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Thema - Junge Liberale

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jung & liberal | Ausgabe 4/2006 | F 54017 | ISSN 1860-5648jung & liberal 4|06Das Mitgliedermagazin der <strong>Junge</strong>n <strong>Liberale</strong>nStaatlich geplant, staatlich erzogen, staatlich überwacht:Kommt der erzieherische Staatwieder in Mode?Außerdem: Gewalt in Computer- und Videospielen| Big Brother wird zur Big Nanny | Auf nach Jamaika!


InhaltVorwortZeit, dass sich was dreht.Jamaika!Seite 4Neue Spielwiesen fürstaatliche Erziehung entdeckt> Impressumjung & liberal ist das Mitgliedermagazin des Bundesverbandesder <strong>Junge</strong>n <strong>Liberale</strong>n. Es erscheintviermal jährlich. Zu beziehen ist jung & liberal perAbonnement, Mitglieder der <strong>Junge</strong>n <strong>Liberale</strong>nenthalten das Magazin automatisch im Rahmen ihrerMitgliedschaft. jung & liberal wird gefördert ausMitteln des Bundesministeriums für Familien, Senioren,Frauen und Jugend (BMFSFJ).Herausgeber: Bundesverband <strong>Junge</strong> <strong>Liberale</strong> e.V.,PF 540243, 10042 Berlin, Telefon: (030) 28388791,Telefax: (030) 28388799, E-Mail info@julis.deChefredaktion (V.i.S.d.P): Jan Krawitz,Telefon: 0163/5504929, E-Mail: mail@jan-krawitz.deRedaktion: Sven Janka, Niels Kohrt, Petra Pabst,Katrin Säckel, Christopher Vorwerk, Sven GörgensMitarbeit: Patrick Arora, Fabian Gruber, Ann-KristinHanell, Julian Kirchherr, Eva Christina Scharbatke,Sascha Vetterle, Alexander Vogel, Daniel Walther,Sabine Weisel, Kati WollschlägerTitelfoto: istockphoto.com S.4/5, S.14/15, S.18/19,Chicago University S.9www.sxc.hu S.10/11Gunther Beck S.6Jakob Huber S. 16Trialon/Kläber S.20/21Auflage: 11 000 ExemplareMehrheitsherrschaft durchUmerziehungSeite 10Gewalt in ComputerundVideospielenSeite 12Zeit, dass sich was dreht: Jamaika! Seite 4Armut bekämpfen Seite 6Milton Friedmann – Der Freiheitskämpfer Seite 8Mehrheitsherrschaft durch Umerziehung Seite 10Big Brother wird zur Big Nanny Seite 12Gewalt in Computer- und Videospielen Seite 14NPD-Verbot Seite 16Vätermonate Seite 18Deutschland im Abmahnwahn Seite 19Sozial? Seite 20Die Julis machen‘s vor?!– Länderfusion Seite 21Vermischtes Seite 21Leserbriefe Seite 23Gestaltung: shipyard Werbeagentur | www.shipyard.deMit dem Namen des Autors versehene Beiträge gebennicht unbedingt die Meinung der Redaktionwieder. Nachdruck mit Quellenangabe erwünscht,Belegxemplar erbeten. Für unverlangt eingesandteFotos und Manuskripte übernehmen wir keine Haftung.ie Supernanny erfreut sich nichtD nur im Fernsehprogramm seitgeraumer Zeit großer Beliebtheit,nein der Nannystaat, der erzieherischeStaat, scheint bei allen politischenRichtungen wieder in Modezu kommen. Jetzt mag man entgegnen:Dies war jenseits des Liberalismusschon immer so. Richtig,doch zu Zeiten der Großen Koalitionscheint die neue Neigung zum Normativeneine Renaissance der besonderenArt zu erleben. Wenn esum Sicherheitsfragen ging, habendie Konservativen schon immer nach dem starken Staat gerufen. Wennes um die Bildung des Nachwuchses ging, wollten die Sozialdemokratenschon immer den Erziehungsauftrag beim Staat wissen.Doch nun haben sowohl Linke als auch Rechte neue Spielwiesen entdeckt.Die CDU entdeckt plötzlich die Gleichberechtigung, möchte sie abermit den Vätermonaten am besten gleich aufoktroyieren. Die SPD, frühernoch für „laissez-faire“ in der Ausländerpolitik, entdeckt die Möglichkeitmit den Integrationskursen nicht nur Demokratie-Verständnis aufzubauen,sondern den Migranten gleich ihr traditionalistisches Geschlechterbild„wegzuerziehen“.Um im Jargon der Pädagogik zu bleiben: Der laissez-faire-Stil hat ausgedient,die autoritäre Erziehung ist wieder angesagt. Und das gleich in allenLebenslagen. Und in einer Großen Koalition ist die Versuchung, dem Bürgerendlich mal den richtigen Weg weisen zu können, besonders groß. DieZEIT traf mit der Formulierung „der Nanny−Staat empfiehlt sich als Kur fürdie Selbstzerstörungstendenzen der liberalen Gesellschaft, doch in Wahrheitist er Teil der Krankheit“, den Nagel auf den Kopf.Wenn <strong>Liberale</strong> nun den Erziehungsstaat geißeln wollen, müssen sie aberaufpassen, dass sie nicht in die übliche Rhetorik „Mehr oder weniger Staat“verfallen. Es geht nicht um mehr oder weniger Staat. Es geht um den Irrglauben,das Bewusstsein des Bürgers durch Verbote, Vorschriften und Regelungenändern zu können. Doch durch Verbote von „Killer-Spielen“ reduziereich keine Gewalt an Schulen, staatliche Überwachung kann nichtden gesetzestreuen Bürger züchten und durch Parteiverbote bekämpfe ichnicht rechtsradikale Gesinnung. In Zeiten, in denen die Regelungsmöglichkeitendes Staates faktisch schwinden, darf die sich allzuständig fühlendestaatliche Gouvernante nicht sagen „jetzt erst recht“ und sich in Wertedebattenflüchten, sondern muss jenseits von staatlicher Erziehung nüchterndie aktuellen Probleme angehen.Viel Vergnügen bei der Lektüre!Jan Krawitz, mail@jan-krawitz.de0203


News BlindtextNewsZeit, dass sich was dreht: Auf nach Jamaika!Warum FDP und Grüne zusammen passen könnten> von Patrick Arora0405Jamaika – der Name dieser Trauminselfür gestresste Mitteleuropäergeistert seit dem Abend der letztenBundestagswahl durch die Medien.Jörg Schönenborn, ARD-Wahlkampfberichterstatter,erfand diesen Begriffam Wahlabend und illustriertedamit aufgrund der Landesfarbeneine mögliche Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen.Mit der offensichtlichen Unfähigkeitder großen Koalition, die Problemedes Landes anzugehen, hat die Diskussionenüber eine solche Koalitionsmöglichkeitin diesem Sommerplötzlich wieder an Fahrt gewonnnen– flankiert durch Umfrageergebnisse,die einem Zweierbündnis jenseits dergroßen Koalition keine rechnerischeMehrheit prophezeien.Jörg-Uwe Hahn, Landes- und Fraktionsvorsitzenderder FDP in Hessen,und Matthias Berninger, Landesvorsitzenderder Grünen in Hessen, liefertensich im Sommer über die GazettenDuelle über die Frage, ob ein Bündnisaus FDP und Grünen zusammenpassenwürde.Die Antwort kann nur lauten: Ja– wenn beide guten Willens sind.Selbstverständlich werden beideSeiten im Falle von Koalitionsverhandlungenbestimmte Forderungenaufstellen, an denen sie nicht rüttelnlassen werden. Bei den Grünen wirdes die Beibehaltung des Atomausstiegssein, bei der FDP die Forderungnach einem einfachen und niedrigerenSteuersystem.Aber sind diese Hürden höher alsdiejenigen, die die große Koalition zuüberwinden hatte, als sie sich einanderfür vier Jahre die Ehe versprach?Und hat nicht die staatsgläubige SPDmit der FDP in Rheinland-Pfalz vieleJahre gute Politik gemacht?Auf beiden Seiten müssenVerkrampfungen gelöst werdenEs müssen auf beiden Seiten Verkrampfungengelöst und Irrglaubenaufgegeben werden – bei den Grünender Glaube, die FDP bestehe einzig aussozial kalten Kapitalisten, und bei derFDP der Glaube, die Grünen seien allenoch öko-sozial bewegte 68er. Wennsich die FDP von ihren Vorstellungentrennt, die Grünen seien die Schmuddelkinderder Nation und sich dieGrünen für einen Weg zur Mitte entscheidenund gegen einen Weg zurLinkspartei, kann ein solches BündnisZukunft haben.Die Übereinstimmungen im Detailsind größer als man glaubt: in der Innen-und Rechtspolitik, in der Familienpolitikund der Europapolitik wärenviele Vorstellungen relativ problemloszu vereinen.Es ist nicht zu leugnen, dass es auchDifferenzen gibt: in der Forschungspolitik,in der Umweltpolitik und inder Verkehrspolitik müssten Kompromissegefunden werden. Die Grünenmüssten sich daran gewöhnen, dassnicht für jedes gesellschaftliche Problemein Beauftragter bestellt oderein Gesetz geschaffen werden kannund die FDP müsste akzeptieren, dasses am Markt auch Ungleichheiten gibt,die im Interesse des Marktes selbst zuGunsten des Verbrauchers ausgeglichenwerden müssen.Aber wäre die Kompromissfindungaus Sicht der FDP schwieriger als eineKompromissfindung mit der CSUin der Innenpolitik? Warum soll dieSPD, die ständig von höheren Steuernspricht, in Berlin mit erklärten Sozialistenregiert und fast institutionell mitden sozial-reaktionärsten Gruppendieses Landes, den Gewerkschaften,verbunden ist, ein möglicher Koalitionspartnerder FDP sein, die Grünenaber nicht?Es gäbe genug gemeinsame Projekte:Nachhaltigkeit in den sozialenSicherungssystemen, eine echte Konsolidierungdes Bundeshaushalts, dieLoslösung der Kosten für die sozialeSicherung vom Faktor Arbeit unddie Gestaltung des EinwanderungslandesDeutschland seien hier nurals Beispiele genannt. Gemeinsammit progressiven Köpfen in der Union– wie Philipp Missfelder oderHildegard Müller – könnte man dieseFragen angehen.Die Grünen haben kluge Köpfe in ihrenReihen – Matthias Berninger ist danicht der einzige. Gerhard Schick, AnjaHajduk, Margareta Wolf oder ChristineScheel sind Finanz- und Wirtschaftspolitiker,mit denen es sich aufhohem Niveau zu diskutieren lohnt.Selbstverständlich haben sie alle ihregrüne Vergangenheit und ihr grünesProfil, aber es ginge bei einer Zusammenarbeitum ein Zweckbündnis aufZeit und nicht um eine Liebesheirat.Zweckbündnis auf Zeit undnicht eine LiebesheiratIn der Bevölkerung mag dieses Bündnisnach den Umfragen noch nichtsehr populär sein. Vielleicht liegt dasaber auch schlicht daran, dass einsolches Bündnis noch als unvorstellbargilt.Jahrelang haben sich Grüne undFDP wechselseitig beschimpft undgegenseitig für alles Unheil dieserWelt verantwortlich gemacht. Das lagvielleicht auch daran, dass beide imgroßstädtisch-gebildeten Klientel ihreWähler gesucht haben. Und wer dengleichen Kunden erreichen will, reagierteben besonders allergisch aufdie Konkurrenz, um selbst als groß zuerscheinen.Groß sind aber vor allem die Probleme,die es zu lösen gilt. Und die sogenannte große Koalition, die überalle denkbaren Mehrheit verfügt, istganz offensichtlich nicht der Lage, dieProbleme auch nur ansatzweise zulösen. Warum sollte man also nichtauch mal Unvorstellbares denken?Eine Koalition besteht aus der Zusammenarbeitin der Sache, abervor allem auch aus einer Zusammenarbeitvon Menschen. Hiergilt es schlicht, für die Zukunft Berührungsängsteabzubauen unddas gegenseitige Überziehen mitSchmähungen aufzugeben – kurz:Vertrauen zu schaffen. Die Zukunfthat begonnen: es ist Zeit, dass sichwas dreht!Patrick Arora (28) ist Datenschutzbeauftragterdes JuLi-Bundesvorstandesund wissenschaftlicherMitarbeiter bei einem FDP-Bundestagsabgeordnetenin Berlin. Ihr erreichtihn unter PArora269@aol.comjung & liberal Ausgabe 4|2006


NewsNews0607Armut bekämpfen – Leistung ermöglichenDer 33. Bundeskongress der JuLis in Jena> von Ann-Kristin Hanellauszusehen hat. Auch <strong>Liberale</strong> müssensagen können: Wenn du nichtmehr in der Lage bist, dir selber zuhelfen, dann ist der Staat für dich da.Damit es aber nicht zu dieser Situationkommt, sollen Anreize aber auchAngebote gesetzt werden, am gesellschaftlichenLeben teilzunehmen. Sohaben die JuLis erneut die Wichtigkeitdes Bürgergelds hervorgehoben,das alle anderen steuerfinanziertenTransferleistungen ersetzen soll. Essoll bei 700 € liegen und durch hoheFreibeträge Anreize zu eigenen Leistungenbieten.„Armut bekämpfen –Leistung ermöglichen“Nach langer und intensiver Debattesprachen sich die Delegierten gegeneine Privatisierung der Arbeitslosenversicherungaus. Vielmehr soll dieArbeitslosenversicherung konsequentvon sämtlichen versicherungsfremdenLeistungen befreit werden. Beider Kranken- und Pflegeversicherungsteht die Abschaffung der Lohnabhängigkeitim Mittelpunkt, die gesetzlicheKV soll durch eine „Pflichtzur Versicherung“ abgelöst und privatisiertwerden. Gleiches gilt für diePflegeversicherung, die in die „Pflichtzur Versicherung“ integriert werdensoll. Die Rentenversicherung soll, wiedie JuLis seit langem fordern, voll Kapitalgedeckt sein und somit „demographiefest“werden.Die Entwicklung von Kindern und Jugendlichenzu selbstständigen Menschenist eine besondere Aufgabe desStaates, wie es der Antrag formuliert.So soll das Ehegattensplitting durchein Familiensplitting ersetzt werden.Das Kindergeld soll bei 30% des Bürgergeld-Maximalbetragsliegen, einhalber Kindergeldsatz soll bereits abdem dritten Schwangerschaftsmonatgezahlt werden. Zudem soll Rechtsanspruchauf kostenlose, flächendeckendeKindergärten auch für unter3-Jährige verwirklicht werden.Die Rehabilitation und Teilhabe vonMenschen mit Behinderung war einweiterer wichtiger Aspekt des Antrages.Nicht nur Gewährung der Fürsorge,sondern auch Beseitigung vonHindernissen und Teilhabe an der Gesellschafthieß die Prämisse. Im Einzelnenbedeutet dies: medizinischeRehabilitation, persönliches Budget(individuell ermittelter Hilfebedarf),gemeinsame integrative Kindergärtenund Schulen sowie die Forderungan Unternehmen, ab 100 Arbeitnehmern3% der Stellen an Menschen mitBehinderung zu vergeben.Vom Leitantrag ging es direkt zurParty. Nach dem Änderungsanträge-Marathon feierten die JuLis ausgelassenund lange in der „Neuen Mitte“ inJena. Außerdem verabschiedeten sieden langjährigen Bundesgeschäftsführerder JuLis Jürgen Stindt, der nunals Referent für Guido Westerwellearbeitet.Partystimmung in der „Neuen Mitte“Westerwelle selber war dann sonntagszu Gast auf dem BuKo. Nacheiner kurzen Rede nahm er sich Zeit,ausführlich mit den Delegierten überdie aktuellen politischen Themen zudiskutieren. Kritik gab es in der Aussprachevor allem zu seinen Aussagenzum Libanon-Konflikt und der personellenKonzentration in der FDP aufseine Person, sowie zur schwammigenPosition der FDP in der Sozialpolitik.In dem straffen Programm behandeltendie JuLis am Sonntag noch zweiweitere Anträge. Die Einführung einerFlat-Tax und die Forderung nach demSingen der JuLi-Hymne zu Kongressbeginnwurden abgelehnt.Alle Anträgesind im Volltext in der Beschlusssammlungauf www.julis.de zu lesen.Ann-Kristin Hanell (20) ist Kreisvorsitzendeder JuLis Rastatt. Ihrerreicht sie unter hanell@julis.de0607Vom 28. bis 29. Oktober fandensich in Jena zahlreiche JuLis zusammen,um am 33. Bundeskongress(BuKo) teilzunehmen. Viele reistenschon am Freitag an, denn erstmaligfand ein Neumitgliederseminar parallelzum BuKo statt. Zudem lud amFreitagabend die FDP traditionell zumFraktionsempfang. Die FDP-BundestagsfraktionsmitgliederDirk Niebel,Jörg van Essen, Uwe Barth und HorstMeierhofer standen nach dem Essenzur Diskussion über die aktuellen politischenDebatten zur Verfügung. ImMittelpunkt stand vor allem die Haltungder Fraktion zum Libanon-Einsatzder Bundeswehr.Nach Kongressbeginn am Samstaglauschten die Delegierten des BuKoeinem Gast der etwas anderen Sorte:Heribert Prant, Ressortleiter Innenpolitikder Süddeutschen Zeitung,sprach zu den JuLis über das <strong>Thema</strong>Sozialpolitik.Ein Gast der etwas anderen SorteEs war seine erste politische Veranstaltungdieser Art, die er aber unbedingtmiterleben wollte. Er selber, allesandere als ein <strong>Liberale</strong>r, zeigte sichdennoch begeistert über die Einstellungder JuLis zum <strong>Thema</strong> Menschenrechte.Außerdem lobte er das LeitthemaSozialpolitik des Kongresses, dasauch beim nächsten Bundesparteitagder FDP eine Rolle spielen wird und beidem die JuLis entscheidende Akzenteinnerhalb der FDP setzen wollen.Im Anschluss nahmen sich die Delegiertendes Leitantrages „Armutbekämpfen – Leistung ermöglichen“an. Über 100 Änderungsanträge undrund 8 Stunden später wurde er mitgroßer Mehrheit beschlossen.Demnach soll Sozialpolitik vor Existenzbedrohungund Armut schützen.Den JuLis ging es vor allem darum,jenseits des vereinfachenden Slogans„sozial ist, was Arbeit schafft“aufzeigen, wie moderne Sozialpolitikjung & liberal Ausgabe 4|2006


NewsNewsMilton Friedman* 31. Juli 1912 † 16. November 2006.Milton Friedman – Der Freiheitskämpfer> Eine Hommage von Julian KirchherrDen meisten Argumenten gegenden freien Markt liegt einmangelnder Glaube an die Freiheitselbst zugrunde.“ Milton Friedman,31. Juli 1912 – 16. November 2006.In jedem Jahrhundert gibt es einigewenige Menschen, die ihre Welt sofundamental veränderten, die Gesellschaftso tiefgehend prägten, dass sichdie Menschheit auf Ewigkeit an sieerinnert. Mit dem Tod der letzten Koryphäedes zwanzigsten Jahrhunderts,Milton Friedman, geht wieder ein bemerkenswerterMann der Welt verloren.Sein Gedankenwerk aber bleibt erhaltenund wird weiterhin unser Lebenbeeinflussen.Wer aber war eigentlich dieser Ökonom,den trotz seiner nicht zu übertreffendenLeistungen und seinem immensenpolitischen Einfluss, kaum einEuropäer wirklich kennt? Was warendie Leistungen des großartigsten <strong>Liberale</strong>ndes vergangen Jahrhunderts?Wer war eigentlichdieser Ökonom?Als Kind europäischer Einwandererbegann Friedman mit sechzehn Jahrenein Studium der Mathematik ander Rutgers University, setze seineakademische Laufbahn dann 1932an der University of Chicago fort undwandte sich den Wirtschaftswissenschaftenzu. In Chicago bildete er spätereinen verschworenen Zirkel überzeugterund einflussreicher <strong>Liberale</strong>r.Friedman fühlte sich aber in seinenAnfangsjahren besonders zum Keynesianismushingezogen, der staatlicheEingriffe in die Wirtschaft propagierte.Da seine damalige Einstellung konformwar mit der Politik von FranklinD. Roosevelt, arbeitete er Anfang dervierziger Jahre im Finanzministerium;später bezeichnete er diese Zeitals „den größten politischen Fehlermeines Lebens“.„Der größte politische Fehlermeines Lebens.“Je mehr sich der kleine Mann jedochmit den Lehren des Keynesianismusbeschäftigte, desto unglaubwürdigererschienen ihm diese. 1957 dann dieFolge: „A Theory of the ConsumptionFunction“. Bis dahin stand derKeynesianismus außer Frage. Der Liberalismuslag am Boden, schließlichschien die Große Depression auf einVersagen der freien Wirtschaft zurückführbarzu sein. Friedman legtemit empirischer Beweisführung aberdas Gegenteil dar: Durch die Reduzierungder Geldmenge durch die amerikanischeZentralbank, durch einenstaatlichen Eingriff also, war die Wirtschaftkollabiert. Staatliche Eingriffeschaden der Wirtschaft, lautete nundas Credo. Die Renaissance des Liberalismus.Sein Werk fand aber zuerst wenigBeachtung, schließlich schien derKeynesianismus hervorragend zufunktionieren. Friedman war ein Außenseiter,aber einer, der nicht aufgabund seine Theorien um den Liberalismus,nun im Gewand des Monetarismusund Neoliberalismus, stetig weiterentwickelte.Wer die Arbeitslosigkeit senken wolle,der müsse nur ein wenig Inflationin Kauf nehmen, so die Keynesianer.Falsch, meinte Friedman, beides stiegebei Inkaufnahme einer Inflation.In den siebziger Jahren stürzte Amerikaplötzlich in eine konjunkturelleKrise – und das trotz des Keynesianis-mus. Friedmans Stunde war gekommen,seine Prognosen bewahrheitetensich. Durch flexible Wechselkurse,das predigte er schon seit gut zwanzigJahren, könne die Konjunktur nachhaltigwieder stabilisiert werden – eineAussage, die gegensätzlicher zumvorherrschenden Keynesianismusnicht hätte sein können. Amerika gingtrotzdem das Risiko dem Ökonomenzu folgen ein – und die Konjunkturstabilisierte sich.„Es ist unmoralisch, den ReichenGeld zu nehmen, um es denArmen zu geben.“Friedman sah sich nun in einerkomfortablen Situation noch mehrereseiner Ideen durchzusetzen. Am27.1.1973 wurde dank seinem Mitwirkendie Wehrpflicht in Amerikaabgeschafft.Der Ökonom schrieb weitere Abhandlungen,auch populärwissenschaftliche,und revolutionierte dasVerständnis für die Makroökonomieund Mikroökonomie. Durch seineFernsehsendungen wie „Free toChoose“ und Kolumnen wurde dieliberale Grundeinstellung in denStaaten salonfähig und auch Beispielfür das Wiederaufleben der europäischen<strong>Liberale</strong>n.1976 dann die zwingenden Folge aufseine glorreichen Leistungen: MiltonFriedman erhielt den Nobelpreis fürWirtschaftswissenschaften. Die Keynesianerbeschimpften ihn als herzlosenKapitalisten, er nahm es gelassen.Margaret Thatcher und Ronald Reaganberiet er während ihrer Regierungszeit;die heutige Wettbewerbsfähigkeitbeider Länder auf Grund derUmsetzung des Theoriengefüges vonFriedman ist bekannt.Jede erfolgreiche Zentralbank weltweitwendet seine Theorie des Monetarismusan, die, vereinfacht ausgedrückt,besagt, dass die Geldpolitik nicht überden Zinssatz, sondern über die Geldmengegeregelt werden müsse.Spätestens nach dem Zusammenbruchdes Sozialismus sah Friedmanden Liberalismus bestätigt. SeineGegner provozierte der Visionär gernemit scharfer Zunge. Deutschlandwünschte er weniger Bürokratie.„Es ist unmoralisch, den ReichenGeld zu nehmen, um es den Armen zugeben.“„Wenn man der Regierung die Verantwortungfür die Sahara übertrüge,gäbe es dort in fünf Jahren einenMangel an Sand.“Dadurch schmälert sich die Leistungdes ersten Befürworters der privatenAltersvorsorge allerdings keinesfalls.Durch seine Kampfansagen an dieKeynesianer förderte er nur die intensiveAuseinandersetzung mit denWirtschaftstheorien.„Regierungen lernen niemals. NurMenschen lernen.“Im Alter von 93 Jahren setze er sichnoch aktiv für die Legalisierung fürMarihuana ein.„Regierungen lernen niemals. NurMenschen lernen.“ Milton Friedman,wir werden dich vermissen!Julian Kirchherr (17) ist Pressesprecherder JuLis Werl. Ihr erreicht ihnunter JulianKirchherr@gmx.net0809jung & liberal Ausgabe 4|2006


Blindtext<strong>Thema</strong>Mehrheitsherrschaft durch UmerziehungSeitdem der politische Kampf pazifiziert wurde, setzen Regierende auf Erziehung der Bürger> von Sascha Vetterle1011Wie viel darf der Staat den Bürgererziehen? Aus liberaler Sicht istdie Antwort auf diese Frage einfach:Gar nicht. Eine offene und freieGesellschaft lebt davon, dass Menschenfrei von staatlichen Zwängenund Beeinflussungen entscheidenkönnen, wie sie ihr Leben selbst gestalten.In einer liberalen Gesellschafterzieht nicht der Staat die Gesellschaft,sondern die Gesellschaft prägt denStaat, durch die Werte, die sie in freierEntwicklung hervorbringt.Nicht der Staat erzieht dieGesellschaft, sondern dieGesellschaft den Staat.Trotzdem besteht in einer Demokratieimmer die Neigung, die Werteder Mehrheit allen anderen auf zuzwingen.Das ist leicht erklärbar. Einemoderne, offene Gesellschaft ist komplex.Ihre Vielfalt bedeutet auch eineVielfalt der Überzeugungen und Interessen.In regelmäßigen Abständenwird eine demokratische Gesellschaftdurch die turnusmäßigen Wahlkämpfeschmerzlich daran erinnert, dass siekein harmonisch geschlossenes Ganzesist, sondern in Parteiungen gespaltenund verschieden ist. Das ist schwerzu ertragen. Vor allem für eine Gesellschaft,die ein Regierungssystem hat,das für sich in Anspruch nimmt, dieHerrschaft des Volkes zu verwirklichen.Jeder Wahlabend zeigt aber, dass nichtdas Volk regiert, sondern dass es Wahlsiegerund Wahlverlierer gibt, also einTeil der Gesellschaft, für befristete Zeit,den anderen Teil beherrscht, um beidem Begriff der Volks„herrschaft“ zubleiben.Dieser Widerspruch zwischen idealgedachter Volksherrschaft und realexistierender Mehrheitsherrschaft verführtleicht zu dem Versuch, diesenGegensatz aufzuheben. Da wir in einerGesellschaft leben, die den politischenKampf pazifiziert hat, geschiehtdies nicht mehr durch diephysische Ausrottung der Minderheit,sondern, zwar subtiler, aber nicht wenigerallumfassend, durch deren Umerziehung.Alle sollen gleich denken,gleich handeln, gleich leben. Menschen,deren Lebensweise von derNorm abweicht, werden aus der Gesellschaftausgeschlossen und stigmatisiert.Ansichten, die von derMehrheitsmeinung abweichen, werdennicht mehr diskursiv bekämpft,sondern staatlicherseits verboten oderdurch gesellschaftlichen Druck zumSchweigen gebracht. Der Staat setztGeld ein, um seine Bürger dazu zu bewegen,ihr Leben nach den Vorgabenund Wünschen des Staates zu gestaltenund Verhaltensweisen, die derStaat missbilligt, abzulegen. Dennder Staat weiß besser als seine Bürger,wie sie zu leben haben. Kindersollen immer früher, am besten vonGeburt an, in (halb)staatliche Betreuungseinrichtungenauf die richtigeNorm geeicht werden.Ziel dieser Vereinheitlichung des Denkensund Lebens ist die Vollendungder Volksherrschaft. Es soll nicht mehrHerrscher und Beherrschte geben,sondern nur noch ein Volk. Ergebnisdieser Politik ist jedoch der Tod derFreiheit. Eine Gesellschaft, die es demStaat erlaubt, darüber zu wachen, werdas richtige denkt und dementsprechendlebt, verkehrt die Idee einerfreien Gesellschaft in ihr Gegenteil.Nicht mehr die Gesellschaft prägtdie Werte des Staates, sondern derStaat wacht über die Werte derGesellschaft. Eine solche Gesellschaftwird zwangsläufig erstarren und,wenn sie längere Zeit in dieser Starreverharrt, innerlich absterben. Holteine Gesellschaft das gesamte Lebender Menschen aus der Privatsphäre indie Öffentlichkeit des Staates, wirdder Zugriff des Staates allumfassend,solche Systeme sind in der Vergangenheitimmer gescheitert undsie werden auch in der Zukunft immerscheitern.Aufgabe des Staates ist es,sicherzustellen, dass seine Bürger tundürfen, was sie wollen, nicht, dass siewollen, was sie dürfen.Aufgabe des Staates ist es, sicherzustellen,dass seine Bürger tun dürfen,was sie wollen, nicht, dass sie wollen,was sie dürfen. Das ist der Unterschiedzwischen einer liberalen Demokratieund einer totalitären Demokratie.Sascha Vetterle (21) ist stv. Vorsitzenderdes Kreisverbandes KarlsruheLand. Ihr erreicht ihn unter:sascha@julis-kal.de.jung & liberal Ausgabe 4|2006


<strong>Thema</strong> Blindtext<strong>Thema</strong>Big Brother wird zur Big NannyDer Terror hat in Deutschland noch keine Menschenleben gekostet,doch die ersten Verluste sind zu vermelden....von Sven Görgens1213T osender Applausist das Geräuschin dem die Freiheit untergeht!“,dieses alte Zitatscheint sich an verschiedenenStellen der Geschichteimmer wieder zu bewahrheiten.Zwar hält sich diedeutsche Demokratie wacker– doch erkennen die Menschenunterschiedlich schnell, an welchenPunkten sich Gefahrenpotentialeaufbauen. Nach denversuchten Kofferbombenattentatenin NRW in diesem Jahr,haben die Freunde der Videoüberwachungfaktisch einen Persilscheinfür ausgedehnte Überwachungder Bürger von ebendiesen ausgestellt bekommen.Dies hat mehr als nur eine Ursache.Die Tatsache, dass die Videoüberwachungssystemedesgeplanten Anschlagortes beider Aufklärung sehr hilfreichwaren, ist natürlich Wasserauf die Mühlen der Personen,die vor allem den Sicherheitsaspektim großen Maßstabimmer wieder als Argumentfür eine verstärkte Videoüberwachungheranführen. Dabeiwird jedoch immer eine Tatsachebewusst verschwiegen.Ob ein Anschlag verhindertwerden kann, oder aber ob dieAufklärung im späteren Verlaufeinfacher zu gestalten ist,das sind noch immer zwei verschiedeneAngelegenheiten.Der Unterschied kann Lebenund Tod bedeuten.Videoüberwachung hat den 11. Septemberund andere Attentate nichtverhindert, und sie hätte auch dasAttentat in NRW nicht verhindernkönnen, die Menschenleben wärenunwiederbringlich verloren gewesen.Wer in diesem Kontext von Sicherheit(durch Kameras) sprechen will, vergehtsich an der Realität. Videoüberwachungdarf nicht als Schutzschildgegen Angriffe terroristischer Naturverstanden werden.Doch leider gewinnt man immermehr den Eindruck, dass genau diesesBild bei den Bürgern vorherrscht. Ebendiese Bürger lassen sich auch mit anderenArgumenten zur freiwilligenAufgabe ihrer Bürgerrechte überreden,denn der Wunsch nach Zucht undOrdnung scheint nicht nur in älterenGenerationen wieder aufzukeimen(oder vielmehr, dort ist dieser Wunschwohl nie verschwunden), auch jüngereMenschen sehen in der Videoüberwachungdie Möglichkeit Ordnungin das Land und die Gesellschaft zubringen.Ob es sich um Graffiti-Sprühereienhandelt, um aufgeschlitzte Sitze inBussen, um Problemschulen oder umLadendiebstahl in privaten Geschäften– die Videoüberwachung gilt gemeinhinals Allheilmittel zur Kurierungdieser gesellschaftlichenAuswüchse. Viele Bürger gebenüberraschenderweise zu Protokoll,dass sie gern eine mehr oder minderflächendeckende Videoüberwachungin Kauf nehmenwürden, denn sie hätten nichts zu verbergen.Daher würde ihnen das nichtsausmachen. Problematisch ist an dieserEntwicklung aber mehr als nur dieTatsache, dass die Bürger leichtfertigmit hart erkämpften Bürgerrechtenhantieren. In der Videoüberwachungwird ein Mittel gesehen, um Erziehungsdefiziteauszugleichen. Dochdies ist ein Irrweg. Denn die Menschendie z.B. Sitze in Bussen aufschlitzenwerden ihre Aggressionen nicht dadurchlos, dass sie nun eben keineSitze mehr aufschlitzen können, da sieunter Videoüberwachung stehen. Entwederfokussieren sie ihre Aggressionauf andere nicht „geschützte“ (neuerdingswerden Objekte und Orte nichtmehr videoüberwacht sondern videogeschützt)Bereiche, oder sie nutzeneinfach die Schwächen der Videoüberwachungstechnikaus. HannahArendt hat einmal gesagt, dass keineStrafe je genügend Abschreckungskraftbesessen hätte, um die Begehungdes Verbrechens zu verhindern.Dieser Fakt kann uns nicht davon abhaltenstrafrechtliche Verfolgungssystemeim Staat zu schaffen und aufrechtzuerhalten.Aber sollten sichKontrolle, staatliche Intervention undweitreichende Eingriffe in den Freiheitsraumder Bürger nicht nur in jenenFällen bewähren, in denen existentielleGüter zur Disposition stehen,sprich in Gefahr sind?Zusätzlich und untrennbar verbundenmit dieser Analyse ist zugleichauch die Frage, ob die eingesetztenMittel überhaupt geeignet sind umdie Güter zu schützen. Es muss hinterfragtwerden, ob bei Videoüberwachungnicht mit großen Geschützenauf kleine Spatzen geschossen wird.Und im gleichen Sinne muss bei derFrage nach Schutz vor terroristischenAnschlägen gefragt werden, ob Videoüberwachungein Mittel zur vorzeitigenVereitelung sein kann – oderletztlich doch nur hilfreiches Mittelbei der Aufklärung. Ob die „vollkommeneSicherheit“ es wert ist die Freiheitdafür zu opfern, ist eine Frage dieman theoretisch stellen kann. Wirklichertragbringend kann sie jedochkaum diskutiert werden, denn warumdarüber nachdenken die Freiheit füretwas zu opfern, was letztlich nichtmehr als eine Schimäre ist.Die JuLis betonen immer wieder,dass fernab der Debatte über denSchutz vor terroristischen Anschlägen,die Videoüberwachung Kriminalitätund „anstößiges Verhalten“ nurin andere Bereiche verlagern wird.Das Argument dieser Verlagerung vonHandlungen in Randzonen wird vonden Befürwortern entweder nicht direktwahrgenommen oder aber mitder größenwahnsinnig anmutendenErklärung versehen, dann dürfe es solche(überwachungsfreien) Randzoneneben nicht geben. Die mögliche Eigendynamikeiner solchen Entwicklung(der totalen Videoüberwachung) dürftegeeignet sein, den Bürgerrechtlerndes Landes ein nicht unerheblichesUnbehagen zu bereiten. Denn auchim hypothetischen Fall, dass die Videoüberwachungvorübergehend füreine Minimierung von kriminellenHandlungen sorgen kann, so ändertdas an den Ursachen für solche Phänomeneleider nichts.Erziehung muss vor allem an einemOrt stattfinden, nämlich in der Familie.Weder der Kindergarten, noch dieSchule und erst recht nicht das überworfeneKonstrukt der totalitären Videoüberwachungwerden letztlichdafür sorgen können, dass der Wertekanonbei den Bürgern kritisch überdachtaufgenommen und gelebt wird.Während Kindergarten und Schule jedochden Erziehungsauftrag der Elternpositiv unterstützen und zugleichfür die jungen Menschen ein Forumbietet um Wertvorstellungen zu erprobenund variiert werden können,ermöglicht die totalitäre Videoüberwachungkeinen solchen Dialog.Die totale Kontrolle und Überwachungim Stil von „1984“ mag sichvielleicht nie realisieren, aber sindnicht die ersten kleinen Schritte in dieseRichtung ebenfalls ein Tabubruch?Ist diese Gesellschaft nicht in derLage im Wechselspiel von Erziehung,Bildungswesen und staatlicher (rechtlicher)Rahmenordnung die Strukturzu finden und zu bieten, die nötig istdamit sie halbwegs harmonisch existierenkann? Wir würden gut darantun uns damit abzufinden, dass wir inverschiedenen Bereichen der GesellschaftDinge ändern müssen. Mehr finanziellenSpielraum für Familien (dasheißt nicht zwangsläufig mehr Geld),mehr elterliche Erziehung und guteBildung werden die ersten Bausteinefür das Fundament dieser Gesellschaftsein, die ohne Flächendeckende Videoüberwachungauskommt – und dafürlohnt es sich einzutreten.Alle Kameras dieser Welt werdennicht verhindern, dass es immerwieder zu Verbrechen und Tragödienkommt, aber eine weltoffene undfreie Gesellschaft wird Wege findendies zu verarbeiten!Sven Görgens (26) ist j&l Redakteur.Ihr erreicht ihn unter:sven.goergens@gmx.dejung & liberal Ausgabe 4|2006


<strong>Thema</strong><strong>Thema</strong>Gewalt in Computer- und VideospielenVerbotsrufe führen zu Stigmatisierung einer ganzen JugendkulturMonokausale Erklärungen für die Tatsind ebenso falsch wie die Behauptung,Computer- und Videospiele hätten keinerleiEinfluss auf Wahrnehmung undVerhalten junger Menschen. Doch waskann und sollte getan werden?Mit der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle besteht ein Gremium,dessen Arbeit zwar ebenfalls nicht freivon Kritik ist, die jedoch bereits heutevor wirklich schlimmen und menschenverachtendenAuswüchsen derSpielehersteller schützt. Aber keinGremium und vor allem kein Verbotkann die Verantwortung der Menschenfüreinander ersetzen.Die Tat des Sebastian B. kam nichtaus heiterem Himmel, es gab reichlichVorzeichen. Eine Sensibilisierung vonLehrern und Eltern dafür, was im Lebender Kinder eigentlich vorgeht, istunerlässlich.Eine Sensibilisierung vonLehrern und Eltern dafür,was im Leben der Kinder eigentlichvorgeht, ist unerlässlich.Die Bereitschaft am Leben und ander Gedankenwelt der Jugendlichenteilzuhaben darf in Zeiten von zunehmenderPerspektivlosigkeit bei gleichzeitigverstärktem Druck auf jungeMenschen nicht an der Tür des KinderoderKlassenzimmers enden. Der vielzitierte Faktor Medienkompetenz istdabei eine zentrale Voraussetzung,die aktiv geschaffen und gefördertwerden muss.Selbst ein Großteil der Politiker lässtdiese Medienkompetenz vermissen.Anders ist die mit den Verbotsrufeneinhergehende Stigmatisierung einerganzen Jugendkultur wohl kaum zuerklären. Andererseits war es in derPolitik schon immer ein gern angewandtesMittel einen Sündenbock zupräsentieren, um vom eigenen Versagenabzulenken. In diesem Fall sind eswohl Computer- und Videospiele, diefür das Versagen in der Bildungs- undJugendpolitik herhalten müssen.Sven Janka (28) ist J&L Redakteur.Ihr erreicht ihn unter:sven.janka@berlin.de> von Sven Janka1415ährend der Recherche zuW diesem Artikel erlangte das<strong>Thema</strong> durch die traurigen Ereignissein Emsdetten neue, tragischeAktualität. Ähnlich dem Amoklaufdurch Robert S. im Jahre 2002 in Erfurtschoss der 18-jährige Sebastian B. inseiner ehemaligen Schule aufzahlreiche Menschen, bevor er sichselbst tötete. Im Gegensatz zu denGeschehnissen in Erfurt wurdediesmal glücklicherweise niemandtödlich getroffen. Zwar sitzt derSchrecken tief, die scheinbar wirklichSchuldigen an dieser Tat warendennoch schnell ausgemacht:Vermeintlich Gewaltverherr lichendeComputer- und Videospiele, imPolitikerjargon auch gern als„Killerspiele“ bezeichnet, sollen ursächlichdafür verantwortlich sein,dass Sebastian B. zum Amokläuferwurde.Die Reflexe der Politiker waren erstaunlichschnell und gut trainiert.Fast so, als hätten sie selbst monatelangan der Konsole für diesen Momentgeübt. Nur wenige Stundennach der Tat, noch bevor die Polizeiüberhaupt intensivere Ermittlungenaufnehmen konnte, wurde bekannt,dass Sebastian B. das Computerspiel„Counter-Strike“ auf seinem heimischenPC installiert hatte. Dieses Spielist seit jeher Lieblingsfeind all derer,die sich sicher sind, dass in deutschenKinderzimmern im Lichte der MonitoreHunderttausende zukünftigeMörder heranwachsen. Die Verbotsrufewurden sehr schnell sehr lautund endlich konnten auch weiterebislang in der Schublade versteckteMaßnahmen vorgeschlagen werden,wie zum Beispiel eine verstärkte Überwachungdes Internets und Datenbankenmit Informationen über gewalttätigeJugendliche.Computerspiele als SündenbockZu den größten Befürwortern einesVerbots von „Killerspielen“ gehört derbayerische Innenminister GüntherBeckstein. Dessen MinisterpräsidentEdmund Stoiber erklärte bei einerRede anlässlich des 53. DeutschenSchützentages 2004: „Tragödien wiediese (Amoklauf in Erfurt, Anm. d.Red.) führen stets dazu, dass dasSchützenwesen insgesamt in Fragegestellt wird. Sofort werden Rufe lautnach einer noch strengeren Reglementierungoder gar einem Verbotvon Waffenbesitz. Das geht am Kernder Problematik vorbei. Entscheidendist doch der Mensch, der mit Waffenumgeht, sein Charakter und seine Persönlichkeit.Die Schützenvereine unterGeneralverdacht zu stellen, ist deshalbfalsch.“Eine erstaunliche Differenzierung, diewohl unter anderem auf die bessereLobby der Schützenvereine zurückzuführenist und in dieser Wortwahl ebensoauf die Nutzer von „Killerspielen“übertragen werden könnte. Sowohl RobertS. als auch Sebastian B. waren Mitgliederin Schützenvereinen, die als Kulturgutbetrachtet werden, währendComputerspiele wohl allenfalls als Un-Kultur bezeichnet werden. Doch wieman eine Waffe lädt, hält, mit ihr anlegt,zielt und feuert, lernt man nicht mit derMaus oder dem Joystick.1415jung & liberal Ausgabe 4|2006


<strong>Thema</strong><strong>Thema</strong>NPD-VerbotEin Parteiverbot ist keine erzieherische Maßnahme für deren Anhänger.Der Staat sollte vielmehr die Ursachen des Rechtsextremismus bekämpfen.> von Sven GörgensDer Ausspruch „Alle Jahre wieder...“passt nicht nur in die besinnlicheWeihnachtszeit, auch bei der Auseinandersetzungmit der NPD trifft erimmer wieder den Zeitgeist. Intrauriger Regelmäßigkeit wenden sichPolitiker, Juristen, Politikwissenschaftlerund Personen des öffentlichenLebens diesem <strong>Thema</strong> zu unddebattieren darüber, ob die NPD alsPartei nun verboten werden sollteoder vielleicht auch nicht.Die Fragen jenseits von „Sein odernicht Nichtsein“, von „nicht verbietenoder verbieten“ und von „falsch oderrichtig“, die aber den Kern der Diskussionausmachen würden, werdennur von den Wenigsten berührt.Immer wieder gern vergessen undauch verdrängt wird die Tatsache, dassdas Verbot der NPD die Existenz vonrechtsextremem Denken nicht berührenwird. Laut einer Studie derFriedrich-Ebert-Stiftung haben knappneun Prozent der Menschen in Deutschlandein geschlossenes rechtsextremesWeltbild. Es ist in allen gesellschaftlichenSchichten zu finden undist somit kein Randgruppenphänomen,welches mit einer Universallösungaus der Welt geschafft werden kann.Rechtsextremismus ähnelt in seinenEigenschaften und in seinem Vorkommeneinem Krebsgeschwür, dassich langsam und stetig in dieGedanken der Menschen frisst. Dochglücklicherweise hinkt diese Metapheran einer besonders wichtigen Stelle:Das Übel bei der Wurzel zu packen, istbezüglich des Rechtsextremismuszumindest theoretisch einfacher.Doch es ist nicht, wie manche glauben,die NPD, die die Wurzel allen Übelsdarstellt. Sie ist letztlich nur dieMetastase, die aber, wenn sie beseitigtwird, früher oder später an andererStelle und vielleicht in anderer Gestaltwieder auftaucht.Die Gesinnung des Menschenist entscheidendDie Gesinnung des Menschenist der Punkt an dem angesetztwerden muss. Rechtsextremismusist keine ideologische Glocke, dieden Menschen übergestülpt werdenkann und die daraufhin funktioniert.Der Rechtsextremismus kann nichtUrsache, sondern allenfalls Symptomsein. Die Ursachen für rechtsextremesDenken liegen tiefer.Deutschland – das Einwanderungsland,das sich genau diese Bezeichnunganzieht und abstreift, wie es derjeweiligen Regierung gerade passt.Ein Land, das bei der Integration vonausländischen Bürgern auf vollerFront versagt und eine Gesellschaftkreiert hat, die nur in ganz wenigenFällen wirklich eine Gesellschaftdarstellt. Die Parallelgesellschaft istdie bittere Realität und sie ist zugleichder Nährboden für Rechtsextremismus.Versehen mit Saatgut, wie einemschlechten Bildungssystem und einerimmer größer werdenden Scherezwischen Arm und Reich, gedeihtprächtig das, was eine Partei wie dieNPD letztlich nur ernten muss. DasBauernopfer NPD wird also an dergrundsätzlichen Problematik nichtsändern. Und dennoch sei gesagt: DasVerbot der NPD ist richtig. Sie mussverboten werden, weil sie nationalsozialistisch,antisemitisch, rassistischsowie antidemokratisch geprägt undoperativ ausgerichtet ist. DiesesVerbot muss verstanden werden alsKraftakt einer Demokratie, die aus derWeimarer Republik gelernt hat. Demwilden Treiben der NPD haben wirlange genug zugeschaut und demkann und muss ein Ende gesetztwerden. Eine Partei, die der Verfassungnicht genügen kann und auch nichtmöchte, die explizit ein Weltbildkreiert, in dem viele Menschen außenvor gelassen werden (und um ihrLeben fürchten müssen), eine solchePartei kann in der BundesrepublikDeutschland nicht existieren.Doch das kann und darf nicht allessein. Das Verbot der NPD ist keineerzieherische Maßnahme, die denAnhängern von heute auf morgenbewusst macht, dass sie eventuelleiner falschen Politik gefolgt sind. DerStaat sollte sich hüten, an dieser Stelleerziehen zu wollen, sondern er solltezunächst versuchen, die Ursachen zubekämpfen und den Menschen somitzu veranschaulichen, dass es auchandere Weltbilder gibt, die nicht nurals besser dargestellt werden, sondernauch funktionieren.Zudem ist Vorsicht geboten. DasVerbot der NPD kann zunächst zueiner Trotzreaktion bei den Menschenführen, die in der Politik der NPD einZuhause gesehen haben. DieAusschaltung „von oben“ muss vonumfassenden Maßnahmen begleitetwerden, die den Bürgern verständlichmachen warum ein solcher Schrittnötig wird.Ein verständliches Urteil ist nötigEin Bundesverfassungsgerichtsurteil,das nur Juristen und Politikerlesen können, wird an dieser Stellenicht ausreichen, um diesen weit reichendenEingriff auch jenen Menschenzu verdeutlichen, die nicht die nötigeSachkenntnis besitzen, um derartschwierige Argumentationskonstruktionennachzuvollziehen. Denn dieseMenschen, die sich nach Sicherheitsehnen, nach der starken Hand, dieihnen den Weg zeigt, und womöglichauch eine Einheitspartei befürwortenwürden – diese Menschen werdennicht zwangsläufig einsehen, dass dieNPD in unserem demokratischen Spektrumein Relikt längst vergangener„Werte“ ist (von denen viele nie Wertehätten sein dürfen).Deutschland hat während der WMtrotz der NPD zeigen können, dass wirein gastfreundliches Land sein können,wenn wir nur wollen. Vielleicht ist esjetzt an der Zeit, dass wir ohne dieNPD auch dauerhaft ein gastfreundlichesLand sind und beginnen diesumzusetzen.Sven Görgens ist j&l Redakteur.Ihr erreicht ihn unter:sven.goergens@gmx.de1617jung & liberal Ausgabe 4|2006


<strong>Thema</strong>LiberalVätermonate –Wer erzieht hier eigentlich wen?Mit staatlich verordneten Modellen lassen sich keine Musterfamilien heranzüchten> von Katrin SäckelDeutschland im Abmahnwahn–Recht ist nicht Gerechtigkeit> von Fabian GruberWas auch immer man von demneuen Elterngeld und den sogenannten Vätermonaten hält, einesmuss man neidlos anerkennen: Dasneue Modell zur Förderung von Familienhat eine Debatte losgelöst, dieschon längst überfällig war. Auch vieleErz-Konservative haben sich plötzlichzu Wort gemeldet, sahen sie doch ihr„altes“ Weltbild wanken – schließlichist Kinderbetreuung aus ihrer Sichtimmer Frauensache gewesen. Zumindestein Ziel hat das neue Elterngeldmodelldamit nicht verfehlt: Nachzudenkenüber eine intensivere Förderungvon Familien, aber auch über neueModelle der Kinderbetreuung und derenfinanzielle Unterstützung.In diesem Zusammenhang stellt sichdie Frage, wie stark Familien gefördert,aber auch gefordert werden müssen:Sollen Familien, in denen auch derVater eine berufliche Auszeit für denNachwuchs nimmt, stärker finanziellunterstützt werden? Und insbesondere:Soll den Familien, die sich gegendie Vätermonate entscheiden, auchein geringerer staatlicher Zuschusszur Verfügung gestellt werden?Schließlich hat man einen Kompromissfinden können, der die Väter bewusstfordern und fördern will, jedochauch Familien, die sich gegen diesesModell entscheiden, nicht schlechterstellt. Wer die kompletten 14 MonateElterngeld in Anspruch nehmen will,muss sich abwechseln – auch derVater muss mindestens zwei Monateseine Berufstätigkeit einschränken.Kümmert sich nur ein Elternteil umdas Kind, gibt es das Elterngeld nur für12 Monate.Gezahlt werden insgesamt 67 Prozentdes bisherigen Nettoeinkommens,maximal 1800 Euro netto monatlich.Mütter und Väter, die nichtberufstätig sind, erhalten auch Elterngeld.Für sie gibt es einen so genanntenSockelbetrag von 300 Euro monatlich.Auch hier gibt es den Sockelbetrag 14Monate lang, wenn sich beide Elternteileum das Kind kümmern. Alleinerziehendeerhalten das Elterngeld injedem Fall 14 Monate lang.Zwei Monate also als Bonus für alldiejenigen, die sich die Kinderbetreuungteilen wollen und können. Aberist das Modell wirklich umsetzbar?Welcher Arbeitgeber verzichtet schongern für zwei Monate auf seinenAngestellten? Ein zu kurzer Zeitraum,um vorübergehenden Ersatz zu organisieren.Die Idee, Väter stärker in die Verantwortungzu nehmen, ist auf jedenFall richtig – zwei Monate sind dabeisicherlich auch nur ein Ansatz, siezeigen zumindest den guten Willen.Schön, dass auch den Vätern dieMöglichkeit gegeben wird, ohneschlechtes Gewissen einmal uneingeschränktfür die Familie da sein zukönnen. Aber ging das nicht bisherauch schon? War dazu wirklich einneues Gesetz notwendig? Ein Gesetz,dass die genauen Zeiträume festlegtund wenig Spielraum für Individualitätlässt?<strong>Junge</strong> Familien stärker zu fördern,Anreize für mehr Familie zu schaffen,war längst überfällig. Aber mit diesemunflexiblen Modell, mit starren, vorgefertigtenZeiträumen, kann sich derStaat keine Musterfamilien erziehen.Schließlich sollte jede Familie immernoch selbst entscheiden können, wiesie ihre Kinder erziehen will.Und ist ab jetzt ein Vater, der dieseAuszeit nicht nehmen möchte undsich lieber nach Feierabend bestmöglichum seine Kinder kümmert, auchgleich ein schlechter Vater? Mit einemstaatlich verordneten Modell, das Gefahrläuft ganz bewusst auch nachguten und schlechten Eltern zu sortieren,darf man ein so wichtiges<strong>Thema</strong> nicht einfach abhandeln.Katrin Säckel (29)ist J&L Redakteurin.Ihr erreicht sie unter:katrin.saeckel@gmx.deDas vor Gericht Recht und nichtGerechtigkeit gesprochen wird,ist eine Erkenntnis, die angehendeJuristen schon in der ersten Vorlesungvermittelt bekommen. Als „Normalsterblicher“reift diese schmerzhafteWeisheit meist erst, wenn man selbstbetroffen ist. Macht man sich inDeutschland selbständig, vielleicht sogarmit einem internetbasierten Geschäftsmodell,so stehen die Chancenauf einen schnellen Erkenntnisgewinnsehr gut, spätestens wenn nacheiniger Zeit die erste Abmahnungeines Wettbewerbers im Fax liegt.Abmahnungen im Wettbewerbsrechtsind dazu gedacht, Unternehmendie Möglichkeit zu geben, schnell aufeinen Wettbewerbsverstoß eines konkurrierendenUnternehmens zu reagieren.Das abmahnende Unternehmenschickt dazu ein Schreiben andas abgemahnte Unternehmen undfordert es innerhalb einer Frist auf,den Wettbewerbsverstoß abzustellen,eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben,sowie die Übernahme derAnwaltskosten für die Abmahnung.Reagiert der Abgemahnte nicht innerhalbder Frist, erfolgt in der Regel dieBeantragung einer einstweiligen Verfügungvor Gericht (das Gericht ist beiVerstößen im Internet frei wählbar).Grundsätzlich ist die Abmahnungsicherlich ein sinnvolles Rechtsmittel,um einen fairen Wettbewerb zugewährleisten. Problematisch istjedoch die weltweit fast einmaligeAusgestaltung der Abmahnung inDeutschland, kann der Abmahnerdoch seine „Abmahnkosten“ direktdem Abgemahnten in Rechnungstellen. Jede berechtige Abmahnunglohnt sich also finanziell, zumindestfür den Anwalt des Abmahnenden.Eine verheerende Anreizwirkung.In der Praxis hat dieser Anreiz dazugeführt, dass seit Jahren eine regelrechteAbmahnlawine durch Deutschlandrollt. Findige Anwälte mahnenim Namen großer Elektromarktketten,mittelgroßer Onlineshops oder kleinerEbay-Händler jeden Wettbewerberab, dem ein Regelverstoß nachzuweisenist. Musste man dazu frühernoch Ladenlokale abklappern oderfleißig Printanzeigen durchstöbern,ist der nächste Wettbewerbsverstoßheute in der Regel nur noch einenMausklick entfernt. Leicht verdientesGeld, dank Google.Deutschlands Richter (nicht geradebekannt für internetfreundliche Gesetzesauslegungen)tragen mit IhrenUrteilen und der Festsetzung astronomischerStreitwerte (wichtig, weilsich daran die Anwaltshonorare bemessen)ihren Teil zur Förderung derAbmahnindustrie bei. Natürlich kannman nun die Ansicht der Bundesjustizministerinteilen, dass Abmahnungenkein Problem darstellen, da jaimmer ein Regelverstoß vorliegenmuss.Als (Jung-)<strong>Liberale</strong> Geister solltenuns die Risiken und Nebenwirkungender Abmahnpraxis aber mehr zudenken geben. Letztendlich kann esnicht in unserem Sinne sein, einen„totalen Rechtsstaat“ zu erzeugen, beidem jeder kleinste Regelverstoß direkthorrende, in keinem Verhältnis zu ggf.entstehenden Schäden stehende,Kosten nach sich zieht.Wenn das einfache Verwenden einerfalschen „Unverbindlichen Preisempfehlung“in einem Internetshop eineAbmahnung mit einem Streitwertvon 37.500 € nach sich zieht, wennman selbst als Privatmensch keineInternetseite mehr ins Netz stellenkann, ohne zuvor einen Rechtsanwaltzu Rate gezogen zu haben, wenn jederBetreiber eines Internetforums alleBeiträge vor dem Freischalten querlesen muss und wenn jederJungunternehmer mehr Geld fürRechtsberatung, als für den eigentlichStart seines Unternehmens aufwendenmuss, dann nehmen InternetundGründerkultur in DeutschlandSchaden.Dagegen sollten wir als JuLis kämpfenund uns für eine Rückkehr zumehr Vernunft und mehr Verhältnismäßigkeiteinsetzen. Manchmal kannetwas weniger „Recht“ sogar ein mehran „Gerechtigkeit“ bedeuten.Fabian Gruber (28) ist stv.Kreisvorsitzender der JuLisDuisburg. Ihr erreicht ihn unter:julis@fabian-gruber.de1819jung & liberal Ausgabe 4|2006


LiberalLeserbriefVermischtesSozial? – Aber bitte nicht auf meine KostenDie Geschichte eines Vorzeigelinken> von Daniel WaltherDie JuLis machen’s vor?! – LänderfusionBerlin-Brandenburg> von Kati WollschlägerAls im März 1999 Oscar Lafontaine,konfrontiert mit Realpolitik, überraschendvon seinem Amt alsFinanzminister zurücktrat, war Hochkonjunkturbei allen Satirikern desLandes. Auch der Autovermieter Sixtnutzte den Rücktritt für seineWerbezwecke. So warb man miteinem Plakat, auf dem ein Bild aller 16Kabinettsmitglieder mit einemdurchgestrichenen Lafontaine zusehen war. Bildunterschrift: „Sixtverleast auch Autos an Mitarbeiter inder Probezeit.“Während Deutschland schmunzelte,fand der frühere SPD-Vorsitzendediese Aktion gar nicht witzig.Erverklagte Sixt auf einen Schadensersatzüber 100.000€. Das HanseatischeOberlandesgericht gab am9. November 2004 zunächst LafontaineRecht, der Autovermieter legtejedoch Revision ein und verlangte dieAufhebung des Urteils, da „keineverbotene Benutzung des Bildes vonLafontaine“ stattgefunden habe. Allerdingsbot man an, die 100.000€trotzdem zu zahlen. Aber nicht anOscar Lafontaine, sondern an eine sozialeEinrichtung. Im Gespräch warsogar ein Projekt für Arbeitslose inOstdeutschland. Doch anstatt nuneinmal konstruktiv und nicht nurpopulistisch für das Wohl derArbeitslosen zu wirken, lehnte derheutige Chef der Linksfraktion ab undpochte darauf, dass das Geld auf seinKonto überwiesen wird.Der Bundesgerichtshof wies nun am26. Oktober 2006 die Klage Lafontainesab. Sixt zahlt keine 100.000€. Nicht anLafontaine und auch nicht an dasProjekt in Ostdeutschland.Letztgenanntes ist auch verständlich,denn nun das Geld auch so an densozialen Zweck zu geben, würde inanderen Fällen dazu führen, dass dieKlagenden weiter auf ihr Geld pochenmit dem ruhigen Gewissen, dass dasGeld, sollte es nicht klappen, jatrotzdem an den sozialen Zweck geht.Es bot sich also die Chance für OscarLafontaine den sozial schlechter Gestellten100.000€ zu beschaffen. Unddoch schlug er dies aus. Da fragt mansich doch, wer nun wirklich egoistischist. Die Neoliberalen, die angeblichnur das eigene Vorankommen im Sinnhaben oder er selbst, der auf Kostenvon Arbeitslosen Privatinteressen verfolgtund diese, nebenbei bemerkt,mit seinem Populismus in die Irreführt. Vielleicht sollte er sich mal eineScheibe bei den von ihm so tituliertenNeoliberalen abschneiden. GuidoWesterwelle bot seine WM-Kartenkrebskranken Kindern an (Sieht soEgoismus und Ellenbogengesellschaftaus?) und Angela Merkel nahm dieSixt-Anzeige, auf der ihr Konterfei zusehen war, mit Humor statt zu klagen.Sie gab sich mit einer Cabriofahrt aufKosten von Sixt zufrieden, die ihr aufdem Plakat eine neue Frisurversprach.Und die Moral von der Geschichte?Wo sozial draufsteht ist noch langenicht sozial drin.Daniel Walther (19)ist stellvertretenderLandesvorsitzender der JuLisBrandenburg. Ihr erreicht ihn unterdaniel@julis-brandenburg.deFoto: © TRIALON/Kläberange schon ins Visier, doch nieLKonkret in Angriff genommenworden, ist die Fusion der JuLi-Landesverbände Berlin und Brandenburg.Eine Kommission bestehendaus je vier Berlinern und Brandenburgernund hat sich Mitte Novemberein erstes Mal getroffen, um vorhandeneAusgestaltungsmöglichkeiteneines solchen Zusammenschlusseszu prüfen, und Vor- undNachteile für beide Landesverbändeabzuwägen.Doch was genau würde sich eigentlichändern?Das Land Brandenburg ist derzeitmit etwa 130 JuLis bevölkert, Berlinmit etwa 360. Damit hätte einBezirksverband Berlin mehrMitglieder als andere Berlin-Brandenburger Bezirke zusammen.Es gäbe ein großes Personal- unddementsprechend Aktivitätsgefällezwischen diesem und den anderenBerlin-Brandenburger Bezirken. Eswäre insofern sicher schwer einZusammengehörigkeitsgefühl herbeizuführen,es wäre weiterhin dieRede von Berlinern und Brandenburgern.Kann diese Hürde aber überwundenwerden, ist die Arbeit in einemgemeinsamen großen Landesverbandjedoch vielfältiger, weil man mitvielen unterschiedlichen Menschenzu tun hat und zugleich für diemitgliedermäßig kleineren Bezirkemotivierend, eine starke Mannschafthinter sich wissen.Die Reduzierung auf eine zentraleVerwaltungsstelle und einen Landesvorstandhätte eine Optimierung derKräfte dahingehend zur Folge, dassnur die Motiviert(est)en den Landesverbandverwalten und nach außenpolitischvertreten.Die politischen Ziele zu verfolgengeht leider auch nicht ganz ohneGeld. Es gibt zwar einerseits Mitgliedsbeiträgeund Finanzspritzen der„Mutterpartei“, aber zusätzlicheöffentliche Gelder bieten einen vielflexibleren Gestaltungsspielraum. InBerlin erhalten die politischen Jugendorganisationenleider seit ein paarJahren keine Finanzmittel aus dem RPJ(Ring politischer Jugend) mehr. Andersin Brandenburg und im Falle einerFusion würden diese Gelder auch denBerliner JuLis zu Gute kommen.Dafür müssten sie allerdings auchdas größte Privileg aufgeben, das einStadtstaat mit sich bringt: Die kurzenWege. Vom Berliner Westen in denBerliner Osten braucht man zwarauch gut 1,5 Stunden mit dem ÖPNV,aber die gute Verkehrsanbindungund das verzweigte Verkehrsnetzgeben einem durchaus dieMöglichkeit spontan Aktionen deranderen Bezirke zu unterstützen.Auch zu Landeskongressen, Lavo- undeLavo-Sitzungen muss keine Reisegeplant werden und alle könnenselbst bei zweitägigen Kongressen zuHause schlafen. Das erspart zwarKosten für Übernachtung undZugfahrt, stärkt aber das Gemeinschaftsgefühlweniger als Übernachtungenmit feucht fröhlicher Party ineinem gemeinsamen Hotel/Jugendherberge.Auch auf Bundesebene würde es zuVeränderungen kommen. Momentanhaben beide Landesverbände zusammen14 (9 Berliner) Mandate für denBundeskongress. Eine Fusion hättemöglicherweise zur Folge, dass durchden Wegfall der Grundmandate vonBrandenburg dem neuen Verbandinsgesamt weniger Mandate zurVerfügung stehen würden. Hier istaber zu hoffen und zu wünschen,dass die anderen Landesverbändeebenfalls die historische Möglichkeiteiner solchen Fusion sehen würdenund Übergangsfristen zustimmen.Neben Satzungs- und anderenorganisatorischen Fragen steht abernatürlich auch die politische Dimensionim Raum: Passen wir inhaltlichund vom „Gefühl“ her überhauptzusammen? Wie werden wir die dochrecht unterschiedlichen Wahlkämpfemeistern können? Gibt es eine gemeinsameIdentität, die über dieliberale hinausgeht?All das muss jetzt in der Kommissionund dann später bei einer möglichenAbstimmung durch die Mitgliederbeider Landesverbände auf den Landeskongressenherausgearbeitetwerden.Kati Wollschläger ist stv.Vorsitzende der JuLis Berlin.Ihr erreicht sie unter:kati@julis-berlin.de.2021


P06001_UmweltFlyer.indd 1-220.10.2006 19:03:16 UhrVermischtesVermischtes LeserbriefZurück zu den Wurzeln –Hessische JuLis erinnern FDP an umweltpolitisches Profil22Umweltpolitik ist Wirtschaftspolitik,ist Forschungspolitik, ist Standortpolitik.Urliberale Themen, die nicht erstneu besetzt werden müssen, sonderndie die <strong>Liberale</strong>n zurückerobern werden.Keinesfalls wird hierdurch ihrProfil verwässert; es gewinnt im Gegenteilan Farbe. JuLis und FDP gehtes darum, der großen Zahl liberaldenkender und fühlender Menschenin Deutschland Lösungen für alle politischenProbleme anzubieten.Die FDP Hessen hat daher entschieden,Energiepolitik zum Leitthemaihres zurückliegenden Parteitags zumachen. In der konkreten Umsetzungmangelte es dem Parteivorstandnach Ansicht der JuLis aber an MutBankenseminarBeim wirtschaftspolitischen Seminarmit dem Kooperationspartner „Bundesverbanddeutscher Banken“ hattenüber 50 JuLis die Möglichkeit, Einblickein die theoretischen Hintergründe vonGeldpolitik, Wirtschaftswachstum,Haushaltspolitik und vieler weitererDer Bundesverband hat neue Werbemittelaufgelegt: Zum <strong>Thema</strong> Rechtsextremismus,Umweltpolitik undgroße Koalition. Weitere folgen inKürze. Alle Werbemittel können aufwww.julis.de eingesehen und auchonline bestellt werden..wirtschaftspolitischer Themen zu erhalten.Das Seminar fand am 9. Oktoberin Frankfurt und für diejenigen, diein Frankfurt nicht dabei sein konnten,vom 17. bis 18. November in Berlinstatt. Neben den theoretischen Grundlagenwurden auch aktuelle politischeBeweg Dich. Die neuen Werbemittel sind da23 Stanze mit 80mmDurchmesser+ 3 mm BeschnittrundumP06001_Aufkleber_80mm.indd 1 20.10.2006 10:03:22 UhrP06001_Postkarte.indd 1 20.10.2006 10:36:06 Uhr und Gestaltungswillen. Erst nach einigerÜberzeugungsarbeit durch diehessischen JuLis verabschiedete derLandesparteitag einen umfassenden,ausgewogenen Antrag zur EnergieundUmweltpolitik. Besonders erfreulichwar für die JuLis die Bestätigung,dass man einen Parteitag von gutenIdeen auch dann überzeugen kann,wenn vorher nicht alles durch denVorstand abgesegnet wurde.Dem Appell, dass in der aktuellenLage auf Atomstrom aus deutschenKernkraftwerken nicht ohne Not verzichtetwerden sollte, stellt die FDPnun den langfristigen Ausstieg ausder Kernenergie gegenüber. AuchKernenergie muss sich am Markt bewähren,daher kann es für <strong>Liberale</strong>keine Haftungsdeckelung in diesemBereich geben. Risiken und Kostensollten transparent sein. Das ehrlicheBekenntnis der <strong>Liberale</strong>n zu erneuerbarenEnergien ist eingebettet in einmarktwirtschaftliches Förderungskonzept.Statt des sperrigen Erneuerbare- Energien - Gesetzes (EEG)der Bundesregierung stellen sie sicheine Quotenregelung vor. So führensie ein streng marktwirtschaftlichesInstrument der Förderung regenerativerEnergien ein, das Markt undÖkologie miteinander versöhnt. Denhessischen JuLis ist es gelungen, einmalmehr die FDP an ihre liberalenWurzeln zu erinnern.Themen mit den Referenten des Bankenverbandesund den JuLis diskutiert.Auf Grund der hohen Nachfrage undder großen Zustimmung ist der Bundesvorstandbemüht, auch im nächstenJahr ein solches Seminar wiederanbieten zu können.Mitglieder- undAktionswettbewerbMit der neuen Mitgliederkampagne„Werde JuLi!“ startet auch wieder derMitgliederwettbewerb des Bundesverbandes.Auf dem kommenden BuKowerden die Kreisverbände mit denhöchsten relativen und absoluten Zuwächsenprämiert. Stichtag: 18. März2007. Doch ein Wettbewerb kommtselten allein. Der Aktionswettbewerbgeht in die nächste Runde. Der Bundesverbandsucht Eure beste, originellsteoder wirkungsvollste Aktion. Also: Allesdigital auf Video festhalten und samtAktionsbeschreibung an die Bundesgeschäftsstelleschicken. Auch hier winkenden Gewinnern attraktive Preise.“JuLis Brandenburg - Real Liberal verteidigt Liberal CupAm 14.10. fand die in Hoppegarten(Brandenburg) die zweite Auflage desLiberal Cups statt. Wie im letzten Jahr,wurde auch dieses Mal wieder miteinem Hallenfußballturnier in die Lenné-Sporthallegelockt. Der Erlös aus demVerkauf von Essen und Getränken kamJuLis Unterfranken gegen Überwachungsstaat schon im Kindesalterjung & liberal –Verzögerungen letzte AusgabeAufgrund einer technischen Pannebeim für die Etikettierung des j&l verantwortlichenDienstleister ist es beider Verschickung der Ausgabe 3|2006zu Verzögerungen gekommen. Wirbitten dies zu entschuldigen und hoffenihr hattet trotz vielfach später Zustellungdes Magazins viel Freude beider Lektüre. Eure RedaktionLeserbriefzum Artikel „Der Markt allein kann keinenNichtraucherschutz garantieren“aus jung & liberal 3|2006Unter dem Motto: „Hast du Bock auf neNummer?“ starteten die JuLis Unterfrankenihre Schülerwerbekampagneund lehnen so den neuesten Geistesblitzder Kultusminister, nämlich dender Einführung von Schüleridentifikationsnummern,entschieden ab. So sollschon im Kindesalter der Staat sämtlicheDaten der Schüler und zugleichder Eltern erhalten, der besseren Übersichtlichkeitund Organisation wegen.Unter anderem in Sträflingskostümenwerden die unterfränkischen JuLis inder kommenden Zeit auf diese Entwicklunghin zum vollkommenen Überwachungsstaataufmerksam machen.<strong>Thema</strong> der nächsten Ausgabe:<strong>Thema</strong> der Ausgabe 1|2007des „jung & liberal“ wird sein:„Medienpolitik“Habt ihr Artikelideen oder wolltselbst einen Beitrag schreiben?Dann schreibt an:mail@jan-krawitz.de.dieses Mal dem Dahlwitzer Herrenhauszu Gute. Die Spende wird der Verein fürdie Restaurierung des historischen Gebäudesin Hoppegarten verwenden. DieMannschaft der JuLis MOL „Real Liberal“konnte den Vorjahreserfolg verteidigen.Ungeschlagen und mit voller Punktausbeutenahm die Mannschaft den Siegerpokalvon Hoppegartens BürgermeisterKlaus Ahrens am Ende des Turniers entgegen.Ebenfalls Pokale mit nach Hausenehmen konnte das zweitplatzierteTeam „Jägermeister“ und die Drittplatziertenvon „Wacker Kiekemal“.Artikelvorschläge bis spätestens:9. Februar 2007.Redaktionsschluss ist:16. Februar 2007.“In dem Artikel „Der Markt allein kannkeinen Nichtraucherschutz garantieren“heißt es „Keine halben Sachen“.Aber ist es nicht so, dass ich mir nichtnoch eher aussuchen kann, ob ich inder Gastronomie arbeite oder nicht,als dass ich mir aussuchen kann, obich über die Straße gehen möchte? Autoabgasesind auch nicht gesund! Istnicht die Konsequenz mit dem Ausruf„Keine halben Sachen“, dass Autos aufder Straße verboten werden müssten?Raoul Blankertz, 24, BonnVorschauLeserbriefjung & liberal Ausgabe 4|2006

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