Widerstand gegen das NS-Regime in den Regionen ... - Stolpersteine
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und se<strong>in</strong>e Frau Paula zu jeweils zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis<br />
verurteilt. 75 Im Kern warf <strong>das</strong> Gericht <strong>den</strong> Eheleuten vor, ihren Familien<strong>in</strong>teressen<br />
größere Bedeutung beigemessen zu haben als <strong>den</strong> politischen Forderungen<br />
der <strong>NS</strong>DAP. Beide waren bereits 1931 der Partei beigetreten, obwohl<br />
<strong>in</strong> ihrem Haushalt vier »halbjüdische« K<strong>in</strong>der aus e<strong>in</strong>er früheren Ehe von<br />
Paula Ruhnstruck lebten. Schien dieser Umstand bislang nicht weiter <strong>in</strong>s<br />
Gewicht zu fallen, wurde er nach 1933 mehr und mehr zu e<strong>in</strong>em Politikum.<br />
Auf die persönliche Anweisung des Reichsstatthalters verfügte <strong>das</strong> zuständige<br />
Gaugericht 1934 die Nichtigkeit der Parteimitgliedschaft und hob damit<br />
sogar e<strong>in</strong>e Entscheidung des Obersten Parteigerichts zugunsten der Familie<br />
Ruhnstruck auf.<br />
Durch diese e<strong>in</strong>schnei<strong>den</strong>de Erfahrung <strong>in</strong> Gegnerschaft zur <strong>NS</strong>DAP getrieben,<br />
machten die Eheleute ihrem Ärger wiederholt <strong>in</strong> regimefe<strong>in</strong>dlichen<br />
Äußerungen Luft. So plädierte die Ehefrau u.a. dafür, <strong>das</strong>s man Hitler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />
Käfig sperren und von Ort zu Ort fahren müsse, wo er von jedermann so lange<br />
geschlagen wer<strong>den</strong> dürfe, bis ke<strong>in</strong> Fleisch mehr auf se<strong>in</strong>en Knochen sei. Ihr<br />
Mann fragte wiederum e<strong>in</strong>e adlige Bekannte im Scherz, ob sie wisse, <strong>das</strong>s der<br />
Reichsstatthalter e<strong>in</strong>en neuen Namen bekommen habe, »nämlich Friedrich<br />
Bl<strong>in</strong>ddarm, <strong>den</strong>n er sei immer so gereizt und völlig überflüssig«. 76<br />
Zur Begründung für die überhöhten Freiheitsstrafen heißt es <strong>in</strong> dem Schwer<strong>in</strong>er<br />
Urteil, <strong>das</strong>s die Äußerung mit dem Käfig »so aus dem Rahmen der<br />
gewöhnlichen staatsfe<strong>in</strong>dlichen Äußerungen« falle, <strong>das</strong>s alle<strong>in</strong> dafür bereits<br />
zwei Jahre Gefängnis verhängt wer<strong>den</strong> mussten.<br />
Das seit der »Verreichlichung der Justiz« 1935 alle<strong>in</strong> zuständige Reichsjustizm<strong>in</strong>isterium<br />
sah auch nach der Beendigung der »nationalsozialistischen<br />
Revolution« ke<strong>in</strong>e Veranlassung, die Ausnahmegerichte abzuschaffen. Stattdessen<br />
erweiterte es laufend ihre Kompetenz.<br />
Ab 1938 wur<strong>den</strong> die Sondergerichte auch zur Bekämpfung unpolitischer<br />
Verbrechen e<strong>in</strong>gesetzt. Auf dem Wege e<strong>in</strong>er neuerlichen Verordnung wur<strong>den</strong><br />
die Staatsanwaltschaften ermächtigt, bei Verbrechen, die zur Zuständigkeit der<br />
Land- und Amtsgerichte gehörten, Anklage vor dem Sondergericht zu erheben,<br />
wenn »mit Rücksicht auf die Schwere oder die Verwerflichkeit der Tat oder<br />
die <strong>in</strong> der Öffentlichkeit hervorgerufene Erregung die sofortige Aburteilung<br />
durch <strong>das</strong> Sondergericht geboten ist«. 77<br />
75 Urteil vom 16. Juni 1936, <strong>in</strong>: LHAS, 5.12.-6/4/62, Bl. 95 ff.<br />
76 Ebenda, Bl. 107.<br />
77 Siehe Verordnung über die Erweiterung der Zuständigkeit der Sondergerichte. Vom 20. November<br />
1938, <strong>in</strong>: RGBl I, Nr. 195 vom 21. November 1938, S. 1632.<br />
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