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Die Erneuerung des freien Notariats

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AD NOTAM Jubiläumsausgabe 3<br />

Das Notariat,das,zusammen mit dem Richterstand und<br />

der Rechtsanwaltschaft, zu den bedeutendsten juristischen<br />

Berufen gehört, kann auf eine sehr reiche Geschichte<br />

zurückblicken.<br />

<strong>Die</strong> Geschichte <strong>des</strong> Notarwesens – wie der Begriff Notar<br />

auch,abgeleitet vom lateinischen „nota“ (Abkürzung)<br />

– hat ihren Anfang im Altertum. Im Mittelalter entsprach<br />

der heutigen Auffassung <strong>des</strong> <strong>Notariats</strong> das sog. öffentliche<br />

Notariat. Als Notare oder Protonotare wurden allerdings<br />

zu jener Zeit auch Personen bezeichnet,die mit dem Konzipieren<br />

und Schreiben von Urkunden im Rahmen der<br />

königlichen, päpstlichen, erzbischöflichen oder einer<br />

städtischen Kanzlei beschäftigt waren.<br />

Da das tschechische Notariat gegenwärtig in den Kreis<br />

<strong>des</strong> sog. lateinischen <strong>Notariats</strong> gehört, wird nachstehend<br />

auf die Geschichte <strong>des</strong> öffentlichen <strong>Notariats</strong> Nachdruck<br />

gelegt.<br />

Das öffentliche Notariat entstand unzweifelhaft auf italienischem<br />

Boden. Eine wichtige Rolle bei der weiteren<br />

Gestaltung dieser Institution spielte die Rezeption <strong>des</strong> römischen<br />

Rechts und der damit einherschreitenden Romanisierung<br />

der juristischen Denkweise. Entscheidende<br />

Faktoren der Entwicklung <strong>des</strong> <strong>Notariats</strong> waren mittelalterliche,zunächst<br />

vor allem italienische Universitäten und<br />

die an ihnen wirkenden Glossatoren und Postglossatoren.<br />

Ihren Einfluß ließen zweifelsohne auch die Kirche<br />

und der Unterricht <strong>des</strong> weiteren sog. gelehrten Rechts,<br />

d. h. <strong>des</strong> kanonischen Rechts, walten. Aus Italien verbreitete<br />

sich die Institution der öffentlichen Notare nach<br />

Frankreich und in die Alpenländer (vor allem nach Südtirol).<br />

Ende <strong>des</strong> 13. Jahrhunderts schlug das öffentliche<br />

Notariat im mittelalterlichen Deutschland und in Polen,<br />

etwas früher auch im tschechischen Staat,seine Wurzeln.<br />

Anzeichen der Existenz <strong>des</strong> öffentlichen <strong>Notariats</strong> in den<br />

tschechischsprachigen Ländern sind erstmals während<br />

der Regierung <strong>des</strong> Königs Přemysl Otakar II. zu beobachten.<br />

<strong>Die</strong>ser „Eiserne und Goldene König“ war der erste<br />

tschechische/böhmische Herrscher,<strong>des</strong>sen politische<br />

und Machtambitionen deutlich über die Grenzen <strong>des</strong><br />

tschechischen Staates hinaus reichten. Zur Zeit seines<br />

höchsten Glanzes regierte er in den tschechischen und<br />

in österreichischen Landen (Steiermark, Kärnten und<br />

Krain),sein Einfluss reichte von der Ostsee bis zur Adria.<br />

Ohne Erfolg bewarb sich Přemysl Otakar II. auch um die<br />

Krone <strong>des</strong> Heiligen Römischen Reiches.<br />

Unter Přemysls Regierung gewann die königliche<br />

Kanzlei an Bedeutung. An ihrer Spitze stand formell der<br />

Kanzler, der virilerweise seit 1225 der Probst von Vyšehrad<br />

war,in Wirklichkeit wurde sie jedoch von einem der<br />

führenden Notare, die in der Regel als Protonotare bezeichnet<br />

wurden, geleitet.<br />

Der Kontakt der in Přemysls Kanzlei wirkenden Persönlichkeiten<br />

mit italienischem Milieu war entweder direkt<br />

auf ihre italienische oder alpenländische Herkunft<br />

oder auf das Studium an italienischen Universitäten oder<br />

wenigstens unmittelbar darauf zurückzuführen, dass in<br />

„Indem die Geschichte die Menschen mit der Vergangenheit bekannt macht,<br />

macht sie ihnen die Beurteilung der Gegenwart möglich.“<br />

Das Notariat in den tschechischen Ländern bis 1949<br />

Jefferson<br />

der Kanzlei Hilfsmitel italienischer Provenienz verwendet<br />

wurden. <strong>Die</strong> Möglichkeit, sich mit der Institution <strong>des</strong><br />

öffentlichen <strong>Notariats</strong> vertraut zu machen, wurde durch<br />

den Umstand vertieft, dass die Kanzlei als Ganzes oder<br />

ihr Teil den König unterwegs begleitete, an Verhandlungen<br />

teilnahm und sehr breit territorial angelegt korrespondierte.<br />

Unter den bekannten Protonotaren und Notaren der<br />

Kanzlei Přemysl Otakars II.,die ausschließlich für den König<br />

und die königliche Kanzlei tätig waren,hebt sich ohne<br />

Zweifel Jindřich Vlach (Henrius Italicus), oder auch Jindřich<br />

z Izernie (Heinrich von Isernia) genannt, ab, der<br />

1273–1278 als Protonotar von Přemysl Otakar II. wirkte.<br />

Über die Person dieses Notars werden in der Literatur<br />

umfangreiche Streite geführt. Es gibt Ansichten, dass er<br />

nicht Italiener gewesen sei,sondern nur in Italien studiert<br />

habe,oder umgekehrt,dass er in Isernia südlich von Rom<br />

geboren sei. <strong>Die</strong> Autoren sind sich einig, dass er Anfang<br />

der 70er Jahre <strong>des</strong> 13.Jahrhunderts nach Prag kam,nachdem<br />

er als Anhänger der Ghibellinen aus Isernia vertrieben<br />

worden war. Eine weitere strittige und nicht eindeutig<br />

geklärte Frage ist das Identischmachen Heinrichs<br />

von Isernia mit Jindřich (Heinrich) von Gars und dem<br />

schlesischen Notar Jindřich Kras. Für die Geschichte <strong>des</strong><br />

öffentlichen <strong>Notariats</strong> ist nicht wesentlich wichtig,Partei<br />

einer der diskutierenden Parteien zu ergreifen. Alle sind<br />

sich darin einig, dass Heinrich von Isernia dem öffentlichen<br />

Notariat nahe stand und sich nachweislich für seine<br />

weitere Entwicklung in den tschechischen Ländern einsetzte.„Im<br />

Jahre 1270 hat nämlich der Welsche Henricus<br />

de Isernia in Vyšehrad die – wohl in Mitteleuropa erste –<br />

Schule errichtet,in der er einmal die sog. ars dictandi oder<br />

die Kunst, Urkunden zu verfassen, zum anderen auch die<br />

Redekunst und selbstverständlich auch die Grundlagen<br />

<strong>des</strong> Rechts unterrichtete. Es sei hinzugefügt, dass die<br />

Schule Heinrichs von Isernia offenbar für eine Zeit lang<br />

die Bedeutung der Prager Kathedralschule in den Schatten<br />

stellte”. <strong>Die</strong> Schule in Vyšehrad war bis 1274 tätig.<br />

Traditionelle Lehrmittel waren in den Schreiberschulen<br />

Urkundensammlungen, sogenannte Diktamina, und<br />

Formulariensammlungen. <strong>Die</strong>se entstanden entweder aus<br />

bei einer Institution angesammelten Schriftstücken unter<br />

Weglassung konkreter Angaben oder als Stilistik-Lehrbücher<br />

schulischen Charakters. Heinrich von Isernia wird<br />

die Urheberschaft der Formulariensammlungen Instrumenta<br />

Henrici Italici oder Formae privilegiorum und Liber<br />

formularum Henrici Italici zugeschrieben. Seine erhaltenen<br />

Diktamina zeugen davon, dass er Werke von<br />

Cicero, Horaz, Ovid und Vergil kannte. Heinrich von Isernia<br />

war auch königlicher Diplomat und Verfasser von<br />

Přemysls Schreiben.Es bleibt hinzuzufügen,dass Heinrich<br />

von Isernia, indirekten Berichten zufolge, in den Prager<br />

Städten ein Buch für das Eintragen von Verträgen und privatrechtlichen<br />

Rechtshandlungen, wahrscheinlich nach<br />

Vorbild der königlichen Register, geschaffen hat.<br />

<strong>Die</strong> politischen und Machtambitionen Přemysl Otakars

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