Thomas Baumann42Thomas Baumanns Wallsilver ist eine maschinengetriebeneSkulptur, die in ihren periodischen Kontraktionenständig neue Formvarianten zum Vorscheinbringt. Ein Rahmen, mit Silberfolie bespannt, dahinterein computergesteuerter Motor und dazu die entsprechendeMechanik – diese Versuchsanordnungreicht, um zu demonstrieren, welch unendliche Vielfaltim Mechanismus einer endlichen Apparatur angelegtsein kann. Dabei geht das auf einer Art Sockelaufbauende Arrangement über den Aspekt <strong>der</strong>„Autogenese“ hinaus – sprich: jenen verblüffend animistischenEffekt, wonach die Skulptur, unabhängigvon aller Betrachterleistung, mit einem Eigenlebenausgestattet ist. Da ist zunächst die anthropomorpheProjektion, wonach den immer neuen Krümmungenund Faltungen, welche die Maschinerie hervorbringt,zwangsläufig etwas Organisches eignet. Als würdesich eine verhüllte Figur in endlosen Verrenkungenüben und doch nicht aus <strong>der</strong> übergestülpten Hautschlüpfen können. Und mehr noch: Der potenziellunendliche Zyklus aus Deformation und Re-Formationweist auf ein allgemeines Moment hin, nämlichauf ein dezidiert „maschinisches“ – im Gegensatz zueinem bloß „repräsentierenden“ – Unbewussten. EinUnbewusstes, das mehr mit den Brüchen und Einschnitteninnerhalb eines kontinuierlichen Energiestromeszu tun hat als mit dem immer schon Verdrängtenund Unterdrückten.Das Paradoxe an einer Arbeit wie Wallsilver ist,dass sie gleichsam ohne subjektives Zutun, ohnejeglichen „menschlichen Faktor“, son<strong>der</strong>n einzigüber den sich entfaltenden maschinellen Prozesseine Ahnung davon vermittelt, was Subjektivität ausmacht.Wie das Spontane und Emotive, das man gemeinhinmit Subjektivität und Individualität verbindet,aus <strong>der</strong> programmierten Selbsttätigkeit des maschinellenGefüges resultieren und nicht dessen„An<strong>der</strong>es“ darstellen. Genau darin liegt die gespenstischeAnmutung begründet, in <strong>der</strong> Apparatur seigleichsam etwas Lebendiges am Werk, als sei darinetwas Subjektartiges gefangen gehalten, das in immerneuen Deformierungen seinen Ausdruck sucht.Das scheinbar geordnete, vorprogrammierte undselbsttätige Wie<strong>der</strong>holungsverhalten ist es, im Zugedessen die sich entwickelnden Differenzen etwas zutiefstSubjektives – von befreienden Abweichungen
THOMAS BAUMANNWallsilver, 1999/2007(12 Phasen)Technische Folie, Antennen,Steuerung, Motor180 x 180 x 33 cm43