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ante Srebrenica - Genese eines Genozids

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

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<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

werden sollen, oder ob diese die Gewalttaten des operierenden Organs lediglich billigen<br />

sollen. Abhängig ist dies „vom Gewaltpegel der Gesellschaft“ und dem Entwicklungsgrad des<br />

staatlichen Bürokratismus, der mit steigender Entwicklung immer weniger auf die<br />

Bevölkerung als aktiven Teilnehmer angewiesen ist. 112<br />

Die VolksverführerInnen appellieren an den Überlebensinstinkt des Menschen, indem<br />

der „Wir-Gruppe“ suggeriert wird, „die Gegnerseite würde eine Attacke auf ihre Sicherheit<br />

und ihr Leben planen“. Weiter versuchen die AgitatorInnen mit ihren Aussagen am<br />

Belohnungssystem des Menschen anzudocken. So wird den potentiellen MörderInnen eine<br />

fürstliche Vergütung in Aussicht gestellt. Schlussendlich werden mittels einer Entrechtung der<br />

Verfolgten, diese als „quasi-vogelfrei“ erklärt. Nun stehen Angriffen auf die denunzierte<br />

Gruppe Tür und Tor offen. 113 Parallel geht damit die Herabsetzung der potentiellen Opfer zu<br />

„Dingen“ einher, mit der ihnen ihre Menschlichkeit genommen wird. So wird der Weg frei für<br />

sadistische Demütigungen und schließlich auch zur Zerstörung dieser „Dinge“. 114 Diese<br />

Entmenschlichung einer Gruppe ist mit am entscheidendsten, „um genügend potentiellen<br />

TäterInnen das Überwinden der Tötungshemmung zu erleichtern“. 115 Tragend für diesen<br />

Prozess ist der Staat, der sein Monopol zur Definierung seiner BürgerInnen ausnutzt um die<br />

„gegnerische“ Gruppe von ihren Rechten auszuschließen. 116 Nach der erstmaligen<br />

Überschreitung der Tötungshemmnis, wird die Tat zur Realität „ein[es] böse[n] Traum[s]“,<br />

jedoch als „Notwehr“ legitimiert und anschließend Teil des kriegerischen Alltags. 117<br />

Es gibt jedoch eine letzte Instanz, die den Menschen vom Töten abhält: die Moral.<br />

Während der Erziehung werden jedem Menschen bestimmte gesellschaftliche<br />

Verhaltensregeln und Moralvorstellungen indoktriniert. Es ist verständlich, dass es vielleicht<br />

Einzelnen unter gewissen Umständen möglich ist sich über diese Regeln hinwegzusetzen,<br />

aber wie bringt man eine breite Masse zu einem kollektiven Ignorieren der allgemein<br />

verbindlichen Moralvorstellungen? Ganz einfach. Die Moral wird dabei nicht aufgehoben,<br />

sondern die „Anderen“ werden von ihr exkludiert und die allgemeine Moralvorstellung wird<br />

um die Pflichten die „Anderen“ zu hassen und zu ihrer Vernichtung beizutragen, oder eine<br />

solche zumindest gutzuheißen, erweitert. 118 Gekoppelt ist dies an die Degradierung der<br />

112 Vgl. Kürşat-Ahlers, Töten, 184.<br />

113 Vgl. Frank, Menschen, 201f.<br />

114 Vgl. Ebda. 196.<br />

115 Vgl. Ebda. 199.<br />

116 Vgl. Kürşat-Ahlers, Töten, 184f.<br />

117 Vgl. Sundhausen, Rede, 210.<br />

118 Vgl. Frank, Menschen, 202.<br />

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