohe Wärmezufuhr instabil wird.Wenn die Verdampfungsenthalpie nicht bekannt ist, kann man diese unter Verwendung der VerdampfungsentropieΔvaph0 = Δvaps0⋅T1zumindest abschätzen, wenn man weiß dass die Verdampfungsentropieist für viele Substanzen nahezu konstant den Wert(Trouton-Regel):Substanz T K Δ s vap 0J K −1 mol −1He 4,2 21,8H 2 20,4 44,4CH 4 108 75,3Na 1155 84,5CS 2 319 85,4C 6 H 6 353 88,7CHCl 3 334,7 92,0Hg 632 94,6Zn 1180 98,3H 2 O 373 108,8C 2 H 5 OH 351 112,5CH 3 CO 2 H 390,9 61,9Δs 1 l −1vap 085 J K −≈ moHelium und Wasserstoff fallen als besonders leichte Partikel aus dieser Regel heraus. Bei Wasserund Ethanol ist der Gewinn an Entropie größer, da die Wasserstoffbrücken der flüssigen Phasegelöst werden müssen, während Essigsäure in der Gasphase Dimere bildet, und damit der Entropiegewinnkleiner ausfällt.hat87


B.3.5 Phasengleichgewichte mit mehreren KomponentenB.3.5.1 Verdampfungsgleichgewicht zweier Komponenten bei konstanter TemperaturDie Phasengrenze zwischen der Gasphase sei wärmedurchlässig, deformierbar und permeabel füralle Komponenten. Damit gilt( l) ( g)p = p() l ( g)T = T(1.20)μ() l ( g)i= μiFür die chemischen Potentiale ergibt sich im Falle idealer Mischungen:* () l *( g( , ) ln ) piμi pT + RT xi = μi ( pT , ) + RTln(1.21)pFür die beiden chemischen Potentiale der reinen Komponente gilt aber, dass sie nur bei dem derTemperatur entsprechenden Dampfdruck p i * identisch sind:In Verbindung mit Gl.(1.10) ergibt sichμ*( l ) *(( * g, ))ipi T =i ( p * i,)μ μ T (1.22)pp*() l * *() l *( g( )) **( g)iipi, T + ∫ vi dp+ RTln xi = μi ( pi,T)+ ∫ vidp+RTln p* *ppipip*( g) *( l)pilni= ∫ ( i−i ) + ln*ppRT x v v dp RTiMit den schon vorher gemachten Näherungen wie unter B.3.4.2 erhält man:p p pRTln xi= RTln + RTln = RTlnp p pp⇒ xi=pi*iii* *iiDiese Gleichung ist als Raoult-Gleichung bekannt.Der Gesamtruck setzt sich aus den Partialdrucken der beiden Komponenten zusammen.( )( 1 )p = p + p = x ⋅ p + x ⋅ p = x ⋅ p + −x ⋅p* * **A B A A B B A A A B= p + x p −p* * *B A A B(1.23)(1.24)(1.25)Diese Gleichung liefert den linearen Zusammenhang zwischen dem Gesamtdruck und derZusammensetzung x in der flüssigen Phase. Für die Zusammensetzung y in der Gasphase gilt:p p py x y xp p ppp* *A A BBA= =A;B= =B(1.26)Da das Phasengleichgewicht bei konstanten p und T gilt, stehen eine Gasphase mit der Zusammensetzungy A und eine flüssige Phase mit x A im Gleichgewicht. Wenn der <strong>Dr</strong>uck der reinen*Komponente A kleiner ist als der der Komponente B, dann ist der <strong>Dr</strong>uck p immer größer als p Aund damit y A < x A und umgekehrt y BB > xBB. Das bedeutet, dass sich die flüchtigere Komponente B88


in der Gasphase anreichert. Die Darstellung p = f(x) ist das Dampfdruckdiagramm einer binärenidealen Mischung.lp*Bpp*Ag0x Blgx Bx B1Falls sich die Mischungen real verhalten, muss anstelle des Raoultschen Gesetzes (1.24)geschriebenwerden:pa = x ⋅ f = (1.27)i i iKombination von Gl.(1.27) mit Gl.(1.24) liefert:pireal ,*pipp= x ⋅ f = f ⇒ f = ,i, real i,ideal i real* i i * ipipipi,ideal(1.28)Im Realfall bestehen zwei Möglichkeiten der Wechselwirkungen (WW) der Komponenten miteinander:1. Anziehende WW A ⇔ A und B ⇔ B > WW A ⇔ BTendenz zur Entmischung ⇒ positive Abweichungen vom Raoultschen Gesetz:p ≥ p und p ≥ pA, real A, ideal B, real B,idealDer Gesamtdruck p = p A,real + p B,real kann größer werden als die Partialdrucke der reinen Komponenten.Dies führt zu einem <strong>Dr</strong>uckmaximum (Azeotrop).lp*p Bp A*g0 1x B89


Im Dampfdruckdiagramm ist ein azeotropes Maximum zu finden, bei dem die flüssige und dieGasphase gleiche Zusammensetzung haben. Die Raoultschen Geraden sind auf der Seite der reinenKomponenten Tangenten an die realen Partialdrucke. Die positiven Abweichungen von denRaoultschen Geraden zeigen fast alle binäre Mischungen.Es ist aus dem Diagramm zu erkennen, dass die Aktivität a i einer Komponente stets kleiner odergleich 1 ist, selbst wenn der Aktivitätskoeffizient größer als 1 ist.2. Anziehende WW A ⇔ A und B ⇔ B < WW A ⇔ BTendenz zur Verbindungsbildung ⇒ negative Abweichungen vom Raoultschen Gesetz:pA, real≤ pA, idealund pB, real≤ pB,idealDer Gesamtdruck p = p A,real + p B,real kann kleiner werden als die Partialdrucke der reinen Komponenten.Dies führt zu einem <strong>Dr</strong>uckminimum (Azeotrop).pp*lBp*Ag0 x 1BDas Dampfdruckdiagramm zeigt ein Azeotropes Minimum.B.3.5.2 Verdampfungsgleichgewicht zweier Komponenten bei konstantem <strong>Dr</strong>uckDie Phasengrenze zwischen der Gasphase sei wärmedurchlässig, deformierbar und permeabel füralle Komponenten. Damit gilt( l) ( g)p = p() l ( g)T = T(1.29)μ() l ( g)i= μiFür die chemischen Potentiale ergibt sich im Falle idealer Mischungen:μ*( l ) *( g( )μ) ( )p, T + RTln x = p, T + RTly(1.30)i i in iDie chemischen Potentiale der beiden reinen Phasen stehen bei der Siedetemperatur T i * der reinenKomponente i im Gleichgewicht miteinander.In Verbindung mit Gl.(1.9) ergibt sich:μ* ( l ) *( )*( g ) ( *, , )ip Ti = μi p Ti90


μTT* l * * l * g * *( g)i,i ilni i,i i()( )∫() (μ )( )p T − s dT + RT x = p T − s dT + RTln y i* *TiTiTT*( g) *( l)*∫ ( si − si ) dT = ∫ ΔvapsidT = RTlnyi−RTlnxi* *TiTi∫(1.31)Wenn die Verdampfungsentropie als temperaturunabhängig angenommen wird, kann das Integralgelöst werden:ΔT* * *vapsi dT = Δvapsi T− Ti = RTlnyi−RTlnxi∫*Ti( )(1.32)Die Verdampfungsentropie ist bei dem Siedepunkt der reinen Komponente mit der Verdampfungsenthalpienach Δ s = Δ h T* * *verknüpft:vap i vap i i*Δvaphi** ( T− Ti) = ln yi−lnxi (1.33)RT ⋅TiDiese Gleichung wurde für das Verdampfungsgleichgewicht bei konstantem <strong>Dr</strong>uck hergeleitet,sie gilt aber ganz allgemein mit der Näherung der konstanten Entropieänderung beim Phasenübergangfür jedes isobare Phasengleichgewicht. Im Falle eines binären Systems A, B kanngeschrieben werden:y x⎡ Δ hT T⎢⎣y x⎡ Δ hT T⎢⎣*A=vap AA⋅exp⎢ *RT ⋅TA−A*( ) ⎥*B=vap BB⋅exp⎢ *RT ⋅TB−BDie Summe aus beiden Gleichungen liefert mit y A + y BB = 1xA⎤⎥⎦⎤⎥⎦*( ) ⎥⎡ *Δvaph⎤B*1−exp* ( T T )−BRT T⎢ ⋅B ⎥=⎣⎦⎡ * *Δvaph⎤ ⎡A *Δvaph⎤B*exp*( T TA) exp*( T TB)− − −RT ⋅TART ⋅T⎢⎣ ⎥⎦ ⎢⎣ B ⎥⎦(1.34)(1.35)Diese Gleichungen (1.34) und (1.35) zeigen, dass der Zusammenhang zwischen derSiedetemperatur und der Zusammensetzung der Mischung nicht linear ist. Die Darstellung ist infolgendem Bild angegeben:T A*TglT B*0 1lx gB x B x B91


Hier erkennt man, dass Die Substanz mit dem niedrigeren Siedepunkt in der Gasphase angereichertist. Dies ist die thermodynamische Grundlage der fraktionierten Destillation.Falls sich die Mischungen nicht ideal verhalten, ergibt sich im Falle der Tendenz zur Entmischungein azeotropes Siedepunktsminimum.T A*gT B*Tl0x Blx Bgx B1Tendenz zur Verbindungsbildung macht sich im Siedediagramm durch ein azeotropes SiedepunktsmaximumbemerkbargTT A*lT B*0x B1x Blx BgB.3.5.3 Gleichgewicht zwischen zwei flüssigen Phasen an einer starren Membran, die nurfür eine Komponente durchlässig ist.Da in diesem Fall die Phasengrenze starr ist, ist dV = 0, so dass der <strong>Dr</strong>uck in beiden Phasen verschiedensein kann. Die Phase I enthalte eine Mischung, während die Phase II nur die reineKomponente 1 enthalte, für die auch die Phasengrenze durchlässig sei.I, flüssig II, flüssigpI, T,n i I , μ i I p T,n ,II 1,II μ *1,IIGleichgewicht bedeutet:μ( p *, T ) μ ( p )= T (1.36),1, I I 1, II II92


undμ*( p , T) RTlnx μ ( p , T)+ = (1.37)*1, I I 1, I 1, II IIDa das chemische Potential der reinen Komponente in beiden Phasen bei p II identisch ist, ergibtsichμpI∫pIIp* * *1, I II 1 1, I 1, II IIpIII( p , T) + ∫ v dp+ RTlnx = μ ( p , T)vdp=−RTlnx*1 1, I(1.38)Da das molare Volumen der flüssigen Phase nur ganz wenig druckabhängig ist, kann die Integrationleicht durchgeführt werden:pI* *1∫ =1 ( I−II)= − ln1,IpIIv dp v p p RT x*1 2, I(1.39)Da die rechte Seite von Gl.(1.39) positiv ist, muss p I größer als p II sein. Die Differenz zwischenbeiden <strong>Dr</strong>ücken ist der osmotische <strong>Dr</strong>uck p I - p II = Π. Falls der Molenbruch der Komponente 1(Lösungsmittel) nahe 1 ist, kann der Logarithmus lnx 1 zu -x 2 genähert werden. Hiermit ergibtsich die bekannte Formel der Osmose:Π ⋅ v = RT ⋅ x(1.40)Der osmotische <strong>Dr</strong>uck ist dafür verantwortlich, dass die Zellflüssigkeit in Pflanzen gegen dieGravitation nach oben gepumpt wird, oder dass im Sommer die reifen Kirschen nach einemRegenschauer platzen.Wenn man auf die Phase I einen <strong>Dr</strong>uck einwirken lässt, der höher als der osmotische <strong>Dr</strong>uck ist,kann der Prozess umgekehrt werden, so dass das Lösungsmittel aus der Lösung durch einegeeignete Membran herausgepresst werden kann. Diese „umgekehrte Osmose“ ist das Prinzipder Entsalzungsanlagen von Meerwasser.B.3.5.4 Dampfdruck einer reinen Flüssigkeit in einer GasmischungEine flüssige reine Substanz (1), die mit einer beliebigen Gasphase bei konstanter Temperatur imGleichgewicht steht (Normale Luftatmosphäre über Wasser), hat in dieser Gasmischung einendefinierten Molenbruch y 1 . Für das Gleichgewicht gilt:μ* ( l ) ( )*( g, μ) ( , )p T = p T + RTln y (1.41)1 1Das Phasengleichgewicht der reinen Komponente in beiden Phasen ist bei dem Dampfdruck p *der reinen Substanz gegeben.μ*( l ) **( g( ))1pi,T μ1( p * i, )1= T (1.42)Bei dem Übergang zum aktuell herrschenden <strong>Dr</strong>uck muss über die Molvolumina der reinenKomponente integriert werden:93


Einsetzen in Gl. (1.41) liefert:μμp* () l* *()l1 ( , ) = μ1 , +1( g ) ( )() l *( i )p T p T v dp( g )( i )* * *1 1∫p1p, T = μ p , T + vp∫p1*( g)1dp(1.43)μpp* l * l * g *( g)1 1 1 1 1 1()( )() ( )( )* *p , T + v dp= μ p , T + v dp+RTlny* *p1 p1p*( g) *( l)( v1 − v1 ) dp=−RTlny1*p∫1∫∫1(1.44)Unter den bekannten Näherungen, dass das Volumen der Gasphase sehr viel größer als das derflüssigen ist, und dass sich die Gasphase wie ein ideales Gas verhalte, ergibt sich hieraus:Diese Gleichung liefert mit y 1 = p 1 /p das Ergebnis,pdp pRT∫ = RTln=−RTlnyi(1.45)p p*pi*ip 1*=− ⇒*1= p11pRT ln RT ln p pp(1.46)dass der Partialdruck der Komponente 1 in der Gasmischung (Luft) dem Dampfdruck der reinenKomponente bei der gegebenen Temperatur T gleich ist.B.3.5.5Schmelzgleichgewicht (Kryoskopie)Es wird ein Phasengleichgewicht zwischen einer flüssigen Lösung einer Substanz im Lösungsmittelund dem reinen festen Lösungsmittel behandelt, wobei der <strong>Dr</strong>uck stets konstant gehaltenwird.I, flüssig II, festp, T,n 1,l , μ 1,l p, T,n ,1,s μ *1,sGleichgewicht bedeutet:undμ*( p,T) μ ( p )= T (1.47)1, l 1, s,*( p, T) RTlnx ( p,T)μ + = μ (1.48)*1, l1 1, sDa das chemische Potential der reinen Komponente 1 in beiden Phasen bei T 1 * identisch ist,ergibt sich94


μTT* * * * * *1, l( ,1 ) − ∫ 1, l+ ln1, l= μ1, s( ,1 ) −∫1, s* *T1T1p T s dT RT x p T s dTTT* * *∫( s1, l− s1, s)dT = ∫ Δfuss1 dT = RTlnx1,l* *T1 T1Falls die Schmelzentropie im untersuchten Bereich temperaturunabhängig ist, gilt(1.49)ΔFür die Schmelzentropie gilt Δ sT* * *fuss1 dT = Δfuss1 ( T − T1 ) = RTlnx1,l*T1∫ (1.50)= Δ h* *fus 1 fus 1ln x*T1und somit:( − )Δ h T T* *fus 1 11, l=*RT ⋅T1(1.51)Da die linke Seite der Gleichung nie größer als Null ist, kann die Temperatur im Schmelzgleichgewichtnie größer als die Schmelztemperatur der reinen Komponente sein. Das bedeutet,dass die Zugabe einer Komponente (Alkohole, Glycole, Kohlenhydrate, Kochsalz o.ä.) zu einemLösungsmittel dessen Schmelzpunkt erniedrigt. Beispiele dazu sind: Auftausalz auf Straßen,Frostschutz (Glycole) im Autokühler, Frostschutz (Kohlenhydrate) in Pflanzenzellen. AuchMilch, Bier, Wein und Schnäpse gefrieren erst unterhalb von 0°C.Auch hier kann für den Fall, dass der Molenbruch des Lösungsmittels nahezu eins ist, der Logarithmusin Reihe entwickelt werden, so dass sich als Endgleichung der Kryoskopie ergibt:x≈Δ hΔT(1.52)RT*fus 12, l2*( 1 )Die Kryoskopie kann zur Bestimmung der Molmasse M 2 einer unbekannten Substanz, die ineinem Lösungsmittel mit der Molmasse M 1 gelöst ist, folgendermaßen eingesetzt werden:n2 n2 m2⋅ M1Der Molenbruch des gelösten Stoffes ist x2= ≈ = . Damit ergibt sich:n + n n M ⋅ m*( 1 )1 2 1 2*( ) 2*m2 ⋅ M Δ1 fush1m MR2 1T11 m21≈ ΔT ⇒ M2 2= = K*KrM2⋅ m1 R Tm1 Δfush1 ΔTm1ΔT1(1.53)K Kr ist die kryoskopische Konstante, die nur Daten des Lösungsmittels enthält. m 1 und m 2 sinddie eingewogenen Massen des Lösungsmittels und des gelösten Stoffes. Da die Näherungen inGl.(1.53) umso weniger schwerwiegend sind, je kleiner der Molenbruch der gelösten Substanzist, führt man in der Regel mehrere Messungen mit verschiedenen Einwaagen m 2 durch, und extrapoliertdie berechneten Molmassen M 2 (m 2 ) auf m 2 = 0.B.3.6 Verdampfungsgleichgewicht einer reinen Komponente in derGasphase mit einer flüssigen LösungEine flüssige Lösung, die mit dem festen, reinen Lösungsmittel im Gleichgewicht steht, wurdeim vorigen Kapitel behandelt. Da sich über einer solchen Lösung natürlich auch eine Gasphasebefindet, kann man sich auch fragen, welche Bedingungen für das Verdampfungsgleichgewichtbestehen. Falls der zur Lösung zugesetzte Stoff ein Salz oder ein Feststoff ist, kann man davonausgehen, dass nur das Lösungsmittel an dem Verdampfungsgleichgewicht beteiligt ist. Somitbesteht folgendes Gleichgewicht:95


I, flüssig II, gasp,T,n 1,l ,μ 1,l p,T,n 1g ,μ 1*,gGleichgewicht bedeutet hierundμ*( p, T) μ ( p,)1, l1, g= T (1.54)( , ) ln μ ( )μlpT + RT x = * pT ,*1, 1 1, gHier können zwei Fragen behandelt und beantwortet werden.(1.55)B.3.6.1Dampfdruck über der LösungDa der <strong>Dr</strong>uck in diesem Gleichgewicht nicht dem <strong>Dr</strong>uck p * 1entspricht, bei dem die reineKomponente bei fester Temperatur T im Phasengleichgewicht wäre, müssen beide chemischenPotentiale auf diesen <strong>Dr</strong>uck bezogen werden:μpp* ∗* * ∗*1, l( 1, ) + ∫ 1, l+ ln1, l= μ1, g( 1, ) + ∫ 1, g∗∗p1p1p T v dp RT x p T v dppp* * *∫( v1, g− v1, l)dp = ∫ Δvapv1 dp = RTlnx1,l∗*p1 p1(1.56)Da dieses Gleichgewicht immer sehr weit vom kritischen Punkt entfernt ist, sind die bisher*gemachten Näherungen bezüglich des Verdampfungsvolumens auch hier gültig: Δ = RT pDamit ergibt sich:v vap 1Und damitpp* RTpvap 1ln** * ppp11 p1∫ Δ vdp = ∫ dp = RT = RTlnx1, l(1.57)p = x ⋅ p(1.58)*1, l 1Der Dampfdruck der Komponente in der Lösung ist damit kleiner als der der reinen Komponentebei gleicher Temperatur.B.3.6.2 Siedetemperatur der LösungDas Phasengleichgewicht (1.55) kann auch dazu verwendet werden, den Siedepunkt desLösungsmittels in der Lösung zu berechnen. Bei gegebenem <strong>Dr</strong>uck p steht die reine Komponente*bei der Temperatur T im Phasengleichgewicht. Somit muss das Gleichgewicht auf diese1,vapTemperatur bezogen werden.96


μTT* * * * * *1, l ( p, T1, vap ) − ∫ s1, ldT + RTln x1, l= μ1, g ( p,T1, vap ) − ∫ s1,g* *T1, vapT1,vapTT* * *∫ ( s1, l− s1, g)dT = − ∫ Δvaps1 dT = RTlnx1,l* *T1, vapT1,vapdT(1.59)Da auch hier die Verdampfungsentropie als temperaturunabhängig angenommen werden kann,gilt damitTΔ h∫ Δ(1.60)*T1,vap** * * vap 1*vaps1 dT = Δvaps1 ( T − T1, vap ) =* ( T − T1, vap ) = −RTlnx1,lT1,vapDa die Verdampfungsenthalpie positiv ist, muss T größer als*T 1,vapsein. Das bedeutet, dass dasLösungsmittel erst bei höherer Temperatur verdampft.Somit kann man im Winter folgende Phänomene auf verschneiten oder vereisten Straßenbeobachten:Wird Salz auf die Straßen gestreut, schmelzen Eis oder Schnee unter Bildung einer flüssigenSalzlösung unter 0°C. Wenn dann am Ende des Winters die Sonne Schnee und Eis zumSchmelzen und das Wasser zum Verdampfen bringt, bleiben die mit Salz behandelten Straßennoch wesentlich länger feucht als die nicht bestreuten Flächen, zumal durch ein partiellesVerdampfen von Wasser die Salzkonzentration in der noch vorhandenen Lösung steigt unddamit der Dampfdruck noch kleiner und die Siedetemperatur noch höher wird.B.3.7 Zusammenfassung• Die Bedingung des Gleichgewichtes in einem System, das aus mehreren Phasen und ausmehreren Komponenten bestehen kann, ist durch dμ = 0 gegeben.• Bei einem ungehemmten inneren Gleichgewicht haben alle Phasen des Systems gleichen<strong>Dr</strong>uck p und gleiche Temperatur T. Außerdem ist das chemische Potential μ i jeder Komponentebei gegebenen <strong>Dr</strong>uck und Temperatur in allen Phasen gleich.• Bei Einkomponentensystemen ist die Steigung der Gleichgewichtskurve gegeben durch dasVerhältnis der Phasenübergangsentropie zum Phasenübergangsvolumen. Hieraus kann unterbestimmten Bedingungen die Clausius-Clapeyron-Gleichung für das Verdampfungsgleichgewichtabgeleitet werden.• Die Verdampfungskurve einer reinen Komponente beginnt im Tripelpunkt, an dem die feste,die flüssige und die Gasphase im Gleichgewicht stehen, und endet im kritischen Punkt, andem die Unterschiede zwischen flüssiger und Gasphase verschwinden.• Die Steigungen der Verdampfungskurve und der Sublimationskurve sind immer positiv. DieSteigung der Schmelzkurve ist für die meisten Stoffe positiv, nur für wenige Substanzen, beidenen die flüssige Phase eine höhere Dichte als die feste hat, ist sie negativ. Die wichtigsteSubstanz, die hierzu gehört, ist Wasser.• Steht eine reine flüssige Substanz über eine starre Membran, die für diese Substanzdurchlässig ist, mit einer Mischung dieser Substanz mit weiteren Komponenten im Gleichgewicht,ist der <strong>Dr</strong>uck in der Mischung erhöht (Osmotischer <strong>Dr</strong>uck).• Wenn in einem Schmelzgleichgewicht das reine feste Lösungsmittel mit einer flüssigenMischung im Gleichgewicht steht, dann hat die Lösung immer eine tiefere Schmelztemperatur,einen niedrigeren Dampfdruck und eine höhere Siedetemperatur als das reineLösungsmittel.97


• Bei Siedediagrammen gilt für ideale Mischungen das Raoultsche Gesetz. Reale Mischungenkönnen eine Dampfdruckerhöhung (Tendenz zur Entmischung) oder eine Dampfdruckerniedrigung(Tendenz zur Verbindungsbildung) aufweisen. In beiden Fällen ist am Extremwertdes Dampfdruckes (Azeotrop) die Zusammensetzung in flüssiger und Gasphase gleich.• Jede Flüssigkeit unter einer beliebig gemischten Gasphase hat in dieser Gasphase beigegebener Temperatur einen Partialdruck, der dem Dampfdruck der reinen Komponente beidieser Temperatur gleich ist. Ist die Gasphase so groß, dass sie beliebig große Mengen angasförmiger Substanz aufnehmen kann, trocknet die Flüssigkeit aus. Hierauf beruhen sehrviele Trocknungsprozesse.98

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