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Jahresbericht 2005 - Ehe-, Familien- und Partnerschaftsberatung

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<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2005</strong><br />

<strong>Ehe</strong>-,<br />

<strong>Familien</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>Partnerschaftsberatung</strong> e.V.<br />

Nelkenstr. 17<br />

76135 Karlsruhe<br />

Tel: 0721 / 842288<br />

Fax 0721 / 856051<br />

www.eheberatung-karlsruhe.de<br />

Sparkasse<br />

Karlsruhe<br />

Konto 9225426<br />

BLZ 660 501 01<br />

Email: info@eheberatung-karlsruhe.de<br />

Seite 1


<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2005</strong><br />

der <strong>Ehe</strong>-, <strong>Familien</strong>- <strong>und</strong> <strong>Partnerschaftsberatung</strong>sstelle<br />

Die <strong>Ehe</strong>-, <strong>Familien</strong>- <strong>und</strong> <strong>Partnerschaftsberatung</strong>sstelle bietet psychologische Beratung an.<br />

Diese unterstützt Menschen im Aufbau von Beziehungen, in der Bewältigung von Paarkonflikten,<br />

bei der Verarbeitung von Trennung <strong>und</strong> Scheidung, im Umgang mit Belastungen<br />

<strong>und</strong> Lebenskrisen <strong>und</strong> eröffnet die Chance zur Neuorientierung. Sie versteht sich als Beratungsdienst<br />

für erwachsene Menschen.<br />

Unsere Arbeit umfaßt folgende Leistungsbereiche:<br />

- <strong>Ehe</strong>- <strong>und</strong> <strong>Partnerschaftsberatung</strong> -Lebensberatung<br />

- <strong>Familien</strong>beratung - Gruppenberatung<br />

- Trennungsberatung - Mediation<br />

- Supervision - Email-Beratung<br />

- muttersprachliche Beratung für Migranten <strong>und</strong> Migrantinnen.<br />

Trägerin: <strong>Ehe</strong>-, <strong>Familien</strong>- <strong>und</strong> <strong>Partnerschaftsberatung</strong> Karlsruhe e.V.<br />

(Mitglieder: Karlsruher Frauenverbände, die evangelische <strong>und</strong> die<br />

katholische Kirche, Stadt <strong>und</strong> Landkreis Karlsruhe)<br />

1. Vorsitzende: Frau Rechtsanwältin Britta Auer (Mitglied der Business and Professional<br />

Women - BPW - Club Karlsruhe e.V.)<br />

2. Vorsitzende: Frau Silvia Burkardt, Mitglied der Katholischen Frauengemeinschaft<br />

Schatzmeister: Herr Gerald Peregovits, Steuerberater, Dipl. Finanzwirt (FH)<br />

Stellenleiterin: Andrea Klaas<br />

Anschrift: <strong>Ehe</strong>-, <strong>Familien</strong>- <strong>und</strong> <strong>Partnerschaftsberatung</strong> e.V.<br />

Nelkenstr. 17, 76135 Karlsruhe<br />

Telefon: 0721 / 84 22 88<br />

Fax: 0721 / 85 60 51<br />

Internet: www.eheberatung-karlsruhe.de<br />

Email: eheberatung-karlsruhe@t-online.de<br />

Öffnungszeiten des Sekretariats: Montag – Freitag 9 - 12 Uhr<br />

Dienstag, Mittwoch, Donnerstag 14 – 17 Uhr<br />

Seite 3


Seite 4<br />

Inhalt:<br />

<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2005</strong> Seite 3<br />

Das Team stellt sich vor Seite 5<br />

Ulrich Beer-Bercher<br />

Grenzen überwinden - Lebensberatung Seite 6<br />

Ulrich Beer-Bercher<br />

Frau Unzufrieden trifft Herrn OhneProblem Seite 7<br />

Was verrät unsere Statistik über unsere Klientel<br />

<strong>und</strong> unsere Arbeit ?<br />

Andrea Klaas<br />

Lebensberatung: ein Schwerpunkt unserer Arbeit Seite 12<br />

Cathrin Gappisch<br />

Lebensberatung - Fallvignette Herr B. Seite 13<br />

Ursula Bank-Mugerauer<br />

Aufbruch zum Karlsruher Weg Seite 15<br />

Mit Blick auf das „Cochemer Modell“ werden in Karlsruhe<br />

neue Vorgehensweisen im Umgangs- <strong>und</strong> Sorgerecht entwickelt.<br />

Andrea Klaas<br />

Förderkreis Seite 18<br />

Ulrich Beer-Bercher<br />

Impressum:<br />

Herausgeberin: <strong>Ehe</strong>-, <strong>Familien</strong>- <strong>und</strong> <strong>Partnerschaftsberatung</strong>sstelle<br />

Redaktion <strong>und</strong><br />

verantwortlich für den Inhalt: Andrea Klaas<br />

AutorInnen: Ursula Bank-Mugerauer; Ulrich Beer-Bercher;<br />

Cathrin Gappisch; Andrea Klaas<br />

Datum: August 2006<br />

Wir danken der Sparkasse Karlsruhe für ihre Unterstützung beim Druck des <strong>Jahresbericht</strong>s.


Das Team stellt sich vor<br />

Ulrich Beer-Bercher<br />

Die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter leisteten im Jahr <strong>2005</strong> 1890,5 St<strong>und</strong>en<br />

insgesamt, 1775,5 Beratungsst<strong>und</strong>en <strong>und</strong> 115 Informations- <strong>und</strong> Ausfallst<strong>und</strong>en:<br />

Klaas, Andrea Diplom-Biologin, Mediatorin (BAFM), Mentorin,<br />

Leiterin der Stelle (75%)<br />

Bank–Mugerauer, Ursula Ev. Diplom-Theologin,<br />

Supervisorin(DGSV), Mentorin (50%)<br />

Beer–Bercher, Ulrich Kath. Diplom-Theologe (50%)<br />

Reutti, Hanne Juristin, Mediatorin (BAFM) (50%)<br />

Die Honorarkräfte leisteten im Jahre <strong>2005</strong> 3235 St<strong>und</strong>en insgesamt, 2919 Beratungsst<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> 316 Informations- <strong>und</strong> Ausfallst<strong>und</strong>en:<br />

Drescher, Michael Kath. Diplom-Theologe, Mediator (BAFM)<br />

Gappisch, Cathrin Diplom-Psychologin<br />

Kolb, Helene Dolmetscherin<br />

Kühlmann, Martin Kath. Diplom-Theologe<br />

Neff, Chantal Diplom-Psychologin<br />

Peitgen-Hofmann, Petra Diplom-Psychologin<br />

Pils, Rosemarie Designerin<br />

Schaudel, Eva-Maria Krankenschwester<br />

Dr. Schreiber, Christa Fachärztin, Psychotherapeutin<br />

Schubert, Karl-Heinz Jurist, Psychotherapeut (HP), <strong>Familien</strong>therapeut, (ab Mai 05)<br />

Winter, Sabine Diplom-Psychologin<br />

Ziegler, Angela Heilpraktikerin<br />

Alle Beraterinnen <strong>und</strong> Berater sind <strong>Ehe</strong>-, <strong>Familien</strong>- <strong>und</strong> LebensberaterInnen mit Diplom oder<br />

haben eine von der Fachaufsicht als gleichwertig anerkannte Ausbildung.<br />

Externe MitarbeiterInnen:<br />

Beratung in türkischer Sprache:<br />

Dülgar-Ünsal, Serife Diplom-Sozialpädagogin, cand. psych.<br />

Cotherapeut in der Selbsterfahrungsgruppe für Frauen <strong>und</strong> Männer:<br />

Dümmig, Karl-Heinz Religionspädagoge, systemischer Therapeut, Supervisor<br />

Praktikantin:<br />

Schank, Heike Diplom-Psychologin, <strong>Familien</strong>therapeutin i.A.<br />

Sekretariat:<br />

Klix, Christa Sekretärin (65%; ab Mai 05 geringfügig beschäftigt)<br />

Wenderoth, Monika Sekretärin (57 % ab Mai 05)<br />

Wild, Anne Sekretärin (65%)<br />

Alle Mitarbeitenden sind zu Verschwiegenheit verpflichtet.<br />

Seite 5


Grenzen überwinden - Lebensberatung<br />

Ulrich Beer-Bercher<br />

Alle Beraterinnen <strong>und</strong> Berater unserer Stelle sind <strong>Ehe</strong>-, <strong>Familien</strong>- <strong>und</strong> Lebensberater mit<br />

Diplom. Der Schwerpunkt dieser Ausbildung ist der unserer Arbeit: Die Bewältigung von Krisen<br />

<strong>und</strong> Konflikten in Partnerschaften. Partnerschaft (oder das Ende einer Partnerschaft) ist<br />

nicht nur das Thema der meisten Paarberatungen, sondern auch zahlreicher Einzelberatungen:<br />

Wir werden von unseren Klienten vor allem als SpezialistInnen für Beziehungsfragen<br />

wahrgenommen <strong>und</strong> angefragt. Daneben berät jede/r BeraterIn aber auch KlientInnen, die<br />

ganz andere Fragen umtreiben: Ein breites Spektrum unterschiedlichster Themen, die wir<br />

üblicherweise unter dem etwas vagen Begriff „Lebensberatung“ zusammenfassen.<br />

Übergänge gestalten<br />

Zu diesen Themen zählt dann beispielsweise die Vorbereitung auf eine Psychotherapie bei<br />

einer/m niedergelassenen PsychotherapeutIn: In vielen Fällen gehört dazu die Motivation zur<br />

Therapie, oft auch die Unterstützung bei der Suche nach einem Therapieplatz <strong>und</strong> die Begleitung<br />

während der oft erheblichen Wartezeit.<br />

Ebenfalls bitten uns immer wieder Klienten um Unterstützung nach dem Abschluss einer<br />

stationären Therapie in der Psychiatrie oder in einer psychosomatischen Klinik: Die Rückkehr<br />

ins „normale“ Leben scheint ihnen ohne verständnisvolle <strong>und</strong> kompetente Begleitung schwer<br />

möglich. Zunehmend häufiger angefragt werden wir von älteren Menschen, die Beratung <strong>und</strong><br />

Unterstützung bei den großen Veränderungen in dieser Lebensphase suchen: Dabei geht es<br />

nicht nur um den schwierigen Übergang vom Berufsleben in die Rente/Pension, sondern vermehrt<br />

auch um die Frage, ob <strong>und</strong> wann der Umzug in eine Form des Betreuten Wohnens oder<br />

in ein Heim sinnvoll ist.<br />

Loslassen lernen<br />

Wenn Menschen sich entscheiden müssen zwischen dem Traum, eigene Kinder zu haben<br />

<strong>und</strong> dem Zusammenleben mit einem geliebten Partner, mit dem Kinder eben nicht möglich<br />

sind, geraten sie in eine schier auswegslose Lage: Es scheint so, als sei ein Leben ohne Kinder<br />

genauso unerträglich wie das ohne den Partner. Die Notwendigkeit, trotzdem eine dieser<br />

Optionen für die andere aufzugeben, kann so lähmend sein, dass der Beruf <strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heit<br />

in Mitleidenschaft gezogen werden. Wir begleiten Menschen bei diesen <strong>und</strong> ähnlich<br />

schwierigen Prozessen des Loslassens.<br />

Isolation überwinden<br />

Arbeitslosigkeit macht nicht nur krank <strong>und</strong> arm, sie macht auch einsam. Menschen, die<br />

keine Arbeit haben, fühlen sich oft von den anderen ausgegrenzt – <strong>und</strong> manchmal grenzen<br />

sie sich auch selbst aus: Weil sie sich ihrer Situation schämen, oder weil ihre Ohnmacht <strong>und</strong><br />

Hoffnungslosigkeit sie depressiv macht. Für manche dieser Arbeitslosen sind wir mangels<br />

anderer Kontakte ein wichtiger Ort, an dem sie ihre Situation reflektieren <strong>und</strong> im Dialog nach<br />

positiven Veränderungen suchen können – oder nach Wegen, sich mit der Situation abzufinden.<br />

Ähnliche Funktionen haben wir auch für andere Menschen: Etwa für Frauen, die nach<br />

einer langen <strong>Familien</strong>phase <strong>und</strong> einer Trennung nach einem neuen Platz im Leben suchen –<br />

oder für Singles in der Lebensmitte, die in einer Sinnkrise stecken.<br />

Teamarbeit<br />

In vielen der oben geschilderten Problembereiche spielen juristische, medizinische <strong>und</strong><br />

Fragen aus anderen Fachbereichen eine große Rolle. Intervision <strong>und</strong> Supervision (Fallbesprechungen<br />

innerhalb des Teams oder mit externen Supervisoren) in unserem multiprofessionellen<br />

Team bieten dem/der einzelnen BeraterIn die Möglichkeit, auch auf die fachlichen<br />

Ressourcen der anderen KollegInnen zuzugreifen (siehe Seite 5).<br />

Seite 6


Frau Unzufrieden trifft Herrn OhneProblem<br />

Was verrät unsere Statistik über unsere Klientel <strong>und</strong> unsere Arbeit?<br />

Andrea Klaas<br />

Jedes Jahr erheben wir mit viel Aufwand statistische Daten um unsere Arbeit zu dokumentieren.<br />

Im Folgenden wird eine Auswahl der Ergebnisse zusammenstellt <strong>und</strong> erläutert.<br />

Beratungszahlen <strong>2005</strong><br />

Zahl der Klienten: 1602 Beratungsfälle: 1073<br />

Anteil Frauen: 917 = 57,2 % Anteil Männer: 685 = 42,8 %<br />

St<strong>und</strong>en insgesamt 5125,5, davon 431 Informations- oder Ausfallst<strong>und</strong>en<br />

Beratungsst<strong>und</strong>en: 4694,5<br />

Die folgenden Ergebnisse der Statistik beschreiben unsere Klientel:<br />

73 % der Ratsuchenden gehören der evangelischen oder katholischen Kirche an. Unsere ökumenische<br />

Trägerschaft schreckt aber offensichtlich auch religiös nicht geb<strong>und</strong>ene Mitbürger<br />

(19 %) <strong>und</strong> Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften (8 %) nicht ab.<br />

Altersverteilung<br />

Die „Alterskurve“ bleibt seit vielen Jahren<br />

fast unverändert: Im Alter von circa 40 Jahren<br />

häufen sich offensichtlich die Probleme.<br />

Aber immerhin 56 Klienten waren jünger<br />

als 27 <strong>und</strong> 36 älter als 65!<br />

<strong>Familien</strong>stand<br />

Die große Mehrheit unserer Klientel ist verheiratet.<br />

eingetr. Lebensgem. 0,25 %<br />

verwitwet 1 %<br />

geschieden 8 %<br />

wiederverheiratet 4 %<br />

Zahl<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0 18 27 35 40 45 50 55 60 65 älter Jahre<br />

getrennt lebend 7 %<br />

ledig 19 %<br />

verheiratet 61 %<br />

Seite 7


Wohnort der Klienten<br />

Herkunftsland<br />

Seite 8<br />

außerhalb von 65-... Stadt <strong>und</strong> Landkreis Karlsruhe 11,6 %<br />

203 (12,7 %) unserer 1602 Klientinnen <strong>und</strong> Klienten haben als Herkunftsland angegeben:<br />

Bosnien-Herzogowina, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Jugoslawien,<br />

Österreich, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweiz, andere Staaten<br />

der Sowjetunion, Spanien, Tschoslowakei, Türkei, Ungarn, Ukraine, Großbritannien <strong>und</strong><br />

Irland, Weißrussand, Brasilien, Vereinigte Staaten, Indien, Iran, Zypern, Mexiko, Kroatien,<br />

Afrika, Südamerikanischer Kontinent, Asien, Australien, andere außereuropäische Länder.<br />

Erwerbstätigkeit<br />

unbekannt 5,7 %<br />

Landkreis Karlsruhe 29,3 %<br />

Stadt Karlsruhe 53,4 %<br />

- 246 Personen (15,4 %) sind nicht erwerbstätig: in Familie <strong>und</strong> Haushalt, Rente, Ausbildung,<br />

Sozialhilfe, arbeitslos.<br />

- 533 Personen (33,3 %) sind nicht voll erwerbstätig: geringfügig, vorübergehend nicht erwerbstätig<br />

(Hausmann, Hausfrau in Erziehungsurlaub), gerinfügig beschäftigt oder in Teilzeit.<br />

- 73 Personen (4,7%) sind selbständig. Der Verdienst der selbständigen Klientel liegt zwischen<br />

dem der geringfügig Beschäftigten <strong>und</strong> dem der gut Verdienenden.<br />

- 684 Personen (44,4%), weniger als die Hälfte, sind voll erwerbstätig (siehe folgende Grafik).<br />

in Familie <strong>und</strong> Haushalt 3,6 %<br />

in Ausbildung 2,5 %<br />

erwerbsunfähig, schwerbehindert 0,6 %<br />

berentet 3,7 %<br />

Sozialhilfe 0,3 %<br />

arbeitslos 6 %<br />

geringfügig beschäftigt 2,1 %<br />

selbtstständig 4,7 %<br />

nicht erwerbstätig, Hausmann/frau im Erziehungsurlaub 15,8 %<br />

erwerbstätig Teilzeit 21,8 %<br />

erwerbstätig Vollzeit 44,4 %


Kinder<br />

Beratungen mit Eltern: 547 Fälle = 51 %<br />

Betroffene Kinder: 988<br />

Das erscheint auf den ersten Blick wenig. Aber man muss bedenken, dass junge Paare oft<br />

noch keine Kinder haben <strong>und</strong> bei den älteren die Kinder schon volljährig <strong>und</strong> aus dem Haus<br />

gegangen sind. Die Lebensphase, in der heute Eltern mit ihren Kindern zusammen leben, ist<br />

relativ kurz geworden, die „kinderfreien“ Zeitspannen haben sich dagegen verlängert.<br />

Lebensphasen in der Biographie von Frauen heute <strong>und</strong> vor 100 Jahren<br />

Aus den Internet-Informationen der Forschungsstelle im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg<br />

ist diese Grafik entnommen.<br />

Lebenserwartung<br />

Jüngstes Kind<br />

18 Jahre alt<br />

Geburt des<br />

letzten Kindes<br />

Heirat<br />

Zahl der Kinder pro Familie<br />

Von den 988 Kindern<br />

wachsen zur Zeit 210<br />

als Einzelkinder auf.<br />

500 Kinder haben<br />

Bruder oder Schwester,<br />

216 sind zu dritt,<br />

52 zu viert <strong>und</strong> 10 zu<br />

fünft.<br />

Also haben 79 % der<br />

Kinder Geschwister.<br />

1870/<br />

1899<br />

1900/<br />

1929<br />

2 Kinder in<br />

250 Fällen<br />

1949/<br />

1951<br />

3 Kinder in<br />

72 Fällen<br />

1960/<br />

1962<br />

1970/<br />

1972<br />

1985/<br />

1987<br />

2000/<br />

2002<br />

4 Kinder in<br />

13 Fällen 5 Kinder in 2 Fällen<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1 Kind in<br />

210 Fällen<br />

Seite 9


Die folgenden Ergebnisse der Statistik beschreiben unsere Arbeit:<br />

Am Beginn einer Beratung trifft jetzt Frau Unzufrieden auf Herrn Ohneproblem. Sie wollte<br />

schon seit einiger Zeit eine <strong>Ehe</strong>beratung, er fand es eigentlich nicht so schlimm. Und sie weiß<br />

genau, was sie gerne ändern möchte. Er braucht noch Zeit, er wird sich erst öffnen, wenn er<br />

Vertrauen in die Beratungssituation gef<strong>und</strong>en hat.<br />

Beratungsanlässe<br />

In unserer Statistik, die wir in Absprache mit allen evangelischen <strong>und</strong> katholischen Beratungsstellen<br />

Badens führen, wird nach Beratungsanlässen gefragt. Hier zeigen sich also nicht<br />

alle Themen, die in der Beratung eine Rolle spielen, sondern die ersten „Arbeitsaufträge“<br />

unserer Klientel. Dabei können mehrere Bereiche gleichzeitig genannt werden.<br />

Probleme in <strong>Ehe</strong> <strong>und</strong> Partnerschaft bewegen die meisten unserer Klientinnnen <strong>und</strong> Klienten.<br />

Immerhin 290 mal stand „Trennung ja oder nein“ von Anfang an im Raum. In 431 Fällen<br />

ging es um Beziehungsprobleme, -krisen, -klärungen. Auch da wird die Fortführung der Beziehung<br />

oft in Frage gestellt. In der anderen Hälfte der Fälle arbeiten wir mit Paaren, die eher<br />

zusammen bleiben wollen, an konkreten Fragestellungen wie Streitverhalten, Kommunikationsstörung,<br />

Sexualität, außereheliche (außerpartnerschaftliche) Beziehug, unterschiedliche Erwartungen<br />

u.s.w..<br />

Unter der zweitgrößten Rubrik „persönliche Schwierigkeiten“ kann sich Vielerlei verbergen.<br />

Es geht um besondere Lebensumstände wie Migration, ökonomische Situation, Arbeitslosigkeit.<br />

Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz zählen ebenso dazu wie<br />

Nachbarschaftsfragen, Einsamkeit, Isolation. Aber auch Erfahrungen von z.B. schmerzlichen<br />

Verlusten, Traumatisierungen <strong>und</strong> Belastungen gehören dazu.<br />

Im familiären Umfeld treffen wir u.a. auf Konflikte zwischen den Generationen, auch Belastungen<br />

durch Krankheit, Behinderung <strong>und</strong> Sucht von <strong>Familien</strong>angehörigen. Neu zusammengesetzte<br />

<strong>Familien</strong> spielen eine immer größere Rolle.<br />

Unter mangelndem Selbstwert leiden viele in der Rubrik „Probleme mit der eigenen Ges<strong>und</strong>heit,<br />

dem Erleben, dem Verhalten“. Daneben gibt es psychische Störungen, Suchtprobleme,<br />

Ängste, emotionale Störungen, Krankheit, Psychosomatik...<br />

Seite 10<br />

Mediation 70 Nennungen<br />

Entwicklung der Kinder 12 N.<br />

Erziehung 40 N.<br />

Probleme mit der eigenen Ges<strong>und</strong>heit, dem Erleben, dem Verhalten 255 N.<br />

Persönliche Schwierigkeiten 297 N.<br />

<strong>Ehe</strong> <strong>und</strong> Partnerschaft 1320 N.<br />

Familiäres Umfeld 247 N.


Die <strong>Ehe</strong>-, <strong>Familien</strong>- <strong>und</strong> <strong>Partnerschaftsberatung</strong>sstelle ist Anlaufstelle für vielfältige Fragestellungen.<br />

Die Klienten können hier nach kurzen Wartezeiten (knapp zwei Wochen) erste<br />

Antworten auf ihre Fragen finden <strong>und</strong> sich orientieren, wie sie am besten an ihren Problemen<br />

arbeiten können.<br />

Setting<br />

Paarberatung<br />

461 Fälle (44 %)<br />

922 Klienten (58 %)<br />

Schwerpunkt der Beratung<br />

Gruppe 74 Fälle<br />

Familie 12 Fälle<br />

Einzelberatung 503 Fälle<br />

Bei der Betrachtung dieser Zahlen macht es einen großen Unterschied, wovon ich ausgehe:<br />

Paarberatung findet in 44 % der Fälle <strong>und</strong> mit 58 % der Klienten statt. In der Gruppe<br />

arbeiten wir nur mit 74 Fällen. Aber diese Klienten erhalten im Durchschnitt sehr viel mehr<br />

Beratungst<strong>und</strong>en als die übrigen.<br />

Trennungs- <strong>und</strong><br />

Scheidungsberatung 8 %<br />

Mediation 6 %<br />

Lebensberatung 31 %<br />

Krisenintervention 2 %<br />

Beratung für binationale Paare 1 %<br />

<strong>Familien</strong>beratung 4 %<br />

<strong>Ehe</strong> / Paarberatung 48 %<br />

In fast einem Drittel der Fälle liegt der Schwerpunkt der Beratung auf „Lebensberatung“.<br />

Das haben wir zum Anlass genommen, in diesem <strong>Jahresbericht</strong> Lebensberatung auch zum<br />

inhaltlichen Schwerpunkt zu machen: Ulrich Beer-Bercher beschreibt die damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Themen aus Sicht der Beratenden, Cathrin Gappisch stellt Zusammenhänge dar <strong>und</strong> erläutert<br />

sie an einem Beispiel, Ursula Bank-Mugerauer vertieft das Thema anhand einer Fallvignette.<br />

Seite 11


Seite 12<br />

Lebensberatung: ein Schwerpunkt unserer Arbeit<br />

Cathrin Gapisch<br />

dpa-Meldung vom 02.12.<strong>2005</strong>:<br />

Immer mehr Krankheitstage wegen psychischer Störungen<br />

Arbeitnehmer fehlen am Arbeitsplatz immer häufiger wegen psychischer Erkrankungen. Das<br />

teilt der B<strong>und</strong>esverband der Betriebskrankenkassen in Berlin mit. Der Anteil psychischer Störungen<br />

am Krankenstand sei seit 1991 auf das Zweieinhalbfache gestiegen.<br />

Der Anteil der Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzierte sich hingegen auf ein Drittel. Erkrankungen<br />

des Verdauungstrakts verursachten den Angaben zufolge 60 % weniger Krankheitstage<br />

als zuvor. Wegen Muskel- <strong>und</strong> Skeletterkrankungen fehlten ein Fünftel weniger Arbeitnehmer<br />

als vor 14 Jahren.<br />

Der Anteil psychischer Erkrankungen am Krankenstand nahm hingegen um 28 % zu. In den<br />

ersten zehn Monaten von <strong>2005</strong> sei der durchschnittliche Krankenstand im Vergleich zum Vorjahreszeitraum<br />

von 10,7 aus 10,4 Fehltage gesunken, teilte der Verband mit.<br />

Gefühle<br />

Trauer<br />

Kollegen<br />

Arbeit<br />

Biografie<br />

Loslassen<br />

Leben<br />

Fre<strong>und</strong>e<br />

Sehn -Süchte<br />

Lebenslauf<br />

Meine Gedanken dazu:<br />

Ängste<br />

Zwänge<br />

Beziehungen<br />

Familie<br />

Lebensgestaltung<br />

Veränderungswünsche<br />

Zukunftsperspektive<br />

Einsamkeit<br />

Depression<br />

Verlust<br />

Lebenssinn<br />

Selbstwert<br />

Ges<strong>und</strong>heit<br />

Abschied<br />

Ich halte die Beratungsarbeit im Sinne einer präventiven Arbeit für äußerst wichtig. Viele<br />

psychische Störungen entstehen aufgr<strong>und</strong> einer Unausgewogenheit zwischen den Ressourcen<br />

<strong>und</strong> resilenten (Selbstheilungs-, Widerstands-) Kräften, über die ein Mensch oder eine<br />

Familie verfügen, <strong>und</strong> den auf sie einwirkenden Belastungen. Zu den Belastungen gehören an<br />

vorderer Stelle ungelöste Dauerkonflikte, die sich aus Partnerschaft, <strong>Ehe</strong> <strong>und</strong> Familie erge-


en. Alles, was diese Belastungen reduzieren hilft, alles, was die resilenten Kräfte der Menschen<br />

stärkt, wirkt präventiv psychischen Störungen entgegen. Genau das ist der Kern, das<br />

Herzstück der Beratungsarbeit. Sie leistet somit einen wichtigen Beitrag zur seelischen <strong>und</strong><br />

körperlichen Ges<strong>und</strong>heit des Einzelnen, der <strong>Ehe</strong>n <strong>und</strong> <strong>Familien</strong>.<br />

Aus meiner Arbeit<br />

Ein junger Mann, 23 Jahre, Student, kommt nach einem Suizidversuch zur stationären Aufnahme<br />

in eine psychiatrische Klinik. Auslöser war die Trennung von seiner Fre<strong>und</strong>in. Nach der<br />

Entlassung wird ihm zur ambulanten Nachsorge unsere Beratungsstelle empfohlen.<br />

Seine Mutter, die bei seiner Geburt 16 Jahre alt war (sein Vater war ebenfalls 16 Jahre),<br />

verließ ihn, als er zwei war. Er wurde von seiner Großmutter väterlicherseits aufgezogen. Sein<br />

Vater, sein Halbbruder <strong>und</strong> sein Onkel <strong>und</strong> beide Großväter haben eine schwere Alkoholerkrankung.<br />

Er selbst nimmt weder Alkohol noch Drogen zu sich.<br />

Nach mehreren Gesprächen, während derer die äußerst belastenden Lebensumstände unverändert<br />

blieben, gelingt es dem jungen Mann, wieder Zugang zu seinen inneren Kräften zu<br />

finden. Er erfährt durch Nachfragen in der eigenen Familie erstmalig, dass seine Eltern sich<br />

sehr geliebt haben, dass er ein Kind der Liebe ist <strong>und</strong> kein „Unfall“. Er ist dankbar über die<br />

vielen Dinge, die in seinem Leben bisher so gut gegangen sind, entdeckt - bei aller Problematik<br />

- dass er im tiefsten Herzen seinen Vater sehr liebt, nimmt Kontakt zu seinem Halbbruder<br />

auf, setzt sein Studium fort.<br />

Lebensberatung – Fallvignette Herr B.<br />

Ursula Bank-Mugerauer<br />

„Meine Familie ist ein dauerndes Problem“, sagt der knapp 40-jährige Herr B. gleich am<br />

Anfang unseres ersten Gespräches. Er sei sich nicht sicher, ob er hier richtig ist, denn es gehe<br />

ihm um die Beziehung zu seinen Eltern. Nichts wirklich Akutes, eher ein Dauerbrenner. Immer<br />

wieder mache er sich heftige Sorgen!<br />

Im Laufe von insgesamt 6 Beratungssitzungen lerne ich Herrn B. als einen lebenstüchtigen<br />

Mann kennen, glücklich liiert, sozial gut eingeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> hoch kompetent, mit erstem Staatsexamen<br />

als Gymnasiallehrer auf dem zweiten Bildungsweg <strong>und</strong> Promotionsambitionen. Seinen<br />

Lebensunterhalt bestreitet er durch Gelegenheitsjobs in seinem ursprünglichen Handwerksberuf.<br />

Ja, eigentlich gehe es ihm sehr gut, <strong>und</strong> mit den bescheidenen finanziellen Verhältnissen<br />

käme er klar! Aber wenn er an seine Eltern denkt, dann kämpft er mit Schlafstörungen <strong>und</strong> es<br />

machen ihm heftige Magenschmerzen zu schaffen.<br />

Einst haben seine Eltern arm begonnen <strong>und</strong> sich im Laufe der Jahre ein kleines Unternehmen<br />

aufgebaut, das jedoch vor knapp 10 Jahren pleite gegangen ist. Restlos alles haben sie<br />

verloren, auch ihr eigenes Häuschen, <strong>und</strong> leben seither von Sozialhilfe neben einer drückenden<br />

lebenslangen Schuldenlast, die auch Herr B. in Teilen mitträgt.<br />

Dennoch verhalten <strong>und</strong> äußern sich die Eltern seit fast einem Jahrzehnt unerschütterlich<br />

so, als wäre ihre Misere nur ein vorübergehender Zustand, der schon in Kürze wieder aufgehoben<br />

sein wird, <strong>und</strong> sie wären dann wieder die angesehenen Leute von damals.<br />

Seite 13


Lange Jahre hat sich Herr B. intensiv darum bemüht, seinen Eltern alle erdenkliche Hilfe zur<br />

Selbsthilfe anzubieten, so dass sie aus ihrer als beschämend erlebten Lage herauskämen.<br />

Doch sie haben diese Hilfen noch nicht einmal abgelehnt, sondern einfach ignoriert oder den<br />

Sohn schamlos (oder unbewußt?) ausgenutzt. Die teilweise gravierend nachteiligen Folgen<br />

für ihn interpretieren sie sich als harmlos zurecht <strong>und</strong> können weder seine Wut noch seine<br />

Abgrenzung ihnen gegenüber verstehen. Sie leben in ihrer Traumwelt, in der gut <strong>und</strong> böse klar<br />

verteilt sind. Alles, was nicht mit ihrer Traumwelt vereinbar ist, wird passend gemacht oder<br />

existiert nicht.<br />

Herr B. schildert, wie er in den vergangenen Jahren lernen musste, die Grenzen enger zu<br />

ziehen gegenüber seinen Eltern, ihren Bitten <strong>und</strong> Kontaktwünschen. Von seinen erfolgreichen<br />

Studien teilt er ihnen kaum noch etwas mit, denn sie verwerten seine Leistungen nur zur<br />

Angeberei vor anderen. Das ist ihm peinlich. Um ihn geht es dabei kein bisschen. Was auch<br />

immer er von sich erzählt, benutzen sie. Sein Vertrauen zu ihnen ist stark beschädigt.<br />

So wahrt er, um überhaupt eine Beziehung zu ihnen aufrechterhalten zu können, eine distanzierte<br />

Verbindung. Das damit verb<strong>und</strong>ene schlechte Gewissen hält er aus. Ihm gelingt<br />

das recht gut. Dennoch quälen ihn von Zeit zu Zeit Ängste <strong>und</strong> Sorgen, die er eigentlich nicht<br />

versteht <strong>und</strong> schon gar nicht zu fassen bekommt.<br />

Im Laufe der Gespräche wird ihm deutlicher, worauf diese Ängste ihn hinweisen:<br />

Er nimmt wahr, dass seine Eltern ihn nicht als eigenständige Person akzeptieren mit einem<br />

Recht auf eigene Überzeugungen <strong>und</strong> ein eigenes Leben, ja, dass er diese Anerkennung von<br />

ihnen nie wirklich erfahren hat. Im Gr<strong>und</strong>e dient er ihnen lediglich als Verlängerung ihrer eigenen<br />

jeweiligen Anliegen <strong>und</strong> Bedürfnisse.<br />

Diese Erkenntnis ist „ein Hammer“!<br />

Wenn Herr B. dem nachspürt, tut es weh, ein tiefer starker Schmerz! Zumal Herr B. seine<br />

Eltern liebt <strong>und</strong> auch schöne Erinnerungen an deren Humor <strong>und</strong> Großzügigkeit hat, zum Glück.<br />

Neben der Dankbarkeit für die schönen Erfahrungen platziert sich diese schmerzliche Erkenntnis.<br />

Wie mit ihr leben? Das ist eine der schwierigen Fragen, die Herr B. in der Beratung bewegen.<br />

Noch schwieriger, weil beängstigender, wird es für ihn mit der Frage, ob er nicht doch aus<br />

demselben Holz geschnitzt ist wie seine Eltern. Auf den 1. Blick ganz <strong>und</strong> gar nicht, auch auf<br />

den 2. <strong>und</strong> 3. Blick nicht. Sein gesamter Fre<strong>und</strong>eskreis könnte das bestätigen. Alles spricht<br />

dagegen, nein! Doch gerade all diese Gegenbeweise könnten auf eine innere Angst weisen,<br />

ganz versteckt doch wie die Eltern zu sein, also mit ähnlichen Persönlichkeitsanteilen <strong>und</strong><br />

Impulsen zu tun zu haben wie sie. Der Kampf um die Abgrenzung von den Eltern hätte dann<br />

ganz wesentlich die Funktion, die eigenen verinnerlichten Elternimpulse in Schach zu halten.<br />

Mal mehr, mal weniger mutig nähert sich Herr B. dieser Angst, setzt sich mit ihr auseinander,<br />

lernt sie <strong>und</strong> damit auch sich selbst besser kennen, will mit dieser Angst umgehen, statt<br />

dass sie klammheimlich mit ihm umgeht ... – ihn nicht schlafen lässt <strong>und</strong> sich über körperliche<br />

Beschwerden bemerkbar macht.<br />

Die Sicht von Herrn B. auf sein „dauerndes Problem“ erweitert sich. Der Fokus seiner Aufmerksamkeit<br />

verändert sich in Richtung auf seine eigene Identität: wer er ist <strong>und</strong> wie er mit<br />

dem, was ihn geprägt hat, leben kann.<br />

Den nächsten Beratungstermin vereinbart er in einem halben Jahr. Beim Verabschieden<br />

sagt er noch: „Komisch, eigentlich habe ich jetzt noch mehr Sorgen, <strong>und</strong> trotzdem fühle ich<br />

mich irgendwie erleichtert.“<br />

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Aufbruch zum Karlsruher Weg<br />

Mit Blick auf das „Cochemer Modell“ werden in Karlsruhe neue Vorgehensweisen im<br />

Umgangs- <strong>und</strong> Sorgerecht erarbeitet.<br />

Andrea Klaas<br />

Schon lange arbeite ich im Rahmen der Initiative <strong>Familien</strong>mediation an alternativen Möglichkeiten<br />

im Umgang mit Konflikten, besonders im Zusammenhang mit Trennung <strong>und</strong> Scheidung.<br />

Gerade die betroffenen Kinder leiden besonders unter den Folgen sich lang hinziehender<br />

strittiger Gerichtsverfahren zum Umgangs- <strong>und</strong> Sorgerecht. Dadurch verhärten sich Standpunkte<br />

<strong>und</strong> Lösungen werden erschwert. Im letzten Herbst hat sich hier in Karlsruhe viel bewegt:<br />

Im Herbst <strong>2005</strong> lud die Initiative <strong>Familien</strong>mediation alle mit Trennung <strong>und</strong> Scheidung<br />

befassten Karlsruher Berufgruppen zu einer Podiumsdiskussion unter dem Motto: „Was tun<br />

mit dieser Scheidungsfamilie?“ ein. In der kleinen Stadt Cochem wurde in gut 10-jähriger Zusammenarbeit<br />

aller mit Trennung <strong>und</strong> Scheidung befasster Berufsgruppen eine neue Verfahrensweise<br />

bei Umgangs- <strong>und</strong> Sorgerechtsfällen entwickelt. Geladen waren aus Cochem der<br />

Leiter der Lebensberatungsstelle Herr Fischer <strong>und</strong> der Rechtsanwalt Herr Aydin.<br />

Ebenfalls im Herbst <strong>2005</strong> initiierte Frau Brosch, stellvertretende Direktorin am Amtsgericht<br />

Karlsruhe, dann das erste Gespräch über eine veränderte Zusammenarbeit von <strong>Familien</strong>gericht,<br />

Anwaltschaft, Sozialem Dienst, Beratungsstellen, GutachterInnen <strong>und</strong> VerfahrenspflegerInnen.<br />

Das Vorgehen bei Sorge- <strong>und</strong> Umgangsrechtsverfahren soll geändert werden. Seither haben<br />

zwei weitere Treffen im großen Kreis <strong>und</strong> viele Gespräche innerhalb <strong>und</strong> zwischen den Berufsgruppen<br />

stattgef<strong>und</strong>en. In geeigneten Fällen verpflichtet sich das <strong>Familien</strong>gericht, innerhalb<br />

von zwei bis vier Wochen zu terminieren. Von seiten der Anwaltschaft werden keine langen<br />

<strong>und</strong> Konflikt verschärfenden Schriftsätze erwartet, sie nehmen an der ausführlichen (drei St<strong>und</strong>en)<br />

mündlichen Verhandlung teil. Mit dabei ist auch ein Vertreter, eine Vertreterin des sozialen<br />

Dienstes, der,die schon im Vorfeld mit der Familie Kontakt aufgenommen hatte. In dieser<br />

Verhandlung sollen die Eltern beim Finden einer Lösung für ihren Umgangskonflikt unterstützt<br />

werden. Falls das nicht gelingt, wird den Eltern Beratung empfohlen. Die Botschaft ist klar:<br />

Die Eltern sollen die Verantwortung für die Umgangsregelung selbst übernehmen.<br />

In diesen Umgangsberatungen arbeiten wir als Beratungsstellen also mit hoch strittigen<br />

Paaren, die auf Anraten des <strong>Familien</strong>gerichts, d.h. nicht ganz freiwillig, bei uns sind. Das<br />

widerspricht vielleicht unseren Vorstellungen von der Freiwilligkeit der Beratung oder Mediation.<br />

Aber für die Klienten, die manchmal nicht genügend über diese Hilfsmöglichkeiten wissen<br />

oder ohne äußeren Druck nicht zusammen in eine Beratung gekommen wären, liegt darin<br />

auch eine große Chance: Sie können eigene Lösungen erarbeiten, sie werden bei der Umsetzung<br />

unterstüzt, sie lernen, wieder miteinander zu reden <strong>und</strong> in Bezug auf die Kinder zu kooperieren<br />

- kurz: die ganze Familie profitiert von diesem Prozess!<br />

Für die Beratungsstellen ist das keine leichte Arbeit. Deswegen tauschen wir uns intensiv<br />

über unsere Erfahrungen aus: sowohl innerhalb unserer Beratungsstelle, als auch mit Kollegen<br />

<strong>und</strong> Kolleginnen aus anderen Karlsruher Beratungsstellen. Die einen finden verstärkten<br />

Druck von außen (vom Gericht) hilfreich <strong>und</strong> möchten die Klientel in dieser schwierigen Situation<br />

eher „an die Hand“ nehmen. Die anderen legen großen Wert auf die Beratungssituation<br />

als einen geschützten Raum, in dem trotz der gerichtlicher Verordnung zuerst versucht wird,<br />

die Klientel für eine Beratung zu gewinnen <strong>und</strong> sie in ihrer Selbständigkeit zu stärken. In der<br />

Realität spielt sich eine Beratung mit hoch strittigen Paaren immer zwischen diesen beiden<br />

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Polen ab: der Arbeit mit einem festen Rahmen <strong>und</strong> einer strikten Verhandlungsführung einerseits<br />

<strong>und</strong> der Stärkung der Autonomie, auch des Selbstwerts der Klientel andererseits.<br />

In der <strong>Ehe</strong>-, <strong>Familien</strong>- <strong>und</strong> <strong>Partnerschaftsberatung</strong>sstelle bieten wir schon lange Trennungs<strong>und</strong><br />

Scheidungsberatung <strong>und</strong> seit 1995 auch Mediation an. Ich persönlich lege als Beraterin<br />

großen Wert auf Stärkung der Autonomie. Ich muss mir immer wieder vor Augen führen, in<br />

welcher Situation sich meine Klientinnen <strong>und</strong> Klienten befinden. Sie erleben gerade eine<br />

Trennung. Die gemeinsame Lebensplanung ist auseinandergebrochen, mindestens ein Teil<br />

muss die vertraute Umgebung aufgeben, das Zusammenleben mit den Kindern wird sich verändern,<br />

die finanzielle Perspektive ist unklar, auch auf andere wichtige Beziehungen kann<br />

man sich nicht unbedingt verlassen. Das führt zu einer großen Verunsicherung. Durch starre<br />

Positionen glauben die Klientinnen <strong>und</strong> Klienten dann, Sicherheit <strong>und</strong> neue Stabilität zu gewinnen.<br />

Dazu kommt die Verletzung durch das Verlassen werden <strong>und</strong> viel Streit <strong>und</strong> heftige Auseinandersetzungen<br />

davor. Die Angst vor dem Verlassenwerden, vor der Einsamkeit ist eine unserer<br />

Gr<strong>und</strong>ängste. In dieser Lebenslage vermischt sich die aktuelle, reale Bedrohung auch mit<br />

alten Gefühlen <strong>und</strong> wird durch sie verstärkt. Das Schlimmste, was man sich als Eltern da<br />

vorstellen könnte, wäre auch noch von den eigenen Kindern verlassen zu werden, die ja den<br />

andern Elternteil ebenso lieben. Aus dieser Angst heraus kann ich die heftigen Reaktionen<br />

meiner Klientinnen <strong>und</strong> Klienten auf Aktionen des Expartners, der Expartnerin, die die Kinder<br />

betreffen, verstehen. In der Beratung beklagen sich Eltern deswegen oft über solche Verhaltensweisen:<br />

über den anderen Elternteil vor den Kindern schlecht reden, Absprachen nicht<br />

einhalten, die Kinder zu spät nach Hause bringen, Verabredungen mit den Kindern „hinter<br />

dem Rücken“ des anderen Elternteils treffen...<br />

Wenn ich eine Beratung über den Kontakt der Kinder mit beiden Elternteilen beginne, bemühe<br />

ich mich nicht als erstes um eine Lösung. Am Anfang <strong>und</strong> natürlich auch immer wieder<br />

während des Prozesses steht die Arbeit an Unsicherheiten <strong>und</strong> Ängsten von Mutter <strong>und</strong> Vater.<br />

Es geht um Vertrauensbildung, um einen Raum, in dem die Eltern ernst genommen werden<br />

<strong>und</strong> ausreden können. Einen Raum, in dem ihnen zugehört wird <strong>und</strong> wo sie auch ihre Schwächen<br />

zeigen können. Auf dieser Basis kann es gelingen, die beiden wenigstens über die Kinder<br />

wieder miteinander ins Gespräch zu bringen. Damit Absprachen eingehalten werden, müssen<br />

sie in dieser Phase gut durchgesprochen <strong>und</strong> dann genau beschrieben werden. Es reicht<br />

nicht Termine festzulegen! Wir besprechen zuerst nur einen überschaubaren Zeitraum <strong>und</strong><br />

überprüfen dann in der nächsten Sitzung, wie es allen Beteiligten damit ging. So tasten wir<br />

uns langsam an eine mögliche Lösung heran.<br />

Im Zuge der Entwicklung des Karlsruher Wegs wird z.Zt. diskutiert, ob oder wann es im<br />

Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Gericht <strong>und</strong> dem Sozialen Dienst hilfreich sein könnte<br />

Informationen auszutauschen. In unserer bisherigen Praxis haben wir den Klientinnen <strong>und</strong><br />

Klienten nur auf Anfrage bescheinigt, ob sie in Beratung bei uns waren oder sind. Je nach<br />

Situation haben wir Absprachen schriftlich protokolliert oder eine Vereinbarung verfasst, die<br />

dann von der Klientel unterzeichnet wurde. Die Klientel hat diese Vereinbarungen bei Bedarf<br />

an AnwältInnen oder Gericht weitergegeben.<br />

Wenn eine Beratung jedoch scheitert, sehe ich die Notwendigkeit, dass dieser Fall mit<br />

rechtlichen Mitteln geklärt wird. Nach meiner Erfahrung wenden sich die Klientinnen <strong>und</strong><br />

Klienten, die auch ursprünglich das Verfahren angestrengt haben, dann wieder an das Gericht.<br />

Ich arbeite nicht als Gutachterin <strong>und</strong> möchte nicht als Zeugin vor Gericht aussagen,<br />

sonst würde ich auch in der Beratungssituation erstens leichter durch die Eltern in die Rolle<br />

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einer Schiedsrichterin gedrängt <strong>und</strong> zweitens wären die Beratenen vielleicht nicht so offen,<br />

weil sich die Klientinnen, die Klienten ohne Vertrauen in meine Schweigepflicht eher schützen<br />

müssten.<br />

Derzeit ist dies auch die Haltung der anderen Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen, die an unserer<br />

Beratungsstelle im Bereich Trennungs- <strong>und</strong> Scheidungsberatung <strong>und</strong> Mediation arbeiten. Im<br />

Gesprächen über den „Karlsruher Weg“ tauschen wir BeraterInnen uns über unsere Erfahrungen<br />

auf diesem Gebiet aus <strong>und</strong> arbeiten an guten Rahmenbedingungen für die Beratung von<br />

hoch strittigen Paaren. Auch wir müssen uns „auf den Weg machen“ <strong>und</strong> unsere Praxis<br />

reflektiern.<br />

In der <strong>Ehe</strong>-, <strong>Familien</strong>- <strong>und</strong> <strong>Partnerschaftsberatung</strong>sstelle arbeiten außer mir Hanne Reutti,<br />

Michael Drescher <strong>und</strong> Karl-Heinz Schubert in Trennungs- <strong>und</strong> Scheidungsfällen. Wir haben<br />

alle zusätzlich zu der beraterischen Ausbildung eine von der BAfM (B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschft<br />

für <strong>Familien</strong>mediation) anerkannte mehrjährige Fortbildung als MediatorIn.<br />

Mediation auf dem Markt<br />

Andrea Klaas<br />

Im Auftrag des badischen Kunstvereins in Karlsruhe arbeitete ich am 2.10.<strong>2005</strong> auf dem<br />

Stephansplatz im Rahmen des Kunstprojekts „Settle your disputes“ von Carey Young<br />

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Neues vom Förderkreis<br />

Ulrich Beer-Bercher<br />

Herzlichen Dank an alle SpenderInnen <strong>und</strong> FördererInnen,<br />

die die <strong>Ehe</strong>-, <strong>Familien</strong>- <strong>und</strong> <strong>Partnerschaftsberatung</strong>sstelle <strong>2005</strong><br />

unterstützt haben: Wir konnten in diesem Jahr 3.540,- Euro an<br />

Spenden <strong>und</strong> Förderkreisbeiträgen einnehmen. Dadurch war es<br />

uns möglich, die „offene Sprechst<strong>und</strong>e“ in russischer <strong>und</strong> türkischer<br />

Sprache fortzuführen, die wir 2004 begonnen hatten.<br />

(Darüber hinaus konnten wir wieder einige notwendige<br />

Renovierungsarbeiten durchführen, die aus unseren anderen<br />

Haushaltsmitteln nicht finanziert werden konnten.) Unser besonderer<br />

Dank gilt unserer Schirmherrin Frau Angela Geiger für ihre Unterstützung.<br />

Als kleines Dankeschön an unsere Förderinnen <strong>und</strong> Förderer hatten wir Sie auch im Jahr<br />

<strong>2005</strong> wieder zu einer Veranstaltung eingeladen. Der romantische Abend über die „Deutschrussische<br />

Liebesbeziehungen zwischen Tradition <strong>und</strong> Moderne“ ist denjenigen von Ihnen, die<br />

anwesend waren, sicher noch in angenehmer Erinnerung: Helene Kolb referierte kompetent<br />

<strong>und</strong> spannend über spannungsreiche Beziehungen in Geschichte <strong>und</strong> Literatur – von badischen<br />

Fürstinnen an russischen Zarenhöfen <strong>und</strong> Einwanderern aus Kasachstan im Karlsruhe<br />

von heute. Einen ausführlicheren Bericht finden Sie auf unserer Homepage www.eheberatungkarlsruhe.de<br />

auf der Seite „Lesenswert“ unter „Scheitern am Ideal?“<br />

Eine weitere Veranstaltung, zu der wir im Jahr <strong>2005</strong> neben der interessierten Öffentlichkeit<br />

auch ganz besonders unsere Förderinnen <strong>und</strong> Förderer eingeladen hatten, war die Veranstaltung<br />

„Trennung <strong>und</strong> Scheidung fair <strong>und</strong> kompetent gestalten“ am 13. Juni im Cafe Leo. Von<br />

den anderen Informationsabenden zum Thema Mediation, die wir regelmäßig im kleineren<br />

Rahmen durchführen, unterschied sich dieser durch die Mitarbeit einiger „externer“ Experten:<br />

Britta Auer, Fachanwältin für <strong>Familien</strong>recht <strong>und</strong> Vorsitzende unsere Trägervereins, Gerald<br />

Peregovits, Steuerberater <strong>und</strong> unser Schatzmeister, sowie Frau Haasl von der Sparkasse Karlsruhe<br />

steuerten ihr Fachwissen <strong>und</strong> ihre Erfahrungen zu den juristischen <strong>und</strong> finanziellen Konsequenzen<br />

von Trennung <strong>und</strong> Scheidung bei. Die Veranstaltung traf auf so viel positive Resonanz,<br />

dass wir sie im Herbst dieses Jahres wiederholen werden. Wir laden Sie deshalb schon<br />

jetzt ganz herzlich dazu ein. Bitte merken Sie sich den 23. Oktober schon einmal vor – eine<br />

ausführliche Einladung schicken wir allen Förderkreismitgliedern rechtzeitig vor der Veranstaltung<br />

zu.<br />

Die fachlichen Beiträge von Frau Auer, Herrn Peregovits <strong>und</strong> der Vertreterin der Sparkasse<br />

sind Beispiele für „Social Sponsoring“, eine noch relativ junge Form der Förderung sozialer<br />

Anliegen durch die Wirtschaft. Beim „Social Sponsoring“ geht es darum, soziale Institutionen<br />

<strong>und</strong> Projekte nicht durch Spenden, sondern durch kompetente Mitarbeit zu unterstützen. Die<br />

Natur unserer Arbeit, die eine hohe fachliche Kompetenz voraussetzt, setzt leider dem „Social<br />

Sponsoring“ enge Grenzen. Deshalb sind wir weiter in erster Linie auf Ihre finanzielle Unterstützung<br />

angewiesen. Wenn Sie jedoch Möglichkeiten sehen, uns auch mit Ihrer beruflichen<br />

oder privaten Kompetenz zu unterstützen: Sprechen Sie uns an! Eine Möglichkeit dafür findet<br />

sich sicher am Rande der Veranstaltung „Trennung <strong>und</strong> Scheidung fair <strong>und</strong> komptent gestalten“<br />

am 23. Oktober im Cafe Leo – oder bei einer der Veranstaltungen in unserer Veranstaltungsreihe<br />

„BeziehungsReich“, die wir gemeinsam mit dem katholischen Bildungswerk <strong>und</strong> der<br />

evangelischen Erwachsenenbildung organisieren. Auch zu diesen Veranstaltungen (Termine<br />

<strong>und</strong> Themen entnehmen Sie bitte der Tagespresse oder den Veranstaltungshinweisen auf<br />

unserer Homepage) laden wir Sie ganz herzlich ein.<br />

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