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ante Srebrenica - Genese eines Genozids

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

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BACHELORARBEIT<br />

Titel der Bachelorarbeit<br />

<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Verfasser<br />

Sebastian Holler<br />

Wien, 2015<br />

Anrechnungscode:<br />

ECTS:<br />

Bachelor-Modul 2<br />

9<br />

Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 033 603<br />

Matrikelnummer lt. Studienblatt: 1105803<br />

Betreuerin / Betreuer:<br />

a.o. Univ.-Prof. Mag. Dr. Marija Wakounig, MAS


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

„These are truly scenes from hell, written on the darkest pages of human history.” 1<br />

–Fouad Abdel-Moneim Riad 2 –<br />

Richter des Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, über das<br />

Massaker von <strong>Srebrenica</strong>.<br />

1 Press Release, Radovan Karadžić And Ratko Mladić Accused Of Genocide Following The Take-Over Of<br />

<strong>Srebrenica</strong>, CCP/PIO/026f, Den Haag 1995 November 16, http://www.icty.org/sid/7221, 2014 Dezember 31.<br />

2 Press Release, Mr. Riad Appointed At The Tribunal In Replacement Of Judge Abi-Saab, CC/PIO/020-E, Den<br />

Haag 1995 October 2, http://www.icty.org/sid/7228, 2014 Dezember 31.<br />

2


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung ............................................................................................................................................... 4<br />

Kapitel 1: Genozid? Ethnische Säuberung? ....................................................................................... 6<br />

Genozid ............................................................................................................................................... 6<br />

Ethnische Säuberung ........................................................................................................................ 8<br />

Ein entscheidender Unterschied ....................................................................................................... 9<br />

Kapitel 2: <strong>Srebrenica</strong> .......................................................................................................................... 10<br />

1. Überblick .................................................................................................................................. 10<br />

2. <strong>Srebrenica</strong> – Ethnische Säuberung oder Genozid? Warum ist das wichtig? ..................... 11<br />

Anerkennung ............................................................................................................................... 11<br />

Wen zur Verantwortung ziehen? ............................................................................................... 12<br />

War es ein Genozid? .................................................................................................................... 14<br />

Kapitel 3: <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong> ....................................................................................................... 17<br />

1. Knappheit als Wegbereiter ..................................................................................................... 17<br />

2. Ethnisierung zur Separierung… ............................................................................................ 20<br />

3. Nationalismus und Propaganda ............................................................................................. 21<br />

4. „Das sind keine Menschen“ – die Überschreitung einer Grenze… .................................... 24<br />

Conclusio .............................................................................................................................................. 28<br />

Bibliographie ........................................................................................................................................ 31<br />

3


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Einleitung<br />

„Hunderte toter Muslime lagen in Reihen am Boden. Neben den Leichen standen fünf<br />

Soldaten. Ein Bulldozer hob ein Massengrab aus. Es ist vorbei. Es ist vorbei.“, erinnert sich<br />

der 55-jährige Hurem Suljić. Er überlebte das Massaker von <strong>Srebrenica</strong>. 3 Etwa 8000 andere<br />

Männer und Jungen hatten weniger Glück.<br />

In <strong>Srebrenica</strong> (Silberin) fand der Bosnienkrieg mit dem Völkermord seinen<br />

Höhepunkt. Genozid im Allgemeinen ist ein derart komplexes Phänomen, dass es eine breite<br />

Palette an Ursachen aufweist, die noch dazu bei jedem Einzelfall eine unterschiedliche<br />

Konstellation und Dynamik hervorbringt. „Ante <strong>Srebrenica</strong>“ setzt sich mit den sozialen,<br />

ökonomischen, politischen, historischen und psychologischen Prozessen im Vorhinein (lat.:<br />

„<strong>ante</strong>“ – „vor“) <strong>eines</strong> Genozides auseinander und untersucht, wie deren „Komposition“ zum „<br />

‚schwerste[n] Kriegsverbrechen […] seit Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa„“ 4 führen<br />

konnte.<br />

Da die Kriegsverbrechen in den Jugoslawienkriegen noch nicht vollends aufgearbeitet<br />

sind, was die noch immerwährende Tagung des Internationalen Strafgerichtshof für das<br />

ehemalige Jugoslawien (ICTY) zeigt, gibt es auch einen Mangel an aktueller wissenschaftlich<br />

fundierter Literatur. Das Ereignis, das dieser Untersuchung zu Grunde liegt, scheint noch<br />

nicht lange genug vergangen zu sein, um eine differenzierte Aufarbeitung des Themas zu<br />

ermöglichen. Natürlich gibt es unzählige Literatur zum Thema „Gewaltexzesse in den<br />

Jugoslawienkriegen“, doch das Spektrum reicht von übereilten Analysen angesehener<br />

ForscherInnen noch bevor der Krieg mit dem Massaker von <strong>Srebrenica</strong> überhaupt seinen<br />

grausamen Höhepunkt erreicht hat (Marie-Janine Calic 5 , Tilman Zülch 6 ), über Arbeiten<br />

junger motivierter WissenschaftlerInnen, die sich mit neuen Ansätzen und Fragestellungen<br />

dem Thema nähern (Angela Wieser 7 , Esmir Ćatić 8 ), bis hin zu revisionistischen Theorien, die<br />

3 Vgl. David Rohde, Die letzten Tage von <strong>Srebrenica</strong>. Was geschah und wie es möglich wurde, Reinbek bei<br />

Hamburg 1997, 322.<br />

4 Daniela Mehler, <strong>Srebrenica</strong> und das Problem der einen Wahrheit, in: Gregor Feindt – Félix Krawatzek –<br />

Daniela Mehler – Friedemann Pestel – Rieke Trimçev (Hgg.), Europäische Erinnerung als verflochtene<br />

Erinnerung. Vielstimmige und vielschichtige Vergangenheitsdeutungen jenseits der Nation, Formen der<br />

Erinnerung 55, Göttingen 2014, 205–234, hier 205.<br />

5 Marie-Janine Calic, Der Krieg in Bosnien-Herzegowina. Ursachen, Konfliktstrukturen, internationale<br />

Lösungsversuche, Edition Suhrkamp 943, Frankfurt am Main 1995.<br />

6 Tilman Zülch (Hg.), "Ethnische Säuberung"–Völkermord für "Großserbien". Eine Dokumentation der<br />

Gesellschaft für Bedrohte Völker, Flugschrift 5, Frankfurt am Main 2 1993.<br />

7 Angela Wieser, Ethnische Säuberungen und Völkermord. Die genozidale Absicht im Bosnienkrieg von 1992–<br />

1995, Politik und Demokratie 9, Frankfurt am Main/Wien/Berlin/New York/Oxford [u.a.] 2007.<br />

8 Esmir Ćatić, Seven Eleven: Der Genozid von <strong>Srebrenica</strong>. Ein Verbrechen der UNO?, phil.Diss. Wien 2008.<br />

4


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

den Völkermord in <strong>Srebrenica</strong> generell in Frage stellen (Alexander Dorin 9 ). Diese scheinen<br />

jedoch zu wackelige Säulen für eine Aufarbeitung nach aktuellen Maßstäben zu sein und so<br />

empfiehlt es sich, die vorhandene Literatur anhand aktueller Entwicklungen zu messen und im<br />

Falle grober Unstimmigkeiten oder Änderungen in Frage zu stellen. Die aktuellen Ereignisse<br />

sollen anhand von e-papers Eingang in die Arbeit finden, welche jedoch nicht als<br />

Hauptliteratur für gewonnene Erkenntnisse dienen, sondern nur die stete Aktualität und<br />

Unabgeschlossenheit des Themas aufzeigen. Als bedeutende Quelle werden auch die<br />

umfangreichen Prozess- und Urteilsakten des ICTY und die für den Fall relev<strong>ante</strong>n UN-<br />

Dokumente, welche ein unerschöpfliches Repertoire an minutiös aufgearbeiteten Analysen<br />

zum Geschehenen bieten, Eingang in diese Arbeit finden. Die verwendete Literatur ist<br />

vermehrt westeuropäischen, insbesondere auch deutschen und österreichischen Ursprungs.<br />

Beide Länder haben, bedingt durch ihre eigene von Völkermord geprägte Geschichte, eine<br />

äußerst motivierte Genozidforschung.<br />

Für die Aufklärung der <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> Völkermordes ist es obligatorisch, vor allem das<br />

zu untersuchen, was weite Teile einer Bevölkerung verbindet und es ermöglicht, dass es zu<br />

derartigen kollektiven Exzessen der Gewalt kommt: das kollektive Gedächtnis. Der berühmte<br />

Vertreter der französischen Soziologie Maurice Halbwachs hat diesen Begriff geprägt und<br />

schreibt kollektiven Gedächtnissen eine konstituierende Funktion für soziale Gemeinschaften<br />

zu, indem sie stabilisierend auf soziale Diskontinuitäten wirken. Dabei „garantieren [sie] ihren<br />

Trägern den Zusammenhalt in der Gegenwart und sichern zudem eine Kontinuität, die in die<br />

Zukunft verweist“. 10 Ganz in der sozio-psychologischen Tradition Halbwachs„ 11 wird in<br />

dieser Arbeit sein Ansatz des kollektiven Gedächtnisses in Hinblick auf dessen Rolle bei der<br />

Entstehung <strong>eines</strong> genozidalen Potentials in der Bevölkerung verwendet. Auch auf die<br />

Weiterentwicklung von Halbwachs„ Idee, Pierre Noras Theorie der „lieux de mémoire“, wird<br />

in Hinblick auf die Orte des serbischen kollektiven Gedächtnis kurz eingegangen.<br />

Im ersten Teil dieser Abhandlung werden die bestimmenden Begrifflichkeiten dieser<br />

Arbeit kurz erläutert, um diese als Instrumentarium im zweiten Teil, der sich eingehender mit<br />

dem Massaker von <strong>Srebrenica</strong> selbst beschäftigt, anwenden zu können. Beide Teile, in denen<br />

der grobe Kontext erläutert wird, folgen weitgehend der deskriptiven Methode. Im dritten und<br />

9 Alexander Dorin, <strong>Srebrenica</strong>. Die Geschichte <strong>eines</strong> salonfähigen Rassismus, Edition Zeitgeschichte 45, Berlin<br />

2010.<br />

10 Vgl. Dietmar J. Wetzel, Maurice Halbwachs. Klassiker der Wissenssoziologie 15, Konstanz 2009, 61.<br />

11 Vgl. Jan Assmann, Kollektives und kulturelles Gedächtnis. Zur Phänomenologie und Funktion von Gegen-<br />

Erinnerung, in: Ulrich Borsdorf – Heinrich Theodor Grütter (Hgg.), Orte der Erinnerung. Denkmal,<br />

Gedenkstätte, Museum, Frankfurt am Main/New York 1999, 13–32, hier 13.<br />

5


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

letzten Kapitel wird das Hauptaugenmerk auf die häufigsten allgemeinen Ursachen aus dem<br />

kollektiven Gedächtnis gelegt und diese anhand von Episoden im Vorfeld des letzten<br />

<strong>Genozids</strong> in Europa, dem Massaker von <strong>Srebrenica</strong>, veranschaulicht.<br />

Kapitel 1: Genozid? Ethnische Säuberung?<br />

Genozid<br />

Der Begriff „Genozid“ steht wie kein anderer für die Besonderheit der Gewalt im 20.<br />

Jahrhundert, so sehr, dass manche sogar vom „Jahrhundert der Genozide“ 12 sprechen. Bei der<br />

Auseinandersetzung mit diesem Terminus schießen den Menschen die schlimmsten und<br />

grausamsten Verbrechen in den Kopf, zu denen die menschliche Natur in der Lage zu sein<br />

scheint. Von Massenexekutionen ist die Rede. Von Hungermärschen, Vertreibungen,<br />

Enthauptungen, Zerstückelungen, von Gaskammern. Von den rauchenden Kaminen der NS-<br />

Vernichtungslager. Von Bergen an leidverzehrten und misshandelten Leichen die mit<br />

Bulldozern in eiligst ausgehobenen großen Massengräbern verscharrt werden. Nicht umsonst<br />

definiert das Völkerrecht Genozid als „the crime of crimes“ 13 – als schlimmsten aller<br />

Verbrechen. Diese Bilder des Grauens sind mit derart starken Emotionen verbunden, dass es<br />

nahezu unfassbar scheint, dass ein einziger Begriff diese breite Palette an Abscheulichkeiten<br />

in sich vereinen kann.<br />

Raphael Lemkin, ein jüdisch-polnischer Jurist 14 schöpfte im Jahr 1944 aus der<br />

Verbindung des altgriechischen Worts „genos“ für Volk und dem lateinischen „caedere“,<br />

töten, den Ausdruck, um den Holocaust in seinem Werk „Axis Rule in Occupied Europe“ 15 zu<br />

charakterisieren. Auch an der Verabschiedung der „Convention on the Prevention and<br />

Punishment of the Crime of Genocide“ durch die UN im Jahre 1948 war er maßgeblich<br />

beteiligt, durch welche der Genozid nun auch eine juristische Dimension erlangte. 16<br />

Wesentlich für einen solchen ist die Intention „eine nationale, ethnische, rassische oder<br />

religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Folgende Vergehen, die in<br />

dieser Absicht geschehen, werden als Genozid definiert: „(a) Tötung von Mitgliedern der<br />

12 Dominik J. Schaller, Genozidforschung: Begriffe und Debatten. Einleitung, in: Dominik J. Schaller – Rupen<br />

Boyadjian – Vivianne Berg – Hanno Scholtz (Hgg.), Enteignet – Vertrieben – Ermordet. Beiträge zur<br />

Genozidforschung, Zürich 2004, 9–26, hier 9. Hans-Heinrich Nolte, Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts,<br />

Wien/Köln/Weimar 2009, 315.<br />

13 Barbara Lüders, Die Strafbarkeit von Völkermord nach dem Römischen Statut für den Internationalen<br />

Strafgerichtshof, Berliner Juristische Universitätsschriften 20, Berlin 2004, 263.<br />

14 Vgl. Ben Kiernan, Erde und Blut. Völkermord und Vernichtung von der Antike bis heute, München 2009, 21.<br />

15 Vgl. Boris Barth, Genozid, in: Detlef Brandes – Holm Sundhausen – Stefan Troebst (Hgg.), Lexikon der<br />

Vertreibungen. Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts,<br />

Wien/Köln/Weimar 2010, 262–265, hier 262.<br />

16 Vgl. Kiernan, Erde, 21.<br />

6


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Gruppe; (b) Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an<br />

Mitgliedern der Gruppe; (c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die<br />

Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; (d)<br />

Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe<br />

gerichtet sind; (e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere<br />

Gruppe.“ 17<br />

Diese völkerrechtlich anerkannte Definition initiierte die sozial- und<br />

geschichtswissenschaftliche Genozidforschung, welche schließlich mannigfaltigste<br />

Genozidbegriffe hervorbrachte. 18 So finden etwa die „Pioniere der Genozidforschung“ Kurt<br />

Jonasohn und Frank Chalk, oder die Soziologin Helen Fein andere vertretbare Nuancierungen<br />

des UN-Begriffs, den sie kritisieren. 19 Vielfach in Kritik steht die Genozidkonvention auch<br />

deshalb, weil sie dezidiert politische Gruppen als schützenswerte Gruppen ausschließt. Für<br />

deren Ausschluss spricht jedoch die Annahme, dass nicht jede politische Gruppierung ein<br />

schützenswertes Subjekt darstellt, wie z.B. die NSDAP. 20 Natürlich ist die kritische<br />

Auseinandersetzung mit dem UN-Genozidbegriff äußerst wichtig, um die Begrifflichkeit stets<br />

nach aktuellen Erkenntnissen zu optimieren, doch trotz aller Versuche einer Neudefinierung<br />

bleibt der juristische Begriff der Genozidkonvention vorherrschend, denn anders ist die<br />

wissenschaftliche Praxis der meisten ForscherInnen auch nicht zu erklären, die sich stets auf<br />

die völkerrechtlich normierte Definition beziehen. 21 Da der Konvention bisher 146 Staaten<br />

beigetreten sind 22 , deren Völkern sie Schutz vor ungesühntem Völkermord gibt und da sie<br />

„als eine[r] der am umfassendsten akzeptierten Verträge“ gilt, an den durch das Völkerrecht<br />

fast die gesamte Menschheit gebunden ist, ist es auch legitim, ihre Fassung des<br />

Genozidterminus als Ausgangspunkt für eine Untersuchung zu benutzen 23 , die sich, wie in der<br />

hier vorliegenden Abhandlung, mit der Frage beschäftigt, welche Bedingungen überhaupt zu<br />

einem derartigen Ausufern der Gewalt führen. Ohnehin nicht außer Acht lassen sollte man,<br />

17 Vgl. Hans Vest, Genozid durch organisatorische Machtapparate. An der Grenze von individueller und<br />

kollektiver Verantwortlichkeit, Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft 3/<br />

Folge 25, Baden-Baden 2002, 100.<br />

18 Vgl. Yvonne Robel, Verhandlungssache Genozid. Zur Dynamik geschichtspolitischer Deutungskämpfe,<br />

München 2013, 41.<br />

19 Vgl. Robel, Verhandlungssache 44f, weiterführende Literatur zu den unterschiedlichen Definitionen von<br />

Genozid: Vest, Genozid, 36-43.<br />

20 Vgl. Barth, Genozid, 263.<br />

21 Vgl. Robel, Verhandlungssache, 42.<br />

22 United Nations Treaty Collection, Capter IV Human Rights, 1. Convention on the Prevention and Punishment<br />

of the Crime of Genocide, Paris 1948 December 9,<br />

https://treaties.un.org/pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-1&chapter=4&lang=en, 2014<br />

Dezember 31.<br />

23 Vgl. Kiernan, Erde, 22.<br />

7


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

dass die gefallene muslimische Enklave <strong>Srebrenica</strong> als „erste ‚UN-Schutzzone„ der Welt“<br />

eingerichtet wurde und damit ein äußerst delikates Verhältnis zu den Vereinten Nationen<br />

hat 24 , u.a. fand bei der Resolution 819 des UN-Sicherheitsrates, mit welcher <strong>Srebrenica</strong> zur<br />

„Schutzzone“ erklärt wurde, ebenfalls die UN-Genozidkonvention Anwendung. 25<br />

Ethnische Säuberung<br />

Mit dem Bosnienkrieg untrennbar verknüpft, ist ein Begriff, der seinen Ursprung im<br />

serbisch-kroatisch-bosnischen Raum hat und als „etničko čišćenje“ wortwörtlich übersetzt<br />

„ethnische Säuberung“ bedeutet. 26 Ab 1992 fand die ethnische Säuberung als Terminus<br />

vermehrt Verwendung, um die Vertreibung der bosnischen MuslimInnen durch SerbInnen zu<br />

benennen. 27 Der Begriff hatte einen euphemistischen Beigeschmack, indem er in einer<br />

gewissen Weise als Verharmlosung von Genozid galt, was heftig kritisiert wurde, ebenso wie<br />

seine fehlende eindeutige Definition. In Deutschland wurde er 1992 sogar zum „Unwort des<br />

Jahres“ erklärt. Trotz dieser begrifflichen Probleme findet die ethnische Säuberung u.a.<br />

Eingang in offizielle Unterlagen der UNO, obgleich sie noch immer „keinen juristisch<br />

definierten Tatbestand“ verkörpert. 28<br />

Der Historiker Norman Naimark filtert aus dem Terminus der ethnischen Säuberung<br />

sechs zentrale Aspekte heraus: Gewalt, Krieg, Monumente und Erinnerung, Eigentum,<br />

Geschlecht. Ethnische Säuberungen sind eng mit Gewalt verbunden und deren extremste<br />

Auswüchse fordern stets einen hohen Blutzoll. Bevorzugtes Terrain ethnischer<br />

Säuberungsaktionen ist der Krieg, unter dessen Deckm<strong>ante</strong>l herrschendes Zivilrecht außer<br />

Kraft gesetzt wird und in dessen allgemeinen Chaos die Gelegenheit der Durchführung und<br />

deren Verschleierung ermöglicht wird. Ihnen wohnt außerdem ein großes Ausmaß an Totalität<br />

inne und daraus folgt das Endziel der ausnahmslosen Delogierung <strong>eines</strong> jeden Individuums<br />

des verfolgten Volkes, mit der daran anschließend auch die „Auslöschung der Erinnerung“ an<br />

die Deportierten und die Übernahme ihres Eigentums einhergehen soll. Zuletzt wenden sich<br />

ethnische Säuberungen immer auch speziell den Frauen, als „biologischer Kern der Nation“<br />

zu, wehrfähige Männer werden dahingegen meist interniert oder sofort hingerichtet, wie in<br />

24 Vgl. Rohde, Tage, 15f.<br />

25 Vgl. UN Security Council, UN-Resolution 819, S/RES/819, 1993 April 16, http://daccess-ddsny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N93/221/90/IMG/N9322190.pdf?OpenElement,<br />

2014 Dezember 31.<br />

26 Vgl. Holm Sundhausen, Ethnische Säuberung, in: Detlef Brandes – Holm Sundhausen – Stefan Troebst<br />

(Hgg.), Lexikon der Vertreibungen. Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des<br />

20. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2010, 229–234, hier 229.<br />

27 Vgl. Norman M. Naimark, Flammender Hass. Ethnische Säuberung im 20. Jahrhundert, München 2004, 10f.<br />

28 Vgl. Sundhausen, Säuberung, 230.<br />

8


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

<strong>Srebrenica</strong>. 29 Anders als andere Fachleute, die erste ethnische Säuberungen bereits ins 9. bis<br />

7. Jahrhundert v. Chr. zurückdatieren, sieht Naimark diese als Folge des modernen<br />

Nationalismus, insbesondere „in der Entwicklung des europäischen Nationalismus am Ende<br />

des 19. Jahrhunderts“ verwurzelt. 30<br />

Ein entscheidender Unterschied<br />

Trotz der teilweisen synonymen Verwendung des Begriffs ethnische Säuberung für<br />

einen Völkermord, gibt es doch entscheidende Unterschiede die eine strenge Differenzierung<br />

notwendig machen. ExpertInnen sind sich einig, dass Völkermord und ethnische Säuberung<br />

k<strong>eines</strong>falls bedeutungsgleich sind und verstehen letztere als eine Reihe von strafbaren, wie<br />

Menschenrechtsverletzungen und Völkermord, und nicht strafbaren Handlungen, etwa ein<br />

Bevölkerungsaustausch der zwischen Staaten ausgehandelt wurde. 31 Ethnische Säuberungen<br />

sind also nicht per se mit einem Genozid gleichzusetzen. 32<br />

Als zentrales Unterscheidungskriterium zwischen Genozid und ethnischer Säuberung<br />

ist der Vorsatz der Tötung von entscheidender Bedeutung. Für den Völkermord ist diese<br />

Absicht essentiell. Bei der ethnischen Säuberung liegt das oberste Ziel jedoch „in der<br />

Entfernung <strong>eines</strong> Volkes und oft auch aller seiner Spuren von einem bestimmten<br />

Territorium“. Es geht also vielmehr um eine territoriale Vertreibung und anschließende<br />

Inbesitznahme des Landes der Vertriebenen. Da die Praxis einer solchen von Deportationen<br />

und Bevölkerungsaustäuschen geprägt ist, geht sie auch häufig mit Gewalt einher. Denn<br />

Menschen lassen sich selten widerstandslos aus ihrer Heimat vertreiben und so wird Gewalt,<br />

im schlimmsten Fall Massenmord angewandt, „um das Land von einem Volk zu ‚säubern„“,<br />

wodurch die ethnische Säuberung in einen Genozid münden kann. 33 Einem Völkermord geht<br />

jedoch meist die Absicht voraus, „eine bestimmte ethnische Gruppe um fast jeden Preis<br />

loswerden“ zu wollen. Diese Gemeinsamkeit mit einer ethnischen Säuberung lässt den<br />

Genozid zur „letzte[n] Option für den verhinderten ethn. [sic] Säuberer werden“. Aufgrund<br />

dieser teilweisen Korrelation von Genozid und ethnischer Säuberung begegnen sich beide<br />

Verbrechen in strafrechtlicher Hinsicht auf Augenhöhe und werden als „crimes against<br />

humanity“ auf internationaler Ebene gerichtlich verfolgt 34 , wenngleich, wie bereits erwähnt,<br />

noch keine juristische Fachdefinition für ethnische Säuberung existiert.<br />

29 Vgl. Naimark, Hass, 231–246.<br />

30 Vgl. Sundhausen, Säuberung, 231.<br />

31 Vgl. Ebda. 230.<br />

32 Vgl. Barth, Genozid, 264.<br />

33 Vgl. Naimark, Hass, 11f.<br />

34 Vgl. Barth, Genozid, 264f.<br />

9


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Kapitel 2: <strong>Srebrenica</strong><br />

1. Überblick<br />

Die Ereignisse im Juli 1995 rund um die muslimische Enklave <strong>Srebrenica</strong>, eine Stadt im<br />

Osten Bosniens im Grenzgebiet zu Serbien sind der Höhepunkt der kollektiven Gewalt, um<br />

die sich diese Arbeit dreht. Deshalb soll hier ein kurzer Überblick über das Vorgefallene die<br />

Ereignisse wieder ins Gedächtnis rufen. 35<br />

Vor Kriegsausbruch lebten in <strong>Srebrenica</strong> 3673 Einwohner, wovon etwa zwei Drittel<br />

bosnische MuslimInnen und ein Drittel bosnische SerbInnen waren. Nachdem <strong>Srebrenica</strong><br />

1992 von bosnisch-serbischen Truppen überrannt wurde, konnte die bosnische (Anm.:<br />

muslimische) Armee unter Naser Orić den Ort zurückerobern. Die Dörfer im Umkreis blieben<br />

jedoch in bosnisch-serbischer Hand und die serbische Bevölkerung der Stadt floh bzw. wurde<br />

vertrieben, wodurch <strong>Srebrenica</strong> zur rein muslimischen Enklave im bosnisch-serbischen Gebiet<br />

wurde. Aufgrund der Flucht zigtausender bosnischer MuslimInnen aus der nahen Region in<br />

die belagerte Stadt kam es zu einem rapiden Bevölkerungsanstieg, der die humanitäre Lage<br />

massiv verschärfte. Als der bosnisch-serbische Generalstab der eingekesselten Stadt im<br />

Frühling 1994 ein Ultimatum stellte bis zu dem sie sich zu ergeben habe, griff der UN-<br />

Sicherheitsrat ein, erklärte <strong>Srebrenica</strong> kurzerhand zur „ersten UN-Schutzzone der Welt“ 36 und<br />

entsandte bereits zwei Tage später UN-Blauhelme mit einer Friedenserhaltungsmission in die<br />

Enklave, jedoch mit keinerlei Auftrag zur Friedensstiftung. Die Überlegung dahinter war, die<br />

schlecht ausgestatteten Blauhelme als „UN-Schutzschirm“ zur Abschreckung über <strong>Srebrenica</strong><br />

zu spannen. Durch die Blockierung von Hilfsgütertransporten durch SerbInnen kam es dann<br />

jedoch zu prekären Versorgungsengpässen in der von der Außenwelt abgeschnittenen Stadt.<br />

Als die Einnahme der „Seifenblasen-Festung“ <strong>Srebrenica</strong> durch bosnisch-serbische Truppen<br />

kurz bevorstand, wurde dem Kommand<strong>ante</strong>n des niederländischen Blauhelm-Kontingents in<br />

<strong>Srebrenica</strong>, Thomas Karremans, eine NATO-Luftunterstützung verweigert und die Enklave<br />

fiel am 7. Juli 1995 „ohne nennenswerten Widerstand“. Bis zu 25.000 Menschen flohen<br />

daraufhin auf das Areal des UN-Hauptquartieres ins benachbarte Dorf Potočari. Die bosnischserbischen<br />

Invasoren, unter der Führung General Ratko Mladićs, begannen, beim UN-Lager<br />

angekommen, die bosnisch-muslimischen Flüchtlinge zu selektieren. Frauen, Kinder und Alte<br />

wurden in Busse verfrachtet und in bosnisch-kontrolliertes Gebiet gebracht. Die Männer<br />

wehrfähigen Alters wurden in den nahegelegenen von bosnischen SerbInnen gehaltenen Ort<br />

35 Für eine präzise Darstellung der Ereignisse sei das Werk „Die letzten Tage von <strong>Srebrenica</strong>“ von David Rohde,<br />

Tage, empfohlen, der das Geschehene minutiös anhand verschiedener Augenzeugenberichte darlegt.<br />

36 Rohde, Tage, 16.<br />

10


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Bratunac geschafft und dort zusammen mit Männern, die auf dem Fluchtversuch durch die<br />

Wälder von bosnisch-serbischen Einheiten aufgegriffen wurden, interniert. 37 In den folgenden<br />

vier Tagen wurden die ca. 8000 Gefangene in und um Bratunac hingerichtet, der Großteil an<br />

abgelegenen Plätzen mit Maschinengewehren, ihre toten Körper anschließend mit Hilfe<br />

schweren Geräts verscharrt 38 und um die Gräueltat zu verschleiern, später in neue<br />

Massengräber umgebettet. 39<br />

2. <strong>Srebrenica</strong> – Ethnische Säuberung oder Genozid? Warum ist das wichtig?<br />

Anerkennung<br />

Ein Verbrechen mit zahllosen Opfern einer Volksgruppe wurde begangen. Viele<br />

Menschen mussten ihr Leben lassen. Trotz der Endgültigkeit dieser Tat kämpfen Angehörige<br />

der Opfer unermüdlich für die offizielle Definition und Benennung des Verbrechens mit dem<br />

Begriff Genozid. Doch warum bleibt dieser Kampf solange lebendig?<br />

Yvonne Robel kommt zu dem Schluss, dass die Betitelung „ein[es] Ereignis[ses] von<br />

Massengewalt als Genozid“ mit einer Anerkennung des Verbrechens und der Opfer<br />

einhergeht. Diese Anerkennung ist für die Opfer und ihre Gruppe besonders bedeutsam, da sie<br />

für die Gruppe Identität stiftet und für ihre Selbstwahrnehmung von entscheidender<br />

Bedeutung ist. 40 Aleida Assmann führt diese Notwendigkeit der öffentlichen Anerkennung<br />

auf die „viktimologische Ebene des Opferbegriffs“ zurück. Genozide sind demnach gekoppelt<br />

mit grauenhaften Bildern der Entmenschlichung und zeigen schonungslos eine<br />

„Gewaltunterworfenheit“ der Opfer auf, welche sich in deren Wahrnehmung bis zur<br />

Gegenwart hinzieht. Daneben steht auch noch die religiöse Ebene des Opferbegriffs, mittels<br />

der u.a. „versucht wird, dem Verlust und Erleiden einen höheren Sinn zu verleihen“.<br />

Massengewalt im Allgemeinen, und insbesondere Genozide, konstruieren auch sogenannte<br />

„kollektive Opfergruppen“. Assmann hebt auch eine „ethische Wende“ in Richtung <strong>eines</strong><br />

viktimologischen Gedenkens an die Opfer hervor, also eine stärkere Fokussierung auf die<br />

Erinnerung an Traumata, als an HeldInnen. Aleida Assmann geht noch weiter und spricht von<br />

einer „moralischen Autorität“ des Opferbegriffs, durch welche das Opfer einen berechtigten<br />

Anspruch auf Gehör erlangt, wodurch ihm auch Aufmerksamkeit zuteilwird. Ein besonderes<br />

37 Vgl. Holm Sundhausen, <strong>Srebrenica</strong>, in: Detlef Brandes – Holm Sundhausen – Stefan Troebst (Hgg.), Lexikon<br />

der Vertreibungen. Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts,<br />

Wien/Köln/Weimar 2010, 615–617, hier 615f.<br />

38 Vgl. Eric Markusen, Genocide In Bosnia, in: Dominik J. Schaller – Rupen Boyadjian – Vivianne Berg –<br />

Hanno Scholtz (Hgg.), Enteignet – Vertrieben – Ermordet. Beiträge zur Genozidforschung, Zürich 2004, 457–<br />

464, hier 462.<br />

39 Vgl. Sundhausen, <strong>Srebrenica</strong>, 616.<br />

40 Vgl. Robel, Verhandlungssache, 74f.<br />

11


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Maß an Aufmerksamkeit genießen Opfer von Genoziden, denen neben der eben besprochenen<br />

Aufmerksamkeit <strong>eines</strong> Opfers auch jene des Genozides widerfährt. Judith Butler fasst dies<br />

zusammen: „Sie [die Opfer] greifen auf den Genozid- oder den Opferbegriff zurück, um<br />

deren normativen Gehalt zu nutzen und sich darüber anerkennbar zu machen.“ 41<br />

In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends fällte der Internationale Strafgerichtshof<br />

für das ehemalige Jugoslawien mehrere Urteile im Fall <strong>Srebrenica</strong>, darunter auch jene gegen<br />

Radislav Krstić und Vidoje Blagojević u.a. wegen Völkermordes. 42 Erstmals seit dem NS-<br />

Holocaust wird damit wieder ein Völkermord auf europäischen Boden offiziell anerkannt. 43<br />

Wen zur Verantwortung ziehen?<br />

Die bosnisch-serbischen Offiziere Radislav Krstić und Vidoje Blagojević wurden vom<br />

ICTY bereits verurteilt, der ebenfalls angeklagte serbische Präsident Slobodan Milošević starb<br />

im UN-Gefängnis 44 , die Prozesse gegen den Anführer der bosnischen Serben Radovan<br />

Karadžić und den bosnisch-serbischen General Ratko Mladić laufen 45 , doch bleibt die Frage<br />

ob man diesen Genozid allein an wenigen einzelnen Schuldigen festmachen kann? Die<br />

TäterInnenfrage ist gerade bei einem Völkermord ein besonders heikles und auch<br />

„logistisches“ Problem. Durch die große Anzahl an Beteiligten wird es umso schwerer alle<br />

Täter vor Gericht zu stellen. So beschränkt sich die Anklage auf die Verurteilung von<br />

Einzelpersonen. Große Kollektive sind schwerer anzuklagen. Dennoch gibt es vereinzelte<br />

Versuche: so kämpft seit nahezu 20 Jahren die Organisation „Mütter von <strong>Srebrenica</strong>“ dafür,<br />

dass die TäterInnen des Massakers von <strong>Srebrenica</strong> zur Rechenschaft gezogen werden. Auch<br />

die Niederlande und die UNO. 46 Um es vorwegzunehmen: es wird hier nicht der Anspruch<br />

gestellt die TäterInnenfrage eindeutig aufzuklären, dennoch ist es angebracht verschiedene<br />

AkteurInnen als TäterInnen aufzuzeigen, um die komplexe Struktur dieser Art des<br />

Gewaltexzesses erahnen lassen zu können.<br />

Nach der EU-Resolution zum Gedenken an <strong>Srebrenica</strong> gelten als direkte TäterInnen<br />

bosnisch-serbische Soldaten sowie paramilitärische Einheiten inklusive „irregulärer serbischer<br />

41 Vgl. Ebda. 80–84.<br />

42 Vgl. Kiernan, Erde, 763.<br />

43 Vgl. Anthony Deutsch – Mark Heinrich (ed.), U.N. Can't Be Tried For <strong>Srebrenica</strong> Massacre -Dutch Court,<br />

Reuters, 2012 April 13, http://www.reuters.com/article/2012/04/13/us-srebrenica-netherlands-unidUSBRE83C0WH20120413,<br />

2014 Dezember 31.<br />

44 Vgl. Kiernan, Erde, 763.<br />

45 UN ICTY, The Cases. Cases At Trial, http://www.icty.org/action/cases/4, 2014 Dezember 31.<br />

46 Vgl. Unbekannt, "Mütter von <strong>Srebrenica</strong>" verklagen die Niederlande. Kriegsverbrechen, Deutsche Welle, 2014<br />

April 7, http://www.dw.de/mütter-von-srebrenica-verklagen-die-niederlande/a-17549555, 2014 Dezember 31.<br />

12


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Polizeieinheiten“ unter dem aufsteigenden Kommando von Krstić, Mladić und Karadžić, die<br />

als Verantwortliche für das Massaker gelten. 47 Die Beteiligung der sogenannten „griechischen<br />

Freiwilligengarde“ (Ενή Εεοντή Φρουρά, Grčka dobrovoljačka garda) an dem<br />

Massaker wird weitreichend ausgeblendet und nicht weiter aufgearbeitet. 48<br />

Neben den direkten Ausführenden der Tötungstat sind jedoch auch „indirekte“<br />

Beteiligte zu nennen, denen zumindest eine schließlich entscheidende Teilschuld<br />

nachgewiesen werden kann.<br />

Schon 1993 klagten Bosnien und Herzegowina die Bundesrepublik Jugoslawien<br />

wegen Völkermordes vor dem Internationalen Gerichtshof an, aufgrund der ethnischen<br />

Säuberungen, nicht wegen der Ereignisse von <strong>Srebrenica</strong>, die erst zwei Jahre später<br />

geschahen. 2007 wurde Serbien als Rechtsnachfolger der Bundesrepublik Jugoslawien vom<br />

Vorwurf des Völkermordes freigesprochen. Jedoch habe Serbien der bosnisch-serbischen<br />

Armee weitreichende finanzielle und militärische Hilfe zukommen lassen und sei seiner<br />

„Pflicht, den Völkermord in <strong>Srebrenica</strong> zu vermeiden sowie in dessen Aufklärung mit dem<br />

ICTY zusammenzuarbeiten, nicht nachgekommen“. 49<br />

Auch der bosnischen Regierung wird mitunter vorgeworfen, während des Krieges<br />

keine großen Anstrengungen zur Vermeidung des Massakers unternommen haben. Deutlich<br />

wird dies am Protest der bosnischen Regierung bei einer Evakuierungsmission des UNHCR<br />

(United Nations High Commissioner for Refugees), dem Beihilfe zur ethnischen Säuberung<br />

<strong>Srebrenica</strong>s vorgeworfen wurde. 50<br />

Frankreich und der NATO wurde in Person von General Bernard Janvier das Versagen<br />

attestiert, die Forderung nach NATO-Luftunterstützung nicht weitergeleitet zu haben. Grund<br />

dafür soll ein Geheimabkommen mit Mladić und Momčilo Perišić, dem Befehlshaber der<br />

serbischen Armee, über die Freilassung gefangengenommener französischer Blauhelme<br />

gewesen sein. Im Gegenzug wurde den SerbInnen ein am-Boden-Bleiben der NATO-<br />

Luftstreitkräfte versprochen. Diese Vorwürfe konnten jedoch aus Mangel an Beweisen nicht<br />

verifiziert werden und weitere Ermittlungen blieben aus. 51<br />

Die Niederlande gelangen in Form ihrer in <strong>Srebrenica</strong> stationierten UN-Blauhelme in<br />

den Fokus der Anklage, die der unterlassenen Hilfeleistung zur Verhinderung des <strong>Genozids</strong><br />

47 Vgl. Mehler, <strong>Srebrenica</strong>, 205f.<br />

48 Vgl. Ebda. 214f.<br />

49 Vgl. Ebda. 209f.<br />

50 Vgl. Sundhausen, <strong>Srebrenica</strong>, 615f.<br />

51 Vgl. Mehler, <strong>Srebrenica</strong>, 211f.<br />

13


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

bezichtigt wurden. Eine Untersuchungskommission stellte darauf die Schuldlosigkeit der<br />

Soldaten fest und zeigte „Verfehlungen der niederländischen Regierung“ auf, was zum<br />

Rücktritt des Premierministers Willem Kok und s<strong>eines</strong> Kabinetts führte. 52<br />

Esmir Ćatić arbeitete in seiner Dissertation die Versäumnisse der UNO in Bezug auf<br />

<strong>Srebrenica</strong> heraus und stellt die äußerst gewagte und reißerische Hypothese <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

der UNO auf. 53 Jedoch ist dieser Vorwurf nicht haltbar, da er in seinen Interviews mit<br />

Augenzeugen lediglich auf bosnische Opfer setzte und diesen keine Augenzeugenberichte von<br />

involvierten UN-Blauhelmsoldaten gegenüberstellt bzw. gegenüberstellen kann. 54 Doch<br />

ungeachtet dessen, welcher Grad an Schuld den Vereinten Nationen letztlich beigemessen<br />

werden kann, gab 1999 UNO-Generalsekretär Kofi Annan gravierende Fehler der Vereinten<br />

Nationen bei der Verhinderung des <strong>Srebrenica</strong>-Massakers zu 55 und resümierte: „The tragedy<br />

of <strong>Srebrenica</strong> will haunt our history forever“. 56<br />

Die Suche nach den TäterInnen dieses Massakers wirft aufgrund des noch<br />

andauernden Aufarbeitungsprozesses mehr Fragen auf als beantwortet werden können. Daher<br />

kann und muss die TäterInnenfrage auch hier nicht vollständig aufgeklärt werden.<br />

War es ein Genozid?<br />

Obwohl, wie schon beschrieben, keine strafrechtliche Hierarchie zwischen Genozid<br />

und ethnischer Säuberung besteht, ist eine genaue Definierung des Vorgefallenen im Sinne<br />

des Anerkanntwerdens auch insbesondere für die Opfer und deren Hinterbliebene von<br />

immenser Bedeutung, denn derartig schlimme Verbrechen prägen nachhaltig das kollektive<br />

Gedächtnis von Menschen, weshalb eine genaue Definierung obligatorisch ist. Aufgrund der<br />

Koexistenz der Begriffe Genozid und ethnischer Säuberung im Kontext des<br />

Jugoslawienkrieges muss die definitorische Grenze zwischen den beiden Termini auch auf das<br />

zentrale Ereignis dieser Abhandlung, das Massaker von <strong>Srebrenica</strong>, angewandt werden. Um<br />

die Frage der Kategorisierung dieses Verbrechens klären zu können, ist vorerst das zentrale<br />

Unterscheidungskriterium der beiden Termini, die Tötungsabsicht, ausfindig zu machen.<br />

52 Vgl. Ebda. 212f.<br />

53 Ćatić, Seven, 213–221.<br />

54 Ebda. 253–379.<br />

55 Vgl. Mehler, <strong>Srebrenica</strong>, 207f.<br />

56 UN General Assembly, Report Of The Secretary-General Pursuant To General Assembly Resolution 53/35.<br />

The Fall Of <strong>Srebrenica</strong>, A/54/549, 1999 November 15, http://daccess-ddsny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N99/348/76/IMG/N9934876.pdf?OpenElement,<br />

2014 Dezember 31, 108.<br />

14


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

1991 gab der Anführer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, unmissverständlich<br />

zu erkennen, dass „die muslimische Gemeinde in Bosnien […], vom Erdboden<br />

verschwinden„“ werde, sollte sie für die Unabhängigkeit Bosnien und Herzegowinas<br />

votieren. 57 Ratko Mladić ordnete im Jahr darauf „die ‚ethnische Säuberung„ der Stadtenklaven<br />

<strong>Srebrenica</strong>, Žepa und Goražde [(Goraschde, Strupnitsch)]“ an. Im Frühling des Jahres 1995<br />

erging dann folgende Order von Karadžić an die bosnisch-serbische Armee: „‚Durch gepl<strong>ante</strong><br />

und durchdachte Kampfoperationen muss eine unerträgliche Lage der totalen Unsicherheit<br />

geschaffen werden, die den Bewohnern von <strong>Srebrenica</strong> und Žepa keine Hoffnung auf ein<br />

weiteres Überleben lässt„“. 58 Mit dieser Taktik wollte man die Menschen der Enklave<br />

<strong>Srebrenica</strong> zur Flucht zwingen, wobei hier klar die ethnische Säuberung noch im Vordergrund<br />

steht. Dann sei jedoch aufgrund des geringen Widerstands das neue Ziel gereift, alle Männer<br />

und Jungen zu töten, was klar als genozidale Absicht zu werten ist. 59 So war nach Norman<br />

Naimark <strong>Srebrenica</strong> „[…]der Schauplatz des schlimmsten Völkermordmassakers bei der<br />

ethnischen Säuberung Bosnien-Herzegowinas[sic]“. 60<br />

Laut Angela Wieser 61 erfüllen die bosnischen MuslimInnen <strong>Srebrenica</strong>s die<br />

Voraussetzung, dass es sich bei ihnen um eine potentiell von Völkermord betroffene Gruppe<br />

handelt, da sie als <strong>eines</strong> der Völker Jugoslawiens galten, deren Unterteilung anhand der<br />

unterschiedlichen religiösen Bekenntnisse getroffen wurde. 62 Da dies jedoch weniger mit dem<br />

persönlichen ausgelebten Glauben einer Person zu tun hatte, als vielmehr mit der<br />

Weitertradierung durch die Eltern, sind die bosnischen MuslimInnen nicht nur als religiöse,<br />

sondern auch als ethnische Gruppe zu verstehen. 63 Des Weiteren hatte <strong>Srebrenica</strong>, als<br />

muslimische Enklave im bosnisch-serbischen Gebiet, auf dem ein serbischer Staat entstehen<br />

sollte, eine besondere strategische Bedeutung um eine homogene serbische Region realisieren<br />

zu können. 64<br />

57 Vgl. Kiernan, Erde, 758.<br />

58 Vgl. Ebda. 763.<br />

59 Vgl. Wieser, Säuberungen, 102.<br />

60 Vgl. Naimark, Hass, 206.<br />

61 Die Politikwissenschaftlerin Angela Wieser widmete der entscheidenden Frage nach der Tötungsabsicht ihre<br />

Diplomarbeit, (Wieser, Säuberungen.) die aufgrund ihrer Aktualität und Qualität in einer überarbeiteten Fassung<br />

schließlich vom Verlag „Peter Lang – Europäischer Verlag der Wissenschaften“ herausgegeben wurde. Sie<br />

ermittelt u.a. anhand der UN-Genozidkonvention die genozidale Absicht im Bosnienkrieg, insbesondere auch in<br />

<strong>Srebrenica</strong>.<br />

62 Vgl. Wieser, Säuberungen, 100.<br />

63 Vgl. Calic, Krieg, 28.<br />

64 UN ICTY, Appeal Chamber Judgement, Case No.: IT-98-33-A; 2004 April 4,<br />

http://www.icty.org/x/cases/krstic/acjug/en/krs-aj040419e.pdf, 2014 Dezember 31, 5f, Paragraph 15.<br />

15


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Es ist auch oft von der Hinrichtung der „Männer im wehrfähigem Alter“ <strong>Srebrenica</strong>s<br />

die Rede, also von potentiellen militärischen Feinden der bosnisch-serbischen Armee. Doch<br />

wurde auch eine große Zahl Männer hingerichtet, die weder bosnisch-muslimische Soldaten,<br />

noch im wehrfähigen Alter waren. Dies zeigt, dass die Tötungsabsicht nicht allein darauf<br />

abzielte mögliche militärische Gegner zu exekutieren. 65<br />

Ein wichtiger Anhaltspunkt für die beabsichtigte Durchführung <strong>eines</strong> Genozides von<br />

Seiten des bosnisch-serbischen Generalstabs sind, neben Zeugenaussagen aus den eigenen<br />

Reihen über unmissverständliche Befehle des Führungskaders, insbesondere das Maß an<br />

strukturierter Organisation und Planung, das angewendet wurde um die Hinrichtungen zu<br />

ermöglichen. Diese Systematik des Grauens reichte von der Separierung der Männer vom<br />

Rest der Bevölkerung, über deren Abtransport zu geeigneten Hinrichtungsstätten bis hin zur<br />

Beschaffung von schwerem Gerät für das Verscharren der Leichen. 66<br />

Ein schließlich entscheidendes Indiz, warum man die Gräueltaten rund um <strong>Srebrenica</strong><br />

als Genozid einstufen kann, ist die ausschließliche Tötung der männlichen Bevölkerung der<br />

Schutzzone, denn diese bedeutete einen „tremendous loss for the traditionally patriarchal<br />

Muslim society“. Deren Hinrichtung kam also der Vernichtung <strong>eines</strong> essentiellen Teils dieser<br />

Gesellschaft gleich und sei demnach eine gezielte Aktion gewesen um diese als solche zu<br />

zerstören. Dieser Faktor war schließlich für das ICTY auch ausschlaggebend um den<br />

bosnisch-serbischen General Radislav Krstić als Verantwortlichen für das Massaker wegen<br />

Völkermordes zu verurteilen. 67 Das Urteil wurde jedoch später revidiert und auf „Beihilfe<br />

zum Völkermord“ herabgesetzt, da ihm persönlich keine direkte genozidale Absicht<br />

nachgewiesen werden konnte, sondern nur eine Mitwisserschaft und Nicht-Hinterfragung der<br />

Befehle seiner Vorgesetzten attestiert wurde. 68 Am 9. Mai 2007 wurde schließlich auch<br />

Vidoje Blagojević von der Teilnahme am Völkermord freigesprochen. 69 Damit wurden die<br />

ersten beiden Personen, die nach dem Zweiten Weltkrieg <strong>eines</strong> Völkermordes bezichtigt<br />

wurden, in weiterer Instanz davon freigesprochen. Bleibt abzuwarten welches Urteil über<br />

Radovan Karadžić und Ratko Mladić, die vermutlichen Architekten des Massakers von<br />

<strong>Srebrenica</strong>, gefällt wird…<br />

65 Vgl. Wieser, Säuberungen, 102.<br />

66 Vgl. Ebda. 103f.<br />

67 Vgl. Markusen, Genocide, 458.<br />

68 Vgl. Wieser, Säuberungen, 107.<br />

69 Vgl. UN ICTY Appeals Chamber, Judgement Summary. Summary Of Appeals Judgement For Vidoje<br />

Blagojević And Dragan Jokić, Den Haag 2007 Mai 9,<br />

http://www.icty.org/x/cases/blagojevic_jokic/press/en/PR1158a%20%20Summary%20of%20%20Appeals%20J<br />

udgement%20for%20Blagojevic%20and%20Jokic.pdf, 2014 Dezember 31.<br />

16


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Im Jahr 2013 entschuldigte sich jedoch der serbische Präsident Tomislav Nikolić<br />

erstmals für die serbischen Verbrechen in <strong>Srebrenica</strong>…stellte aber einen Genozid weiterhin<br />

infrage. 70<br />

Kapitel 3: <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

1. Knappheit als Wegbereiter<br />

Auch ein Völkermord entwächst nicht dem reinen Zufall, sondern ist Folge <strong>eines</strong><br />

langwierigen Prozesses in dem die genozidale Saat langsam Wurzeln des Hasses, der<br />

Zwietracht und des Neides schlägt, durch die Blätter der Religion, Rasse und Ethnie<br />

heranwachsen kann und schließlich die Blüten des Todes hervorbringt. Welcher Boden weist<br />

jedoch günstige Bedingungen für ein Keimen dieser genozidalen Saat auf?<br />

Knappheit ist ein Phänomen mit verschiedenen Facetten. Eine für den Völkermord<br />

entscheidende Ausformung ist die so genannte politische Knappheit. 71 Dabei handelt es sich<br />

um die Diskriminierung bestimmter Gruppen in materieller und politischer Hinsicht. Das<br />

Problem hierin liegt eindeutig in der ungleichen Ressourcenverteilung, häufig hervorgerufen<br />

durch eine Gleichzeitigkeit von „Ressourcenmangel und eine wachsende Bevölkerung“. Diese<br />

Form der Knappheit ist insbesondere „in ethnisch geteilten (‚pluralen„) Gesellschaften“<br />

anzutreffen, welche Gleichberechtigungsforderungen nach sich zieht, auf welche wiederum<br />

mit „Unterdrückung und bei andauerndem Konflikt mit dem Versuch <strong>eines</strong> partiellen oder<br />

totalen <strong>Genozids</strong>“ reagiert wird. 72 Damit gehen dann „Eroberungswille, Vergeltung,<br />

Dominanz und […] bestimmte[n] Ideologien [, die] die völlige Umgestaltung der Gesellschaft<br />

[…] und ‚Säuberung„ zu erreichen“ versuchen, einher. 73 Laut Elçin Kürşat-Ahlers sind sich<br />

viele GenozidforscherInnen einig, „dass die ethnisch-kulturell pluralistischen Gesellschaften<br />

ein höheres Genozidrisiko in Krisensituationen bergen als die so genannten homogenen“. 74<br />

70 Vgl. Adelheid Wölfl, Serbiens späte Entschuldigung für das <strong>Srebrenica</strong>-Massaker. Genozid im Bosnien-Krieg,<br />

Der Tagesspiegel, 2013 April 25, http://www.tagesspiegel.de/politik/genozid-im-bosnien-krieg-serbiens-spaeteentschuldigung-fuer-das-srebrenica-massaker/8123820.html,<br />

2014 Dezember 31.<br />

71 Vgl. Roger W. Smith, Knappheit und Genozid, in: Isidor Wallimann – Michael N. Dobkowski (Hgg.), Das<br />

Zeitalter der Knappheit. Ressourcen, Konflikte, Lebenschancen, Bern/Stuttgart/Wien 2003, 169–182, hier 174.<br />

72 Vgl. Smith, Knappheit, 171.<br />

73 Vgl. Ebda. 174.<br />

74 Vgl. Elçin Kürşat-Ahlers, Über das Töten in Genoziden. Eine Bilanz historisch-soziologischer Deutungen, in:<br />

Peter Gleichmann – Thomas Kühne (Hgg.), Massenhaftes Töten. Kriege und Genozide im 20. Jahrhundert,<br />

Frieden und Krieg – Beiträge zur Historischen Friedensforschung 2, Essen 2004, 180–206, hier 190.<br />

17


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Doch die Wissenschaftlerin kommt zu dem Schluss, dass „verspätete<br />

Nationsbildungsprozesse“ das Hauptübel für ein verstärktes Genozidrisiko darstellen. 75<br />

Ungeachtet dessen ist die Dynamik, die durch das Kumulieren von Knappheitsformen<br />

entsteht, alarmierend. Roger W. Smith bringt diese auf den Punkt: Auf „Konflikte um<br />

Ressourcen, Umsiedlungen und die daraus resultierenden Spannungen zwischen<br />

verschiedenen Bevölkerungsgruppen, Verteilung von Ressourcen nach rassischen, religiösen<br />

oder ethnischen Gesichtspunkten (was zu Forderungen nach Autonomie oder Unabhängigkeit<br />

führt) und eine Schwächung der staatlichen Legitimität […] [, folgen] Revolution, Sezession<br />

oder wachsende[r] Autoritarismus, der die sozialen und politischen Probleme mit Gewalt zu<br />

lösen versucht. Unter diesen Umständen können sich auch neue Ideologien entwickeln, die<br />

wahrscheinlich im Rahmen von ethnischer Zugehörigkeit oder Religion formuliert werden. In<br />

einigen Fällen wird der Staat in verschiedene, einander bekämpfende Gruppen zerfallen, von<br />

denen zwar keine die Herrschaft erringen, aber eine einzelne andere Gruppen in immer wieder<br />

aufflammenden Kämpfen dezimieren kann“. Am Ende steht der Völkermord. 76<br />

Im Mai 1980 starb der jugoslawische Diktator Josip Broz Tito, der den Vielvölkerstaat<br />

Jugoslawien bis dahin einen und stabil halten konnte. Jahre einer depressiven Wirtschaft<br />

führten zu einer weit verbreiteten Arbeitslosigkeit, die es nur mehr schwer ermöglichte den<br />

bisherigen hohen Lebensstandard aufrechtzuerhalten und die Lebenserhaltungskosten auf das<br />

bis zu Neunfache hochschnellen ließen. 77 Junge Menschen die gute Qualifikationen<br />

aufzuweisen hatten, fanden keine Arbeit mehr, erlagen den Arbeitsmöglichkeiten im Ausland<br />

und emigrierten. Gleichzeitig entfremdeten sich die Ethnien in den jugoslawischen<br />

Republiken und auch die Republiken selbst voneinander. 78 Eine starke Auslandsverschuldung,<br />

der generelle Rückstand in der Technologie und die harten Bedingungen des IWF<br />

(Internationaler Währungsfond) trugen noch ihr Übriges bei. Diese Situation führte dazu, dass<br />

Jugoslawien von der Bevölkerung zunehmend in Frage gestellt wurde. Durch das<br />

innerjugoslawische Wohlstandsgefälle etablierten sich zudem pauschalisierte<br />

Wohlstandszuschreibungen entlang nationaler bzw. ethnischer Linien. So galten die<br />

SlowenInnen als reich, die BosnierInnen als arm und die SerbInnen im Mittelfeld zwischen<br />

den beiden. Gegenseitige Schuldzuweisungen für die eigene wirtschaftliche Misere ließen den<br />

75 Vgl. Kürşat-Ahlers, Töten, 194.<br />

76 Vgl. Smith, Knappheit, 175.<br />

77 Vgl. Holm Sundhausen, Von der „bescheidenen Rede“ zum Massenmord. Der Zerfall Jugoslawiens und die<br />

Kriege der 1990er Jahre, in: Wolfgang Benz (Hg.), Vorurteil und Genozid. Ideologische Prämissen des<br />

Völkermords, Wien/Köln/Weimar 2010, 187–216, hier 187f.<br />

78 Vgl. Markusen, Genocide, 459.<br />

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<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Graben zwischen den jugoslawischen Völkern immer breiter und tiefer werden. Es kam zur<br />

Föderalisierung Jugoslawiens die ihren Teilrepubliken immer mehr Autonomierechte gab,<br />

was insbesondere die Republik Serbien störte, da sie Kontrolle über weite Gebiete einbüßte.<br />

Dieser Umbau führte zum Wiedererstarken des Nationalismus, jedoch anfangs nur innerhalb<br />

der Eliten, denn Umfragen Ende der 1980er-Jahre belegen, dass der Großteil der Bevölkerung<br />

dem Modell von einzelnen unabhängigen post-jugoslawischen Nationalstaaten eher negativ<br />

gegenüberstand und die Menschen das persönliche Verhältnis zu anderen Ethnien sogar als<br />

durchwegs positiv beschrieben. 79<br />

Ein Paradox von Genoziden ist, dass sie als Mittel zur Bekämpfung von Knappheit,<br />

diese erst recht erzeugt, da sie das soziale und ökonomische Gefüge einer Gesellschaft<br />

mächtig ins Wanken bringen bzw. zerstören und neben den Opfern auch die TäterInnen<br />

rückwirkend treffen. 80 Damit schließt sich der Teufelskreis und „das Fundament für weitere<br />

Gewalt in der Zukunft“ ist gelegt. 81 Auch die genozidale Gewalt des Bosnienkrieges rührte<br />

von einem Genozid der Vergangenheit her. So ermordete das faschistische kroatische Ustaša-<br />

Regime (Ustaša – hrvatska revolucionarna organizacija) im Zweiten Weltkrieg mit deutscher<br />

Unterstützung zigtausende Juden und Jüdinnen und hunderttausende SerbInnen, was zur<br />

Verbreitung starken chauvinistischen Gedankenguts unter den SerbInnen führte, und schon<br />

bald darauf Forderungen nach einem „Einheitliche[n] Serbien“ laut werden ließ, die nach dem<br />

Tod Titos nun durchführbar schienen. 82 Schon hier ist die Prägung des kollektiven<br />

Gedächtnisses der SerbInnen als Opfer erkennbar, die von den kroatischen Massenmorden an<br />

ihnen herrührt. Doch die Verbrechen dieser Zeit und deren Opfer liegen auf beiden bzw.<br />

mehreren Seiten. So verloren u.a. auch viele KroatInnen, AlbanerInnen, DonauschwabInnen<br />

und SlowenInnen ihr Leben. Die Opfer wurden dann von allen Seiten für die jeweiligen<br />

politischen Ziele instrumentalisiert und insbesondere die siegreichen Kommunisten unter Tito<br />

unternahmen keine Schritte, um eine Vergangenheitsbewältigung der jugoslawischen Völker<br />

einzuleiten, auch, um die Spuren ihrer eigenen während des Krieges begangenen Taten zu<br />

verwischen. Dieses Ausbleiben der Versöhnungsarbeit hat einen entscheidenden Anteil am<br />

Ausbruch der Jugoslawienkriege in den 1990er-Jahren. 83<br />

79 Vgl. Sundhausen, Rede, 188–194.<br />

80 Vgl. Smith, Knappheit, 171f.<br />

81 Vgl. Ebda. 175.<br />

82 Vgl. Kiernan, Erde, 756f.<br />

83 Vgl. Tilman Zülch – Benedikt Stumpf, Vielvölkerstaat Jugoslawien zweimal gescheitert, in: Tilman Zülch<br />

(Hg.), "Ethnische Säuberung"–Völkermord für "Großserbien". Eine Dokumentation der Gesellschaft für<br />

Bedrohte Völker, Flugschrift 5, Frankfurt am Main 2 1993, 13–17, hier 15.<br />

19


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Der heutige Staat Bosnien und Herzegowina weist eine derartig miserable<br />

wirtschaftliche und soziale Lage auf, dass er zu den am wenigsten entwickelten Staaten<br />

Europas zählt 84 , in dem noch weite Landstriche vom Krieg versehrt sind. Die politische<br />

Teilung des Landes entlang der ehemaligen Konfliktethnien spaltet das Land weiter und<br />

macht es politisch handlungsunfähig. Und es mehren sich wieder Separationswünsche… 85<br />

2. Ethnisierung zur Separierung …<br />

Um einen Genozid möglich werden zu lassen, benötigt man zuerst einmal eine „Wir“-<br />

Gruppe und eine „die Anderen“-Gruppe von der man sich abgrenzen kann. Im Falle <strong>eines</strong><br />

Genozides bezeichnen sich diese Gruppen als unterschiedliche „Völker“.<br />

Hauptverbindungsglied innerhalb der jeweiligen Gruppe ist die gemeinsame<br />

Abstammungslinie, welche sich in Form von gemeinsamer Sprache, Religion, Kultur, Politik,<br />

geographischer Verbundenheit nach außen hin definiert. Diese Merkmale sind jedoch nur die<br />

äußeren Erscheinungsformen der Abstammung, für ethnische Gruppen selbst ist rein die<br />

Vorstellung einer gemeinsamen Abstammung immanent, über welches spezifisches Merkmal<br />

oder über welchen Merkmalkanon sich diese definieren ist unerheblich für die Gruppe selbst.<br />

Deswegen können sich die Kernmerkmale die eine ethnische Gruppe ausmachen verändern<br />

und sich damit auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ändern. Dennoch ist eine ethnische<br />

Identität nicht komplett frei konstruierbar, „[…]sondern folgt den Gesetzmäßigkeiten der<br />

segmentär gegliederten Abstammung“. Was heißt das? Nun die ethnische Identität setzt sich<br />

aus mehreren Ebenen zusammen. Diese bestehen aus den unveränderlichen<br />

Geburtsumständen <strong>eines</strong> Menschen, wie Aussehen, Eltern usw. und den<br />

„[…]sozialisationsbedingte[n] Einflüsse[n] der ersten Lebensjahre“. Diese Kennzeichen<br />

lassen sich zwar selbst nicht verändern, jedoch lässt sich verändern, welche<br />

Abstammungsmerkmale kontextabhängig zu Kernmerkmalen einer bestimmten ethnischen<br />

Gruppe akzentuiert werden. 86<br />

84 Vgl. UNDP, Human Development Report 2013, The Rise Of The South: Human Progress In A Diverse World.<br />

Explanatory Note On 2013 HDR Composite Indices, Bosnia And Herzegovina, HDI Values And Rank Changes<br />

In The 2013 Human Development Report, http://hdr.undp.org/sites/default/files/Country-Profiles/BIH.pdf, 2014<br />

Dezember 31.<br />

85 Vgl. Unbekannt, Republika Srpska Closely Monitoring Referendum On Scottish Independence, InSerbia<br />

News, 2014 September 15, http://inserbia.info/today/2014/09/republika-srpska-closely-monitoring-referendumon-scottish-independence/,<br />

2014 Dezember 31.<br />

86 Vgl. Alain Bertallo, Von der Ethnisierung zum Genozid. Mechanismen der Mobilisierung Unbeteiligter zu<br />

Akteuren kollektiver Gewaltexzesse, in: Dominik J. Schaller – Rupen Boyadjian – Vivianne Berg – Hanno<br />

Scholtz (Hgg.), Enteignet – Vertrieben – Ermordet. Beiträge zur Genozidforschung, Zürich 2004, 67–74, hier<br />

67–69.<br />

20


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

In Titos Jugoslawien war die freie Religionsausübung theoretisch garantiert, diese<br />

wurde in der Praxis jedoch durch das kommunistische Regime unterdrückt 87 und so diente die<br />

serbokroatische Sprache als Einheitsstiftung für die Bevölkerung. Als der kommunistische<br />

Staat auseinanderzubrechen begann, war es notwendig, neue regionale Identitäten zu<br />

erschaffen, da die jugoslawische Identität ausgedient hatte. So ließ sich eine zunehmende<br />

Sprachendifferenzierung erkennen. Jedoch waren die Dialektunterschiede im<br />

serbokroatischen Sprachraum nicht ausreichend, um unterschiedliche Identitäten zu<br />

zementieren und damit musste die Religion als zentrales Kennzeichen der<br />

Abstammungsunterscheidung herhalten. Von nun an galten alle KatholikInnen als<br />

KroatInnen, alle Orthodoxen als SerbInnen und alle MuslimInnen als BosnierInnen. 88<br />

Verwandtschaftsverhältnisse spielen historisch gesehen nahezu immer eine besondere Rolle<br />

bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden Ressourcen, so auch staatliche Ressourcen,<br />

was zu einem Verwandtschaftsklientelismus innerhalb des Staatsapparates führt. In modernen<br />

Staaten wurde dieser aus quantitativen Gründen jedoch durch einen ethnischen Klientelismus<br />

ersetzt, da auf der staatlichen Makroebene ein größerer Menschenpool erforderlich ist um die<br />

große Anzahl an zu vergebenden Positionen besetzen zu können. Ethnische Gruppen sind als<br />

Substitut für Verwandtschaften hierfür am besten geeignet, da eine gemeinsame ethnische<br />

Basis aufgrund gemeinsamer Sprache und Werteverständnis die Kommunikation zwischen<br />

den AkteurInnen verbessert und eine funktionsfähige Verwaltung gewährleistet. Andererseits<br />

bewirkt sie jedoch auch „Privilegierung und Diskriminierung [anderer] ethnischer Gruppen<br />

im Staat“, was mit ein wichtiger Grund für ethnische Konflikte ist, die wiederum als Mittel<br />

der Massenmobilisierung fungieren und Vorboten <strong>eines</strong> Völkermordes sind. 89<br />

3. Nationalismus und Propaganda<br />

Auch kollektive Gewalt ist eine Form kollektiven Handelns und unterliegt damit auch<br />

denselben Gesetzmäßigkeiten. So können auch Genozide nicht einfach spontan auftreten,<br />

sondern benötigen im Vorhinein ein gewisses Maß an Organisation und<br />

Massenmobilisierung. 90 So sieht auch Dorothee Frank Genozide nicht als „‚naturhafte„<br />

Eruptionen übermächtig gewordenen Hasses“ der Bevölkerung, sondern identifiziert nationale<br />

Führungsriegen als Drahtzieher und Organisatoren dieser exzessiven Gewalt. Sie wärmen<br />

87 Vgl. Niko Ikic, Der Gesellschaftsbezug des Katholizismus in Bosnien und Kroatien, in: Hans-Dieter Döpmann<br />

(Hg.), Religion und Gesellschaft in Südosteuropa, Südosteuropa-Jahrbuch 28, München 1997, 235–251, hier<br />

246.<br />

88 Vgl. Bertallo, Ethnisierung, 67f.<br />

89 Vgl. Ebda. 69–71.<br />

90 Vgl. Ebda. 70f.<br />

21


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

bereits abgekühlte Konfliktpotentiale wieder auf, werfen eine effektive<br />

Propagandamaschinerie an und lassen diese auf Hochtouren arbeiten um die Motivation der<br />

Bevölkerung zum Äußersten, dem Töten ihrer NachbarInnen, FreundInnen oder Bekannten,<br />

zu steigern. Dieser Vorgang vollzieht sich während mehrerer Jahre. 91 So sind Genozide<br />

„immer [auch] ein Verbrechen von Staaten“, wobei „der Grad der staatlichen Involvierung“<br />

eine breite Palette von der „Verharmlosung kollektiver Gewalt als Exzess oder Versehen […]<br />

[bis hin zur] Institutionalisierung der Gruppenvernichtung“ aufweist. 92<br />

Eine besondere Rolle im Zuge dieser Gehirnwäsche füllen die Medien aus. Diese zu<br />

kontrollieren, gepaart mit WissenschaftlerInnen, die die Ideologie wissenschaftlich legitimiert<br />

erscheinen lassen, ermöglicht eine nachhaltige Beeinflussung der Bevölkerung. 93 Den Stoff<br />

für ihre Propaganda generieren DemagogInnen aus dem kollektiven Gedächtnis und<br />

missbrauchen es um diese zu legitimieren. 94<br />

Eine Folge der Föderalisierung Jugoslawiens waren 1981 die Forderungen von<br />

StudentInnen aus dem mehrheitlich muslimischen Kosovo nach Autonomierechten „oder<br />

[dem] Anschluss an Albanien“. Nach Anschlägen auf serbisch-orthodoxe Heiligtümer im<br />

Kosovo hoben 21 Geistliche, einem Appell der serbisch-orthodoxen Kirchenzeitung<br />

Pravoslavlje (Pravoslavlje – novine Srpske Patrijaršije, Die Orthodoxie – Nachrichten des<br />

serbischen Patriarchats) Folge leistend, die „Bedeutung Kosovos im kollektiven Gedächtnis<br />

der Serben hervor: ‚Kosovo ist unser Gedächtnis, unser Herd, der Brennpunkt unseres<br />

Wesens. Und einem Volk sein Gedächtnis zu nehmen, bedeutet es zu töten und spirituell zu<br />

zerstören„“. Damit sei „das serbische Volk in Kosovo [Opfer] eine[s] langsamen, gut<br />

gepl<strong>ante</strong>n Genozid[s]“. Pravoslavlje heizte den Konflikt weiter an, indem sie eine<br />

völkermörderische Kontinuität zwischen der verlorenen Schlacht am Amselfeld 1389 und den<br />

Angriffen auf die serbische Kultur im Kosovo konstruierte. 95 Der Kosovo mit dem Amselfeld<br />

wird von den Geistlichen hier klar als bedeutender Ort für das serbische kollektive Gedächtnis<br />

hervorgehoben und passt damit in Pierre Noras Theorie, „dass sich das kollektive Gedächtnis<br />

einer sozialen Gruppe […] an bestimmten Orten kristallisiert“, welche er „lieux de mémoire“<br />

nennt. 96<br />

91 Vgl. Kürşat-Ahlers, Töten, 196.<br />

92 Vgl. Ebda. 182.<br />

93 Vgl. Dorothee Frank, Menschen töten, Düsseldorf 2006, 200.<br />

94 Vgl. Calic, Krieg, 116.<br />

95 Vgl. Sundhausen, Rede, 195f.<br />

96 Vgl. Wetzel, Halbwachs, 103.<br />

22


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

1986 erschien dann das Memorandum der Serbischen Akademie der Wissenschaften<br />

(auch als „Memorandum SANU“ bekannt 97 ), welches als akademische Rechtfertigung des<br />

AlbanerInnenhasses fungierte, den „Genozid“ an den SerbInnen im Kosovo anprangerte 98<br />

und daher als ideologischer Wegbereiter des folgenden <strong>Genozids</strong> anzusehen ist. Sie forderte<br />

außerdem die nationale Vereinigung aller SerbInnen. 99 Der Erfolg, den das Memorandum<br />

verzeichnete, liegt an verschiedenen Faktoren. Erstens an dem hohen Ansehen der Akademie,<br />

zweitens an der Bereitstellung <strong>eines</strong> einfachen Erklärungsmodells für die Krise der<br />

Achtzigerjahre, drittens an der Reaktivierung „alte[r] Feindbilder, Stereotypen und<br />

Vorurteile“ und viertens daran, dass sich die Politik ab 1988 nicht mehr davon distanzierte. 100<br />

Einer der Urheber des Memorandums war Dobrica Ćosić, Schriftsteller und während der<br />

Jugoslawienkriege erster Präsident der „Bundesrepublik Jugoslawien“. 101<br />

Insbesondere der SerbInnenführer Slobodan Milošević und der kroatische Anführer<br />

Franjo Tuđman nutzten die Medien um einen Keil zwischen die Völker Jugoslawiens zu<br />

treiben, v.a. auch indem sie die unterschiedliche Erinnerung an den Genozid des kroatischen<br />

Ustaša-Regimes der 1940er-Jahre in den Vordergrund stellten. Milošević betonte bei<br />

öffentlichen Reden bewusst die SerbInnen als permanentes „Opfer“ der Geschichte. 102 Die<br />

Berufung auf das eigene Volk wurde von nun an im Alltag immer bedeutender. Aktuelle<br />

Ereignisse wurden „in den Kontext des jahrhundertelangen Kampfes gegen das ‚türkische<br />

Joch„ und/oder in die Opfergeschichten des Zweiten Weltkriegs“ eingebettet. 103 Generell ist<br />

festzustellen, dass sich Ende der 1980er Jahre die transnationale jugoslawische<br />

Erinnerungskultur im Endstadium ihres Auflösungsprozesses befand. Diese spaltete sich in<br />

„eine Vielzahl divergierender, oft widersprüchlicher ‚Erinnerungen„ auf, die jedoch<br />

ausnahmslos oder nahezu ausnahmslos ethnonational kodiert wurden“. 104<br />

Die Medien schlachteten zudem das Auffinden von Massengräbern des Ustaša-<br />

Regimes aus, um die serbische Opferrolle lautstark zu predigen und den gegenseitigen „alten<br />

Hass“ zu reaktivieren, den es als Massenphänomen wie bereits erwähnt jedoch nicht gab.<br />

Genau diesen massenhaften Hass brauchten die nationalistischen DemagogInnen jedoch und<br />

97 Elisabeth von Erdmann-Pandzic, Vordenker des Krieges. Die Geheimschriften der Serbischen Akademie, in:<br />

Tilman Zülch (Hg.), "Ethnische Säuberung"–Völkermord für "Großserbien". Eine Dokumentation der<br />

Gesellschaft für Bedrohte Völker, Flugschrift 5, Frankfurt am Main 2 1993, 18–22, hier 18.<br />

98 Vgl. Sundhausen, Rede, 197–199.<br />

99 Vgl. Kiernan, Erde, 758.<br />

100 Vgl. Sundhausen, Rede, 200f.<br />

101 Vgl. Erdmann-Pandzic, Vordenker, 19.<br />

102 Vgl. Markusen, Genocide, 459.<br />

103 Vgl. Sundhausen, Rede, 202.<br />

104 Vgl. Ebda. 203.<br />

23


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

so kreierte man aus den Opfern der Geschichte „Opfernationen“ und aus den Tätern<br />

„Täternationen“. 105<br />

Im Jahr 1989, auf den Tag genau 600 Jahre nach der angeblichen historischen<br />

Niederlage der SerbInnen gegen das Osmanische Reich, griff Slobodan Milošević den<br />

Erinnerungsort Kosovo mit der Schlacht auf dem Amselfeld des Jahres 1389 wieder auf, um<br />

die serbische Bevölkerung auf den Kampf einzuschwören. 106 Ebenso wurde er im selben Jahr<br />

serbischer Präsident und suchte seine großserbische Gesinnung nach dem Motto „Wo Serben<br />

leben, da ist Serbien“ in die Tat umzusetzen. 107<br />

Das Machtvakuum das Tito hinterlassen hatte und so dringend zur Einung der Völker<br />

gebraucht wurde, gedachte keiner auszufüllen. Vielmehr wurde das Klima durch<br />

nationalistische Führer wie Slobodan Milošević und Franjo Tuđman noch zusätzlich<br />

vergiftet. 108 Schon während der 1980er-Jahre predigten auch die Führer aller bosnischen<br />

Volksgruppen Hass gegeneinander und vergifteten das einst durch ein multikulturelles<br />

Miteinander geprägte gesellschaftliche Klima Bosniens, sodass es Anfang der Neunzigerjahre<br />

nur mehr <strong>eines</strong> Funkens bedurfte um die Gewalt zu entfesseln. 109 Außerdem wird eine<br />

Verbindung des serbischen Erinnerungsortes Kosovo mit der Entstehung <strong>eines</strong> neuen<br />

muslimischen Erinnerungsortes sichtbar: <strong>Srebrenica</strong>.<br />

Über ihr jeweiliges dem Völkermord zu Grunde liegendes Motiv sind Genozide zwar<br />

nur eingeschränkt vergleichbar, doch sobald die finale Phase der perfiden Hetze eingeläutet<br />

wurde, gleichen sich diese auf haarsträubende Art und Weise. 110<br />

4. „Das sind keine Menschen“ 111 oder Die Überschreitung einer Grenze<br />

Zwischen dem Wunsch eine Gruppe beseitigen zu wollen und dem wirklichen<br />

Ausleben dieses Verlangens scheint eine unsichtbare moralische Grenze zu verlaufen. Von<br />

ausschlaggebender Bedeutung sind die Mechanismen mit denen es DemagogInnen schaffen,<br />

eine breite Masse an Menschen zu einer Überschreitung dieser Grenze zu bewegen. Dies stellt<br />

sich als ein komplexes Zusammenspiel an Mechanismen heraus, bei dem jedes kleine<br />

„Zahnrad“ seinen Beitrag zur tatsächlichen Ausübung der Tat leistet. Wichtig hierbei ist der<br />

Unterschied in der Ideologie, nämlich ob die Massen zur direkten Mittäterschaft ermutigt<br />

105 Vgl. Ebda. 205f.<br />

106 Vgl. Kiernan, Erde, 760.<br />

107 Vgl. Zülch – Stumpf, Vielvölkerstaat, 16.<br />

108 Vgl. Markusen, Genocide, 459.<br />

109 Vgl. Frank, Menschen, 199.<br />

110 Vgl. Ebda. 196.<br />

111 Ebda. 200.<br />

24


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

werden sollen, oder ob diese die Gewalttaten des operierenden Organs lediglich billigen<br />

sollen. Abhängig ist dies „vom Gewaltpegel der Gesellschaft“ und dem Entwicklungsgrad des<br />

staatlichen Bürokratismus, der mit steigender Entwicklung immer weniger auf die<br />

Bevölkerung als aktiven Teilnehmer angewiesen ist. 112<br />

Die VolksverführerInnen appellieren an den Überlebensinstinkt des Menschen, indem<br />

der „Wir-Gruppe“ suggeriert wird, „die Gegnerseite würde eine Attacke auf ihre Sicherheit<br />

und ihr Leben planen“. Weiter versuchen die AgitatorInnen mit ihren Aussagen am<br />

Belohnungssystem des Menschen anzudocken. So wird den potentiellen MörderInnen eine<br />

fürstliche Vergütung in Aussicht gestellt. Schlussendlich werden mittels einer Entrechtung der<br />

Verfolgten, diese als „quasi-vogelfrei“ erklärt. Nun stehen Angriffen auf die denunzierte<br />

Gruppe Tür und Tor offen. 113 Parallel geht damit die Herabsetzung der potentiellen Opfer zu<br />

„Dingen“ einher, mit der ihnen ihre Menschlichkeit genommen wird. So wird der Weg frei für<br />

sadistische Demütigungen und schließlich auch zur Zerstörung dieser „Dinge“. 114 Diese<br />

Entmenschlichung einer Gruppe ist mit am entscheidendsten, „um genügend potentiellen<br />

TäterInnen das Überwinden der Tötungshemmung zu erleichtern“. 115 Tragend für diesen<br />

Prozess ist der Staat, der sein Monopol zur Definierung seiner BürgerInnen ausnutzt um die<br />

„gegnerische“ Gruppe von ihren Rechten auszuschließen. 116 Nach der erstmaligen<br />

Überschreitung der Tötungshemmnis, wird die Tat zur Realität „ein[es] böse[n] Traum[s]“,<br />

jedoch als „Notwehr“ legitimiert und anschließend Teil des kriegerischen Alltags. 117<br />

Es gibt jedoch eine letzte Instanz, die den Menschen vom Töten abhält: die Moral.<br />

Während der Erziehung werden jedem Menschen bestimmte gesellschaftliche<br />

Verhaltensregeln und Moralvorstellungen indoktriniert. Es ist verständlich, dass es vielleicht<br />

Einzelnen unter gewissen Umständen möglich ist sich über diese Regeln hinwegzusetzen,<br />

aber wie bringt man eine breite Masse zu einem kollektiven Ignorieren der allgemein<br />

verbindlichen Moralvorstellungen? Ganz einfach. Die Moral wird dabei nicht aufgehoben,<br />

sondern die „Anderen“ werden von ihr exkludiert und die allgemeine Moralvorstellung wird<br />

um die Pflichten die „Anderen“ zu hassen und zu ihrer Vernichtung beizutragen, oder eine<br />

solche zumindest gutzuheißen, erweitert. 118 Gekoppelt ist dies an die Degradierung der<br />

112 Vgl. Kürşat-Ahlers, Töten, 184.<br />

113 Vgl. Frank, Menschen, 201f.<br />

114 Vgl. Ebda. 196.<br />

115 Vgl. Ebda. 199.<br />

116 Vgl. Kürşat-Ahlers, Töten, 184f.<br />

117 Vgl. Sundhausen, Rede, 210.<br />

118 Vgl. Frank, Menschen, 202.<br />

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<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

verhassten Gruppe zu Tieren oder KrankheitsträgerInnen, womit Entmenschlichung und die<br />

Ausmerz-Pflicht kulminieren. 119<br />

Ist ein Ziel zum Töten definiert, bildet sich nach dem berühmten Massenpsychologen<br />

Elias Canetti eine sogenannte „Hetzmasse“ die rein auf das Töten aus ist. Dies entsteht durch<br />

die „Gefahrlosigkeit des Unternehmens“, welche von der Unterlegenheit des Opfers und der<br />

Straflosigkeit des Mordens herrührt. 120 Im Zuge der von gewaltinitiierenden Kleingruppen,<br />

wie paramilitärischen Einheiten oder Sondereinsatzkommandos, durchgeführten organisierten<br />

Gewaltakten, kommen „normale“ BürgerInnen erstmals in Berührung mit der Tötung anderer<br />

Menschen. Die dabei erlebte Gewalt fungiert als einheitsstiftendes Instrument und soll den<br />

Menschen mit der eigenen Gruppe solidarisieren. Hierbei werden die jeweiligen<br />

GruppenaspirantInnen vor die Wahl gestellt: sich der Gewaltanwendung widersetzen und<br />

damit aus der Gruppe ausgeschlossen werden bzw. Gefahr laufen selbst getötet zu werden,<br />

oder teilnehmen und sich mitschuldig machen, aber dadurch Teil der Gruppe sein. 121 Hier<br />

wird das gruppendynamische Potential im Tötungsprozess <strong>eines</strong> Genozides deutlich, welches<br />

eine wichtige Rolle einnimmt, da die Tötung selbst innerhalb <strong>eines</strong> „Makro-<br />

Handlungsrahmen[s]“, dem Genozid, stattfindet. Indem die Tötungstat des/der einzelnen<br />

Mörders/In einen Teil dieses größeren Projektes widerspiegelt, ist er selbst auch Teil dieses<br />

Prozesses an dem so viele Menschen teilnehmen. 122 Zum Faktor Gruppendynamik zählen<br />

auch Gruppenzwang-ähnliche Prozesse. So entscheiden sich Menschen aus Angst vor ihrer<br />

eigenen ethnischen Gruppe dazu an der kollektiven Gewalt mitzuwirken. Dieser Zwang kann<br />

nun auf verschiedenste Art und Weise zum Vorschein kommen. Die Möglichkeiten reichen<br />

von offensiver Gewaltandrohung gegen die eigene Person oder Familie, über „[…]die<br />

Plünderung von Hab und Gut bis zur sozialen Ächtung oder gar Isolation“. Die soziale<br />

Verflochtenheit einer ethnischen Gruppe ermöglicht ein wirkungsvolles Potential des<br />

Zwanges unter ihren Mitgliedern. 123 Wobei hier auch die Bedeutung des Gehorsams bei der<br />

Ausführung von moralisch bedenklichen Befehlen erkenntlich wird, was Dorothee Frank<br />

anhand des berühmten Milgram-Experiments illustriert, welches zeigt, dass die überwiegende<br />

Mehrheit der Ausführenden ihre Verantwortlichkeit auf ihre/n BefehlshaberIn abzuwälzen<br />

versucht und trotz der moralischen Verwerflichkeit ihrer Tat, diese dennoch fortsetzt. 124 Elias<br />

Canetti beschreibt diese Art des/der Befehlsempfängers/In und Exekutors/In als „Henker[In]“.<br />

119 Vgl. Kürşat-Ahlers, Töten, 185.<br />

120 Vgl. Elias Canetti, Masse und Macht, Frankfurt am Main 30 2006, 54.<br />

121 Vgl. Sundhausen, Rede, 210f.<br />

122 Vgl. Frank, Menschen, 208f.<br />

123 Vgl. Bertallo, Ethnisierung, 72.<br />

124 Vgl. Frank, Menschen, 204–206.<br />

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<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Diese/r steht laut Canetti selbst unter einer „Todesdrohung“ der er/sie nur entgehen kann,<br />

wenn er/sie seinen/ihren Befehlen gehorcht und selbst tötet, wobei die Tötungshandlung von<br />

seinen/ihren BefehlshaberInnen legitimiert wird und er/sie sich selbst als bloßes Werkzeug<br />

der BefehlshaberInnen sieht. 125<br />

Durch die bereits genannte neue Moralregel des Hasses in Verbindung mit der<br />

Berechtigung die „Anderen“ töten zu dürfen, treten nun auch „die latenten sadistischen<br />

Potenziale <strong>eines</strong> erheblichen Teils der Normalbevölkerung“ ans Tageslicht. Dieser Sadismus,<br />

den der Psychiater Eberhard Schorsch „sexualisierte Destruktivität“ nennt, oder auch als<br />

„Zerstörungslust“ definiert werden kann, wohnt laut Schorsch nahezu allen Menschen inne,<br />

da er seine Wurzeln in Erziehungsfehler während der Frühphase der kindlichen Entwicklung<br />

hat, die ganz „in der Natur der Unvollkommenheit des Menschen“ liegen. Der Sadismus<br />

speist sich aus seiner Suche nach Beherrschung der „Anderen“. Seine Destruktivität schöpft er<br />

aus der Eigenschaft, die Autonomie seiner Opfer zerbrechen zu wollen und sie so<br />

beherrschbar zu machen. Aufgrund dieses Ziels der psychischen Verwüstung s<strong>eines</strong> Opfers<br />

bedient sich ein sadistischer Mensch seiner ganzen Kreativität um stets neue „Methoden des<br />

Quälens und Entwürdigens“ zu entwickeln. Dies ist es auch, was Völkermorde zum<br />

Kabinettstück im schauderhaften Kaleidoskop der Entmenschlichung macht. Die<br />

Ausführenden dieser Kriegsverbrechen gelten jedoch meist als „Sadisten auf Zeit“, so dass es<br />

ihnen nach ihren Verbrechen wieder möglich ist, ohne große psychische Folgeschäden ein<br />

ganz und gar gewöhnliches Leben zu führen. 126<br />

Auch in punkto „Appell an den Überlebensinstinkt“ tat die Serbische Denkschrift von<br />

1986 ihr Übriges bei. So klagte sie die albanischen MuslimInnen mit exorbit<strong>ante</strong>r<br />

Schuldzuweisung an, für den Völkermord an den SerbInnen im Kosovo verantwortlich zu<br />

sein. Zu Beginn des Bosnienkrieges erinnerte der bosnisch-serbische General Ratko Mladić<br />

erneut daran und gab zu bedenken, dass es die SerbInnen seien, „die von einer Ausrottung<br />

bedroht seien, und zu den Zielen der […] KroatInnen und MuslimInnen gehöre unter anderem<br />

‚die vollständige Vernichtung des serbischen Volkes„“. Die SerbInnen würden daher aus<br />

reiner Notwehr agieren. 127 Die serbische Propaganda nutzte außerdem die Gräueltaten die<br />

KroatInnen an SerbInnen im kroatischen Unabhängigkeitskrieg verübten (die jedoch im<br />

selben Ausmaß auch von SerbInnen an KroatInnen begangen worden waren) um den<br />

bosnischen SerbInnen einzubläuen, dass dies auch ihr Schicksal sein werde, wenn Bosnien<br />

125 Vgl. Canetti, Masse, 390f.<br />

126 Vgl. Frank, Menschen, 210–213.<br />

127 Vgl. Kiernan, Erde, 759.<br />

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<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

unabhängig werden würde. Damit konnte ein ausreichender Anteil der bosnisch-serbischen<br />

Bevölkerung überzeugt werden, „that their own, Serb, safety and survival could be assured<br />

only by eliminating, and eventually destroying, non-Serb groups“ 128 , wodurch auch eine<br />

genozidale Moral impliziert wird, nämlich die Pflicht die „Anderen“ zu zerstören. Hiermit<br />

wird auch klar, dass sich die serbische Gewalt nicht nur gegen Slowenien, Kroatien und<br />

Bosnien richtete, sondern gegen nichtserbische Völker im Allgemeinen und damit ein<br />

„Aggressions- und Vernichtungskrieg“ war, mit dem Ziel durch ethnische Säuberungen einen<br />

ethnisch homogenen Raum zu schaffen. Neben den genannten Völkern gingen die SerbInnen<br />

nämlich auch gegen „UngarInnen, TschechInnen, UkrainerInnen und RuthenInnen,<br />

ItalienerInnen und auch [gegen] Deutsche“ vor. 129<br />

Entmenschlichung konnte man auch im Vorfeld der Jugoslawienkriege antreffen. In<br />

einem 1987 herausgegebenen Pamphlet <strong>eines</strong> serbischen Intellektuellen werden die<br />

jugoslawischen MuslimInnen als minderwertige „arabische[…] Subkultur“, genetisch<br />

unterlegen und als Auswüchse der „bösartige[n] Krankheit“ des Islams bezeichnet. 130<br />

Gruppenzwang und Autorität spielten sicherlich auch beim Massaker von <strong>Srebrenica</strong><br />

eine entscheidende Rolle. So wird aus den Unterlagen rund um den bosnisch-serbischen<br />

Feldwebel Dražen Erdemović deutlich, dass es auch versuchte Proteste einzelner gegen die<br />

Massenexekutionen gab, die jedoch aus Angst die Gewalt könnte sich gegen sie selbst richten,<br />

daraufhin trotzdem an den Hinrichtungen beteiligten. So soll Erdemović sich anfangs<br />

geweigert haben, dann aber unter Gewaltandrohung s<strong>eines</strong> Vorgesetzten schließlich das Feuer<br />

auf die Gefangenen eröffnet haben. 131 Erdemovićs spätere Rolle als Kronzeuge des ICTY für<br />

die Massenmorde wird von Germinal Civikov kritisch durchleuchtet, da der Autor einige<br />

Unregelmäßigkeiten um die Person Erdemović und seine Bedeutung für das ICTY ausmachen<br />

konnte. 132 Dennoch steht dieses Beispiel stellvertretend für mehrere derartiger Einzelfälle.<br />

Conclusio<br />

128 Vgl. Markusen, Genocide, 460.<br />

129 Vgl. Rudolf Grulich, „Ethnische Säuberung“ und Vertreibung als Mittel der Politik im 20. Jahrhundert,<br />

München 4 2002, 90f.<br />

130 Vgl. Kiernan, Erde, 757.<br />

131 Vgl. Rohde, Tage, 334f.<br />

132 Vgl. Germinal Civikov, <strong>Srebrenica</strong>. Der Kronzeuge, Wien 2009, 7–10.<br />

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<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Was war „<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong>“? Die Lösung scheint so eindeutig wie erschreckend: der<br />

Genozid. Sowohl in seiner tatsächlichen Gestalt oder als imaginierter Mythos, aber in<br />

beiderlei Ausformung als herumgeisterndes Gespenst im kollektiven Gedächtnis. Mögen die<br />

Verbrechen an den SerbInnen im Zweiten Weltkrieg diesen Terminus verdient haben, so wird<br />

der Begriff für die kollektive Erinnerung an andere Ereignisse, wie der Schlacht auf dem<br />

Amselfeld oder die angeblichen Angriffe auf SerbInnen im Kosovo Anfang der 1980er-Jahre,<br />

missbräuchlich verwendet, um die serbische Bevölkerung aufzuhetzen und auf das<br />

Kommende einzustimmen: eine ethnische „Flurbereinigung“ Jugoslawiens, welche im Juli<br />

1995 schließlich erneut in einem Völkermord gipfelt, der nun eindeutig dieses Prädikat<br />

verdient hat. Das Wort „Genozid“ löste hierbei in den Köpfen der SerbInnen einen Alarm aus,<br />

der sie sich selbst als Opfer <strong>eines</strong> neuerlichen <strong>Genozids</strong> stigmatisieren ließ, den es nun zu<br />

verhindern und zuvorzukommen galt.<br />

Natürlich reicht eine Vergangenheit gepflastert von Gewalt nicht allein aus um einen<br />

Genozid auszulösen. Es ist eine allgemeine Situation von Perspektivlosigkeit notwendig in<br />

der die Bevölkerung empfänglich für nationalistische Hetze ist die ein singuläres<br />

Erklärungsmodell für die Krise etabliert, das einem Teil der Bevölkerung eine Opferrolle<br />

zuweist und bestimmte andere Gruppen als Sündenböcke an den Pranger stellt. Mittels<br />

effektiver soziopsychologischer Mechanismen, die von den Führungsriegen initiiert werden,<br />

werden dann aus gewöhnlichen Menschen Massenmörder. Bei diesen Mechanismen spielt<br />

zum Großteil das kollektive Gedächtnis eine entscheidende Rolle, da aus diesem das Potential<br />

geschöpft wird, mit dem man einen Keil in die pluralistische Bevölkerung treiben kann. Wie<br />

nun diesen Teufelskreis durchbrechen?<br />

Durch Pierre Noras „lieux de mémoire“ wird eine Verbindung zwischen der Schlacht<br />

am Amselfeld und <strong>Srebrenica</strong> als Orte der Erinnerung aufgezeigt. Durch das kollektive<br />

Gedächtnis der SerbInnen, das u.a. an den Kosovo mit dem Erinnerungsort „Schlacht am<br />

Amselfeld“ gebunden ist, wurde der Völkermord für die SerbInnen legitimiert und erschuf<br />

anschließend einen Ort der Erinnerung, der nun Kristallisationspunkt des kollektiven<br />

Gedächtnisses der bosnischen MuslimInnen ist – wo wir wieder bei Maurice Halbwachs<br />

wären. Es zeigt sich jedoch, dass ein Ort nicht von alleine Erinnerungen bewahren kann,<br />

sondern Menschen sich stets darum kümmern müssen, die Verknüpfung des Ereignisses mit<br />

dem Ort aufrechtzuerhalten. 133 Wenn man nun in dieser Hinsicht die tragische Verbindung<br />

zweier Erinnerungsorte, wie dem Amselfeld und <strong>Srebrenica</strong>, heranzieht, ist die Frage<br />

133 Vgl. Aleida Assmann, Das Gedächtnis der Orte, in: Ulrich Borsdorf – Heinrich Theodor Grütter (Hgg.), Orte<br />

der Erinnerung. Denkmal, Gedenkstätte, Museum, Frankfurt am Main/New York 1999, 59–78, hier 74.<br />

29


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

aufzuwerfen, ob es eine gute Idee ist, Erinnerungsorte auf Dauer einzuzementieren. Denn wie<br />

gesehen, kann ein derart bedeutsamer Ort zur manifestierten Erinnerung der Schmach für ein<br />

Volk bleiben und als geeignetes Instrument dienen um ein starkes Hasspotential gegenüber<br />

dem anderen jahrhundertelang aufrechtzuerhalten bzw. wiederzuerwecken. Wäre es nicht<br />

einen Versuch wert den Teufelskreis der negativen Erinnerung zu durchbrechen? Es bleibt<br />

jedoch streitbar ob man im Sinne von „Vergeben und Vergessen“ agieren sollte, denn klar ist,<br />

dass man den Opfern einen Erinnerungsort zugestehen muss, damit diese ihren erlittenen<br />

Schmerz bewältigen können und sich anerkannt fühlen können. Doch warum ist es u.a. für<br />

spätere Generationen bosnischer MuslimInnen, die persönlich mit den Verbrechen keine<br />

unmittelbare Verbindung mehr haben, wichtig einen festen Ort zu haben, an dem auf ewig<br />

geschrieben steht: „Hier wurden über 8000 bosnische Muslime von Serben ermordet.“ Diese<br />

Orte erfüllen auch natürlich eine Mahnfunktion. Doch wirkt eine derartige Erinnerung auch<br />

Generationen später wirklich noch als Mahnung, oder lehrt man das schreckliche Geschehen<br />

zwar noch in den Geschichtsbüchern, aber scheint es schon zu lange vergangen um die<br />

Menschen noch ermahnen zu können? Sei es drum, als einheitsstiftendes Element für die<br />

Zukunft sollte diese Opferrollenmanifestation auf keinen Fall dienen, möchte man den<br />

Teufelskreis der Gewalt bzw. latenten Rachegelüste, die nur auf einen geschickten<br />

Demagogen zu warten scheinen, durchbrechen.<br />

In Bosnien und Herzegowina kann man diesen Keil des Genozides, der das Land noch<br />

immer spaltet, hautnah spüren. So sind Gedenkstätten der Opfer mit meterhohen Zäunen,<br />

Stacheldraht und Kameras gesichert und wirken wie „Festungen der Vorwürfe“ im<br />

kriegsversehrten Gefilde, die wie Nadelstiche das Land übersähen. Aussöhnung ist das nicht.<br />

Man sollte in der Genozidmahnung wo anders ansetzen und den Fokus mehr auf<br />

Bewusstseinsbildung in Schulen legen sowie ethnische bzw. nationale Schranken abbauen.<br />

Hiermit soll ein großes Problem unserer Zeit, auch in Hinblick auf eine multiethnische und<br />

multinationale Europäische Union, deren langer Weg bis zu ihrer Entstehung von Gewalt<br />

gepflastert ist, aufgezeigt werden, aber es soll sich an dieser Stelle nicht angemaßt werden, es<br />

lösen zu können. Es müssen Anstrengungen unternommen werden um den Teufelskreis der<br />

Gewalt zu durchbrechen, damit das Massaker von <strong>Srebrenica</strong> der letzte Völkermord in Europa<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg bleibt und Hurem Suljićs Worte eine neue, zukunftsweisende<br />

Bedeutung erlangen: „ Es ist vorbei. Es ist vorbei.“<br />

30


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33


<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

im-bosnien-krieg-serbiens-spaete-entschuldigung-fuer-das-srebrenicamassaker/8123820.html,<br />

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34

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