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Hinter den Kulissen – Nr. 3 – 2013 - APAP – Antifaschistisches ...

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InhaltEinleitung 2ProblemaufrissDie NPD in Bran<strong>den</strong>burg - Zugpferd der Neonaziszene 3Kameradschaften - Von straffer Organsierung zu losen CliquenRechtsrockszene - Neonazimusik “made in Bran<strong>den</strong>burg”710Spreelichter - Nationalsozialismus als Popkultur 12Der virtuelle Dorfplatz - Rechte Lebenswelten im Web 2.0 16Rechte Gewalt im Fokus 19Die unsichtbaren Todesopfer rechter Gewalt 22Neonazis in <strong>den</strong> Parlamenten - Rechte Aktivitäten in <strong>den</strong> Kreistagen 25AnalyseDiffamierung antifaschistischer Arbeit - Zum Extremismuskonstrukt 28Leere Rede von der Toleranz - Für die Ausgrenzung von Menschenfein<strong>den</strong> 311RegionalesPlattenbau Neonazis in Preußisch Disneyland - Potsdam 35Talfahrt durch <strong>den</strong> Nordosten - BAR-UM-MOL 43Der braune Westen - PM-HVL-PR-OPR-OHV-BRB 51Sumpf im südlichen Speckgürtel - TF-LDSWilder Osten - LOS-FF 64Lausitzer Verhältnisse - SPN-CB 69AktivismusAntifa heißt ... - Ansatz von Antifagruppen 75Die Räume dicht machen - Sitzblocka<strong>den</strong> 78„Das Problem beim Namen nennen!“ - Recherchearbeit 8259Kontaktadressen 84Personenregister 85


ProblemaufrissDie NPD in Bran<strong>den</strong>burgZugpferd der neonazistischen Szene3Abb. 1: Symbolisieren die Spitze der Bran<strong>den</strong>burger NPD: Ronny Zasowk, Aileen Rokohl und Klaus Beier am Fronttranspi auf einemNPD-Aufmarsch am 10. November 2012 in Frankfurt (Oder). Links neben Ronny Zasowk: Der Berliner NPD-Chef Sebastian Schmidtke.Dieser Text soll einen allgemeinen Überblickzum Landesverband der NPD geben.Die Informationen dazu wur<strong>den</strong> in <strong>den</strong> vergangenenJahren von verschie<strong>den</strong>en Initiativen und Gruppengesammelt. Hilfreich waren auch die Einblicke indas NPD-Innenleben dank eines Hacks des Mailserversder NPD im Jahr 2011. Auf Grundlage des offengelegten Mailverkehrs der NPD konnte das WebportalInforiot <strong>den</strong> Artikel „NPD von Innen“ verfassen.Es ergab sich in der Gesamtschau das Bildeines kleinen, aber durchaus funktionstüchtigenLandesverbandes. Große Sprünge gab es nicht. Dochein recht stabiler Kern von Aktiven hielt <strong>den</strong> Verbandimmerhin, auf niedrigem Niveau, arbeitsfähig.Seit 2012 kam es vermehrt zu Austritten, außerdemgründete sich Anfang <strong>2013</strong> ein bran<strong>den</strong>burgerLandesverband der neuen neonazistischen Partei “DieRechte”.Gliederung <strong>–</strong> Kreisverbände und Lokale Verankerungdurch Ortsbereiche und StützpunkteEiner internen Auszählung zufolge hat der NPD-Landesverband Bran<strong>den</strong>burg nur etwa 250 Mitglieder,aufgeteilt auf acht Kreisverbände. Auf <strong>den</strong> erstenBlick scheint die NPD nahezu flächendeckendin Bran<strong>den</strong>burg aufgestellt zu sein. Der Aktivismusin <strong>den</strong> Kreis- sowie Ortsverbän<strong>den</strong> entfallen jedochunterschiedlich. Aktivist_innen des Bran<strong>den</strong>burgerLandesverbands übernehmen zudem Aufgaben auchauf Bundesebene. Dort arbeitet Landeschef KlausBeier im Bundesvorstand und auch andere aus Bran<strong>den</strong>burgstammende Parteiaktive, beispielsweise dieex-DVUlerin Birgit Fechner oder der für das Amt “Bildung”verantwortliche Ronny Zasowk, sind dort tätig.In <strong>den</strong> Jahren 2011 und 2012 gründete die NPD nachund nach sogenannte Ortsbereiche und Stützpunkte,um eine stärker lokale Verankerung zu suggerieren.(siehe Karte und Liste) Die Vielzahl an Orten undStädten sagt dabei jedoch recht wenig über die Aktivitätender Partei aus. So tauchen einige Ortsbereichezwar in der Liste auf, eigene Aktivitäten sind jedochnicht bekannt. Bestes Beispiel hierfür ist der im März2011 gegründete Ortsbereich Joachimsthal (Barnim).Bis 2010 fan<strong>den</strong> in der kleinen Stadt im LandkreisBarnim jährlich Demonstrationen zum Thema sexuellerMissbrauch statt. Unter dem Motto „Keine Gnadefür die Täter“ hatte sich der Kreisverband Barnim-Uckermark zu profilieren versucht. Mit dem neuenOrtsbereich wolle man besser auf die Ängste der Anwohner_inneneingehen. Außer einer Kranzniederlegungzum Volkstrauertag und der Beteiligung anFlyeraktionen geschah vor Ort jedoch nichts. Andersverhält es sich mit dem Ortsbereich „Schenkenländ-


der „Raus aus dem Euro“-Kampagne wurde auch immerwieder „Grenzen Dicht“ gefordert. Aufbauendauf vermeintlich steigende Kriminalität, als Folge desunbeschränkten Grenzverkehres zwischen Polen undDeutschland versucht die NPD ihr revisionistischesund polenfeindliches Weltbild zu propagieren.Die NPD als Auffangbecken für Gewalttäter_innenund Aktive von (verbotenen) NeonazigruppenAn der Person von Michel Müller (Vorsitzender desKreisverbands Havel-Nuthe) veranschaulicht sich,dass die Bran<strong>den</strong>burger NPD als Teil der militantenNeonaziszene gelten muss. Müller war in früherenJahren bei der 2005 verbotenen Neonazi-Kameradschaft„Hauptvolk“ aus Rathenow aktiv und saßwegen Beihilfe zu versuchtem Mord im Gefängnis.Unter <strong>den</strong> Parteiaktiven fin<strong>den</strong> sich weitere Kameradschaftsaktivist_innen<strong>–</strong> wie etwa Benjamin Kuhirt,der Anführer der verbotenen Kameradschaft “Sturm27“ war und nun Vorsitzender des NPD-Stadtverbandsin Rathenow ist. Stefan Rietz, im KV Havel-Nuthe tätig, war aktiv im verbotenen „Blood & Honour“Netzwerk. Stellvertretender Kreisvorsitzenderin der Lausitz ist Alexander Bode, Haupttäter dertödlichen rassistischen Hetzjagd von Guben 1999.Wenig überraschend ist dann auch, dass dieBran<strong>den</strong>burger NPD für Schulungen <strong>den</strong> ehemaligenAktivisten der „Wiking Jugend“ undmehrfachen Straftäter Lutz Giesen einlud.Anti-Antifa und Kooperation mit „Freien Kräften“In nahezu allen Parteiverbän<strong>den</strong> der NPD in Bran<strong>den</strong>burglassen sich enge Verbindungen von Kameradschaftsstrukturenund „Freien Kräften“ mit Parteistrukturenfin<strong>den</strong>.K o n t a k t epflegt die NPDvielerorts, obdurch <strong>–</strong> wieoben beschrieben<strong>–</strong> ohnehinv o r h a n d e n ep e r s o n e l l eÜ b e r s c h n e i -dungen odergegenseitigeUnterstützung.So gelangtenbeispielsweiseFotos einer Anti-Nazi-Demon s t r a t i o nim Oktober2010 in KönigsWusterhausen,a u f g e n o m -men durch„Anti-Antifas“,an die NPD.Dass die GrenzezwischenNPD und <strong>den</strong>Abb. 3: Landesverbände und Stützpunkte der NPD im Überblick.Problemaufrisssogenannten freien Kräften keineswegs trennscharfverläuft illustriert ein Vorfall vom 1. Mai 2012. ImAnschluss an einen verhinderten Neonaziaufmarschin Wittstock/Dosse griffen Neonazis das linke WohnundKulturprojekt MittenDrin in Neuruppin an. Wiekurze Zeit durch veröffentliche Pressefotos bekanntwurde, befand sich unter ihnen auch der NPD-Stadtverordnete Raimer Leibner. Laut Inforiot warauch der Neuruppiner NPD-Stadtchef Dave Trickzumindest am Bahnhof vor Ort, vom dem die Neonazissich auf <strong>den</strong> Weg zum MittenDrin machten.Immobilien: Revival in Biesenthal und Ausbau inMärkisch BuchholzLängere Zeit wurde ein Gelände in der Erich-Mühsam-Straße in Biesenthal als möglicher Parteitreff gehandelt,auf dem es regelmäßige Stammtische gibt. DasGrundstück wird von der „Devasta GmBH“ verwaltet.Das Gelände ist heruntergekommen und teilweisebaupolizeilich für Veranstaltungen gesperrt. Seit Anfang2011 will die NPD das Gelände ausbauen unddort wieder regelmäßig Veranstaltungen durchführen.Bekannt gewor<strong>den</strong> sind einige wenige Veranstaltungen<strong>–</strong> eine Wintersonnenwendfeier im Dezember2011 wurde durch Protest von lokalen Antifaschist_innen verhindert. Im Januar <strong>2013</strong> gründete sich aufdem Gelände der LV “Die Rechte”, mit ehemaligenDVU- und NPD-Aktiven. Inwiefern die NPD das Gelän<strong>den</strong>och nutzen kann, ist unklar. Kleinere Versammlung,wie ein Konzert mit einer handvoll Neonazisim Sommer 2012 wurde erst im Nachhinein bekannt.Mit dem sogenannten „nationalen Jugend- undFreizeitzentrum“ konnten die NPD in Bran<strong>den</strong>burgskleinster Stadt Märkisch Buchholz einen weiterenNeonazitreff etablieren. Sandra Willnow Haverlandt,verheiratetmit NPD-F u n k t i o n ä rSven Haverlandt,erwarb2011 das Objekt,das einenAnlaufpunktfür Neonazisaus der Regiondarstellt. ImJuli 2011 fanddort eine JN-Schulung statt.Nachdem sichW i d e r s t a n dgeregt hatte,wurde dieg e we r b l i c h eNutzung undöffentliche BewerbungvonVeranstaltungenuntersagt.Das Problemwurde so jedochnichtgelöst. Im „na-5


Problemaufriss6tionalen Jugendzentrum“ wer<strong>den</strong> weiterhin Veranstaltungendurchgeführt und der Aufbau von NPD- undJN-Strukturen vorangetrieben. Dazu gehörte im Februar2012 ein Liederabend mit Jörg Hähnel, Mitgliedim NPD-Bundesvorstand sowie Aktivist_innen derverbotenen Berliner Kameradschaft „Frontbann 24“.NPD, DVU und Die RechteSeit dem Zusammengehen von NPD und DVU aufBundesebene ist der Kontakt zwischen <strong>den</strong> Aktivenbeider Organisationen in Bran<strong>den</strong>burg eher nüchtern.Auf der Seite der DVU fällt lediglich die KreistagsabgeordneteBärbel Redlhammer-Raback aus Luckenwaldeauf, die sich um eine intensivere Kooperationzwischen ex-DVU und NPD bemüht. Im Oktober2012 beteiligte sich Redlhammer-Raback an einerNPD- Kundgebung gegen <strong>den</strong> Refugee-Protest-Marschin Potsdam. Das ehemalige DVU-Mitglied Birgit Fechnerist nun aktiv im Vorstand der Landes-NPD und fürdas „Referat Sozialpolitik“ zuständig. Josef Gessler,ex-DVUler im Stadtparlament Jüterbog, ist ebenfallszur NPD gewechselt. Über die übrigen 22 Kommunalmandatsträger_innenaus der DVU ist wenig bekannt.Einzig noch Klaus Mann aus Finowfurt, ehemals imDVU-Landesvorstand, war an einer Zusammenarbeitinteressiert. Sein Grundstück diente zuletzt am6. Oktober 2012 als Veranstaltungsort für <strong>den</strong> NPD-Preußentag. Im neuen LV “Die Rechte” hat er <strong>den</strong> Vorsitzübernommen, auch andere ehemailge DVU- undNPD-Aktive traten über. Marcel Guse, dessen „Polit-Karriere“ in der DVU begann, lief ebenfalls zur NPDüber und war einige Zeit Stadtverordneter in Potsdam.Nachdem er wegen seiner wenig geschönten RadikalitätMissgunst auf sich gezogen hatte, sollte Guse ausder NPD ausgeschlossen wer<strong>den</strong>. Er trat jedoch selbstständigzurück und zog sich aufs Land bei BeelitzNPD-PreußentagJährliches Event der Bran<strong>den</strong>burger NPD in FinowfurtSeit 2010 organisiert der Bran<strong>den</strong>burger Landesverband der NPD <strong>den</strong> sogenannte„Preußentag“. Als Veranstaltungsort diente das Grundstück der FamilieMann in Finowfurt (Gemeinde Schorfheide). Neben Rechtsrockbands sind jedesJahr Rednern der NPD und nahestehen<strong>den</strong> Initiativen gela<strong>den</strong>.Mit ihrem Event zeigt die NPD welcher historischen Kontinuitäten sie folgt: DenPreußentag sieht die Partei als Gegenveranstaltung zu <strong>den</strong> Einheitsfeierlichkeitender Bundesrepublik um <strong>den</strong> 3. Oktober. Zu der von ihr gewünschten “echten”Wiedervereinigung gehören die ehemals deutschen Ostgebiete - das geht unteranderem aus einer abgebildeten Landkarte, auf der eigens für <strong>den</strong> Preußentageingerichteten Internetseite hervor. “Verzicht ist Verrat - Dieses Land bleibtDeutsch”, heißt es auf der Website. Auch sind verschie<strong>den</strong>e geschichtsrevisionistischeTexte auf der Seite zu fin<strong>den</strong>, in <strong>den</strong>en der deutsche Angriff auf Polen am 1.September 1939 als “Lüge” betitelt wird.Als Bran<strong>den</strong>burger Event, gehören auch jedes Jahr Bran<strong>den</strong>burg Neonazibandsauf <strong>den</strong> Spielplan: In <strong>den</strong> letzten drei Jahren spielten u.a. “Frontfeuer” ausBeeskow, „Preußenstolz“ aus Potsdam, „Exzess“ aus Strausberg, „Frontalkraft“aus Cottbus und „Preußenfront“ aus Bernau.Mitverantwortlich für das Nazitreiben war 2011 und 2012 Manuela Kokott,NPD-Kreistagsabgeordnete im Landkreis Oder-Spree. Für die Internetseite desPreußentages posiert sie mit Ostpreußen-Flagge, vor einer Landkarte mit <strong>den</strong>deutschen Namen polnischer Städte. Im Reisebericht durch die “Ostgebiete”schwenkt sie unter anderem eine schwarz-weiß-rote Fahne vor der Marienburgim polnischen Malbork.zurück, um dort in der Landwirtschaft zu arbei-ten.Hier arbeitet er weiterhin, wenn auch weniger öffentlich,für die NPD.JN weiterhin marginalMit dem Aufbau der Parteijugendorganisation „JungeNationaldemokraten“ (JN) mag es in Bran<strong>den</strong>burgnicht so recht vorangehen. Nach schleppen<strong>den</strong> Aufbauversuchendurch Pierre Dornbrach, der mittlerweileim JN-Bundesvorstand ist, wurde im Herbst2010 eine Neustrukturierung der JN geplant. Alsneuer Landesbeauftragter der JN Bran<strong>den</strong>burg fungierteRobin Liebers aus Zossen, Pierre Dornbrach istjedoch weiterhin Vorsitzender des Landesverbandes.Der „Preußentag“, der am 2.Oktober 2010 in Finowfurtstattfand, sollte als Startschuss dienen <strong>–</strong> die JNwollte einen Infostand und eine Trommelgruppestellen. Aufsehenerregende Aktionen lassen jedochbisher auf sich warten. Die zuletzt bekannt gewor<strong>den</strong>eund bisher „größte“ fand am 1. September 2012 inVelten statt. Nach dem Verbot eines Fußball-Turniershielt die JN, allen voran Sebastian Richter, eineKundgebung ab. Richter wohnte zuvor in der Regionund fungierte als Vize-Bundesvorstand der JN; inzwischenlebt er in Mecklenburg-Vorpommern. DerJN- Stützpunkt Potsdam fällt ebenso wenig durch Aktivitätenins Gewicht, kann jedoch mit Verbindungenzu zweifelhafter Prominenz aufwarten. JN-Aktivistund Stützpunktleiter der JN-Potsdam Maik Emingerist der Zwillingsbruder von Andre Eminger, der alsmutmaßlicher NSU-Unterstützer verhaftet wurde.FazitDer NPD-Landesverband versucht kontinuierlich dieLücke zwischen Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern,in <strong>den</strong>en die Partei in <strong>den</strong> Landtagen vertreten ist,zu schließen. Ziel ist der Einzug in das Landesparlament.Nach außen wird versucht eine seriöse und professionellepolitische Arbeit zu vollbringen.Zu kämpfen haben die Aktiven des Landesverbandesdabei jedoch mit Personalmangel und internen Streitigkeiten.Zwar können lokale Parteiverbände mitUnterstützung von „freien“ Neonazis Rechnen, jedochfußt die Zusammenarbeit oft lediglich auf ohnehinvorhan<strong>den</strong>e personelle Überschneidungen. Einekontinuierliche Zusammenarbeit scheitert jedoch oftan dem Versuch der NPD sich von militanten Neonazisabzugrenzen und gegenseitigen Vorbehalten.Abzuwarten ist, wie die Bran<strong>den</strong>burger NPD miteinem etwaigen Verbot ihrer Partei umgehen wird.Zwar gründete sich im Januar <strong>2013</strong> ein Ableger derNeonazipartei „Die Rechte“ des bundesweit aktivenNeonazis Christian Worch in Bran<strong>den</strong>burg. Fraglichist aber, ob die NPD-Funktionäre bei einem NPD-Verbot weiter bei „Die Rechte“ aktiv sein wer<strong>den</strong>.Einige der Gründungsmitglieder, beispielsweiseder „Die Rechte“-Landesvorsitzende Klaus Mann,waren früher für die DVU aktiv. Ob NPD-Kader einenNeuanfang in einer Partei wagen wer<strong>den</strong>, die„weniger radikal als die NPD“, aber „radikaler als diePro-Bewegung“, so Worch, sein soll ist zweifelhaft.


ProblemaufrissKameradschaftenVon straffer Organisierung zu losen Cliquen7Abb. 4: Freie Kräfte Neuruppin/Osthavelland auf einer Demonstration in Magdeburg am 12. Januar 2012.Seit (fast) 25 Jahren gibt es in Bran<strong>den</strong>burg Neonazistrukturen,welche sich von Parteien, Verbän<strong>den</strong> undVereinen unterschei<strong>den</strong>. Diese Gruppierungen wer<strong>den</strong>allgemein als Kameradschaften definiert.Der erste bekannte Zusammenschluss von jungenNeonazis zu einer Kameradschaft in Bran<strong>den</strong>burg warein Organisationsversuch neonazistische Skinheads inOberhavel mit <strong>den</strong> Namen „Sturmfeld Oranienburg“und „Gesamtsturm Velten-Hennigsdorf“.Diese organisierten sich in “Kameradschaften”, um dasVereins- und Parteiengesetz zu umgehen und unterschie<strong>den</strong>sich aber von <strong>den</strong> späteren Kameradschaftsformierungendahingehend, dass sie von vornhereineinen illegalen Charakter hatten. Während in Westdeutschlandneonazistische Organisationen gebildetwer<strong>den</strong> hätte können, war dies in der DDR unmöglich,so dass (freie) Kameradschaften die einzige Möglichkeitvon Neonazis zur Organisierung war.Das, was heute als Kameradschaft verstan<strong>den</strong> wird, isteine Organisationsstruktur, welche ungefähr zur Mitteder 1990er Jahre von bundesweit führen<strong>den</strong> Neonazisentwickelt wurde. <strong>Hinter</strong>grund war eine Welle vonVerboten gegen neonazistische Vereine und Parteien.Ziel war der Aufbau autonom agierender Gruppen,welche für <strong>den</strong> Staat schwerer zu greifen sein sollten.Dieser Aufbau glückte: Innerhalb weniger Jahre entstandein bundesweit fast flächendeckendes Netz vonlose miteinander vernetzten Kameradschaften.Typischerweise besteht eine Kameradschaften ausrund einem Dutzend hauptsächlich männlicher Neonazis.Innerhalb der Kameradschaft gibt es mindestenseinen Führungskader, der mit anderen Kameradschaftenim regionalen Netzwerk kommuniziere. DieKameradschaften sind straff, fast soldatisch organisiert.Aussteiger berichten immer wieder von körperlicherGewalt bei Fehlverhalten. Vielfach wer<strong>den</strong> zurFinanzierung Mitgliedsbeiträge erhoben.Weil Kameradschaften feste Mitgliedschaften, oft auchin Form von Listen und Beiträgen haben, kann derStaat einzelne Kameradschaften <strong>–</strong> aber eben nicht dasOrganisationsprinzip - nach dem Vereinsgesetz verbieten.In Bran<strong>den</strong>burg waren prominente Beispieledie “Kameradschaft Oberhavel” (1997), die Kameradschaft“Hauptvolk Rathenow” (2005) und die“Freien Kräfte Teltow-Fläming” (2011).Auch im übrigen Bran<strong>den</strong>burg entstan<strong>den</strong> im Laufeder Jahre in jeder größeren Ortschaft Kameradschaften,so dass diese in <strong>den</strong> letzten 20 Jahren nebender NPD zum Hauptakteur im Spektrum des aktionsorientiertenNeonazismus wur<strong>den</strong>. Ein Großteil derNeonazidemonstrationen wird aus diesem Spektrumorganisiert. Kameradschaften traten dabei nicht im-


8Problemaufrissmer mit dem Kürzel „KS“ auf, sondern formierten sichauch unter Namen wie „Sturm“, Front“, „Freie Kräfte“,„Nationaler Widerstand“<strong>–</strong> meist in Verbindung mit derjeweiligen Ortschaft in der die Neonazis tätig sind.Überregional bildeten sich Dachorganisationen für dieKameradschaften unter Namen wie „Nationaler WiderstandBerlin“ oder „Aktionsbüro Rhein-Neckar“.Kameradschaften sind wegen ihrer unverbindlicherenOrganisationsstruktur häufig instabil und kurzlebig.Oft hängt ihr Existenz und ihr Aktivitätsgrad vom Engagementeinzelner Führungskader ab, welche <strong>den</strong>Draht zu anderen Kameradschaften und Netzwerkenhalten.Eine Kameradschaft von überregionaler Bedeutungwar der 2001 gegründete “MärkischeHeimatschutz“(MHS). Auch der MHS war ein Netzwerkvon Neonazis in mehreren Städten und besondersim nordöstlichen Bran<strong>den</strong>burg aktiv, unterhielt aberzeitweise auch eine Sektion in Berlin. 2006 löste sichder MHS auf <strong>–</strong> Gründe waren antifaschistische Protesteund ein antizipiertes Verbotsverfahren. Ebenfalls2006 lösten sich weitere Kameradschaften in Südbran<strong>den</strong>burgauf. Ein Großteil der MHS-Mitglieder findetsich inzwischen bei der JN wieder.Um 2005 allerdings wurde der Einfluss vom MHS immergeringer. Einer der Gründe hierfür war eine neueEntwicklung innerhalb der sich als (partei)-freienVerboteKräfte verstehen<strong>den</strong> Strukturen.Mit der “Kameradschaft Tor” (KS Tor) in Berlin entstandeine Gruppierung die sich zum ersten Mal offenals „Autonome Nationalisten“ (AN) verstand.<strong>Hinter</strong>grund war eine Modernisierung innerhalb desneonazistischen Spektrums. Subkulturell öffnete sichdie Szene für <strong>den</strong> Hiphop und der härteren Gangartdes Punks, dem Hardcore. Sie versuchten das Imagedes klischeebehafteten Skinheads abzulegen. Die KSTor war es auch, welche 2004 zu einem „NationalenSchwarzen Block“ nach Vorbild der autonomen Antifa-Szeneaufrief. Viele, gerade junge Neonazis warenbeeindruckt von diesem “Rebellentum”, dem angeblichenZusammenhalt und dem Schutz vor Repressionsorganeninnerhalb dieses Blocks. Mitte der 2000erJahre entstan<strong>den</strong> daher in jeder größeren Stadt sog.„Autonome Nationalisten“ und verdrängten <strong>den</strong> bisherdominieren<strong>den</strong>, etwas altbackenen Stil der bisherigen„Freien Kameradschaften“ . An der Organisationsformhat sich durch das Aufkommen der AN nichts geändert,die AN sind Teil des Kameradschaftsspektrums.Die Weiterentwicklung der KS Tor sorgte innerhalbBerlin und Bran<strong>den</strong>burgs für einen Bruch im „NationalenWiderstand“, da traditonsorientierte Neonazis<strong>den</strong> „amerikanisierten“ Lebensstil der „jungen Wil<strong>den</strong>“ablehnten. Die Verwendung eines angloamerikanischenSprachstils, die Verwendung von Anime- undComic-Figuren sowie die Forderung der „AutonomenNationalisten“ nach einem “Schwarzen Block” sorgten„Hauptvolk“ und„Sturm 27“ <strong>–</strong>(06.04.2005)„ANSDAPO“ <strong>–</strong>(04.07.2005)„SchutzbundDeutschland“ <strong>–</strong>(26.06.2006)„Freie Kräfte Teltow-Fläming“ (FKTF) <strong>–</strong>(11.04.2011)„WiderstandsbewegunginSüdbran<strong>den</strong>burg <strong>–</strong>(19.06.2012)2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 <strong>2013</strong>„GesinnungsgemeinschaftSüd-Ost Bran<strong>den</strong>burg“(GGSOBB) <strong>–</strong>(23.08.2006)„Freie NationalistenUckermark“ (FNUM) <strong>–</strong>(02.07.2010)„AutonomeNationalisten Oder-Spree“ (AN-OS) <strong>–</strong>(03.10.2012)„Sturm Cottbus“ (SC) <strong>–</strong>(23.08.2006)„Lausitzer FrontGuben“ (LFG) <strong>–</strong>(24.08.2006)„KameradschaftMärkisch OderBarnim“ (KMOB) <strong>–</strong>(03.07.2010)„MärkischerHeimatschutz“(MHS) <strong>–</strong>(04.11.2006)„Sturm Oranienburg“<strong>–</strong>(06.12.2006)(Schein-)AuflösungAbb. 5: Verbote und (Schein-)Auflösungen von neonazistischen Gruppen im Zeitraum 2005-2012 in Bran<strong>den</strong>burg.


Problemaufrissbundesweit für Verwirrung innerhalb der aktionsorientiertenNeonaziszene. Sie entwendeten aus der Popkulturund der linken Szene gleichermaßen, Spracheund Stil.weit höher als in anderen neonazistischen Strukturen.Diese „Freizügigkeit“ in Art und Umfang bietet eineMenge Attraktivität und und tritt dynamisch auf.Zu <strong>den</strong> Innovationen, welche die AN hervorgebrachthaben, gehört die Einbindung von nichtdeutschenNeonazis in Aktionen der deutschenNeonaziszene. Vor einigen Jahren noch durftentschechische Neonazis nicht am traditionellenGe<strong>den</strong>kmarsch in Dres<strong>den</strong> anlässlich der Bombardierungder Stadt am 13. Februar 1945 teilnehmen.Die AN sind trotz ihres neonazistischenCharakter offen für inhaltliche Experimente undversuchen sich stellenweise um die Besetzungvon alten Themenfeldern der Natio-nalsozialistenwie Tierrecht und Umweltschutz. Doch durch<strong>den</strong> rebellischen Habitus und ihrer kulturellenOffenheit haben die AN es geschafft, die Neonaziszenefür neue Zielgruppen in <strong>den</strong> Jugendkulturenzu öffnen. Sie sind in ihrem Auftreten imAlltag schwer als Neonazis zu i<strong>den</strong>tifizieren undversuchen zuweilen, beispielsweise in Berufsschulen,Diskussionen mitzubestimmen.Der Einstieg für junge Menschen wurde durch dasneue Konzept ebenso erleichtert und die Anzahl an„Autonomen Nationalisten“ stieg nun binnen wenigerJahre auf mehr als 1000 Anhänger_innen. Dabeinutzen diese Strukturen das eher linke „do it yourself“-Prinzip, was bedeutet, dass jede_r Aktive (offiziell)Abb. 6: Modern und militant: “Autonome Nationalisten” hinter dem Transpider ANOS am 27. Märu 2010 auf einem Neonaziaufmarsch in Neuruppin.Auch in Bran<strong>den</strong>burg gibt es “Autonome Nationalisten”.Verschie<strong>den</strong>e Neonazis eignen sich <strong>den</strong> Stil der AN an,doch nur eine Struktur nannte sich bislang auch so, die„Autonomen Nationalisten Oder-Spree“ (AN-OS).Ihre ehemalige öffentliche Person Michael Meißnerist bzw. war ein Paradebeispiel von einem „AutonomenNationalisten“. Er und seine Kamerad_innen eignetensich nicht nur Sprache und Stil von Linken an, sondernversuchten sich auch an inhaltlichen Neubestimmungen.Heraus kamen dabei krude Thesen, wie„Anarchonationalismus“ und einem „nationalenSyndikalismus“.Nach antifaschistischen Interventionen, die<strong>den</strong> Druck auf die Aktivist_innen immer weitererhöhten, erklärte Michael Meißner seinenAusstieg aus der Neonaziszene und die AN-OSlöste sich am 3. Oktober 2012 offiziell selbstauf.9Abb. 7: Auch das noch ein gewohntes Bild auf Aufmärschen: Neonazi-Skinheadsauf einer Demo der “Freien Kräfte” am 9. Mai 2009 in Neuruppin.gleichwertig ist und mit wenig Rücksprache agierenkann. Der Frauenanteil bei <strong>den</strong> AN ist deshalb auchDer größte Teil der AN ist Anfang Zwanzig, jedochbeen<strong>den</strong> viele ihr Engagement frühzeitighäufig mit Mitte Zwanzig. Doch aufgrund der Attraktivitätder AN wer<strong>den</strong> solche Verluste rechtschnell kompensiert und es herrscht sowohl anStrukturen, als auch im Personal eine vergleichsweisehohe Fluktuation gegenüber anderenNeonazistrukturen. Doch schon die AN-OS beweisenan dieser Stelle das Gegenteil.


ProblemaufrissRechtsrockszeneNeonazimusik “made in Bran<strong>den</strong>burg”BernauPreußenfrontStrausbergExzessSchwedtJungvolkEisenhüttenstadtBarbaren(ex-Contra)TeltowHassgesangSacha _Korn10PotsdamUwocaustBurn _DownCynicPreussenstolzBeeskowFrontfeuer30 km20 mi© Daniel Dalet / d-maps.comCottbusFrontalkraftSenftenbergConfi<strong>den</strong>t _of_VictoryAbb. 8: Übersicht der wichtigsten Rechtsrock-Bands in Bran<strong>den</strong>burg 2012.Neonazistische Musik stellt in Bran<strong>den</strong>burg nebenöffentlichen Aktionen, wie Demonstrationen undKundgebungen einen bedeuten<strong>den</strong> Einflussfaktordar. In Bran<strong>den</strong>burg gibt es unzählige Bands, die es zueinem gewissen Berühmtheit in der Szene geschaffthaben und <strong>den</strong> jungen Nachwuchs mit der organisiertenSzene verbin<strong>den</strong>. „Preussenstolz“, „Cynic“ bzw.„Handstreich“, „Natürlich“, „Redrum“, “Proissenheads“,„Burn Down“, „Aryan Brotherhood“, und „Bloodshed“sind solche mehr oder weniger bekannten Größen inder Neonazimusikszene und allesamt wer<strong>den</strong> sie u.a.durch Potsdamer Musiker_innen mitgetragen. Insbesonderedie Rechtsrockszene in der bran<strong>den</strong>burgischenLandeshauptstadt ist bundesweit eine festeGröße, ob es sich nun um klandestin organisierte Konzertehandelt oder um von der NPD organisierte Veranstaltungen.HandstreichDie Potsdamer Band wurde unter dem Namen “Cynic”anfangs als Einpersonenprojekt gegründet und späterin „Handstreich“ unbenannt. 2012 erschien ein Albumunter dem Titel „Wettlauf gegen die Zeit“. Mit anderenPotsdamer Neonazigruppen gemeinsam sind Liederder Band auf der inzwischen vierteiligen Samplerreihe„Die Söhne Potsdam“ erschienen. Die Band betreibtein Seitenprojekt namens „Natürlich“, in dem sich dieMusiker an „NS Hiphop“ versuchen.


ProblemaufrissHassgesang“Hassgesang” ist ein neonazistisches Untergrundprojektaus Teltow. Das erste Album “Hel<strong>den</strong> für’s Vaterland”wurde 2001 von einem schwedischen Labelveröffentlicht, das zweite “Bis zum letzten TropfenBlut” 2003 beim US-amerikanischen Neonazi-LabelMicetrap. Beide wur<strong>den</strong> indiziert. Die Band bekenntsich offensiv zum Nationalsozialismus: “Adolf Hitler,im Kampf für unser Land, Adolf Hitler, sein Werk verteufeltund verkannt, Adolf Hitler, du machtest es unsvor! Adolf Hitler, Sieg Heil tönt zu dir empor!”, singensie in einem ihrer Songs. Im Lied “Israel” verbreitendie Band antisemitische Hassparolen. So heißt es:“Das tapfere Volk von Palästina sollte man verehren,weil sie allein sich auf der Welt noch gegen die Ju<strong>den</strong>wehren.” 2005 erschien bei PC-Records die CD “AlteKraft soll neu entstehen”. 2007 folgte beim gleichen Labeldie CD “Frei sein”, beide unter dem Kürzel H.G. DieBand um Sänger Maik Bunzel kooperierte mit dem2012 verbotenen Südbran<strong>den</strong>burger Neonazinetzwerk„Spreelichter“.Frontalkraft“Frontalkraft” ist eine 1992 in Spremberg gegründeteund mittlerweile in Cottbus ansässige Rechtsrock-Band. Sie ist damit die dienstälteste Nazirockband ausBran<strong>den</strong>burg. Die Gruppe trat bei “Blood & Honour”-Konzerten und für die NPD auf. Dass die Band als neonazistischeinzuordnen ist, machen Texte wie “Wirbekennen uns” deutlich. Darin heißt es: “Wir bekennenuns zu unserem Land, zu unserem Blut und unsererArt, auch zu dem, was vor 45 war”.ExzessDie Strausberger Band hat sich mit zahlreichenLiveauftritten im Bundesgebiet seit einigen Jahreneinen festen Platz in der deutschen Rechtsrockszeneerspielt. Dazu gehörten beispielsweise 2011 Auftrittebeim Pressefest der NPD-Parteizeitung „DeutscheStimme“ im Jahr 2011 und beim „Preußentag“ derbran<strong>den</strong>burgischen NPD in Finowfurt 2011.11


ProblemaufrissSpreelichterNationalsozialismus als Popkultur12Abb. 9: Einer der wenigen Demonstraionen an <strong>den</strong>en die “Spreelichter” in Erscheinung traten. Hier am 1. Mai 2010 mit Frontransparentim sächsischen Hoyerswerda.Am 19. Juni 2012 wurde die unter dem Namen„Spreelichter“ bekannt gewor<strong>den</strong>e neonazistische„Widerstandsbewegung in Südbran<strong>den</strong>burg“ durchdas bran<strong>den</strong>burgische Innenministerium verboten.Über drei Jahre hinweg erzielte die Gruppe durchnächtliche und scheinbar spontan organisierte Fackel-Aufmärsche, durch Flashmobs und eine pathetischeaudio-visuelle Nachbereitung ihrer Aktionen großeAufmerksamkeit. Neben dieser Aktionsorientierungstellte die professionell gestaltete Internetseite <strong>den</strong>zentralen Dreh- und Angelpunkt der Gruppe dar. Aufihr wur<strong>den</strong> zahlreiche Texte, Videos und Audio-Beiträgepubliziert, die die Aktionen der „Spreelichter“ideologisch und propagandistisch unterfütterten.Dabei veröffentlichte das Netzwerk von 2009 bis zuihrem Verbot 2012, eine unglaubliche Fülle an Publikationen.Publikationen, die für die neonazistischeSzene ungewöhnlich ausführlich und anspruchsvollgeschrieben sind. Ein Großteil dieser Veröffentlichungenwurde zwar schlicht plagiiert, offenbart dabei jedocheinen ungewöhnlich klar formulierten Einblickin eine Mischung aus unverhohlenem Nationalsozialismusund Popkultur.Im Zuge einer Auseinandersetzung mit diesem Netzwerk,muss deutlich gemacht wer<strong>den</strong>, dass die Gruppeideologisch zu gefestigt, regional und überregional zugut vernetzt und bezogen auf staatliche Repression zuerfahren ist, als dass ein bloßes Verbot zur tatsächlichenAuflösung des Netzwerkes führen würde. Beispielhaftdafür sind die Internetseiten der „Widerstandsbewegungin Senftenberg“ sowie „Pinselstriche“. Beide Seitenähneln der ehemaligen Homepage der „Spreelichter“in Aufmachung und Inhalt stark und sind in Teilensogar i<strong>den</strong>tisch. Sie können folglich als Fortführungvon ihrer Internetseite begriffen wer<strong>den</strong>.Zum anderen hat das Gerede vom „Volkstod“ mit <strong>den</strong>Kampagnen der „Spreelichter“ nicht bloß eine bemerkenswerteKonjunktur, sondern auch eine besondereideologische Unterfütterung erlebt, an der auchdas Verbot des Netzwerkes nichts ändert. Wer, insbesonderein <strong>den</strong> letzten Monaten, auf Neonazi-Demospräsentierte Transparente begutachten konnte,wird unweigerlich feststellen, dass der Begriff vom„Volkstod“ zu einem zentralen Schlagwort neonazistischerAgitation avanciert ist. Bei dem Aufmarschder „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) im Oktober2012 in Wismar liefen Neonazis mit Transparenten,dessen Parolen als direkter Bezug auf die Kampagnender „Spreelichter“ gewertet wer<strong>den</strong> kann: „DieDemokraten bringen uns <strong>den</strong> Volkstod!“ und „Wir wollenleben <strong>–</strong> Nicht nur unser Leben lang“. Doch nebender Weiterführung ideologischer Fragmente scheintauch die von <strong>den</strong> „Spreelichtern“ geprägte Aktions-


form nächtlicher, scheinbar spontaner Fackelmärscheweiterhin attraktiv. So marschierten in der Nacht vom22. Juli 2012, anlässlich des 99. Geburtstags des SS-Kriegsverbrechers Erich Priebke, mehrere DutzendNeonazis des „NW-Berlin“ durch Henningsdorf (Oberhavel).Es ist lohnenswert im Kontext der „Spreelichter“-Publikationeneinmal etwas genauer zu betrachten, was esmit diesem „Volkstod“ auf sich hat. Dafür sind drei Begriffevon zentraler Bedeutung. Zum einen der Begriffdes „Volkskörpers“. Er stellt die implizierte Prämissedes von <strong>den</strong> „Spreelichtern“ propagierten Weltbildesdar. Zum anderen der Begriff des „Volkstodes“ selbst,als das absolute Negativ-Szenario. Und zu letzt, dassFeindbild der „Demokraten“.Die Spreelichter: Ein Überblick...Im Jahr 2006 erstmals unter dem Namen „Widerstandsbewegungin Südbran<strong>den</strong>burg“ oder schlicht„Spreelichter“ in Erscheinung getreten, erreichte dieGruppe mit ihrer „Unsterblichen“-Kampagne spätestensab Mai 2009 große Aufmerksamkeit. Im Fokusstan<strong>den</strong> hierbei insbesondere die nächtlichen Fackelaufmärschesowieder professionelleInternetauftritt desNetzwerkes. Das Aktionskonzeptder vermeintlichenSpontanaufmärschedürftezum Teil in der vehementenantifaschistischenInterventiongegenüber herkömmlichenNeonazi-Aufmärschen begründetsein. Jedoch birgtdiese Form der Inszenierungauch eineneigenen Reiz, sie bietetdie Möglichkeit einerMachtdemonstration.Die “Spreelichter” selbst formulieren das Ziel ihrer Aktionenwie folgt: „Es geht um Propaganda, die unmissverständlichdas System als Grund dafür erkennt undbenennt, dass unser Volk seinem Tod entgegengeht.Um Propaganda, die <strong>den</strong> nationalen Sozialismus alseinzige Lösung etabliert, die „Demokratie westlicherPrägung“ hingegen als todbringende Gefahr der Völkerbrandmarkt.“Im Bezug auf die Kampagnen und Aktionen der„Spreelichter“ profitierte das Netzwerk von seinertiefen Verwurzelung in der bran<strong>den</strong>burgischen undüberregionalen Neonazi-Szene. Die Personenkonstellationender Gruppe lassen sich bis zur 2004 gegründeten„Bewegung Neue Ordnung“ (BNO), zum 2006verbotenen „Schutzbund Deutschland“ und zur„Gesinnungsgemeinschaft Süd-Ost Bran<strong>den</strong>burg“(GGSOBB) zurückverfolgen. Hervorzuheben ist hierinsbesondere der Gründer und Kopf der “Spreelichter”,Marcel Forstmeier. Er war sowohl für die BNOals auch die GGSOBB aktiv und gilt als maßgeblichverantwortlich für die ideologische Ausrichtung der„Spreelichter“. Forstmeier konnte in dieser Zeit ersteErfahrungen mit Verbotsverfahren sammeln. Nachdemder „Schutzbund Deutschland“ durch das Innenministeriumverboten wurde, kam die GGSOBB einem Verbotdurch Scheinauflösung zuvor. Die GGSOBB kann dabeials eine Art Vorläuferorganisation der „Spreelichter“gesehen wer<strong>den</strong>. Dafür sprechen sowohl personelleÜberschneidungen als auch ideologische Kontinuitäten.Die BNO wurde damals in bewusster Abgrenzungzur NPD gegründet, da diese von einigen Mitgliedern,darunter der damalige NPD-LandesvorsitzendeMario Schulz und der JN-Vorsitzende Jens Pakleppa,als nicht mehr „völkisch“ und rassistisch genug erschien.Die „Spreelichter“ versuchten sich ähnlich wiedie BNO und die GGSOBB als eine Art außerparlamentarischerWiderstand zu inszenieren und zeichnetensich dabei durch eine strikte Ablehnung jeglicherForm demokratischer Partizipation <strong>–</strong> auch nationaler<strong>–</strong> aus. Sie waren dabei immer bemüht, die Trennschärfezur NPD so groß wie möglich zu gestalten. So heißtes bei <strong>den</strong> „Spreelichtern“: „Wer sich aus offenkundigkurzsichtigen oderutopischen Vorstellungen zur Teilnahmean Wahlen der Demokraten entscheidet, stelltsich in der öffentlichenAbb. 10: “BRD = VOLKSTOD”: Die zentrale Losung der “Unsterblichen” imFebruar 2012 in Werder/Havel auf <strong>den</strong> Asphalt gemalt.ProblemaufrissWahrnehmung bewusstoder unbewusstauf die Seite jener, die<strong>den</strong>ken, man könne alleszum Guten wen<strong>den</strong>,wenn man alle davonüberzeugt, einen hierfürzu erwählen.“ DieDistanz zur NPD zeigtesich auch 2011 bei einerDemonstration derNPD im südbran<strong>den</strong>burgischenSpremberg:Obwohl die Partei mitdem Thema „Abwanderung“und der Wahldes Demonstrationsortessowohl Inhalteals auch Aktionsraum der “Spreelichter” bediente,blieb die Beteiligung an der Demonstration auf dasübliche NPD-Klientel beschränkt.Ein Blick auf die Strukturen des Netzwerkes machtdarüber hinaus in radikaler Weise deutlich, dass die„Spreelichter“ weder auf ein Internetprojekt nochauf die nächtlichen Fackelmärsche reduziert wer<strong>den</strong>dürfen. Das Netzwerk setzt sich in weiten Teilen ausgewaltbereiten Personen zusammen, pflegt Kontaktezur neonazistischen Fußball-Ultra-Gruppe „InfernoCottbus“ und machte in der Vergangenheit immerwieder durch die Organisierung von sogenannten „NationalenKampfsportturnieren“ von sich re<strong>den</strong>. 2012stand in diesem Kontext insbesondere der CottbusserProfi-Kickboxer Markus Walzuck im Fokus. EinePerson, die in gewisser Hinsicht programmatisch fürdas Netzwerk der Spreelichter scheint. Als Kickboxerbestieg er <strong>den</strong> Ring zu Musik von „Blitzkrieg“, dieTeilnahme an einer gemeinsamen Reise des Kickbox-13


Abb. 13: Grundausstattung der “Unsterblichen”: Transparente, weißeMasken und Fackeln. (beschlagnahmtes Material, 19. Juni 2012)erwähnte Schriftzug der JN: „Wir wollen leben <strong>–</strong> Nichtnur unser Leben lang“.“Der Volkstod“ <strong>–</strong> Die Bedrohung des Organismusdurch „das Fremde“Dieser deutsche „Volkskörper“ ist in neonazistischenKontexten allerdings häufig viel eher Gegenstand derSorge als der Bewunderung. Immer wieder wird erals ein Objekt beschrieben, das von Zersetzung, Verrat,Verunreinigung und “Überfremdung” bedrohtsei. Diese Angst wird von <strong>den</strong> „Spreelichtern“ durch<strong>den</strong> Begriff des „Volkstodes“ nicht nur konkretisiert,sondern auch verschärft. Denn während der Begriffder „Überfremdung“ eher für einen schleichen<strong>den</strong>,systematischen Prozess der Zersetzung steht, bezeichnetder „Volkstod“ das Ergebnis eben dieses Prozesses.Die Ermordung des „deutschen Volkskörpers“. Bei<strong>den</strong>Begriffen ist jedoch eigen, dass sie die Feindschaft und<strong>den</strong> Kampf gegenüber dem deutschen Kollektiv alssystematisch von dunklen Mächten angetrieben undmit dem Endziel der Vernichtung des deutschen „Volkskörpers“betrachten, also in verschwörungsideologischeKontexte eingebun<strong>den</strong> sind.Gegenüber dem Begriff des „Volkskörpers“ stellt derBegriff des „Volkstodes“ das zentrale Schlagwort nahezusämtlicher „Spreelichter“-Publikationen dar.Der Begriff steht genauso wie der Begriff des „Volkskörpers“in einer konservativen und nationalsozialistischenTradition. Während der 1930er Jahre war erein elementarer Kampfbegriff um Geburtenrückgang,die Emanzipation der Frauen und „Vaterlandsverrat“zu skandalisieren. Es sind ähnliche bis i<strong>den</strong>tische Themendie die „Spreelichter“ heute mit dem gleichenSchlagwort aufgreifen. So heißt es auf ihrer Homepage,dass „die ‘Anti-Baby-Pille’ [...] für die Substanz unseresVolkes bis zum heutigen Tage verheerender gewesen[ist] als beide Weltkriege zusammengenommen. Dasses bei dieser Erfindung nicht um bloße ‘Verhütung’geht, zeigt die Tatsache, dass Mädchen ab 14 Jahrendie ‘Pille’ ohne elterliche Einwilligung verschriebenbekommen <strong>–</strong> mit Einwilligung auch früher.“ Interessantist hier neben einem vehementen Antifeminismusdie Aussage, die Pille sei nicht bloß Instrumentzur Verhütung, sondern würde eine andere AufgabeProblemaufrisserfüllen <strong>–</strong> nämlich die, das ‘deutsche Volk’ schleichendauszulöschen. Die verschwörerischenMacht hinter der Pille wird von <strong>den</strong> „Spreelichtern“bei <strong>den</strong> Demokraten verortet. Sie wer<strong>den</strong>für Geburtenrückgang, Abwanderung und Überalterungverantwortlich gemacht und somitals Ursächlich für <strong>den</strong> vermeintlichen Tod des„deutschen Volkes“ begriffen. Wichtig ist jedochklar zu stellen, wer hier mit “<strong>den</strong> Demokraten”umschrieben wird. Denn es handelt sich nichtbloß um die Ablehnung demokratischer Partizipationoder demokratischer Akteure, sondernum die Kombination von Demokratiefeindlichkeitund Antisemitismus. „Die Zeit, in der eine„Anti-Baby-Pille“ und Millionen von Abtreibungengesun<strong>den</strong> Lebens als „moderner Fortschritt“,„Freiheit“ und „Selbstverwirklichung“ gesehenwur<strong>den</strong>, wird einer Zeit weichen müssen, diediese „Errungenschaften“ endlich als Dolchstoßin <strong>den</strong> Rücken des deutschen Volkes erkennt.“Was hier gepaart mit Euthanasie und Antifeminismusvermittelt wird, ist die Wiederaufnahme der antisemitischenMär vom Dolchstoß in <strong>den</strong> Rücken des„deutschen Volkes“.FazitDie Feindbildkonstruktion der „Spreelichter“ ist derartnah am historischen Nationalsozialismus orientiert,dass sie nahezu alle Facetten einer offensichtlichenUngleichwertigkeitsideologie mit einbezieht.Sie verbin<strong>den</strong> dabei ein gefährlich manifestes nationalsozialistischesWeltbild nicht nur mit einer starkausgeprägten Affinität gegenüber Gewalt. Denn dases sich hierbei nicht bloß um rhetorische Spielereienhandelt, sondern um <strong>den</strong> tatsächlichen Kampf gegenalles als nicht-deutsch begriffene, machen die unzähligenVerstrickungen in Angriffe gegen als „fremd“ und„volksfeindlich“ markierte Personen und Einrichtungendeutlich.Dass die „Spreelichter“ mittlerweile verboten wur<strong>den</strong>,ändert nichts an der Tatsache, dass das Netzwerkweiter besteht und weiter aktiv sein wird.Aktionen der Spreelichter (Auswahl)15[2. Juni 2006] Kahnkorso in Lübbenau mit Transparent “Die Demokraten bringenuns <strong>den</strong> Volkstod”[12. April 2008] Demo in Lübben unter dem Motto “Recht auf Selbstbestimmung- Pflicht zum Widerstand”[2009] “Nationales Kampfsportturnier” in Lübben[13. März 2009] Transpi-Aktion der” Sensenmänner” auf einer Autobahnbrückein Bersteland[1. Mai 2009] Demo in Freiberg unter dem Motto “Zukunft statt Kapitalismus -Freiheit statt BRD”[23. September 2009] “Sensenmänner” mischen sich unter die Teilnehmer_inneneines Karnevalsumzuges in Schlepzig Getragen wird dabei ein Transparentmit der Aufschrift “Die Demokraten bringen uns <strong>den</strong> Volkstod”[1. Mai 2010] Demo in Hoyerswerda unter dem Motto “Generationen derFeigheit müssen vergehen”[August 2010] Konzert mit der Band “H.G. Acoustic”/”Hassgesang”[19. November 2010] “Hel<strong>den</strong>ge<strong>den</strong>ken” in Jüteborg[20. November 2010] Konzert auf dem Spreegelände in Lübben[30. April 2011] Fackelmarsch in Bautzen, ca. 150 Personen[30. September 2011] Fackelmarsch in Stolpen, ca. 150 Personen[21. Januar 2012] Sogenannter “Maskenball” in der Spree-Arena Lübben


ProblemaufrissDer virtuelle DorfplatzRechte Lebenswelten im Web 2.016Abb. 14: Auch unter Bran<strong>den</strong>burger Jugendlichen beliebt: „nordische Mythologie“ - eine von vielen Gruppen, die auf dem sozialen NetzwerkJappy Anknüpfungspunkte für völkisch-rassistische Denkmuster bietet.Social communities wie Facebook oder Jappy erfreuensich besonders unter Jugendlichen einer ungebremstenBeliebtheit. Während sich antifaschistische Rechercheund Berichterstattung oft darauf konzentriertNeonazis ihre Zugehörigkeit zur rechten Szene nachzuweisen,bieten social communities einen scheinbarsicheren Rückzugsraum und Interessierten einentieferen Einblick in rechte Lebenswelten. Das Web2.0 ermöglicht Neonazis, ihr Dasein weit offener alsim Alltag auszuleben. Dabei verschwimmen die Grenzenzwischen gefestigen rechten Ideologien und demalltäglichen rechten Mainstream schnell.Mittendrin statt nur dabei?Social communities bieten besonders rechtsaffinenJugendlichen, anders als in einschlägig bekanntenSzeneforen wie “Thiazi”, einen leichteren Anschlussan rechte Lebenswelten. Nicht, dass es diese auf derStraße nicht gäbe. Doch fehlt es gerade in <strong>den</strong> ländlichenGebieten Bran<strong>den</strong>burgs an öffentlichen Treffpunktenund so verlagert sich ein Teil des Privatlebensauf <strong>den</strong> virtuellen Dorfplatz.Wer auf Facebook oder Jappy ein Profil besitzt, möchtesein Privatleben einer gewissen Öffentlichkeit zugänglichmachen. Interessen wer<strong>den</strong> geteilt, Meinungenausgetauscht und die soziale Kontrolle verlagert sichauch auf die virtuelle I<strong>den</strong>tität. Wie viel dabei von sichpreisgegeben wird, entscheidet jede_r selbst. Um zurrechten, virtuellen Gemeinschaft „dazuzugehören“ bietensocial communities eine Vielzahl an i<strong>den</strong>titätsstiften<strong>den</strong>und meinungsbil<strong>den</strong><strong>den</strong> Angeboten fürNeonazis und die, die sich ihnen hingezogen fühlen.Community Gruppen geben das Gefühl, mittendrin stattnur dabei zu sein, ohne sich darüber hinaus zu engagierenund Verpflichtungen einzugehen. Anders alsin wirklichen Kameradschaften die Idealen wie Verschworenheitund Zusammenhalt folgen. Im virtuellenRaum gibt es keine unmittelbaren Konsequenzen,wenn sich zu Gruppen wie: „Für die Abschiebung allerkrimineller Ausländer!“ bekannt wird. Dem eindeutigenvirtuellen Bekenntnis und der neonazistischenSelbstdarstellung steht oft ein dezentes und codiertesAuftreten im Alltag gegenüber.Die Normalisierung rechten DenkensDie gesamte Bandbreite menschenfeindlicher Einstellungenlässt sich auch in social communities wiederentdecken.Zwar wird dies oft durch Sperrungen undLöschungen von Benutzerprofilen und Gruppen sanktioniert,doch tauchen diese dann unter abgeändertemNamen meist wieder auf. Ob in Gruppen oder Commu-


Problemaufrissnities, durch Kommentare auf der Pinnwand oder demPosten von Bildern in Gästebüchern, hier verschwimmtdie Grenze zwischen einem gefestigten neonazistischenWeltbild und dem rechten Mainstream.Bei Jappy gibt es eine Vielzahl an Gruppen, bzw. sogenanntenComs (Communities = Gemeinschaften),die von Neonazis gegründet und moderiert wer<strong>den</strong>,aber deren Mitglieder weder der organsierten rechtenSzene angehören, noch sich selbst als rechts bezeichnenwür<strong>den</strong>. Die Forderung der Einführung einer„Todesstrafe für Kinderschänder“ erfreut sich bei Jappyeiner ungebrochenen Beliebtheit. Auf der Straßeschaffen es Neonazis gerade mit Argumenten zum„Kinderschutz“ und ausufern<strong>den</strong> Bestrafungsphantasienimmer wieder, an vorhan<strong>den</strong>e Denkmuster undWertevorstellungen der Bevölkerung anzuknüpfen.Völkische Denkweisen wer<strong>den</strong> in diversen Gruppenverbreitet, die sich um „Germanenkult“ bzw. „nordischeMythologie“ drehen. NS-Verherrlichung wird nichtnur dort betrieben, sondern auch in Gruppen wie:Nutzerin w 29 Das_Blondie schrieb in der Gruppe „Meinungsfreiheit nochda?“ auf Jappy: „ich wurde von meiner ausbilderin damals auch als nazischweinbezeichnet weil ich mich geweigert hatte bei einen mänlichen türckenzu arbeiten […] seitdem bin ich halt nen nazi schwein aber naja wenn siemeint...sie hatte sich nicht mal angehört was mir passiert ist <strong>den</strong>n das wolltesie nicht hören weil ich ja sonst die türckische rasse schädige“communities, ist es für viele Nutzende kein Problem,wenn ihre virtuellen Freund_innen zum Beispiel ihreNS-Devotionalien im Fotoalbum zur Schau stellen oder<strong>den</strong> neusten Rechtsrock-Hit auf ihrem Profil verlinken.Ähnlich verhält es sich mit Gruppen, die sich dann für„Meinungsfreiheit“ oder „gegen Zensur auf Jappy“ einsetzen.Hier versammeln sich u.a. organisierte Neonazis,Leute mit einer Vorliebe für Thor Steinar odereinfach nur ganz normale Alltagsrassist_innen, derenProfil vielleicht auch schon mal wegen eines eindeutigenrechten Kommentars gelöscht wurde. Gemeinsamwird sich dann darüber beklagt, dass man nicht, wievielleicht auf dem letzten Dorf- oder Stadtfest, „seineMeinung als aufrichtiger Deutscher aussprechendarf“.RekrutierungEin weiteres Betätigungsfeld von Neonazis imInternet, so möchte man meinen, ist die Rekrutierungund Mobiliserung von Sympathisant_innenund Anhänger_innen. Den Umgang mit modernenMedien haben mittlerweile auch Neonazisverstan<strong>den</strong>. Dennoch gestaltet es sich schwierig,gerade für die Mobilisierung von Neonaziveranstaltungen,Zusagen bei Facebook zu gewinnen.17Abb. 15: Ob als gestan<strong>den</strong>er Ehemann oder NS-Romantiker: so stellenNeonazis gern ihr Privatleben auf Jappy zur Schau.„Opa war in Ordnung!“. Dort stilisieren Jugendlicheihre Großväter und Urgroßväter zu Hel<strong>den</strong>, weil siein der Wehrmacht tapfer für „das deutsche Vaterland“gekämpft hätten. Rasstische Hetze wird in Gruppenwie: „gegen Deutschenfeindlichkeit“ oder „Thilo Sarrazinfor Bundeskanzler!“ verbreitet.Opferinszenierung unter dem Deckmantel der„Meinungsfreiheit“Neonazis haben es auch im Internet schwer ihre menschenverachtendeIdeologie zur Schau zu tragen. Soachten Facebook und mittlerweile sogar Jappy darauf,dass möglichst keine NS-verherrlichen<strong>den</strong> Inhalte auf<strong>den</strong> Plattformen zu fin<strong>den</strong> sind. Dennoch wer<strong>den</strong> immerwieder Gruppen mit Bezug zum Nationalsozialismusoder rassistischen bis antisemitischen Inhaltengegründet. Für Nutzende, die viel wert darauf legensich über ihre rechte Weltanschauung zu profi-lieren,wird es zunehmend schwerer. Nach Löschung dauertes nicht lange bis zur nächsten Neuregistrierung.Entgegen <strong>den</strong> Standards der Betreiben<strong>den</strong> der socialSich öffentlich als Neonazi zu bekennen, das machenmeist nur die, die eh schon als NPD Politiker_innenauftreten oder von Antifa-Gruppenaus der Anonymität gerissen wur<strong>den</strong> und somitunfreiwillig als Neonazi in der Öffentlichkeitstehen. Gerade auf Facebook tun sich Neonazisschwer damit, sich beispielsweise zu einerlokalen NPD-Gruppe zu bekennen. Könnten diesja auch die Arbeitskolleg_innen oder sogar Familienangehörigemitverfolgen. Trotzdem dient gerade Facebookals wichtiges Informations- und Kommunikationsmittelfür die rechte Szene. Der NPD-LandesverbandBran<strong>den</strong>burg betreibt selbst eine Seite. Neben Berichtenaus <strong>den</strong> NPD-Kreisverbän<strong>den</strong> erschienen dort2012 mehrere Veranstaltungshinweise. So führte dieNPD bis zu diesem Zeitpunkt vier Demonstrationen imLand durch, welche auch dort beworben wur<strong>den</strong>. Auchfür das jährliche Großevent des LandesverbandesBran<strong>den</strong>burg, <strong>den</strong> sogenannten „Preußentag“, wurdekräftig die Werbetrommel gerührt, der Veranstaltungsortwurde jedoch aus Angst vor Gegenprotestenlange Zeit nicht bekannt gegeben.Facebook <strong>–</strong> Nazifrei?!Was können nun Antifaschist_innen und engagierteBrüger_innen gegen rechte Umtriebe im Web 2.0tun? Sich argumentativ <strong>den</strong> Neonazis entgegensetzenbringt mehrere Trugschlüsse mit sich. Zum einen bietetman so Raum für die Präsentation von menschenverachtendemGedankengut. Außerdem ist es ein zwe-


Problemaufrissifelhaftes Unterfangen, bereits überzeugte Neonaziseines Besseren zu belehren. Und wer möchte schonmehrere Stun<strong>den</strong> am Tag vor dem Computer verbringenund sich <strong>den</strong> Ergüssen von Neonazis hingeben?Eine vielleicht erfolgsversprechendere Strategie ist es,entsprechende Personen oder Gruppen bei <strong>den</strong> jeweiligenBetreiben<strong>den</strong> der social communities zu mel<strong>den</strong>.Auch wenn dies viel Zeit in Anspruch nehmen kann,kann es zumindestens vorübergehend <strong>den</strong> Raum fürneonazistische Selbstdarstellung entziehen und solltesensibilisierend auf die Verantwortlichen von Facebookund Co. wirken.Abb. 16: Martalische Auftritte gehören zur Selbstdarstellungim Netz: Die Frankfurter Neonazis MartinWilke (links) und Andy Köpke mit Wehrmachtswaffenund SS-Totenkopf.18


ProblemaufrissRechte Gewalt im Fokusvon Opferperspektive Bran<strong>den</strong>burg 119Abb. 17: In der Nacht vom 22. auf <strong>den</strong> 23. Januar 2010 brannte nach einem Brandanschlag das “Haus der Demokratie” in Zossen komplettaus. Der damals 16jährige Täter Daniel Strielke gestand die Tat wenig später. Der Neonazi Daniel Teich hatte ihn dazu angestiftet.Die Anzahl rechter und rassistischer Gewalttaten imLand Bran<strong>den</strong>burg, die durch die Opferperspektivedokumentiert wer<strong>den</strong>, unterliegt von Jahr zu Jahr immerwieder Schwankungen. Diese Veränderungensind schwer vorhersagbar. Im Jahr 2007 wur<strong>den</strong> 159Angriffe gezählt, dies stellt einen Höhepunkt in <strong>den</strong> 10Jahren der Dokumentation dar. Ein Absinken der Angriffszahlenauf 104 konnte im darauf folgen<strong>den</strong> Jahrbeobachtet wer<strong>den</strong>. 2011 wur<strong>den</strong> durch die Opferperspektive87 Angriffe gezählt.Dieser erfreuliche Rückgang wird häufig mit dem sog.Bran<strong>den</strong>burger Weg und dem damit verbun<strong>den</strong>enstaatlichen Handlungskonzept Tolerantes Bran<strong>den</strong>burg(TBB) begründet. Durch das TBB wird seit 1998sowohl die finanzielle als auch die diskursive Unterstützungeiner nicht-rechten Zivilgesellschaft forciert. Eswird ebenso versucht, die Verwaltungs- und Justizapparatezu sensibilisieren, um auch auf diese Weise gegenrechte Organisationen vorzugehen. Die derzeitigerot-rote Regierung führt damit <strong>den</strong> vom vorherigenCDU Innenminister Schönbohm eingeschlagenen Kursfort. Verbote von Neonazi-Strukturen wie der “FreienKräfte Teltow-Fläming” (FKTF) sowie die durch eineSelbstauflösung einem Verbot zuvorgekommene“Kameradschaft Märkische Oder Barnim” (KMOB)im Jahr 2011 zeugen davon. Ebenso das 2012 erlasseneVerbot des neonationalsozialistischen Netzwerks“Widerstand Südbran<strong>den</strong>burg”, <strong>den</strong> “Spreelichtern”,und die nach unangemeldeten Fackelmärschen erfolgtenHausdurchsuchungen in Potsdam. Bei genauererBetrachtung der regionalen Schwerpunkte rechterOrganisierung und rechter Gewalttaten wird deutlich,dass das Konzept des Bran<strong>den</strong>burger Wegs, zu kurzgreift.Schwerpunktregionen <strong>–</strong> Rechte Gewalt im WandelInnerhalb weniger Jahre haben sich Schwerpunkterechter Gewalt in Bran<strong>den</strong>burg verschoben. So kannbeobachtet wer<strong>den</strong>, dass es in Regionen, aus <strong>den</strong>envergleichsweise wenig Angriffe bekannt waren, esaktuell zu massiven Einschüchterungen und Gewalttatenkommt. Davon betroffen sind Personen, die sichgegen Rechts engagieren und sich nicht dem räumlichenDominanzanspruch rechter Cliquen unterwerfenund Menschen, <strong>den</strong>en aus rassistischen Motiven eineDaseinsberechtigung in Deutschland abgesprochenwird. Im Landkreis Havelland und der dortigen SchwerpunktregionRathenow/Premnitz dokumentierenwir seit 2010 mit zwei Angriffen pro Jahr nur nochverhältnismäßig wenig, obwohl dort eine starke undgut vernetzte Neonazi-Szene über mehrere Generationenaktiv ist und aktuell eine neue Struktur, die1: Übernommen vonhttp://opferperspektive.de/Home/Beitraege/1143.html.


20Problemaufriss“Heimattreuen Jugend Rathenow/Premnitz”, aufbautwird. Eine mögliche Erklärung dafür ist das sog. Dunkelfeldbei rechten Gewalttaten. Studien zu “Dunkelfeldern”offenbaren, dass generell nur ein Teil derGewalttaten angezeigt wird und damit Eingang in dieamtlichen Statistiken findet. Dazu kommt, dass nichtin allen Regionen Antifa-Strukturen oder linke Jugendeinrichtungenso aufgestellt sind, dass sie auch nichtangezeigte Angriffe dokumentieren und öffentlich machen.Bei rassistischen Angriffen kann von einem nochgrößeren “Dunkelfeld” ausgegangen wer<strong>den</strong>, da diemigrantischen Organisationen meist nur in größerenStädten aktiv sind und viele Migrant_innen in ländlicherenRegionen daher kaum Zugang zu Hilfsangebotenhaben.Repression und Neuorganisation <strong>–</strong> RechteStrukturen im WandelUm handlungs- und interventionsfähig zu sein, ist esnötig zu verstehen, wo und wie Neonazistrukturen inBran<strong>den</strong>burg wirken. Für eine Analyse ist es unabdingbarsich anzuschauen, wie die Akteur_innen eingebun<strong>den</strong>sind und welche Organisationsformen es gibt, umauch die regionalen Kräfteverhältnisse einschätzen zukönnen.So ist bekannt, dass an die 400 Rechte aus dem Umfeldder nationalsozialistisch ausgerichteten “FreienKräfte” in Bran<strong>den</strong>burg aktiv sind. Hinzu kommendie knapp 350 Mitglieder der NPD/JN. Ihre Politik istmeist lokal ausgerichtet und sie sind in regionalenStrukturen organisiert, allerdings existieren einigeVernetzungen. Die Übergänge zwischen NPD/JN und<strong>den</strong> “Freien Kräften” sind hierbei fließend. Die NPDversucht durch die Einbeziehung von Aktiven, auchparteiunabhängige NationalsozialistInnen an sichzu bin<strong>den</strong>. Gleichzeitig wird offensiv der rechtlicheSchutz der Parteien genutzt, dies zeigt beispielsweisedie Gründung der “JN Potsdam” durch Mitglieder ausdem Spektrum der “Autonomen Nationalisten”.Auf staatliche Verbote, Hausdurchsuchungen undVerurteilungen reagieren die Rechten mit klandestinenOrganisierungsformen und einer Neuausrichtungihrer Politik. Das repressive Vorgehen der Strafverfolgungsbehör<strong>den</strong>führt nicht nur zu einer Beschlagnahmungvon Geld und Infrastruktur, sondern wirktsich auch auf die Mitglieder und deren Aktivitätenaus. Der harte Kern bleibt weiterhin aktiv, das Umfeldzieht sich jedoch erst einmal zurück. Damit wird eineNeuausrichtung der Strukturen erforderlich. Kontakteund personelle Verflechtungen nach Berlin bekommeneine neue Bedeutung und gewährleisten ein politischesAgieren in neuem Gewand. Dies könnte zumindesteine mögliche Erklärung für <strong>den</strong> vermehrten Bezugrechter Anschläge auf <strong>den</strong> “Nationalen-Widerstand-Berlin” (NW-Berlin) in Bran<strong>den</strong>burg sein.NW-Berlin als neue Organisationsform inBran<strong>den</strong>burgAm 19. Juni 2012 wurde das neonationalsozialistischeNetzwerk “Widerstand Südbran<strong>den</strong>burg” verboten.Am 27. Juli 2012 knüpfte ein auf der Homepage von“NW-Berlin” dokumentierter unangemeldeter Fackelaufmarschvon maskierten Neonazis in Hennigsdorf <strong>–</strong>Oberhavel an die Aktionsformen der “Spreelichter” an.Anlass war der 99. Todestag des SS-KriegsverbrechersPriebke. Im Laufe des Julis waren bereits im LandkreisOder-Spree bei Sachbeschädigungen an Jugendclubs inBeeskow und Fürstenwalde “NW-Berlin” <strong>–</strong> Sprühereienaufgetaucht, ebenso im Zusammenhang mit einerBedrohung am Haus eines jugendlichen Alternativen inStorkow. In bei<strong>den</strong> Fällen führen die Spuren zu SebastianS., dem Berliner Landesvorsitzen<strong>den</strong> der NPD, derzugleich zentrale Figur im gewaltförmig agieren<strong>den</strong>Netzwerk “NW-Berlin” ist. Der gebürtige StrausbergerSebastian S. [Schmidtke, Anm. d. R.] war längere Zeitim Nord-Osten Bran<strong>den</strong>burgs aktiven “MärkischenHeimatschutz” organisiert (Selbstauflösung 2006)und gut vernetzt mit <strong>den</strong> dortigen Neonazistrukturen.2012 [Anm. d. R.] übernahm er <strong>den</strong> in Hennigsdorf ansässigenOnline-Versand “On The Street”.Weitere Bezüge auf “NW-Berlin” gab es bei dem Anschlagam Morgen des 7. Oktobers 2012 in Zossen, alsder Briefkasten des Sprechers der Bürgerinitiative Zossenzeigt Gesicht gesprengt, ein Hakenkreuz gesprühtund die Eingangstür mit Steinen eingeschmissenwurde. Zwei Tage vorher waren in der Stadt das Mahnmalfür die Opfer des Faschismus und Stolpersteinemit Hakenkreuzen und dem Schriftzug “NW-Berlin”beschmiert wor<strong>den</strong>. Verbindungen nach Berlin bestehenhier über <strong>den</strong> gerade aus der Haft entlassenenLudwigsfelder Neonazis Christoph S. Dieser gehörtezusammen mit Daniel T. zu <strong>den</strong> zentralen Figuren derverbotenen Kameradschaft “FKTF”. Beide sind auch mitdem Neuköllner Neonazi und NPD-Kandidaten JulianB. [Beyer, Anm. d. R.] vernetzt. Daniel T. [Teich, Anm.d. R.] verbüßt derzeit eine fast vierjährige Haftstrafefür <strong>den</strong> Brandanschlag auf das Haus der Demokratiein Zossen 2010.Zwei Tage später, am 9. Oktober 2012, fand der bisdahin spektakulärste Angriff in Bran<strong>den</strong>burg statt,der mit “NW-Berlin” gelabelt wurde. In <strong>den</strong> frühenMorgenstun<strong>den</strong> drangen Neonazis auf das Geländedes Flüchtlingsheimes in Waßmannsdorf/Schönefeldim Landkreise Dahme-Spreewald ein und beschmiertendas Gebäude mit »Rostock ist überall« und »NW-Berlin«. Die Neonazis versuchten, in das Gebäude zugelangen, scheiterten jedoch an <strong>den</strong> Feuertüren. Anschließendwarfen sie die Fensterscheiben eines Zimmersein, durch dieses schmissen sie mit Farbe gefüllteFlaschen. In dem Raum schliefen zwei afghanischeFrauen. Eine der Flaschen zersplitterte direkt nebendem Kopf einer Schlafen<strong>den</strong>. Der Bezug auf die Pogromeim August 1992 in Rostock-Lichtenhagen unddie damit verbun<strong>den</strong>e Drohung ist unmissverständlich.Vor 20 Jahren griff in der Hansestadt ein Mob aus organisiertenNeonazis und Teilen der Bevölkerung diezentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge an und setztenein von vietnamesischen Vertragsarbeiter_innenbewohntes Haus in Brand. Parallel zu dem Angriff inWaßmannsdorf gab es in Berlin mehrere “NW-Berlin”bezogene Sachbeschädigungen. Bei einem SPD- undeinem Linksparteibüro wur<strong>den</strong> die Scheiben einge-


worfen, an einer Einrichtung des Jugendverbandes“Die Falken” wur<strong>den</strong> Hakenkreuzschmierereiengesprüht. Zudem wurde die Drohung »Ihr interessiertuns brennend« hinterlassen.Das Netzwerk “NW-Berlin”, dem in Berlin Bedrohungenund Anschläge auf linke Politiker_innen, Journalist_innenund Jugendclubs zugerechnet wer<strong>den</strong>, dehntoffensichtlich seine Aktivitäten nach Bran<strong>den</strong>burg aus.Gleichzeitig versuchen rechte Strukturen in Bran<strong>den</strong>burg,die durch zivilgesellschaftliche wie antifaschistischeEngagement und staatliche Repression unterDruck geraten, an diese Strategie anzudocken und sichdem Netzwerk anzuschließen.ProblemaufrissDie Ausweitung des “NW-Berlin”-Netzwerkes aufBran<strong>den</strong>burg bringt für die bisher eher regional gegliedertenNeonazis eine neue Organisationsform mitsich, <strong>den</strong>n damit ist auch der Rückgriff auf Strukturen,Personal und Know-How der militanten NeonaziszeneBerlins gegeben. Durch die Anschläge wird der lokaleBedeutungsrahmen verlassen und ein beträchtlichesBedrohungspotential entfaltet. Die Drohung, das Heimund seine Bewohner_innen anzuzün<strong>den</strong>, ist durch <strong>den</strong>Verweis auf Rostock-Lichtenhagen mehr als deutlich.Die Bezugnahme auf das militante nationalsozialistischausgerichtete Berliner Netzwerk kann eineRadikalisierung der Aktionsformen bedeuten.21


ProblemaufrissDie unsichtbaren Todesopferrechter Gewaltvon Opferperspektive Bran<strong>den</strong>burg 11: Übernommenvon http://opfe r p e r s p e k t i v e .d e / D o k u m e n t e /A n e r k e n n u n g _Todesopfer/1136.html.222: Rechte StrafundGewalttatenwer<strong>den</strong> im polizeilichenErfassungssystemKPMD <strong>–</strong> PMK(kriminalpolizeilicherMeldedienst<strong>–</strong> politisch motivierteKriminalität)erfasst. Eine Tatgilt als politischmotiviert: „wenndie Umstände derTat oder die Einstellungdes Tätersdarauf schließenlassen, dass siesich gegen einePerson aufgrundihrer politischenEinstellung, Nationalität,Volkszugehöirigkeit,Rasse,Hautfarbe, Religion,Weltanschauung,Herkunft, sexuellenOrientierung,Behinderung oderihres äußeren Erscheinungsbildesbzw. ihres gesellschaftlichenStatusrichtet.“ (BMI/BMJ2006, 135).3: Vgl. Wendel 2007,URL.Abb. 18: Emil Wendland wurde am 1. Juli 1992 von Neonazis in Neuruppin ermordet. Vermeintlich obdachlos passte der 50jährige nichtin ihr menschenverachtendes Weltbild. Obdachlose sind die zweitgrößte und am wenigstens anerkannte Opfergruppe rechter Gewalt.»Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessenist«Leitspruch der Initiator_innen der StolpersteineFalko Lüdtke fuhr am 31. Mai 2000 mit dem Bus durchEberswalde. Ebenfalls im Bus saß Mike B. [Bäther,Anm. d. R.], ein Mitglied der lokalen extrem rechtenSzene, der eine acht Zentimeter große Hakenkreuztätowierungam <strong>Hinter</strong>kopf trug. Der linke Punk kannteihn und sprach ihn couragiert auf die offen zur Schaugestellte, verbotene Tätowierung an. Während derBusfahrt entwickelte sich eine Diskussion über diedahinter stehende Gesinnung. Nachdem die bei<strong>den</strong>an der gleichen Haltestelle ausgestiegen waren, kames zu einem Gerangel, bei dem der 22-jährige von B.immer weiter in Richtung Straße gedrängt wurde. Durcheinen heftigen Stoß vor die Brust stolperte Falkonach hinten auf die Fahrbahn und wurde von einemTaxi erfasst. Er starb. Beim Gerichtsverfahren gabMike B. zwar <strong>den</strong> tödlichen Stoß auf die Straße zu, bestrittaber die politische Dimension des Geschehens.Er wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge zueiner Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt.Die Vorsitzende Richterin hob hervor, dass Falko Lüdtke»aus Zivilcourage« gehandeltund keineswegs provoziert habe, als er Mike B. aufseine Hakenkreuz-Tätowierung ansprach. »Aus demTragen des Hakenkreuzes«, so die Richterin weiter,»lässt sich die Überzeugung [des Täters] ableiten«.Trotz der gerichtlich nachgewiesenen extrem rechtenEinstellung des Täters wird Falko Lüdtke bis heutenicht als Todesopfer rechter Gewalt staatlich anerkannt.Die Tatsache, dass er nach einem Akt der Zivilcouragegegen Rechtsextremismus zu Tode kam, spielte beider Bewertung, ob ein politisches Tatmotiv vorlag undFalko Lüdtke dementsprechend in die behördlicheStatistik der Todesopfer rechter Gewalt aufgenommenwer<strong>den</strong> sollte, keine Rolle. Und das, obwohl nachPMK-Definition 2 ein rechtes Motiv lediglich eskalierendwirken muss 3 . Von <strong>den</strong> meisten EberswalderInnenwurde die Tat als Gerangel zwischen gewaltbereiten»Randgruppen« abgetan . Sie habe nichts mit der»Normalbevölkerung« zu tun gehabt. Damit wurdeihr politischer Gehalt geleugnet. Ein Grund dafürkönnte sein, dass Punks wegen ihres antibürgerlichen,unangepassten Auftretens nicht dem Bild eines »ide-


alen«, das heißt »unschuldigen« Opfers entsprechen.Nietenbesetzte Jacken und bunte Haare gelten oftmalsals »Provokation« und wer<strong>den</strong> automatisch mit einerSchuldzuweisung an die Opfer verknüpft. Nur eineGruppe von Punks erinnert seit Jahren regelmäßig an<strong>den</strong> Tod von Falko.Falko ist nur eines von vielen unsichtbaren, namenlosenTodesopfer rechter Gewalt. Sie wur<strong>den</strong> verbrannt,erschlagen, erstochen. Es sind die Geschichtenvon Kindern, Jugendlichen, Frauen und Männern, diealle etwas gemeinsam haben: In <strong>den</strong> Augen ihrer rechtenMörder waren sie »unwürdig«, weil sie von derVorstellung einer völkischen Einheit abwichen <strong>–</strong> »unnütz«und »unwert«, weil wohnungslos oder alkoholkrank,politischer Feind, weil Punk oder alternativeRJugendlicheR, minderwertig, weil MigrantInnen oderausländischeR Stu<strong>den</strong>tIn. Oder sie wur<strong>den</strong> zur Zielscheibeallein dadurch, dass sie sich nicht dem räumlichenDominanzanspruch rechter Cliquen unterwarfenund kein Interesse an rechter Ideologie bzw. Subkulturhatten. Die Brutalität der Taten ist unfassbar! Sie istgeprägt von tiefem Hass auf alle Menschen, die anderssind und nicht ins rechte Weltbild passen. Diese Logikkorrespondiert bei sozial an <strong>den</strong> Rand Gedrängtenmit der kapitalistischen Verwertungslogik, in der dieSchwächsten als Belastung für die Gesellschaft empfun<strong>den</strong>und durch breite Teile der Bevölkerung verachtetwer<strong>den</strong>. Die damit verbun<strong>den</strong>e Ignoranz spiegelt sichauch in der Dokumentation rechter Todesverbrechenwieder. Wohnungslose sind nach MigrantInnen diezweitgrößte Gruppe, die rechtsmotivierten Tötungsverbrechenzum Opfer fielen. Im oft von TäterInnenbenutzten Begriff »Pennerklatschen« wird das ganzeAusmaß der Menschenverachtung deutlich, daraufwies die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosee.V. hin. Ihrer Einschätzung nach legt beiObdachlosenmor<strong>den</strong>, bei <strong>den</strong>en die TäterInnen nichtselbst aus dem Wohnungslosenmilieu kommen, »eingroßer Teil der Täter [...] ein Verhalten an <strong>den</strong> Tag, dasrechtsextremen Ideologien entspricht, ohne dass dieTäter in entsprechen<strong>den</strong> Organisationsstrukturen verankertsind. Armut, soziale Ausgrenzung, Wohnungslosigkeitgelten <strong>den</strong> Tätern als Beweis für die Minderwertigkeitdes Opfers, die zugleich Legitimation fürdie Täter ist.« 4 Von <strong>den</strong> Todesopfer die die Opferperspektive5 seit dem 03. Oktober 1990 dokumentierthat, sind allein neun Taten aus sozialdarwinistischenMotiven begangen wor<strong>den</strong>. Bundesweit trifft dies aufknapp ein Sechstel aller Todesopfer rechter Gewaltzu. 6 Obwohl es für die Strafverfolgungsbehör<strong>den</strong> seit2001 eine ganz klare Handhabe zur Erfassung politischmotivierter Straftaten gibt, die festlegt: »Der Angriffrechtsorientierter Jugendlicher oder auch Unbekannterauf einen deutschen Obdachlosen stellt eine(zu vermutende) politisch motivierte Tat dar und wirdals solche [...] erfasst.« 7 , erkennt die Landesregierungnur drei Fälle als rechte Tötungsdelikte an.ProblemaufrissDie Anerkennungspraxis der Landesregierung ist nichtnur bei sozialdarwinistisch motivierten Tötungsverbrecheninakzeptabel. So führt Bran<strong>den</strong>burg in seineramtlichen Statistik lediglich neun Tötungsverbrechenmit rechten Tathintergrund auf. 8 Der Verein Opferperspektivegeht von einer weit höheren Zahl aus. In derAusstellung »Opfer rechter Gewalt seit 1990« dokumentiertdie Beratungsstelle allein für Bran<strong>den</strong>burg28 Schicksale von Menschen, die aufgrund tödlicherGewaltexzesse durch Neonazis und rechte Skinheadsstarben 9 . Bei vier weiteren Fällen gibt es deutliche Anhaltspunkteauf eine zumindest eskalierend wirkenderechte Motivation der TäterInnen. Die Dokumentationberuht auf umfangreichen Recherchen von engagiertenEinzelpersonen, ZEITonline und Tagesspiegel 10 ,Opferberatungsstellen und antifaschistischen Gruppen.Die erschreckende Diskrepanz der Zahlen spricht einedeutliche Sprache. Offensichtlich wird das Ausmaß dertödlichen Gewalt bis heute von staatlicher Seite systematischentpolitisiert, ignoriert und heruntergespielt.Ein Kartell der Verharmlosung? Bran<strong>den</strong>burg nimmtnicht nur die beschämende Spitzenposition bei rechtenTötungsverbrechen bundesweit ein, sondern musssich fragen lassen, warum sich Politik und Gesellschaftmit diesem dunklen Kapitel der jüngeren Bran<strong>den</strong>burgerGeschichte so schwer tun? Warum wurde bei sovielen Fällen tödlicher Gewalt der politische Tathintergrundvöllig unzureichend beleuchtet?Die meisten rechten Tötungsverbrechen wur<strong>den</strong> in derersten Hälfte der 1990er Jahre verübt. Also genau inder Zeit, als in vielen Regionen schwere Versäumnissebei Polizei und Justiz gang und gäbe waren. Vor allemauf <strong>den</strong> unteren Ebenen der Polizei wurde häufig nichtzwischen rechtsextrem motivierte Taten und reinen»Sauftaten« oder »normalen« eskalierten Streitigkeitenunterschie<strong>den</strong> . Die ideologische Dimension derTaten wurde in vielen Fällen bewusst oder unbewusstverkannt bzw. wollten die ermitteln<strong>den</strong> Beamten sichnicht mit <strong>den</strong> Motiven befassen. »Eine Erfassung unterbleibtoffenbar oft selbst dann, wenn Tatverdächtigesich zu ihren Motiven zwar ausschweigen, aber z. B.unzweifelhaft Cliquen von Neonazis oder Skinheadsangehören oder wegen frem<strong>den</strong>feindlicher Übergriffelängst amtsbekannt sind und der objektive Tatbefundsowie der Charakter der Straftat zwanglos zu diesempersonalen <strong>Hinter</strong>grund passen.« 11 Entsprechend erfolgtekeine Einordnung als politisch rechts motivierteGewalttat und keine Weitermeldung an das LKAbzw. BKA. Selbst der damalige Vizepräsi<strong>den</strong>t des BKA,Bernhard Falk, musste einräumen: »Es gab beachtlicheHinweise auf die Verbreitung frem<strong>den</strong>- bzw. minderheitenfeindlicherEinstellungen« und »’Opportunitätsüberlegungen’bei <strong>den</strong> aufnehmen<strong>den</strong> Beamten,mit dem Bestreben, das eigene Bundesland bzw. <strong>den</strong>Dienstbezirk ja nicht wegen rechtsextremer Straftaten‘in Verruf geraten’ zu lassen.« 12 Ein weiter Grundwird sein, dass die Hauptbetroffenengruppen rechterGewalt über keine gesellschaftlich relevante Lobbyverfügen. Über keine lokalen oder regionalen Interessenverbände,die Druck ausüben könnten, damit beipolizeilichen Ermittlungen auch ein mögliches politischenMotiv in Betracht gezogen wird. Selbst vieleGerichte blendeten mögliche politische <strong>Hinter</strong>gründeaus. Auch heute noch haben Ermittlungsbehör<strong>den</strong> undGerichte oft Schwierigkeiten, die Tatumstände undMotivationen entsprechend zu berücksichtigen, wenn4: Vgl. BAG,Pressemitteilung19.12.2000.5: Opferperspektive<strong>–</strong> Beratungsstellefür Opfer rechterGewalt im LandBran<strong>den</strong>burg, www.opferperspektive.de.6: Vgl. Kleffner,Heike: Die tödlicheDimension gesellschaftlicherZustände,S. 45 In: RAASachsen (Hrsg.):Tödliche Realitäten.Der rassistischeMord an Marwa El-Sherbini. 2011.7: Vgl. BMI, 2001,K o m m i s s i o n„ S t a a t s s c h u t z “ :Zusatzinformationzum neuen Krimina l p o l i z e i l i c h e nMeldedienst »PolitischmotivierteKriminalität« In:Bundesdrucksache14/7003.8: Landtag Bran<strong>den</strong>burg,Drucksache5/4956 vom21.03.2012.239: Die tatsächlicheAnzahl rechterund rassistischerTötungen ist nichtbekannt. Sie mussin diesem Deliktfeldals deutlich höhervermutet wer<strong>den</strong>,da Dunkelfeldstudienzu rassistischemotivierter StrafundGewalt daraufhinweisen. Siehedazu die Studie von2009 des KriminologischenInstitutsNiedersachsen„Jugendlichein Deutschland alsTäter und Opfervon Gewalt“, Forschungsbericht<strong>Nr</strong>.107, Hannover undStudie : EU-MIDIS:European UnionMinorities and DiscriminationSurvey.Unter http://f r a . e u r o p a . e u /eu-midis (Zugriff06.04.2012).10: Chronik derFrankfurter Rundschauund des Tagesspiegel„DenOpfern einen Namengeben“ vom14.09.2000 und dieChronik vom Tagesspiegelund ZEITonline „Opfer rech-


24ter Gewalt: 1990 <strong>–</strong>2010“ von 2010. Inder Chronik 2010sind 27 Tötungsverbrechenrechter Gewaltund zwei weitereVerdachtsfällein Bran<strong>den</strong>burg dokumentiert.11: Erster PeriodischerSicherheitsbericht,Juli 2001,S. 269.12: Holzberger,Maik (2001): OffenbarungseidderPolizeistatistiker.Registrierung rechtsextremerStraftaten.In: Bürgerrechte& Polizei/CILIP 68. 1/2001, S.26-35.Problemaufrissdie Täter nicht aus der organisierten rechten Szenestammen bzw. nicht als Neonazis bekannt sind oderwenn die Opfer zu keiner »typischen« Opfergruppegehören.Ein trauriges Beispiel dafür ist der Tod des SpätaussiedlersKajrat Batesov in Wittstock. Die Täter kamennicht aus der weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten,aggressiven Neonaziszene, sondern gehörtender lokalen Technoszene an. Dass die Grenzen zwischen<strong>den</strong> Jugendszenen fließend waren und noch heutesind, belegt ein Hakenkreuz, das von der Polizei aufdem Handy eines der Angeklagten gefun<strong>den</strong> wurde.Für die schließlich verurteilten Täter waren dieSpätaussiedler ganz selbstverständlich nur, wie sieselbst sagten, »die scheiß Russen«. Mit ihnen wolltenviele WittstockerInnen nichts zu tun haben und dasließen sie sie auch überall deutlich spüren. GezischteBeschimpfungen beim Einkauf, Anrempeln auf derStraße und Schlägereien.Aber warum en<strong>den</strong> selbst scheinbar »unpolitischeTaten« gegen Schwächere, wenn die Täter aus derrechten Szene kommen, häufig tödlich? Besondersrechte Einstellungen und Weltbilder beschwören das»Recht des Stärkeren«, sie verherrlichen Gewalt undverknüpfen diese mit einer menschenverachten<strong>den</strong>Wertehierarchie. Diese der rechten Ideologie essenziellinnewohnende Elemente legitimieren Gewalt undführen dazu, dass die Täter bei Opfern, die sie für »unwert«bzw. »unnütz« halten oder als »Volksfeinde« erachten,unbarmherzig handeln. Diese Menschenlebensind ihnen nichts wert. Zur Legitimation der eigenenMacht- und Gewaltbesessenheit wird das Opfer einerimaginären Feindgruppe zugeordnet. Die Konstruktiondes Opfers als »kriminell« oder »unnütz« oder»unwert« wirkt nicht nur gewalteskalierend sonderndient <strong>den</strong> Täter_innen als Legitimation für ihre Brutalität. Oft gebär<strong>den</strong> sie sich dabei als wichtiger Ordnungsfaktor,der die Gesellschaft von »unnützen Elementen«säubert. Traurige Beispiele dafür gibt es viele,u. a. <strong>den</strong> Mord an Gerd Himmelstädt in Hohenselchow(† 1.12.1991). Er wurde von <strong>den</strong> Tätern zuvor zum»Automatenknacker« konstruiert. Hans-Joachim Lommatschaus Oranienburg († 18.12.1992) verlor seinLeben, weil die bei<strong>den</strong> Naziskins ihn kurzerhand zum»Autodieb« erklärten und beim Mord an MarinusSchöberl in Potzlow, († 12.07.2002) führte die Feindkonstruktion»Jude« zum Mordexzess.Den Opfern ein Gesicht zu geben, bedeutet anzuerkennen,dass die Taten einen politischen Gehalt hattenund rechte, rassistische und antisemitische Weltbildereine Rolle spielten. Nur so können auch die Fehler der1990er Jahre endlich aufgearbeitet wer<strong>den</strong> und nurso ist Solidarität mit und Respekt gegenüber <strong>den</strong> Opfernund ihren <strong>Hinter</strong>bliebenen möglich. Die Entpolitisierungund Verharmlosung erlauben erst das Verdrängendes Ausmaßes rechter Gewalt.Nachdem 2012 die Forderung nach Anerkennung derTodesopfer rechter Gewalt immer stärker von Ge<strong>den</strong>kinitiativenund Organisationen erhoben wurde, erklärteBran<strong>den</strong>burgs Innenminister Woidke AnfangNovember 2012, alle fraglichen Fälle überprüfen zuwollen. »Wenn Tötungsverbrechen in unserem Landeinen rechtsextremistischen <strong>Hinter</strong>grund hatten, mussdas die Öffentlichkeit in jedem einzelnen Fall wissen.Das sind wir vor allem <strong>den</strong> Opfern und ihren Angehörigenschuldig«, erklärte Woidke. Die Opferperspektivefordert, um aus <strong>den</strong> Fehlern der Vergangenheit zulernen, die Neubewertung der Fälle von unabhängigenSachverständigen vornehmen zu lassen.


ProblemaufrissNeonazis in <strong>den</strong> ParlamentenRechte Aktivitäten in <strong>den</strong> KreistagenSPD 25,8% (+2,3% zu 2003)DIE LINKE. 24,7% (+3,4%)CDU 19,8% (-8,0)FDP 7,3% (+1,0%)B´90/Grüne 4,6% (+0,4%)NPD 1,8% (+1,3%)BVB/50Plus 1,7% (+1,7%)DVU 1,6% (+0,6%)Bauernverband 1,2 % (+0,8%)25Sonstige 11,0% (+0,5%)Abb. 19: Bei <strong>den</strong> letzten Kommunalwahlen in Bran<strong>den</strong>burg (2008) konnten NPD, DVU und BVB/50Plus insgesamt 5,1% der Stimmengewinnen und zogen mit Kanidat_innen in mehrere Kreistage ein. (NPD, siehe S. 27)Neonazistische Parteien in Kreistagen und Stadtparlamentengehören auch in Bran<strong>den</strong>burg zur Normalität.Dennoch zeigt die Abgeordnetentätigkeit, dass NationaldemokartischePartei Deutschlands (NPD),Deutsche Volksunion (DVU) und andere rechte Splitterparteienunfähig sind zur parlamentarischen Arbeit.Der folgende Beitrag soll anhand von Beispielen exemplarischzeigen, wie die NPD in Bran<strong>den</strong>burger Parlamentenarbeitet.Rückblick: Das Ausschei<strong>den</strong> der DVU aus demLandtagSeit der Landtagswahl 2009 ist die neonazistischeDVU nicht mehr im Potsdamer Landtag vertreten.Damit verschwand die Partei nach zehn Jahren ausder Landespolitik und war seitdem im Niedergang biszur ihrer Fusion mit der NPD. In diesen zehn Jahrenverhielt sich die DVU-Fraktion mehr als passiv undbrachte indes keinen einzigen Antrag ein. Die Neonaziswur<strong>den</strong> von anderen Parlamentarier_innen gemie<strong>den</strong>und waren politisch komplett isoliert. Dassdie DVU auf Landesebene kein Vorbild für aktive un<strong>den</strong>gagierte Parteiarbeit ist, war offensichtlich. Dennochschaffte sie es als einzige neonazistische Organisationgleich zweimal in <strong>den</strong> Bran<strong>den</strong>burger Landtag.Der Grund liegt vermutlich auch im sogenannten„Deutschlandpakt“, <strong>den</strong> sie mit der NPD abgeschlossenhat. Diesen kündigte die NPD noch vor der Wahl 2009auf um selbst antreten zu können. Aber auch die NPD(2,6%) versagte ebenso wie die DVU (1,2%) und kamnicht über die 5%-Hürde. Somit ist keine der damalsetablierten Neonazi-Parteien im Landtag vertreten.Die Achse Mecklenburg-Vorpommern, Bran<strong>den</strong>burg,Sachsen der NPD ist damit vorerst gescheitert.Die DVU versuchte bis zuletzt mit Hilfe von tausen<strong>den</strong>Wahlplakaten und einer Wahlkampftour, unterstütztdurch <strong>den</strong> Hamburger Neonazi Christian Worch und<strong>den</strong> damaligen DVU-Bundesvorsitzen<strong>den</strong> MatthiasFaust wieder in <strong>den</strong> Landtag einzuziehen.Die NPD Bran<strong>den</strong>burg <strong>–</strong> ein VersuchAuch wenn die NPD es nicht in das Landesparlamentgeschafft hat ist sie jedoch seit Jahren in Kreistagenvertreten. Hierbei unterschei<strong>den</strong> sich die Arbeitsweisender einzelnen NPD-Abgeordneten deutlich. Einegeschlossene Strategie der Landes-NPD scheint nichterkennbar. In insgesamt 18 Parlamenten sitzt die NPD.Aktuell fin<strong>den</strong> sich 22 NPDler_innen in der Kommunalpolitik(NPD in Kreistagen, siehe S. 27). Hinzu kommennoch ein dutzend Mandatsträger_innen andererrechter Parteien. Auch wenn die Zahl viel erscheint,


26Problemaufrissso übernehmen die meisten Kader der Partei nichtselten Doppelfunktionen innerhalb der Partei undvernachlässigen häufig ihre eigentlichen Aufgaben fürdie sie gewählt wur<strong>den</strong>. Obwohl im Kreistag sitzend,findet aktive Parlamententsarbeit nicht statt, wie dasBeispiel Uckermark auf S. 27 zeigt. Andererseits gibtes aber gut aufgestellte NPD-Abgeordnete, die dieöffentlichen Gremien als Bühne ihrer Agitation nutzenund sich als Politiker des „kleinen Mannes“ stilisieren(Beispiele Cottbus und Oder-Spree auf dieser Seite).Auf ihren Homepages loben sie ihre eigene Arbeit unddiskreditieren die der etablierten Parteien. Gleichsamheben sie ihren Kontakt zur Bevölkerung hervor. Sogrün<strong>den</strong> sie Bürgerwehren (etwa in Schöneiche) oderdie Kreistagsabgeordneten verteilen persönlich Flyer.Beispiel Oder-Spree <strong>–</strong> Führungselite im KreistagArtikel nennt sie dann aber doch nur eine Truppe vonSympathisant_innen die Schöneiche (bei Berlin) mitPatrouillen sicher halten wollen.Wie engagiert sich die Kamerad_innen um Klaus Beierin Bran<strong>den</strong>burg bemühen zeigt ihr Willen 2014 in <strong>den</strong>Landtag einziehen zu wollen. 2012 startete sie bereitsihren Wahlkampf. Wie Klaus Beier auf einer Demonstrationam 24. März 2012 in Frankfurt (Oder) darstelltesollte dies durch die Aktion „Kleeblatt“ geschehen, dieanschließend in die Aktion „Tausendfüßler“ übergehensoll. Dahinter steckte ein Demonstrationsmarathondurch alle vier kreisfreien Städte (Kleeblatt), diedurch zahlreiche Kundgebungen im Land (Tausendfüßler)ergänzt wer<strong>den</strong> soll. Ihr Hauptthema dabei warimmer das Kommunal- und Landespolitik inkompatibeleMotto „Raus aus dem Euro“. Von Erfolg waren dieAufmärsche allerdings nicht. In Bran<strong>den</strong>burg an derHavel und in Cottbus sorgte antifaschistischer Protestfür starke Behinderungen der NPD-Aufmärsche. InFrankfurt (Oder) undin Potsdam konnten dieNeonazis erst gar nichtloslaufen oder musstenihre Demonstrationenabbrechen. Blocka<strong>den</strong>verhinderten jeglichesDurchkommen.Seit 2003 ist die NPD im Kreistag des LandkreisesOder-Spree vertreten.Derzeit gibt es dreiMandats-träger_innender Neonazi-Partei:KlausBeier aus Storkow,Manuela Kokott ausFürstenwalde undAndreas Kavalir ausWoltersdorf. Damitsind gleich zwei FührungspersonenderLandes-NPD vertreten.Klaus Beier istnicht nur Abgeordneter,sondern auchLandesvorsitzender Abb. 20: Die Kreistagsabgeordnete Maunela Kokott aus Fürstenwalde hilftund war bis zum letztenBundesparteitagauch selber mit auf Aufhängen von NPD-Wahlpropaganda.Bundespressesprecher der NPD. Manuela Kokott istSchatzmeisterin der Bran<strong>den</strong>burger NPD und durchihre zahlreichen Kontakte zu <strong>den</strong> sogenannten „FreienKräften“ auf jeder größeren Neonazi-Demonstrationin Berlin und Bran<strong>den</strong>burg anzutreffen. Andreas Kavalirhingegen fällt als sehr gewaltbereiter Neonazi aufKundgebungen und Demonstrationen auf.Im Kreistag selbst wirken sie zwar recht isoliert, versuchensich aber durch eine große Zahl von Anträgenin Szene zu setzen. Auch wenn sie durch das Fehlendes Fraktionsstatus von <strong>den</strong> wichtigsten Gremien ausgeschlossensind, loben sie sich auf ihrer Homepageals einzig ernst zu nehmende Abgeordnete, die selbstnoch nie eine Sitzung verpasst hätten.Noch wichtiger als die Parlamentsarbeit ist die Arbeitauf der Straße. So wollen sie nicht nur lokale Themenzur Sprache bringen. Auf ihren Wahlkampftouren undihren Flugschriften, wie beispielsweise zur Bürgermeisterwahlin Storkow, werben sie mit der aktuellen„Raus aus dem Euro“-Kampagne der NPD. Ob mitdieser Forderung auf lokaler Ebene Stimmen gewonnenwer<strong>den</strong> können, ist eher zweifelhaft, passt aberzur Strategie der NPD mit globalen Themen Lokalpolitikzu machen. In der Flugschrift des Kreisverbandes„Oderland“ verkündet die NPD die Gründung vonBürgerwehren um Grenzkriminalität zu stoppen. ImBeispiel Cottbus <strong>–</strong> aktiv,aber nicht kreativNeben <strong>den</strong> Landesvorsitzen<strong>den</strong>Klaus Beierzeigt sich Ronny Zasowkaus Cottbus alsbesonders aktiver Kaderin Bran<strong>den</strong>burg. ImNPD-Bundesvorstand,Chef des Amtes Bildung im Parteipräsidium, stellvertretenderNPD-Landesvorsitzender und Parlamentarierin Cottbus zeigt er sich als Multifunktionär seinerPartei. Aber gerade auch auf kommunaler Ebene ist ersehr aktiv. Zwischen Mai bis September 2012 stellte erüber 20 Anfragen im Stadtparlament. Dennoch zeugendiese nicht von besonders hoher Kreativität. Nebenzahlreichen inhaltlichen Fehlern kopiert er auchmal Anträge seiner Partei-Kamerad_innen, ohne dabei„Kreistag“ durch „Stadtverordnetenversammlung“ zuersetzen.Frank Hübner, seit 2008 zweiter NPD-Abgeordneterim Cottbuser Stadtparlament, wirkt durch seineseltene und wortlose Anwesenheit neben dem redefreudigenRonny Zasowk fast schon unauffällig. Dochist auch er kein Unbekannter. Bereits seit <strong>den</strong> 1980erJahren in der Neonazi-Szene aktiv baute er Anfang der1990er Jahre die Deutsche Alternative (DA) im Ostenauf und war dessen Bundesvorsitzender bis zum Verbot1992. Das er bis heute ein überzeugter Neonazi istzeigte er Anfang 2012 im Rathaus. Dort erhob er seinerechte Hand zum „Deutschen Gruß“ als es darum ging,dass Bündnis „Cottbus bekennt Farbe“ gegen einengeplanten Neonazi-Aufmarsch am 15. Februar zu unterstützten.Ronny Zasowk ist nicht weniger aggressiv,benutzt aber lieber seine Stimme als Agitationsmittel.


Da die bei<strong>den</strong> aufgrund einer veränderten Kommunalverfassungvon 2008 auch in Cottbus keine Fraktionbil<strong>den</strong> sind sie von <strong>den</strong> meisten Gremien ausgeschlossen.Den nichtöffentlichen Teilen interessierensie aber ebenso wenig, was auch damit zusammenhängenmag, dass die sie unterstützen<strong>den</strong> Kamera<strong>den</strong>dort <strong>den</strong> Sitzungen nicht beiwohnen können.Die Abgeordneten der anderen Parteien in der Stadtverordnetenversammlungmei<strong>den</strong> die bei<strong>den</strong> Neonazisund die schlagfertige Sitzungsleitung von ReinhardDrogler (SPD) entzieht Ronny Zasowk regelmäßig <strong>den</strong>Bo<strong>den</strong> für seine Selbstdarstellungen. So verschwin<strong>den</strong>die Bei<strong>den</strong> schnell wie sie gekommen waren aus demSitzungssaal.Beispiel Uckermark <strong>–</strong> desolat und nicht arbeitsfähigIn der Uckermark zeigt sich wie die NPD unfähig istkommunale Politik zu machen. Austritt und zahlreicheWechsel sind hier symbolisch für die neonazistischePartei.Ursprünglich sind bei <strong>den</strong> Kommunalwahlen 2008Andy Kucharzewski und Irmgard Hack für die NPDin <strong>den</strong> Kreistag eingezogen. Inzwischen aber hat sichviel geändert: Andy Kucharzewski verließ die Parteiwegen interner Streitigkeiten im Dezember 2009,behielt aber sein Mandat und vertritt auch weiterhindie nationalen Interessen seiner Wähler_innen. So besuchter nachwievor Aufmärsche von NPD und „FreienKräften“ in Bran<strong>den</strong>burg. Irmgard Hack schied aufgrundvon Krankheit im April 2011 aus dem Kreistag aus.Zunächst folgte ihr Stefan Schulz. Am Anfang schienSchulz ein vielversprechender Ersatz für Hack zu sein.es wurde sogar ein Bürgerservice eingerichtet, an <strong>den</strong>Fragen an Schulz per Email gerichtet wer<strong>den</strong> konnten.In <strong>den</strong> Sitzungen des Kreistages hat er sich indes niezu Wort gemeldet. Bereits in der zweiten Jahreshälfte2011 erschien er nicht mehr im Sitzungssaal oder kamnur sporadisch. Die Abgeordneten-Aufwandsentschädigungwurde ihm daraufhin gestrichen. Im Juni 2012wurde Schulz nun durch Sven Barthel ersetzt. Zu <strong>den</strong>einzelnen Sitzungstagen hat er bislang ebenso wenigbeigetragen wie sein Vorgänger. Eine Zusammenarbeitmit Kucharzewski gestaltet sich für ihn allerdingsschwierig. Durch <strong>den</strong> Austritt Kucharzewskis erfolgtedie Auflösung des NPD-Stadtverbandes Schwedt. Barthelforderte ihn damals auf sein Mandat abzugebenund unterstellte ihm Geldgier.Dies sind also beste Voraussetzungen für eine „guteProblemaufrissund erfolgreiche Zusammenarbeit“ im UckermärkerKreistag.NPD auf dem Weg in <strong>den</strong> Landtag? - Prognosen fürdie ZukunftDer Wahlkampf der NPD für die Bundestags- (<strong>2013</strong>)und Landtagswahl (2014) hat begonnen. Klaus Beierkündigte eine flächendeckende Verteilung von Infomaterialund Kundgebungen an. Die Resonanz dürfteaber eher verhalten sein. Bereits jetzt ist prognostizierbar,dass nicht für alle Wahlkreise Kandidat_innenbereit stehen wer<strong>den</strong>. Die wenigen Kader wer<strong>den</strong>wieder einmal Doppelaufgaben übernehmen müssenund in <strong>den</strong> strategisch wichtigsten Gebieten antretenum so <strong>den</strong> Schein einer überall im Land aktiven NPD-Struktur zu illusionieren.Doch die Partei scheint fest entschlossen ihr Ziel erreichenzu wollen. In Zukunft wird der Wahlkampf auchnicht allein durch Bran<strong>den</strong>burger Neonazis geführtwer<strong>den</strong>. Immer öfter bekommen sie dabei Unterstützungvon Berliner Kamerad_innen des „NW-Berlin“und NPD. Ein Zeichen der Stärke soll das sein, da inder Vergangenheit kaum eine Kundgebung oder Demonstrationohne massive Gegenproteste zu rechnenhatte. Überhaupt wirkte sonst die NPD ohne dieseUnterstützung als unbedeutende Kleinstpartei. Auf<strong>den</strong> letzten Demonstrationen in Cottbus (120 Teilnehmende)und Potsdam (80 Teilnehmende) warenteilweise die Hälfte der Anwesen<strong>den</strong> nicht aus Bran<strong>den</strong>burg.Aus manchen märkischen Regionen kam garkeine Unterstützung von NPD-Abgeordneten.Am 23. Februar fand der Landesparteitag der NPDBran<strong>den</strong>burg im “Alten Dorfkrug” in Schönow b. Bernaustatt. Viele Überraschungen gab es nicht. KlausBeier bleibt ohne Gegenkandierende Landesvorsitzender.Seine bei<strong>den</strong> Stellvertreter sind Ronny Zasowkund Thomas Salomon. Neu zum Landesvorstanddazu gekommen ist auch Aileen Rokohl, die inZukunft die Landesgeschäftsführung übernimmt. FlorianStein ist nunmehr auch Landespressesprecherund Michel Müller Landesorganisationsleiter. Zudemwurde beschlossen mit einer Landesliste an <strong>den</strong> Bundestagswahlenteilzunehmen. Die Teilnahme mit zehnBewerber_innen, u. a. mit der neuen Kreisvorsitzen<strong>den</strong>des KV Dahmeland Stella Hähnel, stellt hierbeinur ein Versuch einer wahlfähigen Partei da. Chancenauf einen Einzug in <strong>den</strong> Bundestag hat keine_r.27Abgeordnete in <strong>den</strong> Kreistagen (nur NPD)Landkreis Dahme-Spreewald• Frank Knuffke• Sven Haverlandt• Gerhard MüllerLandkreis Havelland• Dieter Brose• Maik SchneiderLandkreis Oberhavel• Detlef Appel• Axel DreierLandkreis Oder-Spree• Klaus Beier• Manuela Kokott• Andreas KavalirLandkreis Spree-Neiße• Karsten Schulz• Markus NoackLandkreis Teltow-Fläming• Bärbel Redlhammer-RabackLandkreis Uckermark• Sven Barthelkreisfreie Stadt Cottbus• Ronny Zasowk (Stadtverordnetenversammlung)• Frank Hübner (Stadtverordnetenversammlung)


AnalyseDiffamierungantifaschistischer ArbeitZum Konstrukt des politischen Extremismus28Abb. 21: Ab in <strong>den</strong> Müll! Veröffentlichungen des Verfassungsschutzes sind keine geeignete Quelle, wenn es um hintergründigeInfomationen über Neonazis im Land geht. Die Berichte des VS dienen eher der Diffamierung antifaschistischer Gruppen.Wenn Politiker_innen, der Verfassungsschutz oderdeutsche Tageszeitungen unter der Rubrik oder demLabel “Extremismus” gleichermaßen von Neonazisals auch von antifaschistischen Demonstrationen gegenNeonazis sprechen, dann sollte das zurecht Irritationenhervorrufen. Den unzähligen Diskussionenrund um <strong>den</strong> Begriff des “Extremismus”, <strong>den</strong> unzähligenVersuchen begriffliche Alternativen zu entwickelnund nicht zuletzt <strong>den</strong> zahllosen Interventionenaus Wissenschaft und Zivilgesellschaft zum Trotz, istdas Konzept des politischen “Extremismus” ein gerngenutztes Instrument zur Diffamierung zivilgesellschaftlicherund antifaschistischer Arbeit gewor<strong>den</strong>.Denn das sogenannte “Extremismuskonstrukt” istgefährlich. Es verharmlost rechte Gewalt und Ideologie,es diffamiert Akteur_innen die sich dagegen einsetzenund bewegt sich zwischen populistischer Stimmungsmacheund pseudowissenschaftlicher Theorie.Grund genug, dass wir in dieser Publikation auf <strong>den</strong>Begriff „Rechtsextremismus“ verzichten. Denn er verschleiert,dass Ungleichwertigkeitsideologien wie Rassismusoder Antisemitismus nicht isoliert vom Restder Gesellschaft existieren. Dem folgt, laut “Extremismuskonstrukt”,die Gleichsetzung mit einem angeblichen„Extremismus von Links“ und dem neu entworfenen„Ausländerextremismus“. Die größte Bedeutungfindet die Theorie dabei im Sprach- und Aktionsgebrauchstaatlicher Behör<strong>den</strong>. Sie bildet die moralischeExistenzlegitimation für Verfassungsschutzbehör<strong>den</strong>von Bund und Ländern und gehört zum wichtigstenWegweiser im Kampf um die Deutungshoheit vonvermeintlichen „Staatsfeind_innen“. Dennoch ist das“Extremismuskonstrukt” nicht unumstritten, <strong>den</strong>nauch in Bran<strong>den</strong>burg behindert es antifaschistischeund zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Neonazismusimmer wieder und diffamiert diese als „linksextremistisch“.Dem “Extremismuskonstrukt” liegt eine Vorstellungzu Grunde, der zufolge sich das politische Spektruminnerhalb einer Achse gruppiert. Die Achse reicht von„links“, über die „gemäßigte Mitte“ bis nach „rechts“.Nach dieser Darstellung befin<strong>den</strong> sich sogenannteExtrempositionen an <strong>den</strong> äußeren Rändern, die alspolarisierend und äußerst bedrohend empfun<strong>den</strong>wer<strong>den</strong>. Die „Mitte“ hingegen erscheint als breit, harmonischund ausgeglichen. Oft auch als Hufeisen oderU-förmiges Magnet dargestellt, soll dies die Anzieh-


ungskraft des äußeren „linken“ und „rechten“ Randesdemonstrieren. Wissenschaftler wie Uwe Backesund Eckhard Jesse gehören zu <strong>den</strong> größten Verfechterndes “Extremismuskonstrukts”. Jesse definiert<strong>den</strong> Extremismusbegriff als eine „Sammelbezeichnungfür unterschiedliche politische Gesinnungenund Bestrebungen (…), die sich in der Ablehnung desdemokratischen Verfassungsstaates und seiner fundamentalenWerte einig wissen.“ 1 Eine beschränkte undvon der Ungleichwertigkeit von Menschen ausgehendeIdeologie wird mit pluralistischen und humanistischenDenkansätzen linker Bewegungen gleichgesetzt. Einesder wichtigstes Eckpfeiler der Extremismustheorie istdie Gewaltfrage. Danach sind es die Extreme, die durchihre gewalttätigen Aktivitäten Demokratie gefähr<strong>den</strong>.So wird ein Bogen von rechten Mor<strong>den</strong> zu Sachbeschädigungvon Eigentum als politische Aussage oderSelbstschutz gegen neonazistische Gewalt geschlagen.Eine Differenzierung nach Einstellungen und politischenZielen erfolgt demnach nicht. Die Frage derDefinition reduziert sich auf die Macht, bestimmen zukönnen, wer als Ideal stilisiert wird und wer per se alsBedrohung wahrgenommen wer<strong>den</strong> soll. Dadurch sollaber auch jegliche Kritik an dem Ideal im Keim ersticktwer<strong>den</strong>. Eine kritische Position dem Verfassungsstaatund dem Kapitalismus gegenüber wird somit per se als„extremistisch“ angesehen und jegliche Einflussnahmeuntersagt. Dass dies nicht objektiv geschieht, zeigt sichdaran, dass die Differenzierung der Kritiker_innendurch eine Gleichsetzung dieser nicht erwünscht ist.Dem nicht genug, ist es Jesse selbst, der bei nähererBetrachtung seine Glaubwürdigkeit als Verfechter derFreiheitlich Demokratischen Grundordnung (FDGO)verliert. Es ist kein Geheimnis, dass Jesse Kontakte zuProtagonist_innen der “Neuen Rechten” und bekennen<strong>den</strong>Neonazis pflegt. Durch die gemeinsame Buchveröffentlichungmit Rainer Zitelmann zum Thema„Historisierung des Nationalsozialismus“, die engeZusammenarbeit mit Joseph Kneifel, aktives Mitgliedder mittlerweile verbotenen Neonaziorganisation„Hilfsgemeinschaft für Nationale Gefangene“ undseine wiederholten antisemitischen Äußerungen zeigtJesse deutlich seine Nähe zu rechten Kreisen und Ideologien.Trotzdem wird er von Institutionen wie demVerfassungsschutz, der Bundeszentrale für politischeBildung, der CDU in Bund und Land oder der CSU-nahenHanns-Seidel-Stiftung hofiert und finanziert.Neustes Produkt der Extremismustheorie ist die 2010auf <strong>den</strong> Weg gebrachte sogenannte Extremismusklausel.Initiativen, die Fördermittel von Bund und Ländernbeziehen, sollen eine „Demokratieerklärung“ abgebenund sind aufgerufen selbst zu prüfen, ob potenziellePartner_innen verfassungsgemäß arbeiten. Die maßgeblichvon der Bundesfamilienministerin Schröder initiierteRegelung stellt damit vor allem antifaschistischeund zivilgesellschaftliche Arbeit gegen Neonazismusunter Generalverdacht, demokratieablehnend zu seinund ruft zu Bespitzelung auf.Die Umsetzung des “Extremismuskonstrukts” inBran<strong>den</strong>burgDer für das Jahr 2010 veröffentlichte Verfassungsschutzberichtdes Landes Bran<strong>den</strong>burgs führte unterder Rubrik „Linksextremistische Aktivitäten inJugendclubs und Vereinen“ das Beispiel des bran<strong>den</strong>burgischenJugendprojekts „JWP MittenDrin“ auf. Begründetwurde die Erwähnung des Projektes durcheinen auf der Homepage verlinkten Aufruf zu Protestengegen <strong>den</strong> NATO-Gipfel 2009. Doch nicht bloß einAufruf zu Protesten <strong>–</strong> darüber hinaus wurde in einemKommentar auf der Homepage auch noch ein Buch desehemaligen RAF-Mitglieds Inge Viett als „Hammer“angepriesen. Es waren unter anderem diese bei<strong>den</strong>Anhaltspunkte, die <strong>den</strong> Verfassungs-schutz (VS) dazubewegten, das “MittenDrin” in ihrem Bericht als Teileiner “linksextremen Jugendpropaganda-Maschinerie”zu begreifen.Auch wenn sich über Sinn und Unsinn der Bücher vonInge Viett streiten lässt, entschlossen sich die in demProjekt aktiven Personen verständlicher Weise dieöffentliche Diskussion mit dem VS zu suchen <strong>–</strong> jedochvergebens. Weder die öffentliche Skandalisierungder Erwähnung, noch die Aufforderungen sie zu streichen,wur<strong>den</strong> von staatlicher Seite wahrgenommen.In letzter Konsequenz wurde schließlich eine Anzeigeauf Unterlassung gegen <strong>den</strong> VS gestellt <strong>–</strong> und eine erfolgreichewie sich später herausstellen sollte. DasPotsdamer Verwaltungsgericht entschied mit der Bemerkung,der VS arbeite „ten<strong>den</strong>ziös und unzulässig“,dass die entsprechen<strong>den</strong> Passagen aus dem Berichtgestrichen wer<strong>den</strong> müssen.Auch das alternative Potsdamer Projekt „Inwole“war durch Diffamierungen der „ten<strong>den</strong>ziösen undunzulässigen“ Arbeit des bran<strong>den</strong>burgischen Verfassungsschutzesbetroffen. Ähnlich wie bei <strong>den</strong> Vorfällenrund um das Projekt “MittenDrin”, wur<strong>den</strong> demInwole aufgrund eines verlinkten Aufrufes zur Protestengegen die UN-Klimaschutzkonferenz „linksextremistische“Bündnispolitik und Aufrufe zu Gewalt unterstellt.Für <strong>den</strong> VS und verschie<strong>den</strong> Medien schien dieErwähnung des Projektes gerade recht zu kommen.Denn ein Woche später sollte über die Bewilligung hoherFördergelder für das Projekt durch das Familienministeriumentschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.Obwohl die Förderung des Projektes daraufhin füreinige Wochen eingestellt wurde, kam es anders alsbei dem Wohnprojekt “MittenDrin”, nie zu einem Rechtsstreitmit dem Verfassungsschutz. Zahlreichezivilgesellschaftliche Projekte veröffentlichten Solidaritätsbekundungenmit dem “Inwole” und es wurdeder Versuch unternommen, die Ereignisse öffentlichzu thematisieren und klar zu stellen, dass sich zivilgesellschaftlichesEngagement nicht ohne Weitereskriminalisieren lässt. Die Konsequenz jedoch war letztendlicheine Distanzierung des Projektes von demProtest-Aufruf.„Linksextreme Hassmusik“AnalyseEin weiterer Trend der Verfassungsschutzbehör<strong>den</strong>zur Diffamierung antifaschistischen Engagements istdie Konstruktion der „extremistischen Hassmusik“.Dass neonazistische Musik, egal aus welchem Genre,291: Vgl. Backes, U./Jesse, E.: PolitischerExtremismus in derB u n d e s r e p u b l i kDeutschland, 3. Auflage,Bonn 1993- Burkert, E.: Rechtsextremismusund Geschlecht.Politische SelbstverortungweiblicherAuszubil<strong>den</strong>der,Herbolzheim 2006.


30AnalyseGewalt und Hass gegen Anders<strong>den</strong>kende transportiert,ist klar. Nun wird der Versuch gestartet, einenBogen zu einer vermeintlich „linksextremistischenHassmusik“ zu schlagen. Ein aktuelles Beispiel ist dieNennung der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ ausMecklenburg-Vorpommern im letzten Verfassungsschutzbericht.Ihnen wur<strong>den</strong> mehr als zwei Seiten imBericht gewidmet. Zu <strong>den</strong> Ereignissen rund um <strong>den</strong>vom NSU-Trio ermordetenMehmet Turgutaus Rostock verfasstendie Staats-schützer_innengerade mal einehalbe Seite. “Feine SahneFischfilet” hat mittlerweileKlage gegendie Nennung eingereicht.Auch in Bran<strong>den</strong>burgmüssen Bands alsBeispiel „linksextremerHassmusik“ herhalten.Im selben Atemzugder Erwähnung des“JWP MittenDrin e.V.”aus Neuruppin imVerfassungsschutzbericht2010 wurdedie Band „Krachakne“aufgeführt. Ein Jahrspäter wurde die Punk-Band „Bockwurschtbude“aus Frankfurt(Oder) genannt. EinSong, <strong>den</strong> die Band vormittlerweile 17 Jahrenveröffentlichte, musste nun als Beweis herhalten,dass sie, wie auch “Krachakne” und zahlreiche weitereBands aus Bran<strong>den</strong>burg, zu „Gewalt gegen Anders<strong>den</strong>kendeaufrufen“. Mit dieser „Gewalt“-Rhetorik wirdwieder versucht, eine Gleichsetzung von Neonazisund deren Gegner_innen herzustellen. Dabei gibt esunzählige Bands aus allen er<strong>den</strong>klichen Genres, die inihren Texten Gewalt verherrlichen oder dazu aufrufen.Warum wer<strong>den</strong> genau die, die sich antifaschistischpositionieren und sich im Umfeld von alternativenProjekten aufhalten, in Verfassungsschutzberichtenerwähnt? Im Fall von “Krachakne” hat es dazu geführt,dass sich die Band aufgelöst hat. Die Einschüchterungund Diffamierung antifaschistischer Subkultur durch<strong>den</strong> Verfassungsschutz setzt sich jedoch fort.Abb. 22: Vermummte Legofiguren als gewalttätige Linksextremisten?2008 organisierte der Bernauer Jugendtreff DOSTO gemeinsam mit weiterenInitiativen eine antifaschistische Straßenparade. Im Vorfeld wur<strong>den</strong>aus bürgerlichen Kreisen und der Polizei be<strong>den</strong>ken geäußert, es würde zuGewalt und Ausschreitungen mit der Polizei kommen, wenn der „SchwarzeBlock“ aus Berlin und anderen Teilen Bran<strong>den</strong>burgs nach Bernau kommenwürde. Die Vorurteile gegenüber der bunten Parade waren unbegründet.Die Veranstalter_innen machten sich einen Spaß mit bastelten vermummtenLegofiguren aus Pappe. Diese Satire wollte der damals zuständigePolizeichef jedoch nicht verstehen, und nahm ein Foto der Figuren als„Beweis“ für die „linksextremistischen Gewalttäter“, die diese Paradeorganisierten.FazitDem Verfassungsschutzdient das “Extremismuskonstrukt”dazu, Deutungsmachtzu erlangen. ZivilgesellschaftlicheBündnissesollen abgeschrecktwer<strong>den</strong> mitantifa-schistischenInitiativen zusammenzuarbeiten.Vereinenund Projekten, die als„linksextremistisch“diffamiert wer<strong>den</strong>, fälltes dadurch schwereran Fördergelder zukommen.Dieser Entwicklungmuss aktiv entgegengetreten wer<strong>den</strong>. DieDeutungsmacht darfnicht dem Verfassungsschutzüberlassenwer<strong>den</strong>, d.h. das“Extremismuskonstrukt” und die ihm anhängendeExtremismusklausel muss bei jeder Gelegenheit alsein eindimensionales und demokratiefeindliches Konstruktentlarvt wer<strong>den</strong> und gehört abgeschafft. EineKonsequenz daraus wäre, auf die Begrifflichkeiten des„Rechtsextremismus“ und „Linksextremismus“ zu verzichtenund stattdessen von Neonazismus und linkenBewegungen zu sprechen.


AnalyseDie leere Rede von ToleranzFür die Ausgrenzung von Menschenfein<strong>den</strong>31Abb. 23: Tolerante Bürger_innen wollen Migrant_innen nicht zu nahe kommen. Sie sollen lieber “fremd” bleiben.Vielerorts sprießen seit dem „Aufstand der Anständigen“im Jahr 2000 lokale Bündnisse für „Demokratieund Toleranz“ aus dem Bo<strong>den</strong>. In Bran<strong>den</strong>burg gründetesich das „Tolerante Bran<strong>den</strong>burg“, in Potsdamwurde das historische Toleranzedikt erneuert undseit 2008 können sich Initiativen vom Bundesförderprogramm„Toleranz fördern <strong>–</strong> Kompetenz stärken“Gelder für Projekte gegen Rechts, wahlweise auch gegenLinks bezahlen lassen. Selbst der kommerzielleFernsehsender Pro Sieben hat Toleranz als Imagepushererkannt, und in diesem Jahr <strong>den</strong> sogenannten„Tolerance Day“ ausgerufen. Das Wort „Toleranz“ ist inaller Munde <strong>–</strong> (fast) immer mit einer positiven Konnotation.Mit „Toleranz“ mag man sich gerne schmücken<strong>–</strong> wir sind tolerant gegenüber weinen<strong>den</strong> Babys, obdachlosenZeitungsverkäufern oder unfreundlichenCall-Center-Mitarbeiter_innen. Wir sind tolerant, weilwir es uns leisten können. Dabei ist der Begriff der„Toleranz“ mehr als problematisch: Er schreit nichtnur nach platten „Vertragt euch!“, „Seid lieb zu einander!“oder „Lasst doch eure Politik mal Außen vor!“,sondern wird insbesondere dann gefährlich für Leibund Leben, wenn Nazis und Rassist_innen unter demVorwand der Meinungsfreiheit Gehör fin<strong>den</strong>, Räumenutzen und ungestört agieren können <strong>–</strong> und damit alljene verdrängen, die nicht ins Weltbild der Menschenfeindegehören.Leere Toleranz <strong>–</strong> Verschleierung und GefahrFangen wir erstmal mit dem Positiven an: Toleranzkann heißen: eine Anerkennung verschie<strong>den</strong>er Lebensweisen,die Verurteilung von Gewalt und die Befürwortungeines friedlichen Nebeneinanders. Dagegenlässt sich vom Ansatz wenig sagen. Und auch inder Retrospektive haben Errungenschaften, wie dieAnerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften,die Verurteilung von Gewalt in der Ehe, die Aussetzungdes Abtreibungsparagrafen, Abschaffung derTodesstrafen und einige andere, die gesellschaftlichenVerhältnisse verbessert. Teilweise über Jahrhundertewur<strong>den</strong> diese aufrecht erhalten, mit der einfachen Begründung“das ist so und das war schon immer so, unddas müsse man tolerieren”. Es ließe sich sicher einigesmehr aufzählen, was humanistischen und emanzipatorischenBewegungen zu verdanken ist. Das Erkämpfenvon Freiräumen, Gleichberechtigung und Solidaritäthat aber noch einen weiten Weg vor sich. Heute schonvon einer gleichberechtigten Gesellschaft zu sprechen,wäre unangemessen.Es kann nicht die Rede von Toleranz sein, wenn weiterhinMenschen beim Übertritt von Ländergrenzeneingesperrt wer<strong>den</strong> und unter unwürdigen Bedingungenin Lagern hausen müssen, wenn MenschenZugang zu Bildung und Kultur verwehrt wird, weil sie


1: Dieses und imAbsatz folgendeZitate: Marcuse,Herbert (1965): RepressiveToleranz.In: Wolff, Moore,Marcuse: Kritik derreinen Toleranz.Suhrkamp, FrankfurtMain.32Analysevon Sozialhilfe leben, wenn Menschen verstümmeltwer<strong>den</strong>, weil ihr physiologisches Geschlecht nach derGeburt nicht eindeutig war <strong>–</strong> um nur einige Beispielefür menschenunwürdiges Leben zu nennen. Denn hierbesteht die größte Gefahr der Toleranz: Der Begriff derToleranz verschleiert Missstände in der heutigen Gesellschaft!Der Toleranzbegriff ist so weit gefasst, dass alle unterschiedlichenMotivationen und Beweggründe Platzfin<strong>den</strong> können. So nutzen Bürgerbündnisse gegen Rechtsdie Toleranz als Minimalkonsens, weil viele etwasÄhnliches oder auch Verschie<strong>den</strong>es damit verbin<strong>den</strong>.Für die praktische Arbeit kommen sie unter dem Denkmalzusammen, ohne sich darüber im Klaren zu sein,was sie alles tolerieren wollen. Toleranz verkommt zueinem leeren, nichtssagendem Begriff. Nehmen wirein Beispiel: Person X, SPD-Politiker_in in hohem Amt,ruft zu Toleranz auf und meint damit die Stärkung derDemokratie gegenüber <strong>den</strong> Antidemokrat_innen.Toleranz als VermarktungsstrategieMit dem „neuen“ Potsdamer Toleranzedikt will die Stadt ihr Image aufbessern„Bran<strong>den</strong>burg war in <strong>den</strong> Augen der Öffentlichkeit ein kompromittiertes Land.“,heißt es im Potsdamer Toleranzedikt. Angelehnt an das historische Edikt ausdem Jahr 1685, wurde 2008 ein neue Imagekampagne in Potsdam gestartet. Mitdem vom Potsdamer Uniprofessor Kleger initiierten “neuen Toleranzedikt” willdie Stadt für sich werben. Die Rede ist von Respekt, Offenheit und neuen Wegen.Richtigerweise erkennen die Macher_innen die rassistischen und neonazistischenGewalttaten der neunziger Jahre an. Der Bruch stellt für sie die Gründungdes „Toleranten Bran<strong>den</strong>burg“ im Jahr 1998 dar, was <strong>den</strong> Eindruck entstehenlässt, als seien damit schlagartig alle Ausgrenzungen und Gewalttaten passé. Nurin <strong>den</strong> Medien und in anderen Teilen der Bundesrepublik habe man scheinbarnoch nicht erkannt, dass die dunklen Zeiten in Bran<strong>den</strong>burg vorbei seien. Alsobraucht es nur bessere Eigenwerbung.Als Behauptung eines „falschen Frie<strong>den</strong>“ bezeichnete der Ak Antifa Potsdamdieses neue Pamphlet. Rassistische Übergriffe wer<strong>den</strong> ausblendet, große Skandalesollen vermie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> um dem Image der Stadt nicht zu scha<strong>den</strong>. Undwas bereits für das alte, preußische Toleranzedikt galt, gilt auch heute: Es gehtum die Erhaltung des Standortfaktors, also einfaches wirtschaftliches Kalkül.„Sieben Prozent derjenigen, die als Touristen gerne nach Bran<strong>den</strong>burg kommenwür<strong>den</strong>, dem Land fernblieben, weil sie Angst vor Rechtsextremismus und Frem<strong>den</strong>feindlichkeithaben. Das bedeutet jährlich einen Verlust von 42 MillionenEuro.“ Das muss geändert wer<strong>den</strong>, <strong>den</strong>n: Gutes Image = Anreize für Unternehmen= Mehr Arbeitsplätze = Mehr Geld für die Stadt. Friedrich Wilhelm vonBran<strong>den</strong>burg lockte im 17. Jahrhundert die in Frankreich verfolgten Hugenottenmit dem Versprechen auf Glaubensfreiheit und wirtschaftlichen Vorteilen nachBran<strong>den</strong>burg. Das alles nicht aus reiner Menschlichkeit, sondern weil Bran<strong>den</strong>burgdringend Arbeitskräfte benötigte, nachdem das Land während des 30-JährigenKrieges zu viele Männer verlor.Im neuen Toleranzedikt fin<strong>den</strong> sich keine solchen Versprechungen. Vielmehr sollenbisherige Initiativen und Aktivitäten bekannter gemacht wer<strong>den</strong>, da die Stadtja schon seit vielen Jahren Toleranz lebt. Wer also im letzten Teil „Selbstverpflichtung“nun eine Liste von Vorhaben der Stadt Potsdam erwartet, die dem ganzenvorherigem eine Ernsthaftigkeit gibt, wird maßlos enttäuscht. Statt konkretenVerabredungen, handfesten Strategien und Plänen gegen Rassismus und Neonazismus,folgt eine Auflistung diverser Potsdamer Vereine, Unternehmen undInitiativen, wie das Stu<strong>den</strong>tenwerk, Turbine Potsdam, Rewe (ja, der Supermarkt)oder der Potsdamer Marketing Club.Das Edikt stellt damit eine 200seitige Broschüre dar voller leerer Floskeln,die zwar niemandem scha<strong>den</strong>, außer vielleicht <strong>den</strong> vielen Bäumen die dafürabgeholzt wur<strong>den</strong>, aber auch niemandem nützen. Unser Tipp: Broschüre nichtwegschmeißen, sie könnte ganz hilfreich sein im Kampf gegen Nazis: Schreckt siedie „Toleranz“ nicht ab, tun es vielleicht die geballten 200 Seiten auf ihrer Nase.Person Y, Vertreter_in einer katholischen Gemeinderuft ebenfalls zu Toleranz auf, meint damit aber <strong>den</strong>Respekt christlicher Leitkultur durch die Anpassungvon Migrant_innen. Der gleiche Begriff, unterschiedlicheDeutung: Während Person X sich im Kampf gegenNazis aufbauscht, will Person Y ihre rassistischen Ressentimentsgegenüber <strong>den</strong> „nicht-anpassungswilligenAusländern“ zum Ausdruck bringen.Repressive Toleranz - Macht und ÜberlegenheitAlles sehr vage, ein Blick in <strong>den</strong> Du<strong>den</strong> kann helfen imBegriffswirrwarr. Hier heißt Toleranz vor allem Duldsamkeit.Tolerant sein heißt also andere Anschauungen,Einstellungen, andere Sitten, Gewohnheiten u.a.gelten zu lassen. Beide Begrifflichkeiten setzen eineMachtposition und ein Überlegenheitsgefühl voraus,aus der etwas geduldet, ausgehalten oder ertragenwird. Auch wenn sich die Person dabei belästigt odergestört fühlt, gestattet sie es einer anderer Person. Ertragenklappt, solange es eine bestimmte Grenze nichtüberschreitet. Wer so großzügig ist, etwas bzw. jeman<strong>den</strong>zu tolerieren, kann es sich auch anders überlegen.Die Macht liegt in diesem Fall beim Tolerieren<strong>den</strong>. Toleranzzu erfahren heißt also auch, auf das Wohlwollendes Gegenübers bzw. der Gesellschaft angewiesen zusein, damit sind weder Rechte noch Garantien verbun<strong>den</strong>.1965 prägte der Soziologe Herbert Marcuse <strong>den</strong> Begriffder “repressiven Toleranz” 1 . Er kritisiert <strong>den</strong>Toleranzbegriff als die Akzeptanz “aggressive[r] Politik,Aufrüstung, Chauvinismus und Diskriminierungaus rassischen und religiösen Grün<strong>den</strong>”. Toleranz inihrem ursprünglich humanistischen Anspruch istdagegen wieder zum Ziel gewor<strong>den</strong>. Denn was heuteals Toleranz propagiert wird, diene laut Marcuse derUnterdrückung. Die Bedingungen unter <strong>den</strong>en Toleranzherrscht “wer<strong>den</strong> geprägt und bestimmt von derinstitutionalisierten Ungleichheit [...] das heißt vonder Klassenstruktur der Gesellschaft”. Sein Ziel: Einebessere Gesellschaft, in der die „öffentliche und privateWohlfahrt“ für alle gewährleistet wird. Für Marcusebedeutet das, rückschrittliche „intolerante“ Bewegungennicht zu akzeptieren. Deutlich wird der repressiveCharakter der Toleranz, schaut man sich beispielsweisedie Verwendung des Begriffs “Toleranz” in derIntegrationsdebatte in Deutschland an. Hier steht Toleranzi.d.R. für das „Nebeneinander“, nicht aber fürdas „Miteinander“ von verschie<strong>den</strong> Lebensentwürfen.Von “Parallelgesellschaften” und “Mulitkulti” ist dieRede, von Interaktion oder einem gegenseitigen (!)Austausch aber nicht. Nach dem Motto “Wir sind sotolerant, daher kann jede_r hier leben, vorausgesetztallerdings er_sie passt sich der gemeinhin bekannten„deutschen Leitkultur“ an. Vielfalt wird unter demDenkmantel der Toleranz unterdrückt. Toleranz gegenüberMarginalisierten ist leider nichts weiter alsein geschöntes Ausgrenzungs- und Unterdrückungsmuster,dass rassistische und andere Zuschreibungenmanifestiert.


Keine Toleranz <strong>–</strong> Grenzen und WürdeWer kennt ihn nicht <strong>den</strong> Ausspruch „Jeder soll nachseiner Façon selig wer<strong>den</strong>“ - die Macher_innen des“Potsdamer Toleranzedikt” (siehe S. 32), erinnern sichvielleicht noch, dass der Ausspruch durch <strong>den</strong> PreußischenKönig Friedrich II, der Große, mit dem <strong>Hinter</strong>grundder Religionsfreiheit geprägt wurde. Aber kannjede_r nach seiner_ihrer Façon leben, wenn nur genugToleranz geübt wird?Nein. Wer es mit Menschenwürde und Menschenrechtenernst nimmt, dessen Toleranz muss Grenzen haben.Und zwar bei intoleranten Weltanschauungen, die Vielfaltverachten und keine andere Meinung zulassen. Intoleranzverbreitet sich, weil Toleranz gepredigt wird.Wer Toleranz für ein hohes Gut hält, muss rechte, menschenfeindlichePositionen ganz deutlich ausgrenzen!Wenn Nazis auf Grund vermeintlicher Toleranz Gehörfin<strong>den</strong>, ihre rassistischen, antisemitischen, chauvinistischenund sexistischen Äußerungen als Meinungenneben anderen stehen können, dann verdrängen sienicht nur die Demokratie, sondern all jene, die nichtin ihren „weißen-deutschen Volkskörper“ passen. Werin einer freien Gesellschaft leben will, muss <strong>den</strong> rechtenHegemoniebestrebungen entgegenwirken! Worteund Taten zu schützen, die einer humanistischen undfreiheitlichen Gesellschaft entgegenwirken, kann nichtim Sinne eines menschenwürdigen Miteinanders sein.Anfang der 90er Jahre brachte der Autor Wiglaf Drostetreffend zum Ausdruck: “Das Schicksal von Nazis istmir komplett gleichgültig; ob sie hungern, frieren, bettnässen,schlecht träumen usw. geht mich nichts an.Was mich an ihnen interessiert, ist nur eins: dass mansie hindert, das zu tun, was sie eben tun, wenn mansie nicht hindert: die bedrohen und nach Möglichkeitumbringen, die nicht in ihre Zigarettenschachtelweltpassen.” 2Insbesondere wenn es um Nazis und menschenverachtendeEinstellungen geht, darf Toleranz nicht zurVerharmlosung wer<strong>den</strong>. Das passiert dann, wennNeonazis als „dumme Jungs“ abgestempelt wer<strong>den</strong>,die keine Politik machen, sondern nur ein wenig Irrgeleiteteund Verblendete sind und durch sozialpädagogischeMaßnahmen wieder auf <strong>den</strong> richtigen Weggebracht wer<strong>den</strong> könnten. Rassistische Gewalt wirdnicht ernst genommen <strong>–</strong> so wie es immer wieder geschehenist: Man möge sich nur die Orte Mölln, Solingenoder Rostock-Lichtenhagen in Erinnerung rufen.Das Wegschauen und die fehlende Ernsthaftigkeit fin<strong>den</strong>sich auch in Bran<strong>den</strong>burg: Als 2002 der 17-jährigeMarinus Schöberl in Potzlow, einem kleinen Dorfin der Nähe von Prenzlau in der Uckermark, von jungenNazis ermordet wurde, schockierte nicht nur dieBrutalität der Tat, sondern ebenso der gleichgültigeUmgang des Ortes mit dem Verbrechen. Der politische<strong>Hinter</strong>grund der Täter und die rechte Dominanz imOrt wur<strong>den</strong> verharmlost. Und im Dorf wollte niemandetwas gewusst haben und die Angelegenheit am liebstentief vergraben.Es gibt eine einfache, aber zu gleich grausame Wahrheit:Nazis mor<strong>den</strong>! Ihre gefährlichen Einstellungenals Meinung zu tolerieren, heißt ihnen Raum zugeben und die Möglichkeit ihre Dominanz weiterauszubauen. Ihr hierarchisches, autoritäres und inhumanesMenschen- und Gesellschaftsbild ist keine Meinung,die diskutiert und toleriert wer<strong>den</strong> kann. DieLeugnung der Shoa, die Vorstellung einer überlegenenweißen Rasse, die Unterdrückung religiöser und politischerWeltanschauungen, die Ausgrenzung anderersexueller I<strong>den</strong>titäten und Praktiken sind nicht zu diskutieren.Diese Verleumdungen können keine gleichberechtigtenMeinungen sein.Problemfeld Jugendarbeit„Eure Toleranz kotz mich an“„Ich kann das schon verstehn,Er ist halt arbeitslos und ohne PerspektiveGeht er gerne mal auf Schwarze los.Man muss sich kümmern, man muss das akzeptiern,Mit so viel Krise kann man schon einmal <strong>den</strong> Kopf verliernGib ihm etwas, das bleibt, ein bisschen Sicherheit.Nen Jugendclub, in dem er dann auch mal “Heil Hitler”schreit.Muss tolerant sein dann und wann.“aus „Toleranz“ von EgotronicAnalyse„Hauptssache weg von der Straße“, galt vor allem in <strong>den</strong>90er Jahren als Patentrezept gegen rechte Jugendliche<strong>–</strong> was sie brauchen, sei lediglich eine Perspektive, wiees die Berliner Band Egotronic zynisch anmerkt. ImUmgang mit rechten Jugendlichen bedarf es dem Spagatzwischen notwendiger Empathie und sozialtherapeutischer“Glatzenpflege”. Das Konzept, welches ausder akzeptieren<strong>den</strong> Drogenarbeit hervorging, wurdein <strong>den</strong> 90er Jahren auf die Soziale Jugendarbeit mitNeonazis angewendet. Das dabei auftretende Problembeschrieb die Sozialpädagogin Ilona Weber 1999 3 wiefolgt: “Für <strong>den</strong> Sozialarbeiter ist der einzelne, auffälliggewor<strong>den</strong>ene Jugendliche problematisch, nicht dergesellschaftliche Kontext. Durch die fehlende Problematisierungdes gesellschaftlich akzeptierten undgeförderten rassistischen Konsens, leistet die akzeptierendeSozialarbeit rechten Einstellungen in der GesellschaftVorschub“. Leider gibt es auch heute nochEinrichtungen, die organisierten Neonazis Räume geben,wie das Beispiel des Jugendclubs Potsdam Fahrlandzeigt (siehe Kasten zu Fahrland). Diverse positiveBeispiele in Bran<strong>den</strong>burg stehen dem Konzept derakzeptieren<strong>den</strong> Jugendarbeit entgegen. Ihnen gemeinist die bewusste und deut-liche Abgrenzung von rechtenund rassistischen Meinungen und Äußerungen.Keine Toleranz von Nazis, Rassismus und Sozialchauvinsmussind Positionen, die sich über <strong>den</strong> Kreis derradikalen Linken zuneh-mend hinaus gefestigt haben.Jugendarbeiter_innen wer<strong>den</strong> durch Jugendämter unddie sogenannten Lokalen Aktionspläne des Bundesprogramms„Vielfalt tut gut“ dazu angehalten, “Frem<strong>den</strong>feindlichkeitund Rechtsextremismus” durch unterschiedlicheMaßnahmen auszugrenzen, oftmalshandelt es sich dabei um Straßenfeste, Workshopsoder Infoveranstaltungen, die Empowerment für betroffeneund nicht-rechte Gruppen erreichen soll.332: Vgl. Arranca ‘95.3: Zitiert nach DokumentationderKonferenz des Juge n d b ü n d n i s s e s“Aktion Noteingang”,Frankfurt(Oder) 1999.


AnalyseSozialarbeit soll Jugendliche in ihrer Entwicklung zumündigen Subjekten unterstützen <strong>–</strong> rechte Positionen,die durch Autorität, Hierarchie und Unmündigkeitgekennzeichnet sind, sind mit demokratisch-emanzipatorischerJugendarbeit nicht vereinbar. Hier hat Sozialarbeitihre Grenzen.Abschluss: Ausgrenzung von Menschenfeindlichkeitfängt in der Mitte anToleranz als Feigenblatt und Imagepflege wurde zurGrundlage einer “unkritischen Gesellschaft, die Toleranzmit Stillschweigen und das Tolerant-sein zumWegsehen oder “nicht-wissen-wollen” gleichsetzt.”(Marcuse) Damit unterdrückt die Toleranz nicht nurKritik, sondern auch Selbstbestimmung, Autonomieund die freie Entfaltung des Individuums. Es bedarfeines kritischen Verständnisses von Toleranz, als Hinschauen,Eintreten und Erkämpfen einer besserenGesellschaft. Rassistische, sexistische und chauvinistischeÄußerungen müssen als das benannt wer<strong>den</strong>,was sie sind: menschenverachtende Einstellungen.Die menschenfeindlichen Ideologien der Nazis sindgezeichnet von Gewalt und Mor<strong>den</strong> <strong>–</strong> einzelne Fragmentedieser Ideologie sind in allen Teilen der Gesellschaftverbreitet. Es handelt sich nicht, wie gernbehauptet, um ein Randphänomen, wie diverse Studienaufzeigen. Rassistische, antisemitische, sozialchauvinistische,sexistische und nationalistische Einstellungengibt es überall, ob am Arbeitsplatz, in derSchule, der Kirche oder dem Verein. Die Fixierungauf vermeintliche Extreme und damit verbun<strong>den</strong>eEmpörung führt in der Regel zur Abwendung, weil es„nicht mein Problem“ ist. Es bedarf einer langfristigangelegten Auseinandersetzung mit menschenfeindlichenEinstellungen, ausgehend von der Mitte der Gesellschaft.Denn erst wenn die eigenen Ressentimentsund Denkstrukturen in Frage gestellt wer<strong>den</strong>, ist einewirkliche Veränderung möglich.Eine gesamtgesellschaftliche Intervention, in derMitte der Gesellschaft anstatt der Reduzierung auf die„Ränder“ ist notwendig und keine Toleranz in Formrassistischer Zuschreibungen und institutionalisierterFormen von Diskriminierung. Es bedarf Solidaritätmit <strong>den</strong> Opfern neonazistischer Gewalt und die konsequenteAusgrenzung neonazistischer Einstellungen,Aktivitäten und Personen.34Akzeptierende Jugendarbeit mit Nazis in Potsdam-FahrlandDie „Alternative Jugend Potsdam“ (AJP), eine aktionistisch orientierte Neonazi-Kameradschaft aus dem nördlichen Teil Potsdams, und ihreneonazistischen Vorgängerstrukturen haben sich im Jugendclub „Treffpunkt Fahrland“ getroffen. Sie konnten sich dort ungestört aufhalten undihre Freizeit verbringen. Andere nicht-rechte Jugendliche wur<strong>den</strong> so schnell vergrault. Zum Problem wurde dies anscheinend erst, als 2006antifaschistische Strukturen aus Potsdam und danach die lokale Presse auf die Vorkommnisse aufmerksam machten. Eine Diskussion über <strong>den</strong>Umgang mit Neonazis und sogenannter „Akzeptierender Jugendarbeit“ entbrannte. Das Konzept der „Akzeptieren<strong>den</strong> Jugendarbeit“ stammtaus <strong>den</strong> 1990er Jahren, wurde jedoch sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis um die 2000er Jahre verworfen. Im Kern des Konzeptsstan<strong>den</strong> niedrigschwellige sozialpädagogische Angebote, die die jungen Rechten von Gewalttaten und anderen Straftaten abhalten sollten.Schlechte Soziale Bedingungen, negative Erfahrungen in der Familie etc. dienten als Erklärung für das Verhalten der „fehlgeleiteten“ Jugendlichen.Das Konzept scheiterte spätestens, als die zuständigen Stellen erkannten, dass Neonazis und rechtes Gedankengut nicht (nur) durchSozialarbeit zu bekämpfen sind. Die Arbeit mit ideologisch gefestigten Neonazis führte in der Regel eher zu einer Stärkung ihrer Strukturen. Eswur<strong>den</strong> Treffpunkte, Freizeitangebote und Möglichkeiten zum Austausch geboten. Sozialarbeiter_innen fühlten sich überfordert oder empfan<strong>den</strong>zu viel Verständnis für die Jugendlichen.So war es auch im Potsdamer Stadtteil Fahrland: Über Jahre war der „Treffpunkt Fahrland“ im Nor<strong>den</strong> der Stadt Rückzugsraum für Neonazis.Die selben neonazistischen Jugendlichen organisierten sich jahrelang in verschie<strong>den</strong>en Strukturen. Beim jährlichen Osterfeuer 2006 stürmtenMitglieder der lokalen Neonaziszene das Festzelt, eine Nebelhandgranate wurde gezündet und dabei Nazi-Parolen skandierte, schreibt die PNN2006. Auch selbst beschreibt die AJP später ihren Besuch im Vernichtungslager Auschwitz und zeigt dort auf einem Transparent ihre Solidaritätmit dem mehrfach verurteilten Holocaustleugner Horst Mahler. Neben diversen Propagandaaktionen gehen auch regelmäßige Ge<strong>den</strong>kaktionenfür <strong>den</strong> Hitlerstellvertreter Rudolf Heß auf das Konto der AJP. Nicht nur die Inhalte des AJP waren klassische Nazithemen, auch imJugendclub „Treffpunkt“ war ihr Aussehen noch klassisch: Auf Bildern von Freizeitfahrten des Jugendclubs an der Wand seien vornehmlichblonde Mädchen und Jungs mit kurz geschorenen Haaren mit Bomberjacken und Springerstiefeln zu sehen, berichtete die MAZ; ebenso sindBesucher_innen des Jugendclubs oft mit Kleidung mit neoazistischen Aufschriften zu sehen gewesen. Die „Alternative Jugend Potsdam“ wareine Gruppierung, deren Ideologie von einem „nationalen Sozialismus“ die „unnatürliche Lebensformen wie Demokratie und Kommunismus“und die Bundesrepublik Deutschland als „provisorischen Staat“ ablehnt. Sie verstan<strong>den</strong> sich selbst als „Partei ungebun<strong>den</strong>e Aktionsgruppe, diein <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Bereichen des Nationalen Widerstand aktiv ist“. Benjamin Oestreich, einer der wichtigsten Aktiven der lokalen neonazistischenSzene, konnte über Jahre ungestört im Jugendclub andere neonazistische Jugendliche um sich scharen. Auch sonst konnte er inFahrland mit wenig Gegenwehr durch die Bevölkerung rechnen. Regelmäßig waren Stromkästen, Bushaltestellen und Hauswände mit neonazistischenParolen und Schablonen besprüht. Entfernt wur<strong>den</strong> diese Schmierereien allerdings nicht durch Bewohner_innen aus Fahrland. DerLeiter des Jugendclubs Thomas Liebe war auf einer Sitzung des „Lokalen Aktionsplan gegen Gewalt und Rechtsextremismus“ der Meinung,dass es in Fahrland „mehr Probleme mit Linken als mit Rechten“ gäbe.


RegionalesPlattenbau Neonazis inPreußisch DisneylandPotsdam35Abb. 24: Am 15. September 2012 verlassen Bran<strong>den</strong>burger und Berliner Neonazis frustiert <strong>den</strong> Bahnhofsvorplatz in Potsdam, nachdemtausende Gegendemontrierende ihren NPD-Aufmarsch verhindert hatten. In der Mitte zu sehen: Uwe Meenen (NPD-Berlin).Die Landeshauptstadt Bran<strong>den</strong>burgs schmückt sichmit dem Selbstbild der toleranten Stadt und beruftsich dabei häufig auf das Potsdamer Toleranzedikt von1685 (siehe S. 32). Eine Image-Kampagne versuchtdiesen Erlass immer wieder zu betonen. Einher gehtdies mit einer Glorifizierung des Preußentums auf allenEbenen. Die „Langen Kerls“ (Fritz’ Lieblings Männerbund)wer<strong>den</strong> wieder zum Leben erweckt, um strammzu stehen und der Landtag wartet gespannt auf seineneue Resi<strong>den</strong>z in Potsdams Mitte <strong>–</strong> dem Stadtschloss.Der positive Rückbezug auf die eigene Geschichte stehthier im Vordergrund und soll der Stadt eine I<strong>den</strong>titätverleihen, die Toleranz hervorhebt und sich dabei aufdie traditionellen (preußischen) Wurzeln bezieht.Während im Stadtzentrum Friedrich des Großen liebsterMännerbund für die preußischen Tugen<strong>den</strong> gefeiertwird und das „Friedrich-Jahr“ ein unkritischesGeschichtsverständnis vermittelt, ge<strong>den</strong>ken PotsdamerNeonazis an Friedrichs’ Grab. Statt wie die langenKerls im Krongut Bornstedt, marschieren die „FreieKräfte Potsdam“ hauptsächlich nachts durch das PlattenbaugebietWaldstadt. Im Fackelschein skandierensie wiederholt fast unbehelligt faschistische Parolen.Auf ihrer Informationsplattform, dem „InfoportalPotsdam“, propagieren die „Freie Kräfte Potsdam“(FKP) offen <strong>den</strong> Nationalsozialismus. Aktionsberichteund Texte beispielsweise über die sogenannten„Blutzeugen von München“ jährlich am 9. Novemberoder <strong>den</strong> drohen<strong>den</strong> „Volkstod“ verdeutlichen ihr geschlossenes,menschenverachtendes Weltbild.Aktive neonazistische Strukturen in Potsdam dervergangenen JahrenNPD - Analyse des Untergangs 2010-2011Neben der parteiungebun<strong>den</strong>en Struktur der FKP fin<strong>den</strong>sich in der Landeshauptstadt auch parteigebun<strong>den</strong>eNeonazi-Strukturen. Anfang 2010 gründete sich offiziellder NPD-Stadtverband Potsdam. Gründungsmitgliederwaren u.a. Marcel Guse und Daniel Hintze,der Schlagzeuger der Band Preussenstolz. Die erstenNPD „Stammtische“ folgten unmittelbar und dientenzur Vernetzung der örtlichen Neonazi-strukturen. Zielwar die „Zusammenführung der vielen zerstreuten nationalenKräfte“ in Potsdam. Neonazis aus dem gesa-


36Regionalesmten Bundesgebiet wur<strong>den</strong> hierzu eingela<strong>den</strong> um zureferieren. Dazu gehörten Ralph Teget-hoff (ehemals“Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei”), MaikHampel (ehemals “Nationalistische Front”) und derJN bzw. “Spreelichter”Kader Sebastian Richter.In regelmäßigenAbstän<strong>den</strong> wurde sichin Gaststätten in undum Potsdam getroffen.Zu Stammtischen undKreis- bzw. Stadtverbandstreffennutztensie Anfang 2010 u.a. dieGaststätten „Die Else“in Potsdam-Bornstedt,die Dart-Kneipe „Wiesenbaude“in der TeltowerVorstadt und Anfang2011 das SeddinerHotel „Jägerhof“.Im „Jägerhof“ trafensich am 24.02.2012erneut die „Junge Nationaldemokraten”Potsdam (JN), welche eng mit derGruppierung der “Freie Kräfte Potsdam” verbun<strong>den</strong>sind und erhebliche Personenüberschnei-dungen mitihnen aufweisen.Dennoch ist hervorzuheben, dass der Potsdamer NPDVerband seit der Gründung keinen nennenswertenEinfluss auf das Potsdamer Stadtbild hat. Zu <strong>den</strong> wenigenPublikationen gehörte die Zeitung „PotsdamerFackel“. Marcel Guse, als Protagonist der PotsdamerNPD, versuchte lokalpolitische Themen aufzugreifenund für die menschenfeindliche Propaganda der NPDaufzuarbeiten. Nach einer Reihe von Brandstiftungenan Fahrzeugen im Stadtteil Fahrland, bei <strong>den</strong>en einpolitischer <strong>Hinter</strong>grund vollständig ausgeschlossenwurde, versuchte Guse beispielsweise die linke Szeneder Stadt dafür verantwortlich zu machen. Guse hetzteweiterhin gegen das verlegte Asylsuchen<strong>den</strong>heimund ließ sich mehrfach als bürgernahen Flyerverteilerauf der NPD-Homepage inszenieren. In seinen Textentrat er offen nationalsozialistisch auf, was später einGrund zur Trennung des Landesverbandes von Gusedarstellte.Zuletzt trat die NPD am 15. September 2012 in Erscheinung.Angemeldet war eine Demonstration durch <strong>den</strong>Vorsitzen<strong>den</strong> Michel Müller des NPD-KreisverbandesHavel/Nuthe. Nur wenige bekannte Potsdamer Neonazisließen sich auf der Veranstaltung blicken, wasfür ein gesunkenes Vertrauen zur Partei innerhalb derSzene spricht. Auch waren Potsdamer Neonazis nichterkennbar an der Organisation der Demonstrationbeteiligt. An diesem Tag zeigte sich erneut, dass derPotsdamer NPD Stadtverband seit dem Austritt vonMarcel Guse im Herbst 2011 inaktiv und auf Unterstützungvon außen angewiesen ist. Unter <strong>den</strong> 81 angereistenNeonazis war der Großteil aus noch aktivenNPD-Verbän<strong>den</strong> in Bran<strong>den</strong>burg und Berlin angereist.Sie konnten <strong>den</strong> Auftaktort jedoch nicht verlassen, daVersammlungen rund um <strong>den</strong> Hauptbahnhof die Routeblockierten und die Polizei sich gegen eine Räumungdieser entschied.Exkurs: Marcel GuseAbb. 25: Der ehemalige Stattverordnete Marcel Guse als Landwirt inWittbrietzen. (Quelle: linksunten.indymedia.org)Um <strong>den</strong> Auf- und Abstiegder NPD in Potsdamzu verstehen,lohnt es sich MarcelGuses Werdegang zubeleuchten. Seine politischeLaufbahn begannder Niedersachsebei der Bran<strong>den</strong>burgerDVU. So beteiligte ersich spätestens seit demJahr 2008 an verschie<strong>den</strong>enDVU-Stän<strong>den</strong> inTeltow-Fläming. An derSeite des ehemaligenDVU-StadtverordnetenGünther Schwemmersammelte er z.B. Unterschriftengegen eingeplantes Asylsuchen<strong>den</strong>heim im Potsdamer StadtteilSchlaatz und organisierte die monatlich stattfin<strong>den</strong><strong>den</strong>Stamm-tische der DVU. Aus dem gleichen Anlassbesuchte er mit Maik Eminger am 16. Februar 2009im Bürgerhaus am Schlaatz eine Bürger_innenversammlungzum geplanten Umzug. Dort versuchte er sich indie Diskussion einzubringen.Außerdem waren die Potsdamer JN-Mitglieder, beziehungsweiseMitglieder der “Freie Kräfte Potsdam”Carsten S., Thomas P. und Mirko K. anwesend, diesemeldeten sich jedoch nicht zu Wort.Im Mai 2009 rückte Marcel Guse als Abgeordneterder DVU ins Stadtparlament nach, da sein VorgängerGünther Schwemmer bei einem Autounfall ums Lebenkam.Im Juli 2009 war er an der Gründung der DVU-Gruppe„Junge Rechte“ beteiligt. Er radikalisierte sich zunehmendund mauserte sich rasch vom Ordner zum Rednerauf DVU-Veranstaltungen. So sprach er beispielsweise2009 neben Liane Hesselbarth auf einer DVUVeranstaltung.Nach <strong>den</strong> schlechten Ergebnissen der DVU bei <strong>den</strong>Landtagswahlen 2009 verkündete er seinen Austrittund wechselte zur NPD. In seiner Erklärung heißt es:„Das ist geschehen, weil die NPD für Rechtsextremedie besseren Möglichkeiten bietet, Politik zu machen.”Außerdem sagte er gegenüber der taz: “Die NPD ist dieZukunft, die DVU nur noch ein zweite CSU.” (Fehler imOriginal)Ende des selben Jahres zeigte er sich erstmals zusammenmit Potsdamer Neonazis auf einer Demonstration.Er knüpfte intensivere Kontakte zu bestehen<strong>den</strong>Gruppierungen und band diese dann 2010 und 2011vermehrt in eigene Aktionen ein.Nicht nur in Potsdam wurde er zunehmend aktiver.Am 1. Mai 2010 trat er in Berlin auf der Demonstrationals Ordner auf und beteiligte sich aktiv an Auseinandersetzungenmit Journalist_innen und der Polizei.Erneut gewaltbereit zeigte er sich auf einer Demon-


stration in Neuruppin im März 2010. Doch auf <strong>den</strong>„Straßenkampf“ beschränkte er sich nicht. Er war seitje her aktiv im Internet auf verschie<strong>den</strong>sten Neonazi-Plattformen (Altermedia, DeutschlandEcho etc.) undveröffentlichte Kommentare, sowie längere hochgradigneonazistischen Texte. Diese wur<strong>den</strong> irgendwannselbst der NPD-Havel/Nuthe zu offen neonazistisch, sodass diese Zitate z.T. wieder von ihrer Webseite entfernte.2010 fordert er z.B. die Revidierung der Oder-Neiße-Grenze mit recht drastischen Worten. Ihm sei esegal, ob „ein polnischer Präsi<strong>den</strong>t (…) samt Gefolge insGras beißt“, da ihn nur die Frage interessiere, „wannkehrt die Heimat meiner Vorfahren wieder heim insReich“.Guse war wichtigstes Bindeglied zwischen <strong>den</strong> „FreienKräften Potsdam“ und NPD-Parteistrukturen. Durchseine Funktion als Stadtverordneter konnte er 2010die Route der „wake up“-Antifademo erfragen. Daraufhinwurde vor Beginn der Demo entlang der Routewiederholt der Spruch „Summer of hate reloaded“gesprüht, welcher Bezug auf mehrere z.T. lebensgefährlicheÜbergriffeauf vermeintlich Linkeim Jahr 2005 nimmt.Insgesamt wur<strong>den</strong> entlangder Demonstrationsstreckehunderteneonazistische Stickerverklebt und dutzendeSchmierereien angebracht.Letztendlich mündeteseine Radikalisierungmit dem Austritt ausdem NPD-Ortsverband,um einem Rausschmisszuvorzukommen.Grund dafür warenseine Aussagen undStandpunkte, die offenrassistisch, antisemitischund <strong>den</strong> Nationalsozialismusverherrlichend waren, wodurch ernicht nur Freund_innen innerhalb der Bran<strong>den</strong>burgerNPD hatte, da diese sich Sorgen um Ak-zeptanz machenmusste. Vor allem Konflikte mit dem Landesvorstandwaren ausschlaggebend, wie interne NPD-Mailszeigten, die veröffentlicht wur<strong>den</strong>. Offiziell führte erdas Amt des Stadtverordneten parteilos fort, jedocherschien er immer seltener zu <strong>den</strong> jeweiligen Sitzungen.Nach seinem Austritt aus der NPD beteiligte er sichals Redner an der „werde unsterblich-Kampagne“ der„Freie Kräfte Potsdam“ am 15. Juli 2011 in Babelsbergund 17. Juni 2011 Waldstadt. Dort verteilten diesePapierschnipsel um vor einem angeblich nahen<strong>den</strong>„Volkstod“ zu warnen.Ende 2011 zog er sich letztendlich auf einen Bauernhofin Wittbrietzen (Bran<strong>den</strong>burg) zurück. Kurz darauftauchten Daten seines Handys im Internet auf, welcheaufzeigten, dass er bundesweit persönliche Kontaktezu Neonazikadern wie Udo Voigt, Christian Worch,Jörg Hähnel, Thomas Salomon und zahlreichenAbb. 26: Marcel Guse (2.vl), Mirko K., Benjamin Oestreich und MaikEminger (Megafon) am 8. Mai 2010 in Bran<strong>den</strong>burg(Havel).(Quelle: Antifa Westhavelland)RegionalesBran<strong>den</strong>burger und Potsdamer Neonazis pflegte. Dieselbe Quelle bestätigte, dass er in der KampfsportschuleChiron in Babelsberg trainierte.Seit seinem Wegzug, zeigt er sich kaum in der Öffentlichkeit.Zuletzt am 15. Januar 2012 auf der MagdeburgerNeonazidemo zusammen mit anderen PotsdamerNeonazis wie z.B. Thomas P. („Freie Kräfte Potsdam“und „Infoportal Potsdam“) und Gabor G. Letzterer istverantwortlich für Aufnahmen von Teilnehmen<strong>den</strong>eines „<strong>Antifaschistisches</strong> Spaziergangs“ des PotsdamerBündnisses „Potsdam bekennt Farbe“ im Dezember2011. Die Fotos wur<strong>den</strong> kurz darauf auf der Websiteder „Freien Kräfte Potsdam“ veröffentlicht.Trotz des Rückzuges steht Guse anscheinend weiterhinin Kontakt mit Potsdamer Neonazis und es istnicht auszuschließen, dass er weiterhin Einfluss aufeben diese Strukturen hat. Vermutlich fehlen finanzielleMittel, die früher durch die Parteimitgliedschaftbe-schafft wer<strong>den</strong> konnten und der Rückhalt in derNPD. Noch 2009 schwenkte er stolz die Deutschlandfahneund bereits 2011 musste er wegen zu offen rassistischenPositionen die NPD verlassen. Dieser Prozesswird nicht das Endeseines Werdegangesgewesen sein.JN Potsdam - InfoportalPotsdam - FreieKräfte PotsdamMaik Eminger (Zwillingsbruderdes mutmaßlichenNSU-UnterstützersAndréEminger und seit JahrenNeonazi-Kader) istLeiter des Stützpunktesder “Jungen Nationaldemokraten(JN)Potsdam”. Nach außenhin, in dieser Funktionerkennbar, trat erin dieser Position jedochnie öffentlich in Erscheinung. Maik Eminger warbereits im (mittlerweile verbotenen) „SchutzbundDeutschland“ aktiv und stand 2007 wegen rassistischerBeleidigung gegen <strong>den</strong> Fußballspieler Gerald Asamoahvor Gericht.Zur Gerichtsverhandlung meldeten Potsdamer Neonaziseine Kundgebung vor dem Landgericht Neuruppinan und traten so erstmals öffentlich mit Maik Emingerin Verbindung. Die Potsdamer Neonazis SebastianG., Mirko K., Tom S., Tino W. und Jens Z., sowie dieLeipziger Istvan Repaczki und Thommy Naumannzeigten auf einem Transparent ihre Solidarität mitEminger. Thommy Naumann, verantwortlich für dieWebseite „Freies Netz Leipzig“, veröffentlichte späteru.a. einen Bericht über die Gründung des JN-Stützpunktes.Im Jahr 2008 stand der oben genannte Sebastian G.zusammen mit Maik Eminger vor Gericht, da ihnenvorgeworfen wurde, gemeinsam in Potsdam-West Rudolf-HeßPlakate verklebt zu haben.Im November 2011 wurde Maik Emingers Grundstück37


38Regionalesin Grabow (Bran<strong>den</strong>burg) durch die Polizei durchsucht.André Eminger hielt sich auf dem Grundstückseines Zwillingsbruders versteckt und wurde wegenKontakten zum NSU und Unterstützung einer terroristischenVereinigung festgenommen. Bereits in <strong>den</strong> Jahrenzuvor waren sie gemeinsam politisch in Sachsenund Bran<strong>den</strong>burg aktiv und unterstützten sich stetsgegenseitig.Seit 2008 ist der Blog „Infoportal Potsdam“ online undveröffentlicht seitdem „Aktionsberichte“ und neonazistischeTexte. Dort wurde auch über die Gründung derJN Potsdam berichtet. Bis Ende 2009 war die Email-Adresse der JN Potsdam als Kontaktadresse vermerkt.Thomas P. gilt als Hauptakteur und Autor vieler Texte.Das „Infoportal Potsdam“ ist mittlerweile das Sprachrohrder „Freie Kräfte Potsdam“ (FKP).In oft antisemitischen Texten und Aktionen wird durchdie sogenannte „Volkstodkampagne“ immer wieder auf<strong>den</strong> angeblich kommen<strong>den</strong> „Volkstod“ eingegangen.Zentrale Aussage und Parole ist hier „Die Demokratenbringen uns <strong>den</strong> Volkstod“. Seit Anfang 2009 wur<strong>den</strong>Inhalte und Auftretender Spreelichter kopiertund eine Zusammenarbeitfokussiert. Sogehören zunehmendweiße Masken undFackeln zum Repertoireder Potsdamer Neonazis.In sogenannten„Aktionsberichten“wird über die Durchführungund z.T. Nachbereitungvon Aktionengeschrieben. Dazugehört das Werfen vonAbb. 27: “Preussenstolz - R.A.C. aus Potsdam”. (Quelle. youtube.com)Papierschnipseln mitParolen, das Sprühenvon NS verherrlichen<strong>den</strong>Graffiti, das Anbringenvon Transparenten in Einkaufszentren oderdas Verteilen von Propaganda in Form von Flyern oderVisitenkarten.Ende 2010 wurde u.a. über ein „Hel<strong>den</strong>ge<strong>den</strong>ken“ ineinem Waldstück geschrieben. Davon und auch vonanderen Aktionen wer<strong>den</strong> dann gelegentlich AudiooderVideomitschnitte online gestellt, in <strong>den</strong>en sichdas jeweilige pathetische Spektakel angeschaut, beziehungsweiseangehört wer<strong>den</strong> kann. Dabei sind dann jenach Anlass zwischen 20 und 80 Neonazis anwesend.Am 9. November 2011 marschierten ca. 50 Neonazismit Fackeln nachts durch Potsdam-Waldstadtund skandierten rassistische Parolen. Im Nachhineinbrüsteten sie sich auf der Webseite damit, dass sie<strong>den</strong> Polizeifunk abgehört hätten und so Festnahmenentgehen konnten. Diese Aktion war ein qualitativerSprung im Auftreten Potsdamer Neonazis im Vergleichzu <strong>den</strong> weniger aktionistischen Propagandaaktionenin <strong>den</strong> Jahren zuvor.Als Reaktion rief das städtische Bündnis „Potsdambekennt Farbe“ zu einem Stadtteilspaziergang auf.Teilnehmer_innen wur<strong>den</strong> aus Privatwohnungen fotografiertund diese Fotos später auf der Webseite „InfoportalPotsdam“ veröffentlicht. Zweck ist offenbardie Abschreckung und Einschüchterung antifaschistischgesinnter Menschen.Dieses Vorgehen ist nicht neu in Potsdam und Umgebung.Im Jahr 2009 wur<strong>den</strong> auf der Internetseite “Redwatch”Namen und Fotos von mindestens 57 Personenveröffentlicht um diese als “local” Antifaschist_innenzu “outen”. Im Jahr 2004 versuchte eine Vorgängerstrukturder “FKP”, die “Anti-Antifa Potsdam” (AAP),vermeintliche Potsdamer Antifaschist_innen und linkeLokalitäten zu “outen”. Maßgeblich daran beteiligt warendie Potsdamer Neonazis Melanie Witassek, OliverKalies und der Berliner Neonazi Danny Leszinski.Direkt verantwortlich für die Aufnahmen der Teilnehmer_innendes Waldstadtspaziergangs ist derPotsdamer Neonazi Gabor G., der einen Teil der Fotosdirekt von seiner Wohnung aus angefertigt hat.Er wohnte zuvor in Potsdam-West und bezog dannzusammen mit Patrick D. dem Sänger der RechtsRockBand “Preussenstolz” eine Wohngemeinschaft in PotsdamWaldstadt. Für Aufsehen sorgte 2008 ein Bild aufdem Gabor G., sowie drei weitere Personen vermummtund mit Waffen posierendzu sehen sind. GaborG. selbst macht aufdiesem Bild <strong>den</strong> “Hitlergruß”.am 20. September 2012.Ein weiterer Fackelmarschereignete sicham 3. Februar 2012. Anwohner_innenmeldetender Polizei ca. 20Personen mit weißenMasken und Fackeln.Laut Polizei wurde beiTeilnehmer_innen einsogenannter verbotener„Totschläger“ sichergestellt. Das Spektakelwiederholte sich erneutNeben Antisemitismus darf für die Neonazis der„Freien Kräfte Potsdam“ ein bisschen Potsdamer Lokalpatriotismusnicht fehlen. So würdigte das „Infoportal“2011 Friedrich <strong>den</strong> Großen zu dessen Geburtstagmit einem Beitrag inkl. Bildern. Diese zeigten Kartoffelnauf dem Grabstein Friedrich des Großen in Formdes „Infoportal“-Logos. Hier wer<strong>den</strong> die Anknüpfungspunktezur städtischen Inszenierung deutlich, grenzensich aber durch eine klare antidemokratische Haltungwiederum davon ab.Alljährliche Ereignisse, über die selbst bzw. die damitverbun<strong>den</strong>en „Aktionen“ berichtet wer<strong>den</strong>, sind dieBombardierung Dres<strong>den</strong>s, der sogenannte „Tag vonPotsdam“ (Jahrestag der Bombardierung Potsdamsim April), der 9. November, der sogenannte Volkstrauertagund der Todestag von Rudolf Heß. 2012 wur<strong>den</strong>z.B. Straßennamenschilder mit der Aufschrift „Rudolf-Hess-Straße“ überbeklebt.In <strong>den</strong> Jahren 2010 und 2011 hatten die „FKP“ ihre


Hochzeit in Bezug auf die Anzahl der Propagandaaktionen.In dieser Zeit nahmen sie immer wieder mitdem Slogan „summer of hate reloaded“ auf <strong>den</strong> Sommer2005 Bezug. Vor zwei Jahren existierte zudemnoch die Webseite der neonazistischen „AlternativenJugend Potsdam“, welche zum festen Bestandteil derPotsdamer Neonaziszene gehörte. Seit Ende 2011 istdiese Seite unangekündigt eingestellt wor<strong>den</strong>. Aufdieser Webseite wurde ebenso über „Aktionen“ undz.T. gemeinsame Ausflüge mit <strong>den</strong> „Freie Kräfte Potsdam“berichtet. Seit dem Verschwin<strong>den</strong> der Seite, istder Name der Gruppe nicht mehr in Erscheinung getreten.Die Mitglieder der „Alternativen Jugend Potsdam“sind weiterhin in Potsdam aktiv.Die „Sektion Potsdam“Ein weiteres neonazistisches Label aus Potsdam istdas der „Sektion Potsdam“, welches hauptsächlich alsloses Aktionslabel zu verstehen ist.Bereits im Jahr 2009 tauchte das Label “Sektion Potsdam”auf. Damals verklebten Potsdamer Neonazis ihreVernichtungsphantasiengegenüber Antifaschist_innenmittelsselbstgedruckterAufkleber in der PotsdamerInnenstadt unddem Stadtteil Waldstadtan Laternen, Schilderund Haltestellen. DieAufkleber zeigten eineMaschinenpistole unddie Aufschrift “antifahunter”, unterschriebenmit dem Label“sektion potsdam”.Am 25. März 2012 fandeine antifaschistischeDemonstration inPotsdam-Grube, demWohnort des La<strong>den</strong>vermietersdes Geschäftes “Tønsberg” in Weißensee,statt. Aus diesem Grund ließen es sich einige Neonazisnicht nehmen, am besagten Tag ebenfalls nachGrube zu fahren, um dort eine Gegenkundgebung durchzuführen.Die Versammlung der Neonazis, die alsEilversammlung und unter dem Motto “Gegen linkeGewalt” angemeldet wurde, setzte sich zusammen ausca. 30 Neonazis, die zum großen Teil der PotsdamerNeonaziszene zuzuordnen sind. Wie einem von ihnenmitgeführten Transparent zu entnehmen war, tratensie gemeinsam unter dem Label “Sektion Potsdam”auf. Die Parole auf dem Transparent lautete “aufmuckengegen links” und rief zum “aufdecken & zerstören”von “antifaschistische[n] Strukturen” auf.Mit dabei waren die bei<strong>den</strong> Brüder Marco und DennisH., Gabor G., der zuletzt als “Anti-Antifa”-Fotografbeim “Waldstadtspaziergang” im Dezember 2011 auftrat,sowie auch Lars W., Max S., Tim B., Patrick Danzund Benjamin Oestreich.Letzterer gilt seit Jahren als wichtiger Akteur in derPotsdamer Neonaziszene und Kader der mittlerweileinaktiven Neonazigruppierung “Alternative JugendPotsdam”. Er unterhält gute Kontakte nach Berlin, wassich durch regelmäßige Teilnahme an Berliner Neonaziaufmärschenäußert, wie auch am 15. Juli 2011in Berlin-Neukölln - dort tauchte das Transparent der“Sektion Potsdam” erstmalig auf. Diese Aktion stellteim Potsdamer Kontext eine absolute Ausnahme dar, dadie Neonazis selten unter einem Label so offen inErscheinung treten. Hier zeigt sich ein Selbstbewusstsein,welches aus antifaschistischer Perspektive besorgniserregendist.Neonaziaktivitäten in SubkulturenNeonazistische Musik aus PotsdamIn <strong>den</strong> vergangenen Jahren hat sich relativ unbemerkteine Vielzahl kleinerer und größerer Bandprojekte inund um Potsdam gegründet. Die einen sind mehr, dieanderen weniger aktiv. Die einen mehr die anderenweniger. Das heißt, dass die einen ‚lediglich‘ Musikmachen und CDs aufnehmen und verkaufen. Wohingegendie anderen eifrig dabei sind auf Nazikonzertezu fahren, um dort aufzutreten. Vor Ort verkaufen sieihr Merchandise sowieihre CDs und knüpfenletztendlich auch Kontakte.„Preussenstolz <strong>–</strong> R.A.C.aus Potsdam“Das aktivste Bandprojektaus der Regionist „Preussenstolz“.Die Band gründetesich, ihren eigenenAngaben zufolge, imSommer 2007. Im darauffolgen<strong>den</strong> Jahrspielten sie ihre erstenKonzerte und nahmengegen Ende 2008 auchihre erste Demo CDauf. Im Frühjahr 2009veröffentlichten sie ihre Demo-CD beim Neonazilabel„Odinseye“, das im sachsen-anhaltinischen Bernburgansässig ist. Sie erschienen auch auf dem Sampler „DieSöhne Potsdams III“, der Ende 2009 beim ChemnitzerNazilabel „PC-Records“ veröffentlicht wurde. Im Jahr2009 spielten sie auf zahlreichen Konzerten, welchezum größten Teil in Sachsen stattfan<strong>den</strong>. Der Verfassungsschutzzählte für das Jahr 2009 rund 15 Auftritteder Band.„Preussenstolz“ knüpft, sowohl durch ihre Selbstinszenierungals auch durch ihre Inhalte, an die Traditionund die Ästhetik des „Rock Against Communism“(RAC) an. Rassistische und <strong>den</strong> Nationalsozialismusverherrlichende Texte kennzeichnen die Band ebensowie ihre kämpferisch-martialische Selbstinszenierungüber das Internet, ihre Merchandise Artikel und dieBooklets ihrer CDs. Hierbei fällt auch auf, dass es einigeÄhnlichkeiten mit der schon etwas älteren PotsdamerNeonaziband „Proissenheads“ gibt.Neben der offensichtlichen Namensähnlichkeit der bei<strong>den</strong>Bands existieren auch Bilder auf <strong>den</strong>en„Preussenstolz“, ähnlich wie zuvor „Proissenheads“,Abb. 28: “Sektion Potsdam” in Grube am 25. März 2012 am Rande einer<strong>Antifaschistisches</strong> Kundgebung. (Quelle: linksunten.indymedia.org)Regionales39


40Regionalesvermummt als Gruppe posierend, in einem Wald stehen.Weiterhin können neben Ähnlichkeiten im Musikstilnoch viele inhaltliche Parallelen zwischen <strong>den</strong> Textender bei<strong>den</strong> Bands ausgemacht wer<strong>den</strong>. Hier spielendie gängigen inhaltlichen Motive des RechtsRock wieRassismus, Antisemitismus, Verherrlichung des NS,Gewaltphantasien sowie Überlegenheits<strong>den</strong>ken undFeindbildprojektionen eine Rolle. Aber auch ihre Selbstdarstellungfunktioniert über die gleiche Selbstinszenierung.Der kämpferische Skinhead, wie er zumBeispiel im Songtitel „Potsdamer Skinheads aus demPreußenland <strong>–</strong> Mitteldeutscher Widerstand!“ besungenwird, ist auf der einen Seite gängiges Motiv des„RAC“ und auf der anderen Seite ein Thema, auf das sichviele Potsdamer Neonazibands beziehen bzw. bezogenhaben. Der eben benannte Titel stammt ursprünglichvon <strong>den</strong> „Unbending Bootboys“, einer schon etwasälteren Neonaziband der späten 90er Jahre aus Potsdamund wurde imJahr 2006 von der PotsdamerBand „Redrum“und 2008 erneut von„Preussenstolz“ gecovert.Am 02. Oktober 2010spielten „Preussenstolz“beim„Preußentag“ in Finowfurt,wobei sie mit demCover des Titels „Stiefelauf Asphalt“ ein Malmehr zeigten, wie wichtigihnen das Motiv deskämpferischen Skinheadsist. So sang PatrickDanz, der aktuelleSänger der Band: „DerKlang von Stiefeln auf Asphalt geht unter die Haut,<strong>den</strong>n Skinheads marschieren wo sich keiner mehrtraut.“ Das Publikum der NPD Veranstaltung dankteihnen daraufhin mit Rufen nach einer Zugabe.Zu dieser „Karriere“ wäre es ohne Uwe Menzelwahrscheinlich niemals gekommen. Die Band „Proissenheads“,welche sich Mitte der 1990er Jahre in Potsdametablierte und deren Protagonist Uwe Menzelbis heute aktiv ist, zählte zu einer der bekanntestenRechtsRock Bands in der Bundesrepublik der späten1990er Jahre. Aber auch international sind „Proissenheads“durch ihre Kontakte zum „Blood & Honour“-Netzwerk bekannt gewor<strong>den</strong>. Die Band als Projekt„Proissenheads“ existiert zwar seit 2001 nicht mehr,jedoch spielen einzelne Bandmitglieder derzeitig immernoch in verschie<strong>den</strong>en Neonazibands. Uwe Menzelzum Beispiel singt weiterhin für die bei<strong>den</strong> Bands„Burn Down“ und „Bloodshed“.Auch solo ist Uwe Menzel unterwegs. Unter seinemSzenespitznamen „Uwocaust“, der von ihm in Anlehnungan die Shoa gewählt wurde, spielte er zuletzt aufeinem Hammerskin-Konzert im Juli 2010 im Elsassund im November 2010 im „Ting-Haus“ in Grevesmühlen(Mecklenburg Vorpommern).Die Tatsache, dass die Band „Preussenstolz“ aus Potsdamkommt, spielt deshalb eine wichtige Rolle, da siedadurch auf eine schon bestehende neonazistischeStruktur zurückgreifen kann. Gute Kontakte zu anderenPotsdamer Neonazibands und Szenegrößenerleichterten ihnen <strong>den</strong> Einstieg in die neonazistischeMusikszene und das Aufsteigen in der selbigen. Dieshat mittlerweile selbst der Verfassungsschutz bemerktund schreibt dazu in seinem Bericht für das Jahr 2009:„Nachwuchsbands wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> etablierten Szene-Musikern gefördert. Zu diesen „Förderern“ gehören:„Bloodshed”, „Burn Down”, […] sowie deren HauptakteureUwe Menzel („Uwocaust“) aus Potsdam undRico Hafemann aus Senftenberg (OSL). Bands wie […]„Cynic”, „Preussenstolz” […] profitierten 2009 davon.“Für diese Unterstützung wird sich selbstverständlichauch bedankt. Im Booklet der Demo CD von „Preussenstolz“schreibt Daniel Hintze, der Schlagzeugerder Band, der hier unter dem Pseudonym „N. the Frog“auftritt: „Uwocaust (Danke für die viele Unterstützung)“.Auch weitere seiner Bandkollegen schlossensich diesem Dank an.Diese Unterstützunghätten sich die Preussenköpfezu ihrer Zeitwohl auch gewünscht.Nur wäre dieseaus dem neonazistischenLager gar nichtzwingend notwendiggewesen. Die Bärenarbeithierbei leisteteja bereits die StadtPotsdam, indem sieder Band die entsprechendeInfrastrukturzum musizierenanbot. Somit wurdePotsdam besonders in<strong>den</strong> 1990er Jahren fürNeonazibands sehr attraktiv. Es wur<strong>den</strong> Proberäumeim „Club 18“ am Stern bereitgestellt und die Tatsache,dass es sich hierbei um eine nicht unproblematischeGruppe handelte die hier neonazistische Propagandaverbreitete, wurde gänzlich ausgeblendet.Dies machte es auch erst möglich, dass sich eine Bandwie die „Proissenheads“ über mehrere Jahre hinwegetablieren konnte.Erst eine Aufklärungskampagne Potsdamer Antifaschist_innenim Jahr 1998 führte zu öffentlichem Druckund zum Rauswurf der Band aus dem Jugendclub.Dennoch kam <strong>den</strong> „Proissenheads“ auch noch in <strong>den</strong>kommen<strong>den</strong> Jahren eine wichtige Bedeutung in derPotsdamer Neonaziszene zu.Der Status quo der Potsdamer Neonaziszene kannals ein enges Geflecht aus NPD, JN, „Freien Kameradschaften“und eben der subkulturellen Musikszene beschriebenwer<strong>den</strong>.Deutliche Grenzen zwischen <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>enFlügeln der Szene, wie sie vergleichsweise noch in<strong>den</strong> späten 1990er Jahren vorzufin<strong>den</strong> waren, könnenheute nicht mehr ausgemacht wer<strong>den</strong>. Wie diese verschie<strong>den</strong>enGruppen zusammen wirken, lässt sich gutan einem Beispiel zeigen.Am 07. Juni 2008 fand in Genthin eine Neonazidemonstrationder „JN Sachsen-Anhalt“ statt. Hierbeiforderten die ca. 250 anwesen<strong>den</strong> Neonazis einAbb. 29: “Antifa Hunter”-Aufkleber - “Sektion Potsdam” in der PotsdamerInnenstadt im Frühjahr 2009 (Quelle: linksunten.indymedia.org).


„nationales Jugendzentrum“. Der Anlass hierfür wardie Kündigung des Mietvertrages für <strong>den</strong> als „BarackeGenthin“ bekannt gewor<strong>den</strong>en Neonazitreffpunktdurch <strong>den</strong> Vermieter des Gebäudes. Seit demFrühjahr 2008 betrieb die örtliche Neonaziszene <strong>den</strong>„nationalen Jugendclub“ und versuchte dort Neonazikonzertezu veranstalten. Nachdem dadurch dieserVeranstaltungsort wegfiel, organisierte die regionaleNeonaziszene in Zusammenarbeit mit <strong>den</strong> „JN Sachsen-Anhalt“am 07. Juni 2008 die Demonstration durchGenthin. An dieser beteiligten sich auch zahlreicheNeonazis aus Potsdam. Jene Neonazis stammten zumGroßteil aus dem Umfeld der Band „Preussenstolz“beziehungsweise der „Freien Kameradschaften“.In der Folgezeit wichendie Neonazis auf diein der Nähe gelegeneTanzbar „Neue Welt“aus. Hier spielten auch„Preussenstolz“ am 31.Oktober 2008 ein Konzertwelches von ca.100 Neonazis besuchtwurde. Mit dabei warenauch die Neonaziband„Cynic“ aus Potsdamsowie zwei weitereBands. Ein weiteresKonzert, welches mitca. 250 Besucher_innenam gleichen Ort stattfand,gab es dann am24. Januar 2009. Auchhier waren wieder „Preussenstolz“ zugegen.Dieses Beispiel zeigt, dass RechtsRock zu einer überregionalenVernetzung und Mobilisierung von Neonazisführen kann. Denn hier können die Neonazigruppierungen<strong>–</strong> egal ob NPD/JN, DVU oder „FreieKameradschaften“ <strong>–</strong> auf ein bereits bestehendes undüberregional gut organisiertes Netzwerk zwischenBands und Konzertveranstalter_innen zurückgreifen.Neonazis im FußballPotsdam ist durch die linken Fangruppen des “SV Babelsberg03” bekannt für eine Szene, in der Neonaziskeinen Platz fin<strong>den</strong>. Neonazis müssen sich daher andereNischen suchen, in <strong>den</strong>en sie im Fußballkontextauftreten können. So existiert mit „Crimark“ eine menschenverachtendeFangruppierung des 1. FC Unionmit selbsternannten Hooliganstatus, die in Potsdamaktiv ist und dabei keine Berührungsängste mit neonazistischemGedankengut hat. Dies wird vor allemdurch Propaganda und Einschüchterungsmanövergegenüber “Anders<strong>den</strong>ken<strong>den</strong>” in der Fußballkulturdeutlich. Bei ihrem Auftreten geben sie sich offen gewaltbereit,antisemitisch und sexistisch.Abb. 30: Mario Schober (hockend), Mitglied des Cheerleaderclubs“PCV Potsdam Panthers e.V.”. (Quelle: ARP/U)RegionalesFußball ist auch bei einem Großteil von “Crimark”vertreten. Ebenso sind homophobe Beleidigungen gegenübervermeintlichen SV Babelsberg-Fans wie “Ihrscheiß Schwuchteln” keine seltenen Äußerungen der“Crimark”-Mitglieder.Paul Udo Kulze ist auch seit Jahren für Schmierereienund Aufkleber mit Sprüchen wie “Ju<strong>den</strong> SVB” und“NS Jetzt” verantwortlich. “FC Union” Tags, gestalteter oft mit Keltenkreuzen. Diese tauchten anfänglichhauptsächlich in Potsdam-West, Wohnort Paul UdoKulzes, später auch in anderen Stadtteilen wie Babelsbergauf. Im Jahr 2009 stand er vor Gericht, da er einenHitlergruß zeigte und danach eine Person angriff.Die Gesinnung Kulzes wird von weiteren Mitgliederngeteilt. Gemein habenalle die Neigung zuGewalt und die Suchenach der offenen Konfrontation.Der UniversitätsJudo- & KampfsportclubPotsdam e.V.(UJKC) und die SportschulePotsdam stellensich trotzdem weiterhinschützend vor Mitgliederbzw. Schüler,welche der Fangruppeangehören.Antifaschistische Strukturendeckten Anfang2012 auf, dass mindestenszwei aktive Neonazisin örtlichen Sportvereinen aktiv sind. Auch nachwiederholten Hinweisen und Druck aus Politik undSportverbän<strong>den</strong>, können die bei<strong>den</strong> Neonazis ungehindertweiter ihrer Freizeitbeschäftigung nachgehen.Im Fall Mario Schober ignorieren die Vereine “FortunaBabelsberg” und der “PCV Potsdam Panthers” dieVorwürfe komplett. Letztere erwägten sogar, Anzeigewegen Verleumdung zu stellen. Schober kann daherin Ruhe weiter als Torwart für Fortuna und als Cheerleaderbei <strong>den</strong> Panthers aktiv sein.Der Fall Thomas Pecht gestaltete sich interessanter.Eintracht 90 Babelsberg veröffentlichte nach demBekanntwer<strong>den</strong>der Vorwürfe ein Mannschaftsfoto, aufdem die Spieler mit einem Transparent „gegen Frem<strong>den</strong>feindlichkeit,Gewalt und Rechtsextremismus“werben. Der Verein versucht somit <strong>den</strong> AusschlussPechts zu suggerieren. Auch auf direkte Fragen zuseinem Verbleib äußern sie sich ausweichend. Ein paarMonate später, als das Thema durch andere Ereignisseder Lokalpolitik verdrängt war, erschien Pecht wiederoffiziell auf Torschützenlisten und auf der Webseitedes Vereins als Stürmer.41Führender Kopf ist Paul Udo Kulze. Er war Mitgliedder Jugendultragruppe „Teen Spirit Köpenick“,welche in einem Interview im Fanzine des 1. FCUnion anmerkten, dass sie „Schwanzlosesgesindel“[sic] ungern in der Fankurve sehen und als störendempfin<strong>den</strong>. Diese Einstellung gegenüber Frauen beimDie Stadt Potsdam und ihr Umgang mit NeonazisPotsdam und ein großer Teil der Einwohner_innensind sehr bedacht auf eine klare Abgrenzung zu rechtenund neonazistischen Äußerungen und Ten<strong>den</strong>zen.


42RegionalesIm Mittelpunkt steht dabei das sogenannte „PotsdamerToleranzedikt“. Angelehnt an das Toleranzedikt despreußischen Potsdams aus dem Jahr 1685 soll auch inder heutigen Zeit vermittelt wer<strong>den</strong>, dass „Fremde“in Potsdam willkommen sind. Ein wirtschaftlicher<strong>Hinter</strong>grund ist bei bei<strong>den</strong> Versionen des Edikts gegeben.Nach dem Dreißigjährigen Krieg, der Bran<strong>den</strong>burgweitgehend entvölkerte, waren hugenottischeEinwander_innen aus Frankreich gerne gesehen umdie Wirtschaft anzukurbeln. Heute setzt Potsdam aufsein Image als familienfreundliche Stadt, Touristenmagnetund schöner Wohnort für vielverdienendejunge Familien, die Geld in die Kassen spülen. MarodierendeHor<strong>den</strong> von Neonazis scha<strong>den</strong> diesem Image,und dem Geldfluss, natürlich.Einher mit der Neuauflage des „Toleranzediktes“ gehteine Glorifizierung des Preußentums auf allen Ebenender Politik und Gesellschaft. Die „Langen Kerls“, Eliteeinheitdes Militärs im alten Preußen, marschierenregelmäßig in Potsdamauf und der Landtagwartet gespannt aufseine neue Resi<strong>den</strong>z inPotsdams Mitte <strong>–</strong> demStadtschloss.Während im StadtzentrumFriedrich desGroßen liebster Männerbundfür diepreußischen Tugen<strong>den</strong>von Stadt, Bevölkerungund Touristen gefeiertwird und das „Friedrich-Jahr“ ein unkritischesGeschichts-bild festigt,ge<strong>den</strong>ken PotsdamerAbb. 31: Protest gegem “Öffentliche Rekrutierung” der “Lange Kerls” amNeonazis an Friedrichs19.06.2010 in Potsdam. (Quelle: inforiot.de)Grab oder marschieren,hauptsächlich nachts,durch das Plattenbaugebiet Waldstadt.Im Jahr 2004 versuchte Christian Worch, bundesweitaktiver Neonazikader, eine Demonstration in derStadt durchzuführen. Die Route sollte vom Hauptbahnhofdurch die Innenstadt gehen. Die Stadt veranstaltetefernab der geplanten Strecke Kundgebungen. Eindirekter Protest gegen die Neonazis wurde abgelehnt.Dass diese dann nicht durch die Innenstadt laufenkonnten, ist Antifaschist_innen zu verdanken, die dieRoute blockierten und erfolgreich gegen die Polizei aktivverteidigten. Auf Grund der massiven Gegenwehrwurde die Neonazidemonstration daraufhin durch Babelsberggeleitet. Die Stadt feierte sich im Nachhinein,friedlich und geschlossen protestiert zu haben. EinHupkonzert vor dem Potsdamer Stadtparlament hatdie Demonstration von Christian Worch jedoch sicherlichnicht verhindert.Im darauf folgen<strong>den</strong> Jahr versuchte dieser es erneutund meldete eine Demonstration vor dem BahnhofCharlottenhof an. Symbolisch aufgela<strong>den</strong> stellte sichder Oberbürgermeister Jan Jakobs (SPD) mit einigenStadtpolitiker_innen in die erste Reihe der Blocka<strong>den</strong>.Zu einem Räumungsversuch durch die Polizei kam esgar nicht.Bei allen nachfolgen<strong>den</strong> angekündigten Aktionen,wie Kundgebungen oder Demonstrationen, versuchtedie Stadt, vertreten durch das bürgerliche Bündnis„Potsdam bekennt Farbe“ zu intervenieren und Protestgegen Neonazis zu organisieren. Bei <strong>den</strong> Kundgebungender DVU 2008 und 2009 auf dem Luisenplatzveran-staltete die Stadt auf der gegenüberliegen<strong>den</strong>Seite des Platzes jeweils Gegenkundgebungen unterdem Namen „Toleranzfest“. Es wurde Bratwurst gegessen,Fußball gespielt und der Musik von der Bühnegelauscht. Vorzeitig beendet wur<strong>den</strong> die DVU-Veranstaltungenaber durchantifaschistische Aktionender linken Szeneder Stadt, indem dieStromversorgung bzw.Tontechik sowie Propagandamaterialzerstörtwurde.Auch nach der NPD-Demonstration im September2012 feiertesich die Stadt, <strong>den</strong> Aufmarschverhindert zuhaben. Dass dabei lediglichdie Hauptblockadeeinen größerenAnteil von Bürger_innenaufwies und alleanderen Blocka<strong>den</strong> voneher linksradikalen Antifaschistisch_innengebildet wur<strong>den</strong>, wird wissentlichverschwiegen.Sonst wird antifaschistische Intervention eher kritischbeäugt. Linksalternative Jugendliche, die ihr Rederechtvor dem Stadtparlament einfordern, wer<strong>den</strong> vomOberbürgermeister als „rotlackierte Faschisten“ bezeichnet.Dass Potsdam überhaupt ein Naziproblem hat,wurde jahrelang durch Politik, Presse und Gesellschaftverdrängt oder gar geleugnet. Vereine verstecken sichhinter sogenannten „Ehrenkodexen“ um mit Neonazisund neonazistischem Gedankengut nicht offen umgehenzu müssen. Am Status quo zu rütteln scheint alsofür die Stadt Potsdam keine Handlungsoption zu sein,dabei sind die Strukturen gefestigt, selbstbewusst undbundesweit vernetzt.


RegionalesEine Talfahrt durch <strong>den</strong>NordostenBAR-UM-MOL43Abb. 32: Noch lange nicht tot: Obwohl sich die KMOB 2010 offiziell aufgelöst hat, war ihr Transparent am 10. November 2010 auf einerNPD-Demonstration in Frankfurt (Oder) zu sehen. In der dritten Reihe mit Wollmütze und Bart: Robert Gebhardt, Kopf der KMOB.Barnim, Uckermark und Märkisch-Oderland sind dreiLandkreise im Nordosten Bran<strong>den</strong>burgs. Überschneidungenin der neonazistischen Szene gibt es seit vielenJahren mal mehr, mal weniger. Während die regionaleVernetzung bis 2006 noch strukturiert über <strong>den</strong>Kameradschaftsbund „Märkischer Heimatschutz“organisiert wurde, sind es heute vor allem punktuelleKooperationen von einzelnen Aktiven und die Zusammenarbeitdurch die Anbindung an Parteistrukturender NPD.Strukturen und Akteure:Kameradschaften lösen sich aufAls im Jahr 2001 ein Verbot der neonazistischen NPDdrohte, sahen viele Aktivisten das Konzept „Kameradschaft“als Alternative zur NPD. Im selben Jahrgründete sich der „Märkische Heimatschutz“ (MHS)als ein Kameradschaftsnetzwerk im Nordosten. Der„MHS“ galt als aktivste Neonazi-Kameradschaft imLand Bran<strong>den</strong>burg. Er löste sich 2006 auf um einemstaatlichen Verbot zuvorzukommen. Man wolle <strong>den</strong>„parlamentarischen Weg“ gehen <strong>–</strong> viele der ehemaligenMitglieder gingen in die NPD. Angelehnt an <strong>den</strong>„Thüringer Heimatschutz“, unterhielt der „MHS“ sogenannte„Sektionen“ in <strong>den</strong> uckermärkischen StädtenAngermünde, Schwedt und Prenzlau, in Eberswalde(Barnim) sowie in Oranienburg (Oberhavel) undStrausberg (MOL). Neben einer weiteren „Sektion“ inBerlin, geführt vom jetzigen Nazi- Aussteiger GabrielL., hielt der „MHS“ gute Kontakte zu Kameradschaftenund Aktiven in anderen Teilen Ostdeutschlands. (sieheauch Broschüre zum MHS www.inforiot.de/material/mhs.pdf). Obwohl sich der „MHS“ als expliziteKameradschaftsvernetzung verstand, waren dieSchnittmengen zur NPD offensichtlich. FührungskaderGordon Reinholz gehörte zeitweise dem JN-Bundesvorstandan und war aktiv in der NPD. Reinholz undviele seiner Weggefährten sind weiterhin in der Szeneaktiv: Er, René Herrmann („Sektion Eberswalde“) ausGolzow und Christian Banaskiewicz („Sektion Angermünde“)aus Joachimsthal, betreiben verschie<strong>den</strong>eInternetversände. Sebastian Schmidtke („SektionStrausberg“) ist seit 2012 NPD Landeschef von Berlinund aktiv für das Netzwerk „Nationaler WiderstandBerlin“.Neben dem „MHS“ existierten andere Kameradschaften


44Der KMOB FlopRegionaleswie das „Nationale Bündnis Preußen“ (NBP), mitregionalen Schwerpunkten in Schwedt und Bernausowie die „ANSDAPO“ in Strausberg. Das „NationaleBündnis Preußen“ war eine Kameradschaftsstrukturin der Uckermark und im Barnim, auf dessen Aktionskontodie Beteiligung an Demonstrationen vorallem in Berlin, Bran<strong>den</strong>burg und Großaufmärschenin Ostdeutschland u.a. in Dres<strong>den</strong>, gehen. Selbst organisiertendas „NBP“ 2001 eine Demonstration inSchwedt sowie 2004/2005 eine Kampagne gegen <strong>den</strong>Jugendtreff „Dosto“ in Bernau. Bei der Kampagne inBernau hatten sie neben diversen Aufklebern in derStadt auch eine Demonstration gegen <strong>den</strong> als linkenJugendclub bekannten Treff ver-anstaltet. Am selbenAbend der Demonstration, am 22. Januar 2005wurde ein Rohrbombenanschlag auf <strong>den</strong> Treff verübt,während dort eine Party stattfand. Im Gegensatz zum„MHS“ ist das „NBP“ durch Inaktivität und Mitgliederschwundzusammengebrochen. Das „NBP“ stellteseine Aktivitäten ein, auch eine „Wiederbelebung“im Jahr 2008 hatte daran nicht viel verändert. Zu <strong>den</strong>Aktivisten zählten Roy Grassmann, Kai Hasselmann(beide Bernau) sowie Christoph Ziese (Schwedt).Grassmann ist seit mehreren Jahren aktiv für <strong>den</strong>NPD Kreisverband Barnim Uckermark und tritt alsReferent zur „Geschichte Preußens“ auf. Auch Ziesewar nach dem Scheitern des „NBP“ für <strong>den</strong> NPD Kreisverbandaktiv. Kai Hasselmann dagegen kandidierte2008 für die DVU in Bernau (OT Schönow), er ist mitseiner Band „Preußenfront“ weiter aktiv. Aber auchhier gibt es eine deutliche Nähe zur NPD: Seine Bandspielte 2010 beim NPD-Preußentag in Finowfurt aufund probt auf dem von Neonazis genutzen Gelände inBiesenthal. .Die „ANSDAPO“ war eine Strausberger Kameradschaft,die ihren vollständigen Namen „Alternative NationaleStrausberger Dart-, Piercing und Tattoo-Offensive“wählte, um darin das Kürzel „NSDAP“, der Partei derNationalsozialisten, zu verstecken. 1998 tritt die2010 löste sich die „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“ (kurz: KMOB) ausAngst vor einem staatlichen Verbot selber auf. 2012 kehrte sie wieder. Die „KMOB“ist eine militante Nazigruppe, die sich 2007 gründete und vor allem in der RegionBad Freienwalde, Wriezen und Eberswalde aktiv ist. Die old-school Kameradschaftwill ein neues deutsches Reich, eine ethnisch homogene Volksgemeinschaftund ein diktatorisches Regime nach dem Vorbild des historischen Nationalsozialismus.Neben zahlreichen Gewalttaten zeichnet sich die Kameradschaft durcheinen hohen Demotourismus aus. Rassistische und antisemitische Straftatengehören ebenso dazu wie Angriffe auf politische Gegner_innen: 2008 wurde voneinem Neonazi aus dem Umfeld der Kameradschaft der alternative Jugendclub„Maquis“ in Bad Freienwalde abgebrannt. Kameradschaftschef Robert Gebhardtaus Bad Freienwalde stand bereits wegen Körperverletzung an Punks mit einemBein im Gefängnis. 2010 wollte die „KMOB“ ihren Aktionsradius mit einer Aufmarschreihein Bernau, Eberswalde, Bad Freienwalde, Strausberg, Joachimsthal,Biesenthal und Manschnow erweitern. Die sieben Orte schloßen sich gegen dieNazis zusammen und gründeten das Bündnis „Bran<strong>den</strong>burg Nazifrei“. Die Nazis,von der massiven Gegenwehr überfordert, konnten nur eine der sieben geplantenDemonstrationen durchführen, in Bernau, Strausberg und Eberswalde wur<strong>den</strong> dieAufmärsche erfolgreich durch Sitzblocka<strong>den</strong> verhindert, Eberswalde, Biesenthalund Joachimsthal sagten sie ab, und noch bevor die Demonstration in Manschnowstattfin<strong>den</strong> konnte, löste sich die Gruppierung nach Hausdurchsuchungen auf. DerNachfolger „Freundeskreis Nordbran<strong>den</strong>burg“ scheiterte. Im Herbst 2012 wurdedie „KMOB“ wiederbelebt. Im September hatte Gebhardt zu einem Liederabendunter dem Titel „Niedergang und Wiederauferstehung“ gela<strong>den</strong>.Kameradschaft erstmals durch ein Konzert in Hoppegartenin Erscheinung, bei dem sie <strong>den</strong> Einlass organisiert.Führende Mitglieder wie Daniel Herrmann,Rene Berger und Björn Zander waren an diversenGewalt- und andere Straftaten beteiligt. BekanntestesMitglied ist Falco Hesselbarth, seine Mutter Lianewar bis 2009 Landtagsabgeordnete der DVU in Bran<strong>den</strong>burg.Die „ANSDAPO“ hielt enge Kontakte zum„MHS“, insbesondere zu Sebastian Schmidtke, der zuder Zeit in Strausberg lebte. Im Januar 2005 waren Aktiveder „ANSDAPO“ an einem Überfall auf das alternativeJugendprojekt „Horte“ in Strausberg beteiligt. Die„ANSDAPO“ wurde 2005 wegen geistiger Nähe zumNationalsozialismus verboten. Die als Verein organisierteKameradschaft reichte Klage gegen das Verbotein, scheiterte jedoch. Andere lose Gruppierungen wieder „Widerstand Strausberg“ oder die „AutonomenNationalisten Märkisch Oderland“ bzw. „AutonomeNationalisten Strausberg“ tauchen seit einigen Jahrennicht mehr auf. Sie waren vor allem in <strong>den</strong> Jahren2003-2005 durch Aufkleber, auf <strong>den</strong>en linke Aktivist_innenund Politiker_innen sowie das alternativeJugendprojekt „Horte“ aus Strausberg bedroht wur<strong>den</strong>,in Erscheinung getreten. Der „Strausberger Widerstand“um Sebastian Schmidtke war wie der „KameradschaftsbundEberswalde“ um Gordon Reinholzund später der „Märkische Heimatschutz“ Teil des„Nationalen und Sozialen Aktionsbündnis Mitteldeutschland“.Freie Kräfte heuteAls Nachfolger des „MHS“ wollte sich die „KameradschaftMärkisch Oder Barnim“ (KMOB) im Jahr 2010etablieren. Die zu dem Zeitpunkt dreijährige Gruppierung,um <strong>den</strong> Bad Freienwalder Neonazis RobertGebhardt hatte für <strong>den</strong> Sommer 2010 eine Demonstrationsreiheangekündigt, um ihren Aktionsradiuszu erweitern. Die in Bad Freienwalde und Wriezenaktive Kameradschaft hatte begonnen, Kontakte imBarnim und in Märkisch-Oderland aufzubauen. DieDemonstrationsreihe scheiterte an dem massivenWiderstand des antifaschistischen Bündnis „Bran<strong>den</strong>burgNazifrei“. Die KMOB löste sich noch vor Ende derReihe, am 3. Juli 2010, auf. Mit ihr lösten sich zeitgleichdie „Freien Nationalisten Uckermark“ (FNUM)auf, die eng an die „KMOB“ angebun<strong>den</strong> waren undebenfalls ein staatliches Verbot befürchteten. BeideKameradschaften, „KMOB“ und „FNUM“, hatten engeKontakte zur verbotenen Berliner Kameradschaft„Frontbann24“. Das Verhältnis der ehemaligen Aktivenist weiterhin eng. Anders ist das Verhältnis zur NPD,dort wird die „KMOB“ von einigen belächelt. So sagteChristoph Ziese in einer internen NPD Mail „der KMOBschadet mehr, als das er nützt“. [sic] Wenige Monatenach Auflösung der KMOB traten ehemalige KMOB´lerunter dem Label „Freundeskreis Nordbran<strong>den</strong>burg“auf, verantwortlich für die Internetseite war auch hierex-KMOB-Chef Robert Gebhardt. Eine De-monstrationim März 2012 in Frankfurt (Oder) konnte allerdingsnur mit Unterstützung der NPD organisiert wer<strong>den</strong>.Wieder blockierten Antifaschist_innen <strong>den</strong> Aufmarschder Nazis. Der „Freundeskreis Nordbran<strong>den</strong>burg“ istseither nicht mehr aktiv. Beim zweiten Aufmarschver-


such im November 2012 in Frankfurt (Oder) tauchtedagegen wieder die „Kameradschaft Märkisch OderBarnim“ auf, und konterkariert damit ihrer eigenenAussage, dass jemand, der das Logo oder <strong>den</strong> Namender Kameradschaft weiterverwendet, “von uns alsSpalter oder VS angesehen wer<strong>den</strong>, der unsere Bewegungweiter schädigen will.” So verkündete es dieKameradschaft auf ihre Internetseite am Tag der Auflösung.<strong>Hinter</strong> dem Transparent der KMOB in Frankfurt(Oder) liefen neben Robert Gebhardt auch weitereehemalige „KMOB-“ sowie „FNUM“-Aktive.Die bereits erwähnten „Freien Nationalisten Uckermark“formierten sich nach der Auflösung 2010 kurzdarauf unter <strong>den</strong> Namen „Nationale SozialistenBarnim-Uckermark“ und „Oderfront“ neu. BeideGruppierungen sind durch mehrere Gewalttaten aufgefallen(Mehr dazu unter Gewalt in UM). Unter wechselndemLabel tauchen auch andere frühere Aktivistenaus dem Dunstkreis des „Nationalen Bündnis Preußen“wieder auf. Als „FreieKräfte der BarnimerFreundschaft“ griffenBernauer Nazis <strong>den</strong> Jugendtreff„Dosto“ undseine Jugendlichen imSommer 2012 mehrfachan, Unterstützungerhielten sie von derlokalen NPD. Das Spielmit Namen ist auchhier Gang und Gebe, sotauchten auf Pullovernund T-Shirts weitereAufschriften wie„Barnimer Terroristen“,„Anti-Antifa Bernau“,„Nationale SozialistenBarnim“ oderauch „Sturmgruppe44“ auf. Der Personenkreisbleibt nahezu gleich und ist eng verbun<strong>den</strong> mitdem Kreisverband der NPD.Vor allem in <strong>den</strong> berlinnahen Teilen des Barnims undMärkisch-Oderlands ist die Anbindung an die Naziszeneder Hauptstadt gut. So tauchen Bran<strong>den</strong>burgerNazis auf Demonstrationen in Berlin auf, z.B. bei demAufmarschversuch am 14. Mai 2011 in Berlin-Kreuzbergoder nutzen die bekannte Berliner Szenekneipe„Zum Henker“. Die Verbindung von Kameradschaften,„Freien Kräften“ und Parteien war über die Jahre immerwieder ambivalent, meist jedoch pragmatisch.Die staatlichen Repressionen brachten die Nazis zumUm<strong>den</strong>ken: Zunehmend agieren sie in losen Zusammenhängen.Nennen sich zumeist „Freie Kräfte“ oder„Freundeskreis“. Für die Sicherheitsbehör<strong>den</strong> wird eszunehmend schwieriger, Gruppierungen zu verbieten,da sie keine organisatorische Struktur aufweisen. AlsStruktur bleibt die NPD <strong>–</strong> die Partei wird von Nazis alsAnlaufpunkt und finanzielle und organisatorische Ressourcegenutzt.DVU, NPD und Die RechteDie Bran<strong>den</strong>burger DVU, die ansonsten durch Materialschlachten,nicht aber durch eigene Aktionen aufsich aufmerksam machte, konnte bis zu ihrer Auflösungzumindest im Nordosten Bran<strong>den</strong>burgs einigeAktivitäten vorweisen. Das lag insbesondere an derFamilie Mann aus Finowfurt (Gemeinde Schorfheide).Ihr Grundstück in Finowfurt, bis 2006 in Seefeld(beides Barnim) war Veranstaltungsort für das jährlicheSommerfest der Bran<strong>den</strong>burger DVU. Als letzterVorsitzender der DVU in Bran<strong>den</strong>burg und zuständigfür <strong>den</strong> Nor<strong>den</strong> Bran<strong>den</strong>burgs war Klaus Mann eineder zentralen Figuren des Bran<strong>den</strong>burger Landesverbandesund beschaffte der Gemeinde Schorfheidedurch sein Grundstück überregionale Bekanntheit.Bei <strong>den</strong> Kommunalwahlen 2008 traten NPD und DVUnoch auf gemeinsamer Liste an. Nach der Fusion vonDVU und NPD gingen die Abgeordneten der DVU zurNPD über. Derzeit im Parlament vertreten sind:Abb. 33: NPD-Demonstration in Bran<strong>den</strong>burg a.d.H. 2012: Kreisvorsitzendeder “NPD Barnim Uckermark” Aileen Rokohl (Bildmitte) zusammenmit Landeschef Klaus Beier am Fronttransparent.RegionalesLandkreis Barnim:Gemeinde Schorfheide:Sybille Mann ausFinowfurt; StadtverordnetenversammlungBernau: Veronika Urbanaus Bernau ist erstzur NPD, seit Januar<strong>2013</strong> zu „Die Rechte“übergetreten; KreistagBarnim: Dietmar Langeaus Bernau ist zur NPDübergetreten; KreistagBarnim und StadtverordnetenversammlungBiesenthal: Mike Sandowaus Biesenthalist 2010 aus der NPDausgetreten.Landkreis Uckermark: Irmgard Hack aus Uhlenhofund Andy Kucharzewski aus Schwedt gelangten fürdie NPD in <strong>den</strong> Kreistag. Hack trat zurück und wurdedurch Stefan Schulze und zuletzt Sven Barthel ersetzt,Andy Kucharzewski trat aus der NPD aus, ist aberweiterhin auf NPD-Demonstrationen zu sehen.Landkreis Märkisch-Oderland: StadtverordnetenversammlungStrausberg: Jürgen Sieminiak für die DVUist nach Ende der DVU nun parteilos.2005 gründete sich der Kreisverband „Barnim Uckermark“der NPD neu. Gründungsvorstand Mike Sandowaus Biesenthal wurde 2008 vom ehemaligen „MHS“-Aktivisten Marco Rhode abgelöst. Sandow trat ausder Partei aus. Er betreute zuvor das „Nationale Netztagebuch“,eine Internetseite des Kreisverbandes, dienach Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzungoffline ging. In <strong>den</strong> Jahren 2008 bis 2010 organisiertedie „NPD Barnim-Uckermark“ jährlich eine Demonstrationin Joachimsthal. Unter Beteiligung der „KameradschaftMärkisch Oder Barnim“ waren die Demonstrationender Schwerpunkt des Kreisverbandes. Seitder Fusion von DVU und NPD wurde aus dem DVU-45


46RegionalesSommerfest bei Klaus Mann in Finowfurt im Jahr 2011das NPD-Sommerfest. Neben <strong>den</strong> Austritten von MikeSandow und Andy Kucharzewski verabschiedetensich andere Aktivisten wie Marco Rhode eher unbemerkt.Nach der Führungskrise im Kreisverbandstagnierten die Aktivitäten. Mit dem neuen VorstandHartmut Kneider aus Prenzlau bekamder Kreisverband neuen Aufschwung. Seit 2011baut sich der Verband wieder auf. Besondersaktiv ist dabei die Bernauerin Aileen Rokohl(ehm. Götze), sie gehört zum Bran<strong>den</strong>burgerLandesvorstand und hat das Amt der Landesgeschäftsführerinim Februar <strong>2013</strong> übernommen.Nach zwei Jahren Vorstandsarbeit trat Kneideraus der NPD aus. Nachfolgerin wurde, wie zuerwarten, Aileen Rokohl. Zum Aufbau des Kreisverbandesgehörte auch die Einrichtung mehrererOrtsbereiche; neben Prenzlau, Schwedt unddem „Ortsbereich Bernau“ gehört seit Mai 2011auch der Ortsbereich Joachimsthal dazu der einwichtiger Aktionsort wer<strong>den</strong> sollte. Doch aktivist dieser nicht: Trotz des neuen Ortsbereichsund dem Wunsch die “Bevölkerung auch hiernicht alleine [zu lassen]”, kam es zu keinen nennenswertenAktivitäten. Dennoch hat der Kreisverbandin <strong>den</strong> Jahren 2011 und 2012 seine Aktivitätendeutlich gesteigert. Seit Februar 2012 ist außerdembekannt, dass Sven Gläsemann <strong>den</strong> Ortsbereich derNPD Prenzlau von Kneider übernommen hat. Am 3./4.Dezember 2011 fand der Landesparteitag der Bran<strong>den</strong>burgerNPD in Grünow bei Prenzlau (Uckermark)statt. Im Jahr <strong>2013</strong> folgte dann der Parteitag im “AltenDorfkrug” im Bernauer Ortsteil Schönow. Im Januardes selben Jahres gründete sich der Landesverbandder Partei „Die Rechte“ in Biesenthal. Vorsitzender desBran<strong>den</strong>burger Landesverbandes wurde Klaus Mann,seine Frau Sibylle ist Stellvertretende Vorsitzende,außerdem gehört auch Veronika Urban aus Bernau zu<strong>den</strong> Gründer_innen.Missbrauch und das Spiel mit der Angst„Ein Stock, ein Stein, schlagt ihm <strong>den</strong> Schädel ein“ forderten 2008 erstmals Neonazisin Joachimsthal. Sie meinten Werner K., der Sexualstraftäter wohnt seitseiner Haftentlassung in dem Barnimer Städtchen. Lokale Nazis wie ChristianBanaskiewicz, brachten sich in <strong>den</strong> Protest ein, wur<strong>den</strong> jedoch recht schnellausgeschlossen. Die Forderungen nach einer „Todesstrafe für Kinderschänder“war <strong>den</strong> meisten Joachimsthaler_innen zu viel, sie wollten sich nicht durch dieNazis instrumentalisieren lassen. Daher folgte im Juni 2008 bereits die ersteeigene Demonstration der NPD. In <strong>den</strong> Jahren 2009 und 2010 wird das Thema„Kindesmissbrauch“ einer der zentralen Aufhänger der NPD im Nordosten undder „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“. Nicht nur in Joachimsthal demonstrierensie, auch nach Manschnow, einem kleinen Ort in Märkisch-Oderland,fahren sie Ende 2009 um „Härtere Strafen für die Täter“ zu fordern. Das gleicheSpektrum, immer unterstützt durch die Berliner Aktiven der Kameradschaft„Frontbann24“, organisierte im Februar 2009 eine Mahnwache in Bad Freienwalde,während im Gericht ein Missbrauchsfall verhandelt wurde. Sie versuchen Ängsteder Bevölkerung aufzugreifen und sich in die politische Debatte einzubringen,doch unter ihren Forderung nach „Sicherheit, Recht und Ordnung <strong>–</strong> KeineGnade für die Täter“ steckt die Sehnsucht nach Selbstjustiz und die Aushöhlungder Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Auch wenn es seit 2010 keine Demonstrationengab, ist das Thema weiterhin in der Szene präsent, so veröffentlichteder „NPD Verband Barnim-Uckermark“ im März 2012 die sogenannte „BarnimerStimme“, in der sie abermals auf Joachimsthal und ihre Forderungen eingingen.Seit 2009 gibt es in Märkisch-Oderland einen NPDKreisverband; der kleine, mitgliederschwache Verbandumfasst die Städte Strausberg, Seelow und BadFreienwalde. Einen Ortsbereich gibt es in Strausberg.Abb. 34: Von 2008 bis 2010 organisierte die NPD in Joachimsthal mehrereDemonstrationen gegen einen Sexualstraftäter in der Region (siehe Kastenauf dieser Seite).Überschneidungen und enge Kontakte gibt es zumKreisverband Oderland, der zu einem der aktivstenVerbände in Bran<strong>den</strong>burg zählt. Aktive Mitgliederund Vorstand der NPD MOL sind André Herbon undEnriko Gesche. Herbon trat noch zu <strong>den</strong> Kommunalwahlen2008 für die DVU in Strausberg an und ist beinahezu jeder Demonstration der NPD in Bran<strong>den</strong>burgzu sehen. Außerdem pflegt er vereinzelte Kontaktezu Neonazis in Stralsund. Gesche ist ebenfalls oft aufDemonstrationen in Bran<strong>den</strong>burg und Berlin zu sehen.Er ist Administrator der Internetseite des Kreisverbandes.Kontakte hat die NPD MOL zum BerlinerNPD-Kader Andrew Stelter der seit 2007 mit seinerFamilie in Strausberg lebt sowie zum jetzige NPD-Landesvorsitzende der NPD-Berlin Sebastian Schmidtke,der seine Parteikarriere in Strausberg begann undnach wie vor Kontakte nach Strausberg pflegt. Auchzum Kreis um die NPD MOL gehören Rocco Meihs, einmehrfach vorbestrafter Gewalttäter, Marcel Sterzel,ebenfalls vorbestraft wegen Verwendung von Symbolenverfassungswidriger Organisationen und MarcPfister, der gute Verbindungen zu der „KMOB“ und<strong>den</strong> „Freien Nationalisten Mitte” (FN-Mitte) pflegte.Das Verhältnis der Kreisverbände zum Landesverbandist gespalten. Während sich Aileen Rokohl imBarnim vorbildlich mit Landeschef Klaus Beier aufDemonstrationen zeigt, an regelmäßigen Schulungenund an Parteitagen und Vorstandsitzungen teilnimmt,organisierte Harmut Kneider in der Uckemark eigeneAktionen, während der Landesverband woandersdemonstrierte. So geschehen am 24. März 2012: Inder Uckermark wur<strong>den</strong> Flyer verteilt und in Frankfurt(Oder) versuchte die Partei zu marschieren. Auch am15. September des selben Jahres organisierte Kneidereine Mahnwache in Schwedt, statt in Potsdam demAufmarschversuch seiner Partei beizuwohnen. Die Aktivenin Märkisch-Oderland wiederum haben so wenigeigene Aktivitäten, dass sie sich nur an Aktionen desLandesverbandes beteiligen oder <strong>den</strong> Verband „Oder-


land“ des Nachbarkreises unterstützen.RegionalesAbwehrung von Grenzkriminalität“ grün<strong>den</strong> wollen.In der Uckermark organisierten Neonazis im Juli 2012einen Autokorso unter dem Motto „Heimreisestatt Einreise“Abb. 35: Die ehemaligen Aktivisten der “Freien Nationalisten Uckermark”hinter einem Transparent mit der Aufschrift “Nationale Sozialisten Uckermark”im Oktober 2010 in Joachismthal.Andere rechte Akteure in der RegionDie sogenannten „Reichsbürger“ sind keine zentralenAkteure, <strong>den</strong>noch sind sie in der Vergangenheit u.a. inBernau und Schwedt in Erscheinung getreten. 2004hatte ein Kreis von Reichsbürgern in Bernau vor einerSchule Flyer verteilt und <strong>den</strong> Schulleiter beschuldigtdie „Auschwitz-Lüge“ zu verbreiten. Vor Gerichtbekamen die Nazis Dirk Uwe Reinecke, Jörg RainerLinke, Wolfgang Hackert und Gerd Walter Unterstützungvom bekanntesten deutschen HolocaustleugnerHorst Mahler. Drei Angeklagte wur<strong>den</strong> zu Geld- undBewährungsstrafen verurteilt. Im Juni 2011 traf sicheine Gruppe „Reichsbürger“ in Schwedt, auch soll es„Reichsbürger“ in Templin geben. Anfang 2012 sollenBriefe in Suckow vom „Deutschen Amt für Menschenrechte“verteilt wor<strong>den</strong> sein. Die „Reichsbürger“erkennen die Bundesrepublik als Staat nicht an undsehen sich als „Bürger des Deutschen Reiches“ bzw.sogar als legitime Nachfolger der politischen Führungdes Deutschen Reiches.Aktivismus:Themen, Anti-Antifa und GewaltImmer wieder präsent ist auch „Preußen“. Alswichtiger Referenzpunkt taucht das Thema„Preußen“ nicht nur in der Wahl der Namen vonGruppierungen auf, wie der Band „Preußenfront“oder der Kameradschaft „Nationales BündnisPreußen“, auch inhaltlich beschäftigen sich dieNeonazis mit der Geschichte des Staates. Allenvoran Roy Grassmann aus Bernau, der u.a.2006 und 2011 bei <strong>den</strong> „Tagen deutscher Gemeinschaft“im Harz als Referent zur GeschichtePreußens auftrat. Jährlich wird der Geburtstagdes letzten Preußischen Kaisers Wilhelm IIam 27. Januar und die Gründung des DeutschenReiches ebenfalls im Januar gefeiert.Auch aktuelle Themen mit lokalem Bezug fin<strong>den</strong>sich: Darunter unter anderem zum Hochwasserim Oderbruch oder die Schließung der Lieken-Bäckerei in Bernau.Nicht in allen Themen und Aktivitäten sind sich NPDund “Freie Kräfte” einig, und so differiert die Beteiligungan Aktionen. Was sie jedoch eint, ist der gemeinsamepolitische Feind. Schon um 2000 organisierte der„Kameradschaftsbund Eberswalde“ und später der„Märkische Heimatschutz“ Aktionen gegen <strong>den</strong> linkenVerein „Pfeffer und Salz“ in Angermünde; in Eberswaldestörten Nazis die Tour de Toleranz, in Bernauwurde eine Kampagne gegen <strong>den</strong> linken Jugendtreff„Dosto“ organisiert und immer wieder wer<strong>den</strong> Veranstaltungenausgespäht oder gezielt gestört. SelbstDemonstrationen wer<strong>den</strong> gegen Veranstaltungenorganisiert <strong>–</strong> so geschehen in Bernau: 2004 demonstrierteder „MHS“ gegen eine Infoveranstaltung über<strong>den</strong> MHS im Dosto, im selben Jahr demonstrierte das„NBP“ gegen eine Infoveranstaltung über rechte Strukturenin Bernau. Anschläge auf linke Projekte gehörtenebenfalls dazu: „Pfeffer und Salz“ wurde um 2001regelmäßig von Nazis angegriffen, das „Maquis“ inBad Freienwalde wurde 2008 niedergebrannt, auf dasDosto in Bernau wurde 2005 ein Anschlag verübt und47Schwerpunktthema war in <strong>den</strong> vergangenenJahren vor allem für die NPD im Nordosten Bran<strong>den</strong>burgs,aber auch in anderen Teilen Bran<strong>den</strong>burgsund Berlins, der sexuelle Missbrauch (vonKindern). Mit Forderungen wie „Todesstrafe fürKinderschänder“ oder abgeschwächt „HärtereStrafen für die Täter“ versuchten sie in Joachimsthal(Barnim) sowie in Manschnow und BadFreienwalde die Ängste der Anwohner_innen fürsich zu nutzen.Abb. 36: Die Mitglieder der Strausberger Rechtsrock-Band “Exzess”:Tobias Vogt, Daniel und Patrick Alf (v. l. n. r.).Im Jahr 2012 beteiligten sich NPD und „Freie Kräfte“aus dem Nordosten an <strong>den</strong> Demonstrationen der NPDgegen <strong>den</strong> Euro und für die Schließung der Grenzen.Um sich für die „Grenzschließung“ einzusetzen,hatte die NPD MOL sogar 2010 eine „Bürgerwehr zurauch das Horte in Strausberg berichtete mehrfach vonAngriffen durch Nazis u.a der „ANSDAPO“. Das Label„Anti-Antifa“ wird dabei zwar in Schmierereien undals Erkennungszeichen auf Pullovern genutzt, jedochnicht durch gezielte Recherche ausgefüllt. Seit 2012


Regionalesversucht Dr. Jörg Schröder aus Eberswalde auf seinerInternetseite systematisch politische Gegner_innen zuouten. Auf “Barnimer Perspektiven“ wur<strong>den</strong> bereitsdas linke Jugendprojekt „Exil“ und die „BürgerstiftungBarnim-Uckermark“ diffamiert. Schröders Artikelwer<strong>den</strong> eins zu eins von der NPD übernommenund er selbst trat bereits als Gastredner für dieNPD auf.Subkultur und Infrastruktur48Schwerpunkt der Gewalt in der UckermarkEin genauer Blick auf die Zahl der Gewalttatenim Nordosten macht deutlich: In der Uckermarkwer<strong>den</strong> die meisten Gewalttaten begangen,insbesondere in Hinblick auf die geringe Bevölkerungsdichte.Verwickelt in Straftaten sindaußerdem auffällig viele bekannte Nazis, allenvoran: die Brüder Warnke. Während ChristianWarnke wegen des Mordes an Bernd Köhler imJuli 2008 im Gefängnis sitzt, begeht sein BruderSteffen immer wieder neue Gewalttaten. Auchdie Aktiven der „NSBUM“ und „Oderfront“ fallendurch Straftaten auf. Eine Auswahl: Im Oktober2011 griffen „Oderfrontler“ aus Schwedt jungePunks an. Einige Nazis der „NSBUM“ stan<strong>den</strong> wegenBeleidigung und gefährlicher Körperverletzung imDezember 2011 vor Gericht. Ein anderer wurde wegenZeigen des sogenannten „Kühnengruß“ verurteilt.Im März 2012 wurde der „NSBUM“ Aktivist Jan PaulJäpel zu drei Monaten Haft auf Bewährung wegenBeleidigung des “Aussteigers” Kevin Müller im November2011 in der Bahn verurteilt. Um Müller einzuschüchtern,sollen Nazis wie Klaus Mann (Ex-DVU),Robert Gebhardt (KMOB) und Gesine Hennrich (Ex-Frontbann 24) im Gerichtssaal anwesend gewesensein. Neben <strong>den</strong> Gewalttaten sind im Jahr 2012 in derUckermark diverse Straftaten auf Nazis zurückzuführen:Stoplersteine in Schwedt wur<strong>den</strong> gestohlen, dasEhrenmal für die Gefallenen der Roten Armee in Angermündebeschmiert und in Prenzlau und DedelowHakenkreuze gemalt.Finowfurt Veranstaltungsort <strong>Nr</strong>. 1„In <strong>den</strong> Sandstücken 23“ im Ortsteil Finowfurt der Gemeinde Schorfheide, liegtam Ortsrand unmittelbar an der Autobahn. Versteckt im Wald, fällt es immernur dann auf, wenn unzählige Autos dorthin verschwin<strong>den</strong> oder Unmengen vonPolizeiautos davor wachen. Das Grundstück der Familie Mann ist der bedeutendsteVeranstaltungsort für Neonaziveranstaltungen und Rechtsrockkonzerte inBran<strong>den</strong>burg. Dazu gehörte über Jahre das Sommerfest der Bran<strong>den</strong>burger DVU.Mit der Fusion von NPD und DVU auch im Land Bran<strong>den</strong>burg sowie dem Übertrittvon Mitgliedern und Mandatsträger_innen, wird das Fest seit 2011 offiziell durch<strong>den</strong> „NPD-Kreisverband Barnim-Uckermark“ ausgerichtet. Im Januar <strong>2013</strong> gründetesich der Bran<strong>den</strong>burger Landesverband der Partei „Die Rechte“, deren Vorsitzendernun Klaus und Stellvertreterin Sibylle sind. Mit sechs Konzerten im Jahr2010 ist ihr Grundstück laut Zählung des Bran<strong>den</strong>burger Verfassungsschutzesder Veranstaltungsort Nummer 1 für rechte Konzerte im Land. 2011 waren es immerhinvier der gezählten Veranstaltungen, dazu gehörten auch der „Preußentag“der NPD am 01. Oktober, mit Nazibands wie „Frontalkraft“ aus Cottbus, oder dasSommerfest am 25. Juni mit „Preussenstolz“ aus Potsdam, „Legion of Thor“ ausBremen und „Exzess“ aus Strausberg. Am 29. Januar 2011 fand ein Rechtsrockkonzertstatt, das zuvor als „Solikonzert bei Polen“ angekündigt wurde. Wie so ofthandelte es sich bei solchen Ortsangaben um das Grundstück der Manns.Abb. 37: Sybille und Klaus Mann bei einer DVU-Veranstaltung inEberswalde 2008.In jedem Jahr findet zur Sommersonnenwende, immerum <strong>den</strong> 21. Juni, dass Sommerfest der DVU bzw.seit 2011 der NPD in Finowfurt statt. Auch die Wintersonnenwendeum <strong>den</strong> 21. Dezember stand 2011auf dem neonazistischen Terminkalender. Die Sonnenwendfeiergilt in der Naziszene als Rückbesinnung aufgermanische und heidnische Wurzeln, das Volk, sowieBlut und Bo<strong>den</strong>. Im Dezember 2011 plante die NPDauf dem von ihr genutzten Gelände in Biesenthal eineFeier. Der intern angekündigte Termin gelangte an Antifaschist_innen,die zu Protesten vor dem Gelände aufriefen.Die Veranstaltung fand nicht in Biesenthal statt,die NPD behauptete im Nachgang, dass von Anfangan in der Uckermark gefeiert wer<strong>den</strong> sollte.Musik und VeranstaltungsorteDrei Landkreise, drei bekannte Nazibands: „Exzess“aus Strausberg (MOL), „Jungvolk“ aus Schwedt (UM)und „Preußenfront“ aus Bernau (BAR). Sowohl beiExzess als auch bei Preußenfront sind Bandmitgliederfür die DVU aktiv gewesen: Partick Alf, Drummer vonExzess und Kai Hasselmann von Preußenfront traten2008 zu <strong>den</strong> Kommunalwahlen für die DVU an, erlangtenjedoch nicht genug Stimmen für <strong>den</strong> Einzug indie Parlamente. Beide Bands spielten auch auf Festender NPD, u.a. 2010 während des „Preußentags“ oder2011 zum NPD-Sommerfest. „Jungvolk“ dagegen isteinerecht neue Band mit „Pommerscher und Bran<strong>den</strong>burgerBeteiligung“. 2011 veröffentlichte die Band dasAlbum „Der letzte Gang“, auf der sie im Booklet dieSchwedter Nazigruppe „Oderfront“ erwähnen.Wichtigster Veranstaltungsort, nicht nur für <strong>den</strong> Nordosten,sondern für ganz Bran<strong>den</strong>burg ist ohne Fragedas Grundstück von Klaus Mann in Schorfheide (OTFinowfurt). Neben <strong>den</strong> Parteifeierlichkeiten fin<strong>den</strong>dort regelmäßig Rechtsrockkonzerte statt. Darüberhinaus waren in <strong>den</strong> letzten Jahren zwei Orte für Naziveranstaltungengefragt: Der „Alte Dorfkrug“ im BernauerOrtsteil Schönow beherbergte nicht nur NPDVersammlungen, wie <strong>den</strong> Landesparteitag 2007 und


<strong>2013</strong>, sondern auch rechte Liederabende und Konzerteder Band „Kategorie C“. Zuletzt, am 20. Juni 2011,spielte „Kategorie C“ vor 150 Nazis und rechten Hooliganszusammen mit der Band „Notlösung“ und derRapperin „Dee Ex“. Nutzbar für die Naziszene ist seit2008 auch ein Gelände mit drei Gebäu<strong>den</strong> in der Erich-Mühsam-Straße (ehemals Lanker Straße) in Biesenthal.Offiziell dient dafür die DEVASTA GmbH, dessenGeschäftsführung zu Beginn Mike Sandow, ehemaligerNPD Stadtverordneter übernahm. Da dass Gelände durchrechtliche Auflagen für größere Ver-anstaltungennicht mehr nutzbar ist, sind nur noch kleinere Aktivitätenbekannt gewor<strong>den</strong>. Neben NPD-Feiern gehörteauch ein Camp der „Gemeinschaft Deutscher Frauen“im Jahr 2010 dazu. Die „GDF“ ist eine bundesweit aktiveFrauengruppe, dieder NPD nahe steht.Die kleineren Versammlungenfin<strong>den</strong> nahezuunbemerkt statt und soruft die NPD zu Arbeitseinsätzenund Stammtischenin die kleineStadt in der Nähe vonBerlin. Die NPD nutztdas Gelände jedochnicht allein. Die Partei“Die Rechte Bran<strong>den</strong>burg”gründete sichdort im Januar <strong>2013</strong>.ModeDer Eberswalder GordonReinholz und derJoachimsthaler ChristianBanaskiewicz,beide ehemaliger Aktivisten des „Märkischen Heimatschutzes“betreiben mehrere Versände im NordostenBran<strong>den</strong>burgs. Ba-naskiewicz betreibt nebendem „NMV-Versand“, dessen Verantwortlicher zuvorReinholz war, die Internetversände „FightBack24“und „Enos24 <strong>–</strong> Einherje“. Im Sortiment fin<strong>den</strong> sichneben eindeutigen Neonazi-Shirts vor allem gewaltverherrlichendeHooligan-Klamotten sowie diverservölkischer Kram. Banaskiewicz betreibt in Joachimsthalaußerdem <strong>den</strong> „CB-Textilvertrieb“ und ist Geschäftsführerdes La<strong>den</strong>s „Textilvertrieb“ in derFreienwalder Straße 80a in Eberswalde. Der La<strong>den</strong>,eigentlich von Gordon Reinholz, beheimatet auch diegenannten Internetversände. Zu <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> MHS-Aktivisten gesellt sich auch der ex-“ANSDAPO“ AktivistFalko Hesselbarth, er ist Verantwortlicher für dieInternetseiten des „NMV-Versand“ und des „Textilvertrieb“in Eberswalde. Außerdem führt er einen eigenenVersand: „Painfull Crazy“ (pfc-wear). Einen weiterenInternetversand betreibt René Herrmann, Administratorder Homepage von “Die Rechte Bran<strong>den</strong>burg”, Ex-NPD Aktivist und ebenfalls ehemaliger MHS´ler. Sein„Zentralversand“, der auf der Homepage von “DieRechte Bran<strong>den</strong>burg” beworben wird, bietet die üblichenNeonazi-Accessoires an: Aufnäher mit typischenParolen wie „Todesstrafe für Kindermörder“, „Ehrewem Ehre gebührt“ und „Good night left side“. Danebenfin<strong>den</strong> sich weitere demokratiefeindliche, nationalistischeund gewaltverherrlichende Aufkleber undAnstecker. Auch eigene Drucke sind bei Banaskiewiczund Reinholz möglich. Diesführt dazu, dass sich die lokale Naziszene immer wiederneue Pullover gestalten lässt. Ebenfalls zu erwähnenist, dass Nazis aus dem Barnim in Berlin beim “ReconquistaVersand” arbeiteten. Im November 2011wur<strong>den</strong> Razzien im Lager und bei Mitarbeiter_innendurchgeführt, u.a in Lin<strong>den</strong>berg, Panketal und Bernau(alles Barnim).Rocker und SecurityEin äußerst undurchsichtiges Zusammenspiel zwischenRockern und Nazisist in Eberswalde undBad Freienwalde zubeobachten. Vieles dabeischeint eher Modezu sein <strong>–</strong> so treten diverseNazis gern in sogenanntenKutten auf,um ein martialischesÄußeres zu suggerieren.Einen Rockerclubmit Nazikontakten gibtes in Eberswalde: GordonReinholz tauchteals Kontaktperson fürdie „Dragsäue“ ausEberswalde in einemRockermagazin auf.Die „Dragsäue“ bestreiteneine Verbindungund bezeichnen sichselbst als unpolitischenZusammenschluss von Motoradfahrern. Im naheliegen<strong>den</strong>Bad Freienwalde sollen ebenfalls Neonazis imKreise des Gremium MC unterwegs sein. Auch in derUckermark beziehen sich Nazis positiv auf Rocker.Im Juli 2012 wurde ein Nazi der „Oderfront“ wegenKörperverletzung verurteilt, er hatte einen jungenMann geschlagen, weil dieser “Brigade 81 ist Scheiße!”äußerte. „Brigade 81“ ist eine Unterstützergruppe derRocker „Hells Angels“.Abb. 38: Christian Banaskiewicz betreibt mehrere Internetversände, in<strong>den</strong>en er nicht nur Neonaziklamotten sondern auch auf <strong>den</strong> ersten Blick“unpolitische” Rocker und Hooligankleidung vertreibt. Im Bild: Banaskiewiczam Rande des Naziaufmarsches am1. Mai 2010 in Berlin Prenzlauer Berg.RegionalesKeine Rocker, aber ebenso gewaltaffine Nazis, fin<strong>den</strong>sich im Security-Bereich. So lässt sich in Strausbergund Bernau seit vielen Jahren beobachten, wie ehemalsaktive und wegen Gewalttaten verurteilte Nazisdie städtischen Feste als Mitarbeiter von Security-Firmen bewachen. Diskussionen um die von der Stadtbezahlten Sicherheitsfirmen verlaufen nach dem gleichenMuster: Solange sich die Nazis nichts zu Schul<strong>den</strong>kommen lassen, können sie dort arbeiten. Argumentiertwird darüber hinaus, dass es sich dabei umehemalige Nazis, gar um Aussteiger, handle. Allerdingssind diese nur inaktiv, haben ihr Gedankengut damitnicht verändert, und die Kontakte in die aktive Szenesind weiterhin erkennbar.Ein immer noch aktiver Security ist Daniel Herrmann.Er ist militanter ex-ANSDAPO-Aktivist und wur<strong>den</strong> in49


50Regionales<strong>den</strong> 1990er Jahren wegen Totschlags an einem Vietnamesenzu mehreren Jahren Haft verurteilt. Er unterhältneben alten Kontakten zu Sebastian Schmidtkeund ehemaligen Mitgliedern der ANSDAPO auchenge Kontakte zu der Rechtsrockband „Exzess“, sofungierte er auch als Schutz bei deren Auftritt beim„Deutsche Stimme Pressefest“ der NPD. In seinemWohnumfeld sind dieBandmitglieder sehrkontinuierlich zu sehen,sowie eine flächendeckendeBeklebungmit Neonaziaufklebernund Aufklebernder neonazistischenBand „Lunikoff Verschwörung“.Nebenbeipflegt er Kontakte zuregionalen Rockergruppierungenund organisiertSicherheitsdienstleistungenallerArt.Vereinsleben: Ponys,Fußball und mehrOb im Fußball oder beider Feuerwehr - Neonazis sind in vielen Vereinen dabei.Im Jahr 2011 machte jedoch ein ganz anderer Vereinwegen seiner Naziverbindungen Schlagzeilen: Das„Märkische Familien- und Hilfswerk e.V.“, mit Sitzauf einem Reiterhof in Blumberg (Barnim) von IngoPannier (NPD) und Jana Michaelis (GDF), war einNPD-Tarnverein. Mit der Internetseite „volksschutz.info“ wollte der Verein Spen<strong>den</strong> einsammeln. Der Verein,dessen Tätigkeiten kurz nach der Gründung wiederabbrachen, bestand aus aktiven und ehemaligenNPD Mitgliedern, wie Mike Sandow aus Biesenthal, AileenRokohl aus Bernau und Maik Hampel, ex-NF undHNG-Aktivist aus Hennigsdorf (Oberhavel). Der Reiterhofvon Pannier und Michaelis diente als Treffpunktfür die Szene. Pannier, ehemals im Bran<strong>den</strong>burgerLandesvorstand der NPD, zog sich aus der Parteipolitikzurück; die Internetseite nutzt er mittlerweile fürsein Versicherungsunternehmen. Auch er gehört zujenen Nazis, die sich im Dunstkreis von Rockern bewegenund tauchte auf Feiern der „Dragsäue“ in Eberswaldeauf.In der Uckermark trifft man einige andere NPD´ lerbeim Fußball an: Sven Gläsemann, NPD- Ortbereichsleiterin Prenzlau ist als Torwart u.a. für “NeunFußballfreunde” und dem “FC Einheit 06” bekannt.“FC Einheit 06” hatte sich 2008 im Internet mit Neonazikameradschaftenwie “Heimatschutz Germania”und “Nationale Aktivisten Uckermark” zu einem“Bündnis Uckermark” zusammengeschlossen. WeiteresBeispiel für Neonazis im Sport ist ein Schiedsrichterdes Fußballkreises Ost-Uckermark. Er propagierteoffen bei Facebook seine antisemitischen und rassistischenPositionen. Die selbe Person spielt Tischtennisbeim „TTV Empor Schwedt“. Auch Hartmut Kneider,ehemaliger Vorsitzender des „NPD-KreisverbandsBarnim-Uckermark,“ tummelt sich in anderen vermeintlichunpolitischen Vereinen, so sitzt er im Vorstanddes „SchützenvereinsSV Strasburg1419“. “Ein ganz normalesMitglied”, nenntihn der Presse-wartdes Vereins. Ebensogibt es neonazistischeFussballfans in der Regionum Strausberg,wovon ein Teil Endeder 1990er Jahre immerwieder an Angriffenauf alternativeJugendliche beteiligtgewesen ist. Außerdemkommt es auch im Umfelddes Verbandsligisten„FC Strausberg“ zuProvokationen in Richtungder Gästeteams.Nicht unüblich, wennbeispielweise das Amateursteam des „SV Babelsberg03“ zu Gast ist. Sprüche wie „Babelsberg 03 <strong>–</strong> Arbeitmacht frei“ oder andere neonazistische Sprüchewer<strong>den</strong> gebrüllt. Darüber hinaus pflegen einige HeimfansKontakte zu Alt-Hooligans des BFC Dynamo. Zueinem der bekannten Gäste zählt auch Rene Berger,ehemaliger ANSDAPO-Aktivist.Abb. 39: Gordon Reinholz (Bildmitte) bei einer Feier des MC Dragsäue inEberswalde. Er fungierte als Ansprechpartner für die angeblich “unpolitischen”Vereinigung. Auf Partybildern findet sich eine Vielzahl von NPDund Kameradschaftsaktivisten.Fazit:Dreh- und Angelpunkt bleibt, trotz vermehrten Austritten,die NPD. Sie bietet finanzielle und strukturelleRessourcen, auf die auch so genannte „Freie Kräfte“zurückgreifen können. Klaus Mann und “Die RechteBran<strong>den</strong>burg” wer<strong>den</strong> für <strong>den</strong> Nordosten weiter anRelevanz gewinnen, so hat das Grundstück der Mannsin Finowfurt eine überregionale Bedeutung in derNeonazisszene. Die Verbindung zwischen Partei undparteiunabhängigen Neonazis ist eng, können dochbeide Seiten kaum eigene Aktionen auf Grund wenigerAktivist_innen durchführen. Eine wichtige Bedeutunghaben Musik und Mode im Nordosten Bran<strong>den</strong>burgs.Neonazis geben scheinbar lieber Geld für neue Pulloveraus, als sich an politischen Aktivitäten zu beteiligen.Wenn sie sich jedoch politisch äußern, greifen sieauf ein Spektrum an rassitischer, antisemitischer undnationalsozialistischer Propaganda zurück. Diese sindjedoch weder inhaltlich fundiert noch konkret ausformuliert.So bleibt es bei einfachen Parolen und Stimmungsmache,die nicht selten in Gewalt umschlägt.


RegionalesDer braune WestenPM-HVL-PR-OPR-OHV-BRB51Abb. 40: Reisefreudige Aktivist_innen: Neonazis aus Westbran<strong>den</strong>burg, darunter Franz Poppendieck (1. v. l.),während eines Aufmarsches in Stolberg (Nordrhein-Westfalen).Im westlichen Bran<strong>den</strong>burg ist ein recht (personal)starkes neonazistisches Potential vorhan<strong>den</strong>, derenbemerkenswerte Aktionsräume vor allem die StädteNeuruppin, Bran<strong>den</strong>burg an der Havel, Rathenow,Nauen und Oranienburg sind. Darüber hinaus spielenaber auch Kleinstädte, wie Wittstock/Dosse, Pritzwalk,Bad Belzig, Premnitz, Velten oder Hennigsdorf inder Verbindung mit <strong>den</strong> erstgenannten Räumen eineRolle.NPD als führende NeonaziorganisationPolitisch fühlt sich hier vor allem die „NationaldemokratischePartei Deutschlands“ (NPD) berufen,sich als führende Kraft im Milieu zu etablieren. Insbesonderein <strong>den</strong> Landkreisen Havelland und Potsdam-Mittelmarkgibt es dazu fruchtbare Ansätze. Hieragieren vor allem Funktionäre verbotener Neonaziorganisationen,die einen engen Bezug zu so genannten„Freien Kräften“ haben und diese effektiv in dieParteiarbeit einbeziehen können. HerausragendeFiguren sind dabei u.a. der NPD KreisverbandsvorsitzendeMichel Müller aus Rathenow, vormals beider Kameradschaft „Hauptvolk“ (Verbot 2005) aktiv,und Stefan Rietz aus Kloster Lehnin, vorbestraftwegen Weiterführung der verbotenen Vereinigung„Blood&Honour“ (Verbot 2000).Beide (Rietz bis 2012) sind bzw. waren Mitglieder desLandesvorstandes der Bran<strong>den</strong>burger NPD, in dessenRahmen Müller für die Landesorganisation zuständigist. Daneben betreut er als regionale Führungskraftauch die Ortsverbände und Parteistützpunkte in Rathenow,Bran<strong>den</strong>burg an der Havel, Potsdam, Beelitz,Nauen sowie Falkensee, die im “Kreisverband Havel-Nuthe” zusammengefasst sind.Höchstes Organ dieser Parteisektion ist dabei derKreisvorstand, der sich regelmäßig, z.B. in „BerniesLandhaus“ in Nauen, trifft.Darüber hinaus gibt es aber noch weitere regelmäßigeZusammenkünfte, wie „Strategietreffen“, „Vernetzungstreffen“,„Stammtische“ oder die „Jahreshauptversammlungen“,die der Koordinierung oder Schulungdes Kreisverbandes dienen. Daneben wer<strong>den</strong> hier auchalle Aktionen der Partei oder ihrer Sympathisant_innenbesprochen.Als wichtigstes Aktions- und Agitationsmittel setzteder “NPD Kreisverband Havel-Nuthe” in der Vergangenheitvor allem auf öffentliche Veranstaltungen, wieDemonstrationen, Kundgebungen oder so genannte„Mahnwachen“ in Bran<strong>den</strong>burg an der Havel, Rathenow,Nauen, Werder (Havel), Teltow, Treuenbrietzenoder Falkensee. Dabei wur<strong>den</strong> in der Regel gezieltThemen gewählt, mit <strong>den</strong>en die Partei einen Einflussauf aktuelle politische oder historische Diskussionen


52RegionalesAbb. 41: Das NPD Führungsduo in Westbran<strong>den</strong>burg: Michel Müller(1. v. l.) und Stefan Rietz (3. v. l.). Im <strong>Hinter</strong>grund: Andy Knape,JN-Vorsitzender in Sachsen-Anhalt.erhoffte. Insbesondere die regelmäßige Erinnerung andie Bombardierung havelländischer Städte, wie Rathenow(18. April 1944) und Nauen (20. April 1945),während des Zweiten Weltkriegs sind ein Hauptanliegender lokalen „nationaldemokratischen“ Öffentlichkeitsarbeit.Die Bombenangriffe wer<strong>den</strong> allerdingsstets aus dem Kontext des Krieggeschehens herausgelöstund die tatsächliche Ursache des Krieges verschwiegenoder verfälscht dargestellt. Die Erinnerungan die Opfer erfolgt nur einseitig und eine Versöhnungüber <strong>den</strong> Gräbern ist überhaupt nicht eingeplant. Stattdessensind Versuche der Relativierung der NSKriegsverbrechen deutlich erkennbar.Insbesondere die Mahnwachen anlässlich desBombenangriffs in Nauen, die seit 2010 stattfin<strong>den</strong>,stellen darüber hinaus eine zusätzliche Provokationdar. Am 20. April feiert das neonazistische Milieu nämlichauch gern <strong>den</strong> Geburtstag von Adolf Hitler.Die zunehmende öffentliche Sensibilisierung fürsolche Veranstaltungen und Provokationen sowie dieentsprechen<strong>den</strong> antifaschistischen oder zivilgesellschaftlichenGegenaktivitäten lassen aber langfristigeinen Strategiewechsel erwarten. In einerKorrespon<strong>den</strong>z zwischen Michel Müller und dem(ehemaligen) „Schattenleiter“ der “NPD OrtsgruppeBran<strong>den</strong>burg an der Havel” ist diesbereits 2010 diskutiert wor<strong>den</strong>. Dabei erwuchsdie Idee vermehrt auf das Verbreiten von neonazistischerPropaganda mit Hilfe von persönlichzugestellten Flugblättern zu setzen.Tatsächlich wurde diese Aktionsform lokal inBran<strong>den</strong>burg an der Havel getestet und massivwährend des Landtagswahlkampfes im Jahr2011 in Sachsen-Anhalt angewendet. AuchNeonazis aus Westbran<strong>den</strong>burg unterstütztendabei <strong>den</strong> Wahlkampf der Partei im benachbartenBundesland. Geholfen hat es allerdings nurbedingt, die NPD verfehlte knapp <strong>den</strong> Einzug inssachsen-anhaltinische Landesparlament.Trotzdem hält der “NPD Kreisverband Havel-Nuthe” an dieser Strategie fest und führte bis indie jüngste Zeit größere, flächendeckende Flugblattaktionendurch. Dabei stan<strong>den</strong> vor allem Kampagnen, diesich gegen eine vermeintliche Bevorteilung von Ausländer_innenam bundesrepublikanischen Krankenkassensystemsowie gegen die europäische Währungseinheit(Euro) richteten, im Vordergrund.Auch 2012 und vor allem im Hinblick auf die kommen<strong>den</strong>Wahlen <strong>2013</strong> und 2014 muss deshalb miteiner ähnlichen Herangehensweise gerechnetwer<strong>den</strong>.Die NPD plant langfristig und strebt vor allemeine lokale Verankerung an.Will sie als politische Partei ernst genommenwer<strong>den</strong>, muss sie sich deshalb auch in <strong>den</strong> Kommunalparlamentenbewähren, in <strong>den</strong>en sie seit2008 vertreten ist.In Westbran<strong>den</strong>burg ist die NPD beispielsweisebereits mit <strong>den</strong> Abgeordneten DieterBrose und Maik Schneider im havelländischenKreistag sowie mit Axel Dreier und Detlef Appelim Kreistag Oberhavel vertreten. Darüberhinaus gibt es Stadtverordnete oder Gemeindevertreter_innender NPD in Nauen (Maik Schneider),Oranienburg (Detlef Appel und ReimarLeibner), Fürstenberg (Heike Popiela)und Mühlenbeck (Lore Lierse). Die Arbeit derAbgeordneten beschränkt sich jedoch mangelsFraktionsstatus hauptsächlich auf provokative Anfragenund Redebeiträge, die <strong>den</strong> politischen Gegneroder sonstige Feindbilder treffen und eine öffentlicheResonanz oder gar einen gesellschaftlichen Diskurshervorrufen sollen.Dennoch versucht die Partei, vor allem die Aktivist_innenin <strong>den</strong> nordbran<strong>den</strong>burgischen Orten, diedem “NPD Kreisverband Oberhavel” zu zuordnensind, betont bürgerlich aufzutreten, um das Bild einererwachsenen Kraft aus der vermeintlichen „Mitte derGesellschaft“ vorzutäuschen.Der oberhavelländische Verband setzt deshalb wenigerauf öffentliche Veranstaltungen, die in erster Linieerlebnisorientierte Jugendliche anlocken. Vielmehrwird versucht durch das Verbreiten von Flugblätternoder Pressearbeit an die tragen<strong>den</strong> Schichten der Gesellschaftzu appellieren.Abb. 42: Der NPD-Abgeordnete Reimer Leibner (1. v. l.) hält engen Kontaktzu <strong>den</strong> “freien Kräften”. Das Foto zeigt ihn mit Marvin Koch (2. v. l., NSFKN)während des Aufmarsches in Stolberg.Aktivitäten der NPD Jugendorganisation


Die Jugendarbeit im Sinne der Partei obliegt im “NPDKreisverband Oberhavel” dagegen eher <strong>den</strong> „JungenNationaldemokraten“ (JN) bzw. deren wahrnehmbarenStützpunkt in Oranienburg, unter FührungAbb. 43: Der NPD-Abgeordnete Maik Schneider (1. v. l.) im Gespräch mitSebastian Richter (2. v. l., JN BuVo), während einer Kundgebung Velten.von Markus Schmidt.Allerdings hielt sich das (öffentliche) Engagement fürdie Jugend in der jüngsten Vergangenheit auch eher inGrenzen. Lediglich die Störaktionen gegen einen antifaschistischenInformationsabend und eine SPD Wahlkampfveranstaltung,beides in Oranienburg, sowieeine Kundgebung in Velten sind als besondere Auffälligkeitenzu bemerken.Die relative Inaktivität der lokalen JN Strukturenmochte dabei auch der Umzug des JN-BundesvorstandmitgliedesSebastian Richter von Südbran<strong>den</strong>burgan <strong>den</strong> nördlichen Berliner Rand nicht ändern.Richter selber hatte so im Jahr 2010 drei Kundgebungenangemeldet, jedoch nur eine davon tatsächlich durchgeführt.Personelle Überschneidungen zwischen JN und „FreienKräften“ sind übrigens fließend. Einige JN Kaderwaren früher bei der Kameradschaft „MärkischerHeimatschutz“ aktiv, andere engagiertensich parallel bei <strong>den</strong> verbotenen „Spreelichtern“.RegionalesVielfach aktiv im Landkreis Oberhavel waren inder Vergangenheit auch die NPD und JN <strong>–</strong> nahenKräfte, wie beispielsweise die 2009 verbotene„Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ).Diese Vereinigung indoktrinierte zielgerichtetKinder und Jugendliche in ihrer Obhut mit nationalsozialistischerPropaganda.Ähnlich wie die bereits im Jahr 1994 verbotene„Wiking Jugend“ (WJ) versuchte die Organisationdabei vor allem durch erlebnisorientierteAngebote, wie gemeinsame Fahrten, Zeltlageroder Wanderungen ein Interesse zu wecken, umdann bei so genannten „Bildungsveranstaltungen“knallharte NS Ideologie zu verpflanzen.Im Zuge der Verbotsvorbereitung und nach der Verbotsverfügungfür die HDJ waren auch NPD Mitgliederund Mandatsträger, wie beispielsweise Maik Schneider,von <strong>den</strong> Razzien der Polizei betroffen.Der Versuch einer Ersatzorganisation für die HDJ istdie Interessengemeinschaft Fahrt und Lager inder JN. Erwähnenswerte Aktivitäten wur<strong>den</strong> inBran<strong>den</strong>burg jedoch noch nicht bekannt.Eine weitere nennenswerte neonazistische Organisationim Landkreis Oberhavel ist das sogenannte „Deutsche Rechtsbüro“ in Birkenwerder.Diese Vereinigung unterstützt kriminelle Neonazisdurch rechtlichen Beistand sowie Solidaritätskundgebungen.Vorsitzender des „Deutschen Rechtsbüros“ istder Rechtsanwalt Wolfram Nahrath, ehemaligerVorsitzender der „Wiking Jugend“, ehemaligerFunktionär der „Heimattreuen DeutschenJugend“ und NPD Mitglied.Er verteidigte beispielsweise einen Tatbeteiligtender „Hetzjagd von Guben“ (1999) oder <strong>den</strong>Bandleader der verbotenen Naziskinband „RaceWar“ (2006).Über seine anwaltliche Tätigkeit hinaus, solidarisierter sich aber auch auf öffentlichen Kundgebungenmit verurteilten neonazistischen Straftätern.Am 26. März 2011 führte Wolfram Nahrath vor der JVABran<strong>den</strong>burg an der Havel beispielsweise eine Veranstaltungmit ungefähr 250 Teilnehmer_innen für dieFreilassung des dort inhaftierten HolocaustleugnersHorst Mahler durch. Zu dieser Kundgebung reistenGleichgesinnte aus der ganzen Welt an.„Freie Kräfte“ als Stütze der NPD53Sonstige NPD nahe OrganisationenAbb. 44: Wolfram Nahrath, hier während eines Aufmarsches am 2. Juni2012 in Hamburg, ist nicht nur politisch für neonazistische Organisationen,sondern betreut mit seinem “Deutschen Rechtsbüro” auch straffälliggewor<strong>den</strong>e Szeneangehörige.Ebenfalls am 26. März 2011 in Bran<strong>den</strong>burg an derHavel anwesend waren auch Mitglieder vieler lokalerNeonazivereinigungen, wie beispielsweise der „FreienKräfte Neuruppin/Osthavelland“ (NSFKN).Diese Gruppierung ist eine der aktivsten neonazistischenPersonenzusammenhänge in Westbran<strong>den</strong>burg.Die Vereinigung ist hauptsächlich in Nauen undNeuruppin beheimatet, tritt dort vor allem durch dasmassive Verbreiten von Neonazipropaganda in Form


54Regionalesvon Flugblatt- und Plakataktionen, Durchführung vonKundgebungen, „Mahnwachen“ und Demonstrationenin Erscheinung.Allein in Neuruppin veranstalteten die NSFKN seitAbb. 45: “Freie Kräfte Neuruppin” (NSFKN) während eines Aufmarschesam 24. September 2011 in Neuruppin.2009 fünf Märsche und eine Kundgebung. In Nauenführte die Gruppierung, gemeinsam mit dem “NPDKreisverband Havel-Nuthe” bzw. dem “NPD StadtverbandNauen”, bisher vier „Mahnwachen“ durch.Darüber hinaus wer<strong>den</strong> auch so genannte „Vernetzungstreffen“,„Reichsgründungsfeiern“ oder „Sonnenwendfeiern“durchgeführt, die der Vereinigung vermutlicheine dauerhafte personelle Substanz als festesKollektiv sichern soll.Die führen<strong>den</strong> Mitglieder der NSFKN, die GeschwisterBeatrice und Marvin Koch, traten dabei auch immerwieder als Redner_innen bei Veranstaltungen in <strong>den</strong>Vordergrund.Insbesondere Beatrice Koch ist zudem zusätzlich fürdie NPD aktiv und spielt offenbar eine nicht unwesentlicheRolle im Vorstand des “NPD Kreisverband Havel-Nuthe”.Der eingangs erwähnte NPD AbgeordneteMaik Schneider ist ebenfalls <strong>den</strong> „Freien KräfteNeuruppin/Osthavelland“ zu zurechnen.Inzwischen existiert seit 2011 auch ein “NPDStadtverband” in Neuruppin, der von Kadernder NSFKN, wie dem momentanen OrtsverbandsleiterDave Trick, und einem zugezogenenParteifunktionär, Dennis Franke aus Göttingen,sowie Mitgliedern des NPD KreisverbandesOberhavel aufgebaut wurde und von dort ausversucht das Umland in <strong>den</strong> “NPD KreisverbandPrignitz-Ruppin” zu integrieren. Indiesem Zusammenhang sind vor allem Propagandaaktionen,wie das Verteilen von Flugblättern,bekannt gewor<strong>den</strong>. Veranstaltungen, wieeine Mahnwache im Juni 2011 oder der NPDBundesparteitag am 12. und 13. November2011, wur<strong>den</strong> jedoch anfangs hauptsächlich inNeuruppin beobachtet. Am 20. Oktober 2012veranstalteten die ruppinschen NPD Funktionärejedoch eine „Wandermahnwache“ in Pritzwalk,Wittstock/Dosse und Rheinsberg. Dabei zeigtesich auch einmal mehr die enge Verbindung zwischenPartei und ungebun<strong>den</strong>en Aktivist_innen.Weitere Beispiele für eine enge Anbindung der „FreienKräfte“ an die NPD existieren zu dem im Westhavelland.Dort engagieren sich die „freien“ Aktivist_innender „Nationale Sozialisten Premnitz“, „FreieKräfte Westhavelland“, „Freie Nationalisten Rathenow“,„Freie Kräfte Rathenow“ und „BundVolkstreuer Mädel Westhavelland“ fast ausschließlichfür Aktionen und Veranstaltungender „nationaldemokratischen“ Partei. „Freie“ Internetseiten(wenn vorhan<strong>den</strong>) wer<strong>den</strong> zu demnicht mehr aktualisiert oder sind bereits abgeschaltet.Aktivere Zellen „freier Kräfte“ sind neben <strong>den</strong>in Neuruppin und Nauen („Freie Kräfte Neuruppin/Osthavelland“)vor allem in Bran<strong>den</strong>burgan der Havel („Freie Kräfte Bran<strong>den</strong>burg/Havel“, „Nationale Sozialisten Bran<strong>den</strong>burg“,„Freie Aktionsgruppe Bran<strong>den</strong>burg“) undWittstock („Weisse Wölfe Terrorcrew <strong>–</strong> SektionWittstock“) zu beobachten.Allerdings geht deren Engagement selten überdas verbreiten von Flugblättern, Plakaten undAufklebern oder der Teilnahme an neonazistischenAufmärschen hinaus.Eine <strong>den</strong>noch in diesem Zusammenhang erwähnenswerteVereinigung, sind die sogenannten „FreienKräfte Ost“ (FKO). Hierbei handelt es sich um einNetzwerk von Neonazis aus <strong>den</strong> westbran<strong>den</strong>burgischenStädten Oranienburg, Neuruppin, Wittstock/Dosse und Bran<strong>den</strong>burg an der Havel.Die Gruppierung tritt seit spätestens 2011 in Erscheinungund nutzt vor allem das virtuelle Social Network,also Internetseiten wie Jappy oder Facebook, alsVernetzungsplattform.Begründer der „Freien Kräfte Ost“ scheinen PatrickSchulz und Toni Gusek aus Oranienburg zu sein, dievormals bereits im aufgelösten „Sturm Oranienburg“aktiv waren. Gusek, der im virtuellen Social Networkeine FKO-Gruppe bei jappy.de gegründet hat und auchbei Aufmärschen als Führungskader auftritt, dürfteauch für die (ehemalige) Internetpräsenz der „FreienAbb. 46: Mitglieder und Sympathisanten der “Weisse Wölfe Terrorcrew”aus Hamburg und Wittstock/Dosse, während eines Aufmarschesam 1. Mai 2012 in Wittstock.Kräfte Ost“ verantwortlich sein, zumindest deutete derfrühere Domainname (logr.org/toni87) darauf hin.Außerhalb des Netzes fällt die Gruppe insbesonderebei neonazistischen Aufmärschen auf, bei <strong>den</strong>en sie


Regionalesauch mit eigenem Banner antritt, wie beispielsweiseam 9. Juli 2011 in Neuruppin. Hier marschierten auchMitglieder der „Freien Kräfte Ost“ aus Bran<strong>den</strong>burg ander Havel und Potsdam-Mittelmark, wie z.B. DanieloIn Untersuchungshaft wegen Unterstützung der terroristischenVereinigung „NationalsozialistischerUntergrund“ befand sich bis Juni 2012 André Eminger.Dieser wurde im November 2011 auf demGrundstück seines Bruders Maik Eminger inGrabow (Landkreis Potsdam-Mittelmark) festgenommen.Maik Eminger ist Leiter des “JNStützpunktes Potsdam”.Gewalt ist ProgrammAbb. 47: Wieder im Einsatz: Freikorps-Anführer Christopher Hartley(Mitte, mit Tarnjacke) während eines AufmarschesMeyer und Fabian Klause, mit.Besonders in Bran<strong>den</strong>burg an der Havel entfaltete dieGruppierung im Sommer 2011 eine vielfache Aktivität.Neben der Verbreitung von zahlreichen neonazistischenAufklebern, verübte die lokale Sektion so auchzahlreiche Farbanschläge auf Döner-Imbisse, Schulenund Lebensmittelmärkte. Dabei wur<strong>den</strong> NS Parolenangebracht und mit <strong>den</strong> Kürzeln „FKO“ und „NSBRB“unterschrieben.TerroristischeAnsätzeam 12. Januar <strong>2013</strong> in Magdeburg.Geplante oder tatsächlich durchgeführte Anschlägesind im Vergleich zu gewalttätigen Übergriffenjedoch eher in der Minderzahl.Es dominiert die Zahl der von Neonazis ausgeübtenphysischen Gewalt gegen „Ausländer_innen“sowie gegen vermeintliche odertatsächliche politische Kontrahenten.Die Wahl des Mittels der gewalttätigen Erniedrigungdes Opfers ist dabei jedoch nicht nur einMangel an Erziehung oder Konfliktbewältigung,sondern eher ein bewusstes Instrument der neonazistischenIdeologie. Das von Neonazis vertretendeWeltbild ist biologistisch und propagiertdie Ungleichwertigkeit von Menschen. „Ausländer_innen“gelten in der neonazistischen Ideologie deshalbzu meist als „rassisch“ minderwertig oder als Fremdkörperin der (deutschen) „Volksgemeinschaft“.Entsprechend sind Neonazis bemüht Migrant_innen,Bundesbürger_innen mit migrantischen Wurzeln oderGastarbeiter_innen wieder zu vertreiben. Bei der NPDheißt dieser Prozess „nationaler Klimawandel“, aufder Straße hingegen: brutale Peinigung bis das Blutfließt.Besonders im Raum Rathenow <strong>–</strong> Premnitz, aber auchin Oranienburg, Neuruppin, Pritzwalk, Wittstock/55Wesentlich radikaler agierte Anfang der 2000erJahre die terroristische Vereinigung „FreikorpsHavelland“ aus der Umgebung von Nauen.In der Zeit von Juli 2003 bis Juni 2004 verübtedie neonazistische Terrororganisation zahlreicheBrandanschläge auf so genannte „Döner“<strong>–</strong> und „Asia“ <strong>–</strong> Imbisse mit dem Ziel „Ausländer“aus „Deutschland“ zu vertreiben.Fünf Mitglieder der Gruppe, darunter der aktuellwieder in Falkensee aktive Anführer ChristopherHartley, wur<strong>den</strong> inzwischen rechtskräftigverurteilt.Ebenfalls rechtskräftig verurteilt wur<strong>den</strong> Neonazisaus Rathenow, Premnitz und Havelsee nachdem sie sich im Juni 2005 für eine gemeinsameTat verabredeten, dann versuchten einen Brandanschlagauf <strong>den</strong> Premnitzer Jugendclub zuverüben und erst in letzter Minute durch die vonAnwohner_innen verständigte Polizei gestoppt und inGewahrsam genommen wur<strong>den</strong>.Die Anklage lautete jedoch hier nicht auf Bildung einerterroristischen Vereinigung, sondern „nur“ auf Verabredungzu einem Verbrechen. Die bei<strong>den</strong> HaupttäterPeer Durdel und Benjamin K., zu diesem Zeitpunktführende Aktivisten der „Anti Antifa Rathenow“, wur<strong>den</strong><strong>den</strong>noch zu Haftstrafen verurteilt, die anderen kamenmit Bewährungsauflagen davon.Abb. 48: Gewalt ist Programm: Neonazis während eines Angriffs auf daslinksalternative “Mittendrin” am 1. Mai 2012 in Neuruppin.Dosse, Bran<strong>den</strong>burg an der Havel oder Bad Belzig wardies in <strong>den</strong> 1990er und Anfang der 2000er Jahre bittereRealität.Heute scheint neonazistische Gewalt in Westbran<strong>den</strong>burgallerdings in <strong>den</strong> Regionen rückläufig, wo dieNPD entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> Einfluss in lokalen Neonazistrukturengewonnen hat. Es heißt die Partei habe imMilieu zur Disziplin aufgerufen, um für bürgerlicheWählerschichten attraktiver zu wirken. Dass dies nur


Regionaleseine taktische Finte ist, beweist die Integration vonneonazistischen Gewalttätern und sogar Gewaltverbrechernin gehobenen Parteipositionen:Fabian Klause, neben sein Engagement für die FKO,zeitweise auch stellvertretender Vorsitzender der”NPD Ortsgruppe Bran<strong>den</strong>burg an der Havel”,wurde am 24. September 2012 zu 60 Stun<strong>den</strong>gemeinnütziger Arbeit verurteilt, weil er am 7.März des selben Jahres einem 25 jährigen Stu<strong>den</strong>teneinen Fausthieb ins Gesicht versetzteund anschließend mit Pfefferspray traktierte.Neonazis in Sicherheitsdiensten56Abb. 49: Fabian Klause, Gewalttäter und zeitweise stellvertretender Vorsitzenderdes NPD Ortsbereich Bran<strong>den</strong>burg an der Havel während einesAufmarsches am 21. Mai 2011 in Spremberg.Michel Müller, der Vorsitzende des “NPD KreisverbandesHavel-Nuthe” und Landesorganisationsleiter,ist so beispielsweise wegen Beihilfe zum versuchtenMord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzungvorbestraft. Er und weitere Neonazis hatten Silvester1999/2000 pakistanische Flüchtlinge in Rathenowgejagt und anschließend brutal zusammengeschlagenbzw. getreten.Auch der zeitweilige Neuruppiner NPD StadtverbandsvorsitzendeDennis Franke ist einschlägig vorbelastet.Er und weitere NPD Funktionäre waren am30. Juni 2007 an einem Überfall auf Antifaschist_innenin Pölchow (Mecklenburg-Vorpommern) beteiligt.Der Oranienburger NPD StadtverordneteReimar Leibnerwurde am 10. Oktober 2011 zueiner Geldstrafe verurteilt, weiler eine Bürgerin am 24. August2010 angepöbelt und beleidigthatte. Die Frau war bereits imJahr 2009 mit ihm aneinandergeraten,als sie dazwischen ging,nach dem Leibner ihren Mannwegen eines abgehängten NPDPlakates tätlich angegriffenhatte. Danach wurde das Paarimmer wieder von Unbekanntenbedroht. Mal waren NPDFlugblätter im Briefkasten, aneinem anderen Tag ein Tierschädelvor der Hauseingangstür,später eine tote Ratte inder Einfahrt und in sechs weiterenFällen Tierkadaver aufdem Grundstück verteilt. ImFebruar 2011 explodierte garein kleiner Sprengsatz vor demHaus der Bürgerin.Abb. 50: Der Gewalttäter Norman Steinecke (rechts)als Ordner während eines Aufmarsches der NPD am25. April 2009 in Treuenbrietzen. Links daneben:Michel Müller.In einigen Regionen machen sich private Sicherheitsdienstedie „Erfahrenheit“ und die einschüchterneWirkung der brutalen Schläger ausdem neonazistischen Milieu aber auch zu nutze.In der Vergangenheit wur<strong>den</strong> so beispielsweisebei „Security Zarnikow“ in Premnitz immerwieder Neonazis aus der verbotenen Kameradschaft„Hauptvolk“ für die „Absicherung“ vonVeranstaltungen, wie dem Premnitzer „Dachsbergfest“,oder <strong>den</strong> Objektschutz, wie demFlüchtlingsheim in Rathenow (!), eingesetzt.Unter <strong>den</strong> für Zarnikow arbeiten<strong>den</strong> Neonazis warenauch rechtskräftig verurteilte Gewalttäter und Gewaltverbrecher,wie beispielsweise der Rathenower ChristianWendt.Er und weitere Neonazis überfielen im 11. Oktober1998 einen Reiterball in Rhinow. Brutal agierte Wendtdabei mit einer Eisenstange und verletzte damit einenBosnier so schwer, dass dieser in ein künstliches Komaversetzt wer<strong>den</strong> musste.Das Opfer überlebte <strong>den</strong> Angriff nur knapp. Wendtwurde wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mitgefährlicher Körperverletzung und schweren Landfrie<strong>den</strong>sbruchszu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.Gleich nach seiner Haftentlassung im Jahr 2002 arbeiteteer jedoch schon für „Security Zarnikow“ in Premnitz.Erst die öffentliche Thematisierungdieser und ähnlicherFälle, insbesondere derBewachung des RathenowerFlüchtlingsheimes durch Neonazis,führte zu einem Um<strong>den</strong>kenin der Region. Der Sicherheitsdienstwur<strong>den</strong> abgezogen unddie Neonazis entlassen.Wendt, der nach wie vor nichtmit dem Neonazimilieu gebrochenhat, arbeitet heute jedochwieder für einen Wachschutzund „sicherte“ bis vor kurzemu.a. sogar <strong>den</strong> Optikpark in Rathenowbei Veranstaltungen ab.Gewalttäter SportFür die kämpferische Auslebungihrer völkischen, rassistischenund antisemitischenIdeologie bil<strong>den</strong> sich Neonazisinsbesondere in Kampf- undMannschaftssport weiter.


Über Jahre führten insbesondere die verbotenen Kameradschaften„Hauptvolk“ und „Sturm 27“ in Rathenowbeispielsweise regelmäßige Trainingskurse fürBoxen, Kickboxen und ähnliche Kampfsportarten ineigenen Räumlichkeiten oder in<strong>den</strong> lokalen Studios durch.Diese Fähigkeiten wur<strong>den</strong> dannauch auf der Straße konsequentumgesetzt. Besonders berüchtigthierfür war der RathenowerNeonazischläger Norman Steinecke(Sturm 27). Nach Übergriffenim Jahr 2004 und 2006wurde er dafür allerdings auchrechtskräftig verurteilt.Trotzdem oder gerade deshalbwurde und wird Steinecke immerwieder bei Neonaziaufmärschen,so u.a. in Magdeburg,Halle/Saale oder Dres<strong>den</strong> alsOrdner eingesetzt.Ebenfalls als Ordner bei Aufmärschendes neonazistischenMilieus, so u.a. in Magdeburg,wurde André Seltmann (Hauptvolk)eingesetzt. Er kämpft alsKickboxer auch bei so genannten„Fight Nights“ und ist „GermanChampion IBBO 300“.Neben der individuellen Förderung der Kampfstärkebetreiben Neonazis aber auch gemeinschaftsförderndeMannschaftssportarten, wie Handball oder Fußball.In Rathenow hatte beispielsweise die Kameradschaft“Hauptvolk” eine eigene Fußballmannschaft, mit Namen„Sportvolk“, die von 2004 bis 2006 sogar amregulären Stadtligabetrieb teilnahm. Im Nachgangzum Kameradschaftsverbot wurde jedoch auch einSpielverbot für das „Sportvolk“ erwirkt, so dass dieMannschaft im Wesentlichen inaktiv ist. Das selbe giltauch für die 2006 gegründete „Sportvereinigung 06e.V.i.G.“, die aus Mitgliedern des “NPD StadtverbandesRathenow” bestand.Lediglich bei Fanturnieren des “BerlinerFußballclub Dynamo” (BFC) wurde in letzterZeit ein öffentlicher Auftritt einer Auswahlbeider Mannschaften beobachtet.Der BFC ist bei Neonazis ein sehr beliebterVerein, zu dessen Spielen sie auch regelmäßigfahren.Insbesondere so genannte „Problemspiele“ gegenLokalrivalen, bei <strong>den</strong>en es zu gewalttätigenAuseinandersetzungen mit Gegenfans kommtoder kommen kann, ziehen neonazistische Gewalttäteraus Potsdam, Bran<strong>den</strong>burg an derHavel, Kloster Lehnin, Milower Land, Premnitzund Rathenow an.Im Westhavelland existiert so gar eine Gruppierungmit Namen „BFC Hooligans Rathenow/Premnitz“, die visuell vor allem durch Aufkleberin Erscheinung trat und tritt.Ansonsten fallen die lokalen Neonazianhänger beiSpielen des BFC eher durch handfeste Aktivitäten auf.2006 waren Neonazis aus Rathenow und Premnitz u.a.beim „Platzsturm“ gegen <strong>den</strong> Lokalrivalen 1. FC EisernRegionalesUnion sowie 2011 beim „Blocksturm“ gegen Fans des1. FC Kaiserslautern beteiligt.Bei <strong>den</strong> Lokalderbys zwischen dem FC Stahl Bran<strong>den</strong>burgund dem Bran<strong>den</strong>burger Sportclub Süd05 kommt es ebenfalls zuregelmäßigen Auseinandersetzungen.Neonazis ergreifen dabeistets für <strong>den</strong> FC Stahl Partei.Dabei ist dasselbe Klientel zubeobachten, welches auch zuSpielen des BFC Dynamoreist und in Bran<strong>den</strong>burg an derHavel, Rathenow, Premnitz undMilower Land beheimatet ist.Auch der NPD KreisverbandsvorsitzendeMichel Müller istdes öfteren bei Krawallspielendes BFC oder des FC Stahl zusehen.In der Vergangenheit ebenfallsbei solchen Spielen anwesendwar auch der eher „unauffällige“Rathenower NeonaziHeiko Rätzsch. Ein „Flitzer“<strong>–</strong> Auftritt bei der DerbybegegnungFC Stahl <strong>–</strong> BSC Süd 05,lenkte jedoch das Interesse einerRegionalzeitung auf ihn.Abb. 51: André Seltmann als Box-Champion mitMeistergürtel ...I<strong>den</strong>tität durch MusikIm Zuge der Recherche zur Person deckte der Lokalredakteurauf, dass Rätzsch Sänger der neonazistischen(Rock)musikgruppe “SILENCE II” aus Rathenowwar. Diese Formation verbreitete auf ihrem Demotape(2005) extrem volksverhetzende Inhalte und bedientesich verbotener Nazisymbolik bzw. Grußformen.Außerdem wurde zur Gewalt aufgerufen.Rätzsch wurde deshalb auch, nach der Veröffentlichungder Recherche, aus einem Arbeitsverhältnis alsAbb. 52: ...und als Ordner während eines Aufmarsches am 14. Januar 2012in Magdeburg.Pfleger in einem Seniorenheim entlassen. Von “SI-LENCE II” ist bis heute keine weitere Veröffentlichungmehr bekannt gewor<strong>den</strong>.Ebenfalls inaktiv scheinen die Naziskinbands„Opas Enkels“ und „Wortgefecht“ aus Rathenow,57


Regionales„Schwarzgraue Wölfe” (SGW) aus Nauen, „Autan“aus Oranienburg und „Treueschwur“ aus Bad Belzigzu sein. Dasselbe gilt für „Elite 88“, ebenfalls aus BadBelzig, „Indepen<strong>den</strong>t“ aus Nauen und „Thorshammer“aus Bran<strong>den</strong>burg an der Havel.Neu dagegen scheint die Musikformation „Preussen.Wut“ aus Rathenow zu sein. Hierbei handelt es sichum ein Projekt des Rathenower NPD SympathisantenThomas Lange. Auf der Internetseite youtube hat erbereits einige eigene Songs im Stile eines „Liedermachers“veröffentlicht. Seit 2011 ist auch ein Demotapemit dem Titel „Alte Heimat“ im Umlauf, dass auf demCover eine NS Reitereinheit bei Schießübungen zeigt.Musikalisch ähnlich bewegt sich auch Marvin Kochvon <strong>den</strong> „Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“.Zwar sind noch keine eigenen Publikationen bekannt,<strong>den</strong>noch wurde sein „Liedgut“ aber beispielsweise beiMobilisierungsvideos für Neonaziaufmärsche in Neuruppinverwendet.Der propagandistische Auftrag neonazistischerMusik wird damit einmal mehr offensichtlich.Zudem sollen aber auch im musikalischen BereichSchnittstellen für Milieus geschaffen wer<strong>den</strong>,die Neonazis gerne für ihre Weltanschauunggewinnen wollen. Früher war dies fast ausschließlichdie Skinheadbewegung, heute dagegenauch Hardcore, Punk Rock, Gothic und selbstHip Hop.Allerdings beschränken sich die Einflussversuchein der Region Westbran<strong>den</strong>burg eher aufdie Teilnahme an Konzerten. NeonazistischeBands, die derartige Musikstile verwen<strong>den</strong>, sindbisher nur aus anderen Regionen bekannt.Auch das landesweit größte Neonazikonzertseit langem dominierten am 31. Januar 2009 inBran<strong>den</strong>burg an der Havel eher Neonaziskinbands,wie „Endstufe“, „Sturmwehr“, „Bloodline“und „Kommando Skin“, sowie das entsprechendgekleidete bzw. frisierte Publikum. So nahmen ungefähr800 Neonaziskins an dieser Veranstaltung teil.Konzerte sind inzwischen eine feste Größe imneonazistischen Milieu. Sie dienen nicht nur derPropaganda, der Personalanwerbung oder derGeldbeschaffung, sondern auch als Ausdruckeiner selbstbewussten Parallelwelt, die eineI<strong>den</strong>tifikation mit gesellschaftlich geächtetenWeltanschauungen erlaubt und erlebbar machtsowie <strong>den</strong> Austausch untereinander und damitdie milieuinterne Vernetzung fördert.Devotionalien58Abb. 53: Erstes Album des Nazibar<strong>den</strong> Thomas Lange alias “Preussen Wut”.In diesem Zusammenhang ist auch der Handelmit Devotionalien von Bedeutung. NeonazistischeTonträger, Kleidungsstücke, Militariaund Propagandamittel verstärken nicht nur diepersönliche I<strong>den</strong>tifikation mit der Ideologie desNeonationalsozialismus, sondern bieten auchein plakatives Ausdrucksmittel.Gewiefte Geschäftsleute haben dies inzwischen erkanntund bieten insbesondere auf Wochen- oder Flohmärktenentsprechende Güter feil.Daneben existierten bis 2011 aber auch feste Geschäftsräumein Hennigsdorf („On the Streets“), HohenNeuendorf („Der Hammer“) und Oranienburg(„Adler Armee Shop“), die von Neonazis direkt betriebenwur<strong>den</strong>. In Bran<strong>den</strong>burg an der Havel undEmster-Havel OT Wust existierten zu dem Lä<strong>den</strong> derneonazistischen Modemarke „Thor Steinar“.Aktuell verlagert sich der Verkaufsbetrieb für derartigeProdukte jedoch immer mehr ins Internet. „On theStreets“ findet sich dort mit einer eigenen Präsenz wieder,ebenso wie auch viele Musik- und Modeversände.Abb. 54: Internetangebot des “On the Streets”-Versandhandels(Bildschirmkopie).


RegionalesSumpf im südlichenSpeckgürtelTF-LDS59Abb. 55: Die “Freien Kräfte Teltow-Fläming” marschierten zusammen mit Neonazis aus verschie<strong>den</strong>en Bundesländern am 23. Mai 2009in Luckenwalde.Neonazis in Teltow-Fläming in <strong>den</strong> 1990er JahrenDie gesamten 1990er waren <strong>–</strong> wie überall in <strong>den</strong> neuenBundesländern - bestimmt von gewalttätigen Neonazigruppen.In einigen Städten des Landkreises Teltow-Flämingkam es auch zu personenstarken Organisierungen.Darunter die sog. „Märkischen Jungs“ ausJüterbog und einen Stützpunkt der “NationalistischenFront” (NF). In Luckenwalde gab es ebenso einen Stützpunktder NF, später der “Deutschen Alternative”(DA) und dann des “Förderwerk MitteldeutscherJugend” (FMJ). Als eine Wehrsportgruppe organisiertensich Neonazis unter dem Namen „SchönefelderSturm“. Zu Angriffen auf Flüchtlings-heime, Unterkünftevon Vertragsarbeiter_innen und Unternehmen vonMigrant_innen kam es in dieser Zeit regelmäßig. 1996waren Orazio Giamblanco (Trebbin) und Noel Martin(Blankenfelde-Mahlow) Opfer von rassistisch motiviertenAngriffen. Glücklicherweise konnten beide überleben,lei<strong>den</strong> aber bis heute unter <strong>den</strong> Folgen der Angriffeund sind körperlich stark eingeschränkt. Anderserging es Dieter Manzke (Dahlewitz) 2001 und RolfSchulze (Ludwigsfelde) im Jahr 1992. Die von Neonazisermordeten Obdachlosen markieren die traurigenTiefpunkte der rechten Gewalttaten im LandkreisTeltow-Fläming.Freie Kräfte Teltow-Fläming als NeuorganisierungErst Ende 2005 kam es wieder zu neuen Organisierungsversuchenvor allem im nördlichen Teil desLandkreises um die Orte Ludwigsfelde, Zossen undBlankenfelde-Mahlow mit <strong>den</strong> „Freien Kräften Teltow-Fläming“(FKTF). Am 23. Mai 2009 organisiertendie FKTF dann ihre erste angemeldete Demonstrationin Luckenwalde. Knapp 250 Neonazis folgten dem Aufrufder FKTF unter dem Motto: „Freiheit statt BRD“.Dennis Härtel übernahm die Anmeldung mit Hilfe vonSven Haverlandt. Es beteiligten sich fast alle Neonazis,die mehr oder weniger dem organisierten Spektrumin Teltow-Fläming zuzurechnen sind. Zu der Demonstrationwaren neben zahlreichen Neonazis der FKTFund einer Abordnung lokaler DVU-Mitglieder auchTeilnehmer_innen aus Berlin, Königs Wusterhausen,Potsdam und der Lausitz erschienen. An dieser Aktionwurde deutlich, mit welchen Regionen sich die FKTFvernetzte. Am Aufmarsch in Luckenwalde beteiligtesich auch der JN-Aktivist Robin Liebers aus Fran-


60Regionaleskenförde bei Luckenwalde. Bei ihm wurde im Januar2012 eine Hausdurchsuchung durchgeführt, weil er aneinem nicht angemeldeten Fackelmarsch der mitt-lerweileverbotenen „Spreelichter“-Kameradschaft teilgenommenhaben soll. Daniel Teich aus Zossenverantwortet <strong>den</strong> im Vorfeld verteilten Aufrufund wurde wegen Verunglimpfung des Staatesstrafrechtlich belangt. Zudem versuchte DennisHärtel vor dem Aufmarsch ein örtliches alternativesWohnprojekt auszuspionieren und griffwenig später einen Bewohner mit Reizgas an. Imweiteren Verlauf bis April 2011 führte die FKTFdiverse Kleinstkundgebungen, Aktionen undunangemeldete Spontanaufmärsche durch. Sowurde am 21. November 2010 von der FKTF einnächtliches Hel<strong>den</strong>ge<strong>den</strong>ken in Jüterbog-NeuesLager zusammen mit <strong>den</strong> “Freien Kräften Potsdam”und der Gruppierung „Spreelichter“ organisiert.Der Polizei gelang es 67 Personen zuergreifen, von <strong>den</strong>en ein Vier-tel aus Jüterbogund Umgebung stammte. Das extrem rechtePersonenpotential in Jüterbog liegt bei etwaeinem Dutzend, wobei Einzelne regelmäßig Aufmärschebesuchen. Ein Tätigkeitsschwerpunkt warenauch interne Saalveranstaltungen mit Rechtsterrorist_innenoder Altnazis. Am 16. Mai 2009 fand in einerWietstocker Gaststätte eine durch Dirk Reinecke(NPD und “Reichsbürger”) konspirativ vorbereiteteVeranstaltung mit einem ehemaligen Mitglied der SSstatt. Unter <strong>den</strong> 70-80 Teilnehmen<strong>den</strong> waren nebenbekannten FKTF-Aktivist_innen wie Dennis Härtel,auch Jörg Hähnel, sowie Neonazis aus allen TeilenBran<strong>den</strong>burgs. Schon 2008 führten die FKTF eine Veranstaltungmit dem ehemaligen RechtsterroristenPeter Naumann im “Beelitzer Hof” in Luckenwaldedurch. Diese Gaststätte wird betrieben von der damaligenDVU-Stadtverordneten Birgit Albrecht. Von ähnlichenVeranstaltungen berichteten die „Freien Kräfte“immer wieder auf ihrer Homepage.antifaschistischen Publikationen zog sie aus ihrer Anonymitätund legte ihre Strukturen weitgehend offen.Infolgedessen sahen sich örtliche Neonazis auch zunehmendmit Repression konfrontiert. Kurz vor demAbb. 56: Am 12. September 2009 demonstrierten etwa 25 Neonazis inZossen gegen die Eröffnung des “Haus der Demokratie”.Aufmarsch 2009 in Luckenwalde und in der Zeit danachgab es mehrere Hausdurchsuchungen. Daraufhinwurde das Label FKTF von der Szene seltener genutztund die Internetseite in „Infoportal Teltow-Fläming“umbenannt. Einige Aktivist_innen verlagerten <strong>den</strong>Tätigkeitsschwerpunkt auf die NPD. So wurde am 15.September 2010 eine Kundgebung des “NPD OrtsverbandTeltow-Fläming” mit sechs Teilnehmer_innenzum Bundeswehreinsatz in Afghanistan in Ludwigsfeldedurchgeführt. Angemeldet wurde die Aktion vonRonny Kempe, der für die NPD in der Stadtverordnetenversammlung(SVV) von Ludwigsfelde sitzt. DieTätigkeiten reduzierten sich zunehmend auf kleinereund konspirative Aktionen zu ausgewählten Daten.Zusammen mit Neonazis aus Königs Wusterhausenwur<strong>den</strong> 2010 rund um <strong>den</strong> 23. Mai (dem Jahrestag desGrundgesetzes) sogenannte „Aktionswochen“durchgeführt: Dazu wurde in Luckenwalde am7. Mai ein Infostand durchgeführt (mit DennisHärtel) und in Ludwigsfelde Flugblätter verteilt.Im Sü<strong>den</strong> des Landkreises wurde eine Saalveranstaltungmit <strong>den</strong> Nazis Udo Walendy, UrsulaHaverbeck (letzte Vorsitzende des verbotenen“Collegium Humanum”) sowie dem ehemaligenSS-Offizier Ulrich Franz organisiert. Am 23. Maifolgte schließlich als „Höhepunkt“ eine unangemeldeteSpontandemo mit „zwei Dutzend“ Teilnehmer_innenin Luckenwalde.Zossen: Die Szene differenziert sich ausInterne Differenzen führten zu einem Auseinanderdriftender Neonazisszene in Teltow-Abb. 57: Die von der ehemaligen DVU-Abgeordneten Birgit Albrecht Fläming. Der Kreis um Daniel Teich und ChristophSchack bildete mit <strong>den</strong> „Nationalenbetriebene Kneipe “Beelitzer Hof” diente des öfteren als Veranstaltungsortund Treffpunkt der regionalen Neonaziszene.Sozialisten Zossen“ (NaSo Zossen) eine eigeneGruppierung mit rechten Jugendlichen aus derRegion. Haupttätigkeit waren bis heute vor allem Aktionengegen die zivilgesellschaftliche Bürgerinitia-Die Luft wird rauer…tive „Zossen zeigt Gesicht“, die sich gegen Neonazis imDie Offenlegung der FKTF und ihrer Angehörigen in Landkreis engagiert. Seit 2008 war Zossen zu einer


Schwerpunktregion für Neonazis aus dem Landkreisgewor<strong>den</strong>. Hauptgrund dürften die “Reichsbürger”Gerd Walther und Rainer Link gewesen sein. Linkwar mit seinem Internetcafé „Medienkombinat“ inder Berliner Straße unverhofft zu Aufmerksamkeit gelangt,als er Vertreter_innen der Stadt attackierte, dieStolpersteine vor seinem Haus verlegen wollten. Schonvorher war sein Geschäft Szenetreffpunkt, indem sichlokale Neonazigrößen, unter anderen Horst Mahler,trafen. Das führte auch zu zunehmen<strong>den</strong> Aktivitätenin der Stadt: Eine Ge<strong>den</strong>kveranstaltung für die Opferdes Holocaust wurde am 17. Dezember 2008 durchNeonazis gestört. Allerdings geriet Link innerhalb derSzene unter Druck. Auf einem seiner Computer wurde„kinderpornographisches Material“ gefun<strong>den</strong>. Offenbardeswegen brachte sich Link im November 2009 mitTabletten selbst um. Hinzu kamen internen Differenzenzwischen dem Zossener Zusammenhang um Teichund Schack und <strong>den</strong> restlichen FKTF Mitgliedern, weilzeitgleich zur Eröffnung des „Hauses der Demokratie“in Zossen auch einAufmarsch in KönigsWusterhausen der örtlichen“Freien Kräfte”stattfand. WährendTeich einen Aufmarschmit seinen örtlichenrechten Jugendlichenin Zossen durchführte,blieben bekannte Mitgliederder Aktion fern.Zudem fixierten sichdie örtlichen Neonazisimmer mehr auf dieBürgerinitiative: Mitgliederder BI erhieltenMorddrohungen, es gabFarb-anschläge auf das„Haus der Demokratie“,es wurde immer wieder versucht die Holocaust-Ge<strong>den</strong>kveranstaltungin Zossen zu stören und in der Stadteingesetzte Stolpersteine wur<strong>den</strong> mehrmals geschändet.Den “Höhepunkt” ihrer Aktionen gegen politischeGegner_innen markierte der Brandanschlag auf das„Haus der Demokratie“. Dieses brannte in der Nachtvon 22. zum 23. Januar 2010 komplett nieder, nachdemder damals 16-jährige Zossener Neonazi DanielStrielke <strong>den</strong> Brand legte. Zudem wurde die Dauerausstellung„jüdisches Leben in Zossen“, sowie dieWanderausstellung zur Resi<strong>den</strong>zpflicht für Flüchtlinge„Invisible Borders“ zerstört. Daniel Teich wurde späterwegen vieler dieser Aktionen und der Anstiftung zudem Brandanschlag zu einer Haftstrafe von drei Jahrenund acht Monaten verurteilt. Ein Skandal war derUmgang der Bürgermeisterin der Stadt Zossen, MichaelaSchreiber, mit dem Vorfall. Sie gab der Bürgerinitiativeeine Mitschuld an der Tat, da sie durch ihreantifaschistische Grundhaltung die lokalen Neonaziserst provoziert hätten. Kurz nach dem Brandanschlagfand auf dem Marktplatz eine Holocaust-Ge<strong>den</strong>kveranstaltungam 27. Januar statt. 30 Neonazis versammeltensich in unmittelbarer Nähe der Kundgebungund störten diese durch „Lüge, Lüge“-Rufe, außerdemzeigten sie <strong>den</strong> Hitlergruß. Mit dabei waren ChristophRegionalesSchack, Daniel Teich, Tony Möhrke (Ludwigsfelde)und der Berliner Julian Beyer, der gute Verbindungennach Zossen hält. Die anwesen<strong>den</strong> Polizeibeamt_innenahndeten die Holocaustleugnungen der Neonazisnicht. Obwohl die gesamten Geschehnisse von derPolizei gefilmt wur<strong>den</strong>, konnte im Nachhinein keinVideomaterial bei <strong>den</strong> zuständigen Behör<strong>den</strong> ausfindiggemacht wer<strong>den</strong>. Der Brandanschlag hatte jedochein gesteigertes Medieninteresse für Zossen und <strong>den</strong>Landkreis sowie der örtlichen rechten Strukturen zurFolge. Immer lauter wur<strong>den</strong> Forderungen nach einemVerbot der “Freien Kräfte”.FKTF VerbotIm April 2011 wollte der Staat nach dem Brandanschlagauf das „Haus der Demokratie“ Entschlossenheitdemonstrieren, verbot die “Freien Kräfte Teltow-Fläming”und durchsuchte medienwirksam 19Wohnungen von Mitgliedern der Gruppe in Bran<strong>den</strong>burgsowie eine in Berlinund beschlagnahmteumfangreiches Beweismaterial,darunterHakenkreuz-Fahnen,Waffen wie Messer,Schlagringe und-stöcke, einen Sprengsatz,Aufkleber, Computerund die Vereinskassemit rund 700€.Auch ein Mitgliederverzeichnisder FKTFwurde gefun<strong>den</strong>. DerSchlag der Behör<strong>den</strong>traf die Neonazis, obwohler nicht überraschendkam und es vonihnen auch Vorbereitungenzur Umgehung gab, erheblich. Bewusst wurdedas Label FKTF schon seit einiger Zeit nicht mehrverwendet. Der Szene gelang der Umstieg auf alternativeStrukturen nach dem Verbot jedoch nur bedingt.Zudem war der im April 2010 neugegründete “NPD-Ortsverband TF” zu unattraktiv für jugendliche Neonazis.Einige Aktivist_innen zogen sich zurück, auch ausprivaten bzw. familiären Grün<strong>den</strong>, es kam zu einemRückgang an Aktionen und gewalttätigen Übergriffen.Abb. 58: Marty Gansekow bei der Durchsuchung seines Hauses am Tag desFKTF-Verbots am 11. April 2011.Übergang zur NPD/JNDie verbliebenen aktiven Neonazis agieren nun imLandkreis teilweise unter dem Mantel der NPD als sog.“Ortsverband Teltow-Fläming”, bzw. JN. Kaum verwunderlich,so unterstützen sich NPD und FKTF beiihren Aktionen gegenseitig und teilten sich das NPD-Postfach erst in Königs Wusterhausen und später inZossen. Der “Kreisverband Dahmeland” (LandkreisTeltow-Fläming und Dahme-Spreewald), dem der“Ortsverband TF” zugeordnet ist, hatte 2010 24 zahlendeMitglieder. Vorsitzender war zunächst RonnyKempe. Einer der führen<strong>den</strong> Köpfe der FKTF, DennisHärtel, ist heute im Kreisverband verantwortlich fürOrganisation und war zur Landesdelegiertenkon-fer-61


RegionalesBahnhofstrasse - dort befindet sich das Tattoostudio„Wildlife“ sowie die „Bikerbar Wildside“- und einGartengrundstück am Stadtrand, dass regelmäßig derNPD und vor ihrem Verbot der FKTF zur Verfügunggestellt wurde.62Abb. 59: “Freie Kräften” und NPD: Gemeinsame Wintersonnenwende imDezember 2009.enz 2010 einziger Vertreter aus dem Landkreis. Er warschon früh in der NPD aktiv und ist ein Ziehsohn desMärkisch Buchholzer Sven Haverlandt. Der seit Oktober2008 in Ludwigsfelde für die NPD als Stadtverordnetergewählte Thomas Völkel musste sein Mandatim darauf folgen<strong>den</strong> Januar an Kempe abgeben, weiler erfolglos versuchte mit Falschgeld zu bezahlen.Im Zuge der Fusion von NPD und DVU, hat sich auchder vormals starke Kreisverband der DVU (Gründung2004) aufgelöst. Der ehem. Vorsitzende Jürgen Albrechthatte seinen Posten verloren; Birgit Albrechttrat ihr Mandat in der Luckenwalder SVV aus Protestan die Kreistagsabgeordnete Bärbel Redlhammer-Raback ab. Letztere ist zusammen mit dem JüterbogerStadtverordneten Josef Gessler 2011 in die NPDübergetreten und seit März 2011 die Vorsitzende desOrtsverbandes. Sie ist seit Ihrem Übertritt zur NPDauch regelmäßige Teilnehmerin an anderen Veranstaltungen.Am 23. Mai 2011 störten Mitglieder derNPD eine Veranstaltung der Stadt Luckenwalde zumTag des Grundgesetzes. Unter anderen Dennis Härtelund Bärbel Redlhammer-Raback, die außerdem Anhängerinder „Reichsbürger“-Bewegung ist und im regenAustausch mit Gerd Walther steht. Seit gut zweiJahren ist eine Verlagerung der Aktivitäten in<strong>den</strong> Sü<strong>den</strong> des Landkreises zu beobachten. RegionaleSchwerpunkte sind nunmehr: Baruth,Luckenwalde und Zossen durch die NPD/JN. Die“NaSo Zossen” ist durch die Verurteilung Teichsweitestgehend inaktiv gewor<strong>den</strong>, vereinzeltkommt es aber noch zu Anschlägen in der Regionauf Engagierte. So im Oktober 2012, als derBriefkasten von einem BI-Mitglied gesprengtund Scheiben eingeworfen wur<strong>den</strong>. Exakt dasgleiche Vorgehen gab es bereits zwei Tage zuvorbei einem Nachbargrundstück. Somit ist davonauszugehen, dass die angreifen<strong>den</strong> Neonazisnicht ortskundig waren. Die Täter_innen sindin der Rudower Neonaziszene zu vermuten.Zudem versuchten Christoph Schack und DennisHärtel Ende Oktober bei einer Filmvorführungder „Kriegerin“ zu stören, wur<strong>den</strong> jedocherkannt und an der Tür abgewiesen. AktuelleNeonazi-Treffpunkte in Zossen sind ein Objekt in derDie JN versucht derweil gerade ihre Strukturenauszubauen. Im angrenzen<strong>den</strong> Märkisch Buchholz(LDS) wurde im April 2012 die “JN-GruppeSchenkenländchen” gegründet. Das gemeinschaftlicheVerteilen von Propagandamaterialwird zunehmend unter dem Label der JN als bemerkenswerteAktivität verkauft. Auch in Baruthgibt es einen kleinen Kreis Neonazis, die sichum Härtel unter dem Label JN gesammelt habenund in der Vergangenheit in einem Objekt in derSchulstraße wöchentliche Treffen abhielten. ImVorfeld eines Konzerts gegen Rechts in Baruthverteilte die JN ein Flugblatt in dem die jugendlichenOrganisator_innen - offensichtlich zur Einschüchterung- namentlich benannt wur<strong>den</strong>.Zudem ist der JN-Landesvorsitzende PierreDornbrach von Schwarzheide in das beschaulicheBaruth gezogen. Die JN-Aktivisten Liebersund Dornbrach stellen ihre Anwesen für bundesweiteJN-Treffen zur Verfügung und haben Kontakte in dasverbotene “Spreelichter”-Netzwerk.Neonazis in Vereinen und SubkulturAuch in Teltow-Fläming engagieren sich aktive Neonazisin Vereinen. Das Luckenwalder FKTF-MitgliedMax Thamke wirkt beispielsweise im örtlichen THWmit. Neben anderen Neonazis aus Luckenwalde undTrebbin gehört er auch zur Fußball-Fangruppierung“Nordkurve Luckenwalde”.Das NPD und RNF-Mitglied Stella Hähnel aus Am Mellenseewar bis zu ihrer Enttarnung stellvertretendeElternsprecherin an der örtlichen Grundschule.Subkulturell ist die Neonaziszene stark ausdifferenziert.Sie reicht vom “nationalen Liedermacher” JörgHähnel über die dumpfen “Skinheads Jüterbog” biszu Hardcore hören<strong>den</strong>, vegan leben<strong>den</strong> und Graffitisprühen<strong>den</strong> Neonazis in Ludwigsfelde.Abb. 60: Engagieren sich zunehmend auch in Vereinen: Max Thamke(mitte) beim Tag der offenen Tür des THW am 3. Oktober 2011.


Märkisch Buchholz - Ein Neonazizentrum undseine Auswirkungen auf die RegionAls im Februar 2011 ein Email-Server der NPD gehacktund Journalist_innen zugänglich gemachte wurde,wurde erstmals öffentlich, dass KreisvorsitzenderSven Haverlandt nach Märkisch Buchholz (Amt Schenkenländchen- LDS) verzogen und sein “Anwesen” fürneonazistische Veranstaltungen zur Verfügung stellt.Haverlandt ging daraufhin in die Offensive, verlegtedie Geschäftsstelle hierher und verkündete mit einereigens eingerichteten Website vollmundig ein “nationalesJugend- und Freizeitzentrum” etablieren zuwollen. Kurzum: ein Neonazizentrum, wie es die NPDauch schon an anderen Orten in Bran<strong>den</strong>burg aufzubauenversuchte.Die Stadtverwaltungbemühte sich umgehend<strong>den</strong> erst kürzlichabgeschlossenen Kaufrückgängig zu machen,scheiterte aber letztlichan der Vorbesitzerin,die einem Verkauf andie Stadt - die die entsprechen<strong>den</strong>Mittelauftun konnte - nichtzu. Momentan unterliegtdas Haus, dassüber Wohn- und Veranstaltungsräumeundeinen großen Gartenverfügt, Nutzungsbeschränkungen,die öffentlicheVeranstaltungenausschließt.Als “private Veranstaltungen” getarnt veranstaltenNPD und JN nun mehrmals im Monat neonazistischeSchulungs-, Vortrags- und Kulturveranstaltungen inder Friedrichstraße 27. Hinzu kommen Veranstaltungenzur Sommer- und Wintersonnenwende und“Hel<strong>den</strong>ge<strong>den</strong>ken”. In der Anfangszeit lud sich Haverlandtaußerdem regionale Neonazis in sein Haus, umes im Rahmen von “Arbeitseinsätzen” kostengünstigherzurichten.RegionalesDas Neonazizentrum ist aber nicht nur viel genutzterVeranstaltungsraum, sondern auch Ausgangsort vomderzeit zu beobachten<strong>den</strong> Strukturaufbau der NPD.Ende Januar 2012 gründet sich ein “NPD OrtsbereichSchenkenländchen”. Vorsitzender ist Marc Michalskiaus dem benachbarten Halbe, der auch schonals Liedermacher und ungeschickter Bombenbastlerin Erscheinung trat. Im April selben Jahres wurdeschließlich noch ein “JN Stützpunkt” gegründet, vondem derzeit die meisten Aktivitäten im Raum Zossen-Baruth-Märkisch Buchholz-Königs Wusterhausen ausgehen.Die Aktionen wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> in Baruth (TF)leben<strong>den</strong> früheren Kameradschaftsaktivisten DennisHärtel (früher FKTF, heute NPD und JN) und PierreDornbrach (Schulungsleiter im Bundesvorstand derJN und Landesvorsitzender Bran<strong>den</strong>burg) und Haverlandtselbst initiiert. Öffentlich treten Sie vor allemdurch das Verteilen von Propagandamaterial der NPDund JN, Störung von zivilgesellschaftlichen Veranstaltungenund Demonstrationsteilnahmenin ganz Bran<strong>den</strong>burgund Berlin auf. EineZusammenarbeit findetvor allem mit derNPD-nahen “NationalenJugend Storkow”,dem “NPD KreisverbandOderland” undehem. Mitgliedern derverbotenen FKTF statt.In der Vergangenheitwar außerdem eine intensiveZusammenarbeitmit <strong>den</strong> “FreienKräften KönigsWusterhausen” erkennbar,nach internenDifferenzen innerhalbdieser Gruppe, laufennun einzelne ehemalige Mitglieder zur JN über, wasauch eine Zunahme der Gewalt befürchten lässt.Abb. 61: Am 9. November 2012 hielt die JN Schenkenländchen eine Feierstundezum „Schicksalstag des deutschen Volkes“ in der Friedrichstraße 27in Märkisch Buchholz. Am Redner_innenpult: Pierre Dornbrach.Die örtliche Zivilgesellschaft befindet sich in einer stetigenAuseinandersetzung mit dem Neonazizentrumund <strong>den</strong> von dort ausgehen<strong>den</strong> Aktivitäten. Haverlandtbemüht sich als “unbescholtener” Bürger darzustehen,der sich lediglich für die Jugend einsetzt undlässt nichts unversucht die Bevölkerung zu spalten.Derzeit läuft ein Rechtsstreit, weil die NPD trotz UnterlassungsverfügungMaterial in Briefkästen gesteckthat, deren Eigentümer_innen sich das verbeten haben.Es drohen erhebliche Strafzahlungen, die ihn in letzterKonsequenz auch sein Haus kosten könnten.63


RegionalesWilder OstenLOS-FF64Abb. 62: “Ruhm und Ehre dm FCV”: <strong>Hinter</strong> ihrem Transpi versammeln sich am 18. Oktober 2008 zahlreiche FCV-Hooligans und FrankfurterNeonazis beim Spiel gegen <strong>den</strong> FC Strausberg. Kurz danach versuchen sie noch im Stadion Antifaschist_innen anzugreifen.1: Der FrankfurterFC Viktoria, Heimatder rechten FCV-Hooligans, fusionierteim Juli 2012 mitdem MSV EintrachtFrankfurt und heißtnun 1.FC FrankfurtEintracht/ViktoriaIm östlichen Landkreis Oder-Spree (LOS) und derkreisfreien Stadt Frankfurt (Oder) gibt es seit jeherextrem rechte Strukturen, die aus einer Vielzahl anGruppierungen bestehen bzw. bestan<strong>den</strong>. WährendNPD-Strukturen in Frankfurt (Oder) und im RaumEisenhüttenstadt seit Mitte der 2000er Jahren zurückgingenentwickelten sich starke Parteistrukturen imLandkreis Oder-Spree.Seit 2006 entwickelten sich aus dem rechten Fanumfelddes FC Viktoria ´91 eine gefestigte neonazistischeHooligangruppe.Wie so oft in der Bran<strong>den</strong>burgischen Provinz, kommenmoderne Trends erst verspätet bei Jugendlichen an. Soauch der unter Neonazis beliebte Stil der “AutonomenNationalisten”. Seit 2008 organisierten sie sich in derRegion unter dem Lable „Autonomen NationalistenOder-Spree“ (AN-OS). Ende 2012 lösten sich dieaufgrund des starken antifaschistischen Widerstandesaber wieder auf. Aber auch klassische Kameradschaftengibt es nach wie vor in der Region. Zur Zeitsorgt die „Terrorcrew <strong>–</strong> Kameradschaft KommandoWerwolf“ (KSKW) für aufsehen.Die FCV-Ultras <strong>–</strong> eine neonazistischeHooligantruppeDie sogenannten „FCV-Hools“ oder „FCV-Ultras“ fallenseit 2006 weniger durch die kreative Unterstützungdes ortsansässigen 1.FC Frankfurt Eintracht/Viktoria 1auf, sondern wegen ihrer offen zu Schau getragenenSympathie zum Nationalsozialismus. „Ruhm und Ehredem FCV!“ ist eine beliebte Parole und fand auch aufAufklebern der selbsternannten „Ultras“ Verwendung.Des weiteren machten die meist jungen Männer durchÜbergriffe auf Anders<strong>den</strong>kende, Beteiligung an Neonaziveranstaltungenoder Ge<strong>den</strong>ksteinschändungenvon sich re<strong>den</strong>. Seit 2009 ist es ruhiger um die Neonazisgewor<strong>den</strong>, so stan<strong>den</strong> einige von ihnen mit einemBein im Knast oder hatten wegen ihrer rechten GesinnungProbleme mit ihren Arbeitgebern. Ein kurzerAbriss der Ereignisse soll ihre Aktivitäten der letztenJahre verdeutlichen.Gewalt, Nationalismus und die Verherrlichung desNationalsozialismus sind konstitutive Elemente desSelbstverständnisses der “FCV-Hooligans“. So verbreitetedie Gruppe seit dem Frühjahr 2007 Aufkleber,auf <strong>den</strong>en das Vereinssymbol des FC Vorwärtsmit dem Totenkopf der SS-Totenkopfverbände kombiniertist. Zum harten Kern der Hooligangruppierungzählen bzw. zählten u.a.: Steffen Werschke, MarioSchreiber, Sven Freimuth, Christopher Perl, ChristopherBrand, Martin Wilke, Tommy Keller, JennyKleeberg, Andreas Bressel, Monik Scharpf, Jenny


Russow, Andy Köpke, Janko Greve, Sebastian Boldt,Willi Muchajer, Christoph Schoefisch, Christoph Zierott,Markus Polenske und Eugen Schulepow. Nacheigenen Angaben besaßen sie ein Mobilisierungspotentialvon bis zu 110 Leuten, wennauch teilweise erweitert durchangereiste Unterstützende.Auch die Kontakte zu rechtenFangruppen in anderen Städtenkonnten gefestigt wer<strong>den</strong>. So bestandund besteht regelmäßigerAustausch mit dem „Wuhlesyndikat“,sowie „Crimark“ vonUnion Berlin und dem „InfernoCottbus“ von Energie Cottbus.Alles Fangruppen, die als rechtsoffenoder neonazistischbezeichnet wer<strong>den</strong> können. Sonahm auch eine Gruppe ausFrankfurt (Oder) im Sommer2012 an einem Fussballturnierder Cottbusser Fangruppe „Inferno´99“ teil, an dem weitereneonazistische Fangruppenteilnahmen, u. a. die “NS-Boys”aus Chemnitz.Abseits des Stadions fielen die“FCV-Hools” durch zahlreicheAktionen in Frankfurt (Oder)auf. So zum Beispiel die Schändung des Ge<strong>den</strong>ksteinsder niedergebrannten Synagoge am 09. November2006. Ob beim Stadtfest oder bei Fußballgroßereignissen,oft waren alternative Jugendliche oder Anhänger_innen gegnerischer Fussballmannschaften Opfer ihrergewalttätigen Attacken. Dabei agierten sie immer, ganzin Hooliganmanier, aus einer großen Gruppe heraus.Bis ins Jahr 2009 fielen die “FCV-Hools” durch Übergriffeund ihrer rechten Ideologie inner- und außerhalbvon Stadien auf, auch die Räumlichkeiten deslinksalternativen Vereins Utopia wur<strong>den</strong> mehrmalsvon ihnen angegriffen. Darüber hinausnahmen einige der “FCV-Hools” auch an Neonazidemonstrationenin Ostdeutschland teil.Abb. 63: “Fanfreundschaft”: Graffiti von FCV und Crimark(CM) mit Herzchen, antisemitischen Schmähungen,Haken- und Keltenkreuzen.Regionales<strong>den</strong> 02. September, griffen fünf bis sechs Neonazis dasHoffest des Utopia e.V. mit Flaschen an. Die Angreiferwer<strong>den</strong> teilweise der Anhängerschaft der rechten“FCV-Hooligans” zugeordnet.Ältere “FCV-Hools” treten dabeiimmer seltener in Erscheinung.Dafür tauchen vermehrt gewaltundrechtsaffine Jugendliche imFCV-Umfeld auf, die eine Kontinuitätder neonazistischen Hooligangruppebefürchten lassen.Von Hooligans zu „AutonomenNationalisten“Bevor die “Autonomen NationalistenOder-Spree” (AN-OS)in Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadtaktiv waren, gabes keine vergleichbar starkvernetzte und gemeinsam agierendeNeonazigruppierung inder Region. Viele Anhänger_innendes Frankfurter FussballvereinsFCV und des EFC Stahlaus Eisenhüttenstadt teilenzwar ein rechtes Weltbild, dochwenn es zum Aufeinandertreffender bei<strong>den</strong> Vereine undderen „Fans“ kam, kam es eherzu gegenseitigen Anfeindungen, als zu Solidaritätsbekundungenaufgrund der gemeinsamen neonazistischenWeltanschauungen. Dennoch setzt sich ein Teilder “AN-OS” aus selbsternannten „Hooligans“ der dominieren<strong>den</strong>Fussballvereine der bei<strong>den</strong> Oderstädtezusammen. In Eisenhüttenstadt traten Danny Zinkund Ramon Wellemsen im Jahre 2007 als Erste durchdas Verkleben von AN-typischen Aufklebern inErscheinung. Beide besuchen regelmäßig Spiele des in65Nachdem es seit 2009 ruhig um die “FCV-Hools”gewor<strong>den</strong> war, machten sie Ende 2011 wiedervon sich re<strong>den</strong>. Am 12. November 2011 beimPokalspiel zwischen dem SV Babelsberg 03 unddem FC Viktoria Frankfurt, riefen sie mehrfachantisemitische und antiziganistische Parolenin Richtung der als antifaschistisch gelten<strong>den</strong>Gästefans. Mit dabei waren auch angereisteNeonazis aus Cottbus und Berlin, die der Anhängerschaftvon FC Energie und dem 1. FC Unionzuzurechnen sind. Etwa einen Monat später, am27. Dezember, griffen “FCV-Hools”, u. a. OliverEisermann, die mitgereiste Anhängerschaftund die Mannschaft von Tennis Borussia Berlinbei einem Hallenturnier in Frankfurt (Oder) mitFlaschen und Steinen an. Das (nicht-)Verhalten derPolizei und des örtlichen Sicherheitsdienstes markierte<strong>den</strong> zweiten Skandal an diesem Tag. In der Nachtvom Samstag, <strong>den</strong> 01. September 2012, auf SonntagAbb. 64: Oliver Eisermann, Bejamin Richter, Eugen Schulepow, MartenErlebach und Christoph Zierott (v. l. n. r.) pflegen innerhalb wie außerhalbvon Fussballstadien ihre neonazistische Gesinnung.der Verbandsliga spielen<strong>den</strong> EFC Stahl und sind außerdemAnhänger des Berliner Vereines BFC Dynamo, derfür seine teils rechtsoffenen Fans bekannt ist.Die “AN-OS” haben ihren Ursprung in der 25 km südlich


Regionaleskeiten des linksalternativen Vereins Utopia im Fokusihrer Aktivitäten. Mehrmals wurde das Gebäude undder Innenhof mit rechten Parolen beschmiert, einmalwurde versucht ein Konzert mit Feuerwerkskörpernzu stören. Kontakte zu anderen Neonazistrukturenwur<strong>den</strong> u.a. mit dem „Nationalen WiderstandBerlin“ (NW-Berlin), <strong>den</strong> „Freien Kräften Ost“(FKO), <strong>den</strong> „Freien Kräften Neuruppin“ unddem Kreisverband der „NPD-Oderland“ gepflegt.66Abb. 65: Im AN-Stil: Ramon Wellemson und Martin Schlechte bei einen derletzten Auftritte als AN-OS am 24. März 2012 in Frankfurt (Oder).von Frankfurt (Oder) gelegenen Kleinstadt Eisenhüttenstadt.Hier gab es erste Organisationsversuche unterdem Label „Freundeskreis Nationale SozialistenOder-Spree“. Neben Danny Zink und Ramon Wellemsengehörten damals auch u.a. Martin Schlechte, JeffreyWindolf, David Schulz und Michael Meißnerder Gruppierung an. Aus Frankfurt (Oder) stießen erstspäter Neonazis hinzu. Erster war der aus Brieskow-Finkenheerd stammende, jetzt in Frankfurt (Oder)wohnhafte FCV-Anhänger Michael Hecke. Auch diebei<strong>den</strong> Frankfurter Marten Erlebach und RobertKrause, im Hooliganmilieu der “FCV-Ultras” beheimatet,schlossen sich <strong>den</strong> “AN-OS” an. Seit Anfang 2010existiert die Internetseite der Gruppe, die zwischenzeitlichvon der Datenantifa gehackt wurde und MichaelMeißner, der <strong>den</strong> Aufbau der Gruppe in Eisenhüttenstadtmaßgeblich forcierte, als dessen Betreiberoutete. Ab 2010 nahmen die Neonazis um Meißner anzahlreichen regionalen und überregionalen Naziaufmärschenteil. Die Jahre 2010 und 2011 markierensomit auch die Hochphase der Aktivitäten der„AN-OS“. So wur<strong>den</strong> zum Beispiel eigene Sticker,Schablonen und Flugblätter entworfen und verbreitet.Die Nähe zum Hooliganmilieu wurdeauch durch die Art und Weise deutlich, wie sieversuchten Präsenz auf der Straße und in derRegion zu demonstrieren. Als „Streetart“ bezeichnet,versprühten sie meist neonazistischeParolen oder das Kürzel „AN-OS“ an Autobahnbrücken,Bushaltestellen, Bahnhöfe, Supermärkteoder Stromhäuschen auf Landstraßen.Ähnlich wie die Frankfurter Hooligantruppe, dieoft die Parole „FCV-Zone“ zur Reviermarkierungverwen<strong>den</strong>, erschienen im ganzen Landkreisdie Schriftzüge „Zone-AN-OS“ oder der Nameihrer Internetseite. Auf dieser erschienen zumBeispiel auch selbstgemachte Videos mit zahlreichenAufnahmen der gesprühten Schriftzüge.Ein weiteres Handlungsfeld der „AN-OS“ wardie Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner.In Eisenhüttenstadt berichteten alternative Jugendlichevon Verfolgungen und Bedrohungen seitens der„AN-OS“. Auch das Sammeln von Daten im Sinne einer„Anti-Antifa“ Arbeit gehörte zu ihren Betätigungsfeldern.In Frankfurt (Oder) stan<strong>den</strong> die Räumlich-Seit Anfang 2012 ist es ruhiger um die Nazis der„AN-OS“ gewor<strong>den</strong>. Michael Meißner, der <strong>den</strong>Aufbau der Gruppierung maßgeblich forcierte,hat mittlerweile seinen Ausstieg verkündet. „PrivateGründe“, „Probleme mit der Antifa“ ,sowie„inhaltliche Differenzen“ innerhalb des “NationalenWiderstandes” zwangen ihn angeblichdazu, seine Aktivitäten ruhen zu lassen. Um esnoch glaubwürdiger wirken zu lassen, stellte ersein eigenes Portrait samt Austrittserklärungauf die Internetseite der „AN-OS“. Bis heute ister jedoch der Inhaber der Domain der „AN-OS“.Bezeichnend für <strong>den</strong> derzeitigen Zustand derGruppe ist auch der Rückgang der Demonstrationsteilnahmender sonst so reisefreudigen „AN’s“. Ander sog. „Aktion Kleeblatt“ der Bran<strong>den</strong>burger NPD,vier Naziaufmärsche innerhalb kürzester Zeit in Bran<strong>den</strong>burgdurchzuführen, beteiligten sie sich nur vereinzelt.Allein der Frankfurter Robert Krause und deraus Schöneiche stammende Tim Wendt treten nochregelmäßig auf Naziaufmärschen in Erscheinung. Der18-jährige Robert Krause gehört seit Ende 2011 zumUmfeld der „AN-OS“ und kann zudem dem Umfeld derFCV-Hools zugeordnet wer<strong>den</strong>. Auch der Rückgang dersonst so massiv verbreiteten Sprühereien und Aufkleberhat merklich nachgelassen. Am 3. Oktober 2012gaben die „AN’s“ dann schlussendlich ihre Auflösungbekannt. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich dasAbb. 66: Ohne AN-Stil: Tim Wendt (links) auf einem NPD-Aufmarsch am10. November 2012 in Frankfurt (Oder). Rechts daneben Klaus Mann.Phänomen „Autonome Nationalisten“ in der Regionweiterentwickelt. Denn nicht weit entfernt von Frankfurt(Oder), in Storkow und Fürstenwalde, versuchengerade junge Neonazis, unterstützt durch Kader der“NPD-Oderland”, eine JN-Struktur zu etablieren.


Neue Betätigungsfelder für altbekannte NeonazisViele länger bekannte Neonazis aus dem Umfeld der„FCV-Hools“ scheinen sich inzwisch-en anderen Gruppierungenangeschlossen zu haben. Eine Melange ausaltbekannten „FCV-Hooligans“ und Neonazis, die schonin <strong>den</strong> 1990er Jahren aktiv waren, organisiert sich seitgeraumer Zeit unter dem Label: „Terrorcrew <strong>–</strong> KameradschaftKommando Werwolf“ (KSKW). 2 Diesetrat weniger auf neonazistischen Demonstrationen inErscheinung, sondern viel mehr als Organisatorin undUnterstützerin von Rechtsrockkonzerten. Bis EndeMärz <strong>2013</strong> nutzte die Kameradschaft dafür Räumlichkeitenim Triftweg 4. Dort veranstalteten die Mitglieder,zu <strong>den</strong>en u. a. die „FCV-Hools“ Andy Köpke, WilliMuchajer und Martin Wilke sowie ältere Neonazis wieSven Lemke und Mario Müller gehören, Konzerte mitbis zu 200 Teilnehmer_innen. Die „KSKW“ beschränktesich nicht nur auf die Durchführung eigener Konzerte.Immer wieder unterstützte sie Neonaziveranstaltungenauf dem Gelände von Klaus Mann in Finowfurt,wo des öfteren auch die Beeskower Rechtsrockband„Frontfeuer“ auftrat, zu <strong>den</strong>en die Kameradschaftenge Kontakte pflegt.Mario Müller istausserdem Tätowiererund betreibt seit April<strong>2013</strong> wieder das Tattoostudio„Ink underthe Skin“ in der Sophienstraße23. Dortließen sich viele FrankfurterNeonazis nationalsozialistischeMotivestechen.Andere Neonazis fühlensich inzwischenbei dem Motorradclub„Streetfighters 208“,die ihren Vereinssitz imGewerbegebiet in derGeorg-Richter-Straßehaben, ganz wohl. Dortveranstalten die „Straßenkämpfer“, zu <strong>den</strong>en u. a. MarioLenz, Tobias Weinberg, Steffen Werschke undChristoph Schoefisch gehören, auch Rechtsrockparties.Zu Sven Lemke scheinen sie ebenso guten Kontaktzu pflegen. Der hinterließ schonmal auf ihrer Facebook-Seite„einen guten rutsch ins kampfjahr <strong>2013</strong>“.Beide Gruppierungen signalisieren indes durch ihrmartialisches Auftreten Gewaltbereitschaft.Von vermeintlich „bürgernahen“ Politiker_innenbis zu Unterstützer_innen von rechter Gewalt: DerNPD KV “Oderland”Wichtigster neonazistischer Akteur im Raum Fürstenwaldeund Storkow sind lokale NPD-Strukturen. Seitmehreren Jahren verfolgt der “NPD-KreisverbandOderland” eine Strategie der größtmöglichen „Bürgernähe“und erreichte so auf kommunaler Ebene teilweisezweistellige Wahlergebnisse. Im NPD-Landesverbandnehmen sie wichtige Positionen ein und habenmit Klaus Beier einen alteingesessen NPD-Kader. SeitRegionalesJüngstem wird nun an dem Aufbau einer lokalen JN-Struktur gearbeitet.Seit 2003 sitzt die NPD um ihrem “Kreisverband Oderland”mit zwei Mandaten im Kreistag des LandkreisesOder-Spree. Zusammen mit Klaus Kuhn von der DVUkonnten sie so auch eine Fraktion bil<strong>den</strong>. Schon damalstreibende Kraft: der Reichenwalder Klaus Beier.Zusammen mit Lars Beyer versuchte er im BeeskowerKreistag „seriöse, nationale Politik“ zu betreiben. FünfJahre später wur<strong>den</strong> NPD-Kandidat_innen wieder in<strong>den</strong> Kreistag gewählt. Neben Klaus Beier und LarsBeyer zog die Fürstenwalderin Manuela Kokott ein.Gerade in <strong>den</strong> Dörfern und Gemein<strong>den</strong> im Umlandvon Storkow erreichte die NPD sogar zweistelligeWahlergebnisse, teilweise bis zu 23 %. Ein weitererWahlbezirk mit einem hohen Anteil an NPD-Stimmenist Fürstenwalde <strong>–</strong> Nord und in der angrenzen<strong>den</strong> GemeindeSteinhöfel zu fin<strong>den</strong>.Die vergangenen Wahlerfolge lassen einerseits daraufschließen, dass menschenverachtende Einstellungenin dieser Region weit verbreitet sind, andererseitsdie Protagonist_innender “NPD-Oderland”keinesfalls als „ diebösen Nazis“ gesehenwer<strong>den</strong>. Dabei verfolgtdie NPD-Cliqueum Klaus Beier immer<strong>den</strong> Ansatz möglichst„bürgernah“ aufzutreten.So können siesich ungestört an demalljährlich stattfin<strong>den</strong>„Rad-Scharmützel“, einervon vielen Menschenbesuchten Fahrradtourum <strong>den</strong> Scharmützelsee,beteiligen. DieFrau von Klaus Beier,Nadine Müller, warals Pressewartin in derFreiwilligen Feuerwehr in Storkow aktiv. Auf Dorffestenpräsentieren sie sich als interessierte Politiker_innen,die sich noch um „das Wohl des Volkes“ kümmern.In der hauseigenen „Oderlandstimme“ versuchen sieverschie<strong>den</strong>ste lokale Themen wie Abwassergebührenoder CO2-Verpressung aufzugreifen. Außerdem schärfendie Neonazis ihr rassistisches und antisemitischesProfil bei <strong>den</strong> Themen Eurokrise, Asylpolitik und „Grenzkriminalität“.Des weiteren besitzen sie, auch durchdie guten Kontakte in die Landes- und Bundesebene,eine funktionierende Infrastruktur und ein nicht geringesMobilisierungspotenzial. Zahlreiche Infostände,Kundgebungen, Verteilaktionen und Demonstrationenführten sie in <strong>den</strong> letzten Jahren im Raum Storkowund Fürstenwalde durch. Vereinzelt gab es solche Aktivitätenauch in Frankfurt (Oder), Eisenhüttenstadtund Beeskow, wo sich aber keine eigenen Strukturenetablierten. Hervorzuheben sind zwei Demonstrationen,die Neonazis aus dem Umfeld der “NPD-Oderland”2012 in Frankfurt (Oder) organisierten. Von Misserfolggekrönt, konnten die Aufmärsche im März undAbb. 67: Aktivist_innen der “NPD-Oderland”: Eric Lademann, MarkusSkupin, Pierre Jahrmattar, Frank Odoy, Nadine Müller, Klaus Beier undAntje Kottusch auf einer Kundgebung am 20. August 2011 in Groß Schauen.672: vgl. http://r e c h e r c h e g r u p -p e . w o r d p r e s s .com/<strong>2013</strong>/06/02/watch-out-for-thewerwolf/


683: vgl. http://inforiot.de/artikel/nw- b e r l i n - g o e s -bran<strong>den</strong>burg.4: vgl. http://www.opferperspektive.de/event/events_by_criteria/1.5: AusführlichereInformationen überdie NPD-Oderlandkönnen dem rechercheoutput #6 derantifaschistischenrecherchegruppefrankfurt (oder) entnommenwer<strong>den</strong>oder unter:h t t p : / / r e c h e r -chegruppe.wordpress.comRegionalesNovember aufgrund antifaschistischer Proteste nichtwie geplant stattfin<strong>den</strong>. Bezeichnend war die frühzeitigeAbreise Berliner Neonazis im November, nachdemsie vergeblich vier Stun<strong>den</strong> auf <strong>den</strong> Weiterzug ihrerDemonstration warteten.Der 46-jährige Klaus Beier ist die zentrale Figur des“NPD-Kreisverbandes”. Er ist neben seiner Funktion alsKreisvorsitzender auch als NPD-Landesvorsitzenderaktiv. Auch in die Bundesebene besitzt er gute Kontakte:bis 2011 als Bundespressesprecher tätig, verlormit dem Abgang von Udo Voigt seinen Posten, istaber nach wie vor im Bundesvorstand als Beisitzeraktiv. Der aus Franken stammende Beier starte seineNPD-Karriere bei der JN und war im Landes- sowieim Bundesvorstand aktiv. Neben Klaus Beier stehtinsbesondere ManuelaKokott in der Öffentlichkeit.Die 1968 inHalberstadt geboreneSteuerberaterin, tätigbei der Scharf u. RichterGbR in Storkow,wohnt in Fürstenwaldeund sitzt seit 2008 imKreistag. Mittlerweilenutzt sie ihr erlerntesFachwissen auch alsSchatzmeisterin desKreis- und Landesverbandes.Sie ist somitauch im Landesvorstandvertreten. Nebendem Verfassen von Berichtenund öffentlichenAuftritten fällt sie, genauso wie ihr LebensgefährteFrank Odoy, durch ihre Nähe zu Neonazis aus demSpektrum der “Autonomen Nationalisten” auf. Außerdemist sie maßgeblich mitverantwortlich für dieOrganisation des sogenannten „Preußentages“, demalljährlich stattfin<strong>den</strong><strong>den</strong> geschichtsrevisionistischenGroßevent des NPD-Landesverbandes. Frank Odoy istim Kreisverband für <strong>den</strong> „Bereich Organisation“ zuständig.Er ist auf nahezu allen Veranstaltungen vertreten,auf <strong>den</strong>en Mitglieder des Kreisverbandes auftauchenund war 2010 Delegierter des Kreisverbandes beimLandesparteitag. Zudem versucht er sich zusammenmit dem Fürstenwalder NPD-Aktivisten Marcel Teskeals „Anti-Antifa-Fotograf“. Letzterer ist seit mindestens2009 für die NPD aktiv. Weitere wichtige Figurenfür die NPD-Oderland sind Florian Stein, Frank Maar,Andreas Kavalir und seine Lebensgefährtin AntjeKottusch, welche parallel zu ihren Aktivitäten beim“Kreisverband” <strong>den</strong> “NPD-Ortsbereich Schöneiche”betreiben. Der am 20. April 2007 (Geburtstag AdolfHitlers) gegründete „Ortsbereich Schöneiche“ ist deraktivste im “Kreisverband Oderland”. Die SchöneicherNPD-Mitglieder machen insbesondere durch ihreantisemitischen Aktionen von sich re<strong>den</strong>. So störtenMitglieder des Ortsbereiches unter anderem der VorsitzendeStein, Kavalir und Kottusch, zusammen mitanderen Neonazis 2007 und 2008 das Laubhüttenfest„Sukkot“ und 2007 das Lichterfest „Chanukka“ der jüdischenGemeinde in Schöneiche. Dabei beleidigten siedie Gäste des Festes antisemitisch.Die Kader bemühen sich in letzter Zeit um <strong>den</strong> Aufbaueiner lokalen JN-Struktur. Sie nimmt, begleitet von <strong>den</strong>Kadern der “NPD-Oderland”, an Neonazi-Demonstrationenteil und unterstützt <strong>den</strong> “Kreisverband” beiseinen zahlreichen Aktionen. Zentrale Figuren hierbeisind Pierre Jahrmattar, Eric Lademann, MarkusSkupin und Marcel Teske. Die Neonazis investieren inihren Strukturaufbau, indem sie beispielsweise Fahrtennach Schwe<strong>den</strong> finanzieren, um sich dort mit anderenNeonazis auszutauschen. Ein Angebot, das besondersbei jungen Neonazis attraktiv sein dürfte. Kontaktebestehen, nicht nurbei <strong>den</strong> Jungnazis, zu<strong>den</strong> “Freien KräftenKönigs Wusterhausen”und “NW-Berlin”.Rechte Gewalt stelltauch im Einzugsraumder “NPD-Oderland”ein großes Problemfür Menschen und Akteur_innendar, dienicht in das beschränkteWeltbild der Neonazispassen. Im März2012 verübten Neonaziseinen Brandanschlagauf ein Büro derLinkspartei. Im Augustwur<strong>den</strong> die alternativen Jugendtreffs „Club im Park“ inFürstenwalde und „Bumerang“ in Beeskow Ziel von rechtenAngriffen. Fensterscheiben wur<strong>den</strong> eingeschmissenund das Kürzel „NW-Berlin“ hinterlassen. Zeitgleichwurde ein alternativer Jugendlicher aus Storkow inseinem Wohnumfeld bedroht. Sein Name, sowie die Parole„Game Over!“ und das Kürzel „NW-Berlin“ wur<strong>den</strong>auf die Strasse vor seiner Haustür gesprüht. 3 An zweiSupermärkten in Fürstenwalde wurde im Oktober u.a.die Parole “L58 bleibt!“ von Neonazis gesprüht. Eineoffensichtliche Sympathiebekundung für einen Treffpunktin der Lückstraße 58 in Berlin-Lichtenberg,der von Neonazis aus dem Umfeld des „NW-Berlin“genutzt wird. Ende November wurde in Fürstenwaldeein kenianischer Flüchtling von mehreren Motorradfahrernbeleidigt und krankenhausreif geschlagen. 4Dies ist nur eine Auswahl rechter Übergriffe und Einschüchterungsversucheaus dem letzten Jahr. Bislangkonnte kein Vorfall Anhänger_innen der lokalen NPD-Strukturen nachgewiesen wer<strong>den</strong>, jedoch ist offensichtlich,dass es einem Zusammenhang zwischen gewaltbereitenNeonazis, speziell zum „NW-Berlin“, undder bürgerlich auftreten<strong>den</strong> “NPD-Oderland” im RaumStorkow <strong>–</strong> Fürstenwalde geben muss. 5Abb. 68: Am 18. Februar 2011 hetzen Klaus Beier (links) und Frank Maarauf einer NPD-Kundgebung in Berlin-Lichtenberg gegen “Ausländer”.


Lausitzer VerhältnisseSPN-CBRegionalesAbb. 69: Das “Who is Who” der Cottbusser Neonaziszene: Auf diesem Gruppenbild sind nahezu alle rechten Gruppierungen in und umCottbus vertreten, so u. a. Mitglieder der Band “Frontalkraft”, der Hooligangruppierung “Inferno ‘99” und Anhänger der “Spreelichter”.NPD Partei-Kader und Kreisverband Lausitz inCottbusIn Südbran<strong>den</strong>burg sind neben der „außerparlamentarischenBewegung“ vor allem Neonazis des „NPD KreisverbandLausitz“ aktiv. Nach einer Reaktivierung desVerbands ab 2007 erleben regionale NPD-Struktureneinen neuen Aufschwung. Besonders seit <strong>den</strong> Kommunalwahlen2008, bei <strong>den</strong>en die NPD insgesamt jeweilszwei Mandate in Cottbus und im Landkreis Spree-Neiße erringen konnte, versucht der Kreisverbandsich auszubauen und auf die Lokalpolitik Einfluss zunehmen.Nachdem der Verband erneut an Attraktivität undMitgliedern verlor, hat der junge und aufstrebendeNeonazi Ronny Zasowk die Verantwortung übernommen.Im Jahr 2007 wurde er zum Vorsitzen<strong>den</strong>des Kreisverbands gewählt. Ein weiterer wichtigerWendepunkt war 2008 die Umbenennung des Kreisverbandesvon „Spreewald“ zu „Lausitz“. Gleichzeitigentstand ein neues Sammelbecken für junge und alteNeonazis, welche aus dem unorganisierten rechtenStraßenmob engagiert wurde. Um eine neue Generationvon Partei-Aktivist_innen vorzubereiten wurdedurch erfahrene Neonazis wie Frank Hübner undAlexander Bode der Fokus auf Bildungsarbeit gelegt.Neue Kader konnten aufgebaut wer<strong>den</strong>, darunter auchPierre Dornbrach.Der Kreisverband unternahm zu <strong>den</strong> Kommunalwahlen2008, ebenso wie andere Verbände in Bran<strong>den</strong>burgnach der Fusion mit der „Deutschen Volksunion“(DVU), eine Offensive. Durch unzählige Infostände,Kundgebungen und Propaganda-Material konntendiese 3,0% in Cottbus erzielen. Auch in anderen WahlkreisenSüdbran<strong>den</strong>burgs erhielten sie vergleichbareErgebnisse. Die in Cottbus und Spree-Neiße aufgestelltenKandidaten fan<strong>den</strong> somit ihren Einzug in dieKommunen. In Cottbus zogen Frank Hübner <strong>–</strong> militanteralt-Neonazi mit jahrelanger Parteierfahrung undRonny Zasowk <strong>–</strong> junge Radikalität mit Hinblick aufNPD-Karriere ins Stadtparlament ein. Im Spree-Neiße-Kreis dagegen Markus Noack und Karsten Schulz,beide wohnhaft in Guben, militante „Freie Kräfte“ umAlexander Bode.Nach diesem „Erfolg“ bekam der Verband einen erneutenAufschwung und versuchte sich seitdem personelldurch <strong>den</strong> Wiederaufbau dem kaum in Erscheinunggetretenen „JN Stützpunkt Lausitz“ hinzugeben. Einweiterer Kader, der Vorsitzende der „JN Lausitz“, einStu<strong>den</strong>t der Wirtschaftsingenieurwesen in Senftenberg,Pierre Dornbrach wurde zur weiteren zentralenFigur.2010 gründeten sich die “NPD-Ortsbereiche” inCottbus und Guben. So stan<strong>den</strong> beide Städte im Mittelpunkt.Die bei<strong>den</strong> NPD-Abgeordneten in Cottbusnutzten ihre Position im Rathaus aus und setzten sichdort in Szene. Weiterhin wurde versucht Infrastrukturzu erweitern, so unternahmen Neonazis aus derNPD Versuche Immobilien zu erwerben, jedoch ohneErfolg. Stammtischabende, Bildungsveranstaltungenoder Treffen fin<strong>den</strong> nach wie vor in internen Lokalitätenund Räumlichkeiten in und um Cottbus statt.Nachdem zwischendurch neue “Ortsbereiche” in69


70RegionalesHerzberg und Calau gegründet wur<strong>den</strong>, verschwan<strong>den</strong>die jungen Kader Zasowk und Dornbrach aufhöheren Funktionen in der NPD und vernachlässigtenihre Region. Die anfangsgegründete „JNLausitz“ scheint nichtmehr zu existieren.Zasowk konnte jedochseine Zuständigkeitenauf jüngere Neonazisübertragen.Dazu gehören OliverFischer, seit Mai 2012der neue Ortsverband-Vorsitzende in Cottbus,Benjamin Mertsch,Oliver Schierack undRobert Becker. Unterder Führung von RonnyZasowk veranstaltendiese regelmäßig Infostände,Kundgebungen und interne Stammtischabendein Cottbus und Guben. Im Zuge der „Raus aus demEuro“-Kampagne 2012 waren diese besonders aktivmit eigenen Veranstaltungen und übernahmendarüber hinaus Ordner-Funktionen auf mehrerenAufmärschen in Bran<strong>den</strong>burg. Doch die große Resonanzbleibt aus. Weder auf Infostän<strong>den</strong> noch auf Aufmärschenlassen sich außer dem bekannten festenKern selten Sympathisant_innen blicken. Nicht zuletztauch wegen der Konkurrenz zu der „WiderstandsbewegungSüdbran<strong>den</strong>burg“.Das Neonazi-Geschäft „The Devils Right Hand Store“In der Taubenstraße 35 in Cottbus befindet sich ein deutschlandweit bekannterNeonazi-La<strong>den</strong>. Mit der Gründung des dazugehörigem Label „Rebel Records“entstand seit 2005 ein großes Netz rechter Musik-Branche und Propaganda. DerInhaber ist Martin Seidel aus dem Umfeld der bekannten Cottbuser Rechtsrockband„Frontalkraft“. Der „The Devils Right Hand Store“ geht auf ein gleichnamigesLied der Band „Skrewdriver“ „Justice for the Cottbus six“ zurück.Das Geschäft bietet die komplette Bandbreite rechter Bekleidung, Musik, Bücherund „Sonstiges“ an. Für Kund_innen außerhalb von Cottbus bietet der La<strong>den</strong> einenprofessionell und aktuell geführten Online-Versand an. Die Plattenfirma „RebelRecords“ produziert neben deutschen auch viele internationale Größen der neonazistischenMusik-Szene.Zur Werbung schaltet das Label in bekannten rechten „Fanzines“ Anzeigen undführt bundesweit auf geheimen Neonazi-Konzerten Verkaufsstände durch. DasNeonazi-Festival „Rock für Deutschland“ in Gera wird von „Rebel Records“ seitJahren mitorganisiert und finanziert. Mit dem Schwerpunkt auf Popularisierungneonazistischer Musik und Ideologie spielt das Plattenlabel auch in Südbran<strong>den</strong>burgeine immense Rolle und bestimmt die Landschaft rechter Konzerte. Viele regionaleKonzerte sind auf das Label zurückzuführen. Zuletzt ein Konzert in „Mitteldeutschland“mit Neonazi-Größen wie „Moshpit“ und „Painful Awakening“am 27. Oktober 2012.Die örtliche Neonazi-Szene nutzt das Geschäft auch als Treff- und Anlaufpunkt. DerInhaber wiederum unterstützt die Neonazis durch <strong>den</strong> Verkauf von Solidaritäts-Artikeln wie CD´s, z. B. der verbotenen „Spreelichter“. Zum Umfeld gehört nachwie vor die Band „Frontalkraft“ um <strong>den</strong> Sänger Sten Söhndel. Stellvertretend fürdie Band, beteiligte er sich an dem „Solidarität IV“-Sampler zur finanziellen Unterstützungeines Neonazi <strong>–</strong> einem Helfer des Mörder-Trio des „NSU“ <strong>–</strong> und komponiertedafür neue Lieder.Abb. 70: Ronny Zasowk und Pierre Dornbrach (rechts) auf einer NPD-Demonstration am 21. Mai 2011 in Spremberg.Zasowk ist derzeit wohnhaft in Cottbus, stellvertretenderNPD-Landesvorsitzender in Bran<strong>den</strong>burg, Mitglieddes NPD-Parteivorstands. Als „Chef des AmtesBildung“ in der NPD istseine zentrale Aufgabe„systematisch Führungskräfte-und Nachwuchsschulungendurchzuführen“.Er nimmtregelmäßig an <strong>den</strong>Cottbuser Stadtverordnetenversammlungenteil und versucht <strong>den</strong>Fa<strong>den</strong> zur Lausitz nichtzu verlieren. Hübnerim Gegenteil übergibtseinem Nachwuchsdie Führung und ziehtsich vermehrt aufgrundgesundheitlicherProbleme aus der Politikzurück. Die GubenerNoack und Schulz sind nach ihrem Einzug in <strong>den</strong>Kreistag kaum durch Aktivität aufgefallen. Dornbrachist seit dem Verfall des Lausitzer „JN Stützpunktes“,Beisitzer im Bundesvorstand und Bundesbildungsbeauftragterder JN sowie Landesvorsitzender der „JNBran<strong>den</strong>burg“.Rechter Lifestyle und Erlebniswelt in CottbusImmer intensiver versuchen Neonazis innerhalb ihrer„Freizeitaktivitäten“ wie in der Cottbuser Fanszeneoder Kampfsport-Klubs „erlebnisorientierte“ Personenzu agitieren. Die Fanszene des lokalen Fußballvereins„FC Energie Cottbus“ ist deutschlandweit für rassistischeund antisemitische Ausrichtung bekannt. DasKickbox-Team Cottbus 09 schloss mehrere Spitzen-Sportler aufgrund neonazistischer Positionen aus undgeriet selbst in Erklärungsnot.Für bundesweite Schlagzeilen sorgte der CottbuserAnhang nach einem Spiel gegen SG Dynamo Dres<strong>den</strong>in 2005, als ein Banner mit der Aufschrift „Ju<strong>den</strong>“hochgehalten wurde. Wobei das „D“ im Wort das Logoder „SG Dynamo“ beinhaltete. Verantwortlich dafürwar die Hooligan- und Ultra-Gruppierung „InfernoCottbus 99“ (IC99). Diese war schon seit der Gründung1999 durch antisemitische, rassistische und homophobeAufkleber, Choreografien und Transparenteaufgefallen. Viele Neonazis schlossen sich der Gruppean. So etablierte sich schnell ein rechter Mob im Stadion,welcher die Stimmung in vielen Blöcken bestimmte.Nachdem mehrere Mitglieder bis 2011 Stadionverboteund als Gruppe ein Erscheinungsverbot fürdas Stadion erhielten, erlebten andere Fangruppenwie das „Collettivo Bianco Rosso“ (CBR02) einenAufschwung.Das CBR02 pflegt seit Jahren eine enge Fan-Freundschaftzu <strong>den</strong> „NS-Boys Chemnitz“. Einer HooliganundUltra-Gruppierung die aus ihrer neonazistischenGesinnung kein Geheimnis macht und sich auf Werbe-Materialien mit dem Kopf eines Hitler-Jugendlichen


RegionalesDie Cottbuser Fan-Szene mit <strong>den</strong> aktiven und einflussreichenGruppen IC99 und CBR02 hat sich im„Stadion der Freundschaft“ eine eigene „Homezone“kreiert. Mit dem Unterschied nicht nur Fans, sonderndie aktive Spitze zu sein, bestimmen sie die Atmosphäresowie die Außenwirkung des Vereins. Auchim Ordner_innen-Dienst des Stadion sind unzähligeaktive Neonazis, besonders im Gästeblock-Bereich,beschäftigt. Mit einem großen Mobilisierungspotentialversammeln sich hunderte Anhänger_innenzu „Derby-Märschen“.Abb. 71: Oft sind neben <strong>den</strong> eigenen Transparenten auch Banner befreundeterneonazistischer Hooligangruppierungen im Cottbusser “Stadion derFreundschaft” zu sehen.präsentiert. Die befreundeten Gruppen unterstützensich gegenseitig, besuchen Fußball-Spiele des anderenund organisieren gemeinsame Veranstaltungen wiez.B. Fußball-Turniere. So kommt es öfters vor das NSverherrlichendeTransparente der „NS-Boys“ auf <strong>den</strong>Cottbuser Heim- und Auswärtstribünen vorzufin<strong>den</strong>sind. Auch bei CBR02 gibt es personelle Überschneidungenmit aktiven Neonazi-Gruppen. Der „Capo“ vonCBR02 <strong>–</strong> Maik Liersch, welcher seit vielen Jahren derVorsänger auf dem Zaun im Stadion gewesen ist, warwegen eines Überfalls auf eine antifaschistische Partyim Jahr 2005 mit weiteren 20 Neonazis angeklagt.2011 endete für viele Mitglieder von IC99 dasStadion- und Erscheinungsverbot. Seitdem dominierensie erneut die aktive Cottbuser Fan-Szene. Nachdem viele Mitglieder der erstenStunde weggezogen sind oder inaktiv wur<strong>den</strong>,steht eine neue Generation von Neonazis an derSpitze. Immer wieder stellt die Fan-Gruppe ihrepolitische Ausrichtung zur Schau. Auch aktuellwird auf Aufklebern gegen andere Fußballvereinemit Beleidigungen wie „Zigeuner“, „Schwule“oder „Zecken“ diskriminiert. Auf einem Transparentbefindet sich ein „SS“-Totenkopf, auf anderenHitler-verehrende Sprüche wie „Die Halbenhol´ der Teufel … (Wir stehen zum Führer)“,„Widerstand lässt sich nicht verbieten“ oder„Unterwegs im Reich“ mit einer Deutschland-Karte in <strong>den</strong> Grenzen von 1940. Der aktuelle„Capo“ auf dem Stadion-Zaun <strong>–</strong> William Puder,ist ebenfalls von IC99. Bei weiteren Mitgliedernvon IC99 gibt es Verbindungen zu neonazistischenGruppierungen. Auch Fans vom „Frankfurter FC Viktoria“(FCV-Hooligans) und dem polnischen „KS BeskidAndrychonow“, zu welchen IC99 Fan-Freundschaftenaufgebaut haben, sind für ihre rassistische Ausrichtungbekannt.Eine weitere rechte „Homezone“ für Neonazisist der Kickbox-Team Cottbus 09 (KBTC). Durcheine Schlüsselfigur wie Markus Walzuckentstand ein neues Agitationsfeld. Der ehemaligeVorzeigesportler des KBTC war nicht nurKampfsportler, sondern auch ein langjährigesMitglied bei IC99, sowie ein Aktivist des inzwischenverbotenen „Spreelichter“-Netzwerks. Sowurde das KBTC über Jahre hinweg mit ihremAushängeschild Markus Walzuck zu einem Magnetfür rechte Jugendliche.Immer wieder geriet der Verein KBTC mit ihrenKämpfern in das Fa<strong>den</strong>kreuz der Kritik. Walzuckwurde 2011 die Einreise nach Israel zueinem Wettkampf aufgrund von „Hinweisen aufKontakte von ihm in die rechtsradikale Szene“verweigert. Auch schon früher ist Walzuck vor einemKampf zu einem Lied der Neonazi-Band „Blitzkrieg“in <strong>den</strong> Ring gestiegen. Zu einem Wendepunkt kam esim Januar 2012, nachdem Walzuck wegen Volksverhetzungverurteilt wurde. Er reiste mit 17 weiterenPersonen in <strong>den</strong> Urlaub nach Mallorca, wobei alle einT-Shirt mit dem Aufdruck „A.H. Memorial Tour 2011 <strong>–</strong>Protectorat Mallorca“ und „Seit 66 Jahren vermisst. Dufehlst uns. Wir brauchen dich“ trugen. Alle Teilneh-Abb. 72: Modisch und unauffällig kommt die Mode von “Label 23” daher.Screenshot von der Homepage des Bekleidungsversands.Label 2371Markus Walzuck ist ehemaliger Inhaber der Bekleidungsmarke „Label 23 <strong>–</strong> BoxingConnection“ und des Geschäfts „Blickfang-Store“ in Cottbus. Besonders beliebtbei Kampfsportler_innen, Hooligans und Neonazis, nicht zuletzt wegen derWerbung auf einschlägigen Internet-Plattformen. Die Marke gibt sich nach außeneher unpolitisch, spielt jedoch mit neonazistischen Codes. So gibt es Motive mitdem Namen einer bekannten Rechtsrock-Band aus <strong>den</strong> USA „Bound for Glory“oder einem Zahnrad mit großer Ähnlichkeit zum Symbol der „Schwarzen Sonne“.Die Marke bietet ebenso Sponsoring an. So wer<strong>den</strong> Musiker wie der nationalistischeRapper „Dissziplin“ oder Kämpfer Benjamin Brinsa mit Verstrickungen indie Neonazi-Szene, unterstützt. Nicht nur in Südbran<strong>den</strong>burg scheint die Markebeliebt zu sein, im Sortiment vieler Lä<strong>den</strong> in Ostdeutschland ist „Label 23“ zu fin<strong>den</strong>.


Regionalesmer bezahlten die Geldstrafe, außer Walzuck welchereinen Rechtsstreit forderte. Durch diese offensichtlicheHitler-Verehrung wurde Walzuck nach der Verurteilungaus dem Verein ausgeschlossen. Auchein weiterer Teilnehmer der Reise, ebenfallsein Kämpfer des KBTC und Hooligan bei IC99<strong>–</strong> Christian Branig <strong>–</strong> verließ <strong>den</strong> Verein. Nachder Verurteilung und medialem Interesse wurdebekannt das ein weiterer Kämpfer des KBTC <strong>–</strong>Mario Schulze <strong>–</strong> und ein offizieller Sponsor desVereins <strong>–</strong> Daniel Jacobs <strong>–</strong> an der Reise beteiligtwaren und die T-Shirts trugen. Trotz der selbenSachlage wie bei Walzuck, folgten keine weiterenRausschmisse, der Verein KBTC positioniertesich für <strong>den</strong> Sportler und machte sich somitnoch mehr attraktiver für rechte Kreise.zuletzt 2009 ein Neonazi-Konzert mit über 130 Besucher_innendurch die Polizei aufgelöst. Die rechteHegemonie geht in diesen Dörfern so weit, dass sichForst72In Forst (Lausitz) konnten sich feste faschistischeStrukturen trotz zahlreicher Versuchenie über einen längeren Zeitraum etablieren.In <strong>den</strong> 1990er Jahren existierte eine Kameradschaft„Heereskommando Forst“ und Mitte der 2000er Jahreversuchte die NPD in der Stadt Fuß zu fassen. Zwarbekamen die Organisationen auch einigen antifaschistischenGegenwind, doch zerbrachen sie vor allemdaran, dass sich wichtige Führungskader zurückzogen.Der NPD-Kreisvorsitzende Andreas Beckmanntrat 2006 aus der Partei aus und engagierte sich danachals Sprecher des Bündnisses „Runder Tisch fürDemokratie und Toleranz“ und in der Linkspartei. DieRekrutierung des Nachwuchses für neonazistischeGruppen kam immer wieder ins stocken, weil für rechteJugendkulturen keine eigenständigen Räume zurVerfügung stan<strong>den</strong>.Anders sieht dies in <strong>den</strong> südlich der Stadt gelegenenDörfern Preschen, Schacksdorf und Simmersdorf aus.Die kommunalen Jugendclubs wur<strong>den</strong> von Neonazisdominiert und regelmäßig fuhren NPD und DVU hierAbb. 73: Posing bei einer Geburtstagsfeier in der „Firma 18“ <strong>–</strong> Willi Puder(obere Reiher, erster v. l. ); Christian Blume (untere Reihe dritter v. l.).einige ihrer landesweit besten Wahlergebnisse ein. InSimmersdorf hatte die Band „Frontalkraft” eine Zeitlang ihren Proberaum und im örtlichen Gasthof wurdeAbb. 74: Willi Puder (zweiter v. r.) mit dem Neonazi-Bar<strong>den</strong>Frank Rennicke beim NPD-Pressefest 2010.Ortsvorsteher_innen und anderen Verantwortlichenicht wagen gegen die Entwicklungen klar Stellung zubeziehen. Trotz des feindlichen Umfeldes konnte sichin der Kleinstadt Döbern lange Zeit eine alternativeJugendszene halten. Inzwischen dominieren auch hierNeonazis das Stadtbild. Vor allem Dirk Rakete undSebastian Borg waren in der Vergangenheit mehrmalsführend bei Übergriffen auf linke Jugendlichebeteiligt.In <strong>den</strong> letzten Jahren ist auch in Forst ein Milieu entstan<strong>den</strong>,dessen Mitglieder stark durch das Umfeldder neonazistischen Fanszene des FC Energie Cottbusgeprägt wur<strong>den</strong>. Als Ultra-Gruppe „Sü<strong>den</strong> Attack“(abgekürzt „SA“) traten sie 2005 zuerst bei Spielen desSV Sü<strong>den</strong> Forst auf. Gegnerische Fans und Spieler wur<strong>den</strong>regelmäßig mit rechten Parolen angepöbelt undbedroht, teilweise erhielten sie dabei auch Unterstützungdurch Hooligans aus Cottbus. Im Verein stießensie mit ihrem Auftreten kaum auf Widerstände. Selbstals 2010 ein Mitglied auf einer Versammlung einT-Shirt mit der Aufschrift „Vizeweltmeister 45“inklusive Reichsadler trug, wurde ein Bild dieses„Gags“ auf die Vereinshomepage gestellt. Alskontinuierlicher Treffpunkt stand <strong>den</strong> Neonazislange ein Nebengebäude auf dem Vereinsgeländezur Verfügung.Seit 2010 mietete sich die Gruppierung in unmittelbarerNachbarschaft in eine alte Baracke ein,die sie nach außen mit Sichtschutz und Stacheldrahtwie zu einer Festung ausbauten. Ihrenneuen Treffpunkt nannten Sie in Anspielung aufAdolf Hitler „Firma 18“ (siehe Kasten).Zentrale Personen sind der Simmersdorfer ChristianBlume, der wegen seiner hohen Gewaltbereitschaftein wichtiger Faktor in der Forster Nazi-Szene ist und William Puder, der von Anfangan eine Führungsfigur bei <strong>den</strong> „Ultras“ des SVSü<strong>den</strong> war und sogar zum Capo (Vorsänger mitMegaphon) im Energie-Stadion „aufgestiegen“war. Diese im Fanblock zentrale Position konnte er mitUnterstützung der rechten Fan-Gruppierung „InfernoCottbus“ einnehmen. Seine Verbindungen zum verbo-


Regionalestenen Neonazi-Netzwerk „Spreelichter“ versucht er inder Öffentlichkeit zu leugnen.Den Teilnehmen<strong>den</strong> der NPD-Kundgebung und derRundschau in der Nacht zum 30. April 2012, nachdemdiese kritisch über einen vermummten Aufzug sogenannter„Spremberger Nationalisten“ am örtlichenBismarckturm berichtete, sowie der Angriff auffünf Jugendliche die in der Nacht zum 13. Mai2012 einen Spremberger Jugendtreff, der vonNeonazis als links wahrgenommen wird.Abb. 75: Stefan Senf, Stefan Wend und Felix Herzog (v. l. n. r. )bei einerNPD-Demontration am 21. Mai 2011 in Spremberg.„Firma 18“ bescherte ihr „Outing“ einige Probleme.Von Seiten des inzwischen in „SV Lausitz“ umbenanntenFußballvereins wurde die Entwicklung im eigenenUmfeld zuerst noch heruntergespielt. Nachdem auchdie überregionale Presse über <strong>den</strong> „Fußballplatz mitbraunem Rand“ berichtete, musste der Vereinreagieren. Im Vorfeld der antifaschistischenDemonstration im Oktober 2012 wur<strong>den</strong> der„Firma 18“ durch <strong>den</strong> Grundstückseigentümerendgültig gekündigt.Der Verlust der „Firma 18“ bedeutete aber keinenEinschnitt in die Aktivitäten der Neonazis.Getroffen wird sich nun in Privatwohnungen.Ein Teil der Gruppe radikalisiert sich weiter. Anderewer<strong>den</strong> stärker in die örtliche Rockerszeneeingebun<strong>den</strong>.Außerdem griff eine Gruppe junger Neonazis einvon Stadtverwaltung und Lausitzer Rundschauveranstaltetes „Fest der Vielfalt“ an, nachdemdiese in T-Shirts mit der Aufschrift „Heute tolerantmorgen fremd im eigenen Land“ durchdie Stadt zogen und versuchten einen „Asia-Imbiss“-Betreiber einzuschüchtern. MaßgeblicheDrahtzieher hierbei sind die SprembergerNeonazis Franz Datzmann und Patrick Wolf,von <strong>den</strong>en ersterer zur Zeit eine Haftstrafewegen mehrerer Körperverletzungs- und Bedrohungsdeliktenverbüßt. Des Weiteren stütztsich dieser Personenkreis auf die IT- und Onlinerecherchetätigkeitendes im Stadtteil Kollerbergwohnen<strong>den</strong> Sandy Hübschmann, der unteranderem für die Pflege der Internetseite „RevolutionäresSpremberg“ verantwortlich zeichnet. Als immerwiederkehrende Protagonisten der gewalttätigen Exzessesind Andreas Schultchen so-wie Tony Pruska73SprembergSpremberg, eine ca. 24.000 Einwohner umfassendeKleinstadt, 15 Kilometer südlich vonCottbus, wird in der bürgerlichen Öffentlichkeitals beschauliche, weltoffene „Perle der Lausitz“wahrgenommen. Schaut mensch allerdingsgenauer hin zeigt sich ein eher anderes Bild.Südbran<strong>den</strong>burg gilt als eine Region mit einer deraktivsten Neonazi-Szene Bran<strong>den</strong>burgs. Sprembergbildet hierbei eine der Hochburgen gewaltbereiter, jugendlicherNeonazis. Zu <strong>den</strong> aktivsten Protagonist_innenzählen hierbei vorrangig jugendliche bzw. jungeMänner die sich dem, im Juni 2012 durch <strong>den</strong> bran<strong>den</strong>burgischenInnenminister verbotenen Zusammenhang„Widerstandsbewegung Südbran<strong>den</strong>burg“ (WS),im speziellen <strong>den</strong> „Spreelichtern“ zugehörig fühlen. ImZusammenhang mit diesem Verbot bildete Sprembergim Rahmen des Polizei-Großeinsatzes einen sogenanntenEinsatzschwerpunkt. Hier wur<strong>den</strong> zwei Wohnungendurchsucht.Jüngste Beispiele für die Aktionsformen dieser Sprembergersogenannten “Autonomen Nationalisten” sindder Angriff auf die Lokalredaktion der LausitzerAbb. 76: “Nationalisten Spremberg” am Bismarckturm.zu nennen, die beim Angriff auf das „Fest der Vielfalt“beteiligt waren. Verteidigt wer<strong>den</strong> beide und auch andereSpremberger Neonazis von dem in der Langen“Firma 18” in ForstEine im Kern ca. 15 Personen starke Gruppe organisierte in der von Neonazisangemieteten Baracke regelmäßig Partys und Veranstaltungen, die auch von(noch-)nicht-rechten Jugendlichen besucht wur<strong>den</strong>. Sie kamen auf diese Weisemit Vertreter_innen der NPD und „Freien Kameradschaften“ in Kontakt. Im Eröffnungsjahrgab es immer wieder rechte Sprühereien im Stadtgebiet und am 15.Juli 2010 auch einen Angriff auf das alternative Kultur- und Begegnungszentrum„Park 7“. Das Erstarken der rechten Szene erfolgte lange unter der Oberfläche,erst ein NPD-Infostand am 19.03.2011 in der Forster Innenstadt machte deutlich,dass es in der Stadt wieder einen Personenkreis gibt, der bereit ist, die Parteizu unterstützen. Von <strong>den</strong> 30 anwesen<strong>den</strong> Neonazis waren zehn Mitglieder der„Firma 18“. Vor allem die drei Forster Stefan Wend, Felix Herzog und StefanSenf wur<strong>den</strong> davor und danach bei anderen NPD-Veranstaltungen in Cottbus undSpremberg gesichtet und dienten dem NPD-Funktionär Ronny Zasowk als Kontaktpersonenvor Ort.


74RegionalesStraße ansässigen Neonazi-Anwalt Ronny Krautz.Bei diesen Neonazis bestehen direkt Verbindungenzu Kamerad_innen im gesamten südbran<strong>den</strong>burgischenRaum. Vorrangig bestehen diese zu <strong>den</strong> verbotenen„Spreelichtern“, zu Neonazis in Cottbus sowie zuHooligans und Ultragruppen des FC Energie Cottbus,hierbei in erster Linie zu „Inferno Cottbus“ und derUltragruppe „Colettivo Bianco Rosso“ Cottbus. Einenweiteren Anknüpfungspunktbildet für dieseJugendlichen die subkulturellerechte Erlebnisweltin Cottbus,z. B. „Devils Right HandStore“. In Sprembergtreffen sich Neonazisvornehmlich in privatenGaragen oderam Wochenende in der„City Bowling“-Anlageim „City Center Spremberger“.Dieser Ortkann an Wochenendtagenvon Menschen dienicht in das Weltbildder Neonazis passennur unter einer allgemeinenGefährdung betreten wer<strong>den</strong>.Einen weiteren Akteur der Neonazis bildet das NPD-Büro in Spremberg das dem “Kreisverband Lausitz“angehört. Es besteht aus ca. acht festen Mitgliederndie jedoch lediglich durch Infostände und Mahnwachen,hierbei auch nur durch tatkräftige Unterstützungder NPD- und JN-Strukturen aus Cottbus, öffentlichkeitswirksamauftreten können. Der letzte „großeCoup“ gelang der NPD in Spremberg ebenfalls nurdurch die Übernahme des organisatorischen Schwerpunktsdurch Kader aus Cottbus am 21. Mai 2011.Hierbei gaben sie sich der Lächerlichkeit preis undwur<strong>den</strong> von mehreren hundert Gegendemonstrantieren<strong>den</strong>in ihrem Tun massivst gestört.Eine wesentliche Stütze für derlei neonazistischeUmtriebe bietet in Spremberg das gesellschaftlichsowie parlamentarische Umfeld. In der SprembergerBevölkerung herrschtein zutiefst lokalpatriotischerund xenophoberGrundkonsensvor der sich gegen jeglicheKritik von Außenversperrt wird und mitSlogans wie: „Ihr habtja keine Ahnung, ihrseid überhaupt nichtvon hier.“ diskreditiert.Die Stadtverwaltungbegnügt sich derweilmit Lippenbekenntnissenund ist besorgtum die wirtschaftlicheAbb. 77: NPD-Demonstration in Spremberg am 21. Mai 2011. Lage. Sie verkennt dabeivöllig das TatsachenAm Transparent Markus Noack (mitte) und Benjamin_Mertsch (rechts).wie die weder Kostennoch Mühen scheuende Restauration eines nationalistischenSymbols wie des Bismarck-Turms, der nichtumsonst als Fotolocation für die Neonazis diente <strong>den</strong>nan seiner Krone steht zu lesen: „Wir Deutsche fürchtenGott und sonst nichts auf der Welt“. Auch die Verharmlosungder „Hetzjagd von Guben“ durch <strong>den</strong> amtieren<strong>den</strong>Bürgermeister Klaus-Peter Schulze und andererStadtverordneter bil<strong>den</strong> <strong>den</strong> Nährbo<strong>den</strong> für nationalistische,xenophobe und neonazistische Einstellungenin Spremberg.


AktivismusAntifa heißt ...Wer und was ist der Ansatz von Antifagruppen75Abb. 78: Durch Organisierung von Gegenprotesten, Blocka<strong>den</strong>, direkten Aktionen oder Recherche zeichnen sich antifaschistischeGruppen auch in Bran<strong>den</strong>burg aus. Hier Blockade eines Neonazi-Aufmarschs am 31. März 2012 in Bran<strong>den</strong>burg an der Havel.Mit mindestens 28 Todesopfern neonazistischer Gewalt,von <strong>den</strong>en nur neun offiziell durch die Landesregierunganerkannt sind, steht das Bundesland Bran<strong>den</strong>burghoch in der bundesweiten Statistik. Lange Zeitgalt und zum Teil bis heute gilt Bran<strong>den</strong>burg als Hortneonazistischen Gedankenguts, organisierter Strukturenund eines rassistischen Klimas. Da erscheint antifaschistischeGegenwehr in Bran<strong>den</strong>burg als wichtigund notwendig. Der folgende Text wirft einen Blickauf <strong>den</strong> Antifaschismus in Bran<strong>den</strong>burg und diskutiertMöglichkeiten und Perspektiven antifaschistischerPolitik in der Region.Antifa als notwendiger SelbstschutzAngesichts des zunehmen<strong>den</strong> Neonazismus in derDDR und dem Überfall von organisierten Neonazis aufein Punkkonzert in der Ostberliner Zionskirche 1987entstan<strong>den</strong> aus der Punkszene heraus mehrere Antifa-Zusammenhänge, die sich <strong>den</strong> neonazistischen Aktionenund Personengruppen entgegensetzten. 1988gründete sich in Potsdam, ebenfalls als Reaktion aufeinen neonazistischen Überfall, die erste Antifa-GruppeBran<strong>den</strong>burgs. Sie bemühte sich das Problem deserstarkten Neonazismus in der DDR in das Blickfeldzu rücken, wodurch sie auch ins Beobachtungsfeld derStaatssicherheit kam.Mit dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich desGrundgesetzes herrschte in Bran<strong>den</strong>burg, wie auchin anderen Teilen der Bundesrepublik, eine desolateSituation der Perspektivlosigkeit und Abstiegsangst.Gepaart mit erstarktem Nationalismus wuchs einrassistisches Grundklima, welches einem Ausbruchneonazistischer Gewalt gesellschaftlich legitimierte.Zugleich bauten Bund und Kommunen wirtschaftlicheund staatliche Strukturen ab <strong>–</strong> vor allem auch JugendundSozialeinrichtungen - wodurch viel Leerstan<strong>den</strong>tstand. Als Reaktion auf die Schließungen und <strong>den</strong>Verlust von Treffpunkten, wur<strong>den</strong> in vielen größeren,aber auch in kleineren Städten Bran<strong>den</strong>burgs Häuserbesetzt. Diese Projekte waren nicht nur preiswerteWohnräume, sondern auch wichtige Freiräume zurSelbstentfaltung linker und alternativer Jugendkultur.Dort, wo Hausprojekte entstan<strong>den</strong>, in <strong>den</strong>en sich Menschenselbst organisierten, konnte eine kontinuierlichpolitisch arbeitende linke Szene gedeihen. Zudemwaren Hausprojekte wichtige Schutzräume vor Angriffenvon Neonazis. Militante neonazistische Übergriffe,staatliche Kriminalisierung und polizeilichesNichteingreifen sowie die fehlende Sensilibität der Gesellschaftwaren bittere Realität, sodass nur militanteGegenwehr als äußerstes, aber notwendiges und legitimierbaresMittel übrig blieb. Durch antifaschistische


76AktivismusGegenwehr auf verschie<strong>den</strong>en Ebenen, auf die derText im weiteren eingeht, konnte die neonazistischeHegemonie in vielen Teilen Bran<strong>den</strong>burgs durchbrochenwer<strong>den</strong>. Dem folgten Verbote wichtiger neonazistischerOrganisationen ab Mitte der 1990er Jahre,wodurch sich die Lage zunächst entspannte.Intervention und eigene AkzenteZu <strong>den</strong> Schwerpunkten antifaschistischer Arbeit inBran<strong>den</strong>burg gehören klassische Aktionsfelder wieProtestaktionen, Recherche (Siehe Seite 82) und Aufklärungsarbeitsowie Ge<strong>den</strong>kpolitik. Bran<strong>den</strong>burgerAntifa Gruppen und Initiativen setzen sich vielfältigmit dem historischen Nationalsozialismus auseinander.Seit 2010 findet z.B. ein Work-Camp auf demGelände des ehemaligen Frauen- und MädchenkonzentrationslagerRavensbrück statt. Ähnliche Workcampsgab es in der Vergangenheit, wie beispielswiese dasAntifa Workcamp in der Ge<strong>den</strong>kstätte SachsenhausenEnde der 1990er/Anfang 2000. Beachtung findetebenfalls das Ge<strong>den</strong>ken an die Shoa, die Befreiung vonAuschwitz, der Tag der Befreiung sowie weitere bedeutendeDaten. Ein weiteres wichtiges Themengebietist die Aufarbeitung und die Anerkennung von Opfernrechter Gewalt seit 1990. In Orten wie Eberswalde,Bran<strong>den</strong>burg an der Havel oder Neuruppin fan<strong>den</strong>sich Initiativen, die für ein würdiges Ge<strong>den</strong>ken der Opferkämpfen.Dass die Aktionsfelder mehr oder weniger begrenztgewählt sind, liegt am lokalen Kontext, d.h. an strukturellenGegebenheiten der Region, wie beispielsweiseneonazistischen Hegemonien oder auch Tatortenneonazistischer Gewalt und damit verbun<strong>den</strong>enProblemen. Einerseits verfolgen Antifa-Gruppen <strong>den</strong>Anspruch Neonazismus systematisch zu bekämpfen,indem eine Öffentlichkeit geschaffen wer<strong>den</strong> soll, die<strong>den</strong> Neonazis Räume entzieht und sie aus ihrer Anonymitätreißt. Oftmals weckt dies auch das Interesseder Presse, so dass neonazistisches Treiben effektivthematisiert und skandalisiert wer<strong>den</strong> kann. Auf Webseiten,sowie gedruckten Publikationen oder Diskussionsveranstaltungeninformieren Antifa-Gruppenregelmäßig die Öffentlichkeit über neonazistischesTreiben in <strong>den</strong> Regionen, auch über die Landesgrenzenhinaus. Andererseits bleibt wenig Raum für anderewichtige Themen, obwohl es vereinzelt Initiativengibt, welche wie in Potsdam antisexistische Awarenessarbeit,in Frankfurt (Oder) Flüchtlingsarbeit leistenoder in Cottbus das jährlich stattfin<strong>den</strong>de Klimacampmitorgansieren.Oft sehen sich Antifa-Gruppen mit dem Problem konfrontiert,aufgrund geringer personeller Kapazitätenüberlastet zu sein, wodurch sich die Bearbeitung derThemengebiete auf das in ihren Augen Notwendigstebeschränkt. Die Abwanderung in ländlichen RegionenBran<strong>den</strong>burgs hinterlässt auch in der Antifa-Szeneihre Spuren. Mit dem Been<strong>den</strong> der Ausbildung ziehenjunge Erwachsene weg, wodurch für viele Antifa-Gruppenentweder ein Ende oder zumindest einen Generationswechselfolgt. Kontinuierliche antifaschistischeArbeit wird durch Hausprojekte in vielen Städten unterstützt.BündnisarbeitAntifaschistische Arbeit und Vernetzung verläuft inBran<strong>den</strong>burg auf einer pragmatischen und themenbzw.aktionsbezogenen Ebene. Bran<strong>den</strong>burger AntifaGruppen stehen im regen Austausch im Hinblick aufdie lokalen Situationen. Zu Wahlen entstan<strong>den</strong> immerwieder landesweite Bündnisse, beispielswiese dieKampagne „Keine Stimme <strong>den</strong> Nazis“ zu <strong>den</strong> Kommunalwahlen2008. Bündnisse stellen einen wichtigenVernetzungspunkt dar, aus <strong>den</strong>en heraus gemeinsameVeranstaltungen und Aktionen durchgeführt wer<strong>den</strong>können. Kampagnen und Bündnisse gegen Neonaziaufmärschebieten darüber hinaus Anschluss anzivilgesellschaftliche Bündnisse. In Bündnissen wie“Bran<strong>den</strong>burg Nazifrei”, das “Netzwerk Neuruppin gegenNazis” oder das “antifaschistische Netzwerk Bran<strong>den</strong>burgan der Havel/Rathenow/Premnitz” (AFN),welche auf Initiative von lokalen Antifaschist_innengegründet wur<strong>den</strong>, arbeiten sowohl Antifa-Gruppen,als auch zivilgesellschaftliche Akteur_innen sowieParteien und Jugendverbände zusammen. Mit vereinterKraft konnten gerade in <strong>den</strong> letzten Jahren vieleNeonaziaufmärsche mittels Sitzblocka<strong>den</strong> verhindertwer<strong>den</strong>. (Mehr dazu auf Seite 78)Die Mitarbeit in Bürgerbündnissen gehört zur gängigenPraxis vieler bran<strong>den</strong>burger Antifa-Gruppen,was nicht immer selbstverständlich war. Während inGroßstädten wie Berlin Antifa-Bündnisse auch ohneZivilgesellschaft agieren können, ist die Zusammenarbeitin gerade kleineren Städten Bran<strong>den</strong>burgs fast unumgänglich.Oft wird zu Recht kritisiert, dass dadurchlinksradikale Inhalte zurückgesteckt wer<strong>den</strong>.Bran<strong>den</strong>burg besitzt eine bunte Landschaft an zivilgesellschaftlichenZusammenhängen und Bündnissen.Allerdings darf auch die Ausrichtung zivilgesellschaftlicherBündnisse in Bran<strong>den</strong>burg nicht mit Bündnissengrößerer Städten und Metropolen verwechselt wer<strong>den</strong>.Hier begegnen sich lokale Initiativen, Personen derPolitik und Verwaltung bis hin zu Polizei an einemTisch, so dass ein Minimalkonsens getroffen wer<strong>den</strong>muss um gegen Neonazismus gemeinsam vorgehenzu können. Weit vor dem „Aufstand der Anständigen“Anfang der 2000er Jahre entstan<strong>den</strong> in Bran<strong>den</strong>burgim Zuge neonazistischer Gewaltexzes-se der 1990erJahre runde Tische und Foren, die sich dieser Ten<strong>den</strong>zentgegen gestellt haben. 1997 wurde das “AktionsbündnisBran<strong>den</strong>burg” ins Leben gerufen. Bis heuteist das “Aktionsbündnis Bran<strong>den</strong>burg” ein verlässlicherBündnispartner, welches lokale Zusammenhängeunterstützt. Anders ist das Verhältnis zum „TolerantenBran<strong>den</strong>burg“, das Handlungskonzept der Landesregierung,welches 1998 konzipiert wurde. Dieses zieltauf eine staatliche Zusammenarbeit von Sicherheitsbehör<strong>den</strong>,Gerichten, Verwaltungen und Zivilgesellschaftenab, was sich oft als schwierig erweist.Gerade die Anwesenheit von Sicherheitsorganen inzivilgesellschaftlichen Bündnissen stellt sich aus antifaschistischerSicht problematisch dar. Daher wer<strong>den</strong>Bündnisse mit der Polizei vorwiegend gemie<strong>den</strong>. DerAusschluss der Polizei und Sicherheitsbehör<strong>den</strong> aus


der Zivilgesellschaft stellt dabei die wichtigste Konsequenzdar, bevor eine praktische Arbeit möglichist. Dass die Polizei kein Freund und Helfer ist, mussBürger_innen, die eher ein staatshöriges Verständnisvon zivilgesellschaftlicher Arbeit haben, klar gemachtwer<strong>den</strong>. Eine Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehör<strong>den</strong>,die Antifaschismus kriminalisieren, gegenAntifascht_innen Ermittlungen führen, so wie Vollstreckervon Abschiebung sind, ist unzumutbar. Inzivilgesellschaftliche Bündnisse ist es über die Anti-Nazi-Arbeit hinaus wichtig, alle Diskriminierungsformenzu bennen, <strong>den</strong>n auch diese sind nicht frei davon.Denn gerade hier ist es wichtig andere Diskriminierungsformenaufzudecken und zu intervenieren,<strong>den</strong>n die Zivilgesellschaft erweist sich als nützliche_rMultiplikator_in, der Einfluss auf Politik, Verwaltungund weitere gesellschaftliche Ebenen hat. Die Zusammenarbeitstößt insbesondere an seine Grenzen durchdas soganannte Extremismuskonstrukt. EngagierteAntifaschist_innen wer<strong>den</strong> zunehmend mit Neonazisgleichgesetzt, so dass eine Arbeit in einem gemeinsamenBündnis verunmöglicht wird. (Mehr dazu aufSeite 28)PerspektiveAktivismusNach fast 20 Jähriger Kontinuität kann hier eine positiveBilanz gezogen wer<strong>den</strong>. „Antifa“ ist nach wie vornotwendig und bleibt ein wichtiger Akteur gegen Neonazismus.Woran misst sich der Erfolg? Zunächst gibtes eine Zurückdrängung neonazistischer Strukturendurch Recherche und Öffentlichkeitsarbeit, erfolreicheBündnisarbeit. Dass auch zunehmend Politiker_innenund zivilgesellschaftlich Engagierte in Bran<strong>den</strong>burg zuzivilen Ungehorsam in Form von Sitzblocka<strong>den</strong> bereitsind, ist ein Erfolg antifaschistischer Bündnisarbeit.Diese Entwicklung ist Resultat einer engen Zusammenarbeitin zivilgesellschaftlichen Bündnissen, bei<strong>den</strong>en Antifa-Gruppen als Impulsgeber_innen agieren.Praktischer Antifaschismus hat sich etabliert um sichjenseits von staatlichen Akteuren gegen Neonazismuszu wehr zu setzen.77Meinst Du es gibt hieralternative Lebensformen?ALTERNATIVE NEWS UND TERMINE FÜR BRANDENBURG


AktivismusDie Räume dicht machenSitzblocka<strong>den</strong> als Mittel gegen Neonaziaufmärsche78Abb. 79: Sitzblocka<strong>den</strong> gehören heute zur “Standard”-Protestform gegen Neonaziaufmärsche. Das es dazu kommt liegt nicht zuletzt ander Organisation und Durchführung durch antifaschistische Gruppen.5. September 2009, wieder einmal Neonaziaufmarschin Neuruppin: Mehrere hundert Menschen um dasBündnis „Neuruppin bleibt bunt“sammeln sich in derStadt, um beim Bratwurstessen hinter bunten Luftballonsim so genannten „Demokratiequadrat“ gegen Rechtszu protestieren. Die Aktion wirkt etwas verloren,so als ob man sich vor <strong>den</strong> Neonazis verstecken würde.Währenddessen versuchen 50 Jugendliche <strong>den</strong> Aufmarschder „Freien Kräfte Neuruppin“ mittels einerSitzblockade zu verhindern. Die Polizei geht brutal gegendie Blockierer_innen vor und löst die Blockade auf.Die Neonazis laufen ungestört, teilweise bekommendie Blockierer_innen im Anschluss Geldstrafen aufgebrummt..Die Nachbereitung des Tages brachte dasdeutliche Fazit: Alle bisherigen Aktionen und Konzeptegegen Naziaufmärsche waren gescheitert. Es musstesich etwas verändern, damit wir <strong>den</strong> Nazis nicht nurhinterherrennen. Es braucht ein wirksames Vorgehenund einen Erfolg gegen die Neonaziaufmärsche!So frustrierend der Tag in Neuruppin auch war, er warAusgangspunkt für eine Serie von antifaschistischenBlocka<strong>den</strong> im Land Bran<strong>den</strong>burg, durch die es inzwischengelungen ist, die Demonstrationspolitik der Neonaziseinzudämmen.2010: Von Dres<strong>den</strong> beflügelt20.000 Menschen waren 2010 in Dres<strong>den</strong>, fastjede_r von uns war dabei, als das erste Mal Europasgrößter Neonaziaufmarsch durch Blocka<strong>den</strong> verhindertwurde. Inzwischen hat Dres<strong>den</strong> für die Neonazismassiv an Bedeutung eingebüßt. Nicht wegen derstädtischen Ge<strong>den</strong>kveranstaltungen fernab von <strong>den</strong>Rechten, sondern wegen der Blocka<strong>den</strong>. Überall inder Bundesrepublik und in <strong>den</strong> Nachbarländern Polenund Tschechien sprießen Blockade-Bündnisse wiePilze aus dem Bo<strong>den</strong>. So auch in Bran<strong>den</strong>burg. Noch2010 gründet sich das Bündnis „Bran<strong>den</strong>burg Nazifrei“,das Sitzblocka<strong>den</strong> als eine Form des Protestesfür sich erkannte. Die Breite des Bündnisses, die Entschlossenheitund die unterschiedlichen Aktionsformenwaren ein Erfolgskonzept, das letztlich die Nazisan etlichen Orten zum Aufgeben zwang. Sicherlich,nicht überall wur<strong>den</strong> die Demos verhindert, es hatauch Rückschläge gegeben. Aber durch die Blocka<strong>den</strong>seit 2010 sind die Räume für neonazistische Auftrittein der Öffentlichkeit enger gemacht wor<strong>den</strong>.Veränderungen der Demonstrationspolitik unddas Aktionsjahr 2012:Von 2000 bis 2011 gab es in Bran<strong>den</strong>burg 84 Neo-


nazidemonstrationen, im Durchschnitt sieben im Jahr.Allein fünf Versuche gingen 2010 auf das Konto der„Kameradschaft Märkischen Oder Barnim“. Nureinen davon konnten sie durchführen, die restlichenscheiterten an <strong>den</strong> Aktionen von „Bran<strong>den</strong>burg Nazifrei“.2011 waren es die „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“, die mehrere Demonstrationen organisierten.Bei etwa der Hälfte der Demonstrationen dervergangenen Jahre tritt die NPD als Veranstalter auf. ImJahr 2012 rief der Bran<strong>den</strong>burger NPD-Verband die sogenannte „Aktion Kleeblatt“ aus. In <strong>den</strong> vier großenBran<strong>den</strong>burger Städten Frankfurt (Oder), Bran<strong>den</strong>burgan der Havel, Cottbus und Potsdam wollte diePartei gegen <strong>den</strong> Euro demonstrieren. Neben diesengehörten auch der etablierte Aufmarsch in Cottbusanlässlich der Bombardierung der Stadt im Februarsowie einige kleinere Aufzüge der NPD und von “freienKameradschaften” in <strong>den</strong> Terminkalender. Trotz derQuantität der Aufmärsche, hat die Zahl der Teilnehmen<strong>den</strong>im Vergleich zu <strong>den</strong> Vorjahren abgenommenund liegt mit 125 unter dem Schnitt von 2010 und2011 (140 TN) und deutlich unter dem bundesweitenDurchschnitt von rund 280. Die Bedeutung von Demonstrationhat für die neonazistische Szene weiterhinKontinuität, doch haben sich die Aktionsformen verändert.Einige Muster sind zu beobachten:1. Versammlungen wer<strong>den</strong> nicht angekündigt:Klandestin organisierte Fackelmärsche wie der inzwischenverbotenen „Spreelichter“ (siehe Text S. 12)sind meist weder Antifaschist_innen noch der Polizeizuvor bekannt. Beispielsweise demonstrierten im Juli2012 30 Berliner und Bran<strong>den</strong>burger Neonazis zum99. Geburtstag von SS-Kriegsverbrecher Erich Priebkein Hennigsdorf. Die vor allem nach Innen gerichteteWirkung dieser Aufmärsche beschert <strong>den</strong> Beteiligtenein Erfolgserlebnis, weil Proteste ausbleiben. Allerdingssind heimliche Demos auch ein defensiver Schrittdes Ausweichens, der obendrein die Außenwirkungbeeinträchtigt.2. Wandermahnwachen und Aktionstage: Kurz aneinem, kurz an einem anderen Ort war die NPDwährend ihrer „Wandermahnwachen“. In kürzesterZeit wur<strong>den</strong> mehrere Orte angefahren, was die Organisationvon Gegenprotesten erschwerte. Auch die „Aktionstage“zersplittern <strong>den</strong> Gegenprotest: So führtedie NPD parallel zu ihrem Demonstrationsversuch inPotsdam im September 2012 eine größeren Infostandin Schwedt/Oder durch.3. Eigene Störaktionen: Demonstrationen vonAntifaschist_innen und Migrant_innen zu stören versuchtenNeonazis 2012 zweimal in Potsdam <strong>–</strong> auf Grundder geringen Beteiligung waren ihre Störversuchebisher nicht erfolgreich.Die NPD setzt zunehmend auf kleine Aktionen, sie erhoffenmit wenig Kosten- und Personalaufwand, großemediale Aufmerksamkeit zu bekommen. Dennoch setztinsbesondere die NPD weiterhin auf klassische Demonstrationen.In 2012 konnten allerdings von <strong>den</strong> achtgrößeren Demonstrationen nur zwei als wenigstensteilweise Erfolge gewertet wer<strong>den</strong> <strong>–</strong> beide in Cottbus.In allen anderen Städten verhinderten Menschenblocka<strong>den</strong>die gesamten Aufmärsche oder zumindestAktivismuszum überwiegen<strong>den</strong> Teil. Dazu kommen diverse kleineAktionen, wie die oben genannten Wanderblocka<strong>den</strong>und Demonstrationen unter 50 Personen unter anderemin Premnitz nach dem gescheiterten Aufmarsch inBran<strong>den</strong>burg an der Havel im März und Hennigsdorfim Juli 2012. Diese mitgezählt liegt der Durchschnittunter 100 Teilnehmen<strong>den</strong>.Diese Veränderungen der Demonstrationskultur <strong>–</strong>viele kleine, meist erfolglose Demonstrationen <strong>–</strong> sindeine defensive Reaktion der Neonazis auf die Blocka<strong>den</strong>und starken Proteste in <strong>den</strong> vergangenen Jahren.In allen Städten sollten Sitzblocka<strong>den</strong> dieNeonazis stoppenBlocka<strong>den</strong> sind ein wirksames Mittel die Ausstrahlungskraftvon Demonstration für Neonazis zu nehmen.Die unmittelbare Nähe des antifaschistischenProtest zur Neonazidemonstration schränkt die intendierteWirkung der Aufmärsche massiv ein. DieNeonazis sind nicht der Lage, sich selbst in Szene zusetzen, wenn um sie herum ein großes Aufgebot anPolizei und Gegendemonstrant_innen verhindert, dasssie sich auf der Straße zur Schau stellen können. Beieinem Aufmarschversuch in Potsdam im September2012 hatte man die Neonazis nur ganz vereinzelt hintereiner Reihe von Polizeifahrzeugen versteckt sehenkönnen. Bürger_innen erreicht haben sie nicht. Geschweige<strong>den</strong>n, dass diese ernst genommen wer<strong>den</strong>:Wer es nicht einmal schafft, eine einfache Demonstrationdurchzuführen, dem wird nicht zugetraut, einewählbare Alternative zu sein, oder gar in der Lage zusein, das System zu verändern, wie es die Neonazisgern von sich behaupten. Auch steigt die Hürde fürjunge Aktivist_innen sich öffentlich zu ihrer, teils nochnicht gefestigten Meinung, zu bekennen. Der Protestder letzten Jahre hat dazu geführt, dass der Kreis derDemonstrat_innen auf wenige Aktivist_innen zusammengeschrumpftist. Lose Sympathisierende könnensie auf diese Weise nicht gewinnen. Nicht zu vergessen,nehmen erfolgreiche Blocka<strong>den</strong> <strong>den</strong> Neonazis <strong>den</strong>„Spaß“ am Demonstrieren. Frustriert müssen sie nachstun<strong>den</strong>langem Warten wieder nach Hause gehen.Sitzblocka<strong>den</strong> sind Ausdruck politischen Protestes, inder Regel setzen sich Blockierende auf die Straße, umfriedlich Neonazidemonstrationen zu verhindern. Sitzblocka<strong>den</strong>gelten als Form des zivilen Ungehorsamsoder des zivilen Widerstandes. In der Bundes-Erfolgreiche Blocka<strong>den</strong> in 2012/<strong>2013</strong>79• Cottbus (15. Februar) Aufmarsch verzögert und umgeleitet.• Frankfurt (Oder) (24. März) nach wenigen hundert Metern verhindert.• Bran<strong>den</strong>burg an der Havel (31. März) nach wenigen hundert Metern verhindert.• Neuruppin (14. April) nach wenigen hundert Metern verhindert.• Wittstock (01. Mai) komplett verhindert.• Cottbus (12. Mai) Aufmarsch verzögert und umgeleitet.• Potsdam (15. September) komplett verhindert.• Frankfurt (Oder) (10. November) nach 30 min gestoppt.Erstmals wurde am 15. Februar <strong>2013</strong> der Neonaziaufmarsch in Cottbus durchdurch zivilen Ungehorsam verhindert.


Aktivismus80republik Deutschland ist eine Sitzblockade verfassungsrechtlicheine Versammlung nach Art. 8 des Grundgesetzes.Städteübergreifende SolidaritätErstmals wur<strong>den</strong> die Erfahrungen aus Dres<strong>den</strong> unddessen Aktionskonsens im Rahmen des Bündnis„Bran<strong>den</strong>burg Nazifrei“ 2010 übernommen: Der Konsensbesagt „Wir leisten zivilen Ungehorsam gegen <strong>den</strong>Naziaufmarsch. Von uns geht dabei keine Eskalationaus. Unsere Massenblocka<strong>den</strong> sind Menschenblocka<strong>den</strong>.Wir sind solidarisch mit allen, die mit uns dasZiel teilen, <strong>den</strong> Naziaufmarsch zu verhindern.“ Einewichtige Voraussetzung für <strong>den</strong> Erfolg von „Bran<strong>den</strong>burgNazifrei“ hatten die Neonazis ungewollt selbstgeschaffen. Durch ihre Demonstrationsreihe in siebenOrten innerhalb von sieben Wochen, provozierten sieeine städteübergreifende Solidarität. Die gegenseitigeUnterstützung der Orte war das effektivste Mittelgegen das ehrgeizige Vorhaben der Neonazis. In einigenOrten hatten engagiere Antifaschist_innen bereitsüber Jahre zusammengearbeitet. Das Vertrauen unddie gemeinsame Erfahrung waren ein entschei<strong>den</strong>derAusgangspunkt.Entschlossener WiderstandIn <strong>den</strong> Jahren zuvor war es üblich, wie im Eingangsszenariobeschrieben, dass sich die Bürger_innen aufBeispiele für staatliche Intervention:Schauen wir uns also die Möglichkeiten des Rechtsstaates an, Versammlungen(von Neonazis) einzuschränken. 1. Auflagen: § 15 Abs 1 des Versammlungsgesetzerlaubt es, Auflagen zu erteilen, wonach Ort und Zeit beschränkt wer<strong>den</strong> könnensowie weitere Beschränkungen wie Uniformierungsverbote (dazu zählen auchSpringerstiefel und Bomberjacken), Stahlkappen- und Waffenverbot, wie sie aufNeonazidemonstrationen üblich sind. Kommen sich Neonaziaufmarsch und Gegenprotestin die Quere, kann die Polizei Auflagen erlassen und die Beteiligtenräumlich trennen.2. Einmalige Verbote, Bsp. Ian Stuart Soli-Demo in Frankfurt (Oder)Eine Demonstration im September 2011 war in Frankfurt (Oder) verbotenwor<strong>den</strong>, da der Aufzug unter dem Motto „Ian Stuart Ge<strong>den</strong>kmarsch/WhitePrisoner and Supporter Day“, eine zu deutliche Nähe zur verbotenen Netzwerk„Blood and Honour“ und des militanten „Combat 18“ hatte. Für die Polizeiwaren auf <strong>den</strong> Flyern zweifelsfrei Bezüge zum Nationalsozialismus und damit diedrohende und konkret zu erwartende Verwirklichung des Straftatbestands des §130 Absatz 4 StGB zu erkennen. (Der objektive Straftatbestand setzt die Billigung,Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- undWillkürherrschaft voraus.) zu erwarten. „Eine Versammlung mit einem derartigenThema, wo die Gesamtumstände auf ein europäisches Zusammentreffen vonMitgliedern und Sympathisanten der Blood and Honour- Bewegung schließenlassen und wo wir die Verwirklichung von Straftatbestän<strong>den</strong> <strong>–</strong> wie Volksverhetzungen<strong>–</strong> erwarten müssen, wer<strong>den</strong> wir mit allen uns zu Gebote stehen<strong>den</strong> rechtlichenMitteln zu verhindern wissen,“ äußerte der Polizeipräsi<strong>den</strong>t Arne Feuringgegenüber der MAZ am 09. September 2011.3. Dauerverbote für Orte: Bsp. Halbe: In Bran<strong>den</strong>burg galt der kleine Ort Halbe(Landkreis Dahme-Spreewald) als wichtiger Bezugspunkt für die regionale undüberregionale Neonaziszene. In Halbe fand 1945 die sogenannte „letzte Kesselschlacht“der Wehrmacht statt. Viele der 60.000 gefallenen Soldaten wur<strong>den</strong> aufdem Friedhof in Halbe begraben, was ihn zum Wallfahrtsort für Neonazis machte.Mit dem „Lex Halbe“ ist es Neonazis seit 2006 nicht mehr möglich ihre NS-Verherrlichungauf <strong>den</strong> Friedhof zu tragen <strong>–</strong> das Gesetz erkennt die besondere Bedeutungdes Waldfriedhof Halbe an und verbietet Versammlungen in der unmittelbarenund engen räumlichen Nähe.symbolische Aktionen, wie Plakate hängen, Menschenkettenoder Gottesdienste beschränkten. Für Antifaswar das nicht genug. Es war klar: Im Kampf gegenNeonazis wollen und können wir uns nicht auf <strong>den</strong>Staat verlassen:Das Beispiel Dres<strong>den</strong> und der Freistaat Sachsen habengezeigt, das gerichtliche Entscheidungen kein Ersatzfür zivilgesellschaftliches Engagement sein können. Ineinem beispiellosen Gesetzes-Hick-Hack hatte Sachsendas Versammlungsrecht ausgehöhlt und seine Stärkein Form von massiven Strafverfolgungen von Antifaschist_innengezeigt. Das Komitee für Grundrechte kamin ihrem Bericht zu der Einschätzung, die SächsischeRegierung „verhielt sich im Gesamt ihrer Institutionenund Vertreter einer demokratischen Verfassung zuwider.“Auch das Bundesverfassungsgericht kam zueinem anderen Urteil als die Sächsischen Behör<strong>den</strong>:Im März 2011 erklärten das BverfG, das friedliche Sitzblocka<strong>den</strong>keine Nötigung darstellen. Dies umso mehr,wenn die Aktionen ihrerseits Versammlungscharakterhaben, also selbst angemeldete Versammlung sind. InBran<strong>den</strong>burg hatte man schon 2010 zu Gunsten vonDemokrat_innen entschie<strong>den</strong> und sah in <strong>den</strong> Sitzblocka<strong>den</strong>keine Gefährdung. Absehbar war dies jedochnicht, und so kam es in Strausberg 2010 und Neuruppin2011 durchaus zur Auflösung der Blocka<strong>den</strong> unterAufnahme alle Personalien <strong>–</strong> eine Strafverfolgungblieb jedoch aus.Ohne Antifa keine BlockadeAuch wenn in die Öffentlichkeit zuweilen ein anderesBild transportiert wird, ist doch zweifelsohne klar:Ohne die Antifa gäbe es keine Blocka<strong>den</strong>. Die Antifa istImpulsgeber_in in lokalen und regionalen Bündnissen.Der Erfolg liegt letztlich in Konsens, der auch auf breitenSchultern getragen wird. Das Zusammenspiel vonAntifaschist_innen und Bürger_innen ist der Schlüssel.In <strong>den</strong> vergangenen Jahren hat sich außerdem gezeigt,dass es die antifaschistische Gruppen sind, die dasKnow-How und Fachwissen über die jeweiligen Neonaziszenenhaben, um sinnvoll und frühzeitig auf Neonazidemonstrationenund Aktivitäten zu reagieren.Besonderheiten von Blocka<strong>den</strong> in KleinstädtenBlockadebündnisse in Kleinstädten oder Gemein<strong>den</strong> inBran<strong>den</strong>burg stehen vor anderen Herausforderungenals Großstädte wie Dres<strong>den</strong>, Berlin oder Dortmund.Es gibt oft nur kleine Gruppen oder Einzelpersonen,die die Neonaziszene im Blick haben und sich vor Ortdagegen engagieren. Oft hängen antifaschistische Aktionenvon persönlichen Kontakten und Vertrauenab, das über Jahre hinweg aufgebaut wurde. Gearbeitetwird mit <strong>den</strong> Leuten, die sich beteiligen wollen.Teilweise sind die Ressourcen beschränkt. In Bran<strong>den</strong>burgBündnisarbeit zu machen, bedeutet sich aufeinen Minimalkonsens einzulassen, also Kompromisseeingehen und kontroverse Positionen nach hinten stellen.Bran<strong>den</strong>burg hat viel Erfahrung gesammelt in derAufstellung von Blocka<strong>den</strong> und kann dank Solidaritätund praktische Unterstützung durch andere Städte(und über Grenzen hinweg), auf mittlerweile viele Erfolgezurückblicken. Auch Etappenziele, gerade in Or-


ten die wenig Erfahrung gegen Neonazis haben, könnenals Erfolge gewertet wer<strong>den</strong>.Fazit <strong>–</strong> Blocka<strong>den</strong> sind ein Erfolgskonzept inBran<strong>den</strong>burgAktivismusDemonstrationen haben eine große Bedeutungfür die neonazistische Szene. Es vergeht kaum einWochenende an dem nicht irgendwo in der Bundesrepublikdurch Neonazis demonstriert wird. Sie sindzum zentralen Bestandteil neonazistischer Strategieim “Kampf um die Straße” gewor<strong>den</strong>. Die Bewegungerlangt auf mittlere Sicht Selbstbewusstsein und stellenweiseHegemonie. Auch in Bran<strong>den</strong>burg gibt eseine rege Demonstrationspolitik der Neonazis. ErsteErfolge, ihnen „Wallfahrtsorte“ wie Halbe zu nehmen,gelangen durch <strong>den</strong> politischen Druck von Antifaschist_innen.Neonazigroßaufmärsche fin<strong>den</strong> dort seithernicht mehr statt. Andere Aufmärsche wer<strong>den</strong> seitdrei Jahren durch verschie<strong>den</strong>e Blockade-Bündnissebe- und verhindert. Der Einfluss auf die Demonstrationskulturvon Neonazis ist erkennbar: Immer wenigerNeonazis nehmen an Demonstrationen teil undandere Aktionsformen wer<strong>den</strong> probiert. Zwar haltendie Neonazis weiterhin an der klassischen Demonstrationfest, müssen jedoch immer wieder Rückschlägeeinstecken. Neonaziaufmärsche und Blocka<strong>den</strong> sindjedoch kein Spielchen darum, wer <strong>den</strong> längeren Atemhat. Wir dürfen nicht vergessen, dass Neonazidemonstrationenneben der Eigenen Szene und der Bevölkerungauch einen dritten Adressaten hat: PolitischeGegner_innen. Dazu zählen für die Neonazis sowohlMigrant_innen, Jüd_innen, Muslima_e als auch Antifaschist_innenund andere weltanschauliche Gegner_innen.Für all jene sind Neonaziaufmärsche nicht nur dieInszenierung und Ästhetisierung von Gewalt, sonderneine tatsächliche Androhung von physischer Gewalt.In solidarischer Zusammenarbeit antifaschistischerInitiativen ist es gelungen, eine breite Zivilgesellschaftfür das Thema zu sensibilisieren und entschlossen gegenNeonazis einzutreten.Wer Nazis wirksam entgegentreten will, muss ihnen die Räume nehmen.81Demonstrationen von Neonazis haben, so der Politikwissenschaftler Fabian Virchow, zwei zentrale Effekte für die Neonazi-Szene: Zum einen dasSchaffen von Zusammenhalt, Wachstum und Dynamik der Bewegung, zum andern das Einwirken auf die Gesellschaft sowie Politik und Justizalseine Politik „der Machtentfaltung und Machtprobe gegenüber Instanzen des Staates und zivilgesellschaftlichen Akteuren“ (Virchow). Eineähnliche Symbolwirkung wie die derzeitigen neonazistischen Demonstrationen, wollte auch die SA erzielen, indem sie gezielt in Arbeiter_innenviertelnaufmarschierte um gewaltsame Auseinandersetzungen zu provozieren. Die intendierte Außenwirkung in Stichworten: „Kampf umdie Straße“ in SA-Tradition, zur Stilisierung als Vollstrecker des Volkswillens, als Vertreter des „kleinen Mannes“, Machtdemonstrationen gegen<strong>den</strong> politischen Feind. Und die intendierte Innenwirkung: Bei Demonstrationen treffen Aktivist_innen aus verschie<strong>den</strong>en Städten zusammen,können sich austauschen und vernetzen, für neue Aktivist_innen wird es zur Bewährungsprobe <strong>–</strong> stehen sie öffentlich zu ihrer Meinung. Auchgeht es um die inhaltliche Selbstvergewisserung, <strong>den</strong>n in vielen Fällen ist zu beobachten, dass sich Redner_innen auf Neonaziaufmärschen nichtan die Bürger_innen wen<strong>den</strong>, sondern an ihr eigenen Teilnehmer_innen. Nicht zu unterschätzen ist auch der Aktionismus als „Abenteuer“. So istin Internetforen und Sozialen Netzwerken nicht etwa von <strong>den</strong> „inhaltlich wertvollen Redebeträgen“, sondern ist in vielen Fällen von aktions- undgewaltbezogenem „Spaß“ die Rede. Die Motivation ist es, „etwas zu erleben“.


Aktivismus„Das Problem beim Namennennen!“Recherche als Grundlage von Antifa-Intervention82Abb. 80: In <strong>den</strong> letzten 20 Jahren haben mehrere antifaschistische Recherchegruppen Publikationen veröffentlicht, die über die regionaleneonazistische Szene berichteten.Eine wichtige Grundlage antifaschistischer Interventionist die Recherchearbeit. Wenn Neonazis auf Rassismus,Antisemitismus oder völkischen Nationalismusals Grundlage ihrer politischen Arbeit setzen,dann müssen sie sich irgendwann, irgendwo und inirgendeiner Art und Weise auch dazu bekennen. Undgenau dort setzt die Recherchearbeit von Antifa-Gruppenan. Sie entlarvt Neonazis, die auf bürgerliche Seriositätsetzen, sie thematisiert gefährliche Entwicklungen,die oft ignoriert wer<strong>den</strong> und holt neonazistischeAkteur_innen in die Öffentlichkeit, die unentdecktbleiben wollen. „Das Problem beim Namen nennen!“lautet also die Devise.Die Erkenntnisse, die Antifa-Gruppen aus ihrer Recherchearbeitgewinnen, stammen aus einer Fülle vonInformationen. Wichtige Quellen sind zum BeispielZeitungsartikel, neonazistische Publikationen oderdas Internet. Die Beobachtung von rechten Aufmärschenund Kundgebungen liefert zudem einentieferen Einblick in die personellen Strukturen vonNeonazi-Gruppierungen. Die logische Konsequenz derSammlung und Dokumentation gewonnener Erkenntnisseist es, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.Neben bekannten Zeitschriften wie dem „AntifaschistischenInfoblatt“ oder „Der rechte Rand“ gibtes eine Vielzahl an regionalen Antifa-Publikationen,die mit einer hohen Sachkenntnis aufwarten. Im LandBran<strong>den</strong>burg fin<strong>den</strong> sich aktuelle Recherchearbeitenzum Thema Neonazismus vor allem in <strong>den</strong> RegionenWesthavelland (Rathenow <strong>–</strong> Premnitz) und Oberhavel-Süd (Oranienburg-Velten-Henningsdorf) sowie in <strong>den</strong>Städten Bernau, Potsdam, Frankfurt (Oder) und Bran<strong>den</strong>burgan der Havel. Auch das alternative Infoportal„Inforiot“ berichtet regelmäßig über das Thema Neonazismusim Land Bran<strong>den</strong>burg. Die veröffentlichtenInformationen wer<strong>den</strong> oft von zivilgesellschaftlichenInitiativen oder engagierten Journalist_innen aufgegriffenund weiter thematisiert. Doch oft sind es die Antifa-Gruppenselbst, die Neonazis und ihre Strukturennicht nur thematisieren, sondern darauf aufbauend intervenieren.Sei es auf der Arbeitstelle, im Verein oderim Wohnumfeld: Dort wo Neonazis vermeintlicheRückzugsräume besitzen, gilt es die entsprechen<strong>den</strong>Verantwortlichen zu informieren und Konsequenzendaraus zu ziehen. Die Erfahrung zeigt: Wenn Neonazisauch dort Gegenwind zu spüren bekommen, wo siesich in einer vermeintlich sicheren Position wähnen,


treten sie in ihrer politischen Arbeit schnell kürzeroder stellen im Idealfall ihre Aktivitäten gänzlich ein.Antifa: nicht extremistisch <strong>–</strong> sondern extremwichtig!Trotz allem Erfolg stoßen Antifa-Gruppen bei ihrerRecherchearbeit oft an ihre Grenzen. Denn anders alsstaatliche Behör<strong>den</strong> wie dem Verfassungsschutz, sinddie Mittel der Informationsgewinnung oft begrenzt.Doch gerade der Verfassungsschutz bezieht sich inseinen jährlichen Berichten immer wieder auf dieErkenntnisse von Antifa-Gruppen, teilweise wer<strong>den</strong>sogar Textpassagen eins zu eins aus <strong>den</strong> Rechercheveröffentlichungenkopiert. Dem nicht genug, versuchtder umstrittene Geheimdienst Antifa-Gruppen zu bespitzelnsowie zu überwachen und diffamiert in seinenBerichten sie als „extremistisch“ und „demokratiefeindlich“um ihnen so die Deutungshoheit überdas Thema „Neonazismus“ streitig zu machen. Dochgerade vor dem <strong>Hinter</strong>grund der Verstrickung vonVerfassungsschutzbehör<strong>den</strong> in <strong>den</strong> NSU-Skandal kanndiese Behörde keine verlässliche Quelle zum Thema„Neonazismus“ mehr sein. Auch andere staatliche Behör<strong>den</strong>versuchten in der Vergangenheit Antifa-Gruppenan ihrer Berichterstattung zu behindern. Anfang2012 wur<strong>den</strong> beispielsweise die privaten Wohnräumevon Antifaschist_innen aus der Region Oranienburgvon LKA-Staatsschutz Beamt_innen durchsucht. Ihnenwurde zur Last gelegt, Personen als „Neonazis“ in derRecherchebroschüre „Blickpunkt“ diffamiert zu haben.Die Zivilgesellschaft in Oranienburg solidarisiertesich daraufhin mit <strong>den</strong> betroffenen Antifaschist_innen.AktivismusUnd wie sich herausstellte, handelte es sich bei <strong>den</strong>genannten Personen um stadtbekannte Neonazis undeinen Anwalt, der bereits mehrere Neonazis vor Gerichtvertrat. Die Hausdurchsuchung wurde daraufhinfür unverhältnismäßig sowie rechtswidrig erklärt unddas Verfahren wegen Verleumdung eingestellt.Mittlerweile wer<strong>den</strong> die Rechercheveröffentlichungender Antifa-Gruppen von vielen Seiten als verlässlicheQuellen angesehen und genießen eine hohe Anerkennung.Doch sorgen sie des öfteren auch für Unmutund Skandale, wenn Menschen oder Institutionen desöffentlichen Lebens mit Neonazis in Verbindung gebrachtwer<strong>den</strong>. Oft ist es ein langwieriger Weg bis Vereine,Stadtvertreter_innen oder Einzelpersonen einNeonaziproblem als eines begreifen, dass nicht isoliertvom vermeintlich toleranten Teil der Gesellschaftexistiert. Denn welche Stadt oder Gemeinde möchteschon gern als Neonazi-Hochburg und welche_r Gewerbetreibendeals Neonazi-Sympathisant_in in <strong>den</strong>Schlagzeilen stehen? Zwar üben sich viele Städte undGemein<strong>den</strong> in öffentlichkeitswirksamer Symbolpolitikund sind um Imagepflege bemüht, wenn es zumBeispiel zu vermehrten gewalttätigen Übergriffendurch Neonazis in ihrer Region kommt. Doch erfolgteine tiefergehende Auseinandersetzung mit <strong>den</strong> Verantwortlichenund Ursachen rechter Gewalt oft nuroberflächlich. Genau hier können die Veröffentlichungenvon Rechercheergebnissen eine notwendige Sensibilisierungleisten, indem sie auf konkrete Personenund Zusammenhänge hinweisen und engagierte Akteur_innendazu ermutigen, konsequent zu handeln.83Beispiele gelungener Recherche und Intervention“Autonome Nationalisten” geben aufDie Neonazigruppierung „Autonome Nationalisten Oder-Spree“ gab am 3. Oktober 2012 ihre Auflösung bekannt. Im „recherche output #5“ wurdeausführlich über die Gruppierung geschrieben. Die „antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder)“ informierte außerdem Arbeitgeber_innen,Nachbar_innen und Vereine, diese zogen dann die Konsequenzen und <strong>den</strong> Neonazis wur<strong>den</strong> u.a. Arbeitsverträge gekündigt.NPD gründete TarnvereinAntifaschistische Recherchearbeit enttarnte das „Märkische Familien- und Hilfswerk e.V.“, aus Blumberg (Barnim) als NPD-Tarnverein. Der Verein,mit Sitz auf dem Reiterhof der GdF Aktivistin Jana Michaels, wollte (Sach-) Spen<strong>den</strong> sammeln. Das Infoportal “Inforiot” berichtete zuerst imFrühjahr 2011. Daraufhin besuchten der „Berliner Kurier“ und „RTL Aktuell“ <strong>den</strong> Reiterhof und konfrontierten Michaelis mit <strong>den</strong> Vorwürfen.Auch die lokale “Märkische Oderzeitung” (MOZ) berichtet über das Neonazitreiben. Der Verein ist nicht mehr aktiv.Neonazis „beschützen“ FlüchtlingsheimIn Rathenow wurde jahrelang das Flüchtlingsheim am Birkenweg von einem Wachschutz bewacht, in dem zahlreiche aktive Neonazis beschäftigtwaren. Die „Antifa Westhavelland“ thematisierte diesen unhaltbaren Zustand regelmäßig, ohne dass die Zuständigen es für nötig hielten zu intervenieren.Erst als die Zeitschrift “Focus”, basierend auf <strong>den</strong> antifaschistischen Rechercheergebnissen, im Jahr 2002 darüber berichtete, wurdeder Sicherheitsdienst vom Flüchtlingsheim abgezogen.Hakenkreuz-Dennis beendet NPD-Karriere„Inforiot“ berichtete im Dezember 2011 über die Vergangenheit des Neuruppiner NPD-Stadtverbandschef Dennis Franke. Dieser posierte 2007in einem Bildband mit SS T-Shirt, Hitlerporträt und Hakenkreuz-Fahne im <strong>Hinter</strong>grund. Zahlreiche Medien griffen <strong>den</strong> Fall auf, Franke trat vonseinem Posten zurück und verzog nach Göttingen.


AktivismusKontaktadressenWenn du mal nicht weiter weißt...84AK Antifa Potsdamc/o chamäleon e.V.Hermann-Elflein-Str. 3214467 Potsdamak_antifa_potsdam@web.dehttp://ak.antifa.cc/[a] antifaschistische linke potsdamaalp@gmx.nethttp://aalp.blogsport.de/Antifa Pressearchiv Potsdamc/o Zulua GorriakZeppelinstraße 2514471 Potsdamapap@activist.comAntifaschistischeRecherche_Potsdam//Umlandarpu@emdash.orghttp://arpu.blogsport.eu/Emanzipatorisches Jugendkollektiv Potsdam(EJKP)ejkp@riseup.nethttp://www.ejkp.antifa.cc/Antifa ErknerSchloßstr. 6-815517 Fürstenwaldeafaerkner@gmx.netAntifaschistische Aktion Bernauc/o DostoBreitscheidstr.43c16321 Bernauantifa-bernau@riseup.nethttp://www.bernau.antifa.ccAntifa Westhavellandantifa_westhavelland@yahoo.dehttp://westhavelland.wordpress.com/<strong>Antifaschistisches</strong> NetzwerkBran<strong>den</strong>burg-Premnitz-Rathenow [AFN]afn@riseup.nethttp://afn.blogsport.de/Bran<strong>den</strong>burger Antifa [BAF]http://bran<strong>den</strong>burger-antifa.blogspot.deAntifa Westbran<strong>den</strong>burgantifa-westbran<strong>den</strong>burg@riseup.netBad Belzig Rechtsaußenhttp://badbelzigrechtsaussen.blogsport.de/[A.G.O.] Antifaschistische GruppeOranienburgc/o Schwarze RisseKastanienallee 8510435 Berlinago_08@yahoo.dehttp://antifagruppeoranienburg.blogsport.de/[aaffo] autonome antifa frankfurt (oder)c/o Kontaktla<strong>den</strong>Berliner Straße 2415230 Frankfurt (Oder)aaffo@riseup.netAntifaschistische RecherchegruppeFrankfurt (Oder)recherche_ffo@riseup.nethttp://recherchegruppe.wordpress.com/Antifa Cottbusantifa-cottbus@riseup.nethttp://antifa-cottbus.de/Opferperspektive e.V.Rudolf-Breitscheid-Straße 16414482 Potsdaminfo@opferperspektive.dehttp://www.opferperspektive.de/Inforiot - infoportal für antifaschismus imland bran<strong>den</strong>burgkontakt@inforiot.dehttp://www.inforiot.de/antifaschistisches pressearchiv undbildungszentrum berlin (apabiz e.V.)Lausitzer Straße 1010999 Berlinmail@apabiz.dehttp://www.apabiz.de


Albrecht, Birgit 60, 62Albrecht, Jürgen 62Alf, Daniel 47Alf, Patrick 47, 48Appel, Detlef 4, 27, 52Banaskiewicz, Christian 43, 46, 49Barthel, Sven 4, 27, 45Bäther, Mike 22Becker, Robert 70Beckmann, Andreas 72Beier, Klaus 3, 4, 26, 27, 45, 46, 67, 68Berger, Rene 44, 50Beyer, Julian 20, 61Beyer, Lars 67Blume; Christian 72Bode, Alexander 4, 5, 69Boldt, Sebastian 65Borg, Sebastian 72Brand, Christopher 64Branig, Christian 72Bressel, Andreas 64Brinsa, Benjamin 71Brose, Dieter 27, 52Bunzel, Maik 11Danz, Patrick 38, 39, 40Datzmann, Franz 73Dornbrach, Pierre 4, 6, 62, 63, 69, 70Dreier, Axel 27, 52Durdel, Peer 55Eminger, Andre 6, 37, 38, 55Eminger, Maik 6, 36, 37, 55Erlebach, Marten 66Faust, Matthias 25Fechner, Birgit 3, 6Fischer, Oliver 70Forstmeier, Marcel 13Franke, Dennis 4, 54, 56, 83Franz, Ulrich 60Freimuth, Sven 64Gebhardt, Robert 43, 44, 45, 48Gesche, Enriko 46Gessler, Josef 5, 62Giesen, Lutz 5Gläsemann, Sven 46, 50Glaser, Sebastian 37Grassmann, Roy 44, 47Grett, Gabor 37, 38, 39Greve, Janko 64Guse, Marcel 6, 35, 36, 37Gusek, Toni 54Hack, Irmgard 27, 45Hackert, Wolfgang 47Hafemann, Rico 40Hähnel, Jörg 6, 37, 60, 62Hähnel, Stella 4, 27, 62Hampel, Maik 36, 50Härtel, Dennis 59, 60, 61, 62, 63Hartley, Christopher 55Hasselmann, Kai 44, 48Haverbeck, Ursula 60Haverlandt, Sven 4, 5, 27, 59, 62, 63Hecke, Michael 66Hennreich, Gesine 48Herbon, Andre 4, 46Herrmann, Rene 43, 49Herzog, Felix 73Helmstedt, Marco 39Helmstedt, Dennis 39Hesselbarth, Falco 44Hesselbarth, Liane 36, 44Hintze, Daniel 35, 40Hübner, Frank 26, 27, 69, 70Hübschmann, Sandy 73Jacobs, Daniel 72PersonenregisterJahrmattar, Pierre 67, 68Jäpel, Jan Paul 48Kalies, Oliver 38Kavalir, Andreas 26, 27, 68Keller, Tommy 64Kempe, Ronny 60, 61, 62Klause, Fabian 55Kleeberg, Jenny 64Kneider, Hartmut 46, 50Kneifel, Joseph 29Knuffke, Frank 27Koch, Beatrice 54Koch, Marvin 54, 58Köpke, Andy 18, 64, 65Kokott, Manuela 4, 6, 26, 27, 67Kottusch, Antje 67Krause, Robert 66Krautz, Ronny 74Kubeler, Mirko 36, 37Kucharzewski, Andy 27, 45, 46Kuhirt, Benjamin 5, 55Kuhn, Klaus 67Kulze, Paul Udo 41Lademann, Eric 67, 68Landgraf, Gabriel 43Lange, Thomas 58Leibner, Raimer 5, 52, 56Lemke, Sven 65, 66Lenz, Mario 66Leszinski, Danny 38Liebers, Robin 6, 59, 60, 62Liersch, Maik 71Lierse, Lore 4, 52Link, Jörg Rainer 47, 61Maar, Frank 68Mahler, Horst 34, 47, 53, 61,Mann, Klaus 6, 45, 46, 48, 50, 65, 66Mann, Sybille 45, 48Meenen, Uwe 35Meihs, Rocco 46Meißner, Michael 9, 66Menzel, Uwe 40Mertsch, Benjamin 70Meyer, Danielo 54, 55Michaelis, Jana 50, 83Michalski, Marc 63Möhrke, Tony 61Muchajer, Willi 64, 65Müller, Gerhard 27Müller, Mario 65Müller, Michel 4, 5, 27, 36, 51, 52, 56, 57Müller, Nadine 67Nahrath, Wolfram 53Naumann, Thommy 37Noack, Markus 27, 69, 70Oestreich, Benjamin 34, 37, 39Odoy, Frank 67, 68Pakleppa, Jens 13Pannier, Ingo 50Pecht, Thomas 36, 37, 38, 41Perl, Christopher 64Pfister, Marc 46Polenske, Markus 65Popiela, Heike 52Priebke, Erich 13, 20, 79Pruska, Tony 73Puder, William 71, 72Rakete, Dirk 72Rätzsch, Heiko 57Redlhammer-Raback, Bärbel 6, 27, 62Reinecke, Dirk Uwe 47, 60Reinholz, Gordon 43, 44, 49, 50Repaczki, Istvan 37Richter, Sebastian 6, 36, 53Rietz, Stefan 4, 5, 51Rhode, Marco 45, 46Rokohl, Aileen 3, 4, 27, 45, 46, 50Russow, Jenny 64Salomon, Thomas 4, 27, 37Sandow, Mike 45, 46, 49, 50Schack, Christoph 20, 60, 61, 62Scharpf, Monik 64Schicke, Carsten 36Schlechte, Martin 66Schneider, Maik 4, 27, 52, 53, 54Schober, Mario 41Schoefisch, Christoph 64, 66Schierack, Oliver 70Schulepow, Eugen 65Schultchen, Andreas 73Schulz, David 66Schulz, Karsten 27, 69, 70Schulz, Mario 13Schulz, Patrick 54Schulz, Stefan 27, 45Schulze, Mario 72Schmidt, Markus 53,Schmidtke, Sebastian 3, 20, 43, 44, 46,50Schreiber, Mario 64Schröder, Jörg 48Schwemmer, Günther 36Seidel, Martin 70Senf, Stefan 73Seltmann, Andre 57Sieminiak, Jürgen 45Skupin, Markus 67, 68Söhndel, Sten 70Stein, Florian 4, 27, 68Steinecke, Norman 57Stelter, Andrew 46Sterzel, Marcel 46Strielke, Daniel 61Tegethoff, Ralph 36Teich, Daniel 20, 60, 61, 62Teske, Marcel 68Thamke, Max 62Trick, Dave 4, 5, 54Urban, Veronika 45, 46Vogt, Tobias 47Voigt, Uwe 37, 67Völkel, Thomas 62Walendy, Udo 60Walther, Gerd 47, 61, 62Walzuck, Markus 13, 14, 71, 72Warnke, Christian 48Warnke, Steffen 48Wellemsen, Ramon 66Weiberg, Tobias 66Wend, Stefan 73Wendt, Christian 56Wendt, Tim 66Werschke, Steffen 64, 66Wilke, Martin 18, 64, 65Willnow-Haverlandt, Sandra 5Windolf, Jeffrey 66Witassek, Melanie 38Wolf, Patrick 73Wolf, Tino 37Worch, Christian 6, 25, 37, 42Zander, Björn 44Zasowk, Ronny 3, 4, 26, 27, 69, 70, 73Zierott, Christoph 65Ziese, Christoph 44Zink, Danny 65, 66Zitelmann, Rainer 2985

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