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Heike Schmoll Die Schwächen des deutschen Bildungssystems ...

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<strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong><br />

GOTTLIEB<br />

DAIMLER-<br />

UND KARL<br />

BENZ-STIFTUNG<br />

<strong>Die</strong> <strong>Schwächen</strong> <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Bildungssystems</strong>.<br />

Was lässt sich vom PISA-Sieger Finnland lernen?<br />

BERTHA BENZ-VORLESUNG 19


<strong>Die</strong> Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung verwendet die neue Rechtschreibung.<br />

In dieser Broschüre haben wir dem Wunsch zweier Autoren entsprochen,<br />

in ihren Beiträgen die alte Rechtschreibung zu verwenden.<br />

© Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung, Ladenburg 2002<br />

Gedruckt auf säurefreiem Papier.<br />

ISSN 0938-0159


BERTHA BENZ-VORLESUNG<br />

19<br />

<strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Schwächen</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Bildungssystems</strong>.<br />

Was lässt sich<br />

vom PISA-Sieger Finnland lernen?<br />

<strong>Die</strong> folgenden Texte sind die zur Veröffentlichung<br />

überarbeiteten Beiträge zur<br />

Bertha Benz-Vorlesung, gehalten am 11. Juni 2002<br />

in der Lobdengauhalle in Ladenburg


Zur Person<br />

Geboren am 10. Februar 1962 in Villingen, 1980 Hebraicum, 1981 Abitur<br />

am Bunsengymnasium in Heidelberg. Studium der evangelischen<br />

Theologie und Germanistik (Lehramt und Volltheologie) in Heidelberg,<br />

München und Tübingen, dort als Stipendiatin <strong>des</strong> Tübinger Stifts.<br />

1988 Staatsexamen in Tübingen. Während der ersten Semester Konzertkritiken<br />

für das Heidelberger Tageblatt. Während <strong>des</strong> Studiums<br />

Hospitanz in der Kirchenredaktion <strong>des</strong> Südwest-Fernsehen in Baden-<br />

Baden. Regelmäßige Mitarbeit im SWR-Hörfunk (Kultur) und beim<br />

Deutschlandradio Berlin. Seit 1989 Redakteurin der politischen Redaktion<br />

der FAZ. Zunächst zuständig für die Berichterstattung über die<br />

evangelische Kirche, inzwischen für die gesamte Bildungspolitik und<br />

weiterhin für die evangelische Theologie, sowie Ökumene. 2002 Verleihung<br />

der Ehrendoktorwürde der evangelisch-theologischen Fakultät<br />

in Tübingen.<br />

Anschrift<br />

Dr. <strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong><br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />

Ressort Innenpolitik<br />

60267 Frankfurt am Main


Bericht<br />

Prof. Dr. Gisbert Frhr. zu Putlitz<br />

Geschäftsführender Vorsitzender <strong>des</strong> Vorstan<strong>des</strong><br />

der Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung<br />

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren!<br />

Ich begrüße Sie auch im Namen meines Vorstandskollegen, Herrn<br />

Dr. Schade, sehr herzlich zur 19. Bertha Benz-Vorlesung in Ladenburg.<br />

<strong>Die</strong> in diesem Jahr besonders große Zahl der Teilnehmer lässt erkennen,<br />

dass diese Vorlesung zu Ehren von Bertha Benz großes Interesse<br />

fi ndet und dass das Thema der Erziehung junger Menschen von vielen als<br />

besonders wichtig angesehen wird. Ich freue mich sehr, dass wir Frau<br />

Dr. <strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong>, verantwortliche Redakteurin für die Berichterstattung<br />

über Schul- und Hochschulpolitik sowie protestantische Theologie<br />

in der politischen Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung,<br />

dafür gewinnen konnten, die Bertha Benz-Vorlesung 2002 zu halten.<br />

Wie viele von Ihnen gesehen haben, wurde Frau Dr. <strong>Schmoll</strong> vor wenigen<br />

Tagen, am 5. Juni, durch die Universität Tübingen mit der Würde<br />

eines Ehrendoktors der Evangelischen Theologischen Fakultät ausgezeichnet.<br />

<strong>Die</strong>s zeigt, wie sehr ihre Arbeit und ihre mahnende Stimme<br />

geschätzt wird. Herzlichen Glückwunsch!<br />

In der Diskussion um die PISA-Studie haben viele ihre Stimme erhoben.<br />

Der Präsident <strong>des</strong> Deutschen Lehrerverban<strong>des</strong>, Herr Josef Kraus,<br />

hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, die Referentin einzuführen.<br />

Nicht nur, aber auch von den Lehrern erwarten wir eine Reaktion auf<br />

die in der PISA-Studie gemachten Feststellungen und Vorschläge zur<br />

Behebung von Mängeln.<br />

Herr Bürgermeister Ziegler, auch Ihnen gilt mein besonderer Gruß<br />

und mein Dank. Sie und die Stadt Ladenburg unterstützen die Stiftung<br />

in vielerlei Weise.<br />

Weiterhin gilt mein herzlicher Gruß den Familien Benz und Daimler.<br />

3


Meinen Bericht über die Arbeit der Gottlieb Daimler- und Karl Benz-<br />

Stiftung im vergangenen Jahr beginne ich diesmal mit unseren internationalen<br />

Aktivitäten.<br />

Wie Sie wissen, fördern wir in erheblichem Umfang Forschungsarbeiten<br />

junger Wissenschaftler, die von Deutschland ins Ausland gehen<br />

oder aus dem Ausland zu uns kommen. <strong>Die</strong> meisten von Ihnen streben<br />

eine Promotion an. Seit Beginn der Stiftungsarbeit haben wir 600 solcher<br />

jungen Wissenschaftler gefördert. Viele von ihnen haben bereits<br />

eine beachtliche und erfolgreiche Karriere in ihren Berufen zurückgelegt.<br />

Hieraus schließen wir, dass unsere Auswahlverfahren wohl richtig<br />

waren und die Art der Förderung zum Erfolg geführt hat. Gegenwärtig<br />

zeichnet sich ab, dass wir angesichts vieler hervorragender Bewerbungen<br />

leicht die doppelte Zahl von Stipendiaten fördern könnten, wenn<br />

die fi nanziellen Möglichkeiten der Stiftung nicht zu einer Begrenzung<br />

führen würden. Das ist zu bedauern.<br />

Das Programm zur Vermittlung von wissenschaftlichen Kontakten zwischen<br />

Professoren der Universität Kaliningrad und <strong>deutschen</strong> Universitäten<br />

über die Hermann von Helmholtz-Gastprofessur hat beträchtliche<br />

Erfolge gebracht und viele Kontakte vermittelt. <strong>Die</strong>ses Austauschprogramm<br />

werden wir im Jahr 2003 beenden und möglicherweise<br />

durch eine Förderung von jungen Wissenschaftlern ersetzen.<br />

Besonders erfolgreich war das Programm zur wissenschaftlichen<br />

Zusammenarbeit mit Ländern Südost-Asiens. Wie Sie sich vielleicht<br />

erinnern, haben wir schon vor mehreren Jahren mit einem Deutsch-<br />

Vietnamesischen Seminar für Physik- und Ingenieurwissenschaften<br />

diese Kontakte geknüpft. Das Seminar wechselt jährlich alternierend<br />

zwischen Vietnam und Deutschland; das 5. Seminar fand soeben in<br />

Hue statt, der alten vietnamesischen Kaiserstadt. Während bei den<br />

ersten Seminaren ältere Wissenschaftler fast noch zögerlich über ihre<br />

Arbeit berichteten, hat sich das Bild inzwischen völlig gewandelt. Zwar<br />

nehmen die älteren Kollegen nach wie vor an den Seminaren teil, das<br />

wissenschaftliche Programm wird aber von ihren jungen Mitarbeitern<br />

bestimmt, die sowohl in der Qualität der Forschungsarbeiten als auch<br />

der Präsentation den <strong>deutschen</strong> Kollegen in nichts nachstehen. Hier<br />

haben die jungen Wissenschaftler eine große Eigendynamik in Gang<br />

4


gesetzt. Unser Weg, über dieses Seminar langsam andere ostasiatische<br />

Länder zu erschließen, ist mühevoll, geht aber stetig voran. Durch<br />

unsere Initiative konnten bereits drei Wissenschaftler aus Kambodscha<br />

für die Teilnahme an dem auch von der Stiftung geförderten Symposium<br />

für Hochleistungsrechnen in Hanoi gewonnen werden. <strong>Die</strong> Stiftung<br />

will Wissenschaftler aus Kambodscha, Laos und auch Thailand in<br />

diese wissenschaftlichen Veranstaltungen integrieren. Des Weiteren<br />

werden wir im Herbst damit beginnen, eine ähnliche Veranstaltung auf<br />

dem Gebiet der Biowissenschaften zu initiieren.<br />

Auf Einladung der Stiftung hielt sich dieses Jahr eine Gruppe von Wissenschaftlern<br />

aus Nord-Korea in Deutschland auf. Unter der Leitung<br />

<strong>des</strong> Vizepräsidenten der Akademie der Wissenschaften in Nord-Korea<br />

besuchte die Gruppe verschiedene Universitäten, Forschungseinrichtungen<br />

und Wissenschaftsorganisationen in Deutschland. Bei diesen<br />

Begegnungen geht es darum, Wissenschaftler und Kollegen aus isolierten<br />

Ländern mit unserem Wissenschaftssystem bekannt zu machen<br />

und erste Kontakte für eine spätere Zusammenarbeit zu knüpfen.<br />

Meine Damen und Herren,<br />

wie die meisten von Ihnen wissen, liegt das Hauptziel der Stiftung in<br />

der wissenschaftlichen Klärung der Wechselbeziehungen zwischen<br />

Mensch, Umwelt und Technik. Was heißt das konkret? <strong>Die</strong> eigentliche<br />

wissenschaftliche Arbeit fi ndet in Ladenburger Diskursen und in<br />

Ladenburger Kollegs statt. Ladenburger Diskurse haben die Aufgabe,<br />

Themen daraufhin zu untersuchen, ob sie wissenschaftlich interessant,<br />

gesellschaftlich relevant, neuartig und zukunftsweisend sind und mit<br />

den Möglichkeiten der Stiftung kompetent bearbeitet werden können.<br />

Mehrere solcher Diskurse haben im vergangenen Jahr stattgefunden.<br />

Einen Diskurs will ich hier kurz vorstellen:<br />

Im Diskurs „Langzeitverantwortung“ – den wir in den Jahren 1992<br />

und 93 schon einmal geführt haben – ging es um die Frage, welche<br />

Verantwortung Staat und Gesellschaft heute für künftige Generationen<br />

übernehmen müssen, wenn durch technische, wirtschaftliche und politische<br />

Weichenstellungen zukünftige Lebensbedingungen festgelegt<br />

werden. Solche Diskurse wurden in den 80er Jahren mit Blick auf die<br />

kernenergiepolitische Diskussion geführt. Heute geht es dabei mehr<br />

5


um eine nachhaltige Entwicklung, wie in der Molekularbiologie.<br />

Selbstverständlich sind aber alle Fragen angesprochen, bei denen der<br />

Mensch durch Politik, Wirtschaft, soziales Zusammenleben, Technik<br />

oder Gesetzgebung seine Lebensbedingungen langfristig, dauerhaft<br />

verändert.<br />

Einige Diskurse können wir auch aus Mangel an Fördermitteln gegenwärtig<br />

nicht weiter führen. Ihre Themen waren „Migration“, „Funktionale<br />

und natürliche Zyklen“ und „Konturen der Erwerbsarbeit in der<br />

Wissensgesellschaft“.<br />

Unsere Arbeitsprojekte – die Ladenburger Kollegs – wurden zum Teil<br />

abgeschlossen, andere sind neu hinzugekommen. Sie bilden den<br />

Schwerpunkt der Stiftungsarbeit und sind auch fi nanziell als größter<br />

Block unserer Ausgaben zu identifi zieren.<br />

Das Ladenburger Kolleg „Lernen von Organisationen unter verschiedenen<br />

Umfeldbedingungen“ ist beendet. Ein „Handbook of Organizational<br />

Learning and Knowledge“ in Englisch und Chinesisch ist<br />

inzwischen in 6000 Exemplaren verkauft worden. Für die zukünftige<br />

Forschung hat dieses Kolleg eine Vielzahl weiterführender Erkenntnisse<br />

gebracht. So könnte zum Beispiel die Forschung von einer verstärkten<br />

multidisziplinären Kooperation, insbesondere mit Historikern,<br />

profi tieren. Eine geographische Ausweitung würde dem Feld zugute<br />

kommen. <strong>Die</strong> wohl wichtigste anstehende Implementierung der<br />

Ergebnisse muss aber in der Praxis erfolgen: <strong>Die</strong> bisherigen Erfahrungen<br />

zeigen, dass in Organisationen viel mehr Wissen steckt als tatsächlich<br />

genutzt wird, dass allzuviele Initiativen verkümmern, bevor sie<br />

Früchte tragen können, und dass oft inadäquate Lernstrategien benutzt<br />

werden. Mit einer Konferenz <strong>des</strong> Kollegs im Wissenschaftszentrum<br />

Berlin wurde dieser Schwerpunkt abgeschlossen.<br />

Seit nahezu drei Jahren setzt das Kolleg „Gruppen-Interaktion an hoch<br />

riskanten Arbeitsplätzen“ seine Arbeiten mit großem Erfolg fort. Das<br />

Kolleg bringt Forscher und Experten aus der Luftfahrt, der Raumfahrt,<br />

der operativen Medizin, der Psychologie, der Reaktorsicherheit, der<br />

Linguistik und der Psychologie zusammen. Zu diesem interdisziplinären<br />

Forschungsprogramm werden die Kommunikationsstrukturen und<br />

6


-prozesse zwischen Mitgliedern von Arbeitsteams an hoch riskanten<br />

Arbeitsplätzen unter unterschiedlicher Arbeitsbelastung und unter<br />

Gefahr systematisch untersucht. Typische Beispiele sind die Crew eines<br />

Flugzeugs, das Zusammenwirken eines chirurgischen Teams, die Operateure<br />

in der Leitwarte eines Kernkraftwerks. Bei allen können Störfälle<br />

und Gefahren auftreten, bei denen das koordinierte Handeln sehr<br />

stark von der Kommunikation der beteiligten Personen abhängt.<br />

<strong>Die</strong>ses Kolleg hat sich durch eine systematische Öffentlichkeitsarbeit<br />

einen so guten Namen verschafft, dass die Teilnehmer immer wieder<br />

als Experten zu Rat gezogen werden. Beispiele dieses Medieninteresses<br />

sind verschiedene Fernsehfi lme, die für ARD und ZDF entstanden<br />

sind.<br />

<strong>Die</strong> grundlegenden Arbeiten sind weitgehend abgeschlossen. Ein Kollegtreffen,<br />

bei dem die Ergebnisse der Arbeit vorgestellt wurden,<br />

beeindruckte mich persönlich besonders dadurch, dass hier zwanzig<br />

junge Wissenschaftler, die unter der Anleitung von erfahrenen Experten<br />

in diesem Schwerpunkt gearbeitet haben, ihre Ergebnisse mit hoher<br />

Kompetenz darstellten und einen gleichzeitig erleben ließen, welche<br />

Faszination sie bei dieser wissenschaftlichen Arbeit hatten. Hier wurde<br />

auch eine junge Generation von Experten an das Thema herangeführt.<br />

Darüber hinaus wurde das jährlich stattfi ndende Berliner Kolloquium<br />

(das sechste in dieser Reihe) in den Räumen der Konrad Adenauer Stiftung<br />

dem Thema „Interaktion unter Hoch-Risiko-Bedingungen“<br />

gewidmet. Hier berichteten Astronauten, Experten der Flugsicherheit,<br />

Luftfahrtexperten und Psychologen über ihre Erkenntnisse. Wenn Sie<br />

sich einmal vergegenwärtigen, dass in rund siebzig Prozent der Flugunfälle<br />

menschliche und nicht technische Fehler eine ausschlaggebende<br />

Rolle spielen, dann können Sie sich vorstellen, dass die Fluggesellschaften<br />

bei der Ausbildung der Piloten gerne neue Wege beschreiten,<br />

wenn diese durch wissenschaftliche Arbeit aufgezeigt werden. Durch<br />

unser Kolleg werden die Trainingsrichtlinien bei Lufthansa und anderen<br />

Fluggesellschaften sicher geändert werden, um schlechte und fehlerhafte<br />

Interaktion zwischen den Crewmitgliedern zu reduzieren.<br />

Dabei sei an dieser Stelle erwähnt, dass Lufthansa und SwissAir dieses<br />

Forschungsprojekt erheblich unterstützt haben.<br />

7


Im Berliner Kolloquium sind allerdings auch andere Fragen diskutiert<br />

worden, die auftauchen, wo die Kooperation unter hochriskanten<br />

Bedingungen stattfi ndet, beispielsweise, welche unvorhergesehenen<br />

Situationen auf der Raumstation Mir auftreten können, wenn ein<br />

Brand ausbricht, welche Probleme bei der Bergung <strong>des</strong> russischen U-<br />

Bootes Kursk auftraten oder welche Gesichtspunkte man bei Polizeieinsätzen<br />

von Castor-Transporten berücksichtigen muss.<br />

Zwei neue Ladenburger Kollegs haben gerade ihre Arbeit aufgenommen;<br />

ich möchte sie nur benennen.<br />

Das eine Kolleg hat das Thema „Leben in einer smarten Umgebung –<br />

Auswirkungen <strong>des</strong> Ubiquitous Computing“. Hier werden die möglichen<br />

Folgen einer neuen Technik untersucht, bei der unser Leben mit<br />

allgegenwärtigen Computern in Gebrauchsgegenständen, am Menschen<br />

selbst und im privaten Alltag immer mehr von diesen bestimmt<br />

werden. Hierbei gibt es eine Vielzahl sozialer, rechtlicher, wirtschaftlicher<br />

und natürlich technischer, physiologischer und psychologischer<br />

Fragen. Wir hoffen, dass durch unsere Arbeit auch die gesellschaftliche<br />

Diskussion um die Folgen <strong>des</strong> Ubiquitous Computing frühzeitig angeregt<br />

wird.<br />

Das zweite neue Kolleg hat den Titel „Lebensperspektiven in der Zwischenstadt“.<br />

Das Kolleg ist aus drei Diskursen zum Thema Zwischenstadt<br />

hervorgegangen, die sich aus kultur-, gesellschafts- und<br />

ingenieurwissenschaftlicher Sicht mit der Struktur der verstädterten<br />

Landschaft beschäftigen. <strong>Die</strong> Stadtstruktur Zwischenstadt, zwischen<br />

Dorf und Stadt oder zwischen Stadt und Stadt ist erst in den letzten<br />

Jahrzehnten entstanden. Begriffe wie Vorort oder Suburbanisierung<br />

treffen nicht mehr zu, weil solche Zwischenstadtstrukturen starke Tendenzen<br />

zu Eigenständigkeit und wachsender Unabhängigkeit von der<br />

Kernstadt zeigen. In unserem Kolleg versuchen wir, Beispiele im<br />

Rhein-Main-Raum zu analysieren und daraus Voraussagen für die Entwicklung<br />

der Zwischenstädte abzuleiten.<br />

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit bin ich zum Ende<br />

meines Überblicks gelangt. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie heute zu<br />

8


uns gekommen sind und hoffe, dass Sie nach dem Vortrag im Park <strong>des</strong><br />

Karl Benz-Hauses noch mit uns zusammensein werden.<br />

Ich begrüße nochmals sehr herzlich Frau Dr. <strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong>, verbunden<br />

mit meinem Dank, dass sie unserer Einladung zu einer Bertha<br />

Benz-Vorlesung in Ladenburg gefolgt ist. Herr Kraus wird nun die<br />

Rednerin und in das Vortragsthema einführen.<br />

9


Einführung<br />

Josef Kraus<br />

Präsident <strong>des</strong> Deutschen Lehrerverban<strong>des</strong><br />

Wenn man die Ehre hat, in eine Veranstaltung mit dem Titel „<strong>Die</strong><br />

<strong>Schwächen</strong> <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Bildungssystems</strong> – Was läßt sich vom PISA-<br />

Sieger Finnland lernen?“ einzuführen, dann ist man versucht, erstens –<br />

typisch Lehrer! – selbst etwas zur PISA-Diskussion beitragen zu wollen,<br />

und zweitens ist man versucht, eine Laudatio auf <strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong><br />

zu halten.<br />

Das erste – über PISA etwas zu sagen – untersage ich mir strengstens,<br />

weil dies nur auf einen ersten dünnen Aufguß <strong>des</strong> nachfolgenden Vortrages<br />

hinausliefe und weil es – da decken sich die Wertungen von Frau<br />

<strong>Schmoll</strong> und meine Wertungen vermutlich viel zu sehr – Doubletten<br />

produzierte. Das zweite – nämlich etwas oder gar viel über <strong>Heike</strong><br />

<strong>Schmoll</strong> zu sagen – das hat sie mir selbst unter subtiler Androhung<br />

zukünftiger Kommunikationsstörungen untersagt.<br />

Ich bediene mich eines Tricks, den Prüfl inge gerne in mündlichen Prüfungen<br />

praktizieren: Über Umwege redet man sich approximativ hin<br />

zu seinem Spezialthema. Ich rede also einleitend kurz über Bildungsjournalismus<br />

in Deutschland. Da kommen PISA oder Finnland nicht<br />

vor, und <strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong> kommt darin – zumin<strong>des</strong>t anfangs – namentlich<br />

nicht vor.<br />

Bildungsjournalismus in Deutschland – das ist ein Teil <strong>des</strong> Problems,<br />

als <strong>des</strong>sen Lösung er sich ausgibt. Das Problem ist der Zustand unseres<br />

<strong>Bildungssystems</strong>. Der Bildungsjournalismus hätte hier ein großartiges<br />

Betätigungsfeld. <strong>Die</strong> Art aber, wie er dieses Feld beackert, macht ihn<br />

selbst zum Problem. Kurz: Bildungsjournalismus in Deutschland hat<br />

sich dem Niveau der Leistungen in unseren Bildungseinrichtungen<br />

und dem Niveau der Bildungspolitik in Deutschland doch recht schön<br />

angepaßt.<br />

11


Personifi ziert: Wir haben in Deutschland kaum große Bildungsjournalisten<br />

überzeugender Autorität. Es gibt Tages- und Wochenzeitungen,<br />

und es gibt Nachrichtenmagazine, deren Namen in aller Munde sind,<br />

in deren Redaktionen aber niemand ist, der in Sachen Bildungspolitik<br />

ein ausgewiesener Experte oder wenigstens ein leidenschaftlicher<br />

Kommentator wäre. Von den Nachrichtenagenturen will ich ganz<br />

schweigen. Und zu den vermeintlich großen Talkshows fällt mir in<br />

Sachen Bildungsdiskussion an erster Stelle ein, daß man dort meint,<br />

PISA zum Beispiel am Sonntagabend in der Runde mit der außerparlamentarischen<br />

Worterteilerin der Nation u.a. mit zwei Showstars<br />

(Vicky Leandros und Guildo Horn) diskutieren zu müssen.<br />

Nein, mit Kenntnissen und Ernsthaftigkeit im journalistischen<br />

Umgang mit Bildungsfragen, also unseren Zukunftsfragen schlechthin,<br />

ist es nicht weit her. Zwei oder drei laufen herum, die eigentlich eine<br />

Ahnung hätten, die aber beim Analysieren <strong>des</strong> Zustan<strong>des</strong> unserer Bildungseinrichtungen<br />

ihre Gesinnung nicht zurücknehmen können.<br />

Und zu viele sehen Schulpolitik durch die eigene subjektiv – rosa oder<br />

grau – gefärbte Brille <strong>des</strong> Vaters oder der Mutter von schulpfl ichtigen<br />

Kindern.<br />

Das hat zur Folge, daß es zu PISA oder zu „Erfurt“ jeweils ein kurzes<br />

journalistisches Strohfeuer gibt, daß dann aber der lange Atem und der<br />

Tiefgang fehlen.<br />

Und an etwas anderem krankt Bildungsjournalismus in Deutschland<br />

noch: Er ist gerade monomanisch fi xiert auf alles, was mit Gymnasium,<br />

Abitur und Hochschule zu tun hat. Daß nach wie vor mehr als zwei<br />

Drittel unserer jungen Menschen ihren Weg in die berufl iche Existenz<br />

über Hauptschule, Realschule und berufl iche Bildung machen, fi ndet<br />

in Deutschlands Zeitungen und Sendeanstalten nahezu nicht statt.<br />

Warum? Weil keiner, der darüber schreiben müßte, eine Ahnung<br />

davon hat und <strong>des</strong>halb auch nicht zu würdigen weiß, daß dieses Bildungswesen<br />

außerhalb von Gymnasium und Hochschule der Grund<br />

dafür ist, daß wir unter allen bei PISA untersuchten Ländern zum Beispiel<br />

die geringste Jugendarbeitslosigkeit haben.<br />

Ich sagte: Bildungsjournalismus in Deutschland – das ist ein Teil <strong>des</strong><br />

Problems, als <strong>des</strong>sen Lösung er sich ausgibt. Ich meine damit, daß deut-<br />

12


scher Bildungsjournalismus für die Bildungspolitik ein reichlich enges<br />

Agenda-Setting vornimmt. <strong>Die</strong> Folge davon wiederum ist, daß sich unsere<br />

in Sachen Bildung Verantwortlichen einer hyperaktiven Rhetorik<br />

befl eißigen, die wiederum nur den Zweck hat, Presse mit Gedankenfetzen<br />

und Schlagworten zu bedienen. So entstehen eine selektive Tagesordnung<br />

und eine bildungspolitische Schweigespirale; bei<strong>des</strong> ist einer<br />

umfassenden Bildungsdebatte, die wir bräuchten, nicht förderlich.<br />

<strong>Die</strong> FAZ, die „Zeitung für Deutschland“, zumin<strong>des</strong>t im vorderen<br />

„Buch“, den ersten 12 bzw. 16 Politik-Seiten, ist da ein anderes Kaliber.<br />

Und jetzt dürfen Sie dreimal raten, mit wem das zu tun hat. Daß die<br />

FAZ eine Muß-Lektüre in Sachen Bildung ist, hat zu tun<br />

– mit einer Journalistin, die schlicht und einfach Ahnung hat,<br />

– mit einer Frau, die selbst ein höchst anspruchsvolles Verständnis von<br />

Bildung vorlebt,<br />

– mit einer Persönlichkeit, die aufgrund ihres eigenen Bildungshintergrun<strong>des</strong><br />

Bildungsinhalte diskutieren kann und nicht nur Bildungsstrukturen<br />

oder unterrichtliche edutainment-Verpackungen,<br />

– mit einem Menschen, der seinen Ausgleich im Sportlichen und im<br />

Chorsingen fi ndet;<br />

– mit einem „homo politicus“, der längst – wenn er es nur wollte – als<br />

ministrabel gilt und der so manche Bildungsadministration zu höheren<br />

Pulsfrequenzen veranlassen könnte.<br />

Nun bin ich also doch bei „oll“ angekommen, so ihr Kürzel in kleineren<br />

Beiträgen oder Glossen. <strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong> – das muß sie jetzt über<br />

sich ergehen lassen, weil die Leute nun einmal gerade in Sachen<br />

Biographie ein bißchen neugierig sind – hat folgende „Sozialisation“<br />

erfahren:<br />

– aufgewachsen in einem christlich, theologisch geprägten Elternhaus,<br />

– 1981 Abitur in Heidelberg,<br />

– 1980 Hebraicum,<br />

– 1982 Graecum,<br />

– ab 1981 Studium der Germanistik und der Evangelischen Theologie<br />

an den Universitäten Heidelberg, Tübingen und München,<br />

– 1988 Staatsexamen in Tübingen,<br />

13


– dazwischen Hospitanz im Südwest-Fernsehen und Feuilletonistin<br />

im Heidelberger Tageblatt,<br />

– seit 1.1.1989 Mitarbeit in der FAZ,<br />

– seit 1999 hauptverantwortlich für Bildungspolitik in der FAZ,<br />

– zudem Kommentatorin beim SWR und beim Deutschlandradio.<br />

<strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong> – sie heißt übrigens seit knapp einer Woche Dr. theol.<br />

h.c. <strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong>. Sie hat nämlich vor fünf Tagen den Ehrendoktor<br />

der Universität Tübingen (Evangelisch-theologische Fakultät) erhalten.<br />

Meinen herzlichen Glückwunsch! Das ist ja ein starkes Stück in mehrfacher<br />

Hinsicht – schließlich ist <strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong> bekannt dafür, daß sie<br />

auch in ihrem anderen Ressort in der FAZ (nämlich in Sachen evangelischer<br />

Theologie und evangelischer Kirche) kein Blatt vor den Mund<br />

nimmt. Aber was fast noch mehr überrascht, ist, daß sie den „h.c.“ in<br />

einem Alter bekommt, das – übliche Lebenserwartung vorausgesetzt –<br />

noch in der ersten Hälfte ihres Lebens liegt und damit noch sehr, sehr<br />

weit vor einem ersten namhaften runden Geburtstag.<br />

Liebe Frau <strong>Schmoll</strong>, ich schätze Sie<br />

– wegen Ihres unbestechlichen Urteils und ihrer investigativen Fähigkeiten,<br />

– wegen Ihres Mutes, Dinge beim Namen zu nennen,<br />

– wegen Ihrer – gleichwohl immer höfl ich präsentierten, aber doch<br />

erkennbaren – Furchtlosigkeit gegenüber großen Namen,<br />

– wegen Ihres enormen Wissens um Schule und Hochschule in<br />

Deutschland und darüber hinaus,<br />

– wegen <strong>des</strong> anthropologischen, philosophischen, philologischen,<br />

theologischen – insgesamt: kulturellen – Unterbaus, der in all ihren<br />

bildungspolitischen und bildungstheoretischen Analysen mitschwingt.<br />

Ich schätze Sie, so wie Sie sicherlich jetzt anschließend von den gut 600<br />

Zuhörern geschätzt werden. Ich beneide Sie übrigens auch, weil Sie in<br />

der FAZ die herkömmliche Rechtschreibung schreiben dürfen.<br />

Und ich bin gespannt auf Ihre Vorlesung – gespannt auch, ob Sie uns<br />

sagen können, wie die Deutschen es insgesamt in Sachen Bildung unserer<br />

Fußballnationalmannschaft gleichtun können, um demnächst<br />

wenigstens ins PISA-Achtelfi nale oder noch weiter zu kommen.<br />

14


<strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Schwächen</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Bildungssystems</strong>.<br />

Was läßt sich<br />

vom PISA-Sieger Finnland lernen?<br />

<strong>Die</strong> <strong>Schwächen</strong> <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Bildungssystems</strong><br />

Mit einigem Erstaunen hat die deutsche Öffentlichkeit vor kurzem zur<br />

Kenntnis genommen, daß der deutsche Ländervergleich der PISA-Studie,<br />

von allen mit Spannung erwartet und jetzt für den 27. Juni in Berlin<br />

vorgesehen, unvollständig sein wird. In Hamburg hat die GEW<br />

dafür gesorgt, daß die Rücklaufquote zu gering war und das Ergebnis<br />

schönte, in Berlin waren Eltern offenkundig nicht in der Lage, den<br />

Elternfragebogen mit den aufschlußreichen Angaben über sozialen<br />

Hintergrund und Lerngewohnheiten <strong>des</strong> eigenen Kin<strong>des</strong> auszufüllen.<br />

Zurückhaltend sprach der deutsche PISA-Koordinator, der Leiter <strong>des</strong><br />

Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Baumert, von<br />

der kulturellen Distanz der Eltern. Mit anderen Worten: <strong>Die</strong> Eltern<br />

beherrschten die kulturelle Grundfähigkeit, das verständige Lesen und<br />

Schreiben nicht.<br />

Damit bin ich beim Kern <strong>des</strong> PISA-Ergebnisses: Daß deutsche Schüler<br />

in Mathematik und Naturwissenschaften schlecht abschneiden werden,<br />

konnte jedem nach der TIMS-Studie klar sein. <strong>Die</strong> Grundschwäche<br />

mangelnder Lesefähigkeit jedoch wiegt schwerer: Denn mangelnde<br />

Lesefähigkeit führt in der Schule nicht nur dazu, daß die Lernstrategien<br />

unterentwickelt bleiben. Es ist bezeichnend, daß die guten Leser auch


esser lernen können. <strong>Die</strong> guten Leser sind auch eher in der Lage, sich<br />

moderner Informationstechnik zu bedienen. Sie sind aber vor allem<br />

dazu imstande, ihren eigenen Lebenstext zu verfassen. Leben heißt,<br />

beständig seine Biographie weiter zu schreiben. Vor allem in Krisensituationen<br />

ist es unbedingt vonnöten, sich in die Rolle <strong>des</strong> Lesers zu<br />

versetzen. Wer Texte nicht versteht, versteht auch seinen eigenen<br />

Lebenstext nicht. Es gelingt offensichtlich nicht, allen Schülern ein persönlichkeitsbilden<strong>des</strong><br />

Lesen zu vermitteln, ihnen zu zeigen, daß Lesen<br />

als Mittel <strong>des</strong> Weltverständnisses mit dem eigenen Alltag und der konkreten<br />

Lebensführung verbindet. Das ist die individuelle Konsequenz.<br />

Eine ausgeprägte Leseschwäche hat jedoch auch politische und kulturelle<br />

Folgen. Sie führt zum einen zu traditionsvergessenen Staatsbürgern,<br />

die weder mit antiken noch biblischen Texten etwas anfangen<br />

können. Viel zu wenige Kinder erfahren hierzulande, daß es sich lohnt,<br />

die Hürden schwieriger Texte zu überwinden, um einzutauchen in<br />

andere Lebenswelten und das kulturelle Gedächtnis wachzurütteln.<br />

In der Begegnung mit der Überlieferung, in der aneignenden Zwiesprache<br />

mit ihren Texten und Symbolen reifen selbsterworbene und<br />

selbstgewonnene Einsicht und Erkenntnis, gewinnt der Mensch die<br />

Möglichkeit, aus eigenem Ursprung er selbst zu sein; „… mit der Zerstörung<br />

der Erinnerung würde der Mensch sich selbst vernichten“<br />

(Karl Jaspers, <strong>Die</strong> geistige Situation der Zeit).<br />

Vor allem der Spracherwerb ist eine enorm wichtige Phase für Kinder<br />

und Jugendliche. <strong>Die</strong> ersten vier bis acht Lebensjahre sind für die<br />

Sprachkompetenz entscheidend. Wer bis zum zwölften Lebensjahr<br />

nicht das Lesen entdeckt hat, wird kein begeisterter Leser mehr. Auch<br />

ist es sehr viel schwieriger, als Kind nicht lesender, bildungsferner<br />

Eltern zum Vielleser zu werden. Auf diese Weise reproduzieren sich<br />

genau jene bildungsfernen Milieus, die nach dem PISA-Befund unmittelbar<br />

zu den schwächsten Ergebnissen geführt haben.<br />

Das gehört doch zu den schockierendsten Befunden, daß ausgerechnet<br />

in Deutschland die soziale Herkunft in direktem Zusammenhang mit<br />

dem Bildungserfolg steht.<br />

16


Deshalb ist es auch so ungerecht, die Schuld am schlechten Abschneiden<br />

bei PISA ausschließlich Lehrern und Bildungspolitikern zu geben.<br />

Es stimmt zwar, daß Deutsch- und andere Fachlehrer zu wenig Wert<br />

auf Lesefähigkeit gelegt haben, sie sind aber nicht allein für die Defi zite<br />

ihrer Schüler verantwortlich.<br />

Es geht jetzt darum, daß sich alle am Lerngeschehen Beteiligten daran<br />

erinnern lassen, daß Lehrende und Lernende, Erziehende und politisch<br />

Verantwortliche, aber auch die Öffentlichkeit zum Bildungserfolg jeder<br />

einzelnen Schülergeneration beitragen können.<br />

Solch ein Bewußtseinswandel, der Bildung wieder zu der zentralen<br />

Zukunftsfrage macht, läßt sich nicht von heute auf morgen herbeiführen.<br />

Wenn Bildung an sich nicht wieder zu sozialem Ansehen und Anerkennung<br />

führt, sondern einzig und allein die Höhe <strong>des</strong> jeweiligen<br />

Gehalts und sonstige Statussymbole über den sozialen Rang entscheiden,<br />

wird sich nichts ändern.<br />

Nichts ändern wird sich auch, wenn die ermüdende Diskussion der<br />

letzten Monate fortgesetzt wird. Jeder nimmt das PISA-Ergebnis für<br />

genau die Forderungen in Anspruch, die er schon immer erhoben hat<br />

und nun endlich durchzusetzen hofft.<br />

Genauso billig ist es jetzt, mit strukturellen Allheilmitteln der Bildungsmisere<br />

beizukommen. Weder Ganztagsschulen, die nicht für alle<br />

Kinder geeignet und erst recht nicht fi nanzierbar sind, noch Gesamtschulen<br />

werden die Misere bessern. Was soll denn ein ganztags erteilter<br />

Unterricht ändern, wenn es genau derselbe Unterricht bleibt wie bisher?<br />

Qualität läßt sich nicht durch Quantität herstellen, auch wenn die<br />

Bun<strong>des</strong>bildungsministerin nicht müde wird, dies zu propagieren,<br />

indem sie Abiturientenquoten von 40 Prozent anpreist.<br />

Deutsche Gesamtschulen sind mit skandinavischen Einheitsschulen<br />

überhaupt nicht vergleichbar. Außerdem waren es doch die Gesamtschulvertreter,<br />

die das Gleichheitsprinzip auf ihre Fahnen schrieben<br />

und genau das soziale Bildungsgefälle beseitigen wollten, was PISA<br />

aufs neue belegt. Auch werden nicht plötzlich mittelmäßig begabte<br />

Kinder zu hochbegabten, weil sie mit fünf Jahren eingeschult werden.<br />

17


Natürlich ist es wünschenswert, die Kindergartenerziehung bewußter<br />

wahrzunehmen und die Kinderbetreuung in den ersten Jahren auszubauen.<br />

Doch wenn die Bildungsdiskussion hierzulande dabei bleibt,<br />

Strukturen zu debattieren, statt nach Inhalten zu fragen, wird Deutschland<br />

in drei Jahren bei PISA genauso schlecht abschneiden wie im vergangenen<br />

Jahr. Daß es tatsächlich zu diesen Folgeuntersuchungen<br />

kommt, ist übrigens erst seit der Kultusministerkonferenz in Eisenach<br />

klar. Denn der Widerstand der SPD-regierten Länder gegen bun<strong>des</strong>weite<br />

Vergleichstests und eine weitere Beteiligung an den internationalen<br />

Vergleichen war erheblich gewachsen.<br />

Nein, mit dem Strohfeuer der TIMS-Studie ist der nicht löschbare Flächenbrand<br />

PISA überhaupt nicht zu vergleichen.<br />

<strong>Die</strong> Schule ist die größte Agentur unseres gesamten Wissens. Ihr Wohl<br />

und Wehe ist nicht die Spezialangelegenheit einer bestimmten, dazu<br />

noch notorisch schlecht angesehen Berufsgruppe, der Lehrer.<br />

In der Schule wird darüber entschieden, welches Wissen nachwachsenden<br />

Generationen vermittelt wird. Damit bilden die Schulen das Rückgrat<br />

der Gesellschaft. Das Ausbildungsniveau der Schulen und der<br />

Beherrschungsgrad <strong>des</strong> kulturellen Wissens hängen somit unmittelbar<br />

zusammen und sind von grundlegender Bedeutung.<br />

Aber wie sehen die Orte <strong>des</strong> Lernens hierzulande häufi g aus, wenn sie<br />

sich nicht zufällig in privater Trägerschaft befi nden?<br />

Sind Schulen und Universitäten nicht oft verwahrloste Schmierorte<br />

und Sperrmüllhalden? Erwecken sie nicht die Verachtung oder allenfalls<br />

Gleichgültigkeit der Beteiligten und Nichtbeteiligten?<br />

<strong>Die</strong> Grundschwäche <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Bildungssystems</strong> ist die Verachtung<br />

von Leistung und Anstrengung und die Unklarheit darüber, was Bildung<br />

eigentlich ist.<br />

Statt <strong>des</strong>sen beteiligen sich – gefragt oder ungefragt – alle möglichen<br />

gesellschaftlichen Gruppen daran, in geradezu buchhalterischer Manier<br />

aufzuzählen, welche Kompetenzen und Schlüsselqualifi kationen die<br />

Schule vermitteln müsse. Sie merken gar nicht, daß sich Bildung nicht<br />

18


mit ökonomisch effi zienten Checklisten messen läßt und ihre Sprache<br />

sie schon verrät. Leider ist diese technokratische Sprache auch die Sprache<br />

der Kultusbürokratie geworden. <strong>Die</strong> Pressetexte der Kultusminister<br />

in einigermaßen erträgliches Deutsch zu übersetzen, bedarf immer<br />

größerer hermeneutischer Anstrengungen.<br />

Es ist bezeichnend, daß die Erziehungswissenschaften in Deutschland<br />

den Bildungsbegriff schon in den sechziger Jahren verabschiedet<br />

haben. Seither ist von Erziehung die Rede. Darin scheint mir eine der<br />

Wurzeln <strong>des</strong> Bildungsdebakels zu liegen. Denn zum einen sind am<br />

Erziehungsvorgang viel weniger direkt Verantwortliche beteiligt, zum<br />

andern läßt sich Erziehung vermutlich sehr viel leichter defi nieren und<br />

auf bestimmte Verhaltensnormen eingrenzen als der weit umfassendere<br />

Bildungsbegriff. Das Mißverständnis von Eltern und Erziehern, die mit<br />

Erziehungsproblemen nicht fertig werden, die Erziehung ihrer Zöglinge<br />

auch noch an die Schule abzuschieben, hängt unmittelbar mit dieser<br />

Entwicklung zusammen. Zugleich wurde Persönlichkeitsbildung<br />

immer mehr der Erziehung zugeschrieben, während sich der Bildungsbegriff<br />

auf Kompetenzerwerb verengte.<br />

Bildung und Persönlichkeitsbildung gehören ebenso zusammen wie<br />

Bildung und Kultur, und darin liegt eine deutsche Besonderheit.<br />

Nur im Deutschen und im Russischen gibt es ein eigenes Wort für Bildung.<br />

Andere Sprachen kennen für die umfassende Kategorie von Bildung<br />

nur das Wort Kultur.<br />

Im Deutschen gilt demgegenüber, daß Bildung als die Form betrachtet<br />

wird, in der Individuen an der Kultur teilhaben. Ich widerstehe jetzt<br />

der Versuchung, die geistesgeschichtlichen Ursprünge <strong>des</strong> Bildungsbegriffs<br />

aufzuzeigen. Ich nenne nur Meister Eckhart, der im 14. Jahrhundert<br />

zum ersten Mal das Wort Bildung gebrauchte und es auch in sehr<br />

modernem Sinne auf einen Prozeß bezog. Geleitet war seine Bildungstheorie<br />

freilich vom theologischen Gedanken der Gottebenbildlichkeit<br />

– durch Bildung sollten Leute „gotformelich“ werden, wie es auf Mittelhochdeutsch<br />

heißt. Bildung war für Menschen gewissermaßen das<br />

einzige Vehikel, sich ihrer Bestimmung zur Gottesebenbildlichkeit<br />

wieder anzunähern.<br />

19


Ganz gleich, was Sie von solchen theologischen Konzepten halten: Bildung<br />

ist mehr als die Addition von Kompetenzen und abfragbarem<br />

Wissen. Es muß jetzt endlich einen Konsens darüber geben, was Bildung<br />

eigentlich ist.<br />

Bildung schließt Persönlichkeitsbildung ein. Das wußten die antiken<br />

Autoren, das wußten aber auch und vor allem die Reformatoren, denen<br />

wir das allgemeine Schulsystem in Deutschland verdanken. In diesem<br />

Zusammenhang sei daran erinnert, daß der riesige Bildungsboom während<br />

<strong>des</strong> 19. Jahrhunderts in den skandinavischen Ländern vom dortigen<br />

Luthertum befördert wurde.<br />

Sowohl dem antiken als auch dem reformatorischen und humanistischem<br />

Bildungsideal ist eines gemeinsam: Bildung besteht niemals aus<br />

Spezial- und Fachwissen, sondern schließt alle maßgeblichen kulturellen<br />

Bereiche ein. übrigens auch Religion. Wer religiös ungebildet ist, ist<br />

auch ungebildet, weil er einen großen Teil der Literatur, Kunst und<br />

Musik nicht mehr zu entschlüsseln vermag.<br />

Sie sehen: Wer über Bildung nachdenkt, muß notwendigerweise über<br />

Bildungsinhalte sprechen. Insofern sind Bildungskanon und Bildungsidee<br />

nicht voneinander zu trennen.<br />

<strong>Die</strong> ruinösen Defi zite deutscher Schüler gerade beim Lesen hängen<br />

mit der Verabschiedung eines Bildungskanons zusammen. Im Deutschunterricht<br />

werden Zeitungs- und andere Gebrauchstexte schwereren<br />

literarischen Werken gegenüber vorgezogen. In den Grundschulen<br />

wird der Min<strong>des</strong>twortschatz unaufhörlich gesenkt. Selbst im Englisch-<br />

Leistungskurs wird keine Literatur mehr gelesen, von Shakespeare<br />

keine Spur. Allenfalls die alten Sprachen sind noch bei ihrer Literatur<br />

geblieben und gewiß nicht nur aus der Not heraus. Der Lektürekanon<br />

<strong>des</strong> frühen humanistischen Gymnasiums bildete gewissermaßen den<br />

Kern <strong>des</strong>sen, was ein gebildeter Europäer von seiner Tradition kennen<br />

mußte.<br />

Das Verschwinden dieses Lektürekanons hat den bürgerlichen Bildungsbegriff<br />

seines Kerns beraubt. Aber es ist auch die Verabschiedung<br />

der alten Sprachen aus dem modernen Gymnasium, die seit der Einführung<br />

der reformierten Oberstufe in den siebziger Jahren ihren Lauf<br />

20


nahm. Es verschwand der Anteil an Bildung, der bei künftigen Akademikern<br />

das Jugendalter bestimmt hatte. Von der Sexta bis zur Oberprima<br />

hatte einst täglicher Grammatik- und Sprachdrill stattgefunden<br />

und die Strukturen <strong>des</strong> Lateinischen und Griechischen durchsichtig<br />

gemacht. Gleichzeitig wurde den Schülern ein Instrumentarium an die<br />

Hand gegeben, das dem Erlernen fremder Sprachen überhaupt zustatten<br />

kam und die eigene Muttersprache förderte.<br />

Der Abschied vom humanistischen Gymnasium hat nicht nur die Schulung<br />

der Sprachen stark beschnitten, sondern verursachte auch bei den<br />

Sachkenntnissen beträchtliche Lücken. Der altsprachliche Unterricht<br />

konnte es sich erlauben, von Anfang an in die Kultur der Antike einzuführen.<br />

War es ein gelungener Unterricht, wurden einige, aber für die<br />

Persönlichkeitsbildung der Schüler geeignete Schlüsseltexte gelesen.<br />

Das Prinzip <strong>des</strong> Plinius „Multum, non multa“ – also nicht viele Bücher,<br />

sondern welche, in denen viel existentielles steht, zu lesen und sich auf<br />

das Eigentliche zu konzentrieren, hat seine Gültigkeit nicht verloren.<br />

Es ist bestimmt nicht in meinem Sinne, jeden Schüler auf ein altsprachliches<br />

Gymnasium zu schicken – jeder soll nach seinen Begabungen<br />

lernen. <strong>Die</strong>ser individuelle Zugang kann Bildungsvorgänge erst ermöglichen.<br />

Chancengleichheit im Bildungssystem ist eine Lüge. Es gibt<br />

keine gleichen Chancen, weil es keine gleichen Ausgangssituationen<br />

gibt.<br />

Eines allerdings ist für jede Bildungsbiographie gültig: Bildung läßt sich<br />

nur über Inhalte vermitteln. Deshalb muß es in Deutschland endlich<br />

eine Debatte über das geben, was zur Bildung gehört. Wir müssen jetzt<br />

darüber reden, was Schüler lernen müssen und dabei auf jeglichen Bildungsutilitarismus<br />

verzichten.<br />

Es geht eben nicht darum, das Gelernte sogleich daraufhin zu befragen,<br />

wozu es denn im Leben und Berufsleben nützen könnte. Wir alle<br />

haben Dinge in der Schule gelernt, die ihren Sinn erst sehr viel später<br />

offenbarten.<br />

Deshalb schließe ich diesen Abschnitt mit der Mahnung aus Goethes<br />

West-östlichem Divan:<br />

21


„Wer nicht von dreitausend Jahren<br />

Sich weiß Rechenschaft zu geben,<br />

Bleib im Dunkeln unerfahren,<br />

Mag von Tag zu Tage leben.“<br />

Ein großer Teil der gegenwärtigen Diskussion setzt offenbar voraus,<br />

daß die meisten von uns „von Tag zu Tag leben“. Sie wissen nichts von<br />

Jerusalem, Athen oder Rom, sie tun so, als habe Europa keine Vergangenheit.<br />

Doch wird es unter diesen Bedingungen Zukunft haben?<br />

Um unserer Zukunft willen muß es eine Einigung über Bildungsziele<br />

geben. Je klarer die Ziele sind, <strong>des</strong>to offener kann bleiben, wie sie<br />

erreicht werden.<br />

TIMSS und PISA haben gezeigt, daß Evaluierung zur Routine werden<br />

muß, damit sich niemand mehr in Illusionen wiegen kann, was deutsche<br />

Schüler so alles können oder nicht können.<br />

Strukturfragen sind nachrangig, so lange die vorgegebenen Bildungsziele<br />

erreicht werden. <strong>Die</strong> im Mai von den Kultusministerin beschlossen<br />

Bildungsstandards sind ein erster Schritt in die richtige Richtung,<br />

der freilich nicht ausreichen wird. Konsequent wird diese Initiative erst<br />

dann, wenn auch zentrale Abschlußprüfungen für alle Schularten eingeführt<br />

sind und dagegen wehrt sich noch immer fast die Hälfte der<br />

Bun<strong>des</strong>länder.<br />

Es ist kein Zufall, daß der PISA-Sieger Finnland zwar klare Lernziele<br />

formuliert, es den einzelnen Schulen jedoch überläßt, ihre eigenen<br />

Lehrpläne zu schreiben.<br />

Das fi nnische Schulsystem<br />

Als ich Ende Januar dieses Jahres nach Norden aufbrach, hatte der allgemeine<br />

deutsche Bildungstourismus nach Skandinavien glücklicherweise<br />

noch nicht eingesetzt. Ich habe mir für meine Recherchen zehn<br />

Tage Zeit genommen und dem fi nnischen Zentralamt für Unterrichts-<br />

22


wesen, gewissermaßen der ausführenden Behörde gegenüber dem Bildungsministerium,<br />

zur Aufl age gemacht, täglich mehrere Stunden am<br />

Unterricht einer anderen Schule teilnehmen zu dürfen.<br />

Schon das erste Gespräch mit dem Präsidenten <strong>des</strong> Zentralamtes für<br />

Unterrichtswesen war von ganz anderer Natur als Interviews mit <strong>deutschen</strong><br />

Kultusministern.<br />

„Wir brauchen jeden, hoffnungslose Fälle können wir uns überhaupt<br />

nicht erlauben“, das war das bildungspolitische Credo <strong>des</strong> Präsidenten<br />

<strong>des</strong> Zentralamts für Unterrichtswesen.<br />

Das Hauptproblem <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> Schulsystems liegt nicht darin, daß es<br />

dreigliedrig ist, sondern daß jede Schule die Verantwortung für offensichtlich<br />

nicht erfolgreiche Schüler auf die nächstniedrigere abschieben<br />

kann. Das heißt, Schulen werden aus der Verantwortung entlassen, sich<br />

um schwierige oder eigensinnige Schüler zu kümmern.<br />

Wer jetzt glaubt, dieses Problem durch ein Einheitsschulsystem wie<br />

Gesamtschule lösen zu können, der sei daran erinnert, daß zumin<strong>des</strong>t<br />

deutsche Gesamtschulen eine viel stärkere Selektion betreiben als das<br />

dreigliedrige Schulsystem, wie zuletzt die Hamburger Studie zu Lernausgangslagen<br />

(LAU) bewiesen hat. Nicht Gleichheit, sondern Differenzierung<br />

ist die notwendige Voraussetzung für einen erfolgreichen<br />

Bildungsweg.<br />

Deshalb ist es auch so wichtig, diagnostisch erfahrene Lehrer zu haben.<br />

Sie müssen die individuellen Stärken und <strong>Schwächen</strong> eines jeden Schülers<br />

erkennen und sind in Deutschland zumin<strong>des</strong>t kaum darauf vorbereitet.<br />

Wenn Bildung und Persönlichkeitsbildung zusammengehören,<br />

muß der Schüler in seiner Individualität und als Person wahrgenommen<br />

werden. Deshalb sind alle fi nnischen Schulen mit einem Fördersystem<br />

ausgestattet, das deutsche Lehrer vor Neid erblassen ließe.<br />

Das fi nnische Fördersystem ist der wichtigste Erfolgsfaktor der fi nnischen<br />

Schulen. Innerhalb der Regelschule werden die schwachen Schüler<br />

aufgefangen, bevor sie solche Lücken aufweisen, die sich später<br />

nicht mehr aufholen lassen. In jeder für Jahrgangsklassen ausgebauten<br />

Schule gibt es eine Speziallehrerin auf voller Stelle. Sie hat nach mehre-<br />

23


en Jahren Unterrichtspraxis als Fachlehrerin eine sonderpädagogische<br />

Zusatzausbildung absolviert und kümmert sich ausschließlich um die<br />

Schüler, die in einem bestimmten Fach Schwierigkeiten haben. Stellt<br />

die Klassenlehrerin fest, daß ein Kind überfordert ist, holt sie die Speziallehrerin<br />

unter Umständen in den Unterricht und spricht hinterher<br />

genau mit ihr ab, in welchen Stunden das Kind statt <strong>des</strong> Klassenunterrichts<br />

Spezialunterricht bekommt. <strong>Die</strong>ser Einzelunterricht oder in kleinen<br />

Gruppen wird so lange fortgesetzt, bis das Kind wieder Anschluß<br />

an das Niveau der Klasse hat. Sein Stundenplan darf sich nicht dadurch<br />

verändern. Während das Förderkind abwesend ist, nimmt die Klassenlehrerin<br />

mit dem Rest der Klasse nichts neues durch, sondern übt<br />

bekanntes – ein Wiederholungsverfahren, das laut PISA auch zu kurz<br />

kommt in <strong>deutschen</strong> Schulen. Der Speziallehrerin stehen zumeist hübsche,<br />

anheimelnde Räume zur Verfügung, die Kinder fühlen sich nicht<br />

stigmatisiert, sondern herausgehoben und fast geehrt, wenn sie zur<br />

Speziallehrerin dürfen. Sie kommen gern, zumal der Spezialunterricht<br />

niemals mit irgendeiner Form <strong>des</strong> Nachsitzens verbunden ist.<br />

Aufgrund <strong>des</strong> gut funktionierenden Fördersystems gibt es in Finnland<br />

kein Sitzenbleiben und auch kaum Sonderschulen.<br />

Lassen Sie mich Ihnen an dieser Stelle in aller Kürze das fi nnische<br />

Schulsystem beschreiben:<br />

Finnland ist ein extrem dünn besiedeltes Land. Zu den wichtigsten<br />

Problemen führt <strong>des</strong>halb der notwendige Ausgleich zwischen nahezu<br />

menschenleeren Landstrichen im Norden und den stärker besiedelten<br />

städtischen Gebieten im Süden, vor allem um Helsinki. Nur 3 Prozent<br />

der Schulen haben mehr als 500 Schüler.<br />

Deshalb gibt es in Finnland eine Einheitsschule, die mit der <strong>deutschen</strong><br />

Gesamtschule jedoch wenig gemein hat. Alle Entscheidungen, die<br />

Schule betreffen, werden auf der örtlichen Ebene getroffen. <strong>Die</strong><br />

Gemeinden stellen Lehrkräfte ein und entlassen sie nach Bedarf. Das<br />

hat Vor- und Nachteile. Einerseits können sich die Gemeinden die<br />

Lehrkräfte aussuchen, die zu einem vorhandenen Kollegium und<br />

einem entsprechenden Schulprofi l passen. Andererseits geschieht es<br />

immer häufi ger, daß Gemeinden in ihrer Finanznot über die Sommer-<br />

24


monate einfach ihre Lehrer entlassen, um Geld zu sparen und sie<br />

danach wieder einstellen.<br />

Weil der Schulweg von Landkindern über 50 km betragen kann – ab 5<br />

km bezahlt der Staat die Fahrtkosten – beginnt die Schulpfl icht erst mit<br />

sieben Jahren. Schulpfl icht heißt in Finnland übrigens nicht unbedingt<br />

Anwesenheitspfl icht. Wer seine Prüfungen trotzdem besteht, kann lernen,<br />

wo er will. Davon machen Schüler vor allem in der Oberstufe<br />

Gebrauch.<br />

Das fi nnische Schulsystem beginnt mit der sechsjährigen Grundstufe,<br />

auf Finnisch alaaste.<br />

Lan<strong>des</strong>weit gibt es etwa 3000 Schulen dieser Form.<br />

Dort unterrichten Klassenlehrer fast alle Fächer. Dennoch gibt es<br />

unterschiedliche Ausbildungswege für diese Lehrer, eine Klassenlehrerausbildung<br />

und eine Fachlehrerausbildung. 40 Prozent aller fi nnischen<br />

Schulen haben nicht mehr als 50 Schüler. 60 Prozent haben nicht<br />

mehr als 6 Lehrkräfte. Das liegt an der dünnen Besiedlung <strong>des</strong> weitläufi<br />

gen Lan<strong>des</strong>. Kleine Schulen können auch keine Jahrgangsklassen bilden.<br />

Je nach Schülerzahl gibt es nur ein bis drei Lerngruppen.<br />

Während Landkinder mit der Grundstufe vorlieb nehmen müssen, die<br />

in erreichbarer Nähe liegt, gibt es in Helsinki einen regelrechten Wettbewerb<br />

der Grundstufen. Manche machen sogar Eignungstests und<br />

suchen sich Kinder mit bestimmten Begabungen aus. In den großen<br />

fi nnischen Zeitungen wird dann darüber gestritten, ob das zulässig ist.<br />

Denn Chancengleichheit in der Bildung ist im Land ein Verfassungsgrundsatz.<br />

Den scharfen Wettbewerb unter Schulen um Angebote, leistungsfähige<br />

Lehrer und ebenso leistungsstarke Schüler verhindert<br />

dieser Grundsatz nicht.<br />

Unvorbereitet kommen die Kinder nicht in die Schule: Vorschulbesuch<br />

ist eine freiwillige Selbstverpfl ichtung – zumin<strong>des</strong>t in dichter besiedelten<br />

Gebieten. 90 Prozent der Kinder machen davon Gebrauch.<br />

Auf die sechsjährige Grundstufe folgt die dreijährige Mittelstufe, die<br />

Klasse 7 bis 9 umfaßt. Lan<strong>des</strong>weit gibt es etwa 600 yläaste-Schulen.<br />

Da<br />

man 13 bis 15 Jahre alten Schülern längere Schulwege zumuten kann –<br />

in Ost- und Nordfi nnland bis zu 100 km, in Lappland teilweise noch<br />

mehr – und ihnen eine breite Palette von Wahlkursen anbieten muß,<br />

25


gibt es die Oberstufe nur an Orten, die als Zentrum fungieren können.<br />

Jahrgangsklassen und Fachlehrer müssen sein, aber die Lerngruppen<br />

sind oft klein.<br />

Mit der neunten Klasse endet die Schulpfl icht.<br />

Wer das Abitur machen will, geht jetzt auf eine lukio,<br />

auf eine Oberstufe.<br />

Etwa 400 Lukios in ganz Finnland gibt es. Sie führen nur Kurse,<br />

keine Jahrgangsklassen. Schüler können die Lukio in zwei, drei oder<br />

vier Jahren durchlaufen, je nach Anstrengungsbereitschaft und angestrebter<br />

Punktzahl. Das Abitur ist zentral, die örtlichen Lehrkräfte stellen<br />

weder die Aufgaben noch benoten sie die Arbeiten.<br />

<strong>Die</strong> Oberstufe gehört vermutlich zu den größten Schwachstellen im<br />

fi nnischen Schulsystem. <strong>Die</strong> ständig wechselnden, selten mehr als sechs<br />

Wochen dauernden Kurse verhindern jegliche Lernkontinuität. <strong>Die</strong><br />

meisten Hochschulen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> weigern sich <strong>des</strong>halb, das Abitur als<br />

alleinige Zugangsberechtigung anzuerkennen und lassen die Studienbewerber<br />

Aufnahmeprüfungen ablegen.<br />

60 Prozent der fi nnischen Schüler legen ein Abitur ab, doch nur 30<br />

Prozent studieren.<br />

<strong>Die</strong> Hochschulen Finnlands kämpfen seit Jahren um eine Reform der<br />

Oberstufe, doch ohne Erfolg.<br />

So sehr die Schwachen gefördert werden, so wenig werden die Spitzen<br />

ausreichend gefordert. Hochbegabte haben nur dann eine echte<br />

Chance, wenn sie auf die entsprechenden Schulen in Helsinki kommen.<br />

Doch darf es keine allzu großen Begabungsunterschiede geben,<br />

weil das der Ideologie widerspricht: in der Verfassung festgeschriebene<br />

Chancengleichheit in der Bildung.<br />

Wichtig zu wissen ist, daß alle Einwohner Finnlands die beiden Lan<strong>des</strong>sprachen,<br />

Finnisch und Schwedisch lernen müssen, hinzu kommt<br />

Englisch.<br />

In Helsinki gibt es eine überaus breite Palette von ausländischen Schulen,<br />

eine sehr schöne deutsche Schule, eine englische, eine fi nnisch-russische,<br />

eine jüdische Schule mit einem enormen Hebräisch-Pensum<br />

und Waldorf-Schulen in beiden Lan<strong>des</strong>sprachen.<br />

26


Keine der Fremdsprachen Englisch, Deutsch, Französisch, Russisch<br />

oder Schwedisch ist mit dem Finnischen irgendwie verwandt. Schwedisch<br />

ist in der Regel die erste Fremdsprache, zumin<strong>des</strong>t aber die<br />

zweite obligatorische Fremdsprache. <strong>Die</strong>s gilt zumin<strong>des</strong>t für die Finnen,<br />

die Finnisch als Muttersprache sprechen. Ihr Anteil liegt bei etwa<br />

95 Prozent der Gesamtbevölkerung. Nur etwa 5 Prozent haben Schwedisch<br />

als Muttersprache und davon beherrschen 15 Prozent kein Finnisch.<br />

Insgesamt gibt es in Finnland etwa 500000 Einwohner, denen in<br />

der Schule kein systematischer Fremdsprachenunterricht erteilt worden<br />

ist.<br />

Inzwischen hat je<strong>des</strong> Kind mit dem Abschluß der Einheitsschule sieben<br />

Jahre lang die erste Fremdsprache (meist Englisch) gelernt, min<strong>des</strong>tens<br />

drei Jahre aber auch Schwedisch. Am Ende der gymnasialen Oberstufe,<br />

die 60 Prozent eines Jahrgangs besuchen, können die Schüler Sprachkenntnisse<br />

vorweisen, die zehn Jahren Unterricht in Englisch, sechs<br />

Jahren Unterricht in Schwedisch und drei bis acht Jahren Unterricht in<br />

ein bis zwei weiteren Fremdsprachen entsprechen. Das sprachenpolitische<br />

Ziel der EU, nach der jeder Bürger min<strong>des</strong>tens zwei Fremdsprachen<br />

lernen sollte, wird von Finnland schon seit 30 Jahren erfüllt.<br />

Das ging übrigens auch dort nicht ohne Konfl ikte: <strong>Die</strong> Architekten der<br />

Einheitsschule waren bei der Einführung der Meinung, Kinder seien<br />

mit zwei Fremdsprachen überfordert und wollten eine davon streichen.<br />

Nach langen Diskussionen hat sich das Parlament seinerzeit dennoch<br />

für ein Zwei-Sprachen-Modell entschieden. Dabei gilt es hervorzuheben,<br />

daß es in Finnland bei der Wahl der obligatorischen Sprache verschiedene<br />

Möglichkeiten gibt: Vor oder statt <strong>des</strong> Englischen können<br />

prinzipiell auch Deutsch, Französisch, Russisch oder die zweite Lan<strong>des</strong>sprache,<br />

also Finnisch oder Schwedisch gewählt werden. Obwohl<br />

der Anteil der Schulen, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen,<br />

sehr gering ist, zeigt dieser Beschluß, daß der politische Wille für eine<br />

Vielfalt <strong>des</strong> Sprachenangebots vorhanden ist.<br />

Mit dem Erlernen der ersten Fremdsprache wird spätestens im Alter<br />

von neun Jahren begonnen, die zweite Fremdsprache folgt spätestens<br />

mit 13 Jahren. Etwa 15 Prozent der Kinder fangen schon vor dem 9. Le-<br />

27


ensjahr mit der ersten Fremdsprache an und fast 40 Prozent vor dem<br />

13. Lebensjahr mit der zweiten Fremdsprache.<br />

Der Anteil der Kinder, die schon im ersten Schuljahr mit einer Fremdsprache<br />

beginnen, wächst stetig.<br />

Möglich wurde dies durch das sogenannte Kimmoke-Projekt aus dem<br />

Jahr 1995. Für die Durchführung war das Zentralamt für Unterrichtswesen<br />

zuständig, die Kommunen konnten sich um die Aufnahme in<br />

das Projekt bewerben. Etwa 150 Gemeinden wurden aufgenommen<br />

und haben daran mitgewirkt, die Vielfalt <strong>des</strong> Fremdsprachenangebots<br />

zu stärken, lan<strong>des</strong>weit eine zweite Fremdsprache von Klasse 5 der Einheitsschule<br />

an einzuführen, mehr bilinguale Unterrichtsangebote zu<br />

schaffen, Lehr- und Lernmethoden weiterzuentwickeln und die internationalen<br />

Beziehungen der Schulen auszuweiten. Entscheidend für<br />

den Erfolg waren sechs Netzwerke, die jeweils ein Projektziel verfolgten.<br />

Neben regelmäßigen lokalen und regionalen Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen<br />

für die Lehrer gab es während der fünfjährigen<br />

Projektdauer jährlich zwei lan<strong>des</strong>weite Konferenzen, bei<br />

denen der Stand der Arbeit im Netzwerk vorgestellt wurde.<br />

<strong>Die</strong> Auswertung <strong>des</strong> Projekts im Jahre 2001 ergab, daß zwei Drittel der<br />

beteiligten Lehrer erklärten, vom Projekt und den Fortbildungsveranstaltungen<br />

täglich praktischen Nutzen gehabt zu haben. Das Kimmoke-Projekt<br />

hat außerdem dazu geführt, daß wesentlich mehr<br />

Schüler Deutsch lernen, auch einige mehr Französisch, für Russisch<br />

hingegen konnten nicht mehr Lerner geworben werden. Französisch<br />

gilt als elitär und ist neben Latein eine der unbeliebtesten Fremdsprachen.<br />

<strong>Die</strong> alten Sprachen fristen in Finnland ein trauriges Dasein. Da<br />

der gesamte Fremdsprachenunterricht auf Anwendung und Kommunikation<br />

bezogen ist, nicht jedoch auf Literatur, fällt die humanistische<br />

Bildung praktisch aus. Nur in der lukio,<br />

in der Oberstufe, gibt es einige<br />

wenige Lateinkurse, Griechisch fehlt völlig.<br />

Inzwischen gibt es nicht wenige fi nnische Regelschulen, die in Zusammenarbeit<br />

mit Kindergärten einen frühen Fremdsprachenbeginn<br />

anbieten, zumeist Englisch. Wer bei der Einschulung nicht schon Englisch<br />

kann, wird in den englischen Zug nicht aufgenommen, sondern<br />

28


muß in der Parallelklasse am englischen Anfangsunterricht teilnehmen<br />

oder bis Klasse 3 warten. Zumin<strong>des</strong>t in Helsinki zeitigt das Verfahren<br />

Erfolg: Es gibt kaum eine jüngere Verkäuferin, die nicht beneidenswert<br />

fl ießend Englisch spräche.<br />

Es gibt auch Grundstufen, die in Klasse 1 mit Deutsch beginnen. <strong>Die</strong><br />

Sprachkenntnisse schon in der 3. Klasse sind phantastisch.<br />

„Schreib mal Schlittschuhlaufen an die Tafel“, bittet die Lehrerin an<br />

einem kalten Wintertag ein Kind. – Auf dem Eisweiher vor der Schule<br />

fi ndet der Sportunterricht statt. Das Kind schreibt ein Wortungetüm an<br />

die Tafel, das zwar lang ist, in dem aber etliche Buchstaben fehlen.<br />

„Das ist ein sehr langes Wort“, sagt sie, geht hin und fügt mit andersfarbiger<br />

Kreide die fehlenden Buchstaben ein. Das ist fi nnische Pädagogik.<br />

Es gehört zu den größten Tabus, ein Kind wegen eines Fehlers vor<br />

seiner Klasse bloßzustellen. Das heißt übrigens nicht, daß Leistungsschwächen<br />

mit endlosem Verständnis begegnet würde, aber es gibt<br />

doch einen entscheidenden Unterschied zwischen <strong>deutschen</strong> und fi nnischen<br />

Lehrern:<br />

In ihrem Bemühen, möglichst Leistungsfortschritte zu erzielen, hat<br />

man hierzulande gelegentlich den Eindruck, als suchten deutsche Lehrer<br />

nach Fehlern und <strong>Schwächen</strong>, fi nnische Lehrer suchen eher nach<br />

Bestärkung und Ermutigung. Sie können das aber auch viel beruhigter<br />

tun, weil sie zumeist nicht einmal allein in einem Klassenraum unterrichten,<br />

sondern häufi g noch eine Schulassistentin, eine junge Lehrerin<br />

in der Ausbildungsphase dabei haben, gelegentlich auch die Speziallehrerin.<br />

Ein Grund für den ungeheuren Erfolg bei PISA ist sicher der pragmatische<br />

Anwendungsbezug, der in Finnland in allen Fächern im Vordergrund<br />

steht. Dafür wird man im ganzen Land kaum einen<br />

Deutschunterricht fi nden, der sich der Mühe unterzöge, einen kleinen<br />

Text von Goethe zu lesen. Das muß ganz nüchtern festgestellt werden,<br />

ohne die Bildungserfolge der Finnen zu schmälern.<br />

Wer glaubt, daß es zwischen fi nnischen Schulen nicht riesige Unterschiede<br />

gäbe, der irrt. Im Unterschied zu Deutschland sind regelmäßige<br />

Evaluierungen der Schulen in Finnland ganz selbstverständlich. Sie<br />

29


gehören dort zur Schulroutine. Um so alarmierender war eine innerfi<br />

nnische Evaluation der Schulen, deren Ergebnisse im Mai publiziert<br />

wurden. <strong>Die</strong> Schüler mancher Schulen kamen auf 85 von 100 erreichbaren<br />

Punkten, andere nur auf 40. Ein so großer Niveauunterschied<br />

beunruhigt Behörden und Öffentlichkeit. Vermutlich hatten die Schulen<br />

mit schlechteren Resultaten zu wenig Geld von den Gemeinden für<br />

Speziallehrer und Ausstattung.<br />

Vielleicht haben Sie vor kurzem einen entsprechenden Artikel auf der<br />

Titelseite der Süd<strong>deutschen</strong> Zeitung gesehen. Der Leiter <strong>des</strong> Zentralamtes<br />

für Unterrichtswesen hatte in einem Interview auf diese Diskrepanzen<br />

aufmerksam gemacht, weil er verhindern will, daß Finnland<br />

sich auf seinem PISA-Erfolg ausruht. Eine Wiederholung ähnlich guter<br />

Ergebnisse bei der nächsten PISA-Untersuchung 2003 scheint vielmehr<br />

in Gefahr, wenn die fi nnischen Kommunen schon im kommenden<br />

Schuljahr am Schuletat sparen wollen. Ihre Begründung ist: nach<br />

dem international erfolgreichen Abschneiden müsse nicht mehr so viel<br />

Geld in die Schulen investiert werden.<br />

Im übrigen können Sie sicher sein, daß die Zusatzuntersuchung für<br />

Deutschland, PISA-E Ende <strong>des</strong> Monats für die Bun<strong>des</strong>länder nichts<br />

besseres ans Tageslicht bringen wird. <strong>Die</strong> Unterschiede werden so groß<br />

sein, daß von der grundgesetzlich garantierten Vergleichbarkeit der<br />

Lebensverhältnisse überhaupt nicht mehr die Rede sein kann.<br />

Der Anteil von Einwanderern an der fi nnischen Bevölkerung liegt<br />

knapp unter 2 Prozent. Sie wohnen fast alle im Ballungsgebiet Süd. In<br />

den meisten fi nnischen Schulen gibt es nur einheimische Schüler, in<br />

Helsinki-Ost aber Klassen mit bis zu 30 Prozent Kindern ausländischer<br />

Herkunft. Je<strong>des</strong> Einwandererkind muß min<strong>des</strong>tens ein Jahr lang in<br />

Erfüllung seiner Schulpfl icht nicht nur eine Lan<strong>des</strong>sprache, sondern<br />

auch Alltag in Finnland („Wir gehen in den Supermarkt“, „Wir gehen<br />

zum Arzt“) lernen, bevor es eine normale Schulklasse besuchen darf.<br />

Einige Stunden werden die Kinder aber auch in ihrer Muttersprache<br />

unterrichtet. <strong>Die</strong> Flexibilität fi nnischer Schulen in diesem Punkte ist<br />

bewundernswert.<br />

30


Deshalb ist es enorm wichtig, in Deutschland das Deutschlernen für<br />

Ausländerkinder vor dem Schulbesuch zur Pfl icht zu machen. Wer<br />

nicht ausreichend Deutsch kann, dürfte gar nicht in eine erste Grundschulklasse<br />

aufgenommen werden. Den Kindern würde damit ein leidvolles<br />

Scheitern in Raten erspart. Außerdem wäre von vornherein<br />

vermieden, was in Großstädten wie Frankfurt immer mehr zur Regel<br />

wird. Deutsche Eltern erfi nden Kindermädchen in anderen Stadtteilen<br />

oder ähnliches, um ihre Kinder von den Grundschulen fernhalten zu<br />

können, die 60 Prozent oder mehr Ausländerkinder aufweisen. Damit<br />

wird das Gegenteil von Ausländerintegration erreicht.<br />

Daß Bildung im Zweifelsfall Geld kosten muß, werden Sie unmittelbar<br />

erkennen, wenn ich Ihnen nun noch etwas über das Schulpersonal<br />

einer gut ausgestatteten fi nnischen Schule berichte:<br />

Neben der Schulleitung, Klassenlehrern und Fachlehrern gehören an<br />

min<strong>des</strong>tens einem Tag in der Woche eine Schulschwester, eine Kuratorin,<br />

eine Psychologin, Assistenten, Küchenpersonal, das für die tägliche<br />

Mittagsmahlzeit sorgt und die Speziallehrerin zum Schulpersonal.<br />

<strong>Die</strong> Schulschwester hat eine Grundausbildung als Krankenschwester,<br />

hat aber eine Zusatzausbildung für vorbeugende Gesundheitsarbeit.<br />

<strong>Die</strong> Kuratorin – es sind in der Tat meist Frauen – hat eine sozialpädagogische<br />

Ausbildung und ist für alle Probleme sozialer Natur zuständig.<br />

Gibt es in einer Klasse Konfl ikte zwischen zwei Cliquen ist es<br />

nicht Sache der Klassenlehrerin, sich damit zu befassen. Sie schickt die<br />

Betreffenden zur Kuratorin, deren Kompetenz u.a. gruppentherapeutische<br />

Methoden umfaßt.<br />

Auch bei Schwierigkeiten mit dem Elternhaus ist es die Kuratorin,<br />

nicht die Lehrkraft, die Kontakt aufnimmt. Das gilt etwa dann, wenn<br />

Eltern sich dagegen wehren, daß ihr Kind Spezialunterricht bekommen<br />

soll. Das gibt es durchaus, doch der Spezialunterricht kann auch gegen<br />

den Willen der Eltern erteilt werden.<br />

<strong>Die</strong> Psychologin ist für Probleme zuständig, die nicht soziale, sondern<br />

individuelle Gründe haben. Oft gehen Kinder von sich aus zu ihr, nicht<br />

auf Grund einer Überweisung durch die Klassenlehrerin. Ein verständnisvoller<br />

Erwachsener, der der Schweigepfl icht unterliegt und mit dem<br />

31


man reden kann, ohne daß die Eltern davon etwas mitbekommen, ist<br />

für viele Kinder und Jugendliche sehr wichtig.<br />

<strong>Die</strong> Klassenlehrerin hat dafür nicht die Zeit, von der therapeutischen<br />

Kompetenz gar nicht zu reden.<br />

Finnische Klassenlehrer und Fachlehrer können sich also in aller Ruhe<br />

um ihre pädagogischen Aufgaben kümmern. Das tun sie mit enormem<br />

Engagement. Mehrere Fortbildungen jährlich zu besuchen, ist Ehrensache.<br />

Wer dort fernbleibt, hat unweigerlich den Eindruck zu stagnieren.<br />

<strong>Die</strong> ständige Auffrischung didaktischer Methoden und Möglichkeiten<br />

sowie fachlicher Neuerungen macht sich in einer Aufbruchstimmung<br />

in den Lehrerkollegien bemerkbar.<br />

Vermutlich gehört es zu den Mythen nach PISA, daß Finnlands Lehrer<br />

die grundsätzlich bessere Methodik hätten. Ich glaube das nicht. Allerdings<br />

sind sie weniger resigniert als hiesige Kollegen. Ich habe selten so<br />

viele zufriedene Lehrer, so viel gute Atmosphäre in Lehrerzimmern<br />

gesehen wie in Finnland und ich war wahrhaftig nicht nur in Vorzeigeschulen.<br />

Auch empfi nden sich Kollegien mehr als Team, selbst in der<br />

Oberstufe, während hiesige Gymnasiallehrer nach wie vor als Einzelkämpfer<br />

agieren. Finnische Lehrer sprechen im Lehrerzimmer offen<br />

über ihre Disziplinprobleme und bitten auch einmal einen Kollegen,<br />

mit in den Unterricht zu kommen. Ein positives Vertrauen in die Leistungsfähigkeit<br />

der Schüler und ein gutes Lernklima scheinen jedenfalls<br />

mit großer Sicherheit zu überdurchschnittlich guten Lernerfolgen<br />

zu führen.<br />

Lehrern wird ein enorm hohes Ansehen zuteil, sie sind diejenigen, die<br />

professionelle Wege <strong>des</strong> Lernens beschreiten. In Finnland käme nie ein<br />

Politiker auf die Idee, Lehrer zu beschimpfen. Hierzulande wurde das<br />

öffentliche Ansehen der Lehrer jahrelang durch Politiker kaputtgeredet.<br />

<strong>Die</strong> Folgen sind unübersehbar: Niemand interessiert sich<br />

mehr fürs Lehramtsstudium, schon gar nicht die besten Abiturienten.<br />

In Deutschland glaubt inzwischen jeder, der irgendwann einmal Kinder<br />

in der Schule hatte, eine kompetente Bildungsdiskussion führen zu<br />

können.<br />

32


Doch wenn es auch in Finnland gute und weniger gute Lehrer gibt,<br />

warum können fi nnische Jugendliche so viel besser lesen als deutsche?<br />

Auch wer nur kurz in Finnland verweilt, kann sich davon überzeugen,<br />

daß überall in der Öffentlichkeit gelesen wird. Bildung ist dort ein<br />

gesellschaftliches Gut, das alle anstreben. In den S-und U-Bahnen werden<br />

nicht nur Zeitungen, sondern vor allem Bücher gelesen.<br />

„Klar“, meint eine außergewöhnlich extrovertierte fi nnische Lehrerin,<br />

„andernfalls müßte man ja auch dem gegenüber sitzenden Mitfahrenden<br />

in die Augen schauen“.<br />

Das ist gewiß übertrieben, aber auch nicht ganz falsch. <strong>Die</strong> Finnen sind<br />

introvertiert, auch fi nnische Kinder sind sehr zurückhaltend und ruhig,<br />

reden nur nach Aufforderung, die Klassen sind überraschend diszipliniert.<br />

Mündliche Mitarbeit wird übrigens so gut wie nicht bewertet,<br />

was zählt ist das, was schriftlich geleistet wird.<br />

Allerdings gehört es zur mitteleuropäischen Folklore so zu tun, als<br />

seien die armen Finnen wegen der vielen Dunkelheit zum Lesen<br />

gezwungen. Es ist wahr, Finnland hat lange, kalte und dunkle Winter,<br />

aber vermutlich nicht nur <strong>des</strong>halb eine Lesetradition, für die es südlich<br />

der Ostsee keine Entsprechung gibt. Schon zu Beginn <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts<br />

war die Analphabetenrate Finnlands die niedrigste der Welt (nur<br />

3,8 Prozent).<br />

Einer der wichtigsten Gründe dafür war der reformatorische Impuls<br />

<strong>des</strong> skandinavischen Luthertums. Wie Sie wissen, hat die Reformation<br />

nicht nur die allgemeine Schulpfl icht eingeführt, sondern Bildung in<br />

hohem Maße demokratisiert. <strong>Die</strong> Bibel selbst lesen zu können, gehörte<br />

zur Mündigkeit <strong>des</strong> freien Christenmenschen. <strong>Die</strong> Folgen einer lutherisch<br />

hochkirchlichen Tradition sind eine ausgeprägte Lesekultur in<br />

Finnland bis heute.<br />

Weil die Eltern lesen, lesen auch die Kinder. Wenn sie im August eingeschult<br />

werden, sind sie spätestens Weihnachten in der Lage, fl ießend<br />

zu lesen. Warum brauchen deutsche Grundschulkinder dafür häufi g bis<br />

zum Ende der zweiten Klasse?<br />

33


Aber es gibt noch einen anderen, großen Anreiz für die fi nnischen<br />

Schulkinder, schnell lesen zu lernen. Es ist nämlich nicht möglich, dem<br />

fi nnischen Fernsehprogramm zu folgen, ohne Lesen zu können. Es<br />

wäre zu teuer, die vielen ausländischen Filme alle auf Finnisch zu synchronisieren.<br />

Also werden sie in Finnland in der Originalsprache mit<br />

fi nnischen Untertiteln gesendet. Den Tag in seinem Leben vergißt kein<br />

fi nnisches Kind, an dem es zum ersten Mal die Untertitel lesen konnte.<br />

Außerdem liest sich Finnisch unvergleichlich viel leichter als Deutsch,<br />

denn die Orthographie ist vollkommen phonetisch, entspricht also<br />

genau der Aussprache. Im Finnischen entspricht jedem Laut nur ein<br />

Buchstabe. Niemals kann ein und derselbe Buchstabe mal diesen, mal<br />

jenen Laut bezeichnen wie im Deutschen (Vase/Vater).<br />

In fi nnischen Grundschulklassen wird das Lesen durch lautes im Chor<br />

Sprechen der Silben geübt. Sobald die Schüler lesen können, entwikkelt<br />

sich vor allem unter den Mädchen eine regelrechte Lese-Euphorie.<br />

Es gab Grundschulen, in denen Mädchen in ihrer Freizeit zusätzliche<br />

Lesezirkel bildeten – ein Phänomen, das hierzulande älteren Damen<br />

vorbehalten ist – um weitere Bücher gemeinsam zu lesen.<br />

Lesen wird in jeder Hinsicht belohnt. An einer Tafel stehen Kinderbuchtitel,<br />

wer sie gelesen hat, wird hinter dem Titel vermerkt. Schüler<br />

stellen ihren Mitschülern den Inhalt eines Buches vor, das die anderen<br />

nicht gelesen haben. Alle Schüler haben ein sogenanntes Pultbuch. Vor<br />

allem die leistungsstärkeren Schüler machen davon häufi g Gebrauch.<br />

Sobald sie eine Aufgabe erledigt haben, ziehen sie ihr Pultbuch hervor<br />

und lesen ein paar Seiten, während ihre Mitschüler noch die Aufgaben<br />

erledigt haben.<br />

Sie sehen, wie stark in einem Klassenraum in Finnland differenziert<br />

wird. Von einem gleichmacherischen Einheitssystem kann nicht die<br />

Rede sein, allerdings von einem sehr effi zienten und sehr teuren<br />

System.<br />

Es gibt auch keinen Grund, das bewährte dreigliedrige Schulsystem<br />

aufzugeben, das sich hier immer als das leistungsfähigere bewährt hat.<br />

<strong>Die</strong> bei PISA erfolgreichen Länder Kanada und Neuseeland sind ebenfalls<br />

föderalistisch organisiert.<br />

34


Allerdings wird es sich nur dann auf Dauer halten können, wenn die<br />

Unsitte, schwache Schüler einfach an die nächstniedriger Schulart zu<br />

delegieren, endlich ein Ende hat. Jede Schule muß hier wieder mehr<br />

Verantwortung dafür übernehmen, daß auch schwache Schüler gefördert<br />

werden. Das heißt übrigens nicht, daß jeder auf dem Gymnasium<br />

gehalten werden muß. Im Gegenteil: Oft ist es sehr viel menschlicher,<br />

überforderte Kinder von der frustrierenden Daueranspannung zu erlösen<br />

– durch einen einfachen Schulwechsel.<br />

Wenn eine Schule in Finnland einmal einen Schüler aufgenommen<br />

hat, wird sie ihn nicht mehr los, es sei denn aufgrund schwerwiegender<br />

disziplinarischer Gründe.<br />

Auch gibt es keinen Unterrichtsausfall in Finnland, der Lehrerbestand<br />

ist sehr viel umfangreicher als hier.<br />

Lassen Sie mich zum Schluß zusammenfassen, was Deutschland von<br />

Finnland lernen könnte:<br />

Wenn es etwas von Finnland zu lernen gilt, dann ist es die unbedingte<br />

Förderung ausländischer Kinder. In Deutschland dürften keine nicht<br />

muttersprachlichen Kinder mehr in Grundschulen aufgenommen werden,<br />

die nicht einen Sprachtest ablegen. Nur so läßt sich eine dauerhafte<br />

Segregation verhindern.<br />

Wenn Deutschland in der Bildung international aufholen will, muß es<br />

allen schwachen Schülern systematisch helfen und zwar zunächst und<br />

vor allem dort, wo die Fundamente für den künftigen Bildungsgang<br />

gelegt werden: in der Grundschule.<br />

<strong>Die</strong> Grundschule darf nicht mehr – wie in einigen Bun<strong>des</strong>ländern – als<br />

Kuschel- und Spielschule agieren, sondern hat die ungeheure Verantwortung<br />

für die Basis aller weiteren schulischen Prozesse zu sorgen.<br />

Das heißt auch, daß die bisherige Verteilung der Gelder – von der<br />

Sekundarstufe II an viel Geld, in der Primarstufe wenig – so nicht aufrecht<br />

erhalten werden kann.<br />

Das fi nnische Beispiel zeigt, wie entscheidend für den Bildungserfolg<br />

zu bewerten ist, welches Ansehen Bildung und Anstrengung in der<br />

Gesellschaft genießen. <strong>Die</strong> Finnen wissen, daß ihnen der Schritt über<br />

35


die eigenen Lan<strong>des</strong>grenzen nur dann möglich ist, wenn sie Sprachen<br />

lernen und sich um Bildung bemühen. Sie sind dadurch nicht nur<br />

europäischer, sondern auch internationaler. Oder haben Sie schon einmal<br />

ein deutsches Bun<strong>des</strong>land gesehen, das die Lehrpläne anderer<br />

europäischer Staaten durchforstet, bevor es die eigenen Lehrpläne<br />

macht? <strong>Die</strong> Finnen vergleichen seit Jahrzehnten, während sich<br />

Deutschland erst langsam und behäbig aus der geistigen Provinz herausbewegt.<br />

In einem Punkte sollte Deutschland auch bei alten Bildungsidealen<br />

bleiben: PISA hat die Anwendbarkeit von Bildung überprüft, die<br />

Lebensdienlichkeit. Das ist eine wichtige Bildungsvoraussetzung. <strong>Die</strong>se<br />

Feststellung schmälert das Versagen deutscher Schüler nicht, im<br />

Gegenteil. Aber es wäre ein völlig falscher Schluß, wenn Deutschland<br />

darauf verzichtete, Bildungsstandards auch wieder in Bildungskanons<br />

zu fassen. Denn Goethe-Lektüre läßt sich nun einmal nicht zuerst auf<br />

ihre unmittelbare Nützlichkeit befragen, die offenbart sich erst viel<br />

später.<br />

<strong>Die</strong> Alten, allen voran Aristoteles, wußten, daß auch in der Zweckfreiheit<br />

eine besondere Würde liegt.<br />

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Bertha Benz-Vorlesungen<br />

zwischen 1987 und 1990 gehalten in den Universitäten Heidelberg und Mannheim,<br />

seit Juni 1990 in Ladenburg.<br />

Prof. Dr. Hanna Holborn Gray, Präsidentin der University of Chicago (1987)<br />

“Educational Diversity and the Unity of Learning”<br />

Prof. Dr. Brigitte Rollett, Psych. Institut der Universität Wien (1988)<br />

„Neue Forschungen zum Problem der Entwicklung der Begabung“<br />

Prof. Dr. Karin Mölling, MPI für Molekulare Genetik Berlin (1988)<br />

„Retroviren in der Krebs- und AIDS-Forschung“<br />

Prof. Dr. Hanna Vollrath, Universität Köln (1989)<br />

„Christliches Abendland und archaische Stammeskultur –<br />

Zu einer Standortbestimmung <strong>des</strong> früheren Mittelalters“<br />

Priv.-Doz. Dr. Marlis Buchmann, Soziologisches Institut<br />

der Universität Zürich (1989)<br />

„Tendenzen zeitgenössischer Kulturpraxis – Bedürfnisse<br />

kultureller Selbstdarstellung im sozialen Wandel“<br />

Prof. Dr. Lerke Osterloh, Universität Trier (1990)<br />

„Sport, Spaß und Allgemeinwohl – Zum Streit um das steuerliche Gemeinnützigkeitsund<br />

Spendenrecht“<br />

Birgit Breuel, Niedersächsische Ministerin der Finanzen (1991)<br />

„Europa im Umbruch. Perspektiven einer Unternehmenssteuerreform“<br />

Helga Steeg, Exekutivdirektor der Internationalen Energie-Agentur,<br />

Paris (1991)<br />

„Herausforderungen an die Energiepolitik aus internationaler Sicht“<br />

Dr. Angela Merkel, Bun<strong>des</strong>ministerin für Frauen und Jugend (1992)<br />

„Der Aufbau in den neuen Bun<strong>des</strong>ländern – Frauen und Jugendliche<br />

in einer Zeit <strong>des</strong> Umbruchs“<br />

Prof. Dr. Jutta Limbach, Senatorin für Justiz <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Berlin (1993)<br />

„Politische Justiz“<br />

Dr. Karin Lochte, Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven<br />

(1994)<br />

„<strong>Die</strong> Bedeutung <strong>des</strong> Südpolarmeeres für globale Klimaprozesse:<br />

Biologische Stoffkreisläufe“<br />

37


Gisela Mahlmann, ZDF-Korrespondentin, Baden-Baden (1995)<br />

„Von Marx über Mao zum Markt: China – zwischen Armenhaus<br />

und Goldküste“<br />

Dr. Brigitte Seebacher-Brandt, Deutsche Bank AG, Frankfurt (1996)<br />

„Zufall und Notwendigkeit. Wie es zur <strong>deutschen</strong> Einheit kam.“<br />

Heidi E. Hutter, Swiss Reinsurance America Corporation, New York (1997)<br />

„Globalisierung der Rückversicherungswelt – Zum fi nanziellen Umgang<br />

mit großen Risiken“<br />

Prof. Dr. Helga Rübsamen-Waigmann, Bayer AG, Wuppertal (1998)<br />

„Alte und neue Seuchen im Zeitalter <strong>des</strong> Massentourismus“<br />

Klaudia Martini, Staatsministerin für Umwelt und Forsten<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Rheinland-Pfalz (1999)<br />

„Mut zum Risiko. Risikoentscheidungen als Entwicklungsbedingung moderner Gesellschaften“<br />

Dr. Barbara Bludau, Generalsekretärin der Max-Planck-Gesellschaft, München (2000)<br />

„Technologietransfer – vom Wissen zum Wohlstand“<br />

Dr. Helga Gräfi n von Strachwitz, Afrika-Beauftragte <strong>des</strong> Auswärtigen Amtes (2001)<br />

„Afrikas dorniger Weg in die Moderne“<br />

<strong>Heike</strong> <strong>Schmoll</strong>, Redakteurin der Frankfurter Allgemeine Zeitung für Bildungspolitik,<br />

evangelische Theologie und Ökumene (2002)<br />

<strong>Die</strong> <strong>Schwächen</strong> <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Bildungssystems</strong>. Was läßt sich vom PISA-Sieger Finnland<br />

lernen?<br />

<strong>Die</strong> für den Druck überarbeiteten Vorlesungen sind zu erhalten bei:<br />

Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung<br />

Dr.-Carl-Benz-Platz 2, 68526 Ladenburg,<br />

Tel.: 06203-1092-0; Fax: 06203-1092-5;<br />

E-Mail: info@daimler-benz-stiftung.de<br />

38


<strong>Die</strong> Bertha Benz-Vorlesung<br />

Durch ihr selbstbewusstes Auftreten und ihre energische Anteilnahme an den Erfi<br />

ndungen ihres Ehemannes avancierte Bertha Benz zu einer Pionierin der Technik<br />

– ein Gebiet, zu dem Frauen ihrer Zeit üblicherweise keinen Zugang hatten.<br />

Im August 1888 fuhr sie mit dem Patent-Motorwagen von Karl Benz von Mannheim<br />

nach Pforzheim und bewies so erstmals die Tauglichkeit <strong>des</strong> Automobils<br />

für Fernfahrten.<br />

<strong>Die</strong> Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung erinnert mit der Vortragsreihe an<br />

diese tatkräftige Frau und würdigt die Bedeutung von Frauen in Wissenschaft,<br />

Politik und Gesellschaft. Als Vortragende sprechen Frauen aus verschiedenen Bereichen<br />

<strong>des</strong> öffentlichen Lebens zu Themen ihrer Wahl.<br />

<strong>Die</strong> Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung<br />

fördert Wissenschaft und Forschung zur Klärung der Wechselbeziehungen zwischen<br />

Mensch, Umwelt und Technik, vor allem durch<br />

– interdisziplinäre wissenschaftliche Diskussionen wichtiger Grundsatzfragen<br />

im „Ladenburger Diskurs“<br />

– die vertiefte wissenschaftliche Bearbeitung von Schwerpunktthemen in multidisziplinär<br />

zusammengesetzten Arbeitskreisen (Ladenburger Kollegs)<br />

– Nachwuchsförderung für junge Wissenschaftler (bis zur Promotion) mit einem<br />

Stipendienprogramm „Forschungsarbeit im Ausland“

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