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Fragen zum CIA-Terrorismus sind in Deutschland ... - Daniele Ganser

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2 <strong>in</strong>terview Sonnabend/Sonntag,27./28. April 2013, Nr. 98 junge WeltAPDen L<strong>in</strong>ken <strong>in</strong> die Schuhe geschoben: Bombenanschlag <strong>in</strong> der norditalienischen Stadt Bologna im Jahre 1980 mit 85 Toten. Täter waren Faschisten, wahrsche<strong>in</strong>lich mit Hilfe von Geheimdiensten.»<strong>Fragen</strong> <strong>zum</strong> <strong>CIA</strong>-<strong>Terrorismus</strong><strong>s<strong>in</strong>d</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> tabu«Gespräch u Mit <strong>Daniele</strong> <strong>Ganser</strong>. Über den Luxemburger Bombenlegerprozeß,Geheimarmeen der NATO, strategisch geplanten Staatsterrorismus. Undüber die vielen Ste<strong>in</strong>e, die der Forschung <strong>in</strong> den Weg gelegt werden.Im Luxemburger Bombenlegerprozeßhat der DuisburgerHistoriker Andreas Kramerausgesagt, se<strong>in</strong> Vater habe imNATO-Auftrag zwischen 1984 und1986 Bombenanschläge <strong>in</strong> Luxemburgorganisiert. Kramer senior seiauch mitverantwortlich für den Anschlagauf das Münchner Oktoberfest1980. Sie <strong>s<strong>in</strong>d</strong> Autor e<strong>in</strong>es Standardwerkesüber NATO-Geheimarmeen –wie plausibel kommen Ihnen dieseAussagen vor?Die Forschung hat erwiesen, daß es dieseGeheimarmeen tatsächlich gab. Nachgewiesenist, daß sie geheime SprengstoffundWaffendepots angelegt hatten. Klarist auch, daß sie Bombenanschläge durchführenkonnten, also auch die Sprengungvon Strommasten, um die es <strong>in</strong> dem LuxemburgerProzeß geht. Sie waren ja dazuausgebildet, im Falle e<strong>in</strong>er Besetzung vonWesteuropa als Guerilla e<strong>in</strong>en Kle<strong>in</strong>kriegzu führen. Diese »Stay beh<strong>in</strong>d«-Armeenwaren Anfang der 50er Jahre <strong>in</strong> so gut wieallen NATO-Ländern aufgebaut worden.Die NATO selbst trägt allerd<strong>in</strong>gs nichtdas Ger<strong>in</strong>gste zur Aufklärung bei. Ke<strong>in</strong>Wissenschaftler, der zu »Stay beh<strong>in</strong>d«forscht, hat jemals e<strong>in</strong>e Antwort auf dieFrage bekommen, ob es während des KaltenKrieges zur Strategie des Militärbündnissesgehörte, Terroranschläge <strong>in</strong> Europazu begehen.Die NATO wurde 1990 von britischenJournalisten gefragt: Gibt es diese Geheimarmeen?Erste Reaktion: »Die gab esnicht.« Schon am nächsten Tag ruderte dieNATO zurück: »Sorry, die gab es doch.Wir sagen dazu aber nichts. Ist streng geheim.«Kurz darauf holte der Supreme AlliedCommander Europe, der SACEUR –damals der US-General John Galv<strong>in</strong> – dieBotschafter der Mitgliedsstaaten zusammenund unterrichtete sie über die H<strong>in</strong>tergründe.H<strong>in</strong>ter verschlossenen Türenallerd<strong>in</strong>gs – was die Forschung schwierigmacht.Ich kann mir vorstellen, daß die Aussagenvon Andreas Kramer stimmen. Allerd<strong>in</strong>gsmüßte er noch Dokumente oder andereBeweise beibr<strong>in</strong>gen, um se<strong>in</strong>e Aussagenüberprüfen zu können. Zunächst müßterecherchiert werden, ob Kramer senior


2 <strong>in</strong>terview Sonnabend/Sonntag,27./28. April 2013, Nr. 98 junge Welttatsächlich Hauptmann der Bundeswehrund Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes(BND) war. Se<strong>in</strong> Sohn behauptet,Heidrun Hofer sei se<strong>in</strong>e Sekretär<strong>in</strong> gewesen– auch das müßte geprüft werden. UmFrau Hofer gab es damals e<strong>in</strong>en Skandal:Sie war als BND-Angehörige vom sowjetischenGeheimdienst KGB ausspioniertworden. Sie lebt noch, es wäre toll, wennsie die Aussagen von Andreas Kramerkommentierte.Dann müßte der frühere BND-MannNorbert Juretzko befragt werden. Der hat <strong>in</strong>se<strong>in</strong>em Buch »Bed<strong>in</strong>gt dienstbereit« auchüber die Geheimarmee <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> unddas »Stay beh<strong>in</strong>d«-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g geschrieben.Er sei von e<strong>in</strong>em Mann mit dem Decknamen»Cello« ausgebildet worden – undgenau diesen Namen br<strong>in</strong>gt jetzt Kramerjr. <strong>in</strong>s Spiel, <strong>in</strong>dem er behauptet, se<strong>in</strong> Vatersei »Cello« gewesen. Man könnte Juretzkoalso mit Fotos vom Hauptmann JohannesKramer konfrontieren und fragen, ob erihn erkennt.E<strong>in</strong> weiteres Problem für die Forschungist, daß es <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> ke<strong>in</strong>e parlamentarischeUntersuchung der »Stay beh<strong>in</strong>d«-Umtriebe gab. Obwohl das Europaparlament1990 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er geharnischten Resolution1 alle EU-Staaten auffordete, die Rolledieser Geheimarmeen zu untersuchen, geschah<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> nichts.1990 standen die ersten gesamtdeutschenWahlen an, SPD und Grüne forderten,daß auch der Bundestag e<strong>in</strong>en Ausschuße<strong>in</strong>setzt – wobei sie sicher im Augehatten, daß sich das im Wahlkampf gutmachte. Als die CDU der SPD dann allerd<strong>in</strong>gssteckte, daß auch die früheren SPD-Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt<strong>in</strong> diese geheimen Aktivitäten e<strong>in</strong>geweihtwaren, war das Thema für die Sozialdemokratengegessen. Die Grünen alle<strong>in</strong>ekonnten diesen Ausschuß dann aber nichtdurchsetzen. Lediglich das ParlamentarischeKontrollgremium, das die Arbeit derGeheimdienste überwachen soll, hat sichdann mit dem Thema befaßt, unter strikterGeheimhaltung allerd<strong>in</strong>gs.In Luxemburg kam jetzt heraus, daßder frühere Premier Jacques Santerund se<strong>in</strong> Nachfolger Jean-ClaudeJuncker über die Beteiligung von»Stay Beh<strong>in</strong>d« bei den Anschlägenauf die Strommasten <strong>in</strong>formiert waren.Als die Geheimarmee <strong>in</strong> Luxemburg 1990aufflog, war Santer Premier. Vor dem Parlamentsagte er damals, er sei überrascht,daß es diese Geheimarmee auch <strong>in</strong> Luxemburggab, er habe nichts darüber gewußt.Jetzt, 23 Jahre später, <strong>s<strong>in</strong>d</strong> währenddes Prozesses Dokumente aufgetaucht 2 diebeweisen, daß Santer sehr wohl über dieExistenz der Geheimarmee <strong>in</strong>formiert war.Er hat also 1990 gelogen. Ob die Geheimarmee<strong>in</strong> Luxemburg die Strommastengesprengt hat und ob Santer das wußte,sche<strong>in</strong>t mir noch nicht geklärt, aber es wirdsicher spannend, wenn er se<strong>in</strong>e Aussage imProzeß macht.Aber haben nicht <strong>in</strong> anderen Ländernparlamentarische UntersuchungsausschüsseLicht <strong>in</strong> diese Machenschaftengebracht?Das stimmt, und zwar <strong>in</strong> Belgien, Italienund <strong>in</strong> der Schweiz, 2008 auch <strong>in</strong> Luxemburg.Sie alle haben bestätigt, daß esdiese Geheimarmeen gab. Wichtig <strong>s<strong>in</strong>d</strong>vor allem die Erkenntnisse aus Belgien.Im Bericht des Parlamentes steht, daß dieGeheimarmeen der NATO zwei Unterabteilungenhatten – das Allied Clandest<strong>in</strong>eCommittee (ACC) und das Clandest<strong>in</strong>ePlann<strong>in</strong>g Committee (CPC). Noch nichtgeklärt ist, ob <strong>in</strong> Belgien die Geheimarmeeetwas mit den Terroranschlägen <strong>in</strong> derProv<strong>in</strong>z Brabant zu tun hat. Der belgischeVerteidigungsm<strong>in</strong>ister ließ das damals untersuchen,die Untersuchung wurde abervom Geheimdienst blockiert. Zwischen1982 und 1985 wurden wahllos <strong>in</strong> Supermärkten28 Menschen erschossen, ob dieGeheimarmee dah<strong>in</strong>ter steckte, ist unklar.Andreas Kramer sagt jetzt, se<strong>in</strong> Vaterhabe an ACC-Sitzungen teilgenommen, <strong>in</strong>denen solche Anschläge geplant wurden.Ob es stimmt, könnte man anhand derProtokolle dieses NATO-Gremiums herausf<strong>in</strong>den.In e<strong>in</strong>ige von ihnen konntendamals die Mitglieder des belgischen UntersuchungsausschussesE<strong>in</strong>blick nehmen.Nach 25 Jahren sollten diese ACC-Protokolleauch für die Forschung zugänglichse<strong>in</strong> – sie <strong>s<strong>in</strong>d</strong> aber nicht mehr vollständig,offenbar wurde e<strong>in</strong>iges vernichtet. Es istalso sehr unwahrsche<strong>in</strong>lich, daß die nochvorhandenen Dokumente weiterführen.Am besten dokumentiert ist wohl derAnschlag von 1972 <strong>in</strong> der italienischenStadt Peteano, bei dem drei Carab<strong>in</strong>ieriums Leben kamen. Nach 1968 hatte dieL<strong>in</strong>ke starken Zulauf, also wurde dieserMord den Roten Brigaden <strong>in</strong> die Schuhegeschoben – letztlich sollte so die KP geschwächtwerden. Der Attentäter war abere<strong>in</strong> bekennender Faschist, V<strong>in</strong>cenzo V<strong>in</strong>ciguerramit Namen. Vor Gericht gestander 1984, daß er den Anschlag mit Hilfedes militärischen Geheimdienstes ausgeführthatte. Diese Kooperation von NATO,Geheimdiensten und Rechtsextremen istbei diversen Anschlägen <strong>in</strong> Europa nachgewiesenworden. Das ist Staatsterrorismus.Ob auch der Bombenanschlag auf dasMünchner Oktoberfest am 26. September1980 Staatsterror ist, bleibt vorerst unklar,das muß untersucht werden. Dasselbe giltfür das Attentat von Bologna, bei dem imselben Jahr 85 Menschen <strong>in</strong> die Luft gesprengtwurden.Die Aktivitäten von »Gladio«, wie die»Stay beh<strong>in</strong>d«-Truppe <strong>in</strong> Italien hieß, wurdenerst dadurch aufgedeckt, daß der UntersuchungsrichterFelice Casson Mitte der80er Jahre die Erlaubnis bekam, im Archivdes militärischen Geheimdienstes <strong>zum</strong> Anschlagvon Peteano zu recherchieren. Erst1990 hat der mehrmalige M<strong>in</strong>isterpräsidentGiulio Andreotti vor dem Senat <strong>in</strong> Rom dieExistenz der »Gladio«-Geheimarmee undihre direkten Verb<strong>in</strong>dungen zur NATO, zur<strong>CIA</strong> und <strong>zum</strong> MI 6 bestätigt.Deutsche Medien haben darüber sogut wie gar nicht berichtet.Es gab wenige Berichte damals <strong>in</strong> denZeitungen, aber die <strong>s<strong>in</strong>d</strong> völlig <strong>in</strong> Vergessenheitgeraten. Wenn ich im Gesprächmit Deutschen die Stichworte »Staatsterrorismus«,»Gladio«, »Stay beh<strong>in</strong>d« oder»NATO-Geheimarmee« anspreche, ernteich oft verständnislose Blicke. Bei demWort »Champions League« leuchten dieAugen allerd<strong>in</strong>gs auf.


2 <strong>in</strong>terview Sonnabend/Sonntag,27./28. April 2013, Nr. 98 junge WeltDiese strategischen Begriffe <strong>s<strong>in</strong>d</strong> <strong>in</strong><strong>Deutschland</strong> also weitgehend unbekannt,allerd<strong>in</strong>gs nicht bei Leuten, die sich für <strong>in</strong>ternationalePolitik, Menschenrechte oderZeitgeschichte <strong>in</strong>teressieren. Die deutschsprachigeAusgabe me<strong>in</strong>es Buches »Nato-Geheimarmeen <strong>in</strong> Europa: InszenierterTerror und verdeckte Kriegsführung« wurdebis heute 10000 Mal gekauft, was michals Autor natürlich freut. Wenn man dasaber <strong>in</strong>s Verhältnis setzt zu den rund 100Millionen Deutschsprachigen <strong>in</strong> Europa,dann sieht man, daß die NATO-Geheimarmeenwohl weniger als e<strong>in</strong>em Prozent derBevölkerung bekannt <strong>s<strong>in</strong>d</strong>. Leider kennenauch Professoren für Internationale Politikoft kaum Fakten zu den genannten Stichwörtern.Sie würden Ihnen vorhalten, Sie seiene<strong>in</strong> »Verschwörungstheoretiker«.Das ist e<strong>in</strong> Kampfwort, es heißt nichtsanderes als: »Bis hierh<strong>in</strong> darfst du denkenund sprechen. Aber ke<strong>in</strong>en Schritt weiter!«Das ist völliger Uns<strong>in</strong>n, an diese Denk- undSprechverbote sollte man sich nicht halten.Im Kern geht es doch um List bei den Geheimarmeenund auch bei der Manipulationvon Terroranschlägen.Zurück zu den Recherchemöglichkeiten.Welchen Spielraum bietetder »Freedom of Information Act«(FOIA) <strong>in</strong> den USA – e<strong>in</strong> Gesetz, dasdie Offenlegung von Akten regelt.S<strong>in</strong>d damit nicht auch früher geheimeDokumente des US-Geheimdiensteszugänglich geworden?Gesetz h<strong>in</strong>, Gesetz her – die <strong>CIA</strong> gibtnur das heraus, was sie herausgeben will.Ich habe den FOIA genutzt und mehrfachschriftlich angefragt, nie aber e<strong>in</strong>eAuskunft bekommen. Österreichische Kollegenhaben es sogar mit Unterstützungihrer Regierung versucht, ebenfalls ohneErfolg.Die <strong>CIA</strong> hatte auf jeden Fall die F<strong>in</strong>ger<strong>in</strong> den Geheimarmeen. Der frühere<strong>CIA</strong>-Chef William Colby hat das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>enMemoiren »Honorable Men« auch zugegeben.Es gibt auch andere Quellen, diebestätigen, daß die <strong>CIA</strong> und der britischeGeheimdienst MI 6 diese Strukturen aufgebauthaben. Die Story wird uns vonoffizieller Seite aber immer so präsentiert:»Okay, wir haben ›Stay beh<strong>in</strong>d‹ für denFall e<strong>in</strong>er sowjetischen Invasion aufgebaut.Die ist nicht gekommen, also ist auchnichts passiert.« Aber das ist nicht die ganzeGeschichte.Der Chef der italienischen »Gladio«war General Geraldo Serravalle. In e<strong>in</strong>emBuch, das er darüber geschrieben hat, berichteter allerd<strong>in</strong>gs, die <strong>CIA</strong>-Ausbilderseien gar nicht so sehr an Vorbereitungenfür den Fall e<strong>in</strong>er sowjetischen Invasion <strong>in</strong>teressiertgewesen. Ihnen sei es eher darumgegangen, wie man auf die InnenpolitikE<strong>in</strong>fluß nehmen könne, <strong>zum</strong> Beispiel Gewerkschaftsdemonstrationenzu zerschlagen.S<strong>in</strong>d auf dem Gebiet der BRD »Staybeh<strong>in</strong>d«-Aktivitäten dokumentiertworden?Das e<strong>in</strong>zige, was herausgekommen ist,stammt aus den 50er Jahren <strong>in</strong> Hessen. Derdamalige Generalstaatsanwalt des Landes,Fritz Bauer, hatte e<strong>in</strong> von »Stay beh<strong>in</strong>d«genutztes Gebäude von der Polizei durchsuchenlassen. Dabei wurde e<strong>in</strong>e Liste mitNamen von Leuten entdeckt, die im Spannungsfallumgebracht werden sollten. Esgab auch e<strong>in</strong>en parlamentarischen Untersuchungsausschußim Landtag. M<strong>in</strong>isterpräsidentAugust Z<strong>in</strong>n (SPD) wollte, daßdiese Geheimarmee aufgelöst wird, stießdamit aber auf den Widerstand der Bundesregierungund der NATO.Haben Sie e<strong>in</strong>e Theorie dazu, warumsich die deutschen Medien bei diesemThema so zurückhalten? Auch überden Luxemburger Prozeß und dieAussage von Kramer jr. wurde bisherfast nur von der jW berichtet.Deutsche Medien meiden nach me<strong>in</strong>er BeobachtungThemen wie NATO und Geheimarmeen,auch mit dem Zusammenhangvon <strong>Terrorismus</strong> und Rechtsextremismustun sie sich schwer. In <strong>Deutschland</strong> gehtes auch immer darum, auf ke<strong>in</strong>en Fall dieUSA zu verärgern. Wenn Wash<strong>in</strong>gton sagt:»Wir müssen jetzt alle <strong>zum</strong> H<strong>in</strong>dukusch«,dann kommt <strong>Deutschland</strong> mit – und das,obwohl viele deutsche Generäle von Anfangan wußten, wie fragwürdig die Operationist.Bei Politikern kann man das nachvollziehen.Aber wie erklären Sie, daßdie Medien mitmachen?<strong>Fragen</strong>, wie etwa <strong>zum</strong> <strong>CIA</strong>-<strong>Terrorismus</strong><strong>in</strong> Europa, waren tabu und <strong>s<strong>in</strong>d</strong> es auchheute noch. Ich habe die Berichterstattungdeutscher Medien zu den Terroranschlägenvom 11. September 2001 <strong>in</strong> NewYork hautnah miterlebt. Als ich damalszu bedenken gab, daß man untersuchenmüsse, ob die Regierung von US-PräsidentGeorge Bush die Öffentlichkeit nicht nurüber die ABC-Waffen im Irak, sondernauch <strong>zum</strong> Terroranschlag angelogen hat,wollte die deutsche Presse dies auf ke<strong>in</strong>enFall diskutieren. In e<strong>in</strong>er TV-Debatte hatteich dem damaligen Spiegel-ChefredakteurStefan Aust gesagt, es gebe zu viele Unklarheitenund Widersprüche. Vielleichtsei B<strong>in</strong> Laden der Urheber gewesen, vielleichtsei auch etwas von Bush und se<strong>in</strong>enLeuten manipuliert worden. Man müssealso <strong>in</strong> aller Ruhe die Fakten durchgehen.Aust lehnte empört ab, das sei völlig absurd,über <strong>in</strong>szenierten oder manipuliertenTerror wolle er nicht reden.In Vorträgen vor deutschem Publikumsage ich gerne: »Ihr habt so viel an analytischerPower, warum traut Ihr Euch eigentlichnicht, <strong>Fragen</strong> <strong>zum</strong> Anschlag auf dasWorld Trade Center (WTC) zu stellen?«Fast jeder kennt das Video vom E<strong>in</strong>sturzdes WTC-Gebäudes Nr. 7. Das Gebäudefiel zusammen, ohne daß es von e<strong>in</strong>emFlugzeug getroffen wurde. BBC meldeteals erster Sender den E<strong>in</strong>sturz von WTC 7,aber 20 M<strong>in</strong>uten zu früh, während das Gebäudenoch stand – das ist doch komisch!Schweizer Professoren, die ich dazu befragthabe, erklärten, daß es gesprengt wordense<strong>in</strong> muß, bei 80 Stahlträgern sei dassymmetrische Zusammensacken nicht anderszu erklären. Sie waren damit e<strong>in</strong>verstanden,daß ich ihre Erkenntnis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emArtikel zitiere.


2 <strong>in</strong>terview Sonnabend/Sonntag,27./28. April 2013, Nr. 98 junge WeltAls ich wenig später <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong>enVortrag über verdeckte Kriegführungund Geostrategie hielt, kam e<strong>in</strong> Professorfür Baustatik auf mich zu. Er sagte, se<strong>in</strong> Instituthabe alles durchgerechnet und sei zudem Ergebnis gekommen: Sprengung! Alsich vorschlug, das zu publizieren, wehrteer ab: »Dann werde ich öffentlich geteertund gefedert. Mir wird angehängt, ich seiVerschwörungstheoretiker, Antisemit, Pädophileroder noch was Schlimmeres.« Diemeisten Wissenschaftler fürchten die Hetzkampagnender Medien, sie sprechen nichtöffentlich über diese heiklen Themen.Wir sprachen die NATO-Strategie an,den L<strong>in</strong>ken solche Anschläge <strong>in</strong> dieSchuhe zu schieben und damit e<strong>in</strong>enRechtsruck zu provozieren. Wer hatsie erfunden?Alle Spuren führen <strong>zum</strong> Pentagon. Esheißt ja Verteidigungsm<strong>in</strong>isterium, aberhistorisch korrekt wäre »Angriffsm<strong>in</strong>isterium«– man braucht nur die Liste der Länderdurchgehen, die die USA <strong>in</strong> den vergangenen60 Jahren bombardiert haben. DasPentagon kennt das Instrument des manipuliertenTerrors sehr genau. Beg<strong>in</strong>nen wirmit dem »Northwood«-Dokument 3 , <strong>in</strong> demUS-General Lyman Lemnitzer 1962 nachdem Scheitern der Invasion <strong>in</strong> der Schwe<strong>in</strong>ebuchtu. a. vorschlug, e<strong>in</strong> Passagierflugzeugüber Kuba durch e<strong>in</strong>e unbemannteferngesteuerte Drohne zu ersetzen und diesezu sprengen, um das Verbrechen FidelCastro <strong>in</strong> die Schuhe zu schieben. DerÖffentlichkeit, so stand es im Papier, werdedann mitgeteilt, <strong>in</strong> der abgeschossenenMasch<strong>in</strong>e seien US-Studenten gewesen.E<strong>in</strong> anderer Vorschlag war, e<strong>in</strong> US-Schiffauf dem Militärstützpunkt Guantánamo<strong>in</strong> die Luft zu sprengen; e<strong>in</strong> dritter, <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gtonund New York Bomben hochgehenzu lassen und Castro dafür verantwortlichzu machen. Genau das ist die Strategieder Spannung, und zwar <strong>in</strong> Re<strong>in</strong>kultur. Indiesem Fall wollte man damit e<strong>in</strong>en Krieggegen Kuba legitimieren, e<strong>in</strong>e Invasionder Insel. Präsident Kennedy stoppte dieOperation »Northwood«, sie wurde nichtumgesetzt. Der verrückte General Lemnitzerwurde als NATO-Oberbefehlshabernach Europa versetzt.Diese »Denke« ist typisch für viele Generäle.Sie wollen nur siegen – wievieleLeute dabei sterben, ist ihnen gleich. Dasläßt sich aber nur dadurch <strong>in</strong>s Werk setzen,daß die dah<strong>in</strong>terstehende Strategie nichtdurchschaut wird, es ist also List nötig.Und der große Irrtum der deutschen Medienist, daß sie reflexartig die Vokabel»Verschwörungstheoretiker« aus dem Hutziehen, sobald man nach e<strong>in</strong>er eventuellenList fragt.Am 6. Mai beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> München derProzeß wegen der NSU-Morde. Würdees Sie überraschen, wenn dabeiherauskäme, daß deutsche Geheimdiensteim H<strong>in</strong>tergrund die Fädengezogen haben?Mich wundert gar nichts mehr, ich haltealles für möglich. Die Komb<strong>in</strong>ation vonLüge und Gewalt ist weit verbreitet. Diehistorische Forschung muß aber immerverläßliche Quellen f<strong>in</strong>den, bevor sie H<strong>in</strong>tergründeausleuchten kann. Ich persönlicherachte es als sehr wichtig, daß die Wissenschaftnicht beh<strong>in</strong>dert wird, auch wennsie sensible Themen wie Staatsterrorismusuntersucht. Auch hier muß die Forschungsfreiheitgelten.Das Gespräch führte Peter Wolteru Anmerkungen1 Erklärung des Europaparlaments aus dem Jahre1990 zu »Stay beh<strong>in</strong>d«, www.jungewelt.de/resolution2 Schreiben des luxemburgischen Geheimdienstchefsan Premier Jacques Santer, Ankündigungvon »Stay beh<strong>in</strong>d«-Übungen. L<strong>in</strong>ks unten: E<strong>in</strong>verstanden!,www.jungewelt.de/top_secret_19853 Plan zur Invasion Kubas – war das die Blaupausefür 9/11?, www.jungewelt.de/northwood_planDas Standardwerk zu»Stay beh<strong>in</strong>d« <strong>in</strong> Europa,verfaßt von <strong>Daniele</strong> <strong>Ganser</strong>.Verlag Orell Fuessli,446 Seiten, 3. Auflage,24,95 Euro. Erhältlich imjW-ShopDr. <strong>Daniele</strong> <strong>Ganser</strong> leitetdas Swiss Institutefor Peace and EnergyResearch (SIPER) <strong>in</strong>Basel, das den globalenKampf ums Erdöl unddas Potential von erneuerbarenEnergienuntersucht. Se<strong>in</strong> Buch»NATO-Geheimarmeen<strong>in</strong> Europa. InszenierterTerror und verdeckteKriegsführung« (London2005, deutsch: Zürich2008) ist e<strong>in</strong> Standardwerk<strong>zum</strong> Thema diesesInterviews.

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