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Augenverletzungen beim Wasserball - Ruhr-Universität Bochum

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22<br />

Aktuelle KontAKtologie AktkontAktol September 2011 · 6. Jahrgang · 18. Heft<br />

<strong>Augenverletzungen</strong> <strong>beim</strong> <strong>Wasserball</strong>:<br />

Zahlen, Verletzungsmechanismen und -ursachen<br />

Einleitung<br />

• Nach Schnell (2000) ereignen sich circa<br />

drei Prozent aller <strong>Augenverletzungen</strong> <strong>beim</strong><br />

Sport. Rund ein Viertel dieser <strong>Augenverletzungen</strong><br />

ist so schwer, dass sie (augen-)ärztlich<br />

behandelt werden müssen. Circa zehn Prozent<br />

aller Augenver letzungen im Sport führen zur<br />

Erblindung.<br />

Bei den summarisch betrachtet relativ seltenen<br />

<strong>Augenverletzungen</strong> <strong>beim</strong> Sport treiben (circa<br />

ein Prozent aller Sportverletzungen; [ARAG,<br />

2002; Jendrusch et al., 2002]) dominieren<br />

mit über 50 Prozent die stumpfen Traumen,<br />

also zum Beispiel Prellungen, gefolgt von<br />

Fremdkörperver letzungen und selteneren<br />

Schnitt- beziehungsweise Spießungsverletzungen,<br />

zum Beispiel durch den Fingernagel<br />

eines Gegenspielers [Schnell, 1987a und<br />

b; Schnell, 1996]. Häufig handelt es sich um<br />

Verletzungen, die durch Bälle (zum Beispiel im<br />

Tennis, Squash oder Fußball), Schläger (zum<br />

Beispiel <strong>beim</strong> Squash, Tennis-Doppel, Eishokkey<br />

oder Roll-/Skatehockey) oder Hand- und<br />

Ellbogenstöße im Zweikampf (zum Beispiel im<br />

Handball oder Fußball) verursacht werden.<br />

Dementsprechend bergen vor allem Sportarten<br />

wie Squash, Badminton und Tennis<br />

ein deutlich höheres Verletzungsrisiko als<br />

an dere Sportarten. Aber auch <strong>beim</strong> zweikampfbetonten<br />

<strong>Wasserball</strong> (Abb. 1), bei dem<br />

(Kraul-)Schwimmbewegungen und Aushol-,<br />

Wurf- und Fangbewegungen oberhalb der<br />

Wasseroberfläche, also in Kopf- und Augenhöhe,<br />

durchgeführt werden, ist das Augenverletzungsrisiko<br />

beträchtlich erhöht [ARAG, 2002;<br />

Jendrusch et al., 2002].<br />

Differenzierte Analysen zur Problematik von<br />

<strong>Augenverletzungen</strong> speziell im <strong>Wasserball</strong> liegen<br />

aber trotz des hohen Verletzungs risikos bisher<br />

nicht vor. Mangelndes Problem bewusstsein<br />

bei Verantwortlichen wie Trainern und Betreuern<br />

sowie eine geringe Wertschätzung von<br />

Schutzmaßnahmen – auch bei Spieler(inne)n<br />

– sind die Folge. Die hier vorgestellte Studie<br />

hatte vor dem oben genannten Hintergrund<br />

das Ziel, <strong>Augenverletzungen</strong> im <strong>Wasserball</strong> genauer<br />

zu analysieren.<br />

Methodik<br />

Zum einen wurden 1830 <strong>Augenverletzungen</strong><br />

auf der Basis von 180.218 im Zeitraum von<br />

1988 bis 2008 erfassten Sportverletzungen<br />

(Vereinssport) aus der Sportunfalldatenbank<br />

der ARAG Allgemeine Versicherungs-AG<br />

(Düsseldorf) und der <strong>Ruhr</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Bochum</strong><br />

– speziell im Hinblick auf <strong>Augenverletzungen</strong><br />

im <strong>Wasserball</strong> – ausgewertet. Zur Berechnung<br />

des sportartbezogenen Risikos von <strong>Augenverletzungen</strong><br />

wurde jeweils die Häufigkeit von<br />

<strong>Augenverletzungen</strong> in einer Sportart an der<br />

Häufigkeit aller Sportverletzungen, die in dieser<br />

Sportart registriert wurden, relativiert.<br />

Zum anderen wurde mit Hilfe eines Fragebogens<br />

eine retrospektive Befragung von Spielern<br />

und Spielerinnen der <strong>Wasserball</strong>-Bundesligen<br />

zur „Problematik von <strong>Augenverletzungen</strong>“<br />

im <strong>Wasserball</strong> durchgeführt. Ziel war<br />

hier, spezielle Verletzungsmechanismen<br />

und -ursachen genauer zu analysieren<br />

sowie auf Basis der Ana-<br />

lysen gegebenenfalls geeignete Präventionsmaßnahmen<br />

zu entwickeln/diskutieren.<br />

Ergebnisse<br />

Der Anteil von 1830 <strong>Augenverletzungen</strong> an<br />

der Gesamtzahl der registrierten 180.218<br />

Sportverletzungen entspricht prozentual 1,02<br />

Prozent; dies bestätigt frühere Untersuchungen<br />

[ARAG, 2002; Jendrusch et al., 2002].<br />

Die Augenverletzten hatten ein Durchschnittsalter<br />

von 31,6 ± 16,3 Jahren (Altersspanne:<br />

3-85 Jahre). 78,2 Prozent der Augenverletzten<br />

waren männlich, 21,8 Prozent weiblich.<br />

Die Männer waren im Mittel 31,8 ± 16,0 Jahre<br />

alt (Altersspanne: 3-85 Jahre), die Frauen<br />

30,5 ± 17,2 Jahre (Altersspanne: 3-82 Jahre).<br />

In Abbildung 2 ist das Risiko von <strong>Augenverletzungen</strong><br />

in verschiedenen Sportarten dargestellt:<br />

Sportarten wie Badminton (Faktor 5,3)<br />

und Tennis (Faktor 5,0) vor allem aber Squash<br />

(Faktor 11,1) und das hier im Fokus stehende<br />

<strong>Wasserball</strong> (Faktor 10,5) zeigen ein deutlich<br />

höheres Verletzungsrisiko im Vergleich zu anderen<br />

Sportarten.<br />

Aus der Sportunfalldatenbank konnten 282<br />

<strong>Wasserball</strong>verletzungen ausgewertet werden.<br />

Die Verletzten hatten ein Durchschnitts-<br />

alter von 24,0 ± 9,9 Jahren (Altersspanne: 10-<br />

67 Jahre). 85,8 Prozent der Verletzten waren<br />

männlich, 14,2 Prozent weiblich.<br />

Häufigste Verletzungen <strong>beim</strong> <strong>Wasserball</strong> waren<br />

Mund- (18,3 Prozent), Gesichtsschädel-<br />

(14,0 Prozent) und Fingerverletzungen (11,9<br />

Prozent). <strong>Augenverletzungen</strong> rangierten mit<br />

10,1 Prozent auf Platz 4 [Krabbe, 2009].<br />

Bei 43,7 Prozent der <strong>Wasserball</strong>spieler(innen)<br />

führte die Verletzung zu einer Arbeitsunfähigkeit<br />

von im Mittel 21,3 ± 39,4 Tagen. Zirka<br />

die Hälfte (46,4 Prozent) der an den Augen<br />

verletzten <strong>Wasserball</strong>spieler(innen) war – für<br />

im Mittel 5,0 ± 7,3 Tage – arbeitsunfähig.<br />

Geschlechtsunterschiede bestanden<br />

hier nicht (2p = 0,502).<br />

Fortsetzung auf Seite 24 .<br />

Abb. 1: Exemplarische Zweikampfsituationen<br />

im <strong>Wasserball</strong><br />

mit potentiellem Augenverletzungsrisiko<br />

(Fotos: Stefan Alexy,<br />

Hamburg)


24<br />

<strong>Augenverletzungen</strong> traten überwiegend im<br />

Wettkampfspiel (Frauen: 60,0 Prozent; Männer:<br />

77,3 Prozent) auf, gefolgt vom Trainingsspiel<br />

(14,8 Prozent).<br />

Ausgewertet wurden 1830 <strong>Augenverletzungen</strong><br />

auf der Basis von 180.218 erfassten<br />

Sportverletzungen [Sportunfall-Datenbank<br />

der ARAG Allgemeine Versicherungs-AG –<br />

Sportversicherung, Düsseldorf 2011]<br />

Von den 152 eingegangenen Fragebögen der<br />

an der Befragung beteiligten zehn Männer-<br />

und acht Frauen-Bundesligamannschaften<br />

(BL) konnten 149 ausgewertet werden. Die<br />

Bundesliga-<strong>Wasserball</strong>spieler(innen) waren<br />

im Mittel 23,6 ± 3,7 Jahre alt (Altersspanne:<br />

18-38 Jahre).<br />

43,0 Prozent der befragten <strong>Wasserball</strong>er(innen)<br />

haben im Laufe ihrer Sportkarriere bereits<br />

eine Augenverletzung erlitten (Frauen: 40,4<br />

Prozent; Männer: 44,6 Prozent; 2p = 0,614).<br />

71,9 % der <strong>Augenverletzungen</strong> passierten im<br />

Wettkampf (Meisterschafts- und Pokalspiel);<br />

Frauen: 65,2 Prozent; Männer: 75,6 Prozent;<br />

2p=0,660).<br />

Häufigste Ursachen für <strong>Augenverletzungen</strong><br />

waren der „Ellbogencheck“ (38,1 Prozent) gefolgt<br />

vom gegnerischen „Finger im Auge“ (34,9<br />

Prozent; keine Geschlechtsunterschiede; 2p =<br />

0,132). Auffällig: In keinem Fall war der Ball für<br />

eine Augenverletzung verantwortlich.<br />

59,4 Prozent der <strong>Augenverletzungen</strong> mussten<br />

ärztlich versorgt/behandelt werden, wobei die<br />

durchschnittliche Behandlungsdauer bei zirka<br />

fünf Tagen (± 5,6 Tage) lag. 16,1 Prozent der<br />

<strong>Augenverletzungen</strong> mussten operativ behandelt<br />

werden. Die häufigsten Verletzungen waren<br />

Lidverletzungen (36,5 Prozent), gefolgt<br />

von Lidhämatomen und -schwellungen (19,0<br />

Prozent; Geschlechtsunterschiede bestanden<br />

nicht; 2p = 0,319).<br />

1 Stand: April 2011 (n = 180.218 in der Datenbank registrierte Sportverletzungen)<br />

2 erhoben im Zeitraum von 1988-2006<br />

Aktuelle KontAKtologie AktkontAktol September 2011 · 6. Jahrgang · 18. Heft<br />

Zirka 59 Prozent der <strong>Augenverletzungen</strong> ereigneten<br />

sich auf den „Flügelpositionen“,<br />

gefolgt von den „Center-Verteidigern“ (25,0<br />

Prozent; Centerspieler: 12,5 Prozent, Torwarte:<br />

3,1 Prozent). Relativ gesehen, haben die<br />

Centerverteidiger mit 66,7 Prozent jedoch klar<br />

die meisten Verletzungen an den Augen.<br />

Nach eigenen Angaben hatten 34,2 Prozent<br />

der befragten Bundesliga-Spieler(innen) einen<br />

Sehfehler (54,9 Prozent gaben an „kurzsichtig“<br />

zu sein). 34,3 Prozent der Fehlsich-<br />

tigen trugen im Alltag eine Brille, 31,4 Prozent<br />

Kontaktlinsen, 31,4 Prozent wechselten<br />

zwischen Brille und Kontaktlinsen und 2,9<br />

Prozent verwendeten eine Gleitsichtbrille in<br />

Kombination mit Kontaktlinsen. Während der<br />

Sportausübung (im Wasser) trugen nur zirka<br />

51 Prozent der für die Ferne „Korrekturbedürftigen“<br />

eine Sehhilfe und zwar ausschließlich<br />

flexible Kontaktlinsen. Spieler(innen), die im<br />

Alltag nur mit Kontaktlinsen korrigiert waren,<br />

trugen zu 90,9 Prozent auch im Wasser ihre<br />

„Linsen“ (81,8 Prozent der „Kombinierer“).<br />

Schlussfolgerung<br />

Abb. 2: Risiko von <strong>Augenverletzungen</strong><br />

in verschiedenen<br />

Sportarten.<br />

Das hohe Augenverletzungsrisiko <strong>beim</strong> <strong>Wasserball</strong><br />

sowie die dominierenden Verletzungsmechanismen<br />

wie „Ellbogencheck“ oder gegnerischer<br />

„Finger im Auge“ verdeutlichen,<br />

dass Augenschutz im <strong>Wasserball</strong> sicherlich<br />

sinnvoll ist. Eine Sport-(schutz-)Brille könnte<br />

gerade auf der Centerverteidigerposition<br />

durchaus zur Verletzungsprophylaxe eingesetzt<br />

werden. Die Fassung einer geeigneten<br />

Schutzbrille müsste den gesamten Orbitarand<br />

überragen und damit das Auge komplett vor<br />

äußeren Einwirkungen schützen.<br />

Ob eine derartige Schutzbrille die<br />

<strong>Wasserball</strong>spieler(innen) in ihrem Spiel beeinträchtigt,<br />

ist bisher nicht untersucht. Hier<br />

sollten – analog zur Studie von Jendrusch &<br />

Franke (2002) zur Akzeptanz von Schutzbrillen<br />

im Squash – entsprechende Feldstudien<br />

im <strong>Wasserball</strong> durchgeführt werden.<br />

Bei der Befragung fiel ferner auf, dass auch<br />

<strong>Wasserball</strong>spieler(innen), ähnlich wie andere<br />

Sportler(innen), vorhandene (im Alltag<br />

bereits korrigierte) Fehlsichtigkeiten bei der<br />

Ausübung ihrer Sportart häufig nicht korrigierten.<br />

Vor allem Brillenträger führten ihren<br />

Sport häufig „fehlsichtig“ aus. Hier sollten<br />

Ärzte, Trainer und Betreuer mehr Aufklärungs-<br />

und Überzeugungsarbeit leisten und<br />

entsprechende Korrektionsmöglichkeiten aufzeigen,<br />

damit der Sportler seinen Sport mit<br />

optimaler Sehleistung erfolgreich und sicher<br />

ausüben kann.<br />

Autoren/Autorinnen:<br />

Krabbe, J. G., Jendrusch, G., Platen, P.<br />

Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährung<br />

<strong>Ruhr</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Bochum</strong><br />

E-Mail: johanna.krabbe@rub.de<br />

gernot.jendrusch@rub.de<br />

Anmerkung:<br />

Die Autorin Johanna Gesine Krabbe spielte bis 2010<br />

selber aktiv und erfolgreich in der <strong>Wasserball</strong>-<br />

Bundesliga.<br />

Literatur<br />

ARAG Sportversicherung (2011): <strong>Augenverletzungen</strong><br />

im Sport. Unveröffentlichte statistische Auswertung<br />

der <strong>Ruhr</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Bochum</strong> auf der Basis von<br />

180.218 erfassten Sportverletzungen. Sportunfall-Datenbank<br />

der ARAG Allgemeine Versicherungs-AG –<br />

Sportversicherung, Düsseldorf. Düsseldorf/<strong>Bochum</strong><br />

2011.<br />

Jendrusch, G., Franke, C., Heck, H. & Völker, k. (2002).<br />

Zur Prävention von <strong>Augenverletzungen</strong> im Squash –<br />

Werden Schutzbrillen akzeptiert? In M. Baumgartner<br />

(Hrsg.), Mit Sicherheit mehr Sport. Beiträge zum 2.<br />

Dreiländerkongress, 26.-27. September 2002 in Wien<br />

(S. 141-145). Wien: kuratorium für Schutz und Sicherheit.<br />

krabbe, J.G. (2009). <strong>Augenverletzungen</strong> <strong>beim</strong> <strong>Wasserball</strong>.<br />

Unveröffentlichte Bachelorarbeit, Fakultät für<br />

Sportwissenschaft, <strong>Ruhr</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Bochum</strong>.<br />

Schnell, D. (1987a). <strong>Augenverletzungen</strong>, Verletzungsfolgen<br />

und andere Affektionen während sportlicher<br />

Betätigung. In H. Rieckert (Hrsg.), Sportmedizin – kursbestimmung<br />

(S. 116-124). Berlin-Heidelberg: Springer<br />

Verlag.<br />

Schnell, D. (1987b). Verletzungen und andere Affektionen<br />

der Augenregion <strong>beim</strong> Ballsport. Deutsche Zeitschrift<br />

für Sportmedizin, 38 (3), 112-117.<br />

Schnell, D. (1996). Sehorgan und Sport. In U. Bartmus,<br />

H. Heck, J. Mester, H. Schumann & G. tidow (Hrsg.), Aspekte<br />

der Sinnes- und neurophysiologie im Sport – In<br />

memoriam Horst de Marées (S. 175-240). köln: Sport<br />

und Buch Strauß.<br />

Schnell, D. (2000). Sport und Auge: <strong>Augenverletzungen</strong><br />

durch Sport und Sport als therapie bei Augenkrankheiten.<br />

Deutsches Ärzteblatt, 97 (41), A 2712-2716.<br />

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