Eppendorfer - Vitanas
Eppendorfer - Vitanas
Eppendorfer - Vitanas
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EPPENDORFER<br />
Zeitung für Psychiatrie<br />
Ausgabe 4 / 2008 Jahrgang 23 C 42725 2,50 Euro<br />
Psychiatrie Medizin Film<br />
Kampf gegen Kilos Herz und Schmerz Lauf ums Leben<br />
Psychisch Kranke nehmen im<br />
Zuge der Einnahme von Psychopharmaka<br />
häufig zu. Das ist<br />
nicht nur unangenehm, sondern<br />
birgt auch diverse gesundheitliche<br />
Risiken. Im Hamburger Klinikum<br />
Eilbek wurde nun ein<br />
Gegenmittel vorgestellt: Das<br />
Programm BELA, dessen vier<br />
Buchstaben für Bewegung, Ernährung,<br />
Lernen und Akzeptieren<br />
stehen. Seite 10<br />
Arztserien boomen. Aber warum?<br />
Wie realistisch sind die Geschichten<br />
zwischen OP-Saal<br />
und ärztlichem Herzschmerz?<br />
Und was denken sich eigentlich<br />
die, die sich die Storys rund um<br />
Leben und Tod ausdenken, bei<br />
denen eines letztlich meist tunlichst<br />
vermieden wird: Sterben.<br />
Eine Veranstaltung der Ärztekammer<br />
glich Fiktionen mit<br />
Wirklichkeit ab. Seite 10<br />
Männerdepression auf dem Vormarsch: Mehr Fehltage,<br />
längere Erkrankungsdauer, hohe Dunkelziffer<br />
Hamburg (frg). Um die männliche<br />
Psyche steht es zunehmend<br />
schlechter. Das lässt sich aus jüngsten<br />
Erhebungen der DAK schließen.<br />
Die Fehltage aufgrund psychischer<br />
Erkrankungen bei Männern in Hamburg<br />
stiegen in den letzten sieben Jahren<br />
um acht Prozent. Das sei, so heißt es<br />
in dem jüngst vorgestellten DAK-Gesundheitsreport<br />
2008 mit dem Schwerpunktthema<br />
„Mann und Gesundheit“,<br />
um so bemerkenswerter, als das gesamte<br />
Volumen der Krankheitstage im gleichen<br />
Zeitraum in Hamburg um 11 Prozent<br />
zurückging. Wichtigste Einzeldiagnose<br />
bei psychischen Erkrankungen<br />
war die Depression mit einem Anteil<br />
von 36 Prozent an allen Fehltagen aufgrund<br />
von psychischen Erkrankungen<br />
(Bund: 29 Prozent.)<br />
Die Depression ist bei den DAKversicherten<br />
Männern mit plus 35 Prozent<br />
(2007 im Vergleich zum Jahr 2000)<br />
<strong>Vitanas</strong>. VON MENSCHEN – FÜR MENSCHEN<br />
<strong>Vitanas</strong><br />
Senioren Centren<br />
auf dem Vormarsch. 2007 fehlten 100<br />
Versicherte in Hamburg an insgesamt<br />
42 Tagen wegen depressiver Episoden.<br />
Dies seien, so die DAK, gut 15 Tage<br />
mehr als bundesweit. Ursächlich gilt<br />
hierfür bei Männern in Hamburg jedoch<br />
nicht eine deutlich höhere Erkrankungshäufigkeit,<br />
sondern eine im Bundesvergleich<br />
längere Erkrankungsdauer. Eine<br />
depressive Episode dauerte bei Männern<br />
gut 46 Tage (Bund: 33 Tage). Im<br />
Geschlechtervergleich seien aber auch<br />
in Hamburg mehr als doppelt so viele<br />
Frauen an Depressionen erkrankt. Bei<br />
Männern, teilte die DAK mit, sei nach<br />
Ansicht von Experten jedoch von einer<br />
hohen Dunkelziffer bei dieser Krankheit<br />
auszugehen.<br />
Männer neigen dazu, ihre depressiven<br />
Symptome nicht wahrzunehmen, zu bagatellisieren<br />
oder gar zu verleugnen.<br />
„Ursache sind wahrscheinlich gesellschaftliche<br />
und eigene Erwartungen.<br />
<strong>Vitanas</strong><br />
Klinische Centren<br />
Als Kompensation können sich unspezifische<br />
Stressverarbeitungsmuster zeigen,<br />
die die Diagnose Depression erschweren“,<br />
vermuten die Autoren des<br />
DAK-Gesundheitsreports. Etwa wenn<br />
sie sich in die Arbeit stürzen. In Vorsorgestudien<br />
werde immer wieder gezeigt,<br />
dass Ärzte, insbesondere Hausärzte, Patienten<br />
mit Depressionen in 50 Prozent<br />
der Fälle nicht erkennen. Diagnostik<br />
und Aufklärung unter Berücksichtigung<br />
männerspezifischer Stresssymptome<br />
müsse deshalb verbessert werden. Ärzte<br />
sollten für das Phänomen „Männerdepression“<br />
sensibilisiert werden. Denn<br />
Männer machten 70 Prozent aller Sterbefälle<br />
durch Suizid aus – obwohl alle<br />
verfügbaren Statistiken Frauen bei Depressionen<br />
eine wesentlich höhere<br />
Krankheitshäufigkeit bescheinigen.<br />
Dies alles weise auf nicht erkannte Depressionen<br />
bei Männern hin.<br />
weiter auf Seite 2<br />
Modernisierung des Maßregelvollzugs<br />
Neustadt (rd). In Neustadt/Holstein<br />
wurde kurz vor Redaktionsschluss das<br />
neue Haus 8 eröffnet. Es stellt den Ersatz<br />
für das 2004 abgerissene alte<br />
Haus 8 dar und bietet in vier Wohngruppen<br />
Platz für 40 psychisch kranke<br />
Straftäter. Insgesamt leben in der einzigen<br />
forensischen Abteilung für psychisch<br />
kranke Männer in Schleswig-<br />
Holstein, die nach § 63 (StGB) untergebracht<br />
sind, 245 Patienten. Der Neubau<br />
kostete knapp neun Millionen<br />
Euro. Die räumliche Ausstattung mit<br />
Ein- und Zwei-Bett-Zimmern orien-<br />
Sorgenkind<br />
Mann<br />
Neubau in Neustadt bietet Platz für 40 Forensikpatienten<br />
Der Neubau bietet Platz für 40<br />
psychisch kranke Straftäter.<br />
tiert sich an den Standards in Justizvollzugsanstalten.<br />
Ferner sind in dem<br />
neuen Gebäude Werkstätten, Ergotherapie,<br />
Gruppenräume und eine Schule<br />
untergebracht.<br />
Geschäftsführung und Klinikleitung<br />
der AMEOS Krankenhausgesellschaft<br />
Holstein bezeichneten den Neubau als<br />
„Beginn einer neuen Qualität in der<br />
Behandlung und Sicherung psychisch<br />
kranker Straftäter.“ Ein gemeinsam<br />
mit dem zuständigen Ministerium erarbeitetes<br />
Entwicklungskonzept sieht<br />
auch mehr Personal und Fortbildungen<br />
vor. Weiterer Bericht folgt in der<br />
nächsten Ausgabe.<br />
<strong>Vitanas</strong><br />
Integrations Centren<br />
<strong>Vitanas</strong><br />
Dienstleistungen<br />
Humor in der Pflege – ein<br />
Thema, das an Bedeutung<br />
gewinnt. Grund genug für<br />
eine Tagung zum Thema „Humor und<br />
Lachen in der Pflege“, zu der das<br />
Pflegenottelefon Schleswig-Holstein<br />
nach Kiel eingeladen hatte. Humor ist<br />
das Gegengift gegen Gewalt, sagte<br />
Aus dem Inhalt<br />
BLICKPUNKT<br />
Ausländische Pflegekräfte –<br />
Zwischen legal und illegal S. 3<br />
VERSORGUNGSFORSCHUNG<br />
„Psychische Krankheiten<br />
nehmen nicht zu“ S. 4<br />
SCHIZOPHRENIEKONGRESS<br />
Von Genforschung bis<br />
Krisenzentrum S. 5<br />
Mehr Informationen unter<br />
(0800) 848 26 27 · www.vitanas.de<br />
Die eigentliche Geschichte ist<br />
ebenso wahr wie sensationell:<br />
Ein Junkie befreit sich aus seiner<br />
Sucht und verfällt einem neuen<br />
Rausch – er rennt, schwimmt<br />
und radelt und wird Triathlet.<br />
Angelehnt an diese Biographie<br />
kommt jetzt mit „Lauf um Dein<br />
Leben – vom Junkie zum Ironman“<br />
ein Film in die Kinos, der<br />
die menschliche Willenskraft beschwört.<br />
Seite 17<br />
Tritt als schillernder Weißclown mit Klarinette auf Demenzstationen<br />
und in Pflegeheimen auf: Der Schweizer Marcel Briand. Foto: est<br />
Lachen gegen Gewalt<br />
dort Professor Rolf Dieter Hirsch aus<br />
Bonn. Aus der „Humorpraxis“ berichtete<br />
Marcel Briand. Der Schweizer ist<br />
gelernter Psychiatriepfleger, aber ihm<br />
reichte nicht mehr, was er dort für die<br />
Menschen tun konnte. Und so wurde<br />
er Lachprofi. Heute arbeitet er als<br />
Clown mit Demenzpatienten. Seite 13<br />
INKLUSION<br />
AWO entwickelt Konzept<br />
für Familienpflege S. 6<br />
FRAUEN<br />
Zu wenig Hilfe für<br />
schwer Traumatisierte S. 7<br />
KULTUR<br />
„Schattensprache“ eröffnet<br />
gehörlose Welten S. 11
Seite 2 VERMISCHTES<br />
● <strong>Eppendorfer</strong> 4 / 2008<br />
„Maler“, Filme<br />
und Musik<br />
beim CVJM<br />
Neumünster (ut/rd). Zehn Künstler<br />
mit und ohne Psychiatrie-Erfahrungen,<br />
die sich regelmäßig treffen; zum gemeinsamen<br />
Arbeiten, Ausstellungen besuchen<br />
– und selbst ausstellen – das sind die „maler“.<br />
Ihre neue Ausstellung heißt<br />
„People“, die am 18. Mai um 17 Uhr in<br />
der sogenannten Alsterbar des ChristlichenVereins<br />
Junger Männer (CVJM),An<br />
der Alster 40 in Hamburg eröffnet wird,<br />
wo sie noch bis zum 12. Juli zu sehen ist<br />
– und von weiteren Aktivitäten umrahmt<br />
wird. So wird dort am 18. Mai ab 18 Uhr<br />
der Film „Someone beside you“ von Edgar<br />
Hagen gezeigt. Am Dienstag, 20.<br />
Mai, ab 19.30 Uhr folgt ein Kurzfilmabend<br />
unter dem Motto: „Alles ist Anders.“<br />
Am Donnerstag, 29. Mai, ab 20<br />
Uhr präsentiert die Sängerin Ute Leuner<br />
ihr neues Musikkabarett-Programm mit<br />
eigenen Songs. Unterstützt werden die<br />
Veranstaltungen vom Bezirksamt Hamburg<br />
Mitte, von der Aktion Mensch, vom<br />
Kulturamt Hamburg, von der Reichow<br />
Stiftung Hamburg und von privaten Paten.<br />
Impressum<br />
<strong>Vitanas</strong> GmbH & Co. KGaA<br />
Sozialpsychiatrisches<br />
Centrum Koog-Haus<br />
Zweckbetrieb <strong>Eppendorfer</strong><br />
Koogstr. 32<br />
25541 Brunsbüttel<br />
Telefon: (04852) 96 50-0<br />
Telefax: (04852) 96 50-65<br />
Internet:<br />
www.eppendorfer.de bzw.<br />
www.kooghaus.de,<br />
www.vitanas.de<br />
Email: kooghaus@vitanas.de<br />
Herausgeber: Matthias Sommer,<br />
<strong>Vitanas</strong> Sozialpsychiatrisches<br />
Centrum Koog-Haus &<br />
Michael Dieckmann,<br />
AMEOS<br />
Krankenhausgesellschaft<br />
Holstein mbH (ViSdP)<br />
Redaktionsleitung, Organisation,<br />
Gestaltung und Produktion:<br />
Anke Hinrichs (hin)<br />
Redaktionsbüro NORDWORT<br />
Große Brunnenstr. 137<br />
22763 Hamburg<br />
Tel.: 040 / 41358524<br />
Fax: 040 / 41358528<br />
e-mail: ahhinrichs@aol.com<br />
Mitarbeiter dieser Ausgabe:<br />
Sönke Dwenger,<br />
Michael Freitag (frg),<br />
Esther Geißlinger (est), Michael<br />
Göttsche (gö), Annemarie<br />
Heckmann (heck),<br />
Hans-Dieter Hellmann (hdh)<br />
Jens Riedel (jri),<br />
Ute Thomsen (ut)<br />
Fachbeirat:<br />
Dr. Klaus Behrendt (Sucht)<br />
Dr. Charlotte Köttgen<br />
(Kinder- und Jugendpsychiatrie)<br />
Dr. Arndt Michael Oschinsky<br />
(Fachkliniken)<br />
Dr. Claus Wächtler<br />
(Gerontopsychiatrie)<br />
Druck: Beig-Verlag, Pinneberg<br />
Es gilt die Anzeigenpreisliste 03/06.<br />
Der <strong>Eppendorfer</strong> erscheint<br />
monatlich und kostet jährlich<br />
30 Euro<br />
Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte und Fotos wird<br />
keine Gewähr übernommen.<br />
Gruppenbild der „maler“ zum Titel einer neuen Ausstellung im CVJM Hamburg. Der Titel: „People“<br />
Hamburg (frg). Männer<br />
und Frauen reagieren unterschiedlich.<br />
Dr. Hans-Peter<br />
Unger, Leitender Arzt der<br />
Abteilung für Psychiatrie<br />
und Psychotherapie der Asklepios<br />
Klinik Harburg, verwies<br />
bei der Vorstellung des<br />
DAK-Gesundheitsreports<br />
auf die stressbedingte Depression<br />
bei Männern und die im<br />
Vorfeld zu beobachtende Symptomatik<br />
wie Aktivismus, Impulsdurchbrüche,<br />
Erregungszustände<br />
im Job, Tinnitus, Schlafstörungen,<br />
Magen-Darm-Probleme. Bei Männern<br />
sei diese Symptomatik, insbesondere<br />
Reizbarkeit und Aktionismus,<br />
stärker als bei Frauen. Sie gingen<br />
auch stärker in den Suchtbereich,<br />
zu dem etwa auch Sport- und<br />
Computersucht gehören. Unger:<br />
„Männer verschließen sich mehr,<br />
sprechen weniger als Frauen über<br />
ihre Probleme. Mit der Vorproblematik<br />
der Erkrankung gehen beide<br />
Geschlechter unterschiedlich um.“<br />
Laut Unger gibt es immer mehr<br />
Männer, die sich im Modell der Erschöpfungsspirale<br />
wiederfinden.<br />
Die beginnt oft mit körperlichen<br />
Symptomen wie Rücken- oder Magenschmerzen,Muskelverspannungen,<br />
Tinnitus oder einer höheren<br />
Anfälligkeit für Infekte und<br />
führt bei weiterer extremer Arbeitsbelastung<br />
in der zweiten Phase<br />
zu Schlafstörungen, Konzentrationsmangel,<br />
Müdigkeit und Gereiztheit.<br />
Wer auf diese psychischen<br />
Überlastungssymptome mit<br />
noch mehr Arbeit reagiert, rutscht<br />
in die dritte Phase der Erschöpfungsspirale:<br />
die Depression. „Die<br />
Symptome müssen in den Belastungskontext<br />
gesetzt werden“, for-<br />
derte Unger. Bei Frauen sei die<br />
Symptomatik, etwa mit unpassenden<br />
Stimmungs- und Wutausbrüchen,<br />
weniger deutlich. Dafür wür-<br />
Männer in der<br />
Erschöpfungsspirale<br />
Mehr und mehr Männer rutschen von Stress- und<br />
Überlastungssymptomen in eine Depression<br />
Männer gelten auch als Sorgenkinder der<br />
Prävention. Sie gehen in der Regel erst zum<br />
Arzt, wenn sie sich krank fühlen – und dann<br />
ist es manchmal zu spät. „Männer bringen<br />
lieber ihr Auto zum TÜV, als dass sie selber<br />
einen Gesundheitscheck machen“, brachte<br />
es DAK-Landes-geschäftsführerin Regina<br />
Schulz bei der Vorstellung des DAK-<br />
Gesundheitsreports auf den Punkt.<br />
den sie mehr über ihre Gefühle<br />
sprechen, während Männer sich<br />
eher verschließen würden.<br />
2006 verstarben an psychischen<br />
Störungen durch Alkohol in Hamburg<br />
2,5-Mal mehr Männer als in<br />
Deutschland insgesamt. Es war die<br />
häufigste Todesursache unter den<br />
40- bis 49-Jährigen. Bei Männern<br />
begründet die Alkoholsucht, mit der<br />
Depressionen auch kompensiert<br />
werden, die meisten Tage im Kran-<br />
Mann ‘oh Mann – Ärzte bemängeln<br />
Präventionsmüdigkeit. Foto: © Gerhard<br />
Giebener/PIXELIO<br />
kenhaus. Diese Ergebnisse des<br />
Gesundheitsreports zeigten,<br />
dass Sucht neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
und Unfällen<br />
eines der Männergesundheitsthemen<br />
ist.<br />
Psychische Erkrankungen lagen<br />
in Hamburg insgesamt<br />
(Männer und Frauen) mit einem<br />
Anteil von 14,4 Prozent<br />
am Krankenstand deutlich über<br />
dem des Bundes (10,2 Prozent).<br />
Das ist ein Plus von 33 Prozent gegenüber<br />
dem Bundesdurchschnitt<br />
und auf das Metropolenphänomen<br />
zurückzuführen, so Hans-Dieter<br />
Nölting vom IGES Institut, das die<br />
Untersuchung durchführte. Es gebe<br />
in Großstädten mehr Therapieangebote<br />
und die Möglichkeit sei hier<br />
größer als in ländlichen Gebieten,<br />
dass das Problem erkannt werde.<br />
Auf 100 versicherte Männer und<br />
Frauen entfielen in Hamburg bei<br />
psychischen Erkrankungen 156<br />
Fehltage (Bund: 117). Psychische<br />
Erkrankungen liegen damit hinter<br />
Erkrankungen am Muskel-Skelett-<br />
System (19,5 Prozent) und dem Atmungssystem<br />
(17,2 Prozent) bereits<br />
an dritter Stelle der Rangliste.<br />
Der Krankenstand aller erwerbstätigen<br />
DAK-Mitglieder (Männer<br />
und Frauen) stieg wieder leicht von<br />
2,8 Prozent (2006) auf 3 Prozent<br />
(2007), nachdem er seit 2002 (3,5<br />
Prozent) kontinuierlich gesunken<br />
war. Dies sei aber immer noch ein<br />
niedrigerer Krankenstand zum<br />
Bund (3,2 Prozent) und nicht als<br />
ein Signal für wieder mehr „blaue<br />
Tage“ zu werten, so Geschäftsführerin<br />
Regina Schulz, die als Ergebnis<br />
des Gesundheitsreports die<br />
Aufgabe sieht, Männer stärker zur<br />
Vorsorge und Prävention zu moti-<br />
vieren. Die Erreichbarkeit der<br />
Männer müsse durch eine Veränderung<br />
der Angebote und Kommunikation<br />
verbessert werden.<br />
Schwarz-grün<br />
will Heim<br />
schließen<br />
Hamburg (rd). Das Abendblatt<br />
sprach schon von einer Beerdigung<br />
zweiter Klasse: CDU und GALbrauchten<br />
demnach gerade mal fünf Minuten<br />
in ihren Bündnisgesprächen, um – für<br />
den Fall einer Koalition – das Aus für<br />
das geschlossene Heim Feuerbergstraße<br />
zu beschließen. Um die Einrichtung<br />
für straffällig gewordene Jugendliche<br />
hatte es jahrelang Streit gegeben, u.a.<br />
wegen zahlreicher Ausbrüche und geringer<br />
Auslastung des teuren Heims<br />
(ca.1,4 Millionen Euro pro Jahr). Auch<br />
die Vergabe von Psychopharmaka ohne<br />
Zustimmung der Eltern wurde heftig<br />
von der Opposition kritisiert. Das<br />
Heim zählte zu den zentralen Vorhaben<br />
der Koalition von CDU, Schill-Partei<br />
und FDP in 2001. Der damalige Innensenator<br />
Ronald Schill wollte ursprünglich<br />
ein Heim mit 200 Plätzen durchsetzen,<br />
entstanden waren letztlich<br />
zwölf, untergebracht waren laut Informationen<br />
der Welt zuletzt sieben Jugendliche.<br />
Nach Abendblatt-Informationen<br />
konnte die GAL auch durchsetzen,<br />
dass Hamburg keine teuren Festplätze<br />
in geschlossenen Heimen außerhalb<br />
der Stadt vorhält.<br />
Personalmangel:<br />
Ärzte zeigten<br />
Klinik an<br />
Celle (rd). Nach einer anonymen<br />
Anzeige von Klinikärzten wegen Personalmangels<br />
und Arbeitsüberlastung<br />
am Allgemeinen Krankenhaus (AKH)<br />
Celle ermittelt das staatliche Gewerbeaufsichtsamt.<br />
Das teilte Behördenleiter<br />
Andreas Aplowski mit. „Wir nehmen<br />
die anonyme Beschwerde sehr ernst<br />
und haben bereits Stichproben genommen“,<br />
zitierte ihn die Nachrichtenagentur<br />
dpa.Aus fünfAbteilungen seienArbeitszeitnachweise<br />
von jeweils zwei<br />
Ärzten zur Auswertung mitgenommen<br />
worden. DasAKH distanzierte sich von<br />
den Vorwürfen. „Alle Stellen waren im<br />
Jahresdurchschnitt besetzt, eine Unterbesetzung<br />
lag nicht vor“, so ein Krankenhaussprecher.<br />
Gabriele Feld-Fritz<br />
vom Ressort für Gesundheitspolitik bei<br />
Ver.di erklärte gegenüber der taz: Auf<br />
dem Papier falle Unterbelegung des<br />
Personals oft nicht auf – theoretisch seien<br />
alle Stellen voll besetzt. Doch weil<br />
erhöhter Stress, etwa durch Nachtarbeit,<br />
zu höherem Krankheitsausfall führe,<br />
täuschten Arbeitspläne über deutliche<br />
Mängel hinweg.<br />
Freie Arztwahl<br />
auch in der<br />
Abschiebehaft<br />
Bremen (rd). Auch Abschiebehäftlinge<br />
haben ein Recht auf freie Arztwahl.<br />
Dies entschied das Oberverwaltungsgericht<br />
Bremen. Demnach war es<br />
rechtswidrig, dass Insassen des Abschiebegewahrsams<br />
verweigert wurde,<br />
sich von Ärzten ihrer Wahl untersuchen<br />
zu lassen. Es gebe keinen Grund, weshalb<br />
„allein der polizeiärztliche Dienst<br />
medizinische Fragen klären“ dürfe, so<br />
das Gericht laut einem Bericht der taz.<br />
Im Januar hatte ein marokkanischerAbschiebehäftling<br />
geklagt, um sich von einem<br />
Psychiater untersuchen lassen zu<br />
können. Im Februar rief ein türkischer<br />
Kurde das Verwaltungsgericht an, damit<br />
ein Psychotherapeut zu ihm gelassen<br />
wurde. Bei dem Kurden hatten<br />
Psychiater in der Vergangenheit mehrfach<br />
den Verdacht auf „paranoide Schizophrenie“<br />
diagnostiziert. Die Polizei<br />
hatte sich geweigert, den externen Ärzten<br />
Zugang zum Abschiebetrakt zu gewähren<br />
– obwohl die Kosten privat aufgebracht<br />
wurden. Stattdessen waren die<br />
Häftlinge von Polizeiärzten ohne Fachqualifikation<br />
begutachtet worden.
● <strong>Eppendorfer</strong> 4 / 2008 BLICKPUNKT: PFLEGE OHNE GRENZEN<br />
Seite 3<br />
Pflege ohne Grenzen<br />
In deutschen Pflegeeinrichtungen<br />
stehen an immer mehr Arbeitskitteln<br />
ausländische Namen.<br />
Wenn in den kommenden Jahren die<br />
Bundesregierung die bestehende Beschränkung<br />
der Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />
aufhebt, dürfen osteuropäische<br />
Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedsländern<br />
uneingeschränkt in<br />
Deutschland arbeiten. Was das für die<br />
Pflegebranche bedeutet, darüber diskutierten<br />
die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion<br />
während der Messe<br />
„Altenpflege+Propflege 2008“ in<br />
Hannover.<br />
Illegale Beschäftigungen in deutschen<br />
Pflegeeinrichtungen und v.a. in<br />
unzähligen Privathaushalten sind bereits<br />
heute ein Thema. Alle Referenten<br />
des Europa-Forums „Pflege grenzenlos<br />
in Europa – ausländische Pflegekräfte<br />
zwischen Schwarzarbeit und<br />
Arbeitnehmer-Freizügigkeit“ waren<br />
sich über dieAblehnung von Schwarzarbeit<br />
und Billigarbeit einig.<br />
„Deutschland muss seine Hausaufgaben<br />
machen. Sonst wird der Zustrom<br />
von Arbeitskräften nach 2009 oder<br />
2011 das Lohngefüge empfindlich<br />
drücken“, warnte Kajo Wasserhövel,<br />
Staatssekretär im Bundesministerium<br />
für Arbeit und Soziales. „Deshalb<br />
brauchen wir eine Kommission aus<br />
Arbeitgebern und Arbeitnehmern wie<br />
in Großbritannien, um bis 2009 das<br />
Arbeitnehmer-Entsendegesetz zu reformieren.“<br />
Ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn<br />
ist Wasserhövel zufolge ein<br />
Selbstschutz für die öffentliche Hand.<br />
„Wir zahlen jetzt schon 1,5 Milliarden<br />
Euro für Menschen, die Vollzeit arbei-<br />
Zwischen Schwarzarbeit und Arbeitnehmer-Freizügigkeit<br />
Wenn in den kommenden Jahren die Bundesregierung die<br />
bestehende Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />
aufhebt, dürfen osteuropäische Arbeitnehmer aus den<br />
neuen EU-Mitgliedsländern uneingeschränkt in Deutschland<br />
arbeiten. Was das für die Pflegebranche bedeutet, die<br />
schon heute durch einen großen Graumarkt illegaler<br />
Schwarzarbeit geprägt ist – während der legale Markt über<br />
Mindestlöhne streitet – diskutierten Teilnehmer einer<br />
Expertenveranstaltung in Hannover.<br />
ten, aber nicht davon leben können“,<br />
unterstrich der Staatssekretär. „Allerdings<br />
ist das Problem Arbeitnehmer-<br />
Freizügigkeit nicht mit nur einem Hebel<br />
zu regulieren.“ Deshalb arbeite<br />
sein Ministerium an Vorschlägen, wie<br />
Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen<br />
– über das Mittel der steuerlichen<br />
Absetzbarkeit von Pflegeleistungen<br />
hinaus – unterstützt werden können.<br />
Ohne verbindliche Regelungen geht<br />
es nachAnsicht von Dr. Pietro Calandriello<br />
nicht. Der Generalsekretär der<br />
European Confederation of Care<br />
Home Organizations (E.C.H.O.) berichtete,<br />
dass in Italien Arbeitskräfte<br />
für die häusliche Pflege häufig in lediglich<br />
300 oder 1.000 Stunden auf ihre<br />
Aufgabe vorbereitet werden. „Italien<br />
konnte noch nie all seine 1,2 Millionen<br />
Pflegebedürftigen versorgen“,<br />
erklärte er. „Deshalb arbeiten viele ,badante’<br />
aus Albanien oder dem Kosovo<br />
für 800 bis 900 Euro im Monat bei<br />
freier Kost und Logis in den Haushalten,<br />
oft unter schlechten Bedingungen.“<br />
400.000 illegale gegenüber<br />
500.000 legalen Arbeitskräften seien<br />
in seinem Land beschäftigt, seit die<br />
Regierung 2006 alleArbeitsverhältnisse<br />
legalisiert habe.<br />
„Das Legalisieren von illegalen Beschäftigungsverhältnissen<br />
kann die<br />
Probleme nicht lösen“, bestätigte Kajo<br />
Wasserhövel. „Sieben Tage die Woche<br />
24 Stunden Pflege für 1.000 Euro und<br />
ohne soziale Absicherung – das ist<br />
Ausbeutung“, fügte er hinzu. Im<br />
Kampf um qualitativ hochwertige Arbeitsplätze<br />
setzt er auf zusätzlicheAufklärung.<br />
Beim Thema illegale Be-<br />
Die Pflege kranker Menschen ist schwer – und wäre in Deutschland<br />
ohne Hilfe von legalen und illegalen Hilfskräften aus anderen<br />
Ländern gar nicht zu leisten. Foto: © Gerd Altmann/Pixelio<br />
schäftigung gebe es kaum Unrechtsbewusstsein<br />
in der Bevölkerung.<br />
Auch für Dr. Günther Schauenberg<br />
von der Zentrale der Bundesagentur<br />
für Arbeit bringen Beschäftigungen zu<br />
Dumpingpreisen für Arbeitgeber wie<br />
für die Gesellschaft Probleme: einerseits<br />
Steuereinbußen für den Staat, andererseits<br />
Notsituationen in den Familien,<br />
wenn die Betreuungsperson wegen<br />
Krankheit ausfällt.<br />
Nach Ansicht von Bernd Meurer,<br />
„Schwarzarbeit können wir uns<br />
weiterhin nicht leisten“<br />
Legale Bedingungen für ausländische Pflegekräfte<br />
Hannover. Ob in ein oder erst in<br />
drei Jahren die Freizügigkeit innerhalb<br />
der EU auch für Arbeitnehmer<br />
aus den neuen Mitgliedsländern gilt<br />
– die Arbeit von Arbeitsagenturen<br />
und Zoll wird nicht abreißen.<br />
„Schwarzarbeit können wir uns<br />
weiterhin nicht leisten, weder bei<br />
den ausgebildeten Pflegekräften<br />
noch bei den Haushaltshilfen in<br />
Haushalten mit pflegebedürftigen<br />
Angehörigen“, erklärte Dr. Günther<br />
Schauenberg von der Bundesagentur<br />
für Arbeit.<br />
Bei Arbeitnehmern aus den neuen<br />
Mitgliedsländern unterscheidet er<br />
zwischen drei Konstellationen: Pflegekräfte<br />
könnten nach den Stichtagen<br />
1. 5. 2009 oder 1. 5. 2011 (für<br />
Rumänien und Bulgarien gelten die<br />
Stichtage 1. 1. 2010, 1. 1. 2013 und<br />
1. 1. 2015) entweder<br />
– als Einzelunternehmer in<br />
Deutschland arbeiten,<br />
– für einen Arbeitgeber in<br />
Deutschland tätig werden oder<br />
– von einem Unternehmen aus einem<br />
neuen EU-Staat entsandt werden.<br />
Einzelunternehmer<br />
Die erste Gruppe macht von ihrem<br />
Recht auf Niederlassungsfreiheit<br />
Gebrauch. Ihre selbstständige<br />
Tätigkeit muss nicht von der Bundesagentur<br />
genehmigt werden. „Allerdings<br />
muss geklärt werden, ob es<br />
sich möglicherweise nur um eine<br />
Scheinselbstständigkeit handelt“,<br />
erklärte Schauenberg.<br />
Arbeitgeber in Deutschland<br />
Wer als Haushaltshilfe für pflegebedürftige<br />
Menschen oder als qualifizierte<br />
Pflegekraft für einen Arbeitgeber<br />
in Deutschland tätig werden<br />
will, braucht eine Arbeitsgenehmigung<br />
speziell für die neuen Mitgliedsländer,<br />
die von der Arbeitsagentur<br />
erteilt wird. Voraussetzung<br />
für die Genehmigung ist, dass keine<br />
deutsche oder aus dem alten europäischen<br />
Ausland stammende Pflegekraft<br />
zurücksteht. Außerdem achtet<br />
die Arbeitsagentur darauf, dass<br />
die Arbeitnehmer nicht zu Dumpinglöhnen<br />
arbeiten müssen.<br />
Von Unternehmen entsandt<br />
Ein Unternehmen, das eine Pflegekraft<br />
aus einem neuen EU-Staat<br />
entsendet, darf nicht nur zur professionellen<br />
Arbeitnehmer-Überlassung<br />
gegründet worden sein. „Das wird in<br />
allen Einzelfällen geprüft“, sicherte<br />
Schauenberg zu. „Allerdings ist die<br />
Situation im Pflegebereich anders als<br />
im Baugewerbe oder in der Fleischindustrie,<br />
wo bereits öfter gegen das<br />
Verbot der Arbeitnehmer-Überlassung<br />
verstoßen wurde.“<br />
Schwarzarbeit, schon heute ein<br />
großes Problem, wird immer wieder<br />
bei Blitzbesuchen von Mitarbeitern<br />
der Zollbehörde entdeckt. „Legale<br />
Billigarbeit in der Pflege oder im<br />
Haushalt gibt es nicht“, betonte<br />
Schauenberg. Es gebe jedoch nur wenige<br />
Möglichkeiten, gegen illegale<br />
Beschäftigung in Privathaushalten<br />
vorzugehen. In dieser Frage setzt<br />
Schauenberg auf den Faktor Zeit:<br />
„Wenn die Löhne im Heimatland<br />
steigen, geht das Angebot von selbst<br />
zurück.“<br />
Sabine Szameitat / Wortwexxel<br />
Präsident des Bundesverbandes privater<br />
Anbieter (bpa), sollten Familien<br />
den finanziellen Aufwand für Haushaltshilfen<br />
steuerlich geltend machen<br />
können. Finanzschwache Haushalte<br />
sollten unterstützt werden. Die „europäische<br />
Herausforderung in der Pflege“<br />
biete zwar Anlass für Befürchtungen,<br />
eröffne jedoch auch Chancen:<br />
„Wenn Pflegekräfte aus osteuropäischen<br />
Staaten eine EU-Arbeitsgenehmigung<br />
bekommen, dürfen sie als<br />
qualifizierte Pflegekraft oder als Haushaltshilfe<br />
regulär beschäftigt werden.“<br />
Die neue Arbeitnehmer-Freizügigkeit<br />
hilft nicht nur Teresa aus Polen<br />
und Lina aus der Ukraine. Es wird<br />
nach Meurers Meinung auch auf lange<br />
Sicht der gesamten Wirtschaft in ihren<br />
Heimatländern helfen: „Wenn deutsche<br />
Unternehmen in den neuen EU-<br />
Ländern Mitarbeiter anwerben und der<br />
Wettbewerb um Arbeitsplätze beginnt,<br />
steigen in Polen Lebensstandard und<br />
Preise.“ Sabine Szameitat<br />
Anzeige<br />
Pflege in der<br />
Illegalität<br />
Der Mann, über den das Hamburger<br />
Abendblatt kurz vor<br />
Weihnachten berichtete, leidet<br />
an Amyotropher Lateralsklerose (ALS).<br />
Von Kopf bis Fuß vollständig gelähmt,<br />
braucht er rund um die Uhr Pflege. In drei<br />
verschiedenen Pflegeheimen, in denen er<br />
bislang untergebracht war, traten Pflegemängel<br />
auf, beklagte die Tochter gegenüber<br />
der Zeitung. Er selbst wünsche sich,<br />
die restliche Lebenszeit in eigenen vier<br />
Wänden zu verbringen. Doch die dafür<br />
nötige ambulante 24-Stunden-Pflege<br />
lehnte der für die Kostenübernahme zuständige<br />
Landkreis Dithmarschen ab.<br />
Grund: zu teuer. Laut Abendblattbericht<br />
würde die ambulante Pflege 18.000 Euro<br />
kosten – gegenüber 4000 Euro Heimkosten.<br />
Das Sozialgericht entschied: Es<br />
sei dem Schwerbehinderten zumutbar,<br />
auch gegen seinen Willen in einer stationären<br />
Einrichtung gepflegt zu werden.<br />
Tochter undAnwalt legten Berufung ein.<br />
Fälle wie diese sind es, die manch andere<br />
Menschen in die – strafbare – Pflege-Illegalität<br />
treiben, weil sie keinen anderen<br />
Ausweg sehen, schwerstkranke,<br />
bettlägerige oder demenzkranke Angehörige<br />
zu Hause zu pflegen. Andere wollen<br />
vielleicht einfach nur sparen. Zwei Drittel<br />
der 2,1 Millionen Pflegebedürftigen in<br />
Deutschland leben zu Hause. Mindestens<br />
100.000 Familien, so die Schätzungen,<br />
engagieren – an Institutionen und Behörden<br />
vorbei – Frauen aus Polen, zunehmend<br />
aus Ungarn, Tschechien und Rumänien,<br />
niemand kennt genaue Zahlen.<br />
Sie reisen meist mit Touristenvisum ein<br />
und haben damit eine dreimonatige Aufenthaltsgenehmigung.<br />
Der Preis: 800 bis<br />
1300 Euro für eine Rundumbetreuung bei<br />
freier Kost und Logis. Hinzu kommt oft<br />
noch eine Gebühr für eine Vermittlungsagentur.<br />
Vermittler werben mit Pflegerinnen<br />
aus Osteuropa, die im Heimatland<br />
angestellt und versichert seien. Was da<br />
wirklich legal oder illegal ist – wer weiß<br />
das schon so ganz genau... Den offiziellen<br />
Weg zum osteuropäischen Arbeitsmarkt<br />
über die Bundesanstalt für Arbeit<br />
und die Anstellung einer Haushaltshilfe<br />
für 1100 bis 1200 Euro beschreiten nur<br />
wenige, wie die Süddeutsche Zeitung recherchierte.<br />
2005 hat die Bundesagentur<br />
nur 1668 Frauen vermittelt, im ersten<br />
Halbjahr 2006 waren es 1317. „Die Frauen<br />
dürfen nur 38,5 Stunden in der Woche<br />
arbeiten, und sie dürfen nicht pflegen,<br />
was soll ich damit“, erklärte eineAngehörige,<br />
die sich mit einer „Illegalen“ behilft.<br />
Auch diese lehnt einen legalen Job ab.<br />
Nach Abzug aller Steuern und Abgaben<br />
würden ihr weniger als 600 Euro bleiben.<br />
Manche Frauen sind ein Glücksfall für<br />
die Kranken, andere nicht, pflegen ohne<br />
es zu können. Manche lassen kleinere<br />
Kinder im Heimatland zurück. Manche<br />
Pflegehelferinnen werden in Deutschland<br />
schlecht behandelt und schamlos ausgebeutet.<br />
Schutzlos im mehr oder weniger<br />
rechtsfreien Raum sind sie alle.<br />
(hin)<br />
Stellenausschreibung Caritas<br />
Der Caritasverband für Hamburg e.V. sucht für das neue Projekt<br />
“Ambulante psychiatrische Unterstützung für Obdachlose” zum<br />
nächstmöglichen Termin eine/n<br />
Facharzt / Fachärztin für Psychiatrie<br />
auf Honorarbasis für 6 Wochenstunden an 2-3 Tagen.<br />
Der Facharzt/die Fachärztin arbeitet eng mit den Sozialarbeitern und Medizinern<br />
aus dem Netzwerk der Obdachlosenhilfe in der City Hamburgs zusammen<br />
und hat seinen/ihren Standort im StützPunkt für Obdachlose im Klosterwall 4.<br />
Die Aufgabenschwerpunkte werden sein:<br />
� aufsuchende Hilfe vor Ort (Hamburger City)<br />
� Diagnostik und therapeutische Begleitung<br />
� Vermittlung in weiterführende Hilfen und Behandlungen<br />
� Zusammenarbeit mit den Straßensozialarbeitern, den Mitarbeitern<br />
der Mobilen Hilfe und des StützPunktes sowie mit dem<br />
Sozialpsychiatrischen Dienst<br />
� Teilnahme an Arbeitskreisen zum fachlichen Austausch<br />
Folgende Voraussetzungen erwarten wir von Ihnen:<br />
� Berufserfahrung<br />
� Akzeptanz gegenüber Obdachlosen<br />
� Einsatzbereitschaft, Flexibilität und lösungsorientiertes Handeln<br />
Bewerbungen bitte an:<br />
Caritasverband für Hamburg e.V.<br />
Josef Laupheimer • Danziger Straße 66 • 20099 Hamburg<br />
Tel.: (040) 28 01 40-32 • E-Mail: laupheimer@caritas-hamburg.de