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ante Srebrenica - Genese eines Genozids

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

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<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

Gruppe; (b) Verursachung von schwerem körperlichen oder seelischen Schaden an<br />

Mitgliedern der Gruppe; (c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die<br />

Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; (d)<br />

Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe<br />

gerichtet sind; (e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere<br />

Gruppe.“ 17<br />

Diese völkerrechtlich anerkannte Definition initiierte die sozial- und<br />

geschichtswissenschaftliche Genozidforschung, welche schließlich mannigfaltigste<br />

Genozidbegriffe hervorbrachte. 18 So finden etwa die „Pioniere der Genozidforschung“ Kurt<br />

Jonasohn und Frank Chalk, oder die Soziologin Helen Fein andere vertretbare Nuancierungen<br />

des UN-Begriffs, den sie kritisieren. 19 Vielfach in Kritik steht die Genozidkonvention auch<br />

deshalb, weil sie dezidiert politische Gruppen als schützenswerte Gruppen ausschließt. Für<br />

deren Ausschluss spricht jedoch die Annahme, dass nicht jede politische Gruppierung ein<br />

schützenswertes Subjekt darstellt, wie z.B. die NSDAP. 20 Natürlich ist die kritische<br />

Auseinandersetzung mit dem UN-Genozidbegriff äußerst wichtig, um die Begrifflichkeit stets<br />

nach aktuellen Erkenntnissen zu optimieren, doch trotz aller Versuche einer Neudefinierung<br />

bleibt der juristische Begriff der Genozidkonvention vorherrschend, denn anders ist die<br />

wissenschaftliche Praxis der meisten ForscherInnen auch nicht zu erklären, die sich stets auf<br />

die völkerrechtlich normierte Definition beziehen. 21 Da der Konvention bisher 146 Staaten<br />

beigetreten sind 22 , deren Völkern sie Schutz vor ungesühntem Völkermord gibt und da sie<br />

„als eine[r] der am umfassendsten akzeptierten Verträge“ gilt, an den durch das Völkerrecht<br />

fast die gesamte Menschheit gebunden ist, ist es auch legitim, ihre Fassung des<br />

Genozidterminus als Ausgangspunkt für eine Untersuchung zu benutzen 23 , die sich, wie in der<br />

hier vorliegenden Abhandlung, mit der Frage beschäftigt, welche Bedingungen überhaupt zu<br />

einem derartigen Ausufern der Gewalt führen. Ohnehin nicht außer Acht lassen sollte man,<br />

17 Vgl. Hans Vest, Genozid durch organisatorische Machtapparate. An der Grenze von individueller und<br />

kollektiver Verantwortlichkeit, Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft 3/<br />

Folge 25, Baden-Baden 2002, 100.<br />

18 Vgl. Yvonne Robel, Verhandlungssache Genozid. Zur Dynamik geschichtspolitischer Deutungskämpfe,<br />

München 2013, 41.<br />

19 Vgl. Robel, Verhandlungssache 44f, weiterführende Literatur zu den unterschiedlichen Definitionen von<br />

Genozid: Vest, Genozid, 36-43.<br />

20 Vgl. Barth, Genozid, 263.<br />

21 Vgl. Robel, Verhandlungssache, 42.<br />

22 United Nations Treaty Collection, Capter IV Human Rights, 1. Convention on the Prevention and Punishment<br />

of the Crime of Genocide, Paris 1948 December 9,<br />

https://treaties.un.org/pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-1&chapter=4&lang=en, 2014<br />

Dezember 31.<br />

23 Vgl. Kiernan, Erde, 22.<br />

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