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ante Srebrenica - Genese eines Genozids

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

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<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Im Jahr 2013 entschuldigte sich jedoch der serbische Präsident Tomislav Nikolić<br />

erstmals für die serbischen Verbrechen in <strong>Srebrenica</strong>…stellte aber einen Genozid weiterhin<br />

infrage. 70<br />

Kapitel 3: <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

1. Knappheit als Wegbereiter<br />

Auch ein Völkermord entwächst nicht dem reinen Zufall, sondern ist Folge <strong>eines</strong><br />

langwierigen Prozesses in dem die genozidale Saat langsam Wurzeln des Hasses, der<br />

Zwietracht und des Neides schlägt, durch die Blätter der Religion, Rasse und Ethnie<br />

heranwachsen kann und schließlich die Blüten des Todes hervorbringt. Welcher Boden weist<br />

jedoch günstige Bedingungen für ein Keimen dieser genozidalen Saat auf?<br />

Knappheit ist ein Phänomen mit verschiedenen Facetten. Eine für den Völkermord<br />

entscheidende Ausformung ist die so genannte politische Knappheit. 71 Dabei handelt es sich<br />

um die Diskriminierung bestimmter Gruppen in materieller und politischer Hinsicht. Das<br />

Problem hierin liegt eindeutig in der ungleichen Ressourcenverteilung, häufig hervorgerufen<br />

durch eine Gleichzeitigkeit von „Ressourcenmangel und eine wachsende Bevölkerung“. Diese<br />

Form der Knappheit ist insbesondere „in ethnisch geteilten (‚pluralen„) Gesellschaften“<br />

anzutreffen, welche Gleichberechtigungsforderungen nach sich zieht, auf welche wiederum<br />

mit „Unterdrückung und bei andauerndem Konflikt mit dem Versuch <strong>eines</strong> partiellen oder<br />

totalen <strong>Genozids</strong>“ reagiert wird. 72 Damit gehen dann „Eroberungswille, Vergeltung,<br />

Dominanz und […] bestimmte[n] Ideologien [, die] die völlige Umgestaltung der Gesellschaft<br />

[…] und ‚Säuberung„ zu erreichen“ versuchen, einher. 73 Laut Elçin Kürşat-Ahlers sind sich<br />

viele GenozidforscherInnen einig, „dass die ethnisch-kulturell pluralistischen Gesellschaften<br />

ein höheres Genozidrisiko in Krisensituationen bergen als die so genannten homogenen“. 74<br />

70 Vgl. Adelheid Wölfl, Serbiens späte Entschuldigung für das <strong>Srebrenica</strong>-Massaker. Genozid im Bosnien-Krieg,<br />

Der Tagesspiegel, 2013 April 25, http://www.tagesspiegel.de/politik/genozid-im-bosnien-krieg-serbiens-spaeteentschuldigung-fuer-das-srebrenica-massaker/8123820.html,<br />

2014 Dezember 31.<br />

71 Vgl. Roger W. Smith, Knappheit und Genozid, in: Isidor Wallimann – Michael N. Dobkowski (Hgg.), Das<br />

Zeitalter der Knappheit. Ressourcen, Konflikte, Lebenschancen, Bern/Stuttgart/Wien 2003, 169–182, hier 174.<br />

72 Vgl. Smith, Knappheit, 171.<br />

73 Vgl. Ebda. 174.<br />

74 Vgl. Elçin Kürşat-Ahlers, Über das Töten in Genoziden. Eine Bilanz historisch-soziologischer Deutungen, in:<br />

Peter Gleichmann – Thomas Kühne (Hgg.), Massenhaftes Töten. Kriege und Genozide im 20. Jahrhundert,<br />

Frieden und Krieg – Beiträge zur Historischen Friedensforschung 2, Essen 2004, 180–206, hier 190.<br />

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