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Verstehen lernen - IMOZ

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Vorsprung durch Wissen1.2013 / 38. Jahrgang / www.altenpflege-online.net VINCENTZTEILZEITARBEITWas Sie beim Prüfen derAntrage beachten solltenWUNDVERSORGUNGWie Sie den HeilungsprozessunterstützenARBEITSHILFEWie Sie die Pflegekorrekt planenMAEUTISCHE P


25 > Altenpflege TitelthemaUmsetzung O^> Die Einführung des MaeutischenPflege- und Betreuungsmodells gelingt, wenn die gesamteEinrichtung daran mitwirkt - von den Leitungskraftenbis zu den Mitarbeitern. Text: Thomas Nauroth<strong>Verstehen</strong> <strong>lernen</strong>\n den 1990er-Jahren war ich - seinerzeitals Seniorenhausleiter - mitmeinen Mitarbeitern auf der Suchenach einem schlüssigen Konzept für dieBegleitung von demenzbetroffenen Menschen.Validation und Basale Stimulationwaren zusammen mit anderen Methodenwie Musiktherapie und Biografiearbeitunseres Erachtens geeignet, urn Menschenmit Demenz betreuen zu können.Es war uns jedoch schnell klar, dass wiruns nicht einengen lassen wollten. Dannlernten wir auf einer Tagung des KuratoriumsDeutsche Altershilfe (KDA) die„Integrierte Erlebensorientierte Pflege"kennen. Dieser maeutische Ansatz, inDeutschland nahezu unbekannt, verstandsich als integratives Pflegemodell.Die Workshops zur Maeutik warenfür uns sehr ansprechend, aber auchganz anders als gewohnt. Wir wurdenermutigt, unsere eigenen Erfahrungenin Worte zu fassen und zu reflektieren,ohne sofort Instruktionen oder maCgerechteAntworten zu erhalten. Die Maeutikbestatigte uns in dem, was wir taten,und machte uns aufgrund des offenenKonzeptes zugleich auch etwas unsicher.Letztlich trafen wir mit der Geschaftsführungdie Entscheidung, Maeutik ineinem Pilotprojekt zu „testen".In dem Modellprojekt „Wohlbefindenim Alter - trotz Demenz", das von2003 bis 2005 in den SeniorenhausernSt. Anna und St. Maria in Köln erfolgte,wurde die Erlebensorientierte Pflegeeingeführt und deren Auswirkungen mitdem Dementia Care Mapping-Verfahren(DCM) gemessen. Die Ergebnisse zeigten,dass die Maeutik für die Betreuungdemenzbetroffener Menschen sehr gutgeeignet war. Deshalb begannen die anderen14 Seniorenhauser des Tragersab 2006 mit der Implementierung desMaeutischen Pflege- und Betreuungsmodells(MPBM).Eine Implementierung mussdas Handeln verandernEinführungsprozesse in Pflegeeinrichtungenführen nicht zwangslaufig zu dauerhaftemErfolg. Entweder sie kommengar nicht erst auf der Handlungsebenean, oder sie geraten nach einer ersten Begeisterungwieder in Vergessenheit. DieErfahrungen mit unserem Modellprojektbestatigten, dass die Implementierung eigendes Tragers passt und die erforderlichenFinanzmittel zur Verfügung gestelltwerden. Für die Einführung der Maeutikwurde eine spezielle Projektstruktur entwickelt,bestehend aus Steuerungsebene,Qualifizierungsebene und Praxisebene:1. SteuerungsebeneDie Steuerungsebene gliedert sich in einekonzeptionelle Projektsteuerung, die dieEffektivitat der Implementierung für alleEinrichtungen im Auge behalt (Metaebene),und eine operative Projektsteuerungim jeweiligen Haus (Mesoebene).Hierzu gibt es die interne Steuerungsgruppe.Sie besteht aus dem Seniorenhausleiter,den Bereichsleitungen (Pflegeund sozial-kulturelle Betreuung, Hausservice),den Wohnbereichsleitungen,Die Fahigkeit, das eigene Tun zu hinterfragen, ist einzentraler Baustein im maeutischen Modell.nes Handlungsmodells in ein komplexesSystem nicht immer geradlinig verlauft.Die Urheberin des MPBM, Cora van derKooij, empfiehlt deshalb auch eine adaptiveImplementierung, wobei der Einführungsprozessan die Ausgangssituationund Struktur in der jeweiligen Einrichtungangepasst werden sollte.Vor der breiten Einführung in allenEinrichtungen stand die positive Entscheidungder Geschaftsführung und derSeniorenhausleiter, dass das Modell indie Zielstruktur und zu den Werthaltundeminternen Trainer für Maeutik, Mitarbeiternsowie dem Qualitatsmanager(Metaebene).Die Steuerungsgruppe beschaftigt sichmit der Frage, ob und wie die ErlebensorientiertePflege im gesamten Seniorenhausgelebt wird. Dabei ist ein wichtigerAspekt, wie Leitungskrafte die Umsetzungfördern und unterstützen können.2. QualifizierungsebeneDie Vermittlung von Wissen und Kenntnissenspielt eine wichtige Rolle. Diewww.altenpflege-ontine.net


26 > Altenpflege TitelthemaGrundlagen der Maeutik werden denMitarbeitern der Pflege und der sozialkulturellenBetreuung über Basiskursevermittelt. Der dreitagige Kurs ist in derWeise organisiert, dass die Mitarbeiterzwischen den Schulungstagen drei bisvier Wochen Zeit haben, das Gelernte inder Praxis auszuprobieren und ihre Erfahrungenam folgenden Tag zu reflektieren.Denn die Fahigkeit, das eigene Tunzu hinterfragen und sich darüber auszutauschen,ist ein zentraler Baustein immaeutischen Modell.Eine Besonderheit in der Maeutik bestehtdarin, dass das gesamte Seniorenhauseinbezogen ist. Jeder Bereich und jedereinzelne Mitarbeiter ist gefragt, wennes beispielsweise darum geht, Kontaktmomentezum Bewohner zu finden. FürMitarbeiter aller Hausbereiche findendeshalb Kompakttage statt, um Kontaktzu Menschen mit Demenz knüpfen zukönnen. Die Mitarbeiter entwickeln dabeiein tieferes Verstandnis für die individuelleErlebenswelt des Bewohners unddafür, wie sie ihn in seiner Welt erreichenkönnen. Für Wohnbereichsleitungen undMultiplikatoren werden Aufbaukurseorganisiert - denn wenn es darum geht,eine neue Pflegekultur zu etablieren,dann muss es Mitarbeiter geben, die denWechsel eng begleiten und immer wiederAnregungen dazu geben.In den Aufbaukursen erhalten die Mitarbeiterinnerhalb von sechs Tagen einentieferen Einblick in die Themen Angehörigenarbeit,Bewohnerbesprechung,Wohnzimmerkultur und Biografiearbeit.Die Teilnehmer haben die Aufgabe, einePrasentation zu erarbeiten, um ganz konkretNeuerungen in ihrem Bereich einzuführen.Die Mitarbeiter entwickeln dabeiviele kreative Ideen. Zum Beispiel:• jedem Bewohner einen Erinnerungskorbzusammenzustellen,• eine Sprichwortsammlung anzulegen,• Schlüsselwörter in der Kommunikationzu verwenden,• einen regelmafiigen Gottesdienst fürDemenzbetroffene einzurichten,• Kochen und Backen im Wohnbereicheinzuführen• oder die Neugestaltung eines Erlebnisbadesvoranzutreiben.3. PraxisebeneEs wird deutlich, dass Fortbildungenfür sich allein kein Garant für eine Umsetzungsind. Das Gelernte muss in diePflegepraxis hineingetragen werden. EinHemmnis hierbei ist die aufgabenbezogeneArbeitsweise. Es braucht manchmaleinige Überzeugungskraft sowie Gespracheim Team, um die Prioritaten nicht aufeinen bestimmten Arbeitsablauf zu legen,sondern die Bedürfnisse und das Erlebender Bewohner in den Bliek zu nehmen.Training on the Job hilft den Mitarbeiternbei dem Perspektivenwechsel für


27die Praxis. Der interne Trainer für Maeutikgeht mit dem Kollegen in die Pfiege.Er schaut sich die Beziehungsebenezwischen Mitarbeiter und Bewohner anund erprobt mit dem Kollegen erlebensorientierteUmgangsweisen. Und er stelltFragen.Ursprünglich stammt die maeutischeMethode von Sokrates, der seine Schuierüber geschicktes Fragen zu Wissen undEinsicht führte. lm übertragenen Sinngeht es in der Pflege darum, den Umgangmit dem Bewohner und die damit verbundenenGefühle zu reflektieren, derenWechselwirkungen zu verstehen und gegebenenfallsdas eigene Verhalten darananzupassen. Maeutisches Fragen und diewertschatzende Anerkennung zum Beispielvon positiven Kontaktmomentenstarken und motivieren den Mitarbeiterin seinem Tun.Eine zentrale Rolle im Pflegealltagnimmt die Bewohnerfallbesprechung(BFB) ein. Sie ist die Methode, die dieMaeutik „spürbar, hörbar und sichtbar"macht. Dabei geht es um die Erarbeitungder sogenannten Charakteristik, bei dersich die Mitarbeiter mit dem einzelnenBewohner intensiv beschaftigen. Sie tragenzusammen, was sie in Bezug auf dasVerhalten im Wohnbereich und die seelischensowie psychosozialen Bedürfnissewissen und setzen die Biografie dazu inBeziehung.Letztlich geht es bei der maeutischenMethode darum, die Kontaktmomentezu finden, die dazu beitragen, dass derfig für alle Beteiligten eine Offenbarung,wenn sich einige Zeit nach einer solchenBesprechung ein herausforderndes Verhaltennicht mehr zeigte. Dabei hat sichnicht der Bewohner „verandert", sondernder bedürfnisorientierte Umgang hat diepositive Veranderung möglich gemacht.Faktorenfür eine erfolgreicheEinführungImplementierungsprozesse sind Chefsache.Das heifit, Leitungskrafte mussensich intensiv mit den Projektinhaltenauseinandersetzen und sich auf den Pra-Maeutik bedeutet, sich Zeit zu nehmen, Fragen zustellen und aus den Erfahrungen zu lemen.demenzbetroffene Bewohner innere Zufriedenheit,Identitat und Zugehörigkeitfinden und beibehalten kann. Die Charakteristikund die daraus formuliertenUmgangsempfehlungen fliefien in dieDokumentation ein. Oft werden die Angehörigendes Bewohners zu der Besprechungeingeladen. Und es war schon hauxiskontexteinlassen, um die Einzelteilezu einem Ganzen vernetzen zu können.Konkret ist dies etwa der Tagesablauf imWohnbereich, der einen entscheidendenEinfluss auf die Selbstbestimmung vonBewohnern hat. Dazu muss die Leitungvor Ort prasent sein, sich für die Bedürfnisseder Mitarbeiter interessieren undsie über die praktische Umsetzung unddas Bewusstmachen von Erfolgserlebnissenmotivieren (Top-down).Die Aufgabe der Wohnbereichsleitungsoll besonders herausgestellt werden, dasie durch ihr Leitungshandeln und ihreWerthaltung eine erlebensorientierteAtmosphare maCgeblich unterstützenkann. Sie ist sozusagen die Person,die ihre Mitarbeiter im Prozess vor Ortmitnimmt und sie einbezieht. Die WBLsichert mit ihren Mitarbeitern den Veranderungsprozessvon der Basis her ab(Bottum-up). Es geht eben nur gemeinsammit den Mitarbeitern. Wichtig istdas Hand-in-Hand-Arbeiten zwischender Wohnbereichsleitung und dem internenTrainer, die beide als Praxisentwicklereine konkrete Vorstellung davonhaben, was Erlebensorientierte Pflege bedeutet.Es ist selbstredend, dass eine stabileFührungsstruktur die Umsetzung einesjeden Handlungsmodells mafigeblichunterstützt. Um die Wertigkeit der Maeutikzu verdeutlichen, ist der ErlebensorientiertenPflege ein eigenes Kapitel imQualitatshandbuch gewidmet. Über dieMethode des Dementia-Care-Mappingoflege-online.net


Checkliste ImplementierungMaeutische PflegeProjektstrukturen entwickeinD Ausgangslage und Strukturen in der Planung berücksichtigenSteuerungsebeneD Implementierungsprozess aktiv steuern (Steuerungsgruppe)D Strukturen und Prozesse beschreiben - zum Beispiel Maeutik als eigenstandiges Kapitelim QualitatshandbuchQualifizierungsebeneD Qualifizierungskonzept entwickein und umsetzen (Basis- und Kompaktkurse)D Multiplikatoren (Aufbaukurse), Moderatoren und Interne Trainer ausbildenPraxisebeneD Bewohnerfallbesprechung einführenD Mitarbeiter in den Entwicklungsprozess aktiv einbeziehenD Strukturen und Prozesse verbessern (etwa Mahizeitengestaltung, Angehörigenarbeit)D Mitarbeiter in der Praxis begleiten (Training on the Job, Interne Trainer)D Veranderungsprozesse aktiv führen (alle Leitungen sind dabei gefragt)D Reflektionsschleifen einbauen (Standortbestimmungen mit den Mitarbeitern)EvaluierenD Selbstbewertung und DCM-Beobachtungen durchführenD Fremdbewertung durchführen, etwa Angehörigenbefragung5S3UD Feedback an die Steuerungsgruppe für denkontinuierlichen VerbesserungsprozessMachen Sie sich vor der Implementierung klar, dass es sichum eine bewusste Entscheidung für das Projekt handelt:Ziele klaren, Wertecheck, Finanzen bereitstellen


29 > Altenpflege Titelthema(DCM) sowie über das tragerinterne Auditerhalt jedes Haus eine individuelleRückmeldung zu dem Integrationsstandder Maeutik und Hinweise für den laufendenVerbesserungszyklus.Bei der Einführung von solch anspruchsvollenBetreuungsidealen geborenMisserfolge dazu. Wenn es darumgeht, Verhalten und zwischenmenschlicheProzesse zu beeinflussen, lasst sichdie Komplexitat erahnen, die dabei zuberücksichtigen ist. Adaptive Implementierungheifit in diesem Sinne, genau hinzuschauenund das Vielschichtige derInteraktionen, Bedürfnisse, Motivationund Störungen wahrzunehmen und dieStrategie der Situation anzupassen. lmGegensatz dazu sind Veranderungen vontechnischen Ablaufen relativ einfach umzusetzen.Es ist uns wahrend der Implementierungklar geworden, dass wir die Vernetzungvon Schulung und Praxis nochintensivieren mussen. Deshalb haben wirin diesem Jahr interne Trainer über einenIntensivkurs (240 Stunden) ausgebildet.Der interne Trainer gestaltet jetzt die inhaltlicheWeiterentwicklung der Maeutikin der jeweiligen Einrichtung gemeinsammit den Leitungskraften.Maeutik bedeutet immer wieder, sichZeit zu nehmen, Fragen zu stellen undaus den Erfahrungen zu lemen. Die Ergebnissezeigen, dass die Maeutik derrichtige Weg ist: Die Atmosphare imWohnbereich wird ausgeglichener, Bewohnerentwickeln ein Zuhause-Gefühl,die Teamkultur bietet Raum fürKreativitat, für Begegnung und Kóntakt.Mehr zum ThemaQ Kontakt: thomas.nauroth@cellitinnen.de& Download-Tipp: Ein Merkblatt zurDurchführung von Bewohnerfallbesprechungenfinden Sie im Internetals Zusatzmaterial zum Heft unter:www.altenpflege-online.net/Arbeitshilfen/DownloadsThomas NaurothistQualitatsmanagerimCellitinneninstitut für Qualitatssicherungin Kölnwww.altenpflege-online.net

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