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Die Lust am Unseriösen - Philo Fine Arts

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FUNDUS 20<br />

Wolfgang Müller<br />

Subkultur West-Berlin 1979–1989<br />

Freizeit<br />

250 Seiten, Abbildungen<br />

Gebunden mit Lesebändchen, € 14<br />

ISBN 978­ ­86572­671­1<br />

Wolfgang Müller<br />

Subkultur<br />

West-Berlin<br />

1979–1989<br />

Freizeit<br />

4 5<br />

West­Berlin war preiswert, trashig, muffig, marode: voll kreativer Freiräume für<br />

Lebensexperimente jenseits ökonomischen Drucks. Angeschoben von den Impulsen<br />

des Punk, entwickelt sich dort Ende der Siebziger eine vielfältig­lustvolle<br />

Subkultur. Illegale Bars und Clubs werden eröffnet, Fanzines kopiert, Super­<br />

8­Kinos, Bands und Minilabels in besetzten Häusern gegründet. Das SO 6 in<br />

Kreuzberg wird neben Punkclubs wie Risiko oder der New­Wave­Disko Dschungel<br />

zum Treffpunkt der »Antiberliner«: Punks, Alternative, Industrial­ und Elektronikfans,<br />

Politanarchos, Lesben, Schwule, Queers und Do­it­yourself­Künstler.<br />

In diesem »diasporischen« Umfeld verkehren auch Heidi Paris und Peter<br />

Gente, in deren Merve Verlag 1982 das Manifest des subkulturellen West­Berlin,<br />

Geniale Dilletanten, erscheint – benannt nach der »Großen Untergangsshow« im<br />

Tempodrom. Es treten u.a. auf: Gudrun Gut, <strong>Die</strong> Tödliche Doris und <strong>Die</strong> Einstürzenden<br />

Neubauten, aber auch das »Mädchen vom Bahnhof Zoo« Christiane<br />

F. und die späteren Techno­Akteure Westb<strong>am</strong> und Dr. Motte. Herausgeber des<br />

Merve­Bändchens Nr. 101 ist Wolfgang Müller (<strong>Die</strong> Tödliche Doris). Seine Band<br />

spielt sowohl in besetzten Häusern als auch in Kunstkontexten, etwa bei Harald<br />

Szeemanns Ausstellung Der Hang zum Ges<strong>am</strong>tkunstwerk oder auf der documenta 8.<br />

Müllers Geschichte der Westberliner Subkultur simuliert keine distanzierte Objektivität,<br />

ist aber weit mehr als Akteursbericht. Er wendet sich den Umschlagplätzen<br />

zu, den Materiallagern, den Flohmärkten, erinnert an illegale Kulturstätten<br />

wie den Kuckuck und portraitiert Szeneakteure wie Ratten­Jenny, die 1978 Martin<br />

Kippenberger attackierte. D<strong>am</strong>it präsentiert er West­Berlin als Produktionsraum,<br />

in dem sich Bewegungen kristallisierten, atomisierten und erst später zu breit<br />

wahrnehmbar bis heute wirkenden Gebilden formten.<br />

Wolfgang Müller, 1957 geboren, lebt als<br />

Künstler, Musiker und Autor in Berlin.<br />

Er war Mitglied der Gruppe <strong>Die</strong> Tödliche<br />

Doris und Herausgeber des (nicht allein<br />

wegen des Rechtschreibfehlers im Titel)<br />

legendären Merve­Bändchens Geniale<br />

Dilletanten (1982). Er hat zahlreiche Ausstellungen,<br />

Hörspiele und Platten gemacht,<br />

und ist Autor u.a. der Bücher Hormone des<br />

Mannes (1995), Neue Nord-Welt (2005),<br />

Neues von der Elfenfront (2007) und Valeska<br />

Gert. Ästhetik der Präsenzen (2010).<br />

Philipp Felsch<br />

Merve oder<br />

Was war Theorie?<br />

Wer kennt sie nicht – die kleinen Bücher mit der Raute, die sich spätestens beim<br />

zweiten Mal lesen selbst zerstören? In den siebziger und achtziger Jahren gehörten<br />

sie als unverzichtbares Lifestyle­Accessoire in jede Manteltasche. Es war die Zeit<br />

der apokalyptischen Meisterdenker, der gl<strong>am</strong>ourösen Unverständlichkeit und<br />

der umstürzenden Lektüreerlebnisse. Der Merve Verlag versorgte die Frontstadt<br />

West­Berlin mit Theorie. Von den Nachzüglern der Studentenbewegung über<br />

Spontis und Punks bis zum Kunstbetrieb bek<strong>am</strong>en sie alle ihr gefährliches Denken:<br />

italienischen Marxismus, französischen Poststrukturalismus, eine Prise Carl<br />

Schmitt und zu guter Letzt Luhmanns ultimativ ausgenüchterte Systemtheorie.<br />

Heute, in der einbrechenden Theoriedämmerung, ist es Zeit, dieses Abenteuer zu<br />

erzählen. Dabei geht es nicht darum, sich klassisch ideengeschichtlich noch einmal<br />

im Dschungel der Typoskripte zu verlaufen. <strong>Die</strong> Geschichte des Merve Verlags<br />

lenkt den Blick auf die schillernden Oberflächen, die Rituale und Produktionsverhältnisse<br />

der Theorie. Warum wurden Leser zu Fans und Autoren zu Denkstilikonen?<br />

Hat Theorie von der historischen Delegitimierung der Poesie profitiert?<br />

Warum wanderte sie von der Politik in die Kunst? Welche Rolle spielte Adorno?<br />

Und warum fingen irgendwann alle wieder mehr zu trinken an? Das Buch folgt<br />

den verschlungenen Pfaden einer (Sub­)Kultur, der die Welt zum Text wurde.<br />

FUNDUS 204<br />

Philipp Felsch<br />

Merve oder Was war Theorie?<br />

220 Seiten<br />

Gebunden mit Lesebändchen, € 14<br />

ISBN 978­ ­86572­672­8<br />

Philipp Felsch, 1972 geboren, ist<br />

Wissenschafts­ und Kulturhistoriker,<br />

selbst Merve­Leser und lebt in Berlin.<br />

Er ist Autor der Bücher Laborlandschaften.<br />

Physiologische Alpenreisen im 19. Jahrhundert<br />

(2007) und Wie August Petermann den<br />

Nordpol erfand (2010).

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