Heute im Angebot: Schulden machen - DIE NOVUM
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6 die novum<br />
Lokales<br />
26. Januar 2011<br />
Von den Abenteuern Winnetous,<br />
Old Shatterhands oder Kara Ben<br />
nemsi lesen – davon träumen Kinder<br />
und Jugendliche schon seit mehreren<br />
Generationen. dass ihr Autor Karl<br />
May jedoch 1870 über sieben Wochen<br />
in Mittweida wegen diebstahls <strong>im</strong> Gefängnis<br />
saß, wissen nur die Wenigsten.<br />
141 Jahre später will ein Team aus Studenten<br />
der Hochschule Mittweida zur<br />
selben Zeit in Karl Mays Mittweidaer<br />
Zelle <strong>im</strong> jetzigen Stadtarchiv sein Gesamtwerk<br />
lesen. das bedeutet Tag und<br />
nacht, sieben Tage die Woche. Mit diesem<br />
Marathon möchten die Studenten<br />
einen Weltrekord <strong>im</strong> dauervorlesen<br />
aufstellen. Ein hohes Ziel – die längste<br />
Lesung dauerte bisher lediglich zehn<br />
Tage. Um das zu überbieten, werden<br />
vom 14. März bis zum 3. Mai 2011<br />
über 3.000 Prominente, Mittweidaer,<br />
Studenten und Interessierte über<br />
50.000 Seiten hinter Gittern lesen. Eine<br />
Leseschicht dauert dabei mindestens<br />
zwanzig Minuten. Ein einmaliges und<br />
spannendes Projekt – das fanden auch<br />
die Medienstudenten Marc S<strong>im</strong>on und<br />
Stefanie Walter, als Projektinitiator<br />
Prof. dr. Ludwig Hilmer ihnen davon<br />
erzählte. „Mit welcher Begeisterung<br />
Herr Hilmer das Projekt verkörperte,<br />
Karl May – Weltrekord aus dem Knast<br />
Studenten der Hochschule planen einen Weltrekordversuch – sieben Wochen Lesen hinter Gittern<br />
Stefanie Walter und Marc S<strong>im</strong>on sind die Projektleiter des Weltrekordversuches.<br />
war für mich beeindruckend. da stand<br />
für mich fest, dass ich auf jeden Fall ein<br />
Teil davon sein möchte“, erklärt Stefanie<br />
Walter. Marc S<strong>im</strong>on ist vor allem<br />
von dem Autor selbst begeistert: „das<br />
faszinierende an Mays Geschichten ist<br />
die Phantasie, die dahinter steckt. dieser<br />
Mensch hat über fremde Länder<br />
geschrieben, ohne sie vorher gesehen<br />
zu haben.“ Seit Mitte Oktober arbeiten<br />
die beiden nun als Projektleiter, unterstützt<br />
von 30 Teammitgliedern, an den<br />
Vorbereitungen des Rekordversuches.<br />
Von der schnellen Resonanz waren<br />
sie jedoch ein wenig überrascht: „Wir<br />
bekommen jetzt schon seitenlange<br />
Ein Obdach gewähren<br />
Christin Gertler<br />
handschriftliche Bewerbungen und viele<br />
E-Mails von Karl-May-Begeisterten aus<br />
ganz deutschland, die unbedingt lesen<br />
möchten.“ damit der Rekordversuch<br />
Tag und nacht mit verfolgt werden<br />
kann, soll es eine Internet-Live-Übertragung<br />
geben. Bisher stellt die technische<br />
Umsetzung die Studenten aber noch vor<br />
eine Herausforderung.<br />
Karl Mays Phantasie vom Wilden Westen<br />
und dem Orient versuchen die Studenten<br />
außerdem mithilfe von Thementagen<br />
in Mittweida Wirklichkeit werden<br />
zu lassen. So wird es an den ersten beiden<br />
Wochenenden ein Western- und<br />
ein Orient-Fest in der Innenstadt geben.<br />
Wenn in der Stadt jedoch nicht gerade<br />
geschossen wird und Indianer über die<br />
Rochlitzer Straße reiten, ist jeder Mittweidaer<br />
<strong>im</strong>mer eingeladen, das Projekt<br />
vor allem als Leser zu unterstützen.<br />
Diana Beitz<br />
In Mittweida gibt es keinen Bürger, der auf der Straße lebt, behauptet die Stadt. Die Diakonie Sachsen hingegen spricht<br />
von einem „Schattendasein vieler Wohnungsloser“.<br />
Es gibt sie, obwohl sie in keiner offiziellen<br />
Statistik des Freistaates Sachsen<br />
auftauchen: Menschen, die keine<br />
Wohnung haben oder denen der Verlust<br />
ihrer Wohnung droht. damit besonders<br />
der Winter für Obdachlose nicht lebensgefährlich<br />
wird, brauchen sie Hilfe<br />
von Vereinen, die notunterkünfte stellen<br />
oder soziale Beratung anbieten.<br />
Städte und Gemeinden sind gesetzlich<br />
verpflichtet, obdachlosen Bürgern menschenwürdige<br />
Unterkünfte zu gewähren.<br />
In Mittweida gibt es derzeit niemanden,<br />
der „auf der Straße“ lebt. das behaupten<br />
jedenfalls die Stadt und die Wohnungslosenhilfe<br />
des Vereins zur Förderung<br />
der beruflichen Bildung Mittweida e.V.<br />
(vfb). Letztere ist die einzige Institution<br />
in Mittweida, die seit 1998 eine<br />
Obdachlosenunterkunft betreibt, um<br />
Bürgern ohne feste Bleibe wieder auf<br />
die Beine zu helfen. Zur Zeit leben 14<br />
Leute in der Wohnstätte, die Platz für<br />
bis zu 25 Wohnungslose bietet.<br />
die diakonie Sachsen stellt die Situation<br />
der Wohnungslosen dagegen anders<br />
dar. „Viele führen ein Schattendasein<br />
und sind oft nicht registriert. Es gibt<br />
eine hohe dunkelziffer“, erklärt Rotraud<br />
Auf einer Parkbank muss in Mittweida niemand schlafen.<br />
Kießling, zuständige Referentin bei der<br />
diakonie Sachsen.<br />
Vermutlich seien 30 Prozent aller Hilfesuchenden<br />
den öffentlichen Trägern<br />
nicht bekannt, da sie keine Leistungen<br />
erhalten. Für Rotraud Kießling ist neben<br />
dem Recht der Wohnungslosen auf<br />
Hilfe außerdem auch politisches Umdenken<br />
notwendig. „Wenn Wohnungs-<br />
losigkeit in Sachsen nicht noch weiter<br />
zunehmen soll, müssen die örtlichen<br />
Sozialhilfeträger angemessene Kosten<br />
für die Unterkunft und die tatsächlichen<br />
nebenkosten von Hartz-IV-Empfängern<br />
zahlen“, ist die Referentin überzeugt.<br />
die häufigsten Gründe für den<br />
Verlust der Wohnung sind Mietschulden<br />
oder verwahrloste Unterkünfte.<br />
Norbert Leonhardt<br />
Wenn Sie auch gerne Teil des Weltrekordversuches<br />
werden möchten,<br />
können Sie sich <strong>im</strong> Internet auf<br />
www.gefangene-visionen.de oder<br />
telefonisch unter 0176 / 99016100<br />
bewerben.<br />
Was folgt, ist oft die Zwangsräumung.<br />
In so einem Fall informiert die Stadtverwaltung<br />
Mittweida die Wohnungslosenhilfe,<br />
die sofort Kontakt zu den<br />
Betroffenen aufn<strong>im</strong>mt. Aber auch eine<br />
Trennung vom Partner oder der Auszug<br />
aus dem Elternhaus können zum Wohnungsverlust<br />
führen. Für Menschen, die<br />
vor häuslicher Gewalt fliehen, bietet<br />
die Wohnungslosenhilfe in Mittweida<br />
ebenso Platz und ein offenes Ohr.<br />
Betroffene Bürger dürfen für unbest<strong>im</strong>mte<br />
Zeit eine Wohnung nutzen.<br />
den Bewohnern wird vor allem be<strong>im</strong><br />
neueinstieg ins Leben geholfen. Es<br />
werden gemeinsam Behördengänge<br />
erledigt, neue Wohnungen gesucht,<br />
zusammen Anträge ausgefüllt oder sie<br />
bekommen Zuwendung bei Alkoholproblemen<br />
oder Mietschulden. „Es gibt<br />
in der Region keine dunkelziffer – alle<br />
Hilfebedürftigen sind erfasst und untergebracht“,<br />
meint dietmar Melzer,<br />
der Bereichsleiter Wohnungslosenhilfe<br />
be<strong>im</strong> vfb. Ob es in Mittweida tatsächlich<br />
einige unregistrierte Wohnungslose<br />
gibt, wie die diakonie Sachsen hingegen<br />
vermutet, ist leider nicht zu sagen.<br />
Laura Huss