11.07.2015 Aufrufe

20 Jahre Justizkultur - Betrifft Justiz

20 Jahre Justizkultur - Betrifft Justiz

20 Jahre Justizkultur - Betrifft Justiz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> BJ7Äußerungen sonst eher keine Stimme injuristischen Zeitschriften finden.Zu 3.)Die Form unterscheidet sich insofernvon anderen juristischen Schriften, alshier auch Feuilletonistisches zugelassenist. Man darf auch „ich“ schreiben. LockereAlltagssprache wird erlaubt.Lockere Alltagssprachewird erlaubtAls ich zur Vorbereitung dieses kleinenVortrags in den ersten Heften 1985 blätterte,war ich sehr berührt. Sicherlichdeshalb, weil auch ich <strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> ältergeworden bin. Aber auch, weil die Gerüchein den Gerichten, die Gerichtsgesichterandere waren und die Konfliktevor <strong>20</strong> <strong>Jahre</strong>n anders gelöst wordensind als die, die ich heute erlebe. Unddoch kommt mir Vieles sehr aktuell vor.Es war eine aufregende Zeit damals, dieerste Hälfte der 80er <strong>Jahre</strong>. Ich war zumersten Mal in meinem Leben 1983 aufeiner Demonstration in Bonn. Richterinnenund Richter, Staatsanwältinnenund Staatsanwälte für den Frieden fuhrenmit einem Bus von Hamburg nachBonn, um gegen die Stationierung amerikanischerMittelstreckenraketen zu demonstrieren.Schwarzes Kostümchen,rosa Bluse war mein Outfit. Begleitetwurden wir von einem NDR-Filmteam,das unsere Aktion höchst erstaunt, aberauch begeistert zur Kenntnis nahm. Einerder mitreisenden Richter bat, nichtgefilmt zu werden; er wolle sich seineKarriere nicht verbauen. Das fanden dieübrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmerbizarr, aber wir schenkten dieser Tatsachenicht viel Beachtung. Dass hinterdieser Bitte des Kollegen eine ernsteRichterphilosophie steht, darauf kommeich noch später. Eine Karriere – was immerder Richter sich darunter vorstellte– machte er übrigens nicht.Wir sangen in der Bonner BeethovenhalleLieder wie „Wir wollen Frieden zuallen Zeiten, nie wieder Krieg, fort mitallen Streitigkeiten.“ Es klang schräg,aber wir waren irgendwie begeistert, übrigensauch von uns selbst, dass wir somutig und unbekümmert waren, unsereStimme zu erheben.Konstanze Görres-OhdeGeboren am 5. Oktober 1942 in Königsberg. Verheiratet, zwei erwachseneKinderJurastudium in Heidelberg, Berlin und Hamburg1971 Richterin am Amtsgericht Hamburg1985 bis 1989 Richterin am Oberlandesgericht (mit Unterbrechung durch einenUSA-Aufenthalt)1989 bis 1996 Präsidentin des Landgerichts Itzehoe1996 bis <strong>20</strong>01 Präsidentin des Landgerichts Hamburgseit <strong>20</strong>02 Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts1991 bis 1994 Vorsitzende der „Stiftung Straffälligenhilfe“ in Schleswig-Holsteinseit 1990 Veranstaltungsreihen „Kultur und <strong>Justiz</strong>“ (Lesungen, Musikabende,Kunstausstellungen) an den Landgerichten Itzehoe und Hamburg sowie amOLG in SchleswigIn dem ersten Heft von „<strong>Betrifft</strong> JUSTIZ“spiegelt sich noch diese Stimmung wider.Es war eine Zeit der zaghaften Widerstände.Die Richterinnen und Richteräußerten öffentlich ihre Meinungzum Thema Stationierung von amerikanischenMittelstreckenraketen in derBundesrepublik Deutschland. Die Diskussionging – jedenfalls vordergründig– nicht um die Frage, ob Richterinnenund Richter sich öffentlich gegen dieStationierung von Atomraketen äußerndürfen oder nicht, sondern ob ein Richterdieses unter Hinweis auf sein Richteramttun darf.Es gab schon damals eine Entscheidungder Europäischen Kommission für Menschenrechte,nach der jedermann seineöffentliche Meinung unter Angabe desNamens und seiner beruflichen Funktionäußern dürfe (133/87). Ich selbsthabe an den Meinungsäußerungen inZeitungsannoncen mitgewirkt. Mir war– unpolitisch, wie ich damals war undvielleicht auch noch heute bin, es seidenn, wir begreifen alles, was wir Richterinnenund Richter tun, als politisch– anfangs nicht bewusst, dass ich hiergegen die richterliche Pflicht des Meinungsmäßigungsgebotes– was immerdas ist – verstoßen haben könnte.<strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> <strong><strong>Justiz</strong>kultur</strong>, meine Damen undHerren.Wie wäre es, wenn wir uns heute in extremenpolitischen Situationen als Richterinnenund Richter äußerten? Ich denkedarüber nach als Präsidentin einesOberlandesgerichts. Wenn einer „meiner“Richter öffentlich für die Rechtmäßigkeitvon Folterandrohung plädiert,dann bin ich als Dienstvorgesetzte gefragt,wie ich mit diesem Richter umgehe.Soll ich z.B. eine Missbilligung– eine vordisziplinarische Maßnahme –,aussprechen?„Amtsbonus“ für die vonmir für richtig gehaltenenpolitischen ZieleHeute komme ich ins Grübeln, ob esrichtig war, mit meinem – wie es soschön heißt – „Amtsbonus“ für die vonmir für richtig gehaltenen politischenZiele zu demonstrieren. Keine Sorge,eins ist klar: Es war falsch, die Richterinnenund Richter, die demonstrierten, mitdienstrechtlichen Maßnahmen zu überziehen,wie es in Schleswig-Holsteinund einigen anderen Bundesländerngeschehen ist, als sich Richterinnenund Richter den öffentlichen Meinungsäußerungengegen die Stationierungangeschlossen haben und mit einer„Verwarnung“ in ihrer Personalakte vonden Präsidenten „bestraft“ wurden. DieVerwarnung ist übrigens inzwischen inSchleswig-Holstein aus der Personalaktegelöscht.Es steht die Beantwortung der Frageaus, ob der Rechtsuchende, der einemRichter gegenüber steht, von dem erweiß, dass dieser in dem einen oder anderenpolitischen Konflikt ganz andersdenkt als er selbst, diesem Richter nochdie unabhängige Entscheidung seinesRechtsstreits, der sich mit eben demKonflikt beschäftigt, zutraut.„Der Mythos der Unabhängigkeit“, dasBuch von Rolf Lamprecht, das ich jedemRichter und jeder Richterin bei Amtsantrittin der Schleswig-Holsteinischen<strong>Betrifft</strong> JUSTIZ Nr. 81 • März <strong>20</strong>05

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!