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ante Srebrenica - Genese eines Genozids

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

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<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

den Völkermord in <strong>Srebrenica</strong> generell in Frage stellen (Alexander Dorin 9 ). Diese scheinen<br />

jedoch zu wackelige Säulen für eine Aufarbeitung nach aktuellen Maßstäben zu sein und so<br />

empfiehlt es sich, die vorhandene Literatur anhand aktueller Entwicklungen zu messen und im<br />

Falle grober Unstimmigkeiten oder Änderungen in Frage zu stellen. Die aktuellen Ereignisse<br />

sollen anhand von e-papers Eingang in die Arbeit finden, welche jedoch nicht als<br />

Hauptliteratur für gewonnene Erkenntnisse dienen, sondern nur die stete Aktualität und<br />

Unabgeschlossenheit des Themas aufzeigen. Als bedeutende Quelle werden auch die<br />

umfangreichen Prozess- und Urteilsakten des ICTY und die für den Fall relev<strong>ante</strong>n UN-<br />

Dokumente, welche ein unerschöpfliches Repertoire an minutiös aufgearbeiteten Analysen<br />

zum Geschehenen bieten, Eingang in diese Arbeit finden. Die verwendete Literatur ist<br />

vermehrt westeuropäischen, insbesondere auch deutschen und österreichischen Ursprungs.<br />

Beide Länder haben, bedingt durch ihre eigene von Völkermord geprägte Geschichte, eine<br />

äußerst motivierte Genozidforschung.<br />

Für die Aufklärung der <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> Völkermordes ist es obligatorisch, vor allem das<br />

zu untersuchen, was weite Teile einer Bevölkerung verbindet und es ermöglicht, dass es zu<br />

derartigen kollektiven Exzessen der Gewalt kommt: das kollektive Gedächtnis. Der berühmte<br />

Vertreter der französischen Soziologie Maurice Halbwachs hat diesen Begriff geprägt und<br />

schreibt kollektiven Gedächtnissen eine konstituierende Funktion für soziale Gemeinschaften<br />

zu, indem sie stabilisierend auf soziale Diskontinuitäten wirken. Dabei „garantieren [sie] ihren<br />

Trägern den Zusammenhalt in der Gegenwart und sichern zudem eine Kontinuität, die in die<br />

Zukunft verweist“. 10 Ganz in der sozio-psychologischen Tradition Halbwachs„ 11 wird in<br />

dieser Arbeit sein Ansatz des kollektiven Gedächtnisses in Hinblick auf dessen Rolle bei der<br />

Entstehung <strong>eines</strong> genozidalen Potentials in der Bevölkerung verwendet. Auch auf die<br />

Weiterentwicklung von Halbwachs„ Idee, Pierre Noras Theorie der „lieux de mémoire“, wird<br />

in Hinblick auf die Orte des serbischen kollektiven Gedächtnis kurz eingegangen.<br />

Im ersten Teil dieser Abhandlung werden die bestimmenden Begrifflichkeiten dieser<br />

Arbeit kurz erläutert, um diese als Instrumentarium im zweiten Teil, der sich eingehender mit<br />

dem Massaker von <strong>Srebrenica</strong> selbst beschäftigt, anwenden zu können. Beide Teile, in denen<br />

der grobe Kontext erläutert wird, folgen weitgehend der deskriptiven Methode. Im dritten und<br />

9 Alexander Dorin, <strong>Srebrenica</strong>. Die Geschichte <strong>eines</strong> salonfähigen Rassismus, Edition Zeitgeschichte 45, Berlin<br />

2010.<br />

10 Vgl. Dietmar J. Wetzel, Maurice Halbwachs. Klassiker der Wissenssoziologie 15, Konstanz 2009, 61.<br />

11 Vgl. Jan Assmann, Kollektives und kulturelles Gedächtnis. Zur Phänomenologie und Funktion von Gegen-<br />

Erinnerung, in: Ulrich Borsdorf – Heinrich Theodor Grütter (Hgg.), Orte der Erinnerung. Denkmal,<br />

Gedenkstätte, Museum, Frankfurt am Main/New York 1999, 13–32, hier 13.<br />

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