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Grundlage jeder Therapieempfehlung muss deshalb<br />
alle Aspekte eines solchen komplexen Krankheitsbildes<br />
abdecken. Dies gelingt nicht durch einen einzigen<br />
Spezialisten, sondern nur durch ein Team, das verschiedene<br />
Kompetenzen bündelt. Entscheidend ist<br />
aber auch, dass die Experten die Untersuchungsbefunde<br />
miteinander bewerten, besprechen und gemeinsam<br />
die für die Patienten besten Therapieoptionen<br />
herausfinden.<br />
TK: Welche Alternativen gibt es überhaupt zu einem<br />
chirurgischen Eingriff?<br />
Dr. Müller-Schwefe: In Deutschland werden jährlich<br />
etwa 230.000 Wirbelsäulenoperationen durchgeführt.<br />
Die Ergebnisse entsprechen häufig nicht den Erwartungen<br />
der Patienten, oft entstehen sogar durch Vernarbungen<br />
stärkere Beschwerden als zuvor. Bei vier<br />
von fünf Patienten führt eine nichtoperative Behandlung,<br />
die verschiedene Verfahren der Schmerztherapie<br />
kombiniert, zu besseren Ergebnissen als eine OP.<br />
Grundlage jeder Therapie sind immer die sorgfältige<br />
Erhebung der Vorgeschichte auf der Grundlage eines<br />
Schmerzfragebogens wie auch die körperliche, funktionelle<br />
und neurologische Untersuchung. Die Behandlung<br />
hat zum Ziel, die gestörte Funktionsfähigkeit des<br />
Bewegungssystems wiederherzustellen und Schmerzen<br />
zu beseitigen. Dies erfordert aktives Koordinations-,<br />
Kraft- und Ausdauertraining. Um dies zu<br />
ermöglichen, muss Schmerztherapie die gestörte<br />
Bewegungsfähigkeit wiederherstellen, beispielsweise<br />
durch Medikamente oder Nervenblockaden. Ein wichtiges<br />
Prinzip ist die Aktivierung der körpereigenen<br />
Schmerzkontrolle durch Akupunktur oder Reizstrom;<br />
auch das Erlernen einer besseren Kontrolle der Muskelspannung<br />
durch Entspannungsverfahren kann sehr<br />
hilfreich sein. Entscheidend ist immer, dass eine multimodale<br />
Therapie auf die individuellen Bedürfnisse des<br />
einzelnen Patienten abgestimmt ist.<br />
TK: Und wann ist eine Operation zwingend?<br />
Dr. Müller-Schwefe: Eine Operation ist immer dann<br />
unvermeidlich, wenn durch den Druck auf eine Nervenwurzel<br />
zum Beispiel durch einen Bandscheibenvorfall<br />
oder durch eine Instabilität der Wirbelsäule Nerven<br />
nachhaltig geschädigt werden. Dies äußert sich durch<br />
Gefühlsstörung bei gleichzeitigem Verlust der Muskelkraft<br />
und Störungen der Darm- und Blasenfunktion. Der<br />
Schmerz alleine ist keine Operationsindikation.<br />
TK: Glauben Sie, dass der Einsatz des Skalpells bei<br />
Rückenbeschwerden zukünftig zur Ausnahme wird?<br />
Dr. Müller-Schwefe: Ganz wird man sicher nie auf<br />
Operationen bei Rückenschmerzen verzichten können.<br />
Allerdings wäre schon viel gewonnen und vielen<br />
Betroffenen unnötiges Leiden erspart, wenn nur die<br />
Patienten operiert würden, bei denen andere Therapieverfahren<br />
nicht weiterhelfen.<br />
Weitere Informationen unter www.tk-online.de mit dem<br />
Suchwort „Zweitmeinung“.<br />
Dieses Projekt<br />
wurde 2010 von<br />
der Financial Times Deutschland beim Wettbewerb<br />
„Ideenpark Gesundheitswirtschaft“ ausgezeichnet.<br />
Das Konzept fördere den Gedanken der Zweitmeinung,<br />
der bisher noch nicht hinreichend verbreitet<br />
sei, begründete die Jury ihre Entscheidung. 29