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2. Advent, 8.12.2013, Festhalten an der (Auferstehung-)Hoffnung

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Festhalthalten <strong>an</strong> <strong>der</strong> (<strong>Auferstehung</strong>-)<strong>Hoffnung</strong><strong>2.</strong> <strong>Advent</strong>, 8. Dezember 2013, Andreaskirche Eningen (Brot-für-die-Welt-Sonntag)Predigt von Pfarrer Joh<strong>an</strong>nes Eißler über Hebräer 10, 23-25 (Text vom 1. <strong>Advent</strong>)„P<strong>an</strong>ta rhei“, sagen die Griechen (wird Heraklit zugesprochen). Alles fließt. Und wir selber haben dasGefühl, dass m<strong>an</strong>chmal kein Halten mehr ist. Wie im Film „Jenseits von Afrika“. Da bricht ein Dammfür die Bewässerung <strong>der</strong> Kaffeepl<strong>an</strong>tage und alles Wasser läuft davon. „Lass es fließen“, sagt MarylStreep. „Dieses Wasser wohnt sowieso in Mombasa." Vielleicht denken wir m<strong>an</strong>chmal auch einbisschen resigniert: „Lass es laufen, ich k<strong>an</strong>n es sowieso nicht halten.“ Vieles, was für unsere Elterno<strong>der</strong> Großeltern noch selbstverständlich war, ist heute in Bewegung, im Fluss.Früher haben wir gespielt: „Verliebt, verlobt, verheiratet.“ Heute werden unsere jungen Leute 25, 30,35 und denken nicht <strong>an</strong>s Heiraten.Früher hat m<strong>an</strong> als Lehrling in einer Firma <strong>an</strong>gef<strong>an</strong>gen und hat dort bis zur Rente gearbeitet. Heutekriegen Sie maximal Zwei-Jahres-Verträge. In dem Beruf alt zu werden, den m<strong>an</strong> gelernt hat, ist eherdie Ausnahme.Früher war m<strong>an</strong> entwe<strong>der</strong> ev<strong>an</strong>gelisch o<strong>der</strong> katholisch. Etwas <strong>an</strong><strong>der</strong>es gab´s eigentlich nicht. Heutemuss sich je<strong>der</strong> selbst erfinden. Alles ist im Fluss. Hätten Sie sich noch vor ein paar Jahren vorstellenkönnen, dass Baden-Württemberg einen grünen Ministerpräsidenten wählt?Es ist ja nicht alles schlecht, liebe Gemeinde. Letzte Woche war ich bei einer vitalen Dame beimGeburtstag. „M<strong>an</strong> muss mit den Jungen mitgehen“, sagt die Oma. Also selber beweglich bleiben undim Fluss des Lebens mitschwimmen.Profil gewinnt ein Mensch allerdings dort, wo er nicht nur mitschwimmt, son<strong>der</strong>n einen St<strong>an</strong>dpunkteinnimmt. So wird es bei <strong>der</strong> Großmutter auch sein. Dass die Enkelkin<strong>der</strong> merken: Das ist <strong>der</strong> Omawichtig. Vielleicht sogar: Das ist <strong>der</strong> Oma heilig.Der Hebräerbrief, den wir heute mitein<strong>an</strong><strong>der</strong> lesen wollen, spricht genau von diesem <strong>Festhalten</strong>. Aneiner Stelle, so mahnt er, sollen wir nicht nachgeben. Ich lese Hebräer 10, 23-25:Lasst uns festhalten <strong>an</strong> dem Bekenntnis <strong>der</strong> <strong>Hoffnung</strong> und nicht w<strong>an</strong>ken; denn er ist treu, <strong>der</strong> sieverheißen hat; und lasst uns aufein<strong>an</strong><strong>der</strong> Acht haben und uns <strong>an</strong>reizen zur Liebe und zu guten Werkenund nicht verlassen unsre Versammlungen, wie einige zu tun pflegen, son<strong>der</strong>n ein<strong>an</strong><strong>der</strong> ermahnen,und das umso mehr, als ihr seht, dass sich <strong>der</strong> Tag naht.Auch wenn alles im Fluss ist, auch wenn unsere Multioptionsgesellschaft große Flexibilität von unsfor<strong>der</strong>t – in einem will ich ein Konservativer sein, ein Bewahrer, ein Festhalter. <strong>Festhalten</strong> möchte ichdie <strong>Hoffnung</strong> auf die <strong>Auferstehung</strong> <strong>der</strong> Toten. <strong>Festhalten</strong> möchte ich die <strong>Hoffnung</strong> auf ein Leben nachdiesem Leben. <strong>Festhalten</strong> möchte ich die „<strong>Hoffnung</strong> <strong>der</strong> zukünftigen Herrlichkeit“, wie es <strong>der</strong>Römerbrief formuliert (Römer 5, 5).Ein ausschlaggeben<strong>der</strong> Grund Theologie zu studieren und Pfarrer zu werden war für mich, von <strong>der</strong><strong>Hoffnung</strong> weiterzusagen, die uns Christen trägt. Die Depression, die Ungerechtigkeit auf dieser Erde,Seite | 1


<strong>der</strong> Selbstmord, <strong>der</strong> schreckliche Unfall und <strong>der</strong> natürliche Tod – sie dürfen nicht das letzte Worthaben. „<strong>Hoffnung</strong>“, das war und ist das Motto auf meinem B<strong>an</strong>ner.Die erste Frage im Heidelberger Katechismus lautet: „Was ist dein einziger Trost im Leben und imSterben?“Und d<strong>an</strong>n folgt die sehr kompakte Antwort, eine Art christliches Destillat: „Dass ich mit Leib undSeele, sowohl im Leben als auch im Sterben nicht mir, son<strong>der</strong>n meinem getreuen Heil<strong>an</strong>d JesusChristus gehöre, <strong>der</strong> mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkommen bezahlt und mich ausaller Gewalt des Teufels erlöst hat und so bewahrt, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmelkein Haar von meinem Haupt fallen k<strong>an</strong>n, ja, dass mir wirklich alles zu meiner Seligkeit dienen muss.Darum versichert er mich auch durch seinen heiligen Geist des ewigen Lebens und macht mich vonHerzen willig und bereit, ihm hinfort zu leben.“Es ist nicht schlimm, wenn wir das nicht aufs erste Mal g<strong>an</strong>z aufnehmen können. Aber hier steckt dieg<strong>an</strong>ze christliche <strong>Hoffnung</strong> drin. Die Brü<strong>der</strong> von Taizé waren ein bisschen gnädiger und habendasselbe in einem ihrer schlichten Gesänge zum Ausdruck gebracht: „Meine <strong>Hoffnung</strong> und meineFreude, meine Stärke, mein Licht: Christus, meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht michnicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.“Ich halte es für ein Vorrecht von uns Christen, dass wir im Fluss des Lebens, in allem, was wir mitSp<strong>an</strong>nung erwarten, o<strong>der</strong> mit Ansp<strong>an</strong>nung zu vermeiden suchen – dass wir in all dem mit einerKonst<strong>an</strong>ten rechnen dürfen: mit Jesus Christus, unserem Herrn und Heil<strong>an</strong>d. Er hat den Weg freigemacht. Durch ihn ist <strong>der</strong> Vorh<strong>an</strong>g im Tempel zerrissen und <strong>der</strong> Weg zum heiligen Gott offen. Es istgut, wenn wir uns jeden Tag im Gebet neu mit Jesus verbinden. Wenn er unser Anker und unserAngelpunkt ist.Aber genau das war m<strong>an</strong>chen von den Christen, <strong>an</strong> die <strong>der</strong> Hebräerbrief gerichtet ist, fraglichgeworden. Sie hatten mit einer baldigen Wie<strong>der</strong>kunft von Jesus gerechnet. Sie waren fest davonüberzeugt gewesen, dass <strong>der</strong> Glaube <strong>der</strong> Sieg ist, <strong>der</strong> die Welt überwindet. Die Zeit <strong>der</strong> furchtbarstenChristenverfolgung war vielleicht schon vorbei. Damals waren sie noch eine verschworeneGemeinschaft gewesen. Sie hatten mit ihren eingesperrten Mitchristen gelitten. Wenn sie enteignetwurden und allen Besitz verloren, d<strong>an</strong>n sind sie aufrechten Hauptes geg<strong>an</strong>gen. Sie hatten einengroßen Kampf des Leidens geführt. Aber jetzt war <strong>der</strong> Alltag eingekehrt. Der Zauber des Anf<strong>an</strong>gs warverflogen.Damals haben Viele hingeschmissen. Einige verabschiedeten sich mit großem Türenknallen, so stelleich mir´s vor, <strong>an</strong><strong>der</strong>e haben sich fr<strong>an</strong>zösisch verabschiedet, waren irgendw<strong>an</strong>n einfach nicht mehr da.Kennen Sie das, dass wir resignieren? Unsere Zeichen zurücksetzen? Unsere Jugendträumeaufgeben? Dass wir innerlich die Schotten dicht machen? Dicht gegenüber den Nachbarn, gegenüberden Kollegen, gegenüber Geschwistern aus <strong>der</strong> Gemeinde. M<strong>an</strong>che machen dicht in einer Ehe.M<strong>an</strong>chmal machen wir vielleicht sogar dicht gegenüber Gott. Martin Buber sagte: „Die Tür zu Gottund die Tür zu den Mitmenschen gehen gemeinsam auf und gemeinsam zu.“Der Hebräerbrief sagt darum: „Lasst uns aufein<strong>an</strong><strong>der</strong> Acht haben.“Seite | 2

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