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Folge 113 (pdf)

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Der Vater, der wieder heiratet, schickte den armen verstörten Jungen aufs Internat, wo er noch<br />

zusätzlich unter der Rohheit seiner Mitschüler zu leiden hatte. Dann kam er aufs Gymnasium,<br />

wo er seinen Freund fürs Leben, den später berühmten Max-Reinhardt-Schauspieler Friedrich<br />

Kayssler kennenlernt. Doch der Vater nahm ihn von der Schule, damit er Soldat werden<br />

sollte. Was natürlich scheiterte. Von da an schlug jegliche Ausbildung fehl. Sowohl das<br />

Studium der Nationalökonomie, als auch der Kunstgeschichte oder der Archäologie. Freier<br />

Schriftsteller wurde Christian Morgenstern schon mit 22 Jahren. Mit Übersetzungen verdiente<br />

er sein Geld. Die Lyrik Henrik Ibsens aus dem Norwegischen, das er aus diesem Grunde erst<br />

einmal lernen musste, war der größte Brocken neben seiner eigenen Dichtung, die fast<br />

ausschließlich aus Gedichten besteht. Nahezu jedes Jahr ab 1895 ist ein Gedichtband von ihm<br />

erschienen. Morgensterns Lebensgeschichte besteht nun aus ständigen Reisen und<br />

Kuraufenthalten wegen seines Lungenleidens: Helgoland, Sylt, Salzburg, der Gardasee, Oslo,<br />

Trondheim und Bergen (um die norwegische Sprache zu lernen), Davos, der Vierwaldstätter<br />

See, Arosa, Zürich, Mailand, Rapallo, Portofino, Florenz, Heidelberg, Rom, Berlin, Wyk a.<br />

Föhr. Das sind nicht seine Reisestationen, sondern die Orte, wo er gelebt hat, das heißt,<br />

jeweils umgezogen ist mit Sack und Pack, in den zehn Jahren von 1895 bis 1905. Und da<br />

werde ich noch einige vergessen haben. Wie um dem Tod zuvorzukommen, nimmt er alles in<br />

sich auf. Ist rast- und ruhelos.<br />

Der fremde Bauer<br />

Ein Mann mit einer Sense tritt<br />

Zur Dämmerzeit beim Dorfschmied ein.<br />

Der schlägt sie fester an<br />

Und dengelt sie und schleift sie scharf<br />

Und gibt sie frohen Spruchs zurück<br />

Und frägt sein: wer? woher? wohin?<br />

Und lauscht dem Fremden offnen Munds,<br />

Als der ihm dies und das erzählt.<br />

Und wie die Rede irrt und kreist,<br />

Berührt sie auch das letzte Los,<br />

Das jedem fällt, und – »Unverhofft!<br />

So möcht ich hingehn!« ruft der Schmied –<br />

Und stürzt zusammen wie vom Blitz ...<br />

Die Sense auf der Schulter geht<br />

Der fremde Mann das Dorf hinab.<br />

Morgenstern geht dann 1906 zusätzlich zu Nietzsche noch dem Ideologen Paul de Lagarde<br />

auf den Leim und sah dessen romantisch-nationalistische, pangermanische und antisemitische<br />

Denkweise sogar als nachstrebenswert an, nannte Lagarde ein »Marmorbild, auf dessen<br />

Sockel ewige Gesetze eingegraben sind« und wollte, dass auf seinem Grabstein neben dem<br />

Namen Morgenstern stünde: »Lest Lagarde«. Doch nachdem er 1908 Margareta Gosebruch<br />

von Liechtenstern kennenlernt, die er vier Jahre vor seinem Tod heiratet und die ihn auf<br />

Rudolf Steiner, den Begründer der Anthroposophie, hinweist, ändert sich noch einmal seine<br />

Denkweise. Er schließt sich eng an diesen Steiner-Kreis an, der nach dem 1. Weltkrieg eine<br />

gewisse Bedeutung gewinnt.<br />

Eins und Alles<br />

Meine Liebe ist groß<br />

Wie die weite Welt,

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