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M (1931) - Das Dokument des Grauens

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8. M (<strong>1931</strong>)Beckmann steht gebeugt, im gleichen Winkel wie der Schatten <strong>des</strong> Mörders am Endeder vorherigen Einstellung, und schält mit einem Messer eine Kartoffel. Die Analogieist überdeutlich, wenngleich auch unauffällig in Szene gesetzt.Wieder zeigt Fritz Lang die Kuckucksuhr, jetzt ist es 12:20 Uhr. Elsie muss jedenAugenblick nach Hause kommen (Abbildung 8.23).Frau Beckmann hört einige Kinder das Treppenhaus emporstürmen. Voll freudigerErwartung öffnet sie die Tür, doch Elsie ist nicht unter ihnen (Abbildung 8.24).Jetzt beginnt Frau Beckmann, sich Sorgen zu machen. Zuerst schaut sie den Kindernhinterher und wirft dann einen ersten Blick das Treppenhaus hinunter (Abbildung8.25).Nun schneidet Lang zurück auf die Straße. Wir sehen aus einer göttlichen Perspektive,wie der Fremde einen Luftballon für Elsie kauft. Der Luftballon hat eine kindlicheGestalt: rundlicher Körper, übergroßer Kopf mit aufgemalten Gesichtszügen. Verkauftwird er von einem blinden Bettler, der späterhin noch eine gewichtige Rolle in demFilm haben wird (Abbildung 8.26).Der Ton in dieser Szene ist bemerkenswert, denn der Mörder pfeift ein Lied. Eshandelt sich um das Leitmotiv aus Edvard Griegs Peer Gynt, Suite No. 1, Opus 46-4,In der Halle <strong>des</strong> Bergkönigs. Diese bekannte Melodie ist nicht nur einprägsam, sondernauch eine zeitgenössische Anleihe, welche den Bezug <strong>des</strong> Films zur Realität Berlinsim Jahre 1930 mitträgt, denn 1929 gab es eine beliebte und gefeierte Aufführung <strong>des</strong>Stückes in der Hauptstadt. Jene Passage aus Peer Gynt erzählt davon, wie Peer Gyntdie Halle <strong>des</strong> Bergkönigs durchkreuzt, bedroht von Trollen und anderen Kreaturen.Der Mörder Beckert sieht sich in einer ähnlichen Situation, wie im weiteren Verlauf<strong>des</strong> Films wiederholt angedeutet wird. Immer dann, wenn das Monstrum in ihm erwacht,setzt die Melodie ein. Manchmal, wie in dieser Szene, pfeift er die Melodieselbst. Manchmal jedoch entsteht sie auch in seinem Kopf, scheint von überall überihn hereinzubrechen und ihn schier in den Wahnsinn zu treiben, wie zum Beispielin einer Szene in einem Straßencafé, einem jener Art, wie auch Peter Kürten sie oftbesuchte, um dort den Schauergeschichten über die von ihm begangenen Morde zulauschen. Langs Einsatz von Peer Gynt, der übrigens immer von Lang selbst gepfiffenwurde, weil Peter Lorre nicht pfeifen konnte, drückt Langs erstem Tonfilm den Stempelauf. Die Musik ist so markant und einprägsam wie das Thema aus Carol Reeds TheThird Man (1949) oder Mikis Theodorakis’ Spiel aus Alexis Zorbas (1964), allerdingsmit einem bedrohlichen Unterton. Peer Gynt brennt sich als das Lied eines Mörders indas Gedächtnis ein.Erneut folgt ein unvermittelter Schnitt zurück in die Küche der Beckmanns. Esklingelt an der Tür und Frau Beckmann öffnet sie in der Erwartung, dass Elsie vor derTür steht. Doch es ist nur Herr Gehrke, der Zusteller der von ihr so geliebten Kriminal-Groschenromane (Abbildung 8.27).Durch diesen Schnitt lässt Lang den Gedanken entstehen, dass just in dem Moment,in welchem Frau Beckmann die neueste Folge ihrer Krimiserie entgegennimmt, Elsievon Beckert ermordet wird.179

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