10 SCHWERPUNKTEwendungssituation in Erinnerung ruft, Situationen,in denen man von ihnen gehört oder mitihnen gearbeitet hat. Mit dem Fehlen der Verknüpfungan konkrete Situationen lässt sich dieoft beobachtete Schwierigkeit der Lernendenerklären, in der Schule erworbenes Wissen aufeine Situation in der Praxis zu transferieren. Ofterinnern sich Lernende deshalb nicht an etwasin der Schule Gelerntes, weil die Anwendungssituationwenig Ähnlichkeit mit der ursprünglichenLernsituation hat.Bildungsplan an Realität orientiertAufgrund dieser Erkenntnisse gründet der Bildungsplannach Ko-Re-<strong>Modell</strong> auf konkretenSituationen und baut nicht auf Theorien und<strong>Modell</strong>en auf. Reale Situationen sind vollständigund weisen eine grosse Komplexität auf,während Theorien und <strong>Modell</strong>e immer nureinen Teil der Realität abzubilden vermögen.<strong>Das</strong> in Form von Theorien und <strong>Modell</strong>en vermittelteWissen eignet sich deshalb nur selten alsGrundlage für die Ableitung von Handlungsplänen.Der Entwurf einer Handlung in der Praxiswird immer von konkreten Erfahrungen mitähnlichen Situationen geleitet. Erst im zweitenSchritt, wenn die Handlung entworfen ist, könnenTheorien und <strong>Modell</strong>e genutzt werden, umzu reflektieren, ob der Entwurf in dieser Situationüberhaupt sinnvoll ist oder nicht.Im Lernverständnis des Ko-Re-<strong>Modell</strong>s verändertsich im Laufe der Ausbildung das Verhältnisvon deklarativem und situativem Wissen.Zu Beginn der Ausbildung, wenn die Lernendennoch über wenig situatives Wissen verfügen,steht das deklarative Wissen im Vordergrund.Anfängerinnen und Anfänger benötigen diesesWissen, um ihr Vorgehen bewusst zu planen. Indiesem Stadium der Ausbildung ist das deklarativeWissen somit handlungsleitend. Es gibtden Anfängerinnen und Anfängern den nötigenHalt, damit sie eine Situation befriedigendbewältigen und Erfahrungen sammeln können.Wichtig ist dabei, den Anfängerinnen und Anfängernadäquate Situationen zu schaffen.Bei fortgeschrittener Ausbildung rückt das situativeWissen in den Vordergrund. DeklarativesWissen wird von Expertinnen und Experten nurnoch zur Reflexion eingesetzt, also um zu überprüfen,ob eine Handlung nicht irgendwelchenGrundsätzen zuwiderläuft. Der Handlungsentwurfbasiert jedoch auf dem situativen Wissen.<strong>Ressourcen</strong> als GrundlageWas bedeuten diese Ausführungen nun aber fürdas Lernen einerseits und das Lehren andererseitsin der FaGe-Ausbildung? Nehmen wirals Beispiel die folgende typische Situation ausdem Kompetenzbereich “MedizinaltechnischeVerrichtungen“, wie sie im Ausbildungshandbuchbeschrieben ist:„Die Fachfrau <strong>Gesundheit</strong> Sengül Yldiz betreutHerrn Tschudin, 25-jährig, bei welchem nacheinem kleinen Eingriff eine Infusion verordnetwurde. Sengül Yldiz stellt die Infusion bereit.Danach geht sie zu Herrn Tschudin, um sie zuwechseln. Sengül Yldiz überprüft die Eintrittsstelleder Infusion auf Schwellungen und Rötungen.Da sie keine Schwellung oder Rötungentlang der Vene entdeckt, schliesst sie die Infusionan, stellt die Laufzeit ein und vergewissertsich, dass die Infusion ohne Probleme in dieVene infundiert wird. Sie bittet Herrn Tschudin,sich zu melden, falls er Beschwerden verspürensollte.“Diese Situation soll die Lernenden beim Erwerbder beruflichen Kompetenz „Sie/Er richtet undverabreicht Infusionen ohne medikamentöseZusätze bei bestehendem peripher venösemZugang. Sie/Er bedient Infusionspumpen“ unterstützen.Um diese Kompetenz zu erwerben,müssen die Lernenden sich wie bereits erwähntzunächst die zugehörigen <strong>Ressourcen</strong> aneignen,die verschiedenen Bereichen zugeordnetsind.In unserer Beispielsituation lernen die angehendenFaGe im Bereich „Normen und Regeln“etwa Hygienerichtlinien und betriebliche Vorgabenkennen. Als „Externe <strong>Ressourcen</strong>“ müssen
SCHWERPUNKTE11ihnen u. a. das Infusionssystem mit Pumpe undZubehör, das Dokumentationssystem und dieVerordnung zur Verfügung stehen. Im Bereich„Kenntnisse“ lernen die FaGe u.a., welcheGefahren und Komplikationen bei der Infusionstherapiebestehen und eignen sich Wissenzu den Eigenschaften der Mikroorganismen an.Die Durchführung der Händedesinfektion, dieVorbereitungsarbeiten und das Verabreichenvon Infusionen gehören zum Beispiel in denBereich „Fähigkeiten“. Eine zentrale Stellunghat die Ressource „Haltungen“. Die angehendenBerufsleute werden für die adäquaten Einstellungen,die für das erfolgreiche Meistern vonkonkreten Berufssituationen zentral sind, sensibilisiertund darin unterstützt, eine korrekteGrundhaltung als Berufsfrau/-mann zu entwickeln.In unserem Beispiel geht es darum, dassdie angehenden FaGe etwa lernen, ihr Handelnden Anliegen und Bedürfnissen der Klientinnenund Klienten anzupassen und sorgfältig mitden Materialien umzugehen.Damit die Lernenden befähigt werden, diebeschriebene Situation zu bewältigen, reicht esnicht, lediglich die <strong>Ressourcen</strong> zu vermitteln.Die Lernenden müssen unterstützt und dabeigefördert werden, die <strong>Ressourcen</strong> situationsgerecht,kombiniert und korrekt einzusetzen.Zusammenspiel der LernorteDen FaGe-Lernenden stehen in der Berufsfachschule,im überbetrieblichen Kurs und imBetrieb unterschiedliche Lernmöglichkeitenzur Verfügung. Jeder Lernort hat seine Ausbildungsschwerpunkteund Besonderheitenund trägt auf seine Weise zum Aufbau der fürdie berufliche Handlungsfähigkeit benötigten<strong>Ressourcen</strong> bei. An der Ressource „Haltungen“arbeiten beispielsweise alle Lernorte gleichermassen.Im Lernort Betrieb liegt der Ausbildungsschwerpunkthauptsächlich beim Können, beider beruflichen Fertigkeit und beim Zusammenwirkenvon Wissen, Können und Haltung.In der Praxis wird berufliche Kompetenz stufenweiseaufgebaut: Nach dem Kennenlernender <strong>Ressourcen</strong> werden unter Anleitung undBegleitung von Fachpersonen erste Handlungsschritteausgeführt. Allmählich übernehmendie Lernenden grössere Teile der Handlungen,bis sie die komplette Situation unter Aufsichtselbständig ausführen können. Als letzterSchritt gilt das selbständige Ausführen der Situationim Rahmen der Vorgaben des Betriebs.Die Fortschritte der Lernenden werden in einerLerndokumentation festgehalten. Dies erlaubteine Kontrolle und eine vertiefte Reflexion desLernprozesses.Der Überbetriebliche Kurs ÜK ergänzt diepraktische Ausbildung. Hier werden Ausbildungsinhalteerarbeitet, die in der Praxis, inden einzelnen Betrieben, nur unter grossemAufwand geschult werden könnten. Der ÜKist als „simulierter Ernstfall“ zu verstehen, alsLaborsituation, die den angehenden Berufsleutendie Auseinandersetzung mit den verschiedenenBerufssituationen ermöglicht. Unter derBegleitung von ÜK-Lehrpersonen können sichdie Lernenden auf ihre breitgefächerten Aufgabenin der Praxis vorbereiten. Im Vordergrundstehen die <strong>Ressourcen</strong>bereiche „Fähigkeiten“und „Haltungen“.