§ 50d Abs. 3 EStG – eine unendliche Geschichte?
§ 50d Abs. 3 EStG – eine unendliche Geschichte?
§ 50d Abs. 3 EStG – eine unendliche Geschichte?
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>eine</strong> <strong>unendliche</strong> <strong>Geschichte</strong>?<br />
Von Prof. Dr. Andreas Musil
I. Einleitung<br />
Überblick<br />
II. Die Anwendung des neuen<br />
<strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong><br />
I. <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> als Treaty Overriding<br />
II. Europarechtliche Fragen des<br />
<strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong><br />
I. Ausblick<br />
2
I. Einleitung<br />
• Die Norm wurde 1994 als <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 1a <strong>EStG</strong><br />
in das Einkommensteuerrecht eingefügt.<br />
• Sie richtet sich gegen das sog. Treaty<br />
Shopping bzw. Directive Shopping<br />
• Zu klären ist, ob die Norm ein wirksames<br />
Treaty Overriding beinhaltet.<br />
• Zu klären ist schließlich ihre<br />
Europarechtskonformität.<br />
3
II. Die Anwendung des neuen <strong>§</strong> <strong>50d</strong><br />
<strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong><br />
1. Treaty Shopping/Directive Shopping<br />
• Ausländische Gesellschaft.<br />
• Beteiligung von nicht berechtigten Personen.<br />
• Bruttoerträge stammen nicht aus eigener<br />
Wirtschaftstätigkeit.<br />
• Alternativ:<br />
- Für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft<br />
fehlen wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe.<br />
- Fehlen <strong>eine</strong>s angemessenen eingerichteten<br />
Geschäftsbetriebs.<br />
4
II. Die Anwendung des neuen <strong>§</strong> <strong>50d</strong><br />
<strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong><br />
2. Rechtsfolgen der Norm<br />
Treaty Shopping/Directive Shopping wird<br />
unterbunden. In der Neufassung ist <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>.<br />
3 <strong>EStG</strong> <strong>eine</strong> Aufteilungsklausel.<br />
<strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> geht über bloße<br />
Neutralisation hinaus: Teleologische<br />
Reduktion wird gefordert.<br />
5
III. <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> als Treaty<br />
Overriding<br />
1. Voraussetzungen <strong>eine</strong>s Treaty Overriding<br />
• Treaty Overriding liegt vor, wenn im Wege<br />
nachfolgender Gesetzgebung DBA-Normen<br />
abgeändert werden.<br />
• <strong>§</strong> 2 AO bewirkt, dass die Abkommensderogation<br />
ausdrücklich aus der ändernden Norm ersichtlich<br />
sein muss.<br />
• <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> stellt begrifflich ein Treaty<br />
Overriding dar.<br />
• Dies gilt grds. auch in Fällen, in denen ein DBA<br />
<strong>eine</strong> eigene Missbrauchsklausel enthält.<br />
6
III. <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> als Treaty<br />
Overriding<br />
2. <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> als Völkerrechtsverstoß<br />
• Treaty Overriding verstößt gegen den<br />
Grundsatz „pacta sunt servanda“.<br />
• Es gibt k<strong>eine</strong>n ungeschriebenen<br />
Missbrauchsvorbehalt, der in alle DBA<br />
hineingelesen werden könnte.<br />
• Es fehlt an der hierfür erforderlichen<br />
einheitlichen Rechtsüberzeugung.<br />
7
III. <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> als Treaty<br />
Overriding<br />
3. <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> als Verfassungsverstoß?<br />
• Die Diskussion über die Verfassungskonformität<br />
von Treaty Overriding ist noch nicht<br />
abgeschlossen.<br />
• In der Literatur wird die Abkommensderogation<br />
teilweise als rechtsstaatswidrig eingeordnet.<br />
• Der BFH bezweifelt mittlerweile ebenfalls, ob ein<br />
Verfassungsverstoß gegeben ist: Revision<br />
anhängig, Az. I R 5/11.<br />
8
III. <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> als Treaty<br />
Overriding<br />
• Entgegen der Auffassung in der Literatur ist<br />
Treaty Overriding nicht rechtsstaatswidrig.<br />
• Art. 25 Satz 2 GG bewirkt k<strong>eine</strong> Rangerhöhung.<br />
• Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit<br />
des Grundgesetzes kann ebenfalls k<strong>eine</strong>n<br />
Verfassungsverstoß begründen.<br />
• Die Entscheidung des BVerfG in der Sache<br />
Görgülü, 2 BvR 1481/04, ändert an dieser<br />
Einschätzung nichts.<br />
9
IV. Europarechtliche Fragen des <strong>§</strong> <strong>50d</strong><br />
<strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong><br />
1. Treaty Overriding und Europarecht<br />
• Treaty Overriding als solches verstößt nicht<br />
gegen Europarecht.<br />
• Der früher einschlägige Art. 293 EG wurde<br />
aufgehoben.<br />
• Die Grundfreiheiten enthalten k<strong>eine</strong><br />
Maßstäbe für die Beurteilung<br />
völkerrechtswidrigen Verhaltens der MS<br />
untereinander.<br />
10
IV. Europarechtliche Fragen des <strong>§</strong> <strong>50d</strong><br />
<strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong><br />
2. <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> als Beschränkung von<br />
Grundfreiheiten<br />
• Die Vorschrift kann <strong>eine</strong> Beschränkung der<br />
Niederlassungsfreiheit und der<br />
Kapitalverkehrsfreiheit bewirken.<br />
• Als Rechtfertigungsgrund kommt die<br />
Bekämpfung steuerlichen Missbrauchs in<br />
Betracht.<br />
11
IV. Europarechtliche Fragen des <strong>§</strong> <strong>50d</strong><br />
<strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong><br />
3. Die Rechtsprechung des EuGH zu steuerlichem<br />
Missbrauch<br />
• Die Rechtsprechung des EuGH zu steuerlichem<br />
Missbrauch war bisher durch Kontinuität geprägt.<br />
• In der Rechtssache Cadbury Schweppes wurde die<br />
Missbrauchsabwehr auf rein künstliche Gestaltungen<br />
begrenzt.<br />
• Typisierende Regelungen sind danach zulässig, müssen<br />
aber restriktiv gehandhabt werden und dem<br />
Gegenbeweis zugänglich sein.<br />
• <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> n.F. genügt diesen Anforderungen.<br />
12
IV. Europarechtliche Fragen des <strong>§</strong> <strong>50d</strong><br />
<strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong><br />
4. Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers?<br />
Das Urteil in der Rechtssache SGI nährt Zweifel:<br />
In dieser Entscheidung setzte der EuGH die<br />
Missbrauchsabwehr in Beziehung zur<br />
Wahrung der Aufteilung der<br />
Besteuerungsbefugnis und ließ auch<br />
typisierende Regelungen zu.<br />
Die Entwicklung bleibt abzuwarten.<br />
Wörtlich:<br />
13
IV. Europarechtliche Fragen des <strong>§</strong> <strong>50d</strong><br />
<strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong><br />
„In diesem Kontext kann <strong>eine</strong> nationale Regelung, die<br />
nicht speziell bezweckt, rein künstliche, jeder<br />
wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen, die zu dem<br />
Zweck errichtet wurden, die Steuer zu umgehen, die<br />
normalerweise für Gewinne aus inländischen<br />
Tätigkeiten geschuldet wird, von dem in dieser<br />
Regelung vorgesehenen Steuervorteil auszuschließen,<br />
gleichwohl durch das Ziel der Verhütung von<br />
Steuerumgehungen bei <strong>eine</strong>r Gesamtbetrachtung mit<br />
dem Ziel der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung<br />
der Besteuerungsbefugnis zwischen den<br />
Mitgliedstaaten gerechtfertigt sein.“<br />
14
V. Ausblick<br />
• <strong>§</strong> <strong>50d</strong> <strong>Abs</strong>. 3 <strong>EStG</strong> genügt nun den<br />
europarechtlichen Vorgaben.<br />
• Gleichwohl dürfte die Diskussion um die Norm<br />
weitergehen, wenn der BFH Treaty Overriding<br />
als Verfassungsverstoß qualifizieren sollte.<br />
• Derzeit ist offen, ob der EuGH die<br />
Typisierungbefugnis der MS bei der<br />
Missbrauchsabwehr künftig erweitert.<br />
15