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Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren Version ... - Ferner & Kollegen

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Der Verteidiger im<strong>Ermittlungsverfahren</strong>Rechtsanwalt Wolfgang <strong>Ferner</strong>, Koblenzwferner@ferner.deRommersheim/Koblenz Juni 2013V 3.10<strong>Das</strong> Manuskript wird regelmäßig aktualisiert. Neuere <strong>Version</strong>enfinden Sie unter den Webseiten www.ferner.de (Beiträge)


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 2 von 28Inhalt1 Ausgangsposition .................................................................................................. 32 Mandatsannahme ................................................................................................. 32.1 Vollmacht ........................................................................................................ 32.1.1 Außergerichtliche Vollmacht ..................................................................... 32.1.2 Verteidigervollmacht und anderes ............................................................ 42.1.3 Außergerichtliche Vollmacht ..................................................................... 42.1.4 Zustellung und Unterbrechung der Verjährung ......................................... 52.1.5 Verteidigungsfalle ..................................................................................... 52.1.6 Vertretervollmacht und Untervollmacht ..................................................... 62.1.7 Vollmacht/Vertrauensschutz ..................................................................... 72.1.8 Tod des Angeklagten ................................................................................ 72.1.9 Strafverfahren und OWi ............................................................................ 83 Tätigkeit vor Einleitung eines <strong>Ermittlungsverfahren</strong> ............................................. 93.1 Position des Mandanten in einem Verfahren ................................................ 103.2 Schwiegen oder Aussagen ........................................................................... 104 Akteneinsicht ....................................................................................................... 104.1 Weiteres Verfahren nach Akteneinsicht ........................................................ 114.2 Einstellung nach §153 StPO ......................................................................... 124.3 Abschluss des <strong>Ermittlungsverfahren</strong>s ........................................................... 124.4 Aussageverhalten ......................................................................................... 124.5 Übersicht von Tondorf zur Frage Aussage oder Totalschweigen.................. 154.5.1 Immer aussagen: .................................................................................... 154.5.2 Der Mandant sollte in der Regel aussagen ............................................. 154.5.3 Der Beschuldigte sollte immer schweigen .............................................. 154.6 Aktivitäten ..................................................................................................... 154.7 Staatsanwaltschaftliche Vernehmung ........................................................... 155 Vernehmung, Belehrung und Verwertungsverbot ............................................... 166 Durchsuchung und Beschlagnahme ................................................................... 196.1 Voraussetzungen der Durchsuchung ............................................................ 196.2 Durchsicht von Dokumenten ......................................................................... 216.3 Die Anordnung der Durchsuchung und „Gefahr im Verzug“ ......................... 216.4 Rechtsmittel bei Durchsuchungen ................................................................ 226.5 Beachtung für Mandanten/ Kanzleien ........................................................... 237 Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ............................................................ 238 Untersuchungshaft .............................................................................................. 248.1 Akteneinsicht ................................................................................................. 248.2 Fluchtgefahr .................................................................................................. 258.3 Verdunklungsgefahr: ..................................................................................... 259 Weitere Beteiligte ................................................................................................ 259.1 Zeugen .......................................................................................................... 259.1.1 § 146 StPO ............................................................................................. 259.1.2 Der Zeugenbeistand ............................................................................... 269.1.3 Aussagepflicht - Weigerungsrechte ........................................................ 269.2 Berufsgeheimnisträger .................................................................................. 279.3 Der Sachverständige .................................................................................... 28


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 3 von 281 AusgangspositionTrotz der zentralen Bedeutung des <strong>Ermittlungsverfahren</strong>s sind dieVerteidigungsrechte äußerst beschränkt „Herrin“ des Verfahrens ist dieStaatsanwaltschaft. Ziel des Verteidigers sollte es dabei sein, eineHauptverhandlung zu vermeiden.2 MandatsannahmeUm überhaupt tätig werden zu können, benötigt der Verteidiger jedocheinen Mandanten. Unstreitig ist, dass es einen Anlass fürAnwaltswerbung (Urlaub) nicht mehr geben muss. Der Anwalt hat dasRecht jederzeit über seine berufliche Tätigkeit sachlich zu unterrichten.Dabei kann er sich auch an potenzielle Mandanten, die noch nicht zumStamm seiner Klienten gehören, wenden. Die Werbung muss jedochnach Form und Inhalt „sachlich“ sein. Zur Werbung gehört natürlich dasgesamte Auftreten nach Außen inklusive der Gestaltung vonDrucksachen. Dabei ist unstreitig und selbstverständlich, dassFachanwaltsbezeichnungen aufgeführt werden können. Ansonsten gibtes zu den Fragen eine fast unüberschaubare Rechtsprechung. Nachverbreiteter Ansicht ist es unzulässig, Stapelvollmachten inVollzugsanstalten zu hinterlassen oder Visitenkarten zum Zwecke derMandatsgewinnung zu verteilen. Auch das Versprechen der kostenlosenVerteidigung gegen Vermittlung von lukrativen Mandaten soll gegen§ 49b Absatz 3 Satz 1 BRAO verstoßen. Die Werbung um einekonkretes Mandat soll jedoch weiter berufswidrig sein. Insoweit soll beider Mandatsanbahnung darauf geachtet werde, dass der Antrag vomMandanten ausgeht.2.1 Vollmacht2.1.1 Außergerichtliche Vollmacht<strong>Das</strong> Verfahren war einzustellen, denn die Zustellung desBußgeldbescheides hatte keine die Verjährung unterbrechende Wirkung.Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt der gewählte Verteidiger, dessenVollmacht sich bei den Akten befindet, als ermächtigt, Zustellungen inEmpfang zu nehmen. Bei der vom Rechtsanwalt zu den Aktengereichten Vollmacht handelt es sich jedoch ausdrücklich nicht um eineVerteidigervollmacht. Vielmehr ist sie überschrieben mit„außergerichtliche Vollmacht“ bei der weder die Verteidigung in einerStrafsache, zur Verteidigung in OWi-Sachen noch die Bevollmächtigungzur Entgegennahme von Zustellungen enthalten ist. Zwar ist eineVollmacht des Verteidigers nicht an eine besondere Form gebunden, siemuss jedoch eindeutig sein.Grundsätzlich kann zwar ein Bescheid auch an einen Vertreter desBetroffenen zugestellt werden, dabei ist jedoch der Umfang derVollmacht mit zu berücksichtigen. Daran ändert sich auch nichts, wennder Verteidiger mitteilt, dass er den Betroffenen anwaltlich vertritt. Wird


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 4 von 28eine Vollmacht beigefügt, aus der sich der Umfang der Verteidigung ineingeschränkter Form ergibt, so ist die Bevollmächtigung, Zustellungenentgegenzunehmen, jedenfalls nicht eindeutig. <strong>Das</strong> Verfahren ist dannwegen Verjährung einzustellen.KG Beschluss vom 9.12.2005, 3 Ws (B) 637/05 = VRS 112, 4752.1.2 Verteidigervollmacht und anderesNach § 73 Abs. 3 OWiG kann sich ein Betroffener, der von derVerpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden ist, durch einenschriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen. Bei einerVertretung gelten die Grundsätze, die zu §§ 234, 411 Abs. 2 StPOentwickelt wurden. Eine schriftliche Vertretungsvollmacht, die auf Grundmündlicher Ermächtigung von einem Dritten oder von demBevollmächtigten selbst unterzeichnet werden kann, muss danach demGericht bei Beginn der Hauptverhandlung vorliegen. Ist dies nicht derFall, beginnt die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde erst mitZustellung des Urteils. Diese Grundsätze gelten auch, wenn eineschriftliche Unterbevollmächtigung des Verteidigers nicht zu den Aktengelangt.§ 45a Abs. 1 StPO gibt dem Verteidiger eine gesetzlicheZustellungsvollmacht, die vom Umfang der rechtsgeschäftlichenZustellungsvollmacht unabhängig ist (OLG Stuttgart die Justiz 2003,300). Verfügt der Verteidiger nachweisbar über eine rechtsgeschäftlicheZustellungsvollmacht, ist die Zustellung des Urteils wirksam, auch wennsich bei den Akten keine Verteidigervollmacht befindet.Thüringer OLG, Beschluss vom 15.05.2006, 1 Ss 99/06 = VRS 111, 2002.1.3 Außergerichtliche VollmachtDie Zustellung an einen Verteidiger ist auch wirksam und unterbricht dieVerjährung, wenn diesem nur eine außergerichtliche Vollmacht vorliegt.Für Zustellung der Verwaltungsbehörde, also auch für Zustellung desBußgeldbescheides, gilt § 51 OWiG. Danach ist an den Betroffenenzuzustellen, soweit nicht eine Zustellung an den Vertreter oder denVerteidiger zu erfolgen hat bzw. zulässig ist. Von daher war zu prüfen,ob die Rechtsanwalte G und Sch als Verteidiger für den Betroffenen tätigwaren, da bei Bestehen eines Verteidigungsverhältnisses und Vorlageeiner Verteidigervollmacht die maßgebliche landesrechtliche Vorschriftdes § 8 Thüringer Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzesnicht anwendbar ist. Dies ist der Fall, wenn eine solche Vollmachtvorgelegt wird. 1Die Vollmacht ist der Auslegung zugänglich. Danach ist diese Vollmachtauf für die Verteidigung in Bußgeldverfahren – jedenfalls vor derVerwaltungsbehörde – ausreichend. Maßgeblich dabei ist nicht nur derWortlaut der Vollmacht, sondern die Gesamtumstände müssenberücksichtigt werden, wie etwa die Schreiben des Verteidigers. Dabei1 Ähnlich auch OLG Hamm, StraFo 2006, 96; Brandenburgisches OLG, zfs 2005, 571


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 5 von 28kann auch ein Auftritt im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden.Verteidigung erfolgt im Bußgeldverfahren nicht nur im gerichtlicheVerfahren, sondern bereits vor der Verwaltungsbehörde statt. Außerdemhaben die Rechtsanwälte mit einem Schreiben, in dem es heißt, „wirlegen Einspruch ein“ dargetan, dass sie beide den Betroffenenverteidigen. Die entsprechende Vollmacht ist daher eineVerteidigervollmacht. Damit hat die Zustellung an die Verteidiger auf dieVerjährung unterbrochen. Darüber hinaus ist das Gericht auch derAuffassung, dass, selbst wenn die Vollmacht nicht alsVerteidigervollmacht anzusehen wäre, die Zustellung wirksam ist. DieVollmacht bedarf als allgemeine Vertretervollmacht keine ausdrücklicheBevollmächtigung zur Entgegennahme von Zustellungen. Wer einenBevollmächtigten bestellt, ermächtigt diesen zugleich offiziell,Zustellungen in Empfang nehmen zu können.Thüringer OLG, Beschluss vom 7.2.2006, 1 Ss 130/06 = VRS 112, 3602.1.4 Zustellung und Unterbrechung der VerjährungEine Zustellung kann nach § 51 Abs. 3 OWiG auch an den Verteidigererfolgen. Bestellt sich ein Verteidiger – ohne Streichung sämtlicher<strong>Kollegen</strong> seiner Kanzlei – zum Verteidiger, erfolgt der Nachweis derVerteidigerstellung des Verteidigers – jedoch nicht aller übrigen Anwälteder Kanzlei. Die Vollmachtsurkunde allein begründet noch nicht dieVerteidigerstellung aller dort bezeichneten Rechtsanwälte. EineZustellung an Rechtsanwälte XY unterbricht daher die Verjährung nicht.Amtsgericht Stadthagen, Beschluss vom 13.08.2008, 11 OWi 507 Js4839/08 (236/08) = zfs 2008, 642Die Zustellung eines Bußgeldbescheides an eine Partnergesellschaft istfehlerhaft, wenn ausweislich der Vollmacht nur ein Rechtsanwalt derSozietät zum Verteidiger des Betroffenen bestellt ist.Dabei erfolgt auch keine Heilung gemäß § 154 LVwG Schleswig-Holstein. Liegt nur Kenntnis von dem Erlass eines Bußgeldbescheidesvor, die sich zum Beispiel daraus ergibt, dass der bestellte VerteidigerEinspruch einlegt, ist seine Zustellung innerhalb der Zwei-Wochen-Fristnicht erfolgt.AG Husum, Beschluss vom 16.11.2007, 5 OWi 110 Js – Owi 22120/07(91/07) = DAR 2009, 1582.1.5 VerteidigungsfalleEin Verteidiger, der aus taktischen Erwägungen lediglich eineaußergerichtliche Vollmacht zu den Akten reicht, ist berechtigt, einenBußgeldbescheid entgegen zu nehmen. Dies ergibt sich aus § 51 Abs. 3Satz 1 OWiG. Der Zustellungsmangel wird auch dann geheilt, wenn derEmpfänger zum Zeitpunkt der Zustellung nicht empfangsberechtigt war,jedoch durch die nachträgliche Erteilung einer Zustellungsvollmachtempfangsberechtigt wird.


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 6 von 28OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2008, IV-2 Ss (OWi) 191/07 –(OWi) 101/07 III = SVR 2008, 388 = VRS 114, 460 = NZV 2008, 588Der Aufbau einer Verjährungsfalle ist unzulässig. Die Zustellung einesBußgeldbescheids an einen Verteidiger, der lediglich eine alsaußergerichtliche Vollmacht bezeichnete Urkunde vorliegt, unterbrichtdie Verjährung.OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01.07.2008, 2 Ss 71/08 = NZV 2008,643 = VRS 115, 200 = VA 2008, 197 = VRR 2008, 435Ein Verteidiger, der seine Bevollmächtigung versichert und gegenüberder Verwaltungsbehörde als solcher auftritt, kann sich imBußgeldverfahren nicht auf eine fehlende schriftliche oder beschränkteVollmacht berufen. Zustellungen an ihn sind wirksam.AG Nürtingen, Urteil vom 23.04.09, 16 OWi 73 Js 13396/09 = VA 2009,162Legt ein Rechtsanwalt eine Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretungvor und bestellt sich in einem anhängigen Verfahren zum Verteidiger,bittet die weitere Korrespondenz ausschließlich über die Kanzlei zustellen, kann der Bußgeldbescheid an ihn wirksam zugestellt werden.Der Versuch einer Verjährungsfalle aufzubauen, ist rechtsmissbräuchlich(OLG Zweibrücken VRR 2008, 356; Oberlandesgericht Karlsruhe VRR2008, 356; OLG Karlsruhe VRR 2008, 435; OLG Düsseldorf StraFo2008, 435; OLG Düsseldorf StraFo 2008, 332).KG, Beschluss vom 17.3.2009, 3 Ws (B) 100/09= VRR 2009, 2742.1.6 Vertretervollmacht und UntervollmachtIm gerichtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahren ist ein Betroffenerordnungsgemäß durch einen Anwalt vertreten, wenn dieser eineschriftliche Vollmacht vorlegt, die auf die Vertretungsvorschriften derStPO Bezug nimmt. Eine ausdrückliche Erwähnung der §§ 79, 73 OWiGist nicht erforderlich. OLG Bamberg, Beschluss vom 29.5.2006, 3 SsOWi 430/06 = NStZ 2007, 180 = SVR 2007, 152Nach Erlass eines Strafbefehls kann der Angeklagte sich auch dann voneinem mit einer Vollmachtsurkunde versehenen Vertreter vertretenlassen, wenn das persönliche Erscheinen angeordnet ist. Wird derEinspruch gleichwohl verworfen, liegt ein Verfahrensmangel vor, der zurAufhebung des Urteils führen muss.OLG Dresden, Beschluss vom 24.2.2005, 2 Ss 113/05UnterbevollmächtigterSteht durch den schriftlichen Nachweis einer Vollmacht fest, dass derBetroffene eine Vertretungsvollmacht für den Verteidiger ausgestellt hat, ist fürdie Untervollmacht kein schriftlicher Nachweis mehr erforderlich. Dies gilt auchfür die Vertretung in der Hauptverhandlung.OLG Celle, Beschluss vom 6.10.2010, 311 SsRs 113/0 = DAR 2010, 708 =VRR 2011, 116= VA 2011, 15


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 7 von 28UntervollmachtDer Betroffene war vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden,anstelle seines Verteidigers erschien ein anderer Verteidiger alsUnterbevollmächtigter. Zur Akte gelangte eine Vollmacht des Verteidigers, dieihn berechtigte auf Rechtsmittel zu verzichten. Damit ist die demUnterbevollmächtigten erteilte Untervollmacht mit demselben Umfangausgestattet wie die Hauptvollmacht.OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.1.2011, 2 SsBs 175/10 = VRS 120, 337Im vorliegenden Fall war die Vertretung durch den Unterbevollmächtigten nichtwirksam, da sich eine schriftliche Vertretervollmacht des Hauptbevollmächtigtennicht in der Akte befand. Der fehlende Nachweis der Vertretungsbefugnishindert jedoch nicht die Wirksamkeit des erklärten Rechtsmittelverzichts. DerNachweis der Ermächtigung zum Rechtsmittelrücknahme oder- verzicht kannauch noch nach Rechtsmittelrücknahme erfolgen (BGH NStZ-RR 2010, 55).2.1.7 Vollmacht/VertrauensschutzEine Untervollmacht muss nicht schriftlich nachgewiesen werden.Untervollmachtsklauseln sind auch nicht überraschend im Sinne von§ 305c Abs. 1 BGB. Es ist nicht Sache des Gerichts, formelle undsachliche Ordnungsgemäßheit von Verteidigerhandeln zu überprüfen.BGH, Beschluss vom 27.7.2006, 1 StR 147/06 = SVR 2008, 242.1.8 Tod des AngeklagtenFortwirken der Pflichtverteidigerbestellung bei Tod des AngeklagtenKG, Beschluss vom 14.11.2007, 1 Ws 245/07 = SVR 2008, 492Die Befugnis des bestellten Verteidigers zur Einlegung einesRechtsmittels gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung wirkt überden Tod des Angeklagten hinaus fort. <strong>Das</strong> LG verurteilte den früherenAngeklagten zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen je 20 Euro.Nachdem der Angeklagte am 31.07.2007 während des Laufs der Fristzur Begründung seiner Revision verstorben war, hat das LG mitBeschluss vom 28.8.2007 das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPOeingestellt und ausdrücklich davon abgesehen, die notwendigenAuslagen des verstorbenen Angeklagten der Landeskasse aufzuerlegen.Dessen Pflichtverteidiger legte gegen diese Auslagenentscheidungfristgerecht sofortige Beschwerde ein. Die Generalstaatsanwaltschaftvertrat im Beschwerdeverfahren die Auffassung, dass dieAuslagenentscheidung nicht anfechtbar sei, weil sie nach dem Tod desAngeklagten jedenfalls «bei einem bestellten Verteidiger keine Wirkungmehr» entfalte. <strong>Das</strong> KG folgte dieser Argumentation nicht, verwarf abergleichwohl die Beschwerde als unbegründet. Legt der Pflichtverteidigerfür den Angeklagten zulässigerweise Rechtsmittel gegen die KostenundAuslagenentscheidung ein, so bleibt es auch nach dem Tod desAngeklagten statthaft.


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 8 von 28Die Frage, ob der Verteidiger nach dem Tod des Angeklagten weiterhindie Befugnis zur Einlegung von Rechtsmitteln hat, ist in derobergerichtlichen Rechtsprechung bisher fast ausschließlich für denWahlverteidiger entschieden worden. Die Frage des Fortbestandes derWahlverteidigervollmacht nach dem Tod des Angeklagten ist umstrittenund wird in der Rechtsprechung überwiegend verneint. 2 DieseGrundsätze sind auf den Pflichtverteidiger nicht übertragbar. Denn eskommt nicht darauf an, ob eine vom Angeklagten erteilte Vollmacht mitseinem Ableben erlischt oder im Hinblick auf die §§ 168, 672, 675 BGBüber den Tod hinaus fortwirkt und den Verteidiger jedenfalls noch zurAnbringung von Kostenanträgen und von damit im Zusammenhangstehenden Rechtsmitteln ermächtigt. Selbst wenn der Verteidigervorliegend zunächst Wahlverteidiger gewesen sein sollte, wäre infolgeder durch die Pflichtverteidigerbestellung gebotenen (konkludenten)Niederlegung des Wahlmandats seine Vollmacht nach demRechtsgedanken des § 168 BGB erloschen. Für den bestelltenVerteidiger hat bisher nur das OLG Karlsruhe entschieden, dass dessenBefugnisse zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Kosten- undAuslagenentscheidung fortwirken. 3 Die Pflichtverteidigerbestellung endetim Erkenntnisverfahren grundsätzlich mit dessen rechtskräftigemAbschluss. Durch den Tod des Angeklagten wird das Verfahren nichtohne weiteres beendet, denn es bedarf dazu vielmehr einer förmlichenEinstellung nach § 206a StPO außerhalb oder nach § 260 Abs. 3 StPOin der Hauptverhandlung. Mit dieser Entscheidung ist zugleich gemäß §464 StPO auch darüber zu befinden, wer die Kosten des Verfahrens unddie notwendigen Auslagen des (verstorbenen) Angeklagten zu tragenhat. Insoweit bleibt das Verfahren auch nach dem Tod des Angeklagtenanhängig. Ebenso wie die Einstellung selbst unterliegen auch dieNebenentscheidungen der Anfechtung (§§ 206 Abs. 2, 464 Abs. 3, 1 Hs.1 StPO). Erst mit ihrer Rechtskraft ist das Verfahren endgültigabgeschlossen. Der Pflichtverteidiger muss daher befugt sein, auchnach dem Tod des Angeklagten auf eine gesetzmäßige Kosten- undAuslagenentscheidungen hinzuwirken und diese erforderlichenfallsdurch das Beschwerdegericht überprüfen zu lassen.2.1.9 Strafverfahren und OWiEine ausdrücklich für das Strafverfahren erteilte und bei den Aktenbefindliche Vollmacht fingiert nicht ohne Weiteres dieZustellungsbevollmächtigung nach § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG imfolgenden Bußgeldverfahren. Konsequenz: Nach Einstellung desStrafverfahrens ist dem Verteidiger eine neue Vollmacht auszustellen.OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.12.08, 2 Ss OWi 121 Z/08 = VA2009, 107 = VRR 2009, 197Blankovollmacht2 OLG München, Beschluss vom 5.11.2002 - 2 Ws 672/02 = NJW 2003, 11333 OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.02.2003 - 3 Ws 248/02 = NStZ-RR 2003, 286


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 10 von 283.1 Position des Mandanten in einem VerfahrenBesteht schon Kontakt zu Staatsanwaltschaft (bzw. zur Polizei) istgleichwohl zu prüfen, ob der Mandant Beschuldigter ist oder Zeuge ist,möglicherweise ist er auch lediglich „Verdächtiger.“ Wichtig ist es auch,alle Gespräche mit dem Mandanten – zumindest kurz – zuprotokollieren.Wenn die persönliche Situation geklärt ist, sollte man sich gleich zuBeginn mit dem Mandanten auf ein Ziel der Verteidigungsbemühungenverständigen. Dabei ist es in der Regel auch von Bedeutung demMandanten den Verlauf eines Verfahrens darzustellen, aber auch dieAufgaben und Grenzen der Verteidigung. Bei inhaftierten Mandantenmuss auch über die Behandlung von Verteidigerpost und dieMöglichkeiten des Verteidigers darstellen.3.2 Schwiegen oder AussagenDie Verteidigungsziele bestimmen aufgrund der prozessualen Situationwie sich der Verteidiger für den Mandanten das künftige Verhalten unddie künftige Entwicklung des Verfahrens vorstellt.Eine der ersten Entscheidungen wird dann sein, wie sich der Mandantzum Schweigerecht bzw. zur Aussagebereitschaft verhält. Dabei gilt derGrundsatz, dass vor einer Akteneinsicht in der Regel keine Aussagengemacht werden können. Fraglich und eher zurückhaltend sollte auchdie Frage beantwortet werden, wann der beste Zeitpunkt für ein, vondem Mandanten gewünscht ist, Geständnis ist. Auch in diesen Fällenerscheint es sinnvoll, zuerst mit dem Verteidiger die mögliche Aussageim Detail durchzusprechen.Ist das Mandat erteilt, steht fest, dass der Mandant Beschuldigter ist,muss sich der Verteidiger um möglichst schnelle Akteneinsichtbemühen. Ansprechpartner im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> ist dieStaatsanwaltschaft. Lediglich in Verkehrssachen ist es durch Runderlassden Polizeibehörden gestattet, den sogenannten „A1-Bogen“ denRechtsanwälten zur Verfügung zu stellen.4 AkteneinsichtGem. § 147 Abs. 1StPO hat der Verteidiger für seinen Mandant einRecht auf Akteneinsicht. Dieses Recht kann nur durch bestimmteGründe beschränkt werden. Die Tatsache, dass die Akten versandt sind,gehört nicht zu den Versagungsgründen. In diesen Fällen ist dieStaatsanwaltschaft verpflichtet, die Akten zurückzufordern.Unstreitig ist, dass die Akteneinsicht sämtliche Bestandteile umfasst, dieim Falle einer Anklage dem Gericht vorzulegen sind. Nicht umfasstwerden innerdienstliche Vorgänge der Staatsanwaltschaft, persönlicheNotizen des Staatsanwaltes. Strittig ist, in wie weit Spurenakten hierzugehören. Nach BGH (BGH St 30,131) gehören hierzu nur Unterlagen,die Schuldspruch- und Rechtsfolgen relevant sind. Sicher zählen zu den


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 11 von 28Akten sämtliche Schriftstücke, Bild- und Tonaufnahmen, die für dieSchuldfrage von Bedeutung sind. Hierzu gehören dann auch Beiakten,Vorstrafenakten und Registerauszüge (TKÜ- Protokolle,Computerausdrucke, Videoaufzeichnungen, Akten anderer Behörden).Der Verteidiger hat für seinen Mandanten ein recht auf Akteneinsicht,sobald der Mandant Beschuldiger ist. Die Einsicht kann verweigertwerden, sofern der Abschluss der Ermittlungen noch nicht in den Aktenvermerkt ist und durch die Akteneinsicht der Untersuchungszweckgefährdet werden könnte. Eine konkrete Gefährdung ist nichterforderlich. Ein starkes Argument hat der Verteidiger in Fällen derUntersuchungshaft (und andere Zwangsmaßnahmen). Im Falle derUntersuchungshaft darf die Haftentscheidungen nur auf Umständegestützt werden, die auch dem Beschuldigten offenbart werden.Privilegiert für die Einsicht sind richterliche Untersuchungshandlungen,bei denen dem Verteidiger die Anwesendheit gestattet ist. Gutachtenvon Sachverständigen sowie Niederschriften über die Vernehmung desBeschuldigten. Diese können nach § 147 Abs. 3 nicht beschränktwerden.4.1 Weiteres Verfahren nach AkteneinsichtGrundsatz gilt: Alles was der Verteidiger aus den Akten erhält, darfer/muss er mit seinem Mandanten besprechen. 4Eine Kopie der vollständigen Akten ist gestattet. Dem Mandanten mussaber klargemacht werden, dass er diese Kopie nur für Zwecke derVerteidigung nutzen darf.Ist der Mandant in Haft sollte die Akte ihm nur übergeben werden, wenner sie sicher verwahren kann. Dem Mandanten muss auf jeden Fall klargemacht werden, dass er mit Umgang mit Mitgefangenen undMitarbeitern der JVA vorsichtig sein muss, da diese einerSchweigepflicht nicht unterliegen und unter Umständen im Verfahrengegen den Mandanten aussagen können und werden (Geständnis!).Der Verteidiger ist zu eigenen Ermittlungen berechtigt, nach Auffassungeiniger Verteidiger sogar hierzu verpflichtet. Dies gilt insbesondere inFällen, in denen das Beweisergebnis nicht vor vorne herein klar ist. Soist der Verteidiger berechtigt, Befragung von Zeugen vorzunehmen.Darüber hinaus ist der Verteidiger durchaus berechtigt, Hilfspersonenheranzuziehen, etwa einen Privatdetektiv. Von Verteidiger beauftragtenHilfspersonen steht gem. § 53a StPO ein Aussageverweigerungsrechtzu. Über dieses Recht und diese Pflicht sollte der hinzugezogene jeweilsbelehrt werden. Darüber hinaus ist auch die Beauftragung einesSachverständigen möglich.4 Alsberg, JW 1926, 26


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 12 von 284.2 Einstellung nach §153 StPODurch die Einstellung nach § 153 StPO tritt kein Strafklageverbrauch ein.Folge: Für den Anzeigenerstatter steht das Klagerzwingungsverfahrennicht zur Verfügung, für die Wiederaufnahme des Verfahrens bedarf esaber auch keiner „neuen Tatsachen“. Nach einhelliger Auffassung abereines sachlichen, nachvollziehbaren Grundes.Strafklageverbrauch hinsichtlich Taten der Vergehens tritt aber bei einerEinstellung nach § 153a StPO ein.4.3 Abschluss des <strong>Ermittlungsverfahren</strong>sDer Abschluss des <strong>Ermittlungsverfahren</strong>s ist von der Staatsanwaltschaftin den Akten zu vermerken. Nach Abschluss des Verfahrens – undmithin vor Entscheidung über den nächsten Schritt – hat der Verteidigerein Recht auf Akteneinsicht. Die Akteneinsicht kann zu diesem Zeitpunktauch nicht mehr beschränkt werden.Stellt der Staatsanwalt das Verfahren nicht ein, kann er Anklageerheben oder einen Strafbefehl beantragen. Vorteile des Strafbefehlssind unter Umständen ein abgekürztes Verfahren (schnelle Rechtskraft)und unter Umständen Ausschluss der Öffentlichkeit. Folge einesStrafbefehls steht gem. § 410 Abs. 3 StPO einem Urteil gleich. Wegendes abgeurteilten tatsächlichen Sachverhaltes ist nur noch einförmliches Wiederaufnahmeverfahren möglich.4.4 AussageverhaltenEine besondere Verantwortung hat natürlich der Verteidiger aufgrundseiner Position, seiner Erfahrung sowie seiner Stellung im Verfahren. Ermuss maßgeblich die Verteidigungsstrategie - zur Not auch gegen denWunsch des Mandanten - bestimmen. Dabei ist es nicht nur seineAufgabe, die Frage von Rechtsbehelfen im <strong>Ermittlungsverfahren</strong>abzuwägen und zu entscheiden, auch die Frage der Einlassung und derForm der Einlassung obliegt ihm.Schon bald hat der Verteidiger die Entscheidung zu treffen, ob bereitsim <strong>Ermittlungsverfahren</strong> eine Einlassung des Beschuldigten zurSache erfolgen soll. Diese Frage ist sehr sorgfältig zu prüfen und in derRegel zurückhaltend zu beantworten: Einlassungen, so sie einmalabgegeben werden, binden den Beschuldigten im ganzen Verfahren –und das nicht nur im eigenen Verfahren: auch seine eventuelle spätereRolle als Zeuge wird maßgeblich durch die ersten Einlassungenbestimmt. Erklärungen des Beschuldigen, insbesondere wenn eranwaltlich vertreten ist, ohne Akteneinsicht stellen in der Regel einemKunstfehler dar, da Waffengleichheit zwischen Ermittlungsbehörden undVerteidigung erst durch vollständige Akteneinsicht hergestellt werdenkann.Es ist aber noch keine Einlassung des Beschuldigten, wenn der


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 13 von 28Verteidiger allgemeine Stellungnahmen zu dem <strong>Ermittlungsverfahren</strong>abgibt oder Beweisanträge stellt.


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 14 von 28Eine Einlassung des Beschuldigten kann schriftlich oder durchgesonderte Erklärung des Verteidigers erfolgen; sie muss allerdingsdabei ausdrücklich als eine Einlassung des Beschuldigten bezeichnetund u.a. von dem Mandanten ausdrücklich autorisiert werden.Anerkannt ist aber, dass Erklärungen des Verteidigers zur Sache, etwawenn er etwa namens des Angeklagten den Vorwurf der Anklage invollem Umfange einräumt, als Einlassung des Angeklagten gewertetwerden, wenn sie in Anwesenheit des Angeklagten verlesen werden unddieser nicht widerspricht. Allerdings sind Schriftsätze des Verteidigers,auch wenn darin eine Darstellung zum Anklagevorwurf enthalten ist,nicht als Urkunden zu Beweiszwecken verlesbar.Schriftliche EinlassungBGH, Beschluss vom 27.3.2008, 3 StR 6/08 = BGHSt 52, 175Die schriftliche Erklärung eines Beschuldigten, der in derHauptverhandlung schweigt, muss auch dann nicht verlesen werden,wenn sie vor der Hauptverhandlung dem Gericht zugeleitet wird.Im entscheidenden Verfahren hatte der Angeklagte in derHauptverhandlung geschwiegen, er hat aber einen Beweisantrag gestellt,eine zuvor dem Landgericht zugeleitete Erklärung zu verlesen zumBeweis der Tatsache, dass diese Erklärung einen bestimmten Wortlauthat. <strong>Das</strong> Landgericht hat den Beweisantrag zurückgewiesen, da es aneiner Beweisbehauptung fehle.Der BGH stellt fest, dass das Beweisbegehren jedenfalls keinBeweisantrag ist. Der Angeklagte hat mehrfach erklärt, er mache vonseinem Schweigerecht Gebrauch. Nach § 243 Abs. 4 Satz 2 sei derAngeklagte, der bereit ist Angaben zu machen, zu vernehmen. EineVernehmung erfolgt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und demZweck der Vorschrift, durch mündliche Befragung mit mündlichenAntworten. Von daher hat ein Angeklagter keinen Anspruch darauf, dassdas Gericht eine schriftliche Einlassung in der Hauptverhandlung verliest.Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte zunächst schweigt, im späterenVerlauf jedoch zum Anklagevorwurf Stellung nimmt.Diese gesetzliche Form kann auch nicht durch ein Scheiben an dasGericht umgangen werden. Dies ergibt sich daraus, dass der Angeklagtenicht begehrt, den Wortlaut des Schreibens dem Urteil zugrunde zu legen,vielmehr will er seine dem Tatvorwurf bestreitende Einlassung sowiederen Hintergrund in der Hauptverhandlung einfließen lassen. <strong>Das</strong> Gesetzsieht diese Form der Beweiserhebung allerdings nicht vor.<strong>Das</strong> Gericht hat allerdings den Inhalt des Schreibens auch ohne dessenurkundsbeweisliche Verlesung zur Kenntnis zu nehmen. Dies kannAuswirkungen auf die Aufklärungsverpflichtung haben.


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 15 von 28Zwar handelt es sich bei einer entsprechenden schriftlichen Einlassungum eine grundsätzlich verlesbare Urkunde, weil das Gesetz die Verlesungnicht ausschließt. Jedoch kann ein schweigender Angeklagte das Geichtnicht zur Verlesung einer schriftlichen Einlassung zwingen und damit imErgebnis wählen, ob er sich mündlich oder schriftlich zur Sache einlassenwill.Ein solches Wahlrecht ist mit der Konzeption des Strafverfahrens nichtvereinbar.4.5 Übersicht von Tondorf zur Frage Aussage oderTotalschweigen4.5.1 Immer aussagen:• Alibi,• Rechtfertigungsgründe,• Entschuldigungsgründe,• Strafmilderungsgründe,• bezüglich Strafzumessungstatsachen günstige Sozialprognose4.5.2 Der Mandant sollte in der Regel aussagen• wenn er bereits umfassende Angaben zur Sache gemacht hat• belastende Urkunden sich in der Akte befinden oderBelastungszeugen gehört wurden,• der Verteidiger zu einem Geständnis rät,• Einstellung nach §§ 153, 153a StPO erreicht werden soll,4.5.3 Der Beschuldigte sollte immer schweigen• wenn die Tat prozessordnungsgemäß nicht nachgewiesenwerden kann,• wenn die Einlassung des Mandanten mehr schadet als nutzt,• wenn keine Angaben zum subjektiven Tatbestand vorliegen,• wenn der Mandant kein Geständnis ablegen will,4.6 AktivitätenBei der Vernehmung des Beschuldigten durch die Polizei hat derVerteidiger kein Anwesenheitsrecht, ihm darf aber die Anwesenheitgestattet werden. Als Verteidigungsmittel gegen den Versuch, denBeschuldigten polizeilich zu vernehmen, steht ihm dieAussageverweigerung zur Verfügung. Im Rahmen desAnwesenheitsrechts hat der Verteidiger selbstverständlich einFragerecht und auch ein Recht, mit seinem Mandanten zu sprechen. Erkann ihn auch aktiv an einer weiteren Aussage hindern.4.7 Staatsanwaltschaftliche VernehmungHier steht dem Verteidiger ein Anwesenheitsrecht zu. Auf der anderenSeite muss der Mandant als Beschuldigter erscheinen. Allgemein wirdes als Kunstfehler eingesehen, einen Mandanten alleine zu einer


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 16 von 28staatsanwaltschaftlichen Vernehmung gehen zu lassen. DerBeschuldigte kann sich noch natürlich auch schriftlich zur Sache äußern.Eine solche schriftliche Äußerung kann aber nicht verwechselt werdenmit der Äußerung zur Sache in der Hauptverhandlung. Allerdings kanneine solche Einlassung des Beschuldigten selbst (nicht des Verteidigers)nach § 249 StPO verlesen werden.5 Vernehmung, Belehrung und VerwertungsverbotVerbotene Vernehmungsmethoden: Die Ermittlungsbehörden brauchen einenBeschuldigten nicht darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit besteht, einenPflichtverteidiger beigeordnet zu bekommen. Ist die Belehrung im Übrigen inOrdnung und insbesondere der Betroffene auf das Schweigerecht hingewiesen,reicht dies aus. 5 Unzulässig ist dagegen ein „wiederholtes Nachfragen“ beieinem unverteidigten Beschuldigten, wenn dieser zuvor erklärt hat, er möchtesich zur Sache nicht äußern. 6Die Widerspruchslösung ist auch so weit gehend, dass ein einmal versäumterWiderspruch die Rüge präkludiert, so dass die Nichtausübung desWiderspruchsrechtes innerhalb angemessener Frist zum endgültigenRechtsverlust führt. 7Qualifizierte Belehrung, StPO § 136Folgt auf eine erste Vernehmung ohne Belehrung über dasAussageverweigerungsrecht eine weitere förmliche Vernehmung, sind dieseAngaben vor Gericht nicht verwertbar, wenn der Beschuldigte nicht darüberbelehrt wurde, dass seine vorherigen Angaben nicht verwertbar sind. Es istmithin eine qualifizierte Belehrung notwendig.LG Bamberg, Beschluss vom 8.6.2006, 3 Ns 111 Js 10338/05 = DAR 2006, 637Wird ein Tatverdächtiger zunächst zu Unrecht als Zeuge vernommen, so ist erwegen des Belehrungsverstoßes bei Beginn der nachfolgenden Vernehmungals beschuldigt auf die Nichtverwertbarkeit der früheren Aussage hinzuweisen.BGH, Urteil vom 18.12.2009, 4 StR 455/08 = DAR 2009, 211 = NJW 2009,1427 = StV 2010, 1Wird ein Beschuldigter nicht nach § 136 StPO belehrt, folgt daraus in der Regelein Verwertungsverbot, wenn er der Verwertung in der Hauptverhandlungwiderspricht.Wird derselbe Beschuldigte bei einer Folgevernehmung nicht „qualifiziert“belehrt, folgt daraus nicht ohne Weiteres ein Verwertungsverbot. Vielmehr musseine Abwägung im Einzelfall erfolgen.OLG Hamm, Beschluss vom 7.5.2009, 3 Ss 85/08 = StV 2010, 55 BGH, Beschluss vom 18.10.2005, 1 StR 114/05 = NSTZ 2006, 236; Beschluss vom 19.10.2005 =NSTZ – RR 2006, 1816 BGHSt 50, 272 = NJW 2006, 10087 BGHSt 50, 272 = NJW 2006, 707


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 17 von 28Die verdachtsunabhängige Verkehrskontrolle zwingt nicht zu einerBelehrung.KG, Beschluss vom 5.6.2009, 2 Ss 131/09 – Ws (B) 323/09 = BA 2009, 415 =NZV 2009, 572 = VA 2009, 195 = NZV 2010, 422 = VRS 117, 104 = VRS 117,308BeweisverwertungsverbotEine auch fehlerhafte Beschuldigtenbelehrung kann zu einemBeweisverwertungsverbot führen. Entscheidend ist hier, dass demBeschuldigten die Aussagefreiheit bekannt ist. Dem Beschuldigten sollte dabeiklar sein, dass es ihm freisteht, nicht auszusagen, obwohl ihn ein Richter,Staatsanwalt oder Polizeibeamter in amtlicher Eigenschaft befragt. Er solllediglich vor einer irrtümlichen Annahme einer Aussageverpflichtung bewahrtwerden.BGH, Urteil vom 29.4.10, 3 StR 6310 = StRR 2010, 342.Umfang der BelehrungDurch eine Beschuldigtenbelehrung muss dem Beschuldigten Klarheitverschafft werden, dass es ihm freisteht eine Aussage zu machen.Diesbezügliche etwaige Fehlvorstellungen müssen ausgeschlossen sein.Die Belehrung muss nicht unbedingt im Wortlaut des § 136 StPO erfolgen, esdürfen aber auch keine Missverständnisse über die Aussagefreiheit mehrbestehen.BGH, Beschluss vom 29.4.2010, 3 StR 63/10=VA 2010, 212Informatorische BefragungNicht jeder unbestimmte Tatverdacht begründet bereits eineBeschuldigteneigenschaft. Der Betroffene war auf einer Polizeiinspektionerschienen, um einen Bekannten abzuholen. Der zuständige Polizeibeamtefragte, wie der Betroffene hergekommen sei. Daraufhin erklärte dieser, dass ermit dem Auto gefahren sei. Daraufhin belehrte ihn der Polizeibeamte und setztedie Befragung fort. Nicht jeder Verdacht begründet eine Belehrungspflicht, eskommt vielmehr auf die Stärke des Verdachts an. Der Polizeibeamte muss nachpflichtgemäßer Beurteilung des Sachverhaltes darüber befinden, ob sich derTatverdacht bereits verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich alsTäter einer Straftat in Betracht kommt.OLG Zweibrücken, Beschluss vom 16.8.2010, 1 SsBs 2/10=VA 2010, 195 = zfs2010, 589 = StRR 2010, 468 = VRS 119, 358 = VRR 2010, 429SpontanäußerungenDie Belehrung gem. § 136 StPO soll sicherstellen, dass ein Beschuldigter nichtim Glauben an eine vermeidliche Aussagepflicht Angaben macht und sichunfreiwillig selbst belastet. Hinsichtlich der Frage, wann ein BefragterBeschuldigter ist, ist nach der Rechtsprechung des BGH zum einen die Stärkedes Tatverdachts, den die Beamten gegenüber dem Befragten hegen,bedeutsam, zum anderen steht den Beamten allerdings einBeurteilungsspielraum zu. Darüber hinaus ist von Bedeutung, wie sich das


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 18 von 28Verhalten des Beamten aus Sicht des Befragten darstellt. PolizeilicheVerhaltensweisen wie etwa die Mitnahme eines Befragten zur Polizeiwache, dieDurchsuchung seiner Wohnung oder seine vorläufige Festnahme belegen dabeischon ihren äußeren Befunden nach, dass der Polizeibeamte dem Befragtenals Beschuldigten ansieht, mag er dies auch nicht wörtlich zum Ausdruckbringen. Die Verwertung von Spontanäußerungen erscheint jedoch zumindestdann bedenklich, wenn sich Polizeibeamte von einem Tatverdächtigen nachpauschalen Geständnis einer schweren Straftat und der unmittelbar darauferfolgten Festnahme über eine beträchtliche Zeitspanne Einzelheiten der Tatberichten lassen, ohne den von ihnen ersichtliche als Beschuldigtenbehandelten Täter auf sein Aussageverweigerungsrecht hinzuweisen. Einsolches Verhalten käme einer gezielten Umgehung zumindest äußerst nahe.Voraussetzung für eine erfolgreiche Revision ist jedoch, dass das Urteil daraufberuht.Eine eventuell erforderliche qualifizierte Belehrung soll verhindern, dass einBeschuldigter auf sein Aussageverweigerungsrecht verzichtet, weil ermöglicherweise glaubt, eine frühere, unter Verstoß gegen die Belehrungspflichtzustande gekommene Selbstbelastung sei nicht mehr aus der Welt zu schaffen.Allerdings hat ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur qualifizierten Belehrungnicht das selbe Gewicht wie ein Verstoß gegen die Belehrung nach § 136 StPO.In einem solchen Fall ist die Frage der Verwertbarkeit der weiteren Aussagennach Abwägung im Einzelfall zu ermitteln. Abzuwägen sind dann das Interessean der Sachaufklärung sowie des Gewichts des Verfahrensverstoßes.BGH, Beschluss vom 9.6.2009, 4 StR 170/09= NJW 2009, 3589 = StV 2010, 4Besonders wichtig ist eine Entscheidung des 4. Strafsenats des BGH an (BGH NStZ1993, 142).Dem Beschuldigten darf die Rücksprache mit seinem Verteidiger nicht verwehrtwerden. Nach § 137 Abs. 1 S. 1 StPO kann sich der Beschuldigte in jeder Lage desVerfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO i. V.m. § 163 a Abs. 4 S. 2 StPO will durch die vorgeschriebene Belehrung sicherstellen,dass dem Beschuldigten auch und gerade vor der ersten Vernehmung dieMöglichkeit der Verteidigerkonsultation bewusst wird. Zwar ist richtig, dass derBeschuldigte die Entscheidung, ob er aussagen will oder nicht, nur von ihm selbstgetroffen werden kann.Die Besprechung mit dem Verteidiger soll ihm aber die Möglichkeit eröffnen, sich inder für seine Verteidigung höchst bedeutsame Frage mit einem Verteidiger zuberaten. Verlangt der Beschuldigte nach Belehrung, vor oder während derVernehmung einen Verteidiger zu sprechen, so ist die Vernehmung deshalb zudiesem Zweck sofort zu unterbrechen. Der Versuch des sich der in amtlichenGewahrsam befindliche Beschuldigten, Verbindung zu einem Verteidigeraufzunehmen, darf nicht erschwert oder gar verhindert werden. Gegen dieseVerpflichtung verstoßen die Polizeibeamten, wenn sie dem Beschuldigten dieKontaktaufnahme mit seinem – namentlich bekannten – Verteidiger verweigern, dieVernehmung fortsetzen und darüber hinaus erklären, sie würden die Vernehmungfortführen, „bis Klarheit herrsche“.


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 19 von 28Diese Vorgehensweise hat die Unverwertbarkeit der Aussage zur Folge. Zwar ziehtnicht jedes Verbot, einen Beweis zu erheben, ohne weiteres auch einBeweisverwertungsverbot nach sich. Vielmehr ist die Entscheidung für oder gegenein Verwertungsverbot auf Grund einer umfassenden Abwägung zu treffen, beiwelcher das Gewicht des Verfahrensverstoßes sowie seine Bedeutung für dierechtlich geschützte Sphäre des Betroffenen ebenso ins Gewicht fallen muss wie dieErwägung, dass die Wahrheit nicht um jeden Preis erforscht werden muss. EinVerwertungsverbot liegt stets dann nahe, wenn die verletzte Verfahrensvorschriftdazu bestimmt ist, die Grundlagen der verfahrensrechtlichen Stellung desBeschuldigten im Strafverfahren zu sichern. Der BGH hat demgemäß bereits einVerwertungsverbot angenommen, weil der Verteidiger entgegen § 168 c Abs. 5 StPOvom Termin einer Beschuldigtenvernehmung nicht benachrichtigt wurde (BGH StV1988, 3). <strong>Das</strong> Anwesenheitsrecht des Verteidigers wäre erheblich entwertet, wennder Verstoß gegen diese Benachrichtigungspflicht folgenlos bliebe. Auch kann dieErwägung, das Verwehren der Rücksprache mit dem Verteidiger sei für denEntschluss auszusagen, nicht ursächlich gewesen, weil der Angeklagte gewussthabe, nicht aussagen zu müssen, nicht durchgreifen. Es geht nicht um die Kenntnisdes Beschuldigten von seinem Recht zur Auskunftsverweigerung, sondern um dieFrage der Durchsetzbarkeit seiner Rechte.6 Durchsuchung und Beschlagnahme6.1 Voraussetzungen der DurchsuchungDie Durchsuchung nach §§ 102 ff StPO dient der Auffindung vonGegenständen, die der Beschlagnahme unterliegen. Zuständig für dieAnordnung der Durchsuchung ist ein Richter. Nur bei „Gefahr in Verzug“darf die Untersuchung durch den Staatsanwalt oder seinerErmittlungsbeamten angeordnet werden. Dabei müssen die Tatsachen,die einen Gefahr im Verzug begründen, dokumentiert werden. DieVorraussetzungen der Anordnung durch den Staatsanwalt oderHilfsbeamten unterliegt der richterlichen Nachprüfung. Vorrausetzung fürdie Anordnung einer Durchsuchung, die auch in demDurchsuchungsbefehl aufgeführt werden muss sind:


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 20 von 28• Angabe eines Verdachtes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht• Genaue Bezeichnung der zu durchsuchenden Räume• Konkrete Bezeichnung der zu suchenden Beweismittel• Die genaue Bezeichnung der zu beschlagnahmendenGegenstände• Beachtung des Grundsatzes der VerhältnismäßigkeitErfährt der Verteidiger zufällig von einer bevorstehenden Durchsuchung,so ist er berechtigt, seinen Mandanten hiervon zu unterrichten undauf die Durchsuchung vorzubereiten. Nicht gestattet ist ihm jedoch,Staatsanwalt oder Polizeibeamten gezielt auszuforschen, um demMandanten zu ermöglichen, Beweismittel beiseite zu schaffen. Erhält erjedoch auf legale Art und Weise - zum Beispiel durch Akteneinsicht oderdurch Gespräche, die er bei der Staatsanwaltschaft zufällig mithört -Kenntnis von der bevorstehenden Aktion, so ist er in der Regel sogarverpflichtet, seinen Mandanten im Hinblick auf das Kommende zuberaten.Häufig werden Strafverteidiger jedoch erst hinzugezogen, wennDurchsuchungen längst laufen und beispielsweiseErmittlungspersonen zum Zwecke einer Durchsuchung oderIdentifizierung erscheinen. Scheinen die Möglichkeiten desVerteidigers im Fall einer Durchsuchung auch gering zu sein, so ist esdennoch wichtig, dem Mandanten während solcher Aktionen beratend(und beruhigend) zur Seite zu stehen. Da gemäß § 33 Abs 4 StPO derBetroffene einer Durchsuchung nicht vor der Entscheidung anzuhörenist, weil der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte, gilt es in derBeratung eine Durchsuchung zu antizipieren: Dies eröffnet die Chance,eine Durchsuchung zu vermeiden, indem zum Beispiel derStaatsanwaltschaft die freiwillige Herausgabe benötigter Unterlagenangeboten wird.Ist der Verteidiger bei der Durchsuchung anwesend, so muss er zuerstprüfen, ob die Durchsuchung auf Grund einer richterlichen Anordnungerfolgt oder ob die Ermittlungsbehörde "Gefahr im Verzug"angenommen hat. In diesem Falle hat der Verteidiger die Pflicht, unterBerücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG, dieVoraussetzungen der angenommenen "Gefahr im Verzug" zu prüfen. Erhat Kontakt aufzunehmen mit dem leitenden Ermittlungspersonen, umvon ihm zu erfahren, welche Gründe für die Durchsuchung undinsbesondere für die Annahme von "Gefahr im Verzug" sprechen undwas das Ziel der Durchsuchung ist. Sollte die Verteidigung auf ihreFragen keine Antwort erhalten, was nicht selten der Fall sein wird, somuss sie sofort versuchen, den zuständigen Richter (zur Not auch denverantwortlichen Staatsanwalt) zu erreichen, um eine telefonischeEntscheidung über diese Maßnahmen zu erreichen – oder zumindest dieGründe für die Maßnahmen von dem Richter oder Staatsanwalt zu


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 21 von 28erfahren.Wesentliche Aufgabe des Verteidigers bei einer laufendenDurchsuchung ist es, dem Mandanten zur Seite zustehen. Der Anwaltmuss den Mandanten beruhigen und insbesondere darauf hinwirken,dass er einerseits keine unbedachten Äußerungen von sich gibt undandererseits unvernünftige Handlungen unterlässt. Er istinsbesondere darüber zu belehren, dass die Beamten nach derDurchsuchung auch Vermerke über beiläufige Gespräche machenwerden, die als Angaben der Beteiligten in dem <strong>Ermittlungsverfahren</strong>verwertet werden, auch wenn diese Bemerkungen im nachhinein vondem Betroffenen nicht autorisiert werden.Auch in dieser angespannten Situation muss der Verteidiger mit demMandanten erörtern, ob die Möglichkeit besteht, die Durchsuchungdurch freiwillige Herausgabe bestimmter Unterlagen abzukürzen. Dieshat nicht nur den Vorteil, dass das Verfahren zeitlich beschränkt werdenkann, dadurch kann unter Umständen auch vermieden werden, das als"Zufallsfunde" weitere Unterlagen und Gegenstände beschlagnahmtwerden, die über das ursprünglich Gesuchte weit hinausgehen können.Es gibt in der Praxis zahlreiche Fälle, in denen die Staatsanwaltschaftdas <strong>Ermittlungsverfahren</strong>, in dem die Durchsuchung durchgeführt wurde,später gem. § 170 Abs 2 StPO oder § 154 StPO einstellte und nur nochein <strong>Ermittlungsverfahren</strong> auf Grund der „Zufallsfunde“ weiter betrieb, dasdann zu einer erheblichen Verurteilung führte.6.2 Durchsicht von Dokumenten§ 110 StPO wurde durch das 1. JModG 8 dahingehend geändert, das dieDurchsicht von Dokumenten (der wir bislang immer widersprochen hat)auch auf Anordnung der Staatsanwaltschaft den Ermittlungspersonengestattet ist. Die Durchsicht von aufgefundenen Papieren bei demBetroffenen dient der Entscheidung, ob ihre Beschlagnahme angeordnetund herbeigeführt werden soll. Da die Polizei oft spezialisierte Beamtehat, die auch in der Lage sind, Datenbestände auf Computern undanderen Datenträgern zu sichten, besteht die Möglichkeit, dass jetzt dieStaatsanwaltschaft ihre Ermittlungspersonen bevollmächtigt solcheSichtungen vorzunehmen.Eine Durchsicht der Papiere. Zu den Papieren zählen auch technischeAufzeichnungen wie Disketten, Magnetbänder, CD-ROMs undFestplatten, die gesamte EDV-Anlage und auch Fotos und Filme sowieTonträger.6.3 Die Anordnung der Durchsuchung und „Gefahr im Verzug“Die von den Ermittlungsbehörden extensiv ausgelegte Möglichkeit derAnnahme einer "Gefahr im Verzug" wurde vom BVerfG erheblichreduziert. Seit dieser Entscheidung neigen auch Instanzgerichte dazu,8 JModG v. 24.8.2004, BGBl. I, 2198


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 22 von 28auf Antrag nachträglich festzustellen, dass dieDurchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrerErmittlungspersonen den Betroffenen in seinen Rechten verletzte, d.h.,die Annahme von „Gefahr im Verzug“ rechtswidrig war.<strong>Das</strong> BVerfG hat in den letzten Jahren auch die Anforderungen anrichterliche Durchsuchungsanordnungen wesentlich erhöht. DieDurchsuchungsanordnungen müssen ausreichend konkretisiertwerden, aus der gerichtlichen Entscheidung muss sich der Tatverdacht,der Durchsuchungszweck und das Durchsuchungsziel ergeben und esmuss erkennbar sein, dass das Gericht sich mit der Verhältnismäßigkeitder Durchsuchung auseinander gesetzt hat. Soweit Ziel derDurchsuchungen das Auffinden von Beweismitteln ist, sind diemöglichen Beweismittel möglichst genau zu bezeichnen.6.4 Rechtsmittel bei DurchsuchungenGegen die Erfordernisse der Konkretisierung imDurchsuchungsbeschluss und gegen die Anforderungen an dieVorrausetzungen einer „Gefahr im Verzug“ wird in der Praxis häufigverstoßen. Der Verteidiger hat in zahlreichen Verfahren Ansatzpunktefür Beschwerden und Anträge auf gerichtliche Entscheidung. In derRegel ist es jedoch nicht möglich, im Laufe einer Durchsuchungerfolgreich Rechtsmittel einzulegen: der Betroffene und sein Verteidigerwerden gar keine Zeit haben, eine Beschwerde zu formulieren, dieseBeschwerde einem Richter zu präsentieren, der dann noch bereit ist,möglicherweise ohne dass ihm die Akten vorliegen, über den Vorgangzu entscheiden.Ein Rechtsmittel gegen die Durchsuchung - im Falle der Durchsuchungwegen "Gefahr im Verzug" der Antrag auf gerichtliche Entscheidung - istauch nach Beendigung der Durchsuchung noch möglich, selbst wennes nicht zur Beschlagnahme von Unterlagen gekommen ist. Bei derEntscheidung, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden soll, müssen dieBeteiligten mehrere Aspekte berücksichtigen: Rechtsmittel führen unterUmständen zu einer Verzögerung des Verfahrens. Nicht nur wenn sicheiner der Beteiligten in Untersuchungshaft befindet, sondern auch beider Abwicklung eines Geschäftsbetriebes kann dies als sehrunangenehm empfunden werden. Durch die Entscheidung über dieRechtmäßigkeit der richterlichen Anordnung wird außerdem dieVerjährung unterbrochen. Darüber hinaus kann es geschehen, dass ineinem <strong>Ermittlungsverfahren</strong>, das sich noch nicht gegen eine bestimmtePerson richtete, weil es in dem Beschluss zum Beispiel heißt„<strong>Ermittlungsverfahren</strong> gegen Verantwortliche der Firma XYZ“, durch dieBeschwerdeentscheidung, möglicherweise durch Erkenntnisse, die beider Durchsuchung gewonnen wurden, konkretisiert wird, werBeschuldigter ist, mit der Folge, dass durch dieBeschwerdeentscheidung sogar erstmals eineVerjährungsunterbrechung eintritt.


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 23 von 28Auf der anderen Seite hat insbesondere der Verteidiger ein Interessedaran, krasse Verstöße gegen die Regeln der StPO von Gerichtenüberprüfen zu lassen, u.a. auch um in einem eventuellen späterenStrafprozess ein Verwertungsverbot über unrechtmäßig erlangtesWissen geltend machen zu können. Eine Beschwerdeentscheidung im<strong>Ermittlungsverfahren</strong> wird dann die Argumentation in derHauptverhandlung erleichtern.Der Wohnungsinhaber hat ein Recht der Anwesenheit, ihm kann dasRecht einen Verteidiger zu beauftragen nicht genommen werden.Ist der Durchsuchungsbeschluss durch einen Richter erlassen, muss erinnerhalb von 6 Monaten vollzogen werden.Gegen die Anordnung der Durchsuchung und der Beschlagnahme istdie Beschwerden gemäß § 304 StPO zulässig. Dies ist auch der Fall,wenn die Durchsuchung als solche bereits abgeschlossen ist.6.5 Beachtung für Mandanten/ Kanzleien• Feststellung ob richterliche Anordnung oder Anordnung durchErmittlungsbeamte (Gefahr in Verzug)• Kopie des Durchsuchungsbeschlusses anfordern• Prüfung des Durchsuchungsbeschlusses• Innerhalb der 6 Monatsfrist vollzogen?• Konkrete Straftat• Welche Räumlichkeiten?• Welche Gegenstände werden gesucht?• Reicht die Begründung aus?• Wer ist mit der Durchsuchung beauftragt?Sofort rechtskundigen Beistand anfordern (Rechtsanwalt, Steuerberateretc.)• Vom Recht der Anwesenheit Gebrauch machen• Mit den Ermittlungsbeamten nicht reden• Auch keine Nebengespräche mit Beamten führen• Die gesuchten Gegenstände heraussuchen - aber Widerspruchgegen die Beschlagnahme erklären• Kopien beschlagnahmter Dokumente erstellen• Darauf achten das nicht gezielt nach Zufallsfunden gesucht wird• Beschlagnahmeprotokoll fordern• Achtung auf Beschlagnahme freierGegenstände(Verteidigerunterlagen)7 Vorläufige Entziehung der FahrerlaubnisDie vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach § 111a StPOmöglich. Mit diesem Beschluss wird dem Betroffenen untersagt,führerscheinpflichtige Kraftfahrzeuge zu führen.


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 24 von 28Der Beschluss wird wirksam mit Bekanntgabe an den Beschuldigten.Eine Zustellung an den Verteidiger ist nicht ausreichend.Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann unverhältnismäßig sein, wenndies eine erhebliche Zeit nach der Tat erfolgt.In der Berufungsinstanz kann das Gericht erstmals die vorläufigeEntziehung anordnen, wenn neue Tatsachen bekannt geworden sind.Der Verteidiger muss stets darauf achten, ob im Sinne des MandantenAusnahmen von der vorläufigen Entziehung beantragt werden können.Weitere Voraussetzung für die vorläufige Entziehung ist der dringendeTatverdacht, dass in einer Hauptverhandlung die Fahrerlaubnisendgültig entzogen wird. Voraussetzung hierfür ist, dass eine Katalogtatbzw. ein konkreter Zusammenhang zwischen der Tat und derVerkehrsicherheit gegeben ist. Bei einfachen Straftaten unterZuhilfenahme eines Kraftfahrzeuges scheidet die vorläufige Entziehungaus (beispielsweise Transport von Diebsgut, Nutzung des Fahrzeuges,um zum Tatort zu gelangen).8 UntersuchungshaftEin Haftbefehl kann erlassen werden, wenn ein dringender Tatverdachtbesteht. Dringender Tatverdacht bedeutet, dass bei freierBeweiswürdigung aufgrund der Aktenlage eine hohe Wahrscheinlichkeitfür die Verurteilung in einer Hauptverhandlung besteht. Der dringendeTatverdacht erfordert eine höhere Sicherheit als der für eine Anklagenotwendige „hinreichende Tatverdacht“.Der Haftbefehl kann bereits vor Anklage erlassen werden. Im Haftbefehlmuss jedoch angegeben werden, die Tatumstände, die einenStraftatbestand verwirklichen können, die maßgeblichen Vorschriftensowie die Gründe für den Tatverdacht. Allein der Hinweis, derTatverdacht ergibt sich aus den Ermittlungen der Polizei, ist nichtausreichend.8.1 AkteneinsichtEin Nebeneffekt ist, dass dem Verteidiger eines in UntersuchungshaftBefindlichen nicht nur die Rechtsmittel für Akteneinsicht nach § 147 Abs.5 stopp zustehen, sondern er hat Anspruch, sämtliche Umstände, dieden Tatverdacht begründen, zu kennen. Der Haftbefehl kann damit nurauf Umstände gegründet werden, die dem Verteidiger und demBeschuldigten bekannt gegeben sind.Außerdem muss ein besonderer Haftgrund gegeben sein. Haftgründesind:• Flucht oder sich verborgen halten,• Fluchtgefahr,


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 25 von 28• Verdunklungsgefahr,• Tatschwere,• Wiederholungsgefahr8.2 FluchtgefahrBei der Frage der Fluchtgefahr sind alle Gesichtspunkte, die für undgegen eine Flucht sprechen, abzuwägen. Einzelne Umstände reichenfür sich nicht aus. So reicht z. B. nicht aus die Ausländereigenschaftoder die Straferwartung.8.3 Verdunklungsgefahr:Dies setzt voraus, dass konkrete Anhaltspunkte gegeben sind, die füreine unrechtmäßige Einwirkung auf Zeugen oder andereBeweismittelsprechen.Verlangt das Gesetz noch die Darlegung bestimmter Tatsachen für dieAnnahme einer Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr, so wird in derPraxis häufig mit pauschalen Bemerkungen und dem Blick auf zuerwartende hohe Strafen Fluchtgefahr angenommen bzw.Verdunkelungsgefahr begründet mit der "Eigenart der Delikte, die vonvornherein auf Verdunkelung angelegt sind", um so dieGeständnisbereitschaft zu fördern. In Verkehrssachen sind meistWiederholungstäter oder ausländische Beschuldigte vonUntersuchungshaft betroffen.Aber auch in Fällen der Untersuchungshaft ist die Frage vonRechtsmitteln sorgfältig zu prüfen und alle Aspekte sind genauabzuwägen. Der Verteidiger muss dabei auch den Druck aushalten, derauf ihn vom Beschuldigten und vom Staatsanwalt ausgeübt wird: vieleMandanten sind bereit, gerade in den ersten Tagen einerUntersuchungshaft alles zu unternehmen, um eine vorläufige Entlassungzu erreichen. Staatsanwälte signalisieren, dass ein umfassendesGeständnis, insbesondere wenn darin die Rolle Mitbeschuldigtergeschildert wird, eine Haftverschonung fördern kann.9 Weitere Beteiligte9.1 ZeugenManchmal ist die Abgrenzung zwischen Beschuldigten, Beteiligten,Mittätern, Gehilfen und angestellten Zeugen schwierig undunübersichtlich. Eine der vordringlichen Aufgaben des Verteidigers istes, die Situation des Mandanten in <strong>Ermittlungsverfahren</strong>herauszuarbeiten.9.1.1 § 146 StPODer Verteidiger muss dabei auch darauf achten, dass gem. § 146 StPOdie Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch denselben Anwalt ineinem einheitlichen Verfahren unzulässig ist. Der Verteidiger kann mithin


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 26 von 28nicht für den im selben Verfahren beschuldigten Fahrer sowie denebenfalls beschuldigten Halter die Verteidigung übernehmen. DiesesVertretungsverbot gilt jedoch noch nicht für das "Anbahnungsgespräch":Anbahnung ist noch nicht Verteidigung. Dem Verteidiger ist es abergrundsätzlich möglich, im Laufe eines Verfahrens ein Mandatniederzulegen, um eine andere Verteidigung im selben<strong>Ermittlungsverfahren</strong> zu übernehmen. Auch die sukzessive Verteidigungmehrerer Beschuldigter wegen desselben Vorwurfs ist unter Umständenmöglich. Verboten ist allein die gleichzeitige Verteidigung mehrererBeschuldigter durch denselben Verteidiger. Eine Sozietät ist nichtgehindert, mehrere Beschuldigte im selben Verfahren und gleichzeitig zuverteidigen. Allerdings muss eindeutig klargestellt werden, welcherAnwalt der Sozietät individuell das jeweilige Mandant übernommen hat.<strong>Das</strong> Verbot des §§ 146 StPO bezieht sich aber allein auf dieVerteidigung - nicht erfasst wird die Vertretung eines Zeugen in Formeines Zeugenbeistands. Ein Rechtsanwalt ist nicht gehindert, mehrereZeugen in demselben <strong>Ermittlungsverfahren</strong> zu vertreten, er ist nichteinmal gehindert, einen Beschuldigten und einen Zeugen im selbenVerfahren zu vertreten bzw. zu verteidigen.9.1.2 Der ZeugenbeistandEs ist kein Zufall, dass die Frage des Zeugenbeistands imStrafverfahren vom BVerfG geklärt werden musste. Bei der Vertretungvon Zeugen als Zeugenbeistand muss die Verteidigung sich häufig mitden Problemen des § 55 StPO auseinander setzen. Der Beistand beipolizeilichen Vernehmungen ist nicht problematisch, da es eineVerpflichtung für Zeugen, bei der Polizei auszusagen, nicht gibt. ZuAuseinandersetzungen über die Reichweite des § 55 StPO kommt esaber immer wieder bei staatsanwaltschaftlichen Beweiserhebungen undZeugenaussagen vor Gericht. Der Verteidiger muss aufgrund dergesamten Kenntnisse und Informationen genau die Situation desMandanten und Zeugen analysieren. Dabei hat der Anwalt alsZeugenbeistand die gesamte Rechtsprechung zu § 55 StPO zubeachten. Schon in der Vorbereitung auf die Vernehmungen muss dieVerteidigung sich mit dem Mandanten darüber klar werden, ob nachMöglichkeit insgesamt die Aussage verweigert werden soll. In diesemFalle muss der Anwalt sich darauf vorbereiten, dass es zuAuseinandersetzungen über den Umfang desAuskunftsverweigerungsrechtes kommt und unter welchenVoraussetzungen des Recht, auf einzelne Fragen nicht zu antworten, zueinem Recht erstarkt, die Aussage insgesamt zu verweigern.9.1.3 Aussagepflicht - Weigerungsrechte<strong>Das</strong> Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO, das lediglich einpartielles Aussageverweigerungsrecht beinhaltet, kann nämlich inzahlreichen Fällen zur Berechtigung des Zeugen führen, die Aussage ineinem Strafverfahren insgesamt zu verweigern. Ist der Zeuge zumBeispiel in einem gesonderten Strafverfahren Mitbeschuldigter und


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 27 von 28wurde das Verfahren nur aus technischen oder taktischen Gründen vonder Staatsanwaltschaft oder dem Gericht abgetrennt, so wird dasAuskunftsverweigerungsrecht praktisch zum Recht, die Aussage invollem Umfange zu verweigern.<strong>Das</strong> Auskunftsverweigerungsrecht entfällt nicht schon mitEinstellung des <strong>Ermittlungsverfahren</strong> gegen den Zeugen gem.§ 170 Abs 2 StPO, denn diese Einstellung weist keinerlei Sperrwirkungfür künftige Verfahren auf, das <strong>Ermittlungsverfahren</strong> kann ohne weitereswieder aufgenommen werden. Auch eine Erledigung des bisherigenStrafverfahrens durch Einstellung nach § 153 StPO schließt einAuskunftsverweigerungsrecht nicht aus, da es ohne weiteres wiederaufgenommen werden kann. Selbst ein Freispruch des Zeugen schließtein Auskunftsverweigerungsrecht nicht aus, da nach § 362 Nr. 4 StPOdie Wiederaufnahme zu Ungunsten eines Angeklagten möglich ist, wennein richterliches Geständnis des Angeklagten vorliegt.Für den Umfang des Auskunftsverweigerungsrecht ist immer nochmaßgebend, was der BGH griffig so zusammenfasste: „Der Zeuge kanngem. § 55 StPO die Beantwortung aller Fragen verweigern, durch derenwahrheitsgemäße Beantwortung zwar alleine eine Strafverfolgung nichtzu befürchten ist, die aber als ein Teilstück in einem mosaikartigenBeweisgebäude anzusehen sind und demzufolge zur Belastung desZeugen beitragen können.“Beabsichtigt die Verteidigung einen Zeugen in der Hauptverhandlung alsZeugenbeistand zu begleiten, so ist es ratsam, dies dem Vorsitzendenrechtzeitig mitzuteilen. So kann versucht werden, auch den zeitlichenAufwand in erträglichen Grenzen zu halten. Die Verteidigung hat soauch die Möglichkeit, bereits im Vorfeld auf vorhersehbare Problemehinzuweisen. Sollte ihre eigene Positionen und Auffassung zuvorhersehbaren Diskussionen führen, kann der Verteidiger seinePosition mit einem ausführlichen Schriftsatz vorbereiten.9.2 BerufsgeheimnisträgerIn Betrugsverfahren nach Unfällen besteht für die Staatsanwaltschafthäufig ein Interesse daran, dass auch Rechtsanwälte, die bislang in derUnfallregulierung tätig waren Auskunft über ihr Wissen geben. Diesesind jedoch in der Regel zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigtund verpflichtet (§ 53 StPO, § 203 StGB). Diese Berater sind nurverpflichtet auszusagen, wenn sie von ihrerVerschwiegenheitsverpflichtung entbunden werden.Zur Entbindung von der Schweigeverpflichtung ist nur derBerechtigte/Begünstigte berechtigt; sind mehrere gesetzlich geschützt,müssen alle mit der Entbindung von der Schweigeverpflichtungeinverstanden sein.


Wolfgang <strong>Ferner</strong>Der Verteidiger im <strong>Ermittlungsverfahren</strong> 3.10Seite 28 von 289.3 Der SachverständigeAufgabe der Verteidigung ist es, zu prüfen, ob der Sachverständigeseine Kompetenzen und seine Beauftragung überschritten hat.Hierbei muss sich die Verteidigung stets darüber klar sein, dass dieFeststellung der Tatbestandsvoraussetzungen allein Aufgabe desGerichts ist. Lediglich zur Bewertung der diese Tatbestandsmerkmaleausfüllenden Tatsachen kann sich das Gericht der Hilfe einesSachverständigen bedienen.Aufgabe der Verteidigung ist es daher, schon bei der Beauftragung desSachverständigen darauf hinzuwirken, dass dieser lediglich seineSachkunde einsetzt und nicht rechtliche Bewertungen vornimmt. <strong>Das</strong>ideale Gutachten kommt völlig ohne den Gebrauch rechtlicher Terminiaus - der Gebrauch des Gesetzestextes, insbesondere in derZusammenfassung, legt eine Überschreitung der Aufgaben und derKompetenz des Sachverständigen nahe. Formulierungen undSchlussfolgerungen wie: „Damit liegen die Voraussetzungen derSchuldfähigkeit eindeutig nicht vor“ stehen dem Sachverständigen nichtzu, gerade diese Feststellung ist Aufgabe des erkennenden Richters!Aufgabe der Verteidigung ist es weiter, auch auf Nebentöne imGutachten und den mündlichen Ausführungen in der Hauptverhandlungzu achten.

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