Nachhaltiges Bauen
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MANAGEMENT<br />
der erste Eindruck von seiner Umgebung,<br />
das noch vor dem Denken einsetzende intuitive<br />
Einschätzen lebensentscheidend<br />
war. „Kampf oder Flucht?“ Diese Frage<br />
stellt das menschliche Unbewusste auch<br />
heute noch jedes Mal, wenn wir eine Umgebung<br />
betreten oder jemand anderem<br />
begegnen. Mit unseren frühesten Vorfahren<br />
teilen wir auch grundlegende psychische<br />
Inhalte wie beispielsweise das Urbedürfnis<br />
nach Sicherheit. Genau wie sie<br />
fühlen wir uns unbewusst sicherer, wenn<br />
wir einen geschützten Rücken sowie einen<br />
unverstellten Blick nach vorn haben und<br />
über ein eigenes Territorium verfügen.<br />
Unbewusster Stress<br />
In der Praxis kommt es immer wieder<br />
vor, dass angesichts mancher bizarrer und<br />
aggressiver Gestaltungsfaktoren der unbewusste<br />
erste, in Sekundenbruchteilen entstandene<br />
Eindruck von einer Umgebung<br />
negativ ist und warnt: „Vorsicht, Gefahr!“,<br />
während das Tagesbewusstsein unmittelbar<br />
anschließend beruhigt: „Modernes<br />
Gebäude von einem Stararchitekten,<br />
die Innengestaltung stammt von einem<br />
bekannten Designer! Der Bau ist funktional<br />
und sicher, und hier wird gearbeitet.“<br />
Wenn solche einander widersprechenden<br />
Botschaften auftreten, bleibt unbewusst in<br />
der Psyche eine latente Unsicherheit und<br />
Unruhe bestehen – das heißt unbemerkter<br />
Stress.<br />
Diese Belastung verstärkt noch die vielen<br />
anderen psychischen Stressfaktoren<br />
unserer Zeit, die chronische Reizüberflutung,<br />
die ausfransenden Grenzen zwischen<br />
Beruf und Privatleben, die steigende<br />
Komplexität des täglichen Lebens. Ein treffendes<br />
Zitat sagt: „Eine normale Wochentagsausgabe<br />
der New York Times enthält<br />
Sitzposition ohne Schutz nach hinten: keine<br />
gute Voraussetzung für ungestörtes Arbeiten<br />
mehr Informationen, als ein Durchschnittsbürger<br />
des 17ten Jahrhunderts während<br />
seines gesamten Lebens erfuhr.“ (R. S.<br />
Wurman, „Information Anxiety“, Bantam<br />
Dell 1989). Untersuchungen zeigen, dass<br />
mindestens ein Viertel der Bürobeschäftigten<br />
in der EU unter arbeitsbedingtem<br />
Stress leidet und dass die Zahl der dadurch<br />
verursachten psychischen Beeinträchtigungen<br />
laufend ansteigt. Dies bedeutet, dass<br />
die bisherigen ergonomischen Bemühungen<br />
von Architekten, Planern und Einrichtern<br />
um ein Arbeitsumfeld, das psychische<br />
Belastungen auffängt oder zumindest<br />
nicht weiter erhöht, nicht ausreichen.<br />
Dazu tragen zwei Grundfehler bei. Erstens<br />
zielen funktionale Architektenplanung<br />
und Ergonomie im Grunde auf eine<br />
Art „Modell-Menschen“ – ein genormtes<br />
Wunderwesen, das psychisch und physisch<br />
permanent auf der Höhe ist. In der Praxis<br />
haben wir es dagegen mit chronisch gestressten<br />
Alltagspersonen zu tun. Zweitens<br />
werden die psychischen Grundbedürfnisse<br />
des Menschen – wie das Bedürfnis nach<br />
Sicherheit – bei der Büroplanung bis jetzt<br />
mehrheitlich keineswegs ausreichend beachtet.<br />
Durchsichtiger Fußboden: für das Unbewusste<br />
eine subliminale Bedrohung<br />
Psychoergonomische Büros<br />
Welche Richtlinien ergeben sich daraus<br />
für Büros? Psychoergonomische Bürogestaltung<br />
sollte unter anderem folgendes<br />
bieten: Schutz vor unbewusst angenommenen,<br />
„assoziativen“ oder symbolischen<br />
Gefahren, intelligente Ordnungssysteme,<br />
Beleuchtung ohne Blendung, Naturelemente,<br />
eine gewisse Balance zwischen hell<br />
und dunkel, schwer und leicht, hart und<br />
weich sowie atmosphärische Frische. Assoziative<br />
Gefahren bestehen beispielsweise<br />
dann, wenn Arbeitnehmer mit dem Rücken<br />
zu einem Raum oder Verkehrsweg<br />
sitzen, ohne sich durch einen zumindest<br />
minimalen Rückenschutz instinktiv von<br />
hinten geschützt zu fühlen.<br />
Andere assoziative Gefahren können<br />
unbewusst durch auffällige spitze Wandkanten<br />
auftreten, oder durch Sitzpositionen,<br />
von denen die Tür nicht eingesehen<br />
werden kann, oder durch Konferenzräume<br />
mit Glaswänden, in denen die Menschen<br />
„ausgeliefert“ und „angreifbar“ sind,<br />
oder durch Verkehrswege und Treppen<br />
aus Glas oder Gitterstahl. Unbewusste<br />
symbolische Gefahren sind bereits Dekora-<br />
Oben: Aus den Grundängsten lassen sich individuelle Konsequenzen<br />
für die Arbeitsplatzgestaltung ziehen<br />
Links: Die Spitze Hauskante wird vom Unbewussten als assoziative Gefahr<br />
interpretiert<br />
50 industrieBAU 5/07<br />
Grafiken: Lipczinsky & Boerner Konstanz