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ante Srebrenica - Genese eines Genozids

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

Diese Abhandlung befasst sich mit der Suche nach den initiierenden Umständen von Genoziden und zeigt wie das Zusammenspiel von sozialen, ökonomischen, historischen und psychologischen Komponenten zu einem Ausbruch der Gewalt führt, der äußerst pointiert als „crime of crimes“ betitelt wird. Insbesondere in der Vergangenheit erlittene Gewaltexzesse, wie Genozide, die sich im kollektiven Gedächtnis eingebrannt haben, ergeben einen mächtigen Pool an Hasspotential für nationalistische Demagogen um eine pluralistische Gesellschaft in einer allgemeinen Schwächephase zu spalten. Nationale Führungsriegen konstruieren eine imaginäre Bedrohungssituation durch die andere Gruppe und lassen gewöhnliche Menschen aus ihrer Opferrolle heraus legitimiert Menschen massenhaft ermorden. Um einen derartigen Prozess adäquat veranschaulichen zu können, werden in dieser Arbeit die Entwicklungen am Vorabend des Massakers von Srebrenica herangezogen.

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<strong>ante</strong> <strong>Srebrenica</strong> – <strong>Genese</strong> <strong>eines</strong> <strong>Genozids</strong><br />

1991 gab der Anführer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, unmissverständlich<br />

zu erkennen, dass „die muslimische Gemeinde in Bosnien […], vom Erdboden<br />

verschwinden„“ werde, sollte sie für die Unabhängigkeit Bosnien und Herzegowinas<br />

votieren. 57 Ratko Mladić ordnete im Jahr darauf „die ‚ethnische Säuberung„ der Stadtenklaven<br />

<strong>Srebrenica</strong>, Žepa und Goražde [(Goraschde, Strupnitsch)]“ an. Im Frühling des Jahres 1995<br />

erging dann folgende Order von Karadžić an die bosnisch-serbische Armee: „‚Durch gepl<strong>ante</strong><br />

und durchdachte Kampfoperationen muss eine unerträgliche Lage der totalen Unsicherheit<br />

geschaffen werden, die den Bewohnern von <strong>Srebrenica</strong> und Žepa keine Hoffnung auf ein<br />

weiteres Überleben lässt„“. 58 Mit dieser Taktik wollte man die Menschen der Enklave<br />

<strong>Srebrenica</strong> zur Flucht zwingen, wobei hier klar die ethnische Säuberung noch im Vordergrund<br />

steht. Dann sei jedoch aufgrund des geringen Widerstands das neue Ziel gereift, alle Männer<br />

und Jungen zu töten, was klar als genozidale Absicht zu werten ist. 59 So war nach Norman<br />

Naimark <strong>Srebrenica</strong> „[…]der Schauplatz des schlimmsten Völkermordmassakers bei der<br />

ethnischen Säuberung Bosnien-Herzegowinas[sic]“. 60<br />

Laut Angela Wieser 61 erfüllen die bosnischen MuslimInnen <strong>Srebrenica</strong>s die<br />

Voraussetzung, dass es sich bei ihnen um eine potentiell von Völkermord betroffene Gruppe<br />

handelt, da sie als <strong>eines</strong> der Völker Jugoslawiens galten, deren Unterteilung anhand der<br />

unterschiedlichen religiösen Bekenntnisse getroffen wurde. 62 Da dies jedoch weniger mit dem<br />

persönlichen ausgelebten Glauben einer Person zu tun hatte, als vielmehr mit der<br />

Weitertradierung durch die Eltern, sind die bosnischen MuslimInnen nicht nur als religiöse,<br />

sondern auch als ethnische Gruppe zu verstehen. 63 Des Weiteren hatte <strong>Srebrenica</strong>, als<br />

muslimische Enklave im bosnisch-serbischen Gebiet, auf dem ein serbischer Staat entstehen<br />

sollte, eine besondere strategische Bedeutung um eine homogene serbische Region realisieren<br />

zu können. 64<br />

57 Vgl. Kiernan, Erde, 758.<br />

58 Vgl. Ebda. 763.<br />

59 Vgl. Wieser, Säuberungen, 102.<br />

60 Vgl. Naimark, Hass, 206.<br />

61 Die Politikwissenschaftlerin Angela Wieser widmete der entscheidenden Frage nach der Tötungsabsicht ihre<br />

Diplomarbeit, (Wieser, Säuberungen.) die aufgrund ihrer Aktualität und Qualität in einer überarbeiteten Fassung<br />

schließlich vom Verlag „Peter Lang – Europäischer Verlag der Wissenschaften“ herausgegeben wurde. Sie<br />

ermittelt u.a. anhand der UN-Genozidkonvention die genozidale Absicht im Bosnienkrieg, insbesondere auch in<br />

<strong>Srebrenica</strong>.<br />

62 Vgl. Wieser, Säuberungen, 100.<br />

63 Vgl. Calic, Krieg, 28.<br />

64 UN ICTY, Appeal Chamber Judgement, Case No.: IT-98-33-A; 2004 April 4,<br />

http://www.icty.org/x/cases/krstic/acjug/en/krs-aj040419e.pdf, 2014 Dezember 31, 5f, Paragraph 15.<br />

15

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