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ante Srebrenica - Genese eines Genozids

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

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<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

so kreierte man aus den Opfern der Geschichte „Opfernationen“ und aus den Tätern<br />

„Täternationen“. 105<br />

Im Jahr 1989, auf den Tag genau 600 Jahre nach der angeblichen historischen<br />

Niederlage der SerbInnen gegen das Osmanische Reich, griff Slobodan Milošević den<br />

Erinnerungsort Kosovo mit der Schlacht auf dem Amselfeld des Jahres 1389 wieder auf, um<br />

die serbische Bevölkerung auf den Kampf einzuschwören. 106 Ebenso wurde er im selben Jahr<br />

serbischer Präsident und suchte seine großserbische Gesinnung nach dem Motto „Wo Serben<br />

leben, da ist Serbien“ in die Tat umzusetzen. 107<br />

Das Machtvakuum das Tito hinterlassen hatte und so dringend zur Einung der Völker<br />

gebraucht wurde, gedachte keiner auszufüllen. Vielmehr wurde das Klima durch<br />

nationalistische Führer wie Slobodan Milošević und Franjo Tuđman noch zusätzlich<br />

vergiftet. 108 Schon während der 1980er-Jahre predigten auch die Führer aller bosnischen<br />

Volksgruppen Hass gegeneinander und vergifteten das einst durch ein multikulturelles<br />

Miteinander geprägte gesellschaftliche Klima Bosniens, sodass es Anfang der Neunzigerjahre<br />

nur mehr <strong>eines</strong> Funkens bedurfte um die Gewalt zu entfesseln. 109 Außerdem wird eine<br />

Verbindung des serbischen Erinnerungsortes Kosovo mit der Entstehung <strong>eines</strong> neuen<br />

muslimischen Erinnerungsortes sichtbar: <strong>Srebrenica</strong>.<br />

Über ihr jeweiliges dem Völkermord zu Grunde liegendes Motiv sind Genozide zwar<br />

nur eingeschränkt vergleichbar, doch sobald die finale Phase der perfiden Hetze eingeläutet<br />

wurde, gleichen sich diese auf haarsträubende Art und Weise. 110<br />

4. „Das sind keine Menschen“ 111 oder Die Überschreitung einer Grenze<br />

Zwischen dem Wunsch eine Gruppe beseitigen zu wollen und dem wirklichen<br />

Ausleben dieses Verlangens scheint eine unsichtbare moralische Grenze zu verlaufen. Von<br />

ausschlaggebender Bedeutung sind die Mechanismen mit denen es DemagogInnen schaffen,<br />

eine breite Masse an Menschen zu einer Überschreitung dieser Grenze zu bewegen. Dies stellt<br />

sich als ein komplexes Zusammenspiel an Mechanismen heraus, bei dem jedes kleine<br />

„Zahnrad“ seinen Beitrag zur tatsächlichen Ausübung der Tat leistet. Wichtig hierbei ist der<br />

Unterschied in der Ideologie, nämlich ob die Massen zur direkten Mittäterschaft ermutigt<br />

105 Vgl. Ebda. 205f.<br />

106 Vgl. Kiernan, Erde, 760.<br />

107 Vgl. Zülch – Stumpf, Vielvölkerstaat, 16.<br />

108 Vgl. Markusen, Genocide, 459.<br />

109 Vgl. Frank, Menschen, 199.<br />

110 Vgl. Ebda. 196.<br />

111 Ebda. 200.<br />

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