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ante Srebrenica - Genese eines Genozids

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

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<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

<strong>Srebrenica</strong>. 29 Anders als andere Fachleute, die erste ethnische Säuberungen bereits ins 9. bis<br />

7. Jahrhundert v. Chr. zurückdatieren, sieht Naimark diese als Folge des modernen<br />

Nationalismus, insbesondere „in der Entwicklung des europäischen Nationalismus am Ende<br />

des 19. Jahrhunderts“ verwurzelt. 30<br />

Ein entscheidender Unterschied<br />

Trotz der teilweisen synonymen Verwendung des Begriffs ethnische Säuberung für<br />

einen Völkermord, gibt es doch entscheidende Unterschiede die eine strenge Differenzierung<br />

notwendig machen. ExpertInnen sind sich einig, dass Völkermord und ethnische Säuberung<br />

k<strong>eines</strong>falls bedeutungsgleich sind und verstehen letztere als eine Reihe von strafbaren, wie<br />

Menschenrechtsverletzungen und Völkermord, und nicht strafbaren Handlungen, etwa ein<br />

Bevölkerungsaustausch der zwischen Staaten ausgehandelt wurde. 31 Ethnische Säuberungen<br />

sind also nicht per se mit einem Genozid gleichzusetzen. 32<br />

Als zentrales Unterscheidungskriterium zwischen Genozid und ethnischer Säuberung<br />

ist der Vorsatz der Tötung von entscheidender Bedeutung. Für den Völkermord ist diese<br />

Absicht essentiell. Bei der ethnischen Säuberung liegt das oberste Ziel jedoch „in der<br />

Entfernung <strong>eines</strong> Volkes und oft auch aller seiner Spuren von einem bestimmten<br />

Territorium“. Es geht also vielmehr um eine territoriale Vertreibung und anschließende<br />

Inbesitznahme des Landes der Vertriebenen. Da die Praxis einer solchen von Deportationen<br />

und Bevölkerungsaustäuschen geprägt ist, geht sie auch häufig mit Gewalt einher. Denn<br />

Menschen lassen sich selten widerstandslos aus ihrer Heimat vertreiben und so wird Gewalt,<br />

im schlimmsten Fall Massenmord angewandt, „um das Land von einem Volk zu ‚säubern„“,<br />

wodurch die ethnische Säuberung in einen Genozid münden kann. 33 Einem Völkermord geht<br />

jedoch meist die Absicht voraus, „eine bestimmte ethnische Gruppe um fast jeden Preis<br />

loswerden“ zu wollen. Diese Gemeinsamkeit mit einer ethnischen Säuberung lässt den<br />

Genozid zur „letzte[n] Option für den verhinderten ethn. [sic] Säuberer werden“. Aufgrund<br />

dieser teilweisen Korrelation von Genozid und ethnischer Säuberung begegnen sich beide<br />

Verbrechen in strafrechtlicher Hinsicht auf Augenhöhe und werden als „crimes against<br />

humanity“ auf internationaler Ebene gerichtlich verfolgt 34 , wenngleich, wie bereits erwähnt,<br />

noch keine juristische Fachdefinition für ethnische Säuberung existiert.<br />

29 Vgl. Naimark, Hass, 231–246.<br />

30 Vgl. Sundhausen, Säuberung, 231.<br />

31 Vgl. Ebda. 230.<br />

32 Vgl. Barth, Genozid, 264.<br />

33 Vgl. Naimark, Hass, 11f.<br />

34 Vgl. Barth, Genozid, 264f.<br />

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